[Pierre-Joseph-Antoine Dumonchaux] Medicinische Anekdoten Oder Sammlung besonderer Fälle, welche in die Anatomie, Pharmacevtik, Naturgeschichte etc. einschlagen, nebst einigen merkwürdigen Nachrichten von den berühmtesten Aerzten Aus dem Französischen übersetzt Erster Theil An meinen Freund den Herrn D.M.C.D.S.P.D.L. Tecum vivere amem; tecum obeam libens. Horat. Od. 9. Lib. 3. Mein werthester Herr ..., da wir durch die angenehmsten Bande verniget sind, und uns die zärtlichste Freundschaft, die verehrungswürdigste unter allen Verbindungen schon seit langer Zeit miteinander verknüpfet; so habe ich Ursache zu hoffen, daß Sie das Geschenk dieser meiner Anekdoten mit einiger Nachsicht annehmen werden. Ich glaubte mich keines sicherern Mittels bedienen zu können, mir solche selbst schätzbar zu machen, als sie mit Dero Namen zu bezeichnen. Sie werden auch alsdann, wann wir bereits schon in den Abgrund aller Dinge begraben seyn, und noch kaum in dem Angedenken einiger anderer Wesen leben werden, noch zu einem Denkmal unserer Vereinigung dienen können; und wenn dieses geringe Werk gleich kein vortheilhaftes Zeugniß von meinen Einsichten an den Tag leget, so wird es doch wenigstens beweisen, daß ich sie geliebet habe, welches ich jederzeit für mein gröstes Lob achten werde. M. Vorrede. Die Arzneykunst, welche in den ersten Zeiten von den Dienern der Altäre ausgeübet wurde, ist die Schule des Zweifels; Wer sich nicht entschliessen kann zu zweifeln, darf nur solche lernen. Diese so nothwendige Kunst, welche der Menschlichkeit so vortheilhaft seyn könnte, ist noch immer eine dunkle Kunst, die aller angewandten äussersten Bemühungen nur spottet, und den Stolz der kühnen Vernunft, welche uns erleuchtet, niederschläget. Nichts ist in selbiger gewisser, als die Ungewisheit ihrer Vorschriften. Sie gleichet den sumpfigten Erdreichen, in welchen ein kluger Mensch sich nicht unterstehet einen Schritt zu thun, ohne zu befürchten, daß er versinken möge. Man müste, wenn man eine Geschicklichkeit darinnen erlangen wollte, das Spiel, die Triebfedern, den Lauf, ja selbst die eigensinnigen Einfälle der Natur vollkommen kennen lernen, wovon wir doch gleichwohl gar nichts wissen; man müste eine Kenntniß von dem Verhältniß der Wesen haben, welche sie regieret; man müste die Regeln beobachten, welche sie in ihrer Art und Weise zu handeln und zu wirken befolget; ihre Absichten bemerken, und so gar in den Abgrund ihrer Anschläge eindringen können, und alles dieses ist uns doch verborgen. Alles giebt uns zu erkennen, daß wir uns vergebens bemühen, diesen unauflöslichen Zweifel zu überwinden, welcher das Wissen der Menschen beständig fort quälet. Wir können also auf keine andere Art jemals hoffen, einige ihrer Geheimnisse zu errathen, als wenn wir der Natur, der unergründlichen Natur nachforschen; sie bisweilen in einigen ihrer Versehen überfallen, oder ihr bey ihren Umwegen genau nachzuspüren suchen. Die Zufälle sind das einzige, wodurch das schwache Licht, welches die Aerzte erleuchtet, einigen grösseren Schein erlanget. Ich habe die Fälle, welche in diesem Werk vorkommen, nur für diejenigen Aerzte gesammelt, welche denken können, keinesweges aber für verwegene und von ihren vermeintlichen eigenen Einsichten eingenommene Leute. Ich habe solche zu dem Ende angeführet, um sie zu überzeugen, und mich zu versichern, daß nichts unbeständigeres, als die Natur, welche man unveränderlich nennet, und nichts leerer und unfruchtbarer als unser Wissen seye. Soll man aber deswegen von der Erlernung und Nachforschung der Arzneykunst abstehen? Das wolle GOtt nicht, daß mein Herz nur daran denke, noch daß ich jemals die Wohlthaten eines Boerhave, Senac, Lieutaud, Poissonnier, Lorry, Quesnoy etc. solchergestalt verkleinern sollte, daß ich jemand zu bereden suchte, von dieser Kunst gänzlich abzustehen. Wir wollen deswegen, weil wir keine neuen Wege in dem Luftraum entdecken können, die sicheren Mittel, die wir haben, auf dem Meer zu seegeln, nicht vernachlässigen. Wir wollen uns das Wenige, was uns zugestanden worden ist, zu Nutze zu machen suchen, aber auch dieses Wenige in aller seiner Mittelmässigkeit erkennen: wir wollen uns bemühen, solches zu erweitern; wir wollen die Fälle untersuchen; der Erfahrung folgen; und die Einwendungen, womit man solche laugnen will, vernichten. Die Erfahrung hat die Arzneykunst gezeuget, sie muß solche auch befördern; sie hat wenigstens allein das Recht unsere Schritte zu leiten, und unsere Unternehmungen zu entscheiden. Man soll nicht eher schreiben, bevor sie ihre Vorschriften an die Hand giebet, und nicht eher zu Werke gehen, bis sie vorhero die erforderlichen Maasregeln angezeiget hat. Sollte man vielleicht finden, daß ich bey dieser Sammlung der seltsamsten Fälle, und sonderbarsten Begebenheiten mehr vergnügt als unterrichtet hätte, so bitte ich zu bedenken, was ein geschickter Schriftsteller hievon saget; daß die verständigen Practici aus allen diesen Bemerkungen gewisse Absichten zu ziehen wissen, welche in den Augen derer, die sich von ihrer Bahn zu entfernen befürchten, blos für seltsam geachtet werden. Vorbericht des Verlegers, zur zweyten Auflage. Da die erste Auflage dieses Werks von dem Publico geneigt aufgenommen worden ist, so schmäuchelt man sich, von dieser zweyten Auflage einer noch günstigern Aufnahme: indem der Verfasser nicht nur sein Werk um die Helfte vermehret, sondern sich auch der guten Rathschläge, welche ihm unterschiedliche Verfasser gelehrter Tagbücher an die Hand gegeben, bedienet, und bey den von ihm abgehandelten Materien mehrere Ordnung beobachtet hat. Man wird diese Veränderungen bey Durchsehung des Werkes leicht bemerken, und man glaubet, daß die neuen Anekdoten, welche man finden wird, eben so unterhaltend und merkwürdig seyn werden, als die ersteren. Um dem Leser das Nachsuchen zu erleichtern, hat man dieser Auflage ein Verzeichniß der in den beeden Theilen dieser medicinischen Anekdoten vorkommenden Bemerkungen mit beygefüget. Verzeichniß der in den beeden Theilen dieser medicinischen Anekdoten vorkommenden Bemerkungen. Erster Theil. 1. Bemerkung. Eine beträchtliche Augenentzündung, welche durch einen eisernen Splitter verursachet worden, welchen des Fabricius Hildans Gemahlin sehr geschickt heraus zog. 1 2. Ausserordentliche Hitze eines Cataloniers, welche der König durch ein Urtheil bey Lebensstrafe so weit einschränkte, daß er seiner Frau in einer Nacht nicht öfters als sechsmal beywohnen durfte. 4 3. Besonderes Gewächs. 5 4. Gedächtniß welches sich während der grossen Sommerhitze verlohre. 6 5. Wunderbare Gedächtniße. 7 6. Ein Cadaver, an welchem die Nägel zwanzig Jahr nach dessen Tod wieder gewachsen waren. 9 7. Haare welche an einem Cadaver 43. Jahre nach dessen Absterben wieder gewachsen waren. 10 8. Eine Genesung welche durch den Instinct bewirket worden. 11 9. In der Blindheit sind die Organa mit einer vortrefflichen Empfindungskraft versehen. 14 10. Mittel, deren sich die Moscowiten zu ihrer Genesung bedienen. 16 11. Jäher Tod der Negern, welcher der Zuruckziehung des Zäpfleins zugeschrieben wird. 17 12. Eine Misgeburt, welcher das Herz an dem Hals wie ein Schaustück hienge. 19 13. Becker stirbt an der fallenden Sucht, weil er, da er sich im Fechten übte, in dem Augenlied verwundet wurde. 20 14. Von Riesen. 21 15. Ursprung des Fiebers des S. Valier. 25 16. Besondere und so gar giftige Nahrungsmittel gewisser Personen. 26 17. Ein aus der Ader gelassenes Geblüt, das so weiß wie Milche war. 28 18. Das Wasser hilft in Ermanglung einiger Nahrung eine Zeit lang für die Gefahr Hungers zu sterben. 29 19. Eine Frau, die einen Anfall von einem Schlagfluß bekame, verlohre die Sprache, wiederholte aber das Vaterunser, Ave Maria, den Glauben GOtt etc. ohne Anstoß. 30 20. Das Maaß des Vergnügens und des Schmerzens. 32 21. Der berühmte Cardanus empfande eine ungestümme Heftigkeit des Gemüths wenn er keine Schmerzen fühlte, und war genöthiget, sich selbst Schmerzen zu verursachen. 38 22. Ein ausserordentlicher Fresser. 39 23. Ein junges Frauenzimmer starb an der venerischen Krankheit, weil sie sich mir den Kleidern eines jungen Menschens, der mit diesem Uebel angestecket war, verkleidet hatte. 42 24. Von der Unfruchtbarkeit. Guter Rath, welchen Fernel Henrich II. deswegen ertheilet hatte. 43 25. Gewisse Menschen sind sehr frühzeitig zur Zeugung ihres gleichens geschickt. 44 26. Ein Mädchen, welcher in einem Jahr vier tausendmal zur Ader gelassen wurde. 46 27. Welche Gefahr aus solchen Recepten entstehen kann, die von unwissenden Leuten verordnet werden. 49 28. Gebrauch der Gothen in Ansehung der Aerzte. 53 29. Gebrauch der Egyptier in Ansehung der Aerzte. 54 30. Arzneykunst der Iroquesen. 55 31. Eine ganz besondere Art, die Flüsse, auszehrende Krankheiten, die Hypochondrie etc. zu heilen. 58 32. Die Arzneykunst der Lappländer. 59 33. Arzneykunst der Chineser. 63 34. Die Brüder vom Rosenkreuz. 64 35. Die Stärke der Freundschaft. 68 36. Ein Kranker, gegen den man sich stellte, als ob er clystiret würde, und eine Frau, die man beredete, daß sie eine Katze in einer Pastete gegessen habe, die aber davon an einem Durchfall sturbe. 69 37. Eine neue Articulation oder Gliederfuge, die an dem Ort, wo ein Mensch den Arm gebrochen hatte, entstanden ist. 72 38. Von dem vor diesem vor Gericht gewöhnlichen Versuch, ob einer zu dem ehelichen Werk geschickt seye, dessen Ursprung und Abstellung. 73 39. Besondere Wirkung der Musik. 79 40. Ein Fieber und eine Art eines Schlagflusses, die durch die Musik curiret wurden. 80 41. Der Tarantismus oder die Tanzkrankheit. 83 42. Blattern über dem Hüfftbein, welche so viel Milch von sich gaben, als eine Säugamme aus den Brüsten giebet. 89 43. Von der Bildung Anzahl und Grösse der Brüste. 91 44. Geburtsglieder einiger afrikanischen Weiber von einer ganz besondern Bildung. 91 45. Ein taub und stumm Gebohrner, der plötzlich das Gehör und die Sprache bekam. 93 46. Von der Entdeckung des Umlaufs des Geblüts, und der Transfusion oder der Ableitung des Blutes eines Menschens oder Thieres in die Blutgefässe eines andern. 95 47. Falsche Zeitrechnung des Ursprungs der venerischen Krankheiten. 101 48. Heftige Wirkungen der Liebe. Geschichte des Antiochus Soters und der Stratonica. 105 49. Von einer Hirnschale, welche durch eine Verwundung sich bis zur Helfte in Schiefern abgesondert hatte. 108 50. Von einem jungen Menschen, der seit vier oder fünf Jahren täglich eine Menge fünf bis sechs Linien langer Würmer von sich gab. 110 51. Ausserordentliche Blutflüsse. 110 52. Von einer Frau, welche innerhalb 67. Monaten 66mal angebohret wurde, und 1920. Pfund Wasser von sich gab. 113 53. Ein Wassersüchtiger wird durch einen Brandschaden am Fuß geheilet. 115 54. Ein wassersüchtiger Mönch sturbe, weil er zu viel Regenwasser getrunken hatte. 116 55. Ein Bauer der die Wassersucht hatte, wird durch eine grosse Menge Lauge, die er getrunken hatte, geheilet. 117 56. Ein Kind welches man im Mutterleib schreyen hörte. 120 57. Ein Kranker, der von einem Wechselfieber durch ein Glas voll Urin, den er getrunken hatte, genasse. 121 58. Von einem jungen Menschen, dem ein dreytägiges Fieber den Gebrauch der Sprache dergestalt benahme, daß er täglich nur eine Stunde lang reden konnte. 122 59. Eine gänzliche Verstopfung des Harns, die von Steinen in dem Herzen und unter der Zunge verursachet wurde. 123 60. Eine Verstopfung des Urins verursachte eine Schlafsucht. 125 61. Ein Abgang des Blutes der zu gleicher Zeit bey den Blutigeln, und einer Baroneßin, welcher man solche an den Hintern angeleget hatte, erfolget war. 126 62. Periodische und sympathetische Blattern an dem Finger. 128 63. Von Liebestränken. 130 64. Besondere Antipathie, und zwar besonders diejenige, welche ein junger Student der Arzneykunst wider den Wermuth hatte. 135 65. Antipathie wider das Brod. 137 66. Eine andere Antipathie einer Frau, die allezeit so oft sie ihren Mann sahe, in Ohnmacht fiele. 137 67. Einige andere besondere Antipathien wider gewisse Speisen. 138 68. Besondere Antipathie eines Vaters wider seinen einigen Sohn. 139 69. Von einer Frau, welche allezeit aus dem, wenn ihre Zähne wacklend wurden oder ausfielen, das Leben oder den Tod ihrer Kinder richtig vorher sagen konnte. 140 70. Von einem Kind, welches vor Erstaunen sturbe, weil es einige Kanonenschüsse gehöret hatte. 141 71. Wundersame Geschichte eines Nachtwanderers. 142 72. Von der Palingenesie oder der Wiederentstehung der Pflanzen aus ihrer Asche. 147 73. Ausnehmend feiner Geruch der Negern und eines Ordensgeistlichen, welcher dadurch die Keuschheit der Weiber und Jungfern unterscheiden konnte. 160 74. Von Zauberern. 161 75. Was den Boerhave veranlaste, sich der Arzneykunst zu widmen, und einige andere Umstände seines Lebenslaufes. 163 76. Würmerschweiß. 167 77. Tod des Democritus. Dieser Philosoph lebte noch drey Tage länger, da er nichts sonst brauchte, als daß er an warmes Brod roche. 168 78. Von der Eingiessung der Medicamenten in die Gefässe des menschlichen Körpers. 170 79. Die Aerzte haben die Theile, welche sie entdecket haben, nach ihren Namen benennet, und unter diesen Entdeckungen ist ihrer grossen Menge ungeachtet, nur eine, die nach einen Wundarzt benennet ist. 175 80. Eine Unterredung über des Herrn Senacs Tractat von dem Herzen, und des Herrn Astrucs sein Buch de morbis venereis. 177 81. Ausserordentliche Hitze, die man A. 1705. in Languedoc spürte. 182 82. Von einigen aus freyen Stücken entstandenen und andern Arten der Wasserfurcht (Hydrophobies.) 183 83. Ein Soldat wird durch einen Pistolschuß von einem Anfall der fallenden Sucht befreyet. 187 84. Eine Frau eines Lüttichischen von Adel starb in ihrer fünften Schwangerschaft, weil sie sich ihre Nativität hatte stellen lassen. 188 85. Ein Officier bringt es so weit, daß er endlich in einem finstern Gefängniß einige Gegenstände unterscheiden lernet. 189 86. Von einigen ganz wunderbaren Arten der Fruchtbarkeit. 191 87. Von einem Menschen, dessen Kinnbacken und Zähne nur aus einem einzigen Bein bestunde. 192 88. Von der Herrschaft der Seele einiger Personen über solche Werkzeuge des Leibes, deren Handlungen gewöhnlichermassen dem Willen nicht zu unterworfen seyn pflegen. 193 89. Eine in eine gipserne Kugel eingewickelte Leibesfrucht, die man in der Mutter einer Frau acht und zwanzig Jahre nach ihrer Schwangerschaft gefunden hatte. 196 90. Ein junger Mensch, der sich in seine Anverwandtin heftig verliebet hatte, wird durch die Bäder und den Gebrauch des mit Eiß abgekühlten Wassers von einem Priapismo curiret. 197 91. Von einem jungen Menschen von vornehmen Stand, bey dem die Liebe einen so heftigen Eindruck machte, daß ihm einstmalen das Blut plötzlich aus einer Ader an der Stirne heraus schosse. 199 92. Ein Soldat starb für Freude, da er die Nachricht hörte, daß er mit einer Frau, die er heftig liebte, sollte verheyrathet werden. 200 93. Democritus machte eine vortrefliche Auswahl in seinen Speisen, und hatte ein so durchdringendes Gesicht, daß er die Jungferschaft unterscheiden und bemerken konnte. 201 94. Von einer Frau, die in ein heftiges Zittern verfiele, weil sie von ihrem Mann war überfallen worden. 202 95. Ein Mensch starb aus Furcht für einen Schiffbruch, und der Marquis von Marignac wird durch den Schrecken, den ihm eine Stuckkugel verursachte, vom Podagra befreyet. 203 96. Eine Jungfer stirbt an einer Arzney, die sie aus Vorsicht als ein Präservativ eingenommen hatte. 204 97. Eine Frau wird über ein ausgeweidetes Schwein, das sie gesehen hatte, und eine andere deswegen närrisch, weil sie sich alle Tage an- und abkleiden muste. 205 98. Eine Frau starb aus Verdruß, weil sie eine Nacht lang von ihrem Mann getrennet seyn muste. 