Die zweite Reise 1 Wo ist der Sohn Theresien's? o Kaiserstadt! Wo ist dein Herrscher? Wölke dein thürmend Haupt, Aus deinen blauen Düften höre, Was dir vom heiligen Eichenhaine Der Barde Joseph's (Wag' ich den herrlichsten Der Namen unter Barden? Gefährlich ist Der Reiz dem Einzigen zu folgen! Aber zu mächtig! – Er sei gewaget!) Der Barde Joseph's tönet: Hier oben ist Der Thaten Joseph's unübersehliche, Wie Sonnen, helle Bahn gezeichnet. Frühe begann er die Bahn zu wandeln, Je That auf That erhab'ner. Italien Liegt noch im süßen Taumel. Es küsset noch Des göttergleichen Fürsten Spuren, Und schon erschallen der Markomannen Und Quaden 2 Hügel, dienstbar sie selber einst Den Ahnen Joseph's, von der Begeisterung Des tiefgereihten Brennenheeres, Welches den kommenden Herrscher grüßet. Er, jeder großen Gabe Bewunderer, Er hatte schon den weisen Gebieter 3 , der Am Apennin die Völker weidend Friedsam und furchtbar ist, aufgesuchet. Nun eilt er auch den Wünschen des mächtigen, Des unbezwung'nen Helden 4 , der, weit umringt Von seinen Starken, an der Spree In dem Gewande der Ehre stralet, Erkämpft in rothen Feldern, ein Bardenfreund, Und Barde selber 5 – aber den gallischen Gesängen holder! – und des Kieles So, wie der Klinge gewöhnt, entgegen. Zween Kriege, leichenträchtig, verderbenvoll, – Wir Männer denken's! – kriegete Friederich Mit Josephs Mutter (denn er hatte, Nie sie gesehen) und Heldenbräute Vergossen zweimal Thränen, und Jünglinge Beschwuren zweimal über der Väter Grab Des Todes Rache, deutsche Flüße Trübten sich zweimal in deutschem Blute. Nun wirft die Großmuth auf das Vergangene Den himmelreinen Schleier. Die Fürsten stehn, Zwo Sonnen, die der Mittag 6 scheidet, Sehen sich Ewigkeit an der Stirne; Und Einer ehret, was ihn verewiget, Am And'ren, einer schließet dem Anderen Sein großes Herz auf. Freundschaft strömet Von der Gebieter erhitzten Lippen. So stand vor Siegmar'n Herrmann 7 . Des Jünglings Aug' Verrieth dem grauen Helden den künftigen Vernichter stolzer Legionen, Und den Zerbrecher der fremden Feßeln. O könnten meine Saiten die Kinder Teut's Von allen Enden wecken! Sie sollten mir Den hohen, ahnungsvollen Anblick Tief in erregtester Seele feiern, Die Stelle zeichnen, wo sich umarmeten Die Größten Deutschlands, Joseph und Friederich, Hin Eichen pflanzen, daß die spät'sten Enkel im Schatten sich dieß erzählten! Und, Feinde Deutschlands! häufet nicht Dunkel sich Um euer schielend Auge? verschwindet nicht Auf List und Trug gebautes Hoffen, Wenn sich mit mächtig erhob'nem Arme Den Bund der Freundschaft Joseph und Friederich Beschwören? – O so wartet ein Saitenspiel Herabgestimmt zu Todestönen Euer an einer verdorrten Eiche! Fußnoten 1 Nach Schlesien, 1769. 2 Die alten Bewohner Mährens und Schlesiens. 3 Den König von Sardinien. 4 Des Königs von Preußen. 5 Man kennt die Poésies diverses. 6 Die Mitte des menschlichen Alters. 7 Diese zwei deutschen Helden kann man am beßten aus Herrmanns Schlacht von Klopstock kennen lernen. –