Albert Dulk Die Wände Eine politische Comödie in Einem Acte Personen Personen. Hans Volk. Theodor, sein Verwalter. Doctor Censur. Doctor Polisëi. Kriechel, Gewissensrath. Gensedarm, Chirurgus. Aufrecht, Volk's Freund. Chor der Wände. Diener. 1. Auftritt Erster Auftritt. Scene. Ein Zimmer mit Steinwänden, auf beiden Seiten Karyatiden. Hans Volk liegt in Decken gehüllt, eine Schlafmütze auf dem Haupte, auf einem Bette und schläft. Aufrecht und Kriechel im Gespräch. Aufrecht spricht durchgehends mit starker Stimme. Jammervoll und unverzeihlich! St! Nur still! Ich bitt' Euch, leiser! Volk in einer Irrenanstalt! Wecket nicht den schwer Erkrankten. Mußt' ich dazu lange Jahre, fern von Haus, in fremden Ländern Reisen, um nun in der Heimath – Stille nur! – Gott sorgt für Alle; Unser guter Volk befindet sich verhältnißmäßig trefflich. Trefflich, hier im Irrenhause? Mit wem hab' ich doch die Ehre? Joseph Kriechel, der Gewissensrath der Anstalt. Weßhalb hab' ich Keine Nachricht denn erhalten, als Herr Volk zuerst erkrankte? Bin ich nicht von frühster Jugend ihm der treuste Freund gewesen? Ich muß bitten, sprechet leiser. Darf ich jetzt vielleicht erfahren, Wie das Unglück sich begeben? Weil in der Familie Volk Seit undenklichen Äonen sich der Irrsinn erblich zeigte, Und Herr Theodor besorgte – sicher ist Herr Theodor, Einem Freund' des Herren Volk doch bekannt? Ich kenn' ihn leider, Diesen Schlemmer, dessen Väter sich bei Volkes seel'gen Vätern Eingenistet als Verwalter, sie beherrscht, gezwackt, betrogen, Wie es dieser thut bei Hansen. Heiland! Nimmer darf ich's dulden, Daß man unsern gottgesandten Herren Theodor verunglimpft, Der herabgeschickt vom Himmel hier erschien von Gottes Gnaden, Herren Hansens wahrzunehmen, ihn zu leiten, zu beglücken, Wie vor Zeiten seine Väter es mit Hansens Vätern thaten, Herren Theodor – Ich weiß es, daß von je die Theodore Bei den Volken als Verwalter angestellt und thätig waren. Angestellt von Gottes Gnaden, wie der Name schon verkündet. Meinetwegen glaubt den Unsinn; doch von Hansen sprecht mir weiter! Weil in der Familie Volk sich der Irrsinn erblich zeigte, Und Herr Theodor besorgte, daß Herr Hans darin verfallen Könnte, hat er wohlbedächtig, jedem Unheil vorzubeugen Ihn in diese Irrenanstalt frommen Sinnes hingeführt, Und dem hochgepries'nen Doctor Censur bestens anempfohlen. Der und Doctor Polisëi, sein College, gotterfüllet, Waren gleich bereit, ihr Leben zur Bewachung und zur Heilung Herren Volkes anzuwenden, ihn zu hegen und zu pflegen, Und mit rührender Entsagung widmen nun die edeln Herren Tag' und Nächte, Nächt' und Tage dem beschwerlichen Geschäft. Also nur aus der Besorgniß, daß man einst wahnsinnig werden Könnte, steckt man hier in's Tollhaus? Ihr vernahmt von der Geschichte Noch das Ende nicht. So redet. Die berühmten beiden Ärzte Untersuchten ihren Kranken als er ankam, und gewahrten, Daß er an der Hals- und Lungen-Schwindsucht fast unrettbar leide. Hans die Hals- und Lungen-Schwindsucht?! Hans mit seinem Stieresnacken, Hans, der mit der Stentorstimme ganze Meere übertönte? gähnt mit donnerndem Tone. Oooah – – will zu ihm. Laß an mein Herz dich drücken, bester Hans! Aufrecht fest haltend. Nicht von der Stelle! Wollt ihr meinen Kranken tödten? laßt ihn schlafen, nur die Ruhe Thut ihm wohl. An diesem Gähnen hab' ich meinen Hans erkannt. Laßt mich zu ihm! Nicht um alle Kostbarkeiten aller Welten! Laßt mich zu ihm! Herr, wir haben Douchen hier, Zwangsjacken, Peitschen, Alles was nur irgend nöthig, Widerspänstige zu zähmen. Redet leise, denn der Kranke schläft schon wieder. Soll ich glauben, Jener Ton, im halben Schlafe nur gegähnt, und doch so kräftig, Daß die Fensterscheiben klirrten, sei ein Schwindsuchtslaut gewesen? Dumpfes Röcheln war's, vielleicht das trübe Zeichen nahen Todes. Ist das wahr, so ist ein Kiesel das Symbol nahrhaften Brodes! Habt Ihr Medizin studiret, daß Ihr hier ein Urtheil waget? Jedermann kann unterscheiden, ob es nachtet, ob es taget. mit tiefster schläfrigster Baßstimme. Ruhig, ich will schlafen. Heißt das Röcheln? eilt zu Hans. O Herr Volk, bedenket, Daß ihr durch verbotnes Sprechen Euern Doctor Censur kränket. Euer Zustand ist gefährlich; Worte giebt es, die euch schaden. Wollt Ihr, unbedachtsam sprechend, größ're Krankheit auf Euch laden, Als ihr jetzo leidet? Ist es denn verboten, daß er