207 99. Eine andere Frau starb an der Wassersucht, weil sie von ihren andern Gefährtinnen in einem Gewölb allein zuruck gelassen wurde. 207 100. Eine schwangere Frau asse zwey bis drey Pfund Ingwer. 209 101. Von der Art und Weise, wie man sich in Ostindien für den giftigen Thieren und vergifteten Waffen verwahret. 209 102. Zwey Personen starben von einem Opio, davon die eine ein Stück in die Hölung eines verderbten Zahns, und die andere ein Stück in das Ohr gethan hatte. 211 103. Besondere medicinische Bücher. 212 104. Ein Pachter begegnete seiner Frau auf einem öffentlichen Spatziergang, nachdem solche schon zehen Jahr lang begraben war. 221 105. Von einem Mädchen, welches dreymal begraben wurde. 225 106. Von einem Kind, welches man noch lebendig aus dem Bauch seiner Mutter nahme, da selbige schon einen Tag lang im Grab gelegen war, und den besondern Zufällen, die diesem Kind nachgehends begegneten. 227 107. Ein Freyschütz, der zum Galgen verurtheilet war, wird mit Erlaubniß Ludwigs XI. lebendig geöfnet, um den Sitz des Steines kennen zu lernen, und in funfzehen Tagen völlig geheilet, begnadiget und belohnet. 229 108. Verdrüßliche Folgen von leichten Verwundungen. 231 109. Verwundungen im Herzen. 233 110. St. Philipp von Neri war dem Herzklopfen so stark unterworfen, daß dadurch zwey Ribben aus ihren Knorpeln getrieben wurden. Einige Arten des Herzklopfens, die aus unterschiedlichen Ursachen entstanden sind. 235 111. Geschichte des Capuziners von Malta; seine Art das mit Eiß abgekühlte Wasser bey unterschiedlichen Krankheiten zu gebrauchen, und verschiedene besondere Curen von ihm. 236 112. Sonderbare Antipathien bey Personen von einem erhabenen Rang und Verdiensten. 243 113. Von einer violetten Feuerflamme, die mit Ungestümm aus der Schaam einer Frau herausschosse, der man ein Kind mit dem Hacken aus dem Leib genommen hatte. 245 114. Eine Art einer einige Zeit lang daurenden Schlafkrankheit, welche, nachdem sich zwey Würmer zeigten, wieder vergienge. 247 115. Eine Frau, die täglich bis auf ein Pfund Meersalz aße, bekame die Läuse-Krankheit. 248 116. Eine Frau, die an den Pocken krank lage, genasse von den Speisen, die sie während des Suppurations Fiebers zu sich nahme. 249 117. Des Herrn Dovars Methode die Schwindsucht mit Erfrischungen und starken Aderlässen zu curiren. 250 118. Vergleichung des Zwergs Bowrslesky mit dem Riesen Jacob Damman. 252 119. Einige betrübte Folgen, die daraus entstanden sind, wenn man sich der Liebe gar zu sehr überlassen hat. 253 120. Eine durch die Verschneidung curirte Tollheit. 254 121. Von einem Mädchen, der fast alle Gebeine an ihrem Leib durch eine innerliche Ursache brachen. 255 122. Ein Ordensgeistlicher lacht in einem bösartigen Fieber bis an seinen Tod. 256 Medicinische Anekdoten. I. Erste Bemerkung. Eine beträchtliche Augen-Entzündung, welche durch einen eisernen Splitter verursachet worden, den des Fabricius Hildans Gemahlin sehr geschickt heraus zoge. Moliere fragte bisweilen seine Magd um Rath; und er soll, wie man sagt, öfters von ihr erfahren haben, daß die Rathschläge geringerer Personen nicht jederzeit zu verachten seyen. Die Aerzte sollen ihm hierinnen hauptsächlich nachahmen; sie können öfters von den gemeinsten Leuten etwas lernen, deren Erfahrung von allem Vorurtheil mehrers befreyet ist; man muß von einem Rühhirten, sagt Montagne, von einem Grobschmidt, von einem Reisenden, alles zu Rathe halten, und von einem jeden das aufnehmen, was er zu Markte träget; es dienet alles zur Haushaltung, selbst die Thorheiten und Schwachheiten eines andern haben ihren guten Nutzen. Ein grosser und in der Chirurgie sehr geschickter Arzt wurde eines Tages zu einem Bauern beruffen, welcher sich einen eisernen Splitter in das Aug gebracht hatte, der ihn sehr beunruhigte: er war aber so klein, daß die feinsten Instrumente nichts davon fassen konnten; er versuchte alle bekannte Mittel ihn heraus zu ziehen, allein kein einziges Instrument leistete die verlangte Hülfe. Das Aug entzündete sich; man ließ dem Kranken zu Ader, und weil man ein Fieber befürchtete, welches sich auch kurz darauf einstellte, so hielte man ihn zu einer sehr strengen Ordnung im Essen und Trinken an, allein mit allen diesem wurde das Aug von dem eisernen Splitter nicht befreyet. Der Arzt verzweifelte gänzlich, daß es ihm damit gelingen würde. Seine Gemahlin konnte seine Verlegenheit nicht ohne Gelächter ansehen. Sie wollte mit ihm wetten, daß sie so gleich zu dem kranken Bauern hingehen und ihm helsen wollte, und daß sie hievon mehr verstünde als er, für so geschickt man ihn auch hielte, weil sie ein sicheres Mittel wüste, das kleine Stückgen Eisen so gleich heraus zu ziehen, welches ihm zum Trotz so hartnäckig darinnen stecken bliebe. Fabricius Hildanus, welcher hier selbst zugleich der Schauspieler und Geschichtschreiber ist, erstaunte über dieses Versprechen. Er hatte sich so viele Wissenschaft bey seiner Gemahlin nicht vermuthet, endlich ließ er sich es für diesesmal gefallen, ihr Schüler zu werden; er nahm sie also mit sich, und sie besuchten den Bauer miteinander, den sie noch kränker als des Tages vorhero befanden. Die neue Agnodice 1 entsetzte sich nicht im geringsten darüber; sie sagte zu ihrem Gemahl, er sollte das Aug öfnen und die Augenlieder sorgfältig von einander halten, sie zog darauf einen wohl zubereiteten Magnet aus ihrer Tasche, und führte solchen mit vieler Vorsichtigkeit so nahe als möglich über die Oberfläche des Auges; sie fuhr damit bald zu einem bald zu dem andern Winkel, ob schon nicht ohne Zittern, und ohne sich wegen des Erfolgs ihrer Operation zu fürchten; allein ihre Furcht war von keiner langen Dauer, dann nach einigen Augenblicken sahe man den Splitter gegen den Magnet zu fliegen. Man wird leicht errathen, daß sie nicht stumm bliebe. Fabricius war nicht unerkenntlich, er gestunde dem Kranken, daß er ohne ihre Hülfe nicht den geringsten Begrif von diesem glücklichen Mittel gehabt hätte, und alle waren vergnügt. Fabr. Hildanus, Centur. 5. Obs. 21. Fußnoten 1 S. die CCI. Bemerkung in dem zweyten Theil dieser Anekdoten. II. Ausserordentliche Hitze eines Cataloniers, welche der König durch ein Urtheil bey Lebensstrafe so weit einschränkte, daß er seiner Frau in einer Racht nicht öfters als sechsmal beywohnen durfte. Die Natur hat gewisse Gunstbezeigungen welche sie nicht verschwendet. Wie vielen Dank war ihr nicht jener Catalonier schuldig, von dem Venette redet. Seine Frau fand sich einstmalen bemüßiget, dem König zu Fuß zu fallen, und ihn wegen der ausserordentlichen Hitze ihres Mannes um seine Hülfe anzuflehen, welche, wie sie sagte, ihr in kurzen das Leben kosten würde, wenn selbiger kein Einhalt geschähe. Der König ließ diesen Mann kommen, um die Wahrheit zu erfahren, welcher freymüthig bekannte, daß eine jede Nacht mit zehen Triumphen bezeichnet würde, worauf ihm der König durch ein Urtheil und zwar bey Lebensstrafe verbote, daß er sich der Heftigkeit seiner Hitze in Zukunft nicht mehr als sechsmal überlassen solle, damit er durch seine allzuviele Umarmungen seine Frau nicht gänzlich entkräften mögte. Man muß gestehen, daß dieses ein sehr besonderes Urtheil ist; aber noch besonderer ist es, wenn sich Souveränen in den Umständen befinden, dergleichen Urtheile zu fällen. Die Geschichte hat uns ein anderes merkwürdiges Beyspiel einer ganz ausserordentlichen Stärke von dieser Art aufbehalten; wir haben den Brief noch, welchen der Kaiser Proculus hievon an einen seiner Freunde schriebe. 1 Fußnoten 1 Proculus Metiano S.P.D. Centum ex Sarmatia Virgines eœpi; ex his, una nocte decem inivi; omnes tamen quod in me erat, mulieres intra dies XV. reddidi. III. Besonderes Gewächs. Es ist kein ungereimter Scherz, daß man saget: Die Arzneykunst wisse wider eine besondere Krankheit, die Affectus Cornutus genennet wird, keine Mittel ausfündig zu machen; Tourillon ein gebohrner Franzoß trug ein Widder-Horn mitten auf der Stirne: Der Herr von Thou sagt, daß er diesen Menschen A. 1600. gesehen habe; Christian Fabricius und Bartholinus reden gleichfals von ihm, und versichern, daß kein Betrug darhinter verborgen gewesen seye. Ob diese Krankheit gleich seltsam und ausserordentlich ist, so findet man doch unterschiedliche Wahrnehmungen in Ansehung einiger Mannspersonen von dieser Art; aber alles das was unterschiedliche Aerzte hievon erzählen, kommt mit dem jungen Mädchen aus dem Canton Bern in keine Vergleichung, deren Beine, Rucken und Arme mit Hörnern bewachsen waren, unter welchen einige zwey quer Finger lang, und andere gekrümmet waren. IV. Gedächtniß, welches sich während der grossen Sommerhitze verlohren. Ist wohl ausser dem folgenden Zufall, noch ein mehrerer Beweiß nothwendig, daß die weniger oder mehr vollkommenere Organisation unsers Gehirns das Gleichgewicht der Vollkommenheit der Handlungen unserer Seele ausmache? Das Gedächtniß eines Kindes von acht Jahren war ein solches Spiel der Abwechslungen der Luft, daß es zur heißen Sommerszeit alles das wieder vergasse was es gelernet hatte; und wenn es wieder kühl wurde, so bekam es in Zeit von zwey bis drey Tagen sein völliges Gedächtniß wieder; und wann die Hitze wiederum neuerdings einfiele, so unterliese dieses thermometrische Gehirn niemals durch seine Vergessenheit den Zustand einer mehr erhitztern Himmelsluft anzuzeigen. Es wird aber dafür gebetten, daß unsere Materialisten dieses Gehirn nicht an ihren Siegeswagen anhängen: indem es ganz im geringsten nicht unsere Absicht ist, ihr Lehrgebäude dadurch zu verstärken. van Svvieten, Tom. I. Hermogenes von Tarsus, welcher im Ende des zweyten Kirchen-Seculi lebte, und mit fünfzehen Jahren die Rethorik gelehrt, und in seinem achtzeheuden Jahr die zehen Bücher verfertiget hatte, die wir von ihm haben, vergaß im vier und zwanzigsten Jahr alles wieder was er gewust hatte. Traité Histor. des Enfans devenus célebres etc. par M. Baillet, p. 389. V. Wunderbare Gedächtniße. Es haben sich unterschiedliche Personen gerühmet, daß sie die Kunst erfunden hätten, das Gedächtnis auf eine besondere Art zu stärken; Muretus erzählet wirklich in einer Rede de quorundam admirabili memoria, daß ein junger Mensch aus der Insul Corsica das Geheimniß erfunden hätte, sein Gedächtniß erstaunlich zu stärken; Muretus wollte selbst eine Probe mit ihm davon machen. Er sagte diesem Insulaner eine ausserordentliche Menge griechischer, lateinischer und barbarischer Wörter vor, welche keinen Verstand miteinander, und öfters gar keine Bedeutung hatten; die dieser junge Mensch augenblicklich wieder, holte ohne anzustossen noch inne zu halten, und zwar in der nämlichen Ordnung vom ersten bis zum lezten und wechselsweise wiederum von dem lezten bis zum ersten ohne ein Wort zu versetzen. Dieses war nur ein leichter Versuch seines Gedächtnisses; dann er behauptete, daß er deren sechs und dreysig tausend mit eben dieser Geschwindigkeit wieder hersagen wollte. Muretus befürchtet, da er diesen Umstand anführet, daß man ihn der Unwahrheit beschuldigen mögte, so unglaublich kam ihm diese Sache selbst vor. Der Philosoph Seneca sagt von sich selbst, daß er bis auf zwey tausend nicht mit einander zusammenhängende Wörter in der nämlichen Ordnung wiederholet habe, wie man sie ihm vorgesaget hatte; und zwar ohne den Gebrauch eines künstlichen Mittels, sondern durch die blose natürliche Wirkung eines glücklichen Gedächtnisses. In proemio Controv. VI. Ein Cadaver, an welchem die Nägel zwanzig Jahr nach dessen Tod wieder gewachsen waren. Daß sich unsere Theile durch die Nahrungssäfte welche unsere Organa verwandeln, ernähren, und ihr Wachsthum erhalten; daß ein organischer Lebens-und Wachsthums-Trieb den Verlust, welchen unsere Theile beständig fort leiden, wieder ersetzet, alles dieses ist kein sonderliches Wunder, sondern der Ordnung der Natur gemäß; aber daß ein bereits schon zwanzig Jahr-lang verstorbener Mensch noch Kennzeichen des Wachsthums von sich giebet; ist ein Umstand, an welchem man zu zweifeln Ursache hätte, wenn das grosse Ansehen des berühmten Boyle und des weltbekannten Paree nicht allen Argwohn diesfals benähme. Wer sollte wohl glauben, daß Paree ein Cadaver erhielte, dem die Nägel kurze Zeit, nachdem er sie abgeschnitten hatte, wieder so groß als vorhero wuchsen? Inzwischen führet Boyle diesen Umstand in seinem Tractat von dem Ursprung der Formen und Qualitäten an. Was für seltsame Dinge zeigen sich in der Natur! Wie gerne hintergehet sie uns und verbirgt uns ihre Geheimnisse! Repub. des Lett. Fev. 1688. p. 166. VII. Haare, welche an einem Cadaver 43. Jahre nach dessen Absterben wieder gewachsen waren. Die Haare haben gleichfals diese besondere Eigenschaft, daß sie noch nach dem Tod wieder wachsen. Das englische gelehrte Tagbuch erwähnet einer Frau aus Nürnberg, deren Haare drey und vierzig Jahre lang nach ihrer Beerdigung durch die Spalten des Sarges heraus gewachsen waren; der Körper war noch ganz zu sehen und hatte noch vom Kopf bis auf die Füße ein menschliches Ansehen, er war über und über mit einem langen und sehr dicken Haar bedecket, zwischen welchen man die Augen, die Nase, den Mund und die übrigen Theile sehr deutlich unterscheiden konnte. Das allerbesonderste dabey war, daß dieser Körper unter zwey andern begraben lag, die zu Asche zusammen gefallen waren. Aber wie groß war nicht das Erstaunen des Todengräbers, als dieser Körper, da er den erhabensten Theil des Kopfes davon anfassen wollte, plötzlich verschwand, und unter seiner Hand zerfiele, so daß ihm nichts als eine Hand voll Haare in der Faust bliebe, und er nach diesem weder die Hirnschaale noch Knochen noch was anders ausser einen etwas festen Theil fande, weicher wie er glaubte zu der grossen Zehe des rechten Fusses gehörte. Dieses Haar kam ihm anfänglich etwas rau und nachgehends noch rauer vor, es war roth und etwas lockigt, aber verfault. Man schrieb, um diese Nürnbergische besondere Begebenheit desto glaubwürdiger zu machen, aus eben diesem Land, daß ein Körper eines Verbrechers, welcher wegen Diebstahls gehänget wurde, über und über mit Haaren wäre bedecket worden, ob er gleich noch nicht seit gar langer Zeit an dem Galgen hienge. Thomas Bartholinus hat über die Haare eine Anmerkung gemachet, welche verdiente bestätiget zu werden. Er schreibt, daß die Haare, welche bey den Personer, da sie noch lebten schwarz oder grau waren, öfters nach ihrem Tod, wann man sie ausgräbet, oder ihr Grab öfnet, weiß würden, so daß ihre Anverwandten sie kaum noch erkennen könnten. Woher mag wohl eine solche Veränderung kommen? VIII. Eine Genesung, welche durch den Instinct bewirket worden. Wenn ein Kränker, der von der Arzneykunst keine Kenntniß hat, ein Mittel ausfindig machet, durch welches er geneset, hat er solches der Wirkung seiner Vernunft, oder blos dem Trieb dieses Instincts zu danken, welcher die Thiere so weislich leitet? Eine Jungfer welche von einer langwierigen Krankheit, die sie ausgestanden hatte, nicht genesen konnte, keinen Schlaf hatte, und von einem anhaltenden Fieber, welches sie in den betrübtesten Zustand versetzte, beständig gemartert wurde, hatte einen Abscheu für allen Speisen. Sie bekam einstmals Lust Austern zu essen. Man hütete sich aber wohl ihr welche zu geben. Ihre Begierde darnach nahm immer mehr und mehr zu. Man verweigerte ihr solche aber beständig, aus Furcht, daß sie dadurch eine Unverdaulichkeit bekommen mögte, welche ihr unfehlbar das Leben würde gekostet haben. Sie verlangte aber solche so oft und vielmal, daß man ihr endlich sechse gabe. Sie verschlang selbige mit einer ausserordentlichen Begierde, und wurde nicht im mindesten davon beschweret. Sie verlangte noch mehrere, man gab ihr abermals sechse, und darauf alle Tage fort einige. Man hatte so gleich das erstemal bemerket, daß das Fieber ein wenig nachgelassen hatte, und daß ihr