Am Montage in der Karwoche Ev.: Vom verdorrten Feigenbaume. Wie stehst du doch so dürr und kahl, Die trocknen Adern leer, O Feigenbaum! Ein Totenkranz von Blättern fahl Hängt rasselnd um dich her, Wie Wellenschaum; O Mensch! ich muß hier stehn, ich muß Dich grüßen mit dem Todesgruß, Daß du das Leben fassest, Es nicht entlassest. Wie halt' ich denn das Leben fest, Daß es mir nicht entrinnt, O Feigenbaum! O Mensch! der Wille ist das Best', Die wahre Treu' gewinnt. Hältst du im Zaum Die Hoffart und die Zweifelsucht, Die Lauheit auch in guter Zucht: Muß dir in diesem Treiben Das Leben bleiben. Wie bist du denn so völlig tot, So ganz und gar dahin, O Feigenbaum! O Mensch! wie üpp'ges Morgenrot Ließ ich mein Leben ziehn Am Erdensaum, Und weh! und dachte nicht der Frucht. Da hat mich Gott der Herr verflucht, Daß ich muß allem Leben Ein Zeugnis geben. Wer hat dir solches zubereit' Durch heimlichen Verrat, O Feigenbaum! O Mensch! des Herren Aug' sieht weit, Es sieht des Würmleins Pfad In Blattes Flaum; Ihm kannst du nichts entdecken, noch Entziehn, er sieht und weiß es doch; Es lag schon auf der Waage Am ersten Tage. Du starbest wohl vor langer Zeit, Weil du so dürr und leer, O Feigenbaum! O Mensch! des Herren Hand reicht weit, Und ist so schnell und schwer, Du siehst es kaum. Er nimmt dir seines Lebens Hauch: Du mußt vergehn wie Dunst und Rauch; Er braucht nicht Wort noch Stunden, Du bist verschwunden. Wo bleibt denn seine große Huld, Was fruchtet denn die Reu' O Feigenbaum! O Mensch! gedenk an deine Schuld, Gedenk an seine Treu'. Schau, in den Raum Hat er mich gnadenvoll gestellt, Daß ich durch seine weite Welt Aus meines Elends Tiefe Dir warnend riefe. Steht denn kein Hoffen mehr bei dir, Kein Hoffen in der Not, O Feigenbaum! O Mensch! kein Hoffen steht bei mir, Denn ich bin tot, bin tot! O Lebenstraum! Hätt' ich dein schweres Sein gefühlt, Hätt' ich nicht frech mit dir gespielt: Ich stände nicht gerichtet, Weh mir, vernichtet!