spricht? Allerdings. Der Doctor Censur sagte, er erlaub' es nicht. Weil das Übel so beschaffen, daß gewisse Worte tödtlich Auf der Stelle wirken müssen, meint er, sei vielmehr es räthlich, Daß Herr Volk durchaus nicht spreche, wenn der Doctor nicht zugegen; Doch, tritt dieser ein, so läßt er auf das Bett 'ne Tafel legen, Und 'nen Griffel, und gestattet dann dem Herren Volk zu schreiben, Was er sagen will. Ihr sehet, wie beschwerlich solches Treiben, Doch es ist zu Volkes Bestem, und der Doctor unermüdlich. Ach, wie thut Herr Volk bisweilen auf der Tafel dann sich gütlich! Die gefährlichsten Gedanken, die verderblichsten der Worte Schreibt er eifrig mit dem Griffel, recht dem Doctor wie zum Torte; Aber der, mit mildem Lächeln, wischt mit einem nassen Schwamme Still den Unfug ab, und reichet – Daß Euch Alle Gott verdamme! Schändlich handelt Ihr an Hansen. Still den Unfug ab, und reichet Herren Volk, was steh'n geblieben. Was der Doctor Censur streichet, Das ist schädlich; Alles Andre darf Herr Volk ganz furchtlos sprechen. Ha, mich lüstet's, Eure Schädel an einander zu zerbrechen! Ruhe, sag ich! Ich will schlafen. Ei Herr Volk, sich so zu regen Hat der Doctor Polisëi streng verboten. Das Bewegen Ist auch Gift! Zwei solche Ärzte ruiniren sonder Zweifel Auch die kräftigste Gesundheit; lieber Hans, jag' sie zum Teufel! Stille! – Was Euch hier auf Erden schädlich dünket und verkehrt, Wird im lichten Glanz des Himmels künftig Alles aufgeklärt; Und Ihr werdet dort erkennen, wie für Herren Volk zum Besten Wir verfahren. Ich erkenne hier schon, wie sich Schweine mästen. Donnerwetter, Ruhe will ich! Nur nicht sprechen! Dringend bitt' ich, Regt ihn nicht so auf. Ihr faselt! Ich verdiente Strafe, litt' ich, Daß man so den Hans behandelt. Ist's die Stimme eines Kranken, Die ich hörte? Hans, erheb' Dich! Keine Lust mit Euch zu zanken Hab' ich; gleich geh' ich zum Doctor, und das Weitre wird sich finden. Kriechel ab. Hans, wie geht's Dir? Ach, Du bist es! Sei willkommen, lieber Aufrecht. Wie mir's geht? Nun, ganz erträglich. Weißt Du, wo Du Dich befindest? Gut, daß Du mich dran erinnerst; ich bin krank, sagt Doctor Censur, Und entschlüpfen kann mir leicht ein Wörtchen, das den Tod mir brächte, Darum laß mich lieber schweigen. Und Du glaubst an solchen Unsinn? Hans, Du bist gesund und kräftig; steh' nur auf! Der Polisëi Meint, es sei durchaus unmöglich, daß ich mich auf eignen Füßen Halten könne. Ach, ich fühle eine Schwäche, eine Mattheit Träge mir im Körper schleichen ... Bin ich bleich? In meinem Leben Sah ich keine röthre Wangen. Leider, ja! der Schwindsucht Röthe! Dummes Zeug! der Doctor Censur und der Doctor Polisëi Halten schändlich Dich zum Narren. Sie bedienen mich vortrefflich. – Freilich möcht' ich wohl zu Zeiten etwas Anderes genießen, Doch Gehorsam für der Ärzte Vorschrift ist, das weiß ich, Pflicht. Und sie geben mir das Beste, was sie mir nur geben können. Morgens wundervolle Grütze, Frühstück süßen Haferschleim, Mittag – Hans, Du bist gesunken, daß Du immer nur des Körpers Denkst, und keiner geist'gen Nahrung. Habe sie im vollsten Maaße! Doctor Censur liest für mich die Schriften all, aus allen Ländern Und das Heilsamste und Beste, was für mich und meine Krankheit Passend ist, erlaubt er freundlich mir zu lesen, und ich les' es. Aber trautster Hans, erkennst Du nicht, daß Dir ein eignes Urtheil Zusteht, und bist Du zufrieden mit den Brocken, die von Censurs Reichbesetzter Tafel fallen? Hat er nicht studirt? Er weiß wohl Was mir frommt. S'ist zum Verzweifeln! Ja, bisweilen denk' ich auch so. Dann ertrag' es nicht; erheb' Dich, fasse all das Pack am Kragen, Wirf's hinaus! Wo denkst Du hin! Ei, so die Pietät verletzen Gegen meinen angestammten Erbwohlthäter Theodor?! Ach, ich werde stets gerührt, bedenk' ich, was ohn' seine Leitung Aus mir würde, matt und schwächlich, wie ich bin! – glaub' mir's, ich fühle Eben wieder Schmerz im Rücken – Offenbar vom ew'gen Liegen! Hans, Du hast Dich durchgelegen; mach' dem tollen Spuck ein Ende, Iß' und trink', und lies und rede, was Dir ansteht. Deine Krankheit Ist Betrug, ist von den Ärzten auf den Antrieb Theodors Nur erfunden, daß sie sich'rer Deine Güter Selbst genießen; Jag' sie fort! Du bist zu heftig. – Wenn ich mir's so recht bedenke, Mögen wohl die guten Leute Manches nehmen, was mein eigen, Und was sie nicht nehmen sollten – doch es bleibt für mich noch immer Zur Genüge; und ich habe auch ein gutes Herz – die Andern, Wollen sie nicht auch genießen? Warum soll ich sie beschränken – Aber sie beschränken unverschämt Dich Selbst. Eh' ich's vergesse, Hattest Du nicht mit dem Kriechel eben Streit? Er ging zum Doctor Hülfe suchen, weil er meinte, daß ich Deinen Tod bewirke Durch Aufregung. Ja, wahrhaftig, dieser Kriechel dient mir treulich. Ach, ich hab' in dem Gespräche mit Dir allzuviel gesprochen, Allzuviel gedacht, gehandelt – und ich fühle, daß mir's schadet – Gehe, eh' noch Censur herkommt; denn vielleicht muß er Dich streichen. Was? mich streichen? Wirst Du's dulden, daß man Deinen Freund mißhandelt? Ach, warum nicht gar! Das Streichen ist ein Akt zu meinem Besten. – Weil ich Dinge hören könnte, die die Lust in mir erwecken Dürften, manches auszusprechen, was nachtheilig auf mich wirken Möchte, untersucht der Doctor, was man zu mir sprechen will, Sondert Schädliches vom Guten, läßt das Schädliche verschwinden, Und das nennt man »streichen«. Bist Du schädlich, wirst Du ausgestrichen. Hans, Du dauerst mich. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Kriechel tritt ein mit Dienern. Den Doctor fand ich leider nicht zu Hause, Aber dennoch giebt es Mittel, Euch, Herr Volk, vor jedem Schaden Zu behüten. Diener, packet diesen unverschämten Schreier, Prügelt ihn und werft den Frevler mir hinaus. lacht. Ha, ha, das dacht' ich. Jedem, der mich anrührt, schlag' ich ein'ge Zähne in den Hals! S'ist kein Götz von Berlichingen, faßt ihn tüchtig. wird angegriffen, und schlägt um sich. Da liegt Einer. Ha, ha, ha! er wehrt sich prächtig! – Oh – da fällt er! Hans, zu Hülfe! Siehst Du, Aufrecht, immer sagt' ich Dein voreilig keckes Wesen Bringt' Dich noch einmal zu Falle. O, die Rippen! weh, die Zähne! Ach mein Kopf! O Hans zu Hülfe! Er wird hinausgeworfen. Diener ab. Euch, Herr Volk, wird Doctor Censur, Wenn er heimkehrt, untersuchen, ob Ihr nicht bei dem Gespräche Schaden irgendwie genommen, und der Doctor Polisëi Wird ihm freundlich Hülfe leisten. Der Besuch wird mich erfreuen. Ach, ich sagte manches Wörtchen, das – Ihr sollet ja nicht sprechen! Sagt, könnt Ihr denn dieses Laster Euch durchaus nicht abgewöhnen? All dergleichen kömmt vom Denken; aber Gott hat uns befohlen, Daß wir gläubig glauben sollen. Gott, erleuchte Deine Diener, Daß sie bald ein Mittel finden, Herren Volkes reges Denken Ganz und gar zu unterdrücken, und somit sein tiefstes Übel Endlich radikal zu heilen! Kriechel ab. Braver Mann, der gute Kriechel. – – Wenn ich reden dürfte – könnt' ich – manches sagen; doch – ich darf nicht. Er schläft ein. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Chor der Wände. Es verstummen die Menschen im thörichten Wahn, und so sind nun die Zeiten gekommen, Da die Steine beredt, mit tönendem Mund, für die Wahrheit zeugen und sprechen. In der Erde stillem verborgenem Schooß, die frühsten Gebilde der Schöpfung, Verband uns zuerst zu fester Gestalt der Urkraft schaffendes Walten, Und gab in gewaltigster Fülle der Macht uns ein Leben, das der Veränd'rung Jahrtausende schon in schweigender Ruh' und Größe trotzend gelächelt. Wir sahen, wie sich die heutige Welt aus verschwundenen Welten gebildet, Des Menschen Geburt, der Bevölkerung Gang, und das Wachsen, und Blühen, und Sterben, Und Wiederverwachsen der Staaten aus Blut, und zerfallendem Moder der frühern; So vertrauet uns denn, und gläubigen Ohr's vernehmt uns're Worte, Vieljährigen Alters gesammelten Schatz, die Frucht der gereiften Erfahrung. – Strophe. Vielen Gefahren erliegt der Mensch, Der Sohn des Staubes, der Erbe der Schwachheit; Doch es naht am Verderblichsten immer dem Armen Die stille Gewohnheit. Schleichend siegt sie, mit leisem Schritt, unmerklich betäubend, Bleiern herrscht sie mit starrer Macht, und drücket gewaltsam Nieder, was Menschen zu Menschen macht, die Gedanken. Faulen Tod in's quellende Leben trägt sie, Hüllt in Nebeldüster das Licht des Geistes, Fluch der Tyrannin! Gegenstrophe. Ruhiges Dulden erweicht den Haß, Besiegtem Gegner verzeiht die Rache, Doch es quält den Bezwung'nen mit härterem Joche Die zähe Gewohnheit. Emsiges Feilen erlöst den Mann aus eisernen Ketten, Viele Tropfen zerstören den Fels, ihn langsam vernichtend, Doch der Gewohnheit Netz ist nicht zu zerreißen, Durch den Sitz des innersten Lebens schlägt