Gesicht und ihr Puls besser wurde; und in kurzen erhielte sie ihre gänzliche Genesung. Diese Austern, welche die Natur dieser Kranken, von der ich geredet habe, so weislich angezeiget hat, würden bey jemand anders die ärgste Unverdaulichkeit verursachet haben: aber dieser Instinct, welcher jederzeit in seinen Trieben sinnreich ist, fand ein ganz besonderes Mittel, sie davon zu befreyen. Einige Matrosen bemächtigten sich einer Tonne mit Austern, welche am Haven zurück geblieben war, um sich damit einen recht lustigen Tag zu machen. Der gröste Vielfraß unter ihnen muste seine Gefräßigkeit bald darauf bereuen; er trug fast sogleich die beklemmenste Unverdaulichkeit zu seiner Strafe davon. Man brachte ihn in diesem Zustand nach Haus, erklärte seinen Umstand für höchst gefährlich, und versahe ihn folglich mit dem lezten Beystand der Kirche. Der Sterbende, welcher der willkührlichen Besorgung seiner Frau überlassen war, die sich einen Augenblick lang aus dem Zimmer begeben muste, sahe eine Schale voll weichen Käß, den sie auf dem Tisch ohnweit seines Bettes gelassen hatte; ein natürlicher und unwiderstehlicher Trieb reizte ihn, davon zu essen, er machte sich die wenigen Augenblicke der Abwesenheit seiner Frau zu Nutze, nahm die wenigen Kräften, die ihm ein schon halb erloschenes Leben noch übrig gelassen hatte, zusammen, verzehrte alles und schlief darauf ein. Als seine Frau wieder in das Zimmer kam, glaubte sie, es gieng mit ihm zum Ende, weil er aber ganz ruhig war, so ließ sie ihn die Nacht über in diesem Zustand liegen. Aber wie sehr erstaunte diese Frau, da sie den folgenden Tag ihren Mann zu seiner gewöhnlichen Zeit erwachen, sich ankleiden, und nach seiner Gewohnheit am Haven spazieren gehen sahe, zur grösten Verwunderung derer, die ihn den Abend zuvor gesehen, und zu einem unvermeidlichen Tod verdammet hatten. IX. In der Blindheit sind die Organa mit einer vortreflichen Empfindungskraft versehen. Es ist ein grosses Unglück, daß der Verlust des Gesichts den Menschen in den betrübtesten Zustand versetzet; jedoch verbessert die Blindheit gleichsam zu einiger Schadloshaltung das Gehör, den Geruch und das Gefühl auf eine ganz besondere Art, welches, wie ich glaube, sowohl durch die beständige Nothwendigkeit, in der sich ein Blinder befindet, dem Verlust seines Gesichts mit diesen Sinnen zu Hülfe zu kommen, als auch durch die Entfernung der Zerstreuungen bewirket wird, wodurch ein Blinder öfters eine Ruhe, einen stillen Zustand empfindet, welche uns das Vermögen zu sehen fast alle Augenblicke entziehet. Pfleget man nicht öfters die Hand vor das Gesicht zu legen, damit man mit nichts alt mit dem Gegenstand möge beschäftiget werden, welchen man in seinem Gedächtniß suchet, als ob man gleichsam dadurch den Augen alle Gelegenheit zu Zerstreuungen benehmen wollte? Folgender Umstand dienet zu einem Beweiß, wie sehr die Natur bey einem Blinden, welcher ein ausserordentlich feines Gehör und Geruch hatte, den Verlust des Gesichts ersetzet hat. Ein Blinder aus dem Armenhaus der Dreyhunderter zu Paris hatte zwey Töchter, welche Zwillinge waren, und von denen oft eine mit der andern verwechselt wurde; er unterschiede sie so gleich, wenn er sie in dem Gesicht befühlte, und sagte, ohne jemals zu irren, diese ist die Louison, und jene ist die Jeannette. Sein Geruch ließ ihn sogar bemerken, wenn die Natur bey ihnen die weibliche Reinigung wirkte. Eines Tages befand er sich nicht wohl, und kam eher als er sonst in Gewohnheit hatte, in sein Zimmer, in welchem sich die Louison eben dazumal mit einem jungen Menschen befande, den sie liebte, und bey seiner Ankunft leiß hinaus gehen liese; allein das Gehör war bey unserm Blinden allem Vermuthen nach so sein als sein Geruch und Gefühl; er faßte die Louison bey der Hand, roch ihr in das Gesicht und an die Brust, und behauptete, daß er ihrer erst ganz kürzlich verübten Unzucht versichert wäre, und weil er sehr auffahrend war, so fieng er an, sie auf das grausamste zu mishandeln; der junge Mensch, welcher aussen vor der Thür stehen geblieben war, gieng, als er solches hörte, wieder in das Zimmer hinein, und sagte ihm, daß er keine andern Absichten hätte, als seine Tochter zu heurathen, mit der er sich ehelich versprochen hätte, und daß er hoffe, daß er ihm selbige, wenn er sich selbst bey ihr würde deswegen erkundiget haben, nicht abschlagen werde. Unser Blinder erkundigte sich, und nachdem er erfuhre, daß dieses ein wohlgesitteter junger Mensch seye, der einen kleinen Dienst bey einem Gericht habe, bewilligte er ihm die Louison nebst einem Heurathgut von eilf tausend Livres. Essais Histor. sur Paris. Es wird vielleicht nicht überflüßig seyn, hier anzumerken, daß Ludwig der Heilige im Jahr 1260. das Armenhaus der Dreyhunderter für dreyhundert blinde Bettler gestiftet hatte. X. Mittel, deren sich die Moscowiten zu ihrer Genesung bedienen. Es ist nicht zu laugnen, daß eine jede Nation eine besondere Art hat, sich von den Krankheiten, die sie überfallen, zu befreyen. Das Bad der Moscowiter ist eines der besondersten Mittel. Sie fangen es damit auf folgende Art an: Man heizt einen Ofen gewöhnlicher Weise, und wenn die Hitze ein wenig nachläßt, so kriechen fünf oder sechs Moscowiter, mehr oder weniger hinein und legen sich der Länge nach darinnen nieder, worauf man die Thür hinter ihnen zumachet, so daß sie kaum Athem holen können: wenn nun die Hitze unerträglich wird, so kriechen sie wieder heraus, schöpfen frische Luft, und begeben sich alsdann wiederum hinein; dieses wiederholen sie so oft, bis sie fast halb gebraten sind; alsdann machen sie sich so roth wie die Krebse heraus, und springen in den Fluß, oder, welches sie noch lieber thun, bedecken sich über und über mit Schnee, und bleiben so, nachdem ihre Krankheit beschaffen ist, mehrere oder wenigere Zeit über darinnen stecken. Nouv. Mem. sur l'Etat present, de la grande Russie etc. Mem. de Trevox. Aout. 1725. p. 1502. XI. Jäher Tod der Negern, welcher der Zuruckziehung des Zäpfleins zugeschrieben wird. Galenus erzählet einen Zufall, dessen Wahrheit ziemlich verdächtig zu seyn scheinet, ob solche gleich durch unterschiedliche neuere Berichte der Reisenden bestätiget wird. Die Neger-Sclaven, welche man einschiffet, gerathen öfters in Verzweiflung, weil sie in der Meynung stehen, daß man sie aus keiner andern Ursache nach Amerika führe, als um sie zu fressen, und da sie in ihrem Zustand aller Mittel sich zu entleiben beraubet sind, so sind sie darauf verfallen, sich durch die einzige Bewegung des Zäpfleins zu ersticken, welches sie so genau und stark zu verschliessen wissen, daß sie, indem sie den Athem gänzlich hemmen, plötzlich des Todes sind, ohne daß man diesen Zufall weder vorhersehen noch verhindern kan. Als der Herr Dodart, welcher an dieser Sache zweifelte, sich deswegen bey einigen Seeofficiern erkundigte, so versicherte ihn einer der vornemsten Beamten, der die Einschiffung der Negern zu besorgen hatte, daß er zwey Fälle von dieser Art an zwey jungen Negern mit angesehen habe, welche, da sie in dem Schiff sassen, in jedermanns Angesicht plötzlich des Todes waren. Man kann übrigens nicht muthmassen, daß sie an Gift sterben; dann diese Negern sind so blos wie die Hand, und man durchsuchet sie allenthalben ehe man sie einschiffet, weil sich ihre Furcht alsdann verdoppelt. Ueberdieses zeiget sich an den Körpern dieser Elenden nicht die geringste Spur eines Giftes. Aber alle diese Zeugnisse befriedigen den Herrn Dodart noch nicht; und es ist auch in der That nach seiner Meynung nicht leicht zu begreifen, wie sich ein Mensch auf solche Art durch eine freywillige Bewegung wie solche beschaffen seyn möge, mit der Zunge, mit dem Zäpflein oder mit den Lippen desselben, ersticken könne. Keine freywillige Bewegung, kann, und wenn sie auch noch so hartnäckig genöthiget wird, bis zur Entweichung der Sinnen getrieben werden, dann so bald es so weit gekommen ist, so fängt sich die maschinenmäßige Bewegung des Athemholens wieder an, ohne den Befehl des Willens zu erwarten, und treibet wiederum ihr natürliches Spiel. XII. Eine Misgeburt, welcher das Herz an dem Hals wie ein Schaustück hienge. Folgender Zufall wird mit Recht seinen Platz unter den besondern und wunderlichen Spielen der Natur finden, die unsere Bewunderung erregen. Zu Grenoble wurde eine todte Misgeburt zur Welt gebracht, die sich aber einige Zeit vor der Geburt noch gereget hatte, wie solches die Mutter gespüret hatte, deren Herz ausserhalb wie ein Schaustück an dem Hals hienge, so daß es sich auf der Brust hin und her bewegen konnte. Dieses Herz hatte kein Fell, und war an seinen grossen Gefässen befestiget, die ihm an Statt der Nabelschnur dienten, und durch den vördern Theil des Halses von innen heraus giengen. Dieser Zufall ist von unterschiedlichen Aerzten und Wundärzten zu Grenoble bezeuget worden. Histoire de l'Acad. 1712. p. 39. XIII. Becker stirbt an der fallenden Sucht, weil er, da er sich im Fechten übte, in dem Augenlied verwundet wurde. Die Verwundungen am Haupt dörfen nicht jederzeit nachläßig besorget werden, wenn sie auch dem Ansehen nach noch so gering scheinen; das Haupt stehet mit den übrigen Theilen des Leibes in einem gar zu genauen Verhältniß, so daß die geringste Verletzung daran die gröste Aufmerksamkeit erfordert. Johann Becker, ein Mann von einem sanguinischen Temperament, übte sich öfters zu seinem Zeitvertreib mit einem jungen von Adel im Fechten, der ihn eines Tages unter dem linken Aug leicht verwundete: Das untere Augenlied war ein wenig geschlitzet, und das harte Augenhäutgen etwas gequetschet. Becker, der sich entweder darüber heftig ärgerte, oder von dem Schmerzen übermannet wurde, warf sein Fleuret weg und fiel zu Boden. Man brachte ihn zu Bette, er redete kein Wort, und starb einige Stunden nachhero an einem heftigen Anfall der fallenden Sucht. Man öfnete den Kopf, und untersuchte alles sehr sorgfältig; man bemerkte aber sonst nichts als die Wunde an dem Augenlied. Rega de Sympathia partium. XIV. Von Riesen. Die Erzählungen von Riesen, welche an unterschiedlichen Orten in der H. Schrift vorkommen, erlauben nicht an ihrem wirklichen Daseyn zu zweifeln; ob man gleich gewissen Nachrichten hievon, die man bey unterschiedlichen Schriftstellern findet, und welche der Pater Calmet in einer seiner Streitschriften über die H. Schrift sorgfältig und häufig gesammelt hat, ohne sich einige Gewalt anzuthun, nicht leicht Glauben beymessen kan. Man findet daselbst Körper von einer erstaunlichen Grösse, die man in Griechenland, Sicilien, Egypten, Afrika, in Deutschland und auch sogar in Frankreich entdecket hat: und ausser dem Philenates, den der Pater Calmet sehr häufig anführet, stehen die mehresten Schriftsteller, hauptsächlich die alten, mit welchen er seine Nachrichten bestätiget, in zuverläßigen Ansehen. Unter den neuern Entdeckungen hat wohl nicht leicht eine mehreres Aufsehen verursachet, noch eine strengere Untersuchung ausgestanden, als die, welche im Jahr 1613. im Delphinat auf den Gütern des Herrn von Langeon geschahe. Einige Maurer, die an einer Sandgrube arbeiteten, fanden achtzehen Fuß tief in der Erde ein Grab, welches dreysig Fuß lang, zwölf Fuß breit und acht Fuß tief war. Aussen herum waren die Worte Theutobochus Rex zu lesen, worunter, wie man glaubte, der Teuto, König der Teutoner und Cimbrier, welche Marius überwunden hatte, zu verstehen war. Die Gebeine des Todtengerippes, welches darinnen begraben lag, hiengen noch unmittelbar zusammen, und waren fünf und zwanzig und einen halben Fuß lang, um die Schultern herum zehen Fuß breit und fünf Fuß tief; der Kopf hatte fünf Fuß in der Länge, und zehen in der Runde, und die Augenhöhlen fünf Zoll in der Runde. Dieser Zufall, welcher anfänglich blos eine Belustigung der Neugierigen war, wurde bald darauf ein Gegenstand eines ernsthaften Streites, ja so gar eines hitzigen Krieges in den anatomischen und medicinischen hohen Schulen der Facultät zu Paris: Herr Rioland ein Arzt und Herr Habicot ein Wundarzt, legten ihre Gelehrsamkeit bey dieser Gelegenheit am Tage. Habicot suchte die Wahrheit der Entdeckung zu behaupten, und Rioland wollte erweisen, daß die Sache nichts als ein Betrug wäre. Aber Rioland zog den Kürzern, und man konnte es nicht dazu bringen, daß die Gebeine des Theutobochus für Knochen von einem Wallfisch oder für ausgegrabene Knochen sollten gehalten werden, welches die gewöhnliche Art ist, womit man dergleichen Beweise zu widerlegen suchet. Der H. Augustinus erzählet gleichfals, daß er an dem Ufer des Meers einen Menschen-Zahn gesehen habe, der hundertmal so groß als einer der unsrigen war. Mem. de Trevoux. Janv. 1723. p. 25. Man findet in einem von Smirna den 15. April 1727. ausgestellten Schreiben, welches im Monat Julius eben dieses Jahres in den Mercure de France eingerucket wurde, einen noch ausserordentlicheren Umstand. Man fande vor einiger Zeit in einem Dorfe in Macedonien Namens Calubella sechs Meilen weit von Salonich gelegen, das Grab eines Riesen, welcher unter einer alten Mauer begraben lag, welche, weil sie der Regen nach und nach aushöhlte, endlich einstürzte. Man bekam durch diesen Einsturz eines der grösten Wunder von der Welt in Ansehung der ganz übernatürlichen Grösse zu sehen; welches die Trümmer und Gebeine, die der Herr Quenet, der dazumal sich als königlicher Consul in dieser Stadt befande, davon aufbehielte, um solche nach Frankreich zu schicken, sattsam erweisen. Ich will diejenigen, die ich gesehen habe, und von denen sich einige noch zu Smirna befinden, zuverläßig beschreiben. Ein Zahn, welcher noch in einem Theil des Kinnbackens stecket, wieget sechs Oquien oder achtzehen französische Pfund. Die Hirnschale, welche man ganz gefunden hat, die aber nachhero zerbrochen wurde, faßte sechs Garben Korn in sich, deren eine jede vier und achtzig Oquien woge, welches mehr als funfzehen Garben, eine jede zu hundert Pfund gerechnet, ausmachet. Ein anderer Zahn aus dem untern Kinnbacken ist einen Pan oder zehen Zoll breit, und wieget eine Oguie oder drey Pfund. Ein dritter Zahn wieget 350. und noch ein anderer 360. Dragmen. Das lezte Glied des kleinen Fingers ist fast einen Pan oder neun bis zehen Zoll lang. Ein Knochen von dem Arm ist vier Pans oder ohngefähr drey und einen halben Fuß lang. Rach der gemachten Rechnung und nach dem Maas des Raums, den dieses Todtengerippe ausfüllete, glaubt man, daß dieser ungeheuere Körper siebenzig Pans hoch war, welches ein und zwanzig Stäbe, den Stab zu acht Pannen und einen jeden Pan zu zehen Zoll gerechnet, ausmachet. Der Herr Consul ließ über diese Entdeckung ein Protokoll in bester Form aufsetzen, welches von unterschiedlichen glaubwürdigen Zeugen und vielen Zuschauern unterschrieben war. Mercure de France, Juillet 1727. p. 1576. XV. Ursprung des Fiebers des S. Valier. Herr von Thou erzählet in dem dritten Buch seiner Geschichte, da er von dem Johann von Paisiers Herrn von S. Valier handelt, daß dieser Herr, da er zum Tod verurtheilet und zur Gerichtsstatt geführet wurde, aus Furcht von einem so bösartigen Fieber überfallen wurde, daß man, ohngeachtet seiner Begnadigung, welche Franz I. seiner Tochter bewilliget hatte, die sich wegen ihrer Schönheit die Freundschaft unterschiedlicher Herren erworben hatte, viele Mühe brauchte, ihn wieder zu sich zu bringen, und von dem Fieber zu helfen, ob man ihm gleich viel Blut abgenommen hatte; und daher ist das Fieber des Saint Valier zu einem Sprichwort geworden, wenn man ein sehr bösartiges Fieber anzeigen will. Paquier erzählet diese Geschichte in dem achten Buch seiner Untersuchungen im 39. Capitel umständlich, und meldet, daß der S. Valier aus Furcht für den Tod in ein Fieber verfiele, an welchem er zwey Tage darauf seinen Geist aufgabe. Es geschahe