22. Des Scheidens Angstruf ist von meinem Munde Verbannt und längst zerrissen das Gewebe Der trügerischen Träume; doch ich bebe, O Mutter Erde, vor der letzten Stunde. Ich bin geknickt in meinem letzten Stolze, Weil du zurückverlangst, was dir entsprossen; Weil du den Keim, der langsam aufgeschossen, Langsam verderben mußt in faulem Holze; Weil du die kalte Form in lose Fetzen Zerlegst, den welken Körper, keusch verhüllt; Weil Zorn und Scham, weil Grausen mich erfüllt Vor eines Grabes Ekel und Entsetzen; Und weil ich – o des namenlosen Jammers! – An jene denke, die man fortgetragen, Als, nach den Donnerschlägen eines Hammers, Sie dennoch ruhig auf den Spänen lagen Und endlich aus der Ohnmacht sich erhuben, Nachdem die Stricke schon emporgeflogen, Nachdem der Schaufeln Arbeit schon vollzogen, Und dann die Nägel in die Särge gruben. – Ich will nicht weiter sinnen. – Sei zerstört, Bild der Verzweiflung, kehre niemals wieder! – Ich lege Pinsel und Palette nieder, Wenn mein Gedanke dich heraufbeschwört. Entweiche, grauenhafter Gast, vor dessen Gorgonen-Antlitz meine Pulse stocken! Verschlinge, Grab, die hingeworfnen Brocken Nur dann, wenn sie von Fäulnis angefressen! Es wäre besser, himmelan zu lodern, Gereinigt und vertilgt durch Feuerbrände, Statt eingesperrt in eines Sarges Wände In feuchter Erde langsam zu vermodern. Gemildert wird des Scheidens Bitterkeit, Der Hinterbliebnen Schmerz, wenn Ueberreste Der Menschen in dem ew'gen Schöpfungsfeste Verbrennen, von der Erde Last befreit. Es mag die Nachwelt ihre Toten taufen, Wie sichs allein gebührt, im Flammenbade; Denn eines reinen Glaubens letzte Gnade Ist nicht das Grab, es ist der Scheiterhaufen.