sie Zahllos Fäden, jede Bewegung hemmend, Immer sich stärkend. Immer sich stärkend. – 4. Auftritt Vierter Auftritt. Es treten ein: Dr. Censur, Dr. Polisëi, Chirurgus Gensedarm und Diener. Nach ihnen schleicht Aufrecht ins Zimmer. Censur hat Schriften unter dem Arme; Polisëi's Kleidung ist der Polizei nachgeahmt. Desgl. Gensedarm's der Gensdarmerie. Wär's nicht räthlich, Herr College, bei der jetz'gen Untersuchung Mehr Chirurgen hier zu haben? Ohne Sorgen, Doctor Censur! Nur ein Blick von mir, und er wird zittern. Gensedarm, erweckt ihn. rüttelt Volk. Heda Freund! Was giebt's! zum Teufel, könnt Ihr mich nicht schlafen lassen? Lieber Volk, hier ist die Tafel und der Griffel. O, mich schläfert. Alles was Sie sagen wollen, auf die Tafel erst. Mich schläfert; Kommt ein ander Mal. strenge. Vergessen Sie nicht, wen Sie vor sich haben. Was? Auf eine Seite kehrt er sich? und ich befahl doch Daß er sich auf keine Seite legen solle! Auf dem Rücken Muß er ruh'n. Legt ihn in Ordnung. Schläft, Herr Doctor Polisëi. Habt Ihr eine Dose? Ja. So steckt ihm Taback in die Nase. Es geschieht; Hans niest sehr stark. niesend. Donnerwetter, wer erfrecht sich, aus dem Schlafe mich zu stören! Welche Worte! Herr, Sie haben gegen mein Verbot gehandelt, Als Sie mit dem Fremden sprachen, und nun zeigen sich die Folgen! Dieser Fremde hat die Pest im Kopf, und Sie mit seiner Krankheit Angesteckt. Sie wollen sprechen –; nicht Ein Wort! Hier ist die Tafel; Schreiben Sie, und dann entscheid' ich, ob's gesprochen werden darf. Hans reißt ihm die Tafel heftig aus der Hand. strenge. Mehr als einmal hab' ich Ihnen untersagt, mit solchem Grimme Meines Herrn Collegen Tafel fortzureißen. Ihre Pflicht ist's, Sie mit Dank und stiller Rührung zu empfangen. Das Bewegen Ist Schwindsüchtigen gefährlich und verboten. leise. Der versteht es! Fertig? – Zeigen Sie Er liest. Unmöglich. Nichts davon laß' ich passiren. Ihre Meinung war gefährlich. – Nur nicht reden! Hier die Tafel, Schreiben Sie. O Höllenwirthschaft! Sprach da wer? Ich hörte Töne Denen ich nie das Dicatur geben würde. 'S ist der Fremde! Durch die Hinterthüre hat er wieder sich hereingeschlichen! zu Aufrecht. Name? Was berechtigt Euch zu dieser Frage? Die Gesetze Uns'rer Anstalt, denen Jeder, der hineintritt, unterworfen, Da zu Herren Volkes Bestem sie besteht, und mancher Name, Stand, Beschäftigung und Andres, wenn es hier gelitten würde, Schädlich nur auf die Gesundheit des Patienten wirken müßte. Name? Aufrecht. Stand? Auch aufrecht. Unverschämt und höchst verdächtig. Wovon lebt Ihr? Von der Feder. Welche Richtung? Recht und Freiheit. Höchst verdächtig! Wer bestimmt nach Eurer Meinung Recht und Freiheit? Die Vernunft. Immer verdächt'ger! Doctor, schon seit einer Stunde Wart' ich hier. Dagegen hätt' ich nichts, doch mußtet Ihr dies Warten Auf die Tafel schreiben, und nicht unerlaubt es vorlaut sagen. Er liest. Was Sie schrieben ist als schädlich auszustreichen. – Nur nicht reden! Schreiben Sie, hier ist die Tafel. Dieses find' ich unvernünftig. Diese Phrase wird gestrichen, und um schnell mit Euch ins Klare Zu gelangen, gebt mir Antwort: Wer entscheidet, was vernünftig? Die Vernunft. Verdächt'ge Ausflucht! Haltet Ihr mich für vernünftig? Nein. Ihr seid hiemit gestrichen, und auf ew'ge Zeit verboten, Ganz und gar, mit Haut und Haaren, mit Vergangenheit und Zukunft. Was Ihr sprachet, was Ihr sprechet, was Ihr jemals sprechen werdet, Jedes Wort aus Eurem Munde ist für Herren Volk gefährlich; So verfault und pestig seid Ihr! Aufgehört zu existiren Habt Ihr nun für meinen Schützling. Also ganz unheilbar ist er? Bis er seinen Glauben ändert und mich für vernünftig hält! Denn Herr Theodor hat deutlich auszusprechen jüngst geruht – Hat geruhet? Der ruht immer! Schweig' er still, er ist verboten! Doctor, mir beginnt vom Warten in den Kopf das Blut zu steigen. Schreiben Sie's auf Ihre Tafel künftig. Er liest. Keine Sylbe hievon Wird erlaubt. Ich – Tod und Teufel! nun ist's nicht mehr auszuhalten. Ihr verbietet, was mir eben g'rad am Meisten Noth zu sagen, Streichet immer, was gerade meine klarste Herzensmeinung ... Schweigen Sie! Sie sind ein Kind des Todes, wenn Sie weiter sprechen ... fährt immer fort ohne sich unterbrechen zu lassen. Haltet das für unvernünftig, was ich für vernünftig halte – Einmal laß' ich meinem Willen, Euch zum Trotz, den Zügel