solches im Jahr 1723. Menagiana in der dritten Auflage im dritten Band p. 142. XVI. Besondere und so gar giftige Nahrungsmittel gewisser Personen. Es giebt gewisse Personen, deren zur Verdauung gehörige Organa entweder vermög ihrer natürlichen Einrichtung, oder weil sie darzu gewöhnet sind, so gar aus dem Gift eine nahrhafte: Materie ziehen können. Diese junge Indianerin, welche dem Alexander vorgestellet wurde, die mit ihrem Athem vergiften konte, weil sie Wolfswurz asse, ohne daß ihr solches einigen Schaden verursachte, ist ein entscheidender Beweiß davon. Galenus erwähnet einer alten Frau aus Athen, die sich mit Schierling nährte, und Theophrastus redet von einem gewissen Eudemus aus Chìus, der ein grosser Liebhaber der Nieswurz war. Zu Stockholm befand sich unter der Leibwache von Fusvölkern des Königes von Schweden ein Polack, welcher die Flöte bliese, der die grossen Spinnen für seine liebsten Speisen hielte. Ein Winzer ohnweit von Paris, Namens Yvans, asse Kröten und verschlange Eisen. Joan Linder de venenis, in gen. & spec. exercitatio. Mem. de Trevoux. Mai 1713. p. 907. Die vermischten Schriften der Naturforscher reden von einem jungen Schottländer, der zu Leyden die Arzneykunst studirte, welcher gar zu gerne Spinnen asse, ohne die geringste Beschwerlichkeit davon zu empfinden. Er suchte allenthalben nach, um welche zu finden, und man hat ihn oft sagen hören, daß er keine niedlichere Speise wisse. Warum sagt man dann, daß über den Geschmack nicht zu streiten wäre? Die Ephemerides melden, daß dieser Mensch von bleichen Gesicht war, und sehr matte Augen hatte; sich übrigens aber ganz wohl befande. Borelli schreibet, daß er zu Padua einen blödsinnigen Menschen gekannt habe, der ohne den mindesten Scheu, ja vielmehr mit einem besondern Vergnügen Spinnen und Scorpionen verschlange. Cent. 3. Obs. 19. Offredus erzählet, daß er eben dieses von einem Bettler in der Stadt Orleans gesehen habe. Joan. Rhod. cent. 3. obs. 15. XVII. Ein aus der Ader gelassenes Geblüt, das so weiß wie Milch war. Die Farbe des Geblüts ist nicht jederzeit so beständig, daß sich solche nicht bisweilen ganz ausserordentlich verändern sollte. Dieses flüßige Wesen wird manchmal weißlich. Lower erzählet, daß man einem Mädchen zur Ader liese, deren Geblüt in kurzen ganz weiß wurde. Und nach dem Bericht des Borels hatte ein Mensch, der an einem bösartigen Fieber krank lag, ein Geblüt, das so weiß wie Milch war. Ein berühmter Schriftsteller meldet zur Bestätigung dieser Fälle, daß er selbst Zeuge gewesen, wie das Geblüt, welches man einem Menschen der Kopfwehe hatte, aus der Ader liese, weiß, und fast wie grau war, und so wie es aus der Ader heraus liefe, gleich geronne, und wie in einer Schnur auf das Laßbecken fiele, welche sich in unterschiedlichen Zügen und Falten herum legte. XVIII. Das Wasser hilft in Ermanglung einiger Nahrung eine Zeitlang für der Gefahr Hungers zu sterben. Man kann, wenn man Wasser trinket, eine Zeit lang der Speisen entbehren, ohne deswegen Hungers zu sterben. Ein gewisser Seeofficier, ein glaubwürdiger Mann, erzählte dem Herrn Smith, daß er, da er nach Straffort geschicket wurde, um einige Leute zu besehen, die man mit Gewalt zu Seediensten weggenommen, und eingeschiffet hatte, einen darunter in dem Gefängniß, wo man sie verwahrte fande, der geschworen hatte, daß er lieber Hungers sterben als in See gehen wollte. Er gab sorgfältig auf sein Verhalten Achtung, und fande nach einer genauen Untersuchung, daß er vier und zwanzig Tage lang keine Art einiger Speise zu sich genommen, sondern nur täglich ohngefähr drey Pinten oder zwey Quart Wasser getrunken hatte, in der Hofnung, sich dadurch vom Leben zu helfen. Da er sich aber in seiner Erwartung betrogen befande, und sahe, daß sie innerhalb zwey Tagen alle miteinander nach London abgehen würden, so ließ er sich gefallen einige Speise zu sich zu nehmen, indem er anfänglich ganz wenig aß; Dieser Officier bemerkte, daß er auf Marsch von so guten Kräften als der Stärkste unter dem Haufen war. Smiths Tugenden des gemeinen Wassers. Ein närrischer Mensch, welcher in dem Tollhaus zu Harlem in Verwahrung lag, hat vierzig Tage lang zugebracht, ohne daß er etwas anders als Wasser zu sich genommen, und Toback gerauchet hat. Hat das Wasser eine nahrhafte Materie in sich, oder hat solches nur blos dadurch, weil es die Vertrocknung der Fiebern und die alkalische Auflösung der Salinien der flüßigen Theile verhindert hatte, diese beyden Menschen für einen verschmachtenden Tod bewahret? Es ist dieses sehr wahrscheinlich; indem es bekannt ist, daß dieses die beyden Ursachen des Todes sind, wenn man Hungers stirbt. Die festen Theile erhärten, die salzigten Theile alkalisiren sich, worauf ein Fieber entstehet, und man in einer Verruckung der Sinnen dahin stirbt. XIX. Eine Frau, die einen Anfall von einem Schlagfluß bekam, verlohr die Sprache, wiederholte aber das Vater Unser, Ave Maria, den Glauben Gott etc. ohne Anstoß. Es ist alles an uns so gebrechlich, daß an einem Menschen, der die Triebfedern, welche das Denken bey uns veranlassen, nur ein wenig kennet, die Eigenliebe, wie die reizende Frau Deshoulieres sagt, die allerthörichste Liebe ist. Was für ein Kopf ist der Kopf eines Voltairs! welcher Abgrund von Begriffen; welche erstaunliche Veränderung würde aber entstehen, wenn in diesem so schätzbaren Kopf nur zwanzig Tropfen Blut mit Gewalt in ein Gefäß, das nicht mehr als vier Tropfen annehmen kann, eindringen sollten. Voltaire würde nicht mehr Voltaire, sondern nur ein schlechter Ch-- seyn. Eine Frau vom Stand verlohr durch den Anfall eines Schlag-Flusses die Sprache dergestalt, daß sie kein Wort aussprechen konnte, ausgenommen das Vater unser, Ave Maria, und den Glauben Gott, welche sie ohne Anstoß wiederholte, und ausser diesem ein gutes Gedächtniß und gesunde Beurtheilungskraft hatte. Wepfer, hist. apoplect. p. 468. Es ist mir von einem grossen Arzt versichert worden, daß ein gewisser sehr verständiger Mensch, der zu St. Germain von einem Schlagfluß überfallen wurde, bey seinem betrübten Erwachen alles, auch so gar seinen eigenen Namen vergessen hatte, und sich nicht einmal des Namens seiner Aerzte mehr zu erinnern wuste. XX. Das Maaß des Vergnügens und des Schmerzens. Man pfleget das Vergnügen und den Schmerzen insgemein als zwey einander vollkommen entgegen gesezte Dinge zu betrachten; sie sind aber wirklich zwey aneinander angränzende Eigenschaften. Das Licht ist den Augen angenehm, ein gar zu starkes Licht verblendet und verwundet sie, und kann jemand plötzlich stock blind machen. Der Schall, welcher die Ohren vergnüget, unterscheidet sich nur nach dem wenigern oder mehrern Grad desjenigen Schalls, welcher sie zerreisset, und eine gänzliche Taubheit verursachen kann. Die Süßigkeit reizet den Geschmack, aber eine gar zu grosse Süßigkeit verursachet einen Eckel und Abscheu und verdirbt den Magen. Zärtliche Personen fallen von einem Geruch in Ohnmacht, welcher weniger empfindlichen Leuten angenehm und lieblich ist. Ein leichtes Kützeln ist die Quelle des grösten Vergnügens; wenn man es aber gar zu weit treibet, so ziehet es ein zuckendes Lächeln und bisweilen gar den Tod nach sich. Alle diese Dinge sind so bekannt, daß sie nicht den geringsten Widerspruch leiden; aber scheinet es wohl nicht ganz widersinnig zu seyn, wenn man behauptet, daß das Vergnügen gleichsam in dem Schoos der heftigsten Schmerzen entstehen könne? Wenn wir hievon ein richtiges Urtheil fällen wollen, so müssen wir alles Vorurtheil bey Seite setzen. Tamerlan, ein Vater von hundert Kindern, und Ueberwinder von hundert Völkern, ließ sich bisweilen aus Muthwillen mit Ruthen streichen. Dieser Umstand wird von allen Geschichtschreibern dieses berühmten Eroberers bezeuget; wir wollen aber nicht weiter an die Sitten dieses Tartarn gedenken. Es giebt Dinge, die einem Arzt nicht unbekannt seyn dörfen, und von denen er nicht nachdrücklich genug reden kann, noch solche allzuleicht übersehen darf. Hier folgen andere Umstände, welche Aufmerksamkeit verdienen. Ein junger Mensch zu Paris, der einen Geschmack an den mechanischen Künsten fande, aber auch von einer ganz besondern Gemüthsart war, schloß sich an einem Abend in seiner Kammer ein, band sich die Brust, den Bauch, die Arme, die Fäuste, die Schenkel und die Beine mit in Schleifen geschlungenen Stricken, deren Ende an Nägeln befestiget waren, die er in den vier Wänden fest gemachet hatte. Nachdem er einen Theil der Nacht in diesem Zustand zugebracht hatte, und sich wieder los machen wollte, aber damit nicht zurechte kommen konnte, schrie er endlich um Hülfe; einige Weiber, welche gleich in aller Frühe zu Markte giengen, hörten ihn, und liesen die Wache kommen. Man stieß die Kammerthüre so gleich ein, und fand unsern jungen Menschen in der Luft hängend, der nur eine Hand von seinen Banden los gebracht hatte. Man führte ihn zu einem Commissär und von da zu dem Herrn B--- der dazumal General-Policeylieutenant war, und ihn selbst verhören wollte. Dieser junge Mensch sagte aus, daß er schon öfters dergleichen Versuche gemacht habe, wobey er ein unaussprechliches Vergnügen fände; daß es ihm zwar anfänglich etwas Schmerzen verursachete, wenn aber das Drucken der Ligaturen einen gewissen Grad erreichet hätte, so spürte er eine darauf folgende so angenehme Empfindung, die ihm den ersten Schmerzen auf das süsseste wiederum vergütete. Daß der Tod der Gehangenen sehr angenehm seye, ist eine Wahrheit, welche der berühmte Wepfer in seinem Tractat de Apoplexia p. 174. so gründlich erwiesen hat, daß man nicht daran zweifeln kann. Der Verfasser der medicinischen Zeitung, von dem ich diese Bemerkung genommen habe, räth aber gleichwohl niemand, sich deswegen aufhängen zu lassen. Eben dieser Wepfer berichtet uns, daß die ausserordentliche Kälte einschläfert; daß aber dieser fast unüberwindliche Schlaf um so viel gefährlicher seye. Diejenigen, welche mitten durch den Schnee in einer sehr strengen Kälte reisen, werden insgemein von einem heftigen Trieb zu schlafen überfallen, und wenn sie sich dieser gefährlichen Lockung überlassen, so erwachen sie niemals mehr wieder, wenn ihnen nicht etwann durch einen glücklichen Zufall jemand zu Hülfe kommet. Dergleichen Fälle sind in den Alpen sehr gewöhnlich. Der grosse Boerhave fand sich solchem A. 1709. in Holland in dem strengsten Winter ausgesetzet. Er erzählet selbst, daß er, da er sich nebst einem Wundarzt in eine Fuhr gesetzet hatte, um nach einem Ort zwey Meilen weit von Leyden zu fahren, wo sie eine Frau besuchen wollten, die den Schenkel gebrochen hatte, nebst dem Wundarzt und dem Kutscher von einem so heftigen Schlaf angefallen wurde, der sie mit solcher Annehmlichkeit reizte, daß sie sich diesem höchst gefährlichen Reitz gewiß würden überlassen haben, woferne er, der die Gefahr, die daraus zu besorgen war, kannte, sie nicht genöthiget hätte, von dem Wagen abzusteigen, und durch das Gehen ihrem Geblüt eine neue Bewegung zu geben. Durch welches Mittel sie sich ermunterten, und ihre erstarrten Kräften wieder belebten. Ein irrländischer Reuter von dem Regiment von F--- der in einen Fluß gefallen war, und da man glaubte, daß er ertrunken seye, von einem Quartiermeister eben dieses Regiments, aus dem Wasser Sinn und Witzlos hervor gezogen wurde, erkannte seit dieser Zeit, wie vielen Dank er seinem Erretter schuldig ware; er versicherte aber, daß ihm seine Gegenwart eine geheime und unüberwindliche Furcht verursache; und diese Empfindung, deren er nicht mächtig war, käme, wie er sagte, davon her, weil er in diesem tiefen Schlund eine unbeschreiblich süsse Ruhe gefühlet habe. Herr L.C. einer der berühmtesten Apothecker zu Paris, bekame vor øhngefähr fünf und zwanzig Jahren ein bösartiges Fieber, von welchem ihn einige französische Aerzte und Wundärzte zu helfen suchten, und deswegen häufige Aderlässen verordneten. Nach der letztern Aderläße, die etwas stark war, fiel er in eine Ohnmacht, und verbliebe in diesem Zustand so lange, daß die Umstehenden deswegen sehr besorgt waren. Er versicherte, daß sich, nachdem er alle äusserliche Empfindung verlohren hatte, seinen Augen ein so helles und reines Licht zeigte, daß er beynahe glaubte, sich in dem Aufenthalt der Glückseligen zu befinden. Er erinnert sich dieses Zustandes noch vollkommen, und saget, daß er in seinem ganzen Leben keinen so schönen Augenblick empfunden habe. Unterschiedliche Personen von jedem Alter und Geschlecht sagen, daß sie in eben diesen Umständen eine dieser ähnlichen Empfindung gespüret haben. Sollte wohl nicht nach einigen Beobachtungen von dieser Art, dasjenige Statt finden, was ein Theologus aus dem zwölften Jahrhundert behauptet hat, daß nämlich alle Menschen bey der Herannahung der Trennung des Leibes und der Seele, von einem Strahl des ersten Lichtes erleuchtet würden? Luminositas lucis primae. Bey den mehresten Beyspielen dieser Art ist die Ursache der angenehmen Empfindung, die man spüret, im Grund allezeit einerley. Die Verfassung, welche durch die Stricke, die Kälte, durch den Druck des allenthalben herum befindlichen Wassers, ober das Niedersinken, welches durch eine starke Aderläß verursachet wird, nimmt fast alles Blut aus denen Venis cutaneis, oder läst nur sehr wenig, und dieses fast ohne Bewegung, in selbigen. Was entstehet daraus? Daß das Blut und alle Säfte desto reichlicher und stiller in den innerlichen Gefässen, sonderlich aber in den Gefässen des Gehirns, fliessen, die von allem äusserlichen Druck am mehresten gesichert sind: Denn eben dieser Zufluß des Blutes erreget lebhafte und starke Empfindungen, und der ruhige und gleiche Umlauf desselben, machet die Empfindungen angenehm. XXI. Der berühmte Cardanus empfande eine ungestümme Heftigkeit des Gemüths, wenn er keine Schmerzen fühlte, und war genöthiget, sich selbst Schmerzen zu verursachen. Gewisse Leute betrachten den Schmerzen, das physische Uebel, als das einige Uebel, über welches wir uns mit Recht gegen die Natur zu beschweren Ursache hätten; aber Cardanus, dieser berühmte Astrolog und Arzt, dachte ganz anderst. Er schreibt, daß er die Krankheiten der Gesundheit vorzöge, und daß er, wenn er gar keinen Schmerzen spüre, eine solche ungestümme und verdrüßliche Heftigkeit des Gemüths empfände, daß er, solche zu vertreiben, sich lieber wehe thäte, indem er sich bald in die Lippen bisse, bald die Finger verdrehe und auflöse, ja sich bisweilen so gar die Haut aufsteche, und eine der Musceln des linken Arms mit solcher Heftigkeit drücke, daß ihm die Thränen davon in die Augen kämen. Fuit mihi mos, sagt er, ut causas doloris, si non haberem, quaererem. Unde plerumque causis morbificis obviam ibam. Ludwig XI. muß wohl ganz anderst als Cardanus gedacht haben: Seissel und Mathieu erzählen, daß, da er eines Tages eine Rede ablegen hörte, welche ausdrücklich für ihn verabfasset und an den H. Eutropius gerichtet war, in welcher man ihm die Seele und den Leib empfohle, man auf seinem Befehl das Wort Seele weglassen muste, indeme es, wie er sagte, genug seye, wenn ihm der Heilige die Gesundheit des Leibes erhielte, und man nicht so viele Sachen auf einmal von ihm verlangen müste. Jacob Coitier, der erste Leibarzt dieses Fürsten, bekam von ihm monatlich zehen tausend Thaler Gehalt; eine nach der damaligen Zeit ganz unermeßliche Summe, die aber, wenn man sie mit der unmäßigen Begierde des Königes zu leben, und mit der noch unbedachtsamern Versicherung, welche ihm dieser verwegene und unwissende Arzt gabe, daß er ihm zu einem recht langen Leben verhelfen wolle, in Vergleichung setzet, so gar sehr übertrieben nicht mehr scheinen wird. XXII. Ein ausserordentlicher Fresser. Man hat zu Wittemberg eine Streitschrift bekannt gemacht, unter dem Titel: De Polyphago et Allotriophago Wittembergensi