Volksglauben in den Pyrenäen 1. Silvesterfei Der morsche Tag ist eingesunken, Sein Auge, gläsern, kalt und leer, Barg keines Taues linden Funken Für den gebräunten Eppich mehr. Wie's draußen schauert! – längs der Wand Ruschelt das Mäuslein unterm Halme, Und langsam sprießt des Eises Palme Am Scheibenrand. In tiefer Nacht wem soll noch frommen Am Simse dort der Lampe Strahl? Da schon des Herdes Scheit verglommen, Welch späten Gastes harrt das Mahl? Längst hat im Turme zu Escout Die Glocke zwölfmal angeschlagen, Und glitzernd sinkt der Himmelswagen Dem Pole zu. Durch jener Kammer dünne Barren Ziehn Odemzüge, traumbeschwert, Ein Ruck mitunter auch, ein Knarren, Wenn sich im Bett der Schläfer kehrt; Und nur ein leiser Husten wacht, Kein Traum die Mutter hält befangen, Sie kann nicht schlafen in der langen Silvesternacht. Jetzt ist die Zeit, wo, los' und schleichend, Die Fei sich durch die Ritze schlingt, Mit langer Schlepp' den Estrich streichend, Das Schicksal in die Häuser bringt, An ihrer Hand das Glück, Gewind' Und Ros' im Lockenhaar, ein schlankes, Das Mißgeschick ein fieberkrankes, Ein weinend Kind. Und trifft sie alles recht zu Danke Geordnet von der Frauen Hand, Dann nippt vom Mahle wohl das schlanke, Und läßt auch wohl ein heimlich Pfand; Doch sollt' ein Frevler lauschen, risch, Im Hui, zerstoben ist die Szene, Und scheidend fällt des Unglücks Träne Auf Herd und Tisch. O, keine Bearnerin wird's wagen, Zu stehn am Astloch, lieber wird Ein Tuch sie um die Augen schlagen, Wenn durch den Spalt die Lampe flirrt; Manon auch drückt die Wimper zu, Und zupft an der Gardine Linnen, Doch immer, immer läßt das Sinnen Ihr keine Ruh'. Ward glatt das Leilach auch gebreitet? Hat hell der Becher auch geblinkt? Ob jetzt das Glück zum Tische gleitet, Ein Bröcklein nascht, ein Tröpflein trinkt? Oft glaubt sie zarter Stimmen Hauch, Verschämtes Trippeln oft zu hören, Und dann am Brode leises Stören Und Knuspern auch. Sie horcht und horcht – das war ein Schlüpfen! Doch nein – der Wind die Föhren schwellt. Und das – am Flur ein schwaches Hüpfen, Wie wenn zum Grund die Krume fällt! »Eugène, was wirfst du dich umher, Was soll denn dies Gedehn' und Ziehen? Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen! Er träumt so schwer.« Sie rückt das Kind an ihrer Seiten, Den Knaben, dicht zu sich heran, Läßt durch sein Haar die Finger gleiten, Es hangen Schweißes Tropfen dran; Erschrocken öffnet sie das Aug', Will nach dem Fensterglase schauen, Da eben steigt das Morgengrauen, Ein trüber Rauch. Vom Lager fährt die Mutter, bebend Hat sie der Lampe Docht gehellt, Als, sachte überm Leilach schwebend, Ein Efeublatt zu Boden fällt. Das Glück! das ist des Glückes Spur! Doch nein, – sie pflückt' es ja dem Kinde, Und dort – nascht an der Semmelrinde Die Ratte nur. Und wieder aus der Kammer stehlen Sich Seufzer, halbbewußt Gestöhn; »O Christ, was mag dem Knaben fehlen! Eugène, wach auf, wach auf, Eugène! Du lieber Gott, ist so geschwind, Eh noch der Morgenstrahl entglommen, Das Unglück mir ins Haus gekommen Als krankes Kind!«