schießen, Mag entstehen, was da wolle, mag ich gleich zur Hölle fahren ... Gott, verzeihe diesem Sünder, der nicht weiß, wie sehr er sündigt! Ich riskir' es! Diesmal sag' ich Alles, was Ihr mir gestrichen. Ganz zuerst hab' ich geschrieben, daß Ihr mich abscheulich langweilt; Dann: ich müsse schier befürchten, Ihr und Theodor bedächtet Euren Vortheil mehr als meinen; und zuletzt, zum Dritten schrieb ich, Abgeschmackt und widersinnig, ganz absurd und freventlich Käm's mir vor, daß immer Ihr und Ihr allein bestimmen wollet, Was vernünftig sei, als ob Ihr die Vernunft von Gott gepachtet. Bravo Hans! Wie nun, Herr Doctor? Fährt kein Blitz vom Himmel nieder, Der mich tödtet? Ich bemerke zwischen Jetzt und zwischen Früher Keinen Wechsel, ich befinde mich nicht schlechter als zuvor – Das Gefährlichste und Ärgste bracht' ich über meine Lippen Und ich lebe? Waren wirklich Eure Drohungen Betrug? Meine Krankheit Eure Lügen, meine Schwachheit Eure Dichtung, Wie der Aufrecht meint? heimlich zu Polisëi. Um Gottes Willen, Herr Colleg', ich zittre! Schickt zu Nicolas um Hülf'! Der Himmel giebt in seiner Langmuth Diesesmal dem Übelthäter Zeit zur Besserung und Buße. Und die Strafe wird nicht säumen. Ich befürchte, großen Schaden Hat Herr Volk durch die Bewegung schon genommen. Herr College Schreiten wir zur Untersuchung. Er winkt den Dienern, welche den Hans ohne sonderlichen Widerstand auf's Bett legen. Kriechel, setzet Euch und schreibt Die Verhandlung wörtlich nieder, wie ich Euch dictiren werde, Zur Beglaubigung des Vorgangs. Gensedarm, stellt Euch zu Häupten Des Patienten, leget Eure Faust ihm grade unters Kinn, Daß er seinen Blick zum Himmel wende, den er tief beleidigt. Die Philister auf Dich, Simson! Still da! er ist längst gestrichen. Seid Ihr mit dem Formulare fertig, Kriechel? Zu Befehl! Actum u.s.w. kneift Hans in die Wade. Thut das weh? Au furchtbar! Schreibet, Kriechel: »Bei gelindem Streichen seiner linken Wade schrie der Kranke.« Hans, der Doctor kniff Dich. kneift wieder. Zuckte konvulsivisch – Au! entsetzlich! Hans, er kniff. kneift. Und zeigte deutlich – Au! Er kniff. springt auf, die Schlafmütze abwerfend. Ihr kniff'gen Schurken, Ihr vermaledeiten Ärzte! Fort mit Euch, hinaus! Zum Teufel! Reden will ich, was mir einfällt, gehen will ich, sitzen, liegen, Reiten, fahren ohn' Erlaubniß von Quacksalbern und Betrügern, Euer Hudeln hab' ich satt. Ergreift ihn, Gensedarm. Am Beine Packet ihn, das wirft am Leicht'sten nieder. packt Gensedarm und Kriechel. Unverschämte Narren, Gensedarm und Kriechel, soll ich Eure Schädel hier zerschmettern? Gnade! Gnade! Ihr erwürgt mich! Fort mit Euch, Ihr Lumpenkerle! Er wirft Kriechel und Gensedarm hinaus. Nun ein Wort mit Euch, Doctoren: Lasset Ihr Euch jemals wieder Vor mir seh'n, Ihr gift'gen Pilze, Ihr Duckmäuser und Hallunken, Gerb' ich Euch, wie rohes Leder, tret' ich Euch, wie Lehm, mit Füßen, Schüttl' Euch, wie ich jetzt Euch schüttle, so und so, bis Eure Seelen Taumelnd in die Hölle fahren; habt Ihr mich verstanden, Schufte? Furcht und Schreck läßt sie verstummen. Schreck und Furcht soll sie zum Reden Wieder bringen! Bis Ihr redet schüttl' ich Euch, Ihr Lügensäcke, Habt Ihr mich verstanden? habt Ihr? Ganz unendlich! Unvergeßlich! Dann hinaus mit Euch! Wirft sie hinaus. Vortrefflich, süßer Hans, hast Du gehandelt, Hast das Schwerste brav geleistet, und zu Deinem Glück erfahren, Daß Du, noch gesund und kräftig, Deine Angelegenheiten Selbst besorgen und vollführen kannst. Nun wollen wir zusammen Ein vernünftig Wörtchen reden. setzt sich. Wollen wir? So sprich; ich höre. Hans, Du bist ein reicher Junge; bist geboren, um in Freuden Hier des Lebens zu genießen, und man hat Dir's arg verbittert; Woher kam das? Weil Du niemals um das Deine Dich bekümmert, Wie doch andre Leute thun. Ja[c]ques Peuple kümmert sich um alle Dinge Und doch lebt er unerquicklich. Allerdings; und darum mußt Du's Anders machen. Wie John People, der verhungert? Auch wie der nicht. An den Beiden kannst Du lernen, was zu thun und was zu meiden. Alles mußt Du Selber ordnen, wie es einem Herrn geziemet, Alles muß nach Dir sich richten; Deinem Wohlergehn zu dienen, Müssen Alle sich bequemen. Das gefällt mir; doch mich hungert Jetzt gewaltig. Für Dein Essen will ich Sorge tragen, wenn Du Mir versprichst nach meinem Rathe Deine Wirthschaft anzuordnen. Zu dem Ersten