Dissertatio. Praeside. D. Georgio Rudolpho Bohemero. Resp. C.A. Frenzel. Dieses ist die Geschichte eines der grösten Fresser, die jemals in der Welt gewesen sind. Dieser in seiner Art so vorzügliche Mensch fraß, wenn er wollte, welches er niemals anderst als für Geld thate, ein ganzes Schaf oder ein Schwein, oder zwey Scheffel Kirschen nebst denen Kernen. Er zerbisse mit den Zähnen irdene und gläserne Gefässe, auch sehr harte Steine, kauete und verschluckte sie. Er verschlang wie ein Kinderfresser lebendige Thiere, Vögel, Mäuse, Raupen etc. Und endlich gab man einstmalen, welches alle Glaubwürdigkeit übersteiget, diesem Vielfraß einen mit eisernen Platten belegten Schreibzeug, den er mit den Federn, dem Federmesser, Dinten und Streusand frasse. Dieser so ausserordentlich besondere Umstand ist von sieben Augenzeugen in Gegenwart des Raths zu Wittemberg bestätiget worden. Dem seye nun wie ihm wolle, dieser entsetzliche Fresser genosse einer dauerhaften Gesundheit und endigte seine Heldenthaten in einem Alter von sechzig Jahren. Alsdann fieng er an ein nüchternes und ordentliches Leben zu führen, und brachte seine Lebenszeit bis auf neun und sechzig Jahre. Sein Körper wurde geöfnet; welchen man mit den ausserordentlichsten Dingen angefüllet fande, von denen der Verfasser eine Beschreibung machet. Der zweyte Theil dieser Streitschrift enthält die Geschichte einiger anderer Menschen von diesem Schlag, und die Erklärung dieser sonderbaren Begebenheiten. XXIII. Ein junges Frauenzimmer starb an der venerischen Krankheit, weil sie sich mit den Kleidern eines jungen Menschens, der mit diesem Uebel angestecket war, verkleidet hatte. Es giebt ein gewisses Uebel, welches die Liebe beschimpfet, und einen solchen Schaden verursachet, den alles Gold aus der neuen Welt nicht wieder erstatten kann. Auf das reineste und angenehmste unter allen Vergnügen folget oft diese schändliche und fürchterliche Plage, welche sich erfrechet, das Leben selbst in den Quellen des Lebens anzugreifen. Wenn ein Mensch, der sich mit den Wollüsten gesättiget hat, davon angestecket wird, so kann er doch wenigstens in dem so angenehmen Angedenken derselben, noch einen schwachen Grund des Trostes finden; aber welcher Trost bleibt einer solchen jungen Person übrig, die an diesem Uebel leidet, und solches gleichwohl in keiner Betrachtung verdienet hat? Nichts destoweniger hat man gesehen, daß sich solches eräuget hat. Fabricius Hildanus erzählet hievon einen besondern Umstand. Ein junges Frauenzimmer war zu einer ihrer Freundinnen verreiset, sich bey ihr mit dem Carnaval zu belustigen. Man schlug daselbst einen Tanz vor. Man eröfnete einen Ball, und sprach von maskiren, und dieses Frauenzimmer war keine der langsamsten, eine Maskerade mit zu machen. Sie kleidete sich ab, und zog die Kleider eines der Herren, die sich in der Gesellschaft befanden, an, und dachte freylich nicht, daß solche ihr das Andenken dieser unschuldigen Ergötzlichkeit so bitter machen würden. Sie empfande so gleich bey ihrer Nachhauskunft einen Schmerzen, der von fressenden Geschwüren und Blattern verursachet wurde. Die Kranke, welcher die Ursache dieses Zufalls gänzlich unbekannt war, doch aber sehr wohl wuste, daß es nicht schicklich seye ihrer Mutter etwas davon zu sagen, entschlosse sich, selbiger ihren betrübten Zustand zu verhöhlen; aber er nahm in kurzer Zeit so sehr über Hand, daß sie sich gezwungen befande das Geheimniß zu entdecken. Sie war nicht mehr im Stand zu gehen. Man liese einen Arzt holen; es war aber schon zu spat; das Uebel war dadurch, daß man es zu lang verborgen hatte, unheilbar geworden. Der Muttermund, der Gang der Harnblase, und der Mastdarm, waren von dem Geschwür angefressen; endlich brach ein Fieber aus, und das unschuldige Schlachtopfer gab unter den heftigsten Schmerzen und Zufällen, ihren Geist auf. Ihre Aeltern, denen sie endlich versichert hatte, daß sie sich niemals in die Umstände gesetzet hätte, etwas von diesem entsetzlichen Gift zu bekommen, untersuchten nach ihrem Tod, woher ihr die Heftigkeit dieses Uebels könnte zugewachsen seyn, und entdeckten, daß der junge Mensch, dessen Schuhe und Kleider sie angezogen und getragen hatte, schon seit geraumer Zeit mit der venerischen Seuche angestecket ware. Fabr. Hild. obs. cent. I. obs. 100. XXIV. Von der Unfruchtbarkeit. Guter Rath, welchen Fernel Henrich II. deswegen ertheilet hatte. Die häufigste Ursache der Unfruchtbarkeit, an welcher so viele Frauen leiden, bestehet in einem gewissen Zustand der Mutter, vermög dessen solche nicht geschickt ist, die Empfängniß zu befördern. Sie haben wahrscheinlicher Weise die monatliche Reinigung zu keinem andern Endzweck erhalten, als um vermittelst solcher die Mutter in derjenigen gehörigen Lage zu erhalten, ohne welche die Vereinigung aller andern Umstände unnützlich ist. Mithin ist diese Lage in den lezten Augenblicken dieses periodischen Flusses am mehresten dazu geneigt, deren sich also die Liebe hauptsächlich zu bedienen suchen muß; und Fernel, welcher die Vergnügungen seines Herrn Henrichs II. so richtig leitete, wuste dieses so wohl, daß dieser Fürst endlich mit Hülfe seiner Rathschläge, nachdem er zehen Jahre in einer unfruchtbaren Ehe zugebracht hatte, noch das Glück erlangte, Vater zu werden. Die Theorie der Zeugung ist der Stein der Weisen der Naturgeschichte, und man wird allem Ansehen nach wohl niemals eine richtige Kenntniß davon erlangen; so viel scheinet inzwischen wohl unstreitig zu seyn, daß die Zeugung die Frucht einer gewissen Vereinigung und Vermengung der von Mann und Weib hervorgebrachten Saamen ist; und daß die Ermanglung dieser Vermengung gleichfals noch eine häufige Ursache der Unfruchtbarkeit ist. XXV. Gewisse Menschen sind sehr frühzeitig zur Zeugung ihres gleichens geschickt. Man wird wohl schwerlich das Alter genau bestimmen können, in welchen ein Mensch fähig ist, seines gleichen zu zeugen, noch die Zeit, in welcher die Begierden dazu erlöschen. Man hat unterschiedliche Beobachtungen bemerket, welche erweisen, daß es Mannsbilder gegeben hat, die mit zehen Jahren Väter geworden sind, und Weibspersonen, die schon mit neun Jahren sich den Mutternamen erworben haben. 1 Vor noch nicht gar langer Zeit hat man zu Paris eine Begebenheit von dieser Art gesehen. Man findet auch in den Jahrbüchern von Schwaben, daß im Jahr 1278. ein Mädchen, das nicht mehr als acht Jahr alt war, mit einem Knaben niederkame; und der H. Hieronymus versichert, daß ein Kind von zehen Jahren eine Säugamme schwängerte, bey welcher es schliefe. Uebrigens träget die Himmelsgegend sehr vieles zu der wenigern oder mehreren Neigung bey, welche die Zeuguns Kraft befördert. Gewisse Nachrichten bezeugen, daß einer, der sich in dem Königreich Calicut verheurathen will, ein Mädchen unter acht Jahren nehmen kann. In denen maldivischen Insuln sind die Mädchen zwar nicht so gar frühzeitig fruchtbar, dem ohngeachtet aber suchet man sie sehr gerne mit zehen bis eilf Jahren zu verheurathen. In einigen Gegenden Indiens kommen die Weiber mit sieben Jahren nieder, und veralten mit sechs und dreysig Jahren. Fußnoten 1 Nicolaus Venette Abschilderung der ehelichen Liebe. XXVI. Ein Mädchen, welcher in einem Jahr vier tausendmal zur Ader gelassen wurde. »Die Aderlässe ist ein beträchliches Hülfsmittel, dessen man sich aber mit Maas bedienen muß, wie uns der Apostel befiehlet, daß wir uns der Weisheit bedienen sollen, (sapere ad sobrietatem) welches unsere Absicht ist; und diejenigen, welche eine andere Absicht von uns vermuthen, kennen uns entweder nicht recht, oder stellen sich wenigstens als ob sie uns nicht kenneten. 1 Unser ganzer Vorsatz zielet dahin, den Mißbrauch des Aderlassens einzuschränken, und den rechtmäßigen Gebrauch desselben zu behaupten, und wir sind vollkommen überzeuget, daß alle unsere Mitbrüder mit uns in diesen wichtigen Absichten willig und gerne übereinstimmen werden. Man muß gestehen, daß man, wenn hiebey, das rechte Mittel soll getroffen werden, in Frankreich vieleicht mehr des Zaums als des Sporns, und in Deutschland mehr des Sporns, als des Zaums benöthiget ist; ob schon auch nicht zu laugnen ist, daß diese Materien in ein ziemliches Licht gesetzet worden, und die Gemüther und Gesinnungen einander sehr nahe gekommen sind, und daß die Ausschweifungen so wohl in der einen als der andern Art, von Jahr zu Jahr viel seltsamer zu geschehen pflegen. Die geheiligten Gänse, die vor diesem das Capitolium retteten, sind ein Muster der periodischen Schriftsteller. Da wir so wachsam, und von so unwandelbarer Treue wie selbige seyn sollen, so dörfen wir auch die Ruhe unsers stillen Mitbürgers durch keinen blinden Lermen stöhren; wir müssen aber nach dem Maas, so wie die Gefahr dringender wird, die Stimme erheben, und durch ein verdoppeltes Geschrey einen Manlius und Camillus ihren eigenen Heerden zu Hülfe ruffen. War es nicht Zeit, die Vertheidiger des Vaterlandes zu erwecken, da wir in einem gewissen Journal gelesen haben, daß man einem Mädchen vier tausendmal in einem Jahr zur Ader gelassen hatte? Sollte man erst erwarten, bis man die Sache noch weiter treiben würde? Wir wollen bey einer jeden dieser Aderlässen zwey Laß-Becken, oder acht Unzen annehmen, so hat man ihr folglich 32000. Unzen oder zwey tausend Pfund abgelassen, welches tausend Maaß Blut wohl gemessen ausmachet? Ist sich nicht zu verwundern, daß ihr noch welches übrig geblieben ist? Wir wollen die Sache aus einem andern Gesichtspunct be trachten, und zum Grund setzen, daß man ihr alle drey Stunden Tag und Nacht vom ersten Jenner bis zum letzten December zur Ader gelassen habe, wir wollen noch ferners annehmen, daß es ein Schaltjahr gewesen; so machen 366. Tage, an jedem acht Aderlässen gerechnet, in allen nicht mehr als 2928. Aderlässen, und fehlen also doch noch 1972. wenn die Anzahl voll seyn soll. Demnach hat man ihr also fast ohne Unterlaß zur Aderlassen, und Zweifels ohne Wundärzte und Lanzetten wie Postpferde unterlegen müssen, um die Aderlässen fast zu allen Stunden bey Tag und bey Nacht ein ganzes Jahr lang wiederholen zu können.« Eine Beobachtung von dieser Art, sollte, wenn es auch möglich wäre, daß sie wahr seyn könnte, wohl nicht in einem so kostbaren Schaz, wie das medicinische Journal ist, aufgezeichnet werden. Es scheinet alles verdächtig, jedermann merket so gleich die Unwahrheit derselben, wenn man auch schon nicht augenblicklich den Grund davon anzugeben weis, weil das wunderbare insgemein unsere Betrachtungen einige Augenblicke lang aufhält, so wird doch bey angestellter Ueberlegung der Betrug in kurzem von der Wahrheit verdunkelt, gleichwie ein schöner Blumen-Strauß nicht lange betrüget, wenn er anstatt eines angenehmen, einen widrigen Geruch von sich giebet. Ueberdieses stammet diese Bemerkung von keinem Arzt her, und man weis wohl, wie viel der Wundarzney daran lieget, die Aderlässen in Ansehen zu bringen, es möge auch kosten was es wolle. Fußnoten 1 Es redet hier der Verfasser der medicinischen Zeitung. Alles was in diesem Wochenblat von seiner Arbeit vorkame, hat meiner Meynung nach von der feinsten Critick gezeiget; und ich wünsche für meinen Theil recht sehr, daß diese Schrift einmal wieder zum Vorschein kommen, und man ihr mehr Gerechtigkeit wiederfahren lassen möge, sie sollte wenigstens deswegen wieder an das Tageslicht kommen, damit wir der schönen Sachen nicht beraubet wären, welche der Verfasser so zierlich darinnen ausdruckte. Diese Zeitung war von einer ganz andern Beschaffenheit, als das Medicinische Journal, und hätte ganz wohl für sich und ohne diese kostbare Sammlung bestehen können. XXVII. Welche Gefahr aus solchen Recepten entstehen kann, die von unwissenden Leuten verordnet werden. Folgender Titel zeiget von einem Buch, in welchem Thorheiten genug zu finden seyn müssen: Der medicinische Barbierer, oder Blumen des Hyppocrates, in welchen die Wundarzneykunst den Schlangenschwanz wieder ergriffen hat; von Johann Michault, Paris, Guignard 1672. in 12. Fig. Es ist erstaunlich, mit welcher Wuth die Wundärzte fast zu allen Zeiten anderer Leute Künste zu treiben gesuchet haben. Optat Ephippia bos piger etc. Dieses lässet sich wohl am besten auf diesen Fall anwenden. Ein Schriftsteller, dessen Werk mit Beyfall aufgenommen worden ist, ist bey weiten nicht so vergnügt, wie ein Wundarzt der ein Recept geschrieben hat. Er glaubt nicht, daß man ausser seinen zwey Quenten Gallenblasen und seinen zween Finger voll Coriander, eine bessere Arzney erdenken könne, und mehrestentheils häufet er alle purgierende Arzneyen, die er kennet und die er nicht kennet, ohne Vernunft und Einsicht, in seiner Formul zusammen. In einer Stadt in Artois verordnete der Lieutenant des ersten Wundarztes des Königes, einer Frau von funfzig Jahren, die ein sanguinisches Temperament hatte, und von einem heftigen Catarr-Fluß angegriffen war, der ihr ein anhaltendes Fieber, mit wiederholten Anfällen verursachte, zwey Purganzen, in folgenden Recepten, welche wegen ihrer ganz besondern Art, und weil sie so deutlich zu erkennen geben, mit welcher Obermacht die Wundärzte die Arzneykunst zu besorgen pflegen, verdienen, ganz angeführet zu werden. Senetblätter, eine Unze. Cassia fistula, vier Unzen. Sal nitrum, zwey Quent. Süßholz, zwey Unzen. Epson-Salz, vier Unzen. Alles zusammen in zwey gute Gläser zu füllen: bey der Filtrirung müssen zwey Unzen Sirup von Weegdorn oder Kreuzbeer-Stauden, (de Rhamno Catharctico) und zwey Scrupel vom Diagrydio dazu genommen werden. Für die Frau C--- für diesen Abend, solches in zwey Tagen einzunehmen. den 29. Junius 1741. Ein Purgiertrank von drey Quent Senetblätter Zwey Unzen Tamarinden Vier Unzen Caßia Eine Handvoll Wermuth Eine Handvoll Tausendgülden-Kraut. alles zusammen in anderthalb Kannen Wasser gethan, und in zwey gute Gläser gefüllet, und filtriren lassen, da man noch vier Unzen Sirup von Weegdorn ein Quent Cornachins-Pulver zwey Scrupel vom Diagrydio dazu nehmen muß. Dieses alles für die Frau C--- in das erste Glas das man ihr giebt, muß man noch sechs Gran Tartari Stibii thun, Für die Frau C--- etc. den 2. July 1741. Diese Purganz oder vielmehr dieses Gift, wie die Aerzte von Paris, welche von diesem Zeugnisse der Geschicklichkeit der Wundärzte Gebrauch gemacht hatten, sich in ihren dem König übergebenen Vorstellungen ausdruckten, brachte die Eingeweide der Kranken in eine Schwürung, und verursachte ein übermäßiges purgiren, welches auf keine Art mehr konnte angehalten werden, so daß sie fast auf der Stelle davon des Todes war. Ihr Tod verursachte, wie man leichtlich vermuthen kann, vieles Aufsehen, der Magistrat wollte diesen Zufall gründlich bewiesen haben, und ließ die beyden Recepte des Wundarztes zu dem Stadtschreiber bringen, wo selbige noch befindlich sind. Dieses Beyspiel kann dem Publico zu einer nützlichen Nachricht dienen, aber der Wundarzt ist doch nicht gehenket worden, ob er solches gleich ganz wohl verdienet hätte. XXVIII. Gebrauch der Gothen in Ansehung der Aerzte. Man findet dasjenige, was hier von den Sitten und Gewohnheiten der Gothen folget, in dem chronologischen Auszug der Geschichte von Spanien (Abregé Chronologique de l'Histoire d'Espagne.) Der Stand eines Arztes war bey ihnen eine betrübte und sehr gefährliche Sache: ein jeder Arzt war zu gleicher Zeit der Wundarzt und der Apothecker. Ungeachtet wir nicht mehr unter den Gothen leben, so sehen wir doch noch Leute genug, welche diese drey Künste in sich vereinigen, ob gleich die Unverschämtheit und die Charlatanerie ihre einige Geschicklichkeit ausmachet; mögten sie doch eben dieses Schicksal auszustehen haben, welches ihres gleichen bey diesem barbarischen Volk erfuhren. Ein solcher alles besorgende Mensch machte zuvörderst, ehe er noch etwas unternahm, mit dem Kranken