Wiegenlied Sey willkommen, holder Engel! In der ersten Lebensblüthe. Kleines, allerliebstes Wesen! Sey dem Freunde deines Vaters Tausend, tausendmal willkommen! Edler Hauch der Gottheit! lerne Deiner zarten Körperhülle Nach und nach dich zu gewöhnen! Blicke bald nach deiner Mutter, Die auf deinen Wangen lächelt: Blicke bald nach deinem Vater, Der in deinem Auge lebet; Schmiege dich bald an den weichen Busen, dem du dich entwandest, Und umschling mit frohem Stammeln Deiner Mutter sanften Nacken. Wann nun dein bemühter Vater Dem Gedränge seiner Pflichten Auf ein Weilchen nur entschlüpfet, Und sich deiner Mutter nahend Dich von ihrem Halse fodert, Damal sträube dich ein wenig (Denn dieß müßen junge Schönen), Bis er mit Gewalt dich raubet. Aber dann, o Engel! küß' ihm Seine männlichbraunen Wangen, Küß' ihm weg den Philosophen, Küß' ihm weg den Staatsgelehrten, Küß' ihm alles aus der Seele, Was ihm noch vom Krieger anhängt, Daß er nichts als Vater bleibe. – Doch ich singe schon zu lange. Du beginnest einzuschlummern. Sollte dieß mein Liedchen wirken? – Ja! dieß wirken manche Lieder. – Schlumm're süß, mein holder Engel!