Deiner Diener, der in Deiner nächsten Nähe Dein Vergnügen, kurz Dich Selber zu bedienen hat, ernenne Mich. Vertraue mir die Leitung Deiner Angelegenheiten, Und nimm Du die Oberaufsicht. Was Du willst; doch essen muß ich. Gleich erschein' ich mit dem Besten, was ich finden kann. Ab. So eile! – Oh, das wird ein Götterleben werden, wenn ich kommandire! Essen will ich nun und trinken! – – Wenn ich mich gesättigt habe, Will ich gleich zu Pferde steigen, und nach Allem Selber sehen, Will auf meine Felder reiten, will mir Rechnung legen lassen, Und ein Mann sein unter Männern. – – Daß ich wohler mich befinde, Nun ich all die Plackereien los bin, das ist wahr. Mich wundert Wie ich der Doctoren Kniffe nur so lang ertragen konnte! Nein, so dumm zu sein! Doch gründlich ist's verbessert – und ich hab' nun Alle Freiheit – spreche, gehe, schlaf' und esse nach Belieben – – Was der Aufrecht lange zögert; Kriechel war doch viel geschwinder – – Wie der Ja[c]ques und John, die Beiden über mich erstaunen werden, Wenn sie meine kühnen Thaten durch die Zeitungen vernehmen. Von der Schwindsuchtsfabel hatten sicher sie schon längst die Nachricht, Und erwarten nun die Meldung, daß ich todt sei! Ich die Schwindsucht! He! Juchhe! Juchheißa! Lustig! Ha, ha, ha! 'ne schöne Schwindsucht! Die so musiciren kann! – – Hm – etwas müde bin ich freilich. – Von der ungewohnten Arbeit kommt das, und dem leeren Magen – Wenn nur erst der Aufrecht käme mit dem Essen! Er empfiehlt sich Herzlich schlecht! – He! Aufrecht! Aufrecht! – Keine Antwort! – hätt' ich früher, – Höchst verbotner Maaßen – so gerufen, wär'n im Fluge Kriechel, Censur, Polisëi und zehn Gensedarme gleich erschienen. Die Bedienung war vortrefflich! Niemals ließ man mich allein; Nicht die kleinste Handbewegung durft' ich machen, Alles thaten Andere für mich! – Es war im Grunde damals doch ein gutes Leben! Er springt auf. Will mich der verhungern lassen? Aufrecht! Aufrecht! 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Aufrecht tritt ein mit Brod, Käse und einer Flasche sammt Glas in einem Korbe. Du entschuldigst – Ich entschuld'ge Nichts! es müssen Alle sich nach mir bequemen, Sagtest Du, und meinen Hunger zwingst Du sich nach Dir zu richten? Deine Langsamkeit verdiente harte Strafe. Du vergissest – Ich vergesse Nichts! Ich habe das vortrefflichste Gedächtniß. Zu der Speisekammer eilt' ich, doch die Thüre war verschlossen. Unglückseeliger, Du bringst mir nichts zu essen? Doch! Ich bringe Käs' und Brot. Er giebt es; Hans nimmt ein Messer vom Tische und schneidet das Brot. essend. Erbärmlich mager ist die Speise! früher hatt' ich Doch was Warmes! Künftig sollst Du – Künftig, künftig! Zum Versprechen Ist der dümmste Teufel immer noch hinlänglich klug. Ich hätte Bess're Nahrung aufgetragen, wenn die fortgelauf'nen Schufte Nicht die Speisekammerschlüssel mitgenommen. Ehrenmänner Waren sie mit Dir verglichen! Käs' und Brot! Entschuldigungen Haben pflichtvergess'ne Diener immer bei der Hand! – Was bringst Du Mir zu trinken? Wundervollen Doppelkümmel. Wundervoller Unsinn. Auch den Keller fand ich fest verschlossen – doch ich werde Für Censur's Johannisberger bei der nächsten Tafel sorgen. Ja, auf Morgen Alles schieben! Steh' nicht müßig, wie ein Pfahl, Schenk mir ein. – Aufrecht schenkt ein. Hans ergreift das Glas und wirft es auf die Erde. Ha, welche Bosheit! Nieder auf die Kniee, Heuchler, Nieder! Hans, ich bin unschuldig. Hund, Du wolltest mich vergiften! Ich? Zur rechten Zeit entsinn ich mich, daß Brantewein und Käse Steinbeschwerden machen, daß man unter grausenvollen Leiden Daran stirbt! Auf morgen läßt Du den Johannisberger Censur's, Weil Du hoffst, ich werde morgen bei den Todten todt schon liegen! Ich durchschaue Deine Pläne! Niederträchtiger Verräther! Mich beerben willst Du! Nieder, nieder auf die Kniee! Bete! Und dann stirb! Er schwingt das Messer. Um Gotteswillen! Bete, Schurke! Deine letzte Stunde kam! Sieh doch! sieh dort am Fenster das Gespenst! von ihm ablassend. Wo? Was? Aufrecht entwischt. Ich erblicke Nichts! – wo ist es? Aufrecht! Ha, er ist entflohn! Dieser Hund! Solche Complotte! ... Aber Rache will ich nehmen! Er springt auf zum Nachsetzen. Dich bekomm' ich noch! Stürzt über einen Stuhl, und verwundet sich dabei mit dem Messer. Weh, weh mir! ach! zerbrochen alle Glieder! Au! verflucht, satanisch! Das ist ja ein