wegen der Bezahlung Richtigkeit; starb der Kranke, so verlohr der Schüler des Hyppocrates seine Bezahlung; geschahe es, daß er einen freyen Menschen durch eine Aderläß lähmte, so wurde er verurtheilet, selbigem hundert goldene Stüber zur Strafe zu bezahlen, (ein solcher Stüber machte funfzehen fränzösische Livres aus) starb aber ein Mensch an einer chirurgischen Operation, so wurde der unglückselige Arzt zu einen Sclaven gemacht, und den Anverwandten des Verstorbenen übergeben, die ihn nach ihren Belieben bestraften, ihm jedoch aber das Leben nicht nehmen durften. Wurde aber nur ein Sclav von einem unwissenden oder ungeschickten Arzt ums Leben gebracht, so kam er damit los, daß er einen andern Sclaven von der nämlichen Güte wieder an dessen Stelle verschaffen muste. XXIX. Gebrauch der Egyptier in Ansehung der Aerzte. Die Egyptier hatten ein medicinisches Gesetzbuch, von welchen die Aerzte in der Art und Weise die Krankheiten zu curiren, nicht abweichen durften; wenn der Kranke ein Arzneymittel gebrauchet hatte, welches nicht in diesem Gesetzbuch stunde, und sturbe, so muste der Arzt solches mit dem Leben bezahlen. Dieses war freylich kein Mittel das Aufnehmen der Arzneykunst in Egypten sonderlich zu befördern. In der Stadt Locri waren die Aerzte ungebundener und unumschränkter. Eines der Gesetze des Zaleucus, des Gesetzgebers der Epizephirier, war des Innhalts, daß ein Kranker, welcher ohne die Verordnung eines Arztes puren Wein würde getrunken haben, mit dem Tod sollte bestraffet werden, und wenn er gleich seine Gesundheit wieder erlanget hätte. XXX. Arzneykunst der Iroquesen. Die Arzneykunst der Iroquesen bestehet blos in der Kenntniß der einfachen Dinge; sie bedienen sich derselben fast in allen ihren Krankheiten solchergestalt, daß sie Umschläge damit machen, welche sie oft mit Wasser, in welchem das Kraut gesotten worden ist, erwärmen. Sie zertheilen auf solche Art die Geschwulsten, bringen die Geschwüre dadurch zur Zeitigung, und lindern damit die heftigsten Schmerzen. Gewisse Kräuter, deren Saft sie einnehmen, oder gewisse Steine, die dem Geschmack nach den Vitriol-Steinen sehr nahe kommen, aber weiß sind, dienen ihnen zu Purganzen und Vomitiven; an statt des Aderlassens bedienen sie sich des Schrepfens. Wenn sie an Flüßen leiden, so schrepfen sie den Ort, wo sich der Schmerzen hauptsächlich befindet, mit der Schärfe eines Flintensteins, setzen alsdenn den Schrepf-Kopf darüber, ziehen vermittelst desselben eine Menge verdorbenes Blutes aus, und genesen. Sie wissen nichts von keinem Präservativ, und da ihre ganze Wissenschaft, ausser den allgemeinen, aus Gerstenwasser und den Säften der Kräuter und Wurzeln gemachten Mitteln, nur in einigen sehr ungewissen Erfahrungen bestehet, so lassen sie den Kranken ganz ruhig sterben, der sich mit einer ganz ausnehmenden Gelassenheit und Ergebenheit dazu entschliesset. Man hat niemals gehöret, daß die Wilden, wenn sie aus der Welt gehen, sich über die kurze Dauer ihres Lebens beklaget hätten; freylich ist es auch nicht ohne, daß sie nicht viel bedaurenswerthe Dinge hinterlassen. In der Kunst zu verbinden und Wunden zu heilen, haben die Wilden hauptsächlich einen grossen Vorzug. Ihre ausreinigenden Mittel erhalten die Wunden jederzeit frisch und rein; man muß aber auch gestehen, daß die Diät, zu der sie ihre Verwundeten anhalten, sehr vieles dazu beyträget; denn bey starken Verwundungen lassen sie ihnen nichts als indianisches in Wasser gekochtes Korn essen; und das Hirschen- und Ziegenfleisch ist ihnen ausdrücklich verbotten. So wohl der Arzt als der Kranke haben beederseits eine unermüdliche Gedult. Ein Iroquese, der sich mit der Hacke einen Hieb in das Schienbein versetzet hatte, blieb drey ganze Jahr lang auf seiner Matte liegen, ließ sich alle Tage mit Wurzeln von Hagedorn und Tannenholz, die nach Art einer Salben zerstossen und zerquetschet waren, verbinden; und nachdem er auf solche Art eine Menge Splitter herausgebracht hatte, so wurde er nach Verlauf dieser Zeit wieder vollkommen hergestellet. Ein Wundarzt von der Besatzung wollte ihm unterschiedlichemal das Bein abnehmen, weil er sahe, daß der kalte Brand daran zu befürchten war; aber der Iroquese gab solches auf keine Art zu, und hatte endlich noch das Glück sich sein Bein zu erhalten. Die Iroquesen sind so gute Wundärzte, so schlechte Aerzte sie sind: übrigens haben alle von ihrer Nation einerley Kenntniß der einfachen Dinge und heilsamen Wurzeln. Sie haben aber auch eine Art der Arzneykunst, die man die Jonglerie nennet: ich will hier kürzlich melden, was man darunter verstehet. Die Wilden haben eine gewisse Art von Doctoren in der Arzneykunst unter sich, die sie Jongleurs nennen, diese verordnen den Kranken, an statt ihnen Arzneymittel vorzuschreiben, ein Gastmahl von zehen, funfzehen, oder zwanzig Personen anzustellen; dieses Gastmahl wird sogleich gehalten; der Kranke rühret von allem nichts an; die Gäste werden mit Brandwein bewirthet, und setzen sich durch dieses Getränk in einen noch schlimmern Zustand als des Kranken seiner ist. Die jungen Leute gehen auf die Jagd, und der Jongleur gehet in die Hütte. Man läst ihn darinnen mit dem Kranken allein, dem er sich auf den Leib leget, und mit seinen Lippen einige Zeit lang stark an dem Ort sauget, welcher seinem Vorgeben nach verzaubert ist, worauf er zu der Thüre gehet, und indem er Victorie ruffet, daselbst einen kleinen Büschel Haare, welchen er vorhero die Vorsichtigkeit gehabt hatte, in den Mund zu nehmen, ausspeyet. Diese Betrüger haben unterschiedliche Arten diesen armen Schlachtopfern etwas aufzuheften: Die Anzahl der Jongleurs ist sehr stark, und es läst sich nicht begreifen, daß man sich ihren groben Betrügereyen noch nicht widersetzet hat. XXXI. Eine ganz besondere Art, die Flüsse, auszehrende Krankheiten, die Hyppochondrie etc. zu heilen. Herr Galaudat, ein Wundarzt zu Fleßing, hat einige Beobachtungen von der Genesung unterschiedlicher langwieriger Krankheiten geliefert, welche durch eine bis daher unbekannte chirurgische Operation bewirket worden ist, die aber bey einigen Negern an der Küste von Guinea sehr gewöhnlich ist. Wir wollen uns mit seinen Beobachtungen nicht aufhalten, sondern nur bey der Art und Weise, wie sie dabey zu verfahren pflegen, stehen bleiben. Sie machen nämlich dem Kranken zwey Löcher in das Bein, um in solche zwey kleine Röhren oder Trümmer von Tobackspfeiffen bis an das Beinhäutgen hineinstecktn zu können, alsdann bläset man so viel Luft als möglich ist, in den Körper des Kranken hinein. Wenn diese Operation geschehen ist, so verstopfet man die Löcher, der Kranke geschwüllt auf, und diese Geschwulst fängt erst nach dreyen Tagen an sich wieder zu setzen, nach welcher Zeit er vermittelst einiger Getränke, wieder völlig geneset. Man hat dieses besondere Mittel anfänglich an einigen Thieren versuchet, da es gut angeschlagen hat, und es hat in Guinea seinen richtigen guten Erfolg. Die Negern empfinden täglich die besten Wirkungen davon. Man glaubt, daß diese Art auch in Europa könnte gebrauchet werden, aber welcher Medicus wird glücklich fortkommen, wenn er seine Kranken wie die Negern tractiret? XXXII. Die Arzneykunst der Lappländer. Alle Lappländer überhaupts sind ihrer Art nach munter und hurtig, und legen mit weniger Mühe vierzehen bis sechzehen Meilen des Tages zuruck: ihr Leib ist von einer röthlichen Farbe, und ihre Haare sind schwarz; ihren Kindern geben sie, wenn solche kaum noch zwey Jahr alt sind, schon Brandwein. Die Lappländer haben einen ganz ausserordentlichen Schlaf, sie schlafen bey Tag von zehen Uhr bis um fünf oder sechs Uhr, und um neun Uhr legen sie sich wiederum Abends zu Bette, und schlafen bis um sechs Uhr des Morgens. Die schwedischen Lappländer haben keine solchen Gesichter, die oberhalb breit und unten spitzig sind, wie die andern. So wohl die einen als die andern speisen nur zweymal des Tages, nämlich des Morgens und des Abends; sie essen fast vom Frühling an bis in den Herbst nichts anders als Milch und Käß von den Rennthieren, und es ist zu bemerken, daß diese Milch fast gänzlich gerinnet, so daß man Wasser daran giessen muß, wenn man Molken machen will. Von dem Herbst an bis zum Frühling ernähren sie sich von Vögeln, Haasen, Bären und Rennthieren. Sie lassen das Fleisch derselben sieden, essen solches, und nehmen die Brühe davon; das Rind- und Schaffleisch ist bey ihnen nicht gewöhnlich. Ihre allervornehmste Speise ist die innere Rinde des Birken- und Tannenbaums. Das Salz ist ihr einiges Gewürz, welches sie häufig bey ihren Speisen gebrauchen. Sie machen eine besondere Speise aus Heidelbeeren und Himbeeren, die sie in Milch sieden lassen, und eine Art einer Wurst oder Sausacks daraus machen, indem sie selbige in Rennthiermägen füllen. Sie bedienen sich ihres Mundes statt eines Trichters, und gebrauchen die Vorsicht, die gar zu grossen käßigten Stücker vorhero wohl zu kauen, ehe sie diese Art eines Sackes damit füllen, den sie in der Luft trocknen lassen, oder in Rauch setzen. Die Lappländer wissen fast nichts von Wechselfiebern, der Wassersucht, dem Scorbut, noch von den venerischen Krankheiten. Die Kinderpocken und die Masern sind sehr seltsam unter ihnen, und wenn diese beyden Krankheiten einreissen, so sind sie weder tödlich noch allgemein. Es sterben sehr viele Kinder in ihren ersten Jahren. Die hauptsächlichsten Krankheiten, die unter den Mannspersonen bey ihnen statt finden, sind Flüsse auf der Brust, Schnupfen, krämpfigte, und blehende Colicken: Die Durchfälle, Augenkrankheiten, Zahnschmerzen, und die Frostbeulen, sind gleichfals sehr gewöhnlich bey ihnen. Die Angelica ist ein unumschränktes Mittel für sie wider die krämpfigte Colick, die insgemein bey ihnen von dem Wurm verursachet wird; sie essen die Wurzel dieser Pflanze, wenn sie nur ein Jahr alt ist, und den Stengel, wenn sie im zweyten Jahr stehet. Sie curiren so wohl die hitzigen Fieber, als auch die Flüsse und Durchfälle mit dem Stengel und der Blüthe dieser Pflanze, die sie, ehe sie sich noch öfnet, vorhero wohl sieden lassen, und alsdann gebrauchen. Es geschiehet auch bisweilen, daß sie, weil sie in der Kräuter-Wissenschaft nicht sonderlich erfahren sind, an statt dieser Pflanze, die zwar an und für sich selbst sehr heilsam ist, ob sie gleich nicht jederzeit auf die gehörige Art gebrauchet wird, den Schierling nehmen, und folglich den Kranken vergiften. Das Reissen im Leib curiren sie mit der S. Ignatius-Bone, und mit Toback-Oel; wider die Schnuppen und Kopfschmerzen bedienen sie sich des Aschens von Wachholdersträuchen, den sie mit Tobackaschen vermengen. Sie gebrauchen das Fett der Ottern die Seiten damit wider das Seitenstechen zu schmieren, und die Haut dieser kriechenden Thiere, dienet ihnen zu einer vortreflichen Purganz; sie nehmen eines Nagels groß davon, verbrennen solche zu Staub, und geben ihn den Weibern in Geburtsschmerzen, und überhaupts allen Personen, die Verstopfungen haben, ein; man trauet nicht eine stärkere Dosin jemand davon zu geben, denn wenn man solche vermehrte, so würde sie tödliche Zuckungen verursachen. Sie nehmen den Wurm mit einer besondern Geschicklichkeit, so bald sie eine Spitze davon sehen. Wider die Verschlagung des Urins nehmen sie mit gutem Erfolg einige Löffelvoll Seehund-Fett ein. Dieses sind ihre vornehmsten Hülfsmittel. Welche Einfalt herrschet also in ihrer Apothekerkunst! da sie ihre Arzneyen blos aus dem Pflanzen und Thierreich nehmen, und sich niemals des mineralischen Reiches bedienen, in welchem wir doch so viele Hülfsmittel finden. XXXIII. Arzneykunst der Chineser. Die Chineser sind etwas umständlicher hierinnen; aber ihre Lehre von dem Puls scheinet mehr die Frucht eines Vorurtheils als der Erfahrung zu seyn, ob diese Herren gleich in diesem Theil für sehr geschickt gehalten werden. Die Chineser verlangen, daß ein Arzt, der den Puls fühlen will, vollkommen gesund seyn, ein munteres und von allen Sorgen befreytes Gemüth haben, und nicht abgemattet seyn müsse, damit das Athemholen seinen natürlichen Lauf bey ihm habe. Alsdann muß er den Puls unterschiedliche Züge lang erforschen, so daß er während des Zeitlaufes eines einigen Zuges, der aus dreyen Zeitpuncten, nämlich des Anziehens, der Ruhe, und des Ausstossens bestehet, die Anzahl der Pulsschläge zählen muß. Wenn der Puls nicht öfter als fünfmal oder wenigstens viermal schläget, so ist solches ein gewisses Kennzeichen, daß der Mensch gesund, und sein Puls ordentlich ist. Wenn aber die Anzahl der Schläge der Hauptader, über oder unter dieser bemeldten Zahl ist, so ist der Mensch schon krank, oder wird solches in kurzen werden. Wenn der Puls sieben oder achtmal schlägt, so sind die Lebensgeister geklemmet, und das Blut ist vertrocknet; wenn er zehenmal schlägt, so ist es ein tödliches Anzeichen, und der Kranke wird in balden das Grab füllen. Der Puls, der nur zweymal schlägt, ist sehr gefährlich, und der, welcher nur einmal schlägt, ist tödlich, wenn er aber in dem Zeitlauf zweyer Athemzüge nur einmal schläget, so ist der Tod sehr nahe. XXXIV. Die Brüder vom Rosenkreuz. Sollte man wohl glauben, daß die Arzneykunst auch ihre Schwärmer habe? Gleichwohl sind die Brüder vom Rosenkreuz wirklich dergleichen gewesen. Sie machten eine chimerische Brüderschaft einiger Gelehrten aus, die, wie man sagte, seit A. 1604. sollte in Deutschland errichtet worden seyn. Die Absicht ihrer Einrichtung hatte eine allgemeine Verbesserung der Welt, jedoch nur in Ansehung der Wissenschaften zum Grund. Sie hatten gewisse Regeln und Ordnungen; sie machten sich zum Exempel verbindlich im ledigen Stand zu verbleiben etc. Dergleichen Beschäftigungen, waren der Gegenstand ihrer Untersuchungen; sie legten sich auf die Naturlehre in allen ihren Theilen, hauptsächlich aber und mit noch besonderern Fleiß auf die Arzneykunst und Chimie. Sie waren ihrem Vorgeben nach Leute, die alles verstunden, und die den Menschen eine neue Weisheit versprachen, welche ihnen vorhers noch nicht entdecket worden wäre. Mit diesen verführerischen Versprechen, mit welchen sie sich selbst zu erst hintergiengen, vereinigten sie noch das Wunderbare. Man ist leichtlich geneigt, das Wunderbare zu glauben, so wenig man auch davon begreifet wenn es uns nur mit einer gewissen scheinbaren Art vorgetragen wird. Eine umständliche romanenmäßige Beschreibung von dem Leben ihres Stifters gab ihren Reden ein Ansehen, und erhielte ihre Schwärmerey im Stand. Er war A. 1578. in Deutschland gebohren. In einem Alter von fünf Jahren wurde er, wie sie sagten, in ein Kloster eingeschlossen, wo er die griechische und lateinische Sprache lernete. Da er sechzehen Jahr alt war, so machte er sich mit einigen Zauberern bekannt, um von ihnen ihre Kunst zu erlernen; er gieng darauf in die Türkey und nach Arabien, von da er sich nach Damcar begab; dieses Damcar ist eben eine solche nur in Gedanken befindliche Stadt, wie ihr Patriarch selbst, die von Philosophen bewohnet wird, welche in der Kenntniß der Natur eine ausserordentliche Geschicklichkeit besitzen: man entdeckte ihm unterschiedliche Geheimnisse, und eröfnete ihm, daß man seiner schon seit langer Zeit erwartet hätte, und daß er der Urheber einer allgemeinen Verbesserung auf der ganzen Welt seyn würde. Es ist also etwas sehschmänchelhaftes, über die Meynungen der Menschen zu herrschen, weil dieser Begrif die Gemüther zu allen Zeiten so sehr eingenommen hat. Nachdem er sich drey Jahr lang zu Damcar aufgehalten hatte, so reißte er ab, und begab sich nach Fetz, einer Stadt in der Barbarey, woselbst er sich mit den Weisen und Kabbalisten unterhielte; darauf gieng er nach Spanien, wo er vertrieben wurde, und sich endlich nach Deutschland verfügte, wo er in einer Höhle bis in sein hundert und sechstes Jahr lebte. Diese Höhle