Am zweiundzwanzigsten Sonntage nach Pfingsten Ev.: Vom kranken Sohne des Königleins. Das Königlein sprach: »Herr! komm doch hinab, ehe denn mein Sohn stirbt!« Jesus sprach: »Gehe hin, dein Sohn lebt.« Und der Mensch glaubte dem Worte, und ging hin. Der Sonnenstrahl, ein goldner Spieß, Prallt von des Sees kristallnen Flächen Und fahrend gen den Marmorflies Palastes Mauern will durchstechen. Auf seidnen Polstern windet sich, Die magern Ärmchen ringt das Kind; Und eine Träne bitterlich Noch möchte aus dem Auge lind, Dem halberstarrten, brechen. Schon hat der Tod die Hand gelegt Auf seine Beute ohn' Erbarmen; Doch ob er Eis zum Herzen trägt: Noch schmilzt im Blutstrom es, dem warmen. O Jugend! Jugend! wie so fest Hast du verstrickt das Leben dir, Wie sich das Schlinggewächse preßt Mit Wurzeln dort und Fasern hier, Als vielen tausend Armen. O Anblick, stärker als ein Weib, Das Wachen, Angst und Kummer nagen! Betäubt und schwer, gleich totem Leib, Hat man die Fürstin fortgetragen. Noch weilt der Vater, wenn ein Sklav' Des Bornes frische Labung reicht, Mit zitternd kalter Hand den Schlaf Des Kindes streicht er sacht und feucht Und flüstert leise Fragen. Wer wagt sich an des Fürsten Ohr? Menipp, der Jüngling aus Euböa. »Herr,« keucht er, »hebt den Blick empor! Herr, der Prophete aus Judäa, Von dem das ganze Land erfüllt, Er kömmt, er naht Kapharnaum; Und wie aus hundert Adern quillt Entgegen ihm und nach und um Ein Glutstrom Galiläa.« »Sind denn die alten Götter tot, So müssen wir die neuen wahren. Es sei, es sei und meine Not Mag sich dem Volke offenbaren!« Die Rosse stampfen, einmal schaut Der Vater auf sein sterbend Kind, Und nun voran! »Was rauscht so laut, Was streicht am Berge wie ein Wind?« »Herr! des Propheten Scharen!« O wie die Angst den Stolz zerbricht! Demütig, zitternd als zur Frone, Er weiß es nicht, zu wem er spricht, Doch wie der Sklave vor dem Throne Gebrochen steht der reiche Mann. Die bleiche Lippe zuckt vor Schmerz, Und heißer, als das Wort es kann, Viel heißer fleht das bange Herz: »Hilf Rabbi meinem Sohne!« Ein Murmeln durch die Masse geht, Erwartend sich die Wangen färben, »Wenn ihr nicht Wunderzeichen seht, Dann muß der Zweifel euch verderben.« So spricht der Heiland abgewandt: Unwillig rauscht es in dem Kreis; Doch angstvoll hebt sich eine Hand, Und wie ein Seufzer quillt es leis: »Rabbi, mein Sohn will sterben!« Du hast geglaubt, und wärst du arm Wie Irus, ach was dich nur quäle, Du wahrhaft Reicher, liebewarm Hast einen Schatz, den keiner zähle, O der in dir, als alles brach, Es machen konnte froh und still! Hat er gehört mich, als ich sprach: Herr, meine Seele sterben will, O Herr hilf meiner Seele!