Schmerz als hätt' ich Alles, Arm und Bein und Hals, gebrochen – Sieht die Wunde im linken Arm. – Und was ist das? Herr im Himmel! Blut! Mein Blut fließt! Doctor Censur! Polisëi, Polisëi! Helft! Kommt! Rettet! ich verblute! Ach, ich hab gefrevelt – Kriechel, Holder Kriechel! Hört! ich will Euch fortan streng gehorsam sein, Nicht mehr klagen, nicht mehr mucken – Sich besinnend. Aber, Donnerwetter, nein! Diesen Schuften wieder dienen? – Au! – Von diesem Galgenpack – Au! – Mich wieder streichen, kneifen – Au! – betrügen, schinden lassen?! Eh'r soll mich der Teufel holen – Schäm' Dich, Hans Indem er aufsteht. Du bist wahrhaftig, Wenn Du winselst, noch der Mann nicht, der Du sein willst unter Männern! Laß doch seh'n, am Ende kann ich Selber meine Wunden heilen. Ach! 'ne Schramme! kaum ein Zoll breit – und mein Herz ist noch gesund! Er nimmt sein Halstuch ab, um sich zu verbinden. Bleibt mir nur vom Hals, ihr Schurken! Kommt mir nicht zurück! Drohend. Noch kann ich Mit dem unverletzten rechten Arme Euch zu Brei zerschlagen. Verbindet sich mit Hülfe des Mundes. So – es wird schon gehn – zwar mühsam – 6. Auftritt Sechster Auftritt. Chor der Wände. Heil Dir! Was ist das? Wer spricht hier? Chor der Wände. Heil Dir, daß mit leichter Wunde die Besinnung Du erkauft. Alle Teufel! Steine reden, und die Wände werden laut? Nun, was Wunder! Scheint mir Selber doch das wunderbarste Wunder Dies, daß ich, Hans Volk, aus all dem Lug und Trug, der – Irrenwirthschaft Plötzlich mich erhoben habe, und auf eig'nen Beinen steh!! Ei, so will ich decretiren: es giebt keine Wunder mehr! Er verbindet während des Folgenden seinen Arm und reinigt sich vom Blute. Chor der Wände. Strophe. Leben, Leben Ist ewige Fluth, herüber, hinüber, Fallend, steigend. In jedem Sein Kämpft das Gesetz des eigenen Lebens Schwankend mit dem Gesetze des Alls. Und Empörung ist Maaß der Natur, Tief bewahrt im innersten Wesen, Aber plötzlich aufgezeigt, Wenn sie, von unmäßigem Zwang tödtlich bedroht, Sich Selbst will, Heilig spricht das eigene Leben und des eigenen Lebens Recht. Gegenstrophe. Aber der Strom, gedämmt von starrendem Fels, Wenn er, wachsend, endlich durchbricht mit Ingrimm Donnernd die Felsenmauer, wogt und fluthet Maaßlos dann selbst über Feld und Flur, zerstörenden Laufs. Und der Berg, vom inneren Feuer geschüttelt, Wenn er berstet, entläßt das Feuer; doch nun, siehe, Strömt es maaßlos über die Erde Und, kaum selbst vom Tode gerettet, verheert es rings blühendes Leben! Strophe. Soll sich der Mensch wie sie empören? Wenn er, von Leidenschaft emporgerissen, Große göttliche That vollbracht, Rettung von Knechtschaft, Rettung von Schmach, Soll er sein hohes Werk beflecken, Schuld und Unschuld wahllos hassend, Unrecht beginnend, nur weil er so mühsam zu Rechte gelangt? Gegenstrophe. Nein! denn im Menschen lebt der Gedanke! in der Natur nur das stumme Gesetz. Freigewordene Elemente, Feuer und Wasser, Zerstören, verheeren bis sich das Maaß der Kraft erschöpft, – Das ist die Freiheit, das ist das Recht der wahllosen Natur! Aber des Menschen, des Erdbeherrschenden Recht und Freiheit ist die Vernunft! Blinde Vergeltung nicht ziemt ihm, noch maaßlos Wüthen, – Ruhe! noch in der Leidenschaft Stürmen Ruhe, Und Besinnung im Kampf der Sinne – Denn gerecht ist auf Erden Nur der Mensch! Denn gerecht ist auf Erden Nur der Mensch! Wahrlich! will mich's doch bedünken, daß die Herren Wände hier Von mir Selbst zu sprechen wagen! – und nicht gar so Unrecht haben – Denn der kleine Aderlaß da, hat mich ruhiger gemacht, Und ich sehe nun die Sache mit dem Aufrecht anders an. S'war doch wohl nur meine Hitze, die ihn schuldig scheinen ließ – Denn, fand er die Speisekammer und den Keller fest verschlossen, Was konnt' er mir Bess'res bringen, als er brachte? – Und nun gar Die Vergiftung! ha ha ha! lächerlich! mein guter Aufrecht, Der mit mir in seiner Wohnung, eh' ich in dies – Lazareth kam, Oft genug sein ärmlich Brot und Käse und Nordhäuser theilte! Nein, wahrhaftig, gänzlich Unrecht that ich mei nem braven Aufrecht; Und will's gleich ihm selber sagen; will ihn gleich zurücke rufen, Und fortan Geduld versprechen, wenn er treu mir bleibt – Will gehen. Da kommt er – 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Theodor, in einem, das königliche Costum nachahmenden Mantel, an der Kopfbedeckung eine schwarze Adlersfeder, tritt