war, wie der Geschichtschreiber seines Lebens ( Johann Brigere ) saget, von einer Sonne erleuchtet, die in dem Innersten derselben war, und ihr Licht von der Sonne bekam, welche die Welt erleuchtet. Mitten darinnen war ein runder Altar erhöhet, der mit einer kupfernen Platte rings herum bedecket war, auf welcher diese Carackteres A.C.R.C. Bey meiner Lebenszeit habe ich mir einen Auszug des Lichts zu einem Grab vorbehalten, zu lesen waren. Neben herum waren vier Figuren zu sehen, deren eine jede ihre Aufschrift hatte: bey der ersten stunden die Worte: niemals leer; bey der andern: das Joch des Gesetzes; bey der dritten: die Freyheit des Evangelii; und bey der vierten: die ganze vollkommene Herrlichkeit GOttes. Man fande auch brennende Lampen, Glöckchen, Spiegel von unterschiedlicher Art, und einige Bücher, unter andern auch das Wörterbuch des Paracelsus, und die kleine Welt ihres Stifters, daselbst. Eine der ersten Verordnungen ihrer Brüderschaft befahl, ihre Gesellschaft wenigstens hundert Jahr lang verschwiegen zu halten. Ein Glaube mag noch so unvernünftig gewesen seyn, so hat es ihm doch niemals an getreuen Anhängern gefehlet, dieser fande deren viele unter wohl unterrichteten Leuten: Michael Mayer hat ein Buch von ihren Verordnungen geschrieben, und Robert Flüde hat sie wider den Pater Mersenni und wider den Gassendi vertheidiget. XXXV. Die Stärke der Freundschaft. Man kann mit guten Grund behaupten, daß, ob gleich die wahre Liebe schon eine sehr seltsame Sache ist, jedoch die wahre Freundschaft noch weit seltsamer ist, und daß man die Gleichgültigkeit, welche daher entstehet, wenn man von seinen Freunden betrogen worden ist, nicht so weit treiben solle, daß solche alle Empfindlichkeit für das ihnen zustossende Unglück verbanne. Man sahe bey la Capelle, als solches von dem Vicomte von Türenne belagert wurde, und A. 1630. den dritten August capitulirte, ein sehr merkwürdiges Exempel einer Freundschaft, welche zwey Spanier sehr fest verknüpfte. Nachdem einer von ihnen beyden in dem Laufgraben einen Musketenschuß bekam, so lief der andere, so bald er davon Nachricht erhielte, in der Hofnung ihm zu Hülfe zu kommen, herbey, fand ihn aber tod ausgestrecket auf der Erden liegen; in seiner ersten Bewegung fiel er auf seinen Freund nieder und umarmete ihn; inzwischen war die Bewegung, die er in sich spürte, in diesem Augenblick so heftig, daß er selbst zugleich vor Kummer des Todes war. Der Erzherzog wurde selbst beweget, da man ihm solches erzählete, und befahl, daß die beyden Körper in einen Sarg sollten geleget, und mit allen Ehrenbezeigungen nach Avesnes geführet werden, wo er sie mit vieler Pracht in der Stiftskirche begraben, und ihnen ein Denkmaal von Marmor aufrichten liese. 1 Annales Belgiques, Douay. p. 436. Fußnoten 1 Herr von Sacy, ein Mitglied der königlichen französischen Academie der Wissenschaften, hat diesen merkwürdigen Umstand in seinem schönen Tractat von der Freundschaft, nicht unbemerket, gelassen. XXXVI. Ein Kranker, gegen den man sich stellte, als ob er clystiret würde, und eine Frau, die man beredete, daß sie eine Katze in einer Pastete gegessen habe, die aber davon an einem Durchfall sturbe. Eine starke Einbildung bringet ganz erstaunliche Zufälle zuwegen, so genau ist das Verhältniß, in welchem die Denkungskraft und die Organa, welche solche bewirken, miteinander stehen. Montagne hat ein ganzes Capitel mit besondern Umständen von dieser Art angefüllet. Ich will einen der besondersten davon hier abschreiben. »Mancher verlieret, saget dieser vortrefliche Schriftsteller, von dem ich einen jeden Ausdruck unverändert beybehalten will, zufälliger Weise vermittelst der Wirkung der Einbildung, hier den Kropf, welchen sein Kammerad wieder nach Spanien zurück bringet. Dadurch zeiget sich, weswegen man bey solchen Umständen in Gewohnheit gehabt hat, eine vorbereitete Seele zu verlangen. Woher kommt es wohl anderst, daß die Aerzte ihren Patienten mit offener Hand, unter so vielen falschen Vertröstungen seiner Genesung besuchen, als weil sie sich Hofnung zu ma chen haben, daß die Wirkung der Einbildung dem Betrug ihrer Arzneymittel zu Hülfe kommen wurde? Sie wissen, daß einer der Meister dieser Kunst ihnen schriftlich hinterlassen hat: daß es Menschen gegeben, bey welchen der blose Anblick der Arzneyen gewirket hat: und jetzo wird mir der Kopf über eine Erzählung ganz ausserordentlich warm, die mir ein Apotheckers-Bedienter meines seligen Vaters machte, der ein schlechter Mensch und seiner Nation ein Schweitzer, folglich wenig eitel noch lügenhaft war; dieser sagte mir, daß er lange Zeit zu Toulouse einen Kaufmann gekannt habe, der an den Steinschmerzen litte, und deswegen öfters Clystire brauchte, welche ihm die Aerzte auf unterschiedliche Art nach der Beschaffenheit seiner Krankheit verordneten: es durfte bey selbigen, wenn sie herbeygebracht wurden, in der gewöhnlichen Art der Zubereitung nicht das geringste unterlassen werden: vielfältig fühlte er, ob sie nicht zu heiß wären: darauf legte er sich nieder, wande sich um, und ließ alle Umstände und Vorbereitungen machen die bey dem Clystiren gewöhnlich sind, ausser daß er sich die Clystire selbst nicht in den Leib spritzen liese. Nach Vollendung dieser Ceremonie gieng der Apothecker seines Weges, der Patient machte sich wieder zurechte, als wenn er das Clystir wirklich bekommen hätte, und empfande die nämliche Wirkung wie diejenigen, die sich wirklich clystiren lassen; und wenn der Arzt die Wirkung nicht für hinreichend befand, so verordnete er ihm deren noch zwey oder drey andere auf eben solche Art. Mein Zeuge schwöret, fähret Montagne noch ferner fort, daß als die Frau dieses Kranken, zu Ersparung der Kosten, (weil er diese Clystire eben so theuer bezahlte, als wenn er deren wirkliche bekommen hätte) einigemal versuchte, nur blos warmes Wasser dazu zu nehmen, der Erfolg diesen Betrug entdeckte, und daß man, weil diese für unnützlich befunden wurden, wieder zu der ersten Art schreiten muste.« Man muß in der That gestehen, daß dieses ein ganz besonderes seltsames Exempel ist, und daß Montagne nicht sonderlich unrecht hat, wenn er saget, daß die Einbildung die Närrin des Hauses seye. Ihre Unfälle sind aber nicht jederzeit blose Thorheiten, sondern sie hat schon bisweilen auch tödliche Verwirrungen verursachet. Ein gewisser Edelmann bewirthete einstmalen eine gute Gesellschaft bey sich, und rühmte sich drey oder vier Tage nachhero, daß er seinen Gästen eine Katz in einer Pastete zu essen gegeben habe. Ein Frauenzimmer, welches mit dabey zu Gast gewesen war, gerieth über diese Nachricht in solche Verwirrung, daß sie ein Fieber mit einem so heftigen Durchfall überfiele, woran sie einige Zeit nachhero sterben muste. XXXVII. Eine neue Articulation oder Gliederfuge, die an dem Ort, wo ein Mensch den Arm gebrochen hatte, entstanden ist. Folgender besonderer Zufall erweiset deutlich, daß die Natur bisweilen der Beyhülfe der Kunst auch unter solchen Umständen, wo selbige höchst nöthig zu seyn scheinet, ganz wohl entbehren könne. Ein gewisser Mensch brach durch einen Fall den Arm, und wollte sich solchen, weil er sich für der Heftigkeit der Operation fürchtete, schlechterdings nicht mehr einrichten lassen. Er fieng so gar nach einiger Zeit an, den Arm zu bewegen, und gewöhnte sich so wohl dazu, daß er selbigen auch selbst an dem Ort, wo der Bruch war, beugen konnte. Man fande nach seinem Tod, daß daselbst eine neue Articulation und eine neue Apophysis entstanden war; das Periostium, welches durch den Bruch zerrissen wurden, war an diesem Ort viel dicker geworden, so daß es gleichsam zu einem Ligament diente, die Articulation zu befestigen; und die beständige Bewegung des Arms verursachte, daß der Nahrungssaft der Gebeine, welcher ausser diesem die beyden durch den Bruch getrenneten Theile wieder vereiniget hätte, an die Seiten des Bruches laufen, und weil er klebrigt und schleimig wurde, sich an die äusseren Ende der gebrochenen Beine anhängen muste, wo er eine Apophysin 1 verursachte. Fabricius Hildanus erzählet einen fast ähnlichen Zufall. Nouv. de la repub. des Lettr. 1685. t. 4. p. 718. Fußnoten 1 Apophysis ist ein Fortsatz des Beins oder eine Hervorragung der Herausstehung, so selbigem gleichsam als ein eigenes Theil anhängt. XXXVIII. Von dem vor diesem vor Gericht gewöhnlichen Versuch, ob einer zu dem ehelichen Werk geschickt seye, dessen Ursprung und Abstellung. Mit welchen langsamen Schritten gehet nicht die Weltweisheit, und wie viele Mühe kostet es nicht den erleuchtetern Geistern, sich wider die Stärke der ungegründeten Meynungen zu schützen, und die Vorurtheile, die sich in den gemeinen Köpfen so fest eingepflanzet haben, zu vertilgen! Wer sollte wohl glauben, daß man noch kaum vor hundert Jahren erst den dazumal vor Gericht gewöhnlichen Versuch der ehelichen Beywohnung abgestellet hat; daß man zu den Zeiten der Arnaulde und Seguiers, mitten in diesem, in den Jahrbüchern der Menschlichkeit auf ewig so berühmten Jahrhundert, hat einen beschämten Mann, und eine freche Frau in das Heiligthum der Gerechtigkeit bringen und ihnen befehlen können, sich ohne alle Zuruckhaltung solchen Dingen zu überlassen, die man nicht befiehlet? Wenn in dieser Sache einem neueren Schriftsteller 1 Glauben beyzumessen ist, so war das Gesetz, welches eine so ungewisse Probe befahle, nichts als ein Vorwand der Ehescheidung, und eine Wirkung der Geilheit und Frechheit der Weiber: welche, wie dieser Schriftsteller ferner sagt, selbst diese Gewohnheit den Richtern in Sinn gebracht haben: unter tausend Mannspersonen wird vieleicht nicht einer von diesem gerichtlich angestellten Versuch des Beyschlafes, siegreich weggehen können. Die Scham streitet wider die Liebe und vernichtet sie. Diese Empfindung ist nicht von der Art, daß sie kann getheilet werden. Wo sie herrschet, daselbst herrschet sie allein und unumschränkt. Man würde der Freyheit zu viel zutrauen, wenn man glauben wollte, daß ein Mensch auf Befehl des Hofes die Macht hätte, die Natur in demjenigen, was ihr das allerehrwürdigste ist, zwingen zu können. Die Schriftsteller setzen den Anfang der Einführung dieser Art der ehelichen Beywohnung, in die Mitte des sechzehenden Jahrhundert (A. 1540.) Es ist zu vermuthen, daß irgend ein junger Mensch von einer starken Leibesbeschaffenheit, und der sich vieleicht gar zu viel zugetrauet hatte, der erste war, der darum anhielte. Die Abstellung dieses Gebrauches wurde erst A. 1677. festgesetzet. 2 Das Parlement schafte ihn durch einen merkwürdigen Schluß ab, welcher so wohl den geist- als weltlichen Richtern verbote, in Zukunft den Versuch des ehelichen Beyschlafes in Ehe-Sachen nicht mehr anzubefehlen; es geschahe solches aber nicht, ohne vorhero die gelehrten Rechtslehrer unterschiedlichemal deswegen aufgebracht zu haben. Anna Ro bert, einer der berühmtesten Advocaten seiner Zeit, unterstunde sich, da er einstmals eine Sache in Ansehung der Unvermögenheit führte, welche durch die Appellation an das Parlement zu Paris gelangte, ohne sich zu fürchten, daß er dadurch dieser berühmten Gesellschaft misfallen möge, ihr mit vieler Freyheit das Aergerniß der ehelichen Beywohnung und der Besichtigung, die selbige befohlen hatte, vorzustellen. Er redete in einem Buch, welches er dem berühmten Achilles von Harlai zueignete, ebenfals mit vielem Feuer, von der Abscheulichkeit dieser Misbräuche. Ich will hier unten in einer Anmerkung die eigenen Ausdrücke anführen, deren er sich bediente, um die üblen Folgen zu schildern welche sie insgemein, und hauptsächlich die Besichtigung der Weibspersonen, nach sich ziehen. 3 Es wäre zu wünschen, daß man in einigen Orten Deutschlandes den Franzosen, denen man sonst so gerne in den unnützlichsten Dingen nachzuahmen pfleget, auch in der Abstellung dieser ärgerlichen Gewohnheit nachfolgen möchte: die angeführte Schilderung des berühmten Herrn Roberts von diesem höchst anstößigen und verabscheuungswürdigen Gebrauch, ist der Natur und Beschaffenheit der Sache so gemäß, daß sie vieleicht an gehörigen Orten nicht ganz ohne alle gute Wirkung seyn mögte, damit sie aber auch bey solchen Personen, denen die lateinische Sprache zu einem Anstoß gereichet den zu wünschenden Nutzen, und die endliche Abstellung dieses Uebelstandes befördern helfen könne, so wollen wir sie gleichfals in der deutschen Uebersetzung liefern: Soll ich die Besichtigung, einen des allgemeinen Hasses würdigen Anblick, der von allen Aemtern und Gerichten mit Recht sollte verbannet werden, zu ihrem ewigen Abscheu mit Worten beschreiben? Verzeihet keusche Ohren, wenn die Bescheidenheit eines reinen Vortrages, durch die Schändlichkeit der Sache selbst leidet. Ein Mädchen liegt rücklings mit auf beyden Seiten ausgestreckten Beinen darnieder; die Schamtheile des Leibes, welche die Natur zum Vergnügen des menschlichen Geschlechts verborgen hat, liegen öffentlich vor Augen; Alte Weiber und Aerzte beschauen, betasten und verdehnen sie; Die obrigkeitliche Person verbirgt mit einem gezwungenen Gesicht das Lachen; die gegenwärtigen alten Weiber erregen wiederum innerlich bey sich die schon längst vergessene Venus; unter den Aerzten erinnert sich der eine nach der Beschaffenheit seines Alters seiner ehemaligen Kräften, ein anderer weidet sich mit der grösten Brunst an dem Anblick eines leeren Spiels; der Wundarzt bedienet sich entweder eines künstlichen eisernen Instruments (das sie den Mutter-Spiegel nennen) oder eines von Wachs nachgemachten männlichen Gliedes, untersuchet, öfnet und schliesset die Zugänge der Venus; Das darniederliegende Mädchen brennet von einem unsinnigen Kützeln, so daß sie, wenn sie auch gleich als eine Jungfer besichtiget worden ist, doch nicht ganz unbefleckt mehr weggehet. Fußnoten 1 Venette. 2 Den 18. January auf die von dem Herrn General-Advocaten von Lamoignon geschehene Abschlüssung in Sachen des Herrn Renats von Corduan, Marquis von Langais, welcher, nachdem er, vermöge eines solchen Versuches für unvermogend erkläret worden war: demohngeachtet nachhero mit der Fräulein Diana von Montant Navailles, die er zur zweyten. Ehe heurathete, sieben Kinder zeugte. 3 Vultis ad perpetuam rei detestationem quam a Foro et Judiciis explodi convenit, visitationem (spectaculum odio publico dignum) verbis repraesentari? Parcite, pudicae aures, si quid in re obscena labatur verecundi sermonis modestia. Puella resupina jacet cruribus hinc inde distentis: praestant pudendae corporis partes quas natura ad delicias generis humani velavit, Has et Matronae et Medici inspiciunt, pertractant, diducunt; Magistratus vultu composito, risum dissimulat: matronae praesentes, Venerem dudum oblitam refricant: Medici, pro aetatis discrimine, hic vires pristinas reminiscitur; ille animo aestuante inanis ludicri spectaculo pascitur; Chirurgus aut ferramento fabrefacto (id speculum matricis vocari solet) aut cereo et factitio priapo, aditus venereos tentat, aperit, reserat: puella jacens titillatione vesana prurit: ut etiamsi virgo visitari caeperit, inde tamen non incorrupta recedat. XXXIX. Besondere Wirkungen der Musick. Albert Krantz erzählet, daß Henrich IV. König von Dännemark, da er in eigener Person einen Musicum, der sich rühmte, mit seiner Kunst, die Leute einschläfern, in Aergerniß zu bringen, sie zu vergnügen, und rasend machen zu können, auf die Probe stellen wollte, ob er die Wahrheit redete, davon so sehr überzeuget wurde, daß er, da er in der Wuth war, einen seiner Hofleute mit Faustschlägen um das Leben brachte. Rep. des Lettres. 1686 p. 427. Man findet in einem Buch welches den Titel führet: Medicina Septentrionalis Collatitia p. 610. daß es Leute gegeben hat, die den Thon der Instrumenten nicht hören konnten, ohne das Wasser lassen zu müssen. Zu dieser Art gehörte derjenige gasconische Edelmann, von dem Scaliger exercit p. 344. erzählet, daß er, weil er in einer grossen Gesellschaft jemand aus derselben durchgezogen hatte, auf folgende Art, die ich erzählen will, bezahlet wurde: Derjenige, welcher sich rächen wollte, befahl einem Blinden, daß er sich während der Zeit, da man zur Tafel saß, hinter den Edelmann stellen, und auf einem Instrument spielen sollte; worauf alles unter dem Tisch so gleich so sehr überschweinmet wurde, daß es die Gäste an den Füssen und Schenkeln spürten. Repub. des Lett. 1687. p. 180. XL. Ein Fieber und eine Art eines Schlagflusses (catalepsie), die durch die Musick curiret wurden. Ich will einen Umstand anführen, der den Thonkünstlern zu vielem Vergnügen gereichen muß. Ein Engelländer, der die Theologie studierte, und eine sehr ordentliche Lebensart führte, wurde in seinem zwanzigsten Jahr von einer Art einer Catalepsie 1 welches eine seltsame Krankheit ist, überfallen. Er war Sinnen-Sprach und Bewegungslos, mit offenen aber unverruckten Augen; der Puls schlug etwas stärker als gewöhnlich, die Glieder erstarrten einigermassen, gaben aber doch einer leichten Bewegung nach, und blieben in derjenigen Richtung, die man ihnen gabe. Man brachte ihm mit der grösten Mühe einiges Getränk bey. Herr Denis, Doctor in der Arzneykunst, und Rathsverwandter verwandter in der Stadt Douai, den man deswegen zu Rath gezogen hatte, spielte auf einigen Instrumenten, weil er erfuhr, daß der Kranke ein Liebhaber der Musik war; und nahm sich vor, weil die schicklichflen Mittel nichts geholfen hatten, und auch so gar das Brechpulver den Leib wie einen Ballen aufgetrieben hatte, dieses Uebel auf eine ganz besondere Art zu heilen; er hofte, daß die Musik bey dem Kranken mehrere Wirkung als alle andere Mittel verursachen sollte; er brachte eine Nachtmusik im Vorschlag, die man sogleich anstellte; und vermittelst derselben einen so geschwinden und nachdrücklichen Erfolg zuwege brachte, daß der junge Mensch, da er sie kaum zwey Minuten lang gehöret hatte, schon anfienge seine Beine und Augenlieder zu bewegen, und einem der ihn fragte, was unten an seinem Bett wäre, zur Antwort gab, daß solches Musici wären; und von dieser Stund an erhielt er seine Genesung. Ein berühmter Musicus, der vieles componirte, wurde von einem anhaltenden Fieber mit wiederholten Anfällen angegriffen, und verfiel endlich an dem siebenden Tag in eine sehr heftige mit Schreyen, Lermen, Schrecken und einer beständigen Schlaflosigkeit verknüpfte Raserey. An dem dritten Tag seiner Raserey veranlaste ihn in einem seiner guten Augenblicke, ein solcher gewisser natürlicher Trieb, dergleichen die Thiere, wie man sagt anreitzet, die Kräuter aufzusuchen, deren sie bedürffen, daß er in seinem Zimmer ein kleines Concert zu hören verlangte. Sein Arzt bewilligte solches sehr ungerne. Man sang ihm die Cantaten des Bernier vor, und bey den ersten Accorden, die er hörte, bekam sein Gesicht ein heiteres Ansehen, er vergoß Thränen für lauter Vergnügen, und bekam sein Fieber so lang als dieses Concert dauerte nicht mehr, so bald man aber aufgehöret hatte, so verfiel er wieder in seinen vorigen Zustand. Man hielte mit dem Gebrauch dieses Mittels fernerhin an, und der Erfolg war allezeit gleich bewundernswürdig. Als er einstmalen zu Nachts niemand als seinen Wächter bey sich hatte, der ihm ein elendes Gassenlied vorsange, empfande er einige Wirkung davon. Kurz, eine zehentägige Musik stellte ihn wieder vollkommen gesund her, ohne den Gebrauch eines andern Mittels ausser einer Aderläß am Fuß, auf welche eine starke Abführung erfolgte. Ein Tanzmeister von Alais erfuhre in gleichen Umständen diese nämlichen Wirkungen der Musik: nach Verlauf einer Viertelstund fiel er in einen tiefen Schlaf, und bekam während seines Schlafes einen Zufall, der ihn gänzlich gesund machte. Hist. de l'Acad. 1707. p. 7. etc. und 1708. p. 20. Fußnoten 1 Es ist solches eine Schlaf und Zuckungen verursachende Krankheit, die den Patienten plötzlich überfälls, und ihn lang in dem Zustand last, in dem er sich bey dem ersten Anfall derselben befande, und ihm die Sinnen und Bewegung benimmt. XLI. Der Tarantismus oder die Tanz-Krankheit. Die Aerzte gebrauchen nicht jederzeit wider die üblen Zufälle, die sie curiren, alle diejenigen Mittel; welche die nöthige Hülfe leisten könnten; weil sie entweder mehrestentheils gar zu furchtsam, oder gar zu sclavische Nachahmer ihrer Vorfahrer sind: wie wenige würden zum Exempel die Cur gethan haben; welche den Einsichten des Herrn Denis, von dem ich in der vorhergehenden Bemerkung geredet habe, so viel Ehre machet? Kann man wohl glauben, daß die Musik nur blos für die Catalepsie als ein gutes Mittel zu gebrauchen seye? Sie muß vielmehr überhaupts bey allen rasenden, schlafsüchtigen; epileptischen und melancolischen Leidenschaften und Zufällen ihre heilsame Wirkungen haben. Sie zeiget erstaunliche Wirkungen bey der Cur des Tarantismi: Baglivi hat in seinen Werken umständlich von dem Stich des Thieres gehandelt, welches diese Krankheit erreget. Es ist selbiges eine grosse Spinne, die sich hauptsächlich in den Gegenden um Tarent herum, einer Stadt in Apulien in Italien aufhält, von der sie den Namen Tarantel erhalten hat. Die, welche von diesem Thier gestochen werden, müssen die verdrüßlichsten Zufälle ausstehen. Sie fallen ohne Kräften, Empfindung und fast ohne Leben hin; ihr Gesicht bekommt ein verwirrtes Ansehen, ihre Einbildungskraft geräth in Unordnung, sie seufzen, sie klagen, und würden in wenigen Tagen daran erliegen, wenn ihnen nicht ein sonderbares Mittel zu Hülfe käme, sie vom Tod zu erretten. Dieses ausserordentliche Mittel bestehet in der Musik, welche die einzige Hülfe in dergleichen Krankheiten ist, welche die Patienten zum Tanzen anreitzen. Man machet einen Versuch mit unterschiedlichen Arien und mit verschiedenen Instrumenten, wenn man diejenigen ausfündig gemachet hat, welche vermögend sind, die Organa des Verwundeten zu rühren, so fängt er an erstlich die Finger, dann die Hände, die Füsse, und nach und nach alle Glieder zu regen, bis er durch die Wirkung der Musik so viel Stärke erhält, sich aufrecht auf seinen Füssen zu halten; alsdann siehet man ihn mit einer erstaunlichen Lebhaftigkeit und Stärke tanzen und springen; er machet solche Verdrehungen und Lufispringe, die ihn über und über in Schweis bringen. Diese ersten Tänze dauren zwey bis drey Stunden, man wiederholet sie des Tages drey bis viermal: Der Kranke unterbricht seine Bewegungen niemals, ausser wenn er einige widrige Töne in der Aria, die man ihm vorspielet, bemerket; es ist erstaunlich anzusehen, was er alsdann für eine ängstliche Empfindung so lang spüret, bis die Musici wieder miteinander einstimmen. Die Erfahrung hat gelehret, daß man mit diesem seltsamen Mittel fünf bis sechs Tage lang anhalten muß, und daß die, welche von der Tarantel gestochen worden sind, wenn sie nicht die Vorsicht gebrauchen, solches alle Jahr, zu der Zeit, da sie gestochen worden sind, zu wiederholen, sich der Gefahr aussetzen, die nämlichen Zufälle wieder von neuen auszustehen, von denen sie die Musik anfänglich befreyet hat. 1 Die Wirkungen dieses Tarantismi sind so erstaunlich, daß es der Mühe wohl werth ist, sich noch etwas länger dabey aufzuhalten. Ich will hier einen Brief zum Theil abschreiben, in welchem der Herr von Saint Andree alle Zufälle, die von dem Tarantel-Stich entstehen, so wie er sie selbsten gesehen hat, umständlich beschreibet. »Wir haben hievon, sagt dieser Schriftsteller, an der Person eines Neapolitaners, der bey dem Infanterie-Regiment de la Marre als Soldat diente, ein Exempel gesehen. Man sahe diesen Soldaten allezeit, wenn der Gift, welchen der Tarantelstich der Wunde beygebracht hatte, in Bewegung kam, in eine tiefe Melancolie verfallen. Seine Farbe wurde röthlich, sein Gesicht wild und verwirret, sein Athemholen wurde schwer und mit Schlucken und Seufzen unterbrochen; er fiel auf die Erde ohne Sinnen, Bewegung und Empfindung, und fast ohne Puls und Athemholen das Blut lief ihm zum Mund und der Nase heraus, und er würde in kurzer Zeit des Todes gewesen seyn, wenn man ihm nicht auf der Stelle zu Hülfe gekommen wäre. Man muste, um ihn von diesem Zustand zu befreyen, so gleich einige Violinisten kommen lassen, die ihre Instrumente ihm an die Ohren hielten, und solche mit ihren Fiedelbögen recht stark angriefen. Nachdem die Lebensgeister durch den Ton dieser Instrumenten in Bewegung gebracht worden waren, so fiengen sie an sich in den Händen zu äussern, die er anfänglich bewegte, um den Tact der Aria, die man spielte, anzuzeigen, darauf zeigten sie sich auch in den Füssen, welche die nämliche Bewegung machten: endlich richtete er sich auf, und tanzte mit einem seiner Cammeraden so richtig und geschickt, als die besten Tänzer. Dieser Tanz dauerte fast zweymal vier und zwanzig Stunden ohne Nachlaß fort, ausser einigen wenigen Augenblicken, in denen er ausruhete, wenn er gar zu sehr abgemattet war: da man ihm ein wenig Wein und bisweilen ein in Milch gesottenes frisches Ey gab. Wenn man bemerkte, daß er seine ersten Anfälle wieder bekommen wollte, so fiengen die Violinisten wieder an zu spielen, und er fieng seinen Tanz wieder wie vorher an. Wenn der Tanz geendiget war, so gieng er von dem Ort, wo er sich befande, weg, und lief in das Feld, um dadurch die Ausdünstung, und damit zugleich die von dem Gift angesteckte Feuchtigkeiten vollends zu zertheilen – – –. Ich habe diesen Soldaten, fähret der Herr von Saint Andree ferner fort, wenn man aufhörte auf diesen Instrumenten zu spielen, oder wenn eine Saite entzwey riese, wieder in eben diesen Zustand verfallen sehen, von welchem ihn die Violinisten befreyet hatten, und man konnte ihn nicht anderst als mit recht starken Strichen der Fiedelbögen wieder zurechte bringen. Ich habe auch gesehen, daß ihm eben dieser Anfall wieder zustiese, wenn jemand mit einem schwarzen Band an den Ort kam, wo er sich aufhielte, oder wenn man einen Spiegel von seinem Platz nahme, vor welchem er sich oft niederwurfe, indem er die Spinne, die ihn gestochen hatte, darinnen zu sehen glaubte – – –. Und man konnte ihn nicht eher wieder aus diesem Zustand bringen, wenn die Violinisten gleich immer fort spielten, als bis man das schwarze Band weggenommen, und den Spiegel wieder an seinen Platz gestellet hatte. Ich bemerkte, daß er an der rothen Farbe viel Vergnügen hatte, und daß ihn solche noch mehrers zum Tanz aufmunterte. Die mehresten Zuschauer hielten diesen Soldaten für einen verzauberten Menschen. Sie schrieben alle seine Bewegungen dem Teufel zu: und ich wäre beynahe mit einem Andächtigen in einen weitläuftigen Handel gerathen, weil ich zu ihm sagte, daß diese ganze Sache natürlich wäre, und von dem Gift herkäme, welcher in dem Theil, der von der Tarantel verwundet worden war, zurückgeblieben wäre. Dieser Soldat bekam diesen Anfall, der ihn in Italien nur jährlich einmal zustiese, nachgehends in Frankreich des Jahrs über viermal – –. Er starb einstmalen auf dem Marsch, da sein Anfall wieder kam, und man ihm nicht wie gewöhnlich zu Hülfe kommen konnte.« Lettres de Monsieur de Saint André au sujet de la magie, des maléfices et des sorciers. p. 26. etc. Fußnoten 1 S des Baglivi Dissert. de anatome, morsu et effectu tarentulae epiphan. Ferdinand. histor. 81. Lieutaud precis de la Medicine pratique Rich. Mead. Examen venenorum mechanicorum, p. 63 XLII. Blattern über dem Hüfftbein, welche so viel Milch von sich gaben, als eine Säugamme aus den Brüsten giebet. Sollten wohl die Brüste an beyden Geschlechten die einzigen Werkzeuge seyn, die zur Absonderung der Milch bestimmet sind? Alle Umstände vereinigen sich insgesamt dahin, zur Bejahung dieses Satzes den Ausschlag zu geben. Sind aber diese Werkzeuge die einzigen Gänge, wo solche herauslaufen kann? Folgender Umstand zeiget klar das Gegentheil. Herr Bourdon Doctor in der Arzneykunst zu Cambrai erzählet in einem an den Herrn Lemery abgelassenen Schreiben, daß er in seiner Praxis ein Mädchen von zwanzig Jahren gesehen habe, welche aus kleinen Blattern, die sie an dem obern Theil des linken Schenkels an dem Hüfftbein bekame, eine so grosse Menge Milch von sich gabe, als eine Säugamme aus ihren Brüsten geben kann. Diese Milch ließ einen Rohm, Käß und Molken zurück, wie die Kuhmilch, sie war von andern Milchen in nichts ausser durch ein wenig Schärfe unterschieden, welche auf der Zunge derer, die solche versuchten, etwas bieße. Der Schenkel, woraus diese Milch flosse, war von einer dicken wässerigten Geschwulst, die aber keinen Schmerzen verursachte, aufgetrieben, wurde aber nachdem viel Milch weggienge, ganz weich und setzte sich wieder ein; biswetien gieng diese Milch so stark, daß man den Theil mit festen Compressen über denen Blattern verbinden muste, um solche zurück zu halten; denn der überflüßige Abgang, den das Mädchen daran erlitte, entkräftete sie gar sehr. So bald als sich diese Milch zeigte, so bekam sie ihre ordentliche weibliche Reinigung nicht mehr, befande sich aber übrigens, ausser daß sie etwas schwach war, ganz wohl. Journ. des Scav. den 5. Juny 1684. Man findet ingleichen auch in den deutschen Tagbüchern, daß aus dem rechten Fuß einer Frau, welcher die Aerzte eine Aderläß verordnet hatten, um sie von einem Fieber zu heilen, das ihr von ihrer Niederkunft her noch zuruckgeblieben war, Milch an statt des Blutes liefe. Journal des Scav. 26. April 1677. Ein geschickter und glaubwürdiger Weltweiser hat mich versichert, daß er in Languedoc eine Frau gesehen habe, deren Milch schwarz war. Dieser Umstand hat seine gute Richtigkeit, ob er gleich ganz entsetzlich wundersam ist. Könnte man demnach nicht die Frage aufwerfen: ob die Weisse eine unumgänglich nothwendige Eigenschaft der Milch seye? XLIII. Von der Bildung, Anzahl und Grösse der Brüste. Mit den Brüsten pfleger die Natur gleichfals ihr Spielwerk zu treiben; insgemein haben die Weiber zwar nur zwey Brüste, man hat aber auch deren welche gesehen, die mehrere gehabt haben; Blasius hat z.B. deren drey an einer Frau bemerket; Walocus und Borrichius haben eben dieses wahrgenommen. Thomas Bartholinus redet von einer Person, die vier Brüste gehabt hatte. Uebrigens ist auch die Bildung und Grösse dieser Theile in gewissen Landen ganz ungeheuer. Die Weiber auf dem Vorgebirg der guten Hofnung sollen nach dem Bericht der Reisenden, so lange Brüste haben, daß sie selbige über die Schultern werfen. Ich glaube, daß unsere Poeten über dieses Vorgebirg der guten Hofnung in Verlegenheit kommen werden, wie wollen sie die Liebesgötter in solchen Brüsten beherbergen? XLIV. Geburtsglieder einiger afrikanischen Weiber von einer ganz besondern Bildung. Die Weibspersonen haben einen gewissen Theil an ihrem Leib, der demjenigen, wodurch sich die Mannspersonen unterscheiden, ganz ähnlich ist, ordentlicher Weise ist er zwar in einen ganz kleinen Format gebracht; nichts destoweniger haben einige Anatomici solchen von einer merklichen Grösse gefunden. Platerus erzählet, daß er eine Cl-- gesehen habe, die so groß und so lang als der Hals einer Gans war. Venette erzählet, daß er ein Mädchen von acht Jahren gesehen habe, die eine Cl-- hatte, welche halb so groß als ihr kleiner Finger war. Aus diesen Spielen der Natur entstehen die saphischen Spiele. Die Lefzen und Nymphen werden bisweilen so lang und herabhängend, daß man gewissen Weibspersonen gar nicht beykommen kann. Diese Unbequemlichkeit ist bey den Afrikanerinnen was sehr gewöhnliches, wie es dann auch, wenn man dem Leo aus Afrika Glauben beymessen will, in den mittägigen Landen gewisse Männer giebet, die ihr einziges Gewerb damit treiben, daß sie bey dem schönen Geschlecht dasjenige beschneiden, was die Natur bey ihren besondern Werkzeugen gar zu sