6. O Meer, o heil'ges Meer! Nach deiner Frische, Nach deinem Frieden lechzet meine Seele: So schreit um Wasser durch die Nacht der Büsche Der Hindin trockne, todes-wunde Kehle. Mich widert's an, der Täler und der Berge Abwechselnd' Spiel und ew'ge Einerleiheit! Wer rettet mich aus diesem Bann der Zwerge In dein Asyl, du Element der Freiheit? Wo aus der Brandung jauchzendem Gebrülle Allnächtlich ihre Hymnen aufwärts fliegen, Wo einst, des Zwanges ledig und der Hülle, Die Schönheit selber nackt emporgestiegen! Was ist das Land und seine kurzen Lenze, Die Wind und Frost in einer Nacht verjagen, Was Nachtigallen, die um welke Kränze Und um mißwachsne Blumen einsam klagen? Auch du trägst Blüten, blendender als diese, Die schaumgekrönten Wipfel deiner Wogen, Im Sonnenlicht grünt ewig deine Wiese, Begrenzt nur von des Himmels blauem Bogen. Dir reißt den Schoß, den heiligen der Mutter, Kein Eisen auf, habgierig drin zu wühlen, Für irdisch Rindvieh bietest du kein Futter Und darfst der Sohle eklen Tritt nicht fühlen. Dich hemmt des Eises Joch nicht und der Brücken, Der Dämme lachst du, will dein Zorn erwachen, Doch schaukelst du auf deinem freien Rücken Den freien Mann im kecken Schiffer-Nachen. O Meer, o Meer! durch deiner Blüten Mitte An grünen Hügeln jach emporzuklimmen, Im Arm und Kuß der weichen Amphitrite Den hüpfenden Delphinen nachzuschwimmen, Weil unten aus dem Abgrunds klarem Düster Des Ew'gen Auge auf uns starrt und leuchtet, Und zügelloser Wellenrosse Nüster Mit weißem Schaum uns Haupt und Nacken feuchtet: Das nenn' ich Lust und Kampf und Sieg und Leben, Das gute Rast, wann spät im Abenddunkeln Die Segel hochgebläht zum Hafen schweben, Die Ruder all', umsprüht von hellem Funkeln. Meer, heil'ges Meer! Dir send' ich diese Grüße, Um dich, verlornes, klagen diese Lieder; Nur einmal noch, bevor ich scheiden müsse, Zeig Gottes Spiegel mir, dein Antlitz, wieder!