auf. Blitz, Herr Theodor! er Selber! Mit Befremdung und Entrüstung Habe Ich, Herr Volk, vernommen, daß Ihr, Eurer Ärzte spottend, Euch an ihnen gar vergreifend – ruhig. Mit Befremdung und Entrüstung Habe ich, Herr Theodor, heut erkannt, daß diese Ärzte, Die Ihr mir, nicht ich, gewählet, Lügner und Betrüger sind. Nimmermehr kann ich es dulden, daß Ihr unsre treusten Diener So beleidigt! Welche Sprache! die ich nie von Euch gehört! Ei, Herr Theodor, Ihr habt mich auch gewöhnt an eine Sprache, So voll Trug und Schein und Phrasen, daß ich lang mein Deutsch vergessen, Aber jetzo Deutsch und ehrlich: Ich entlarvte diese Schurken ... Gott! was seh' ich! Blut! Ihr habt Euch schon beschädigt! dacht' ich's doch; Seht Ihr nicht die Folgen Selber?! Laßt's nur fließen, dieses Blut; Hab' es sonst – wie's scheint, für Euch nur – in Schropfköpfen, Aderlässen Ab mir zapfen lassen ... heut' zum ersten Mal fließt's für mich Selber; Eine gute, weise Lehre hat's mir eingebracht. Unmöglich Kann ich dieses Unglück anseh'n! – Doctor Censur! Polisëi! 8. Auftritt Achter Auftritt. In der Thüre erscheinen Censur, Polisëi, Kriechel und Diener, mit Stangen bewaffnet. vertritt Theodor den Weg. Laßt! Ich will's nicht! Hört Ihr nicht, Herr Theodor, ich will es nicht! Donnernd zu Censur und den Andern. Fort! hinaus mit Euch! – Hier schwör' ich's, hört mich an, Herr Theodor, Wenn Ihr diesen faulen Schurken nicht sogleich die Thüre weis't, Künd'ge ich Euch die Verwaltung, giebt es Krieg, Krieg zwischen uns Bis zum letzten Tropfen Blutes! – Wählt! noch ist es Zeit! ... Zu Censur, Polisëi und den Andern. Und Ihr, Einmal hab' ich Euch geschüttelt, doch das zweite Mal zerbrech' ich, – Jetzt von eig'nen Gottesgnaden, Ich, Hans Volk – brech' Euch in Stücke Und in Scherben! Pause des Schreckens für Alle außer Hans. – Theodor erholt sich. Ich befehle, daß Ihr Euch, Herr Doctor Censur, Schleunigst fortbegebt; desgleichen Ihr, Gewissensrath, Herr Kriechel, Denn ich will mit meinem Bruder, Herren Volk, allein nun bleiben. Ihr, Herr Polisëi, folget jenen, daß sie keinen Aufruhr Fürder in dem Land des Herren Volk zu machen sich erdreisten. Alle, außer Hans und Theodor ab. Brav, Herr Theodor! Ich dank' Euch! Und wir werden einig werden. Denn ich merk' es wohl, auch Ihr seid, so wie ich, von diesen Dienern Unverschämt betrogen worden! Hört mich an, Herr Volk; Ihr scheinet Mir der Meinung, daß Ihr Selbst von jetzt an Euer Ziel besorgen Und verwalten wollt. Wenn Ihr nun wirklich glaubt, daß Eure Kraft Und Geschicklichkeit genüge, das zu thun – wenn Ihr nicht fürchtet, Daß Euch Unheil, Noth und Sorge, und noch manche Selbstverwundung, Schlimmer, als die heut'ge, droht ... wenn Ihr All das wagen wollt, Seht, so leg' ich hier das Zeichen meiner erblichen Verwaltung, Diese schwarze Adlerfeder ab, und geb' sie Euch zu Händen. Er thut es. Nein, Herr Theodor; ich bitt' Euch, das war meine Meinung nicht. Gar zu gut hab' ich gesehen, daß ich bald zu träg und lässig, Bald zu ungehalten hitzig – kurz, noch nicht gescheut genug bin, Da mir ja in der Verwaltung – Dank den Schuften Polisëi, Kriechel und dem Doctor Censur! – jegliche Erfahrung fehlt! Aber da Ihr mir die schwarze Adlersfeder nun zu Händen Habt gegeben, seht, so will ich auch mein Recht sie zu verleihen Frei benutzen. Ihr seid mit mir einig, daß fortan ich Selber Kenntniß nehmen soll von Allem, was geschieht in der Verwaltung, Wie's geschieht, warum, wozu – kurz von Allem, wie's 'nem freien Manne zukommt – seht, und darum geb' ich Euch hiemit das Zeichen Eurer erblichen Verwaltung wieder in die Hand – und Ihr sollt's Jetzt in meinem Namen tragen! die Feder aufsteckend. Für Herrn Volk, und durch Herrn Volk! 9. Auftritt Neunter Auftritt. Aufrecht tritt ein mit einem Eichenkranze. Heil, Hans Volk! Schon hast Du Früchte Deiner That; die Herren Alle, Censur, Kriechel, Polisëi sind nach Rußland abgereist! Und ich Selbst, versichert, daß Du Deine Hitze längst bereut hast, Wie ich sie vergessen habe, eile her, um Deiner That Einen würd'gen Kranz zu weihen, einen Eichenkranz! Gieb her! Ich will Selber ihn bekränzen. Thut es. Fortan werden wir vereint, Fest in allen Stürmen stehen, und die Sonne eines neuen Glückes wird auf uns sich neigen! Theodor die Hand reichend. Bleiben wir in ihrem Schein Treu und Einig! – und der Aufrecht soll uns erster Diener sein! Der Vorhang fällt.