Entstehen des Liedes Laß ab, o Freund! von mir ein Lied zu fodern! So werden Lieder nicht. Ha, gieb mir Regen, wenn des Himmels Antlitz Kein einzig Wölkchen trübt! Dort überm Rheine nimmt ein fremder Sänger Dir jeden Inhalt auf, Und wälzt ihn tagelang vor seinem Geiste, Und flammt sich künstlich an; Und wacht in Nächten, läuft in Morgenstunden Die Fluren auf und ab; Entwirft, verändert, schaltet ein, und zeichnet, Und tilgt es wieder aus, Bis endlich ihm nach manchen Tageschichten Sein Werk vollendet scheint. Freund, nimm es hin! Was hat er dir gegeben? Ein feines, kaltes Lied. Nicht so der Barde! Niemal sucht er Lieder. Die Lieder suchen ihn. Schießt Feuerstralen ihm ein Stoff entgegen, Dann flammt das Herz ihm auf; Dann pocht es ihm, und dränget allgewaltig, Und läßt ihn nimmer ruhn. Er gleichet einem übereilten Hirschen, In dem der Jagdpfeil steckt. Nicht bis herab vom kältlichen Verstande Der Schlüsse Kette schleppt, Nein! bis herauf vom Bardenliedersitze, Vom Herzen, Sang erbraust. Und wollten Lippen diesem Sange wehren, O Freund! sie könnten nicht. Die Winde rissen ihn, vielleicht verstümmelt, Doch weg ihn rissen sie! Trifft aber ihm von einem Gegenstande Kein Feuerstral das Herz, Und schien' er andern Augen noch so wichtig, Und noch so liederwerth; Vergib, o Freund! Es lodert nichts hierinnen, Es pocht und dränget nichts. Wie gäb' es Regen, wenn des Himmels Antlitz Kein einzig Wölkchen trübt? Du sagest! Forsche, prüfe, sinn', erfinde! – Freund, noch einmal! Vergib! Kann das ein Barde? – Freundschaft ist mir theuer, Doch theuer auch der Ruhm!