Sineds Morgenlied Harfe! steig nieder. Der Tag erwachet. Sein Aug Blicket aus Osten auf dich. Hörst du der Schwalbe Geschäft? Sie lobet schon lang' Oben am Giebel das Licht. Hörst du den Morgenhauch In dem Gezweig' umher? Harfe! steig nieder zu mir, begleite mein Lied! Rein ist das Obergewölb der Schöpfung und blau, Kühl ist der Odem der Luft. Dünn ist der Schleier von Duft, der über der Flur Trächtigem Busen sich dehnt. Bunt ist der frische Thau, Der durch den Schleier blitzt. Hold ist der Morgen, und hold auch, Barde! für dich. Als dich noch gestern zu Nacht dein Lager umfing, Warst du des Morgens gewiß? Konnte dein Leben nicht gleich der Rose verblüh'n, Die sich nun nimmer erneut? Aber Allvaters Huld Läßt dich auch heute noch Trinken vom Strome der Lust, der alles berauscht. Höre die Barden der Luft! 1 Der niedrige Busch, Und der hochragende Wald, Aecker und Ufer und Sumpf, und Hütten und Stadt Senden ihr Danklied empor. Höre der Heerden Dank, Der sich aus wäßrigen Thälern, von grasiger Trift, vom Hügel erhebt. Höre den Pflüger. Dem Mund entströmet ein Lied, So wie der Saamen der Hand. Höre den Hirten. Sein Rohr bläst Freuden in's Land. Höre den Winzer. Er singt. Höre des Hornes Schall, Welches der Waidmann weckt. Höre den Morgengesang der Söhne der Schlacht! Geber des Morgens! auch ich, ich menge mein Lied In die erwachte Natur, Ich dein geringstes Geschöpf! So thaut ein Gewölk Einen der Tropfen in's Meer. Höre den frühen Dank, Den dir mein Harfenspiel, Den dir der lodernde Geist des Barden empört. 2 Dein sind die Wunder, womit der Morgen sich schmückt, Mittag und Abend sich schmückt. Dein ist der Tag und die Nacht. Du winktest: Sie geh'n. Winkest einst wieder: Sie steh'n. O so verschmäh' es nicht, Wenn dir dein Sänger weiht, Was er aus Gnade von dir, Allvater! geneußt. Dein sey der heutige Tag. Dein wachendes Aug, Das mir den Busen durchschaut, Sehe kein steigend Gewölk von niedriger Lust, Keines von schnöder Begier. Ueber sein still Gesicht Schwelle kein brausender Hochmuth, und kreuze kein Blitz des Zornes vor dir! Dein sey mein Denken, und dein sey jeglicher Trieb, Der mir im Herzen erwacht. Reift der Gedanke, der Trieb zur Stimme, zur That. Dein sey die Stimme, die That. Du hast den Baum gepflanzt, Wären die Früchte nun, Die er, gepflogen von dir, erzeuget, nicht dein? Laß ihn auch schatten den Baum, gepflanzet von dir, Schatten, gepflogen von dir; Daß ihn der Wandrer und Hirt erkiese zu ruh'n, Wenn sich der Mittag entflammt. Gib mir die seligste Wollust auch heut, wie du, Meinem Geschlechte zu Rath und Hilfe zu seyn! Säß' ich auch denkend, und schwöll' ein rühmliches Lied Hoch mir im Busen, und itzt Führ' ich zur Harfe, da trät' ein Jüngling zu mir Lehrbedürftig heran; Laß mich den Durst nach Ruhm, Welcher im Liede wohnt, Dämpfen, ein Leiter und Aug der Jugend zu seyn. Strecke den schirmenden Arm, Allvater! auch heut Ueber die Mutter des Volks, Ueber Theresien aus. Sie sehe der Tag Wieder dir gleicher durch Huld. Ueber den Heldenfreund Joseph erhelle sich, So wie der Morgen, der Ruhm im Erbe von Teut. Lenke die Männer des Raths, Allweiser! auch heut, Lenke die Männer des Rechts, Lenke die Lehrer des Volks, daß keinen sein Herz Einstens verklage vor dir. Trockne der leidenden Unschuld die Thränen heut. Höre die Stimme der Noth, Erbarmer! und hilf! Also beginn' ich den Tag, Allvater! vor dir! Ist es mein letzter, wohlan! Nimm ihn den betenden Geist. Du schufst ihn. Und nimm, Erde! du gabst ihn, den Leib. Aber ergötzet mich Nochmal ein Abendroth, O dann erhebt sich mein Dank auf Schwingen des Wests. Fußnoten 1 Die Vögel. 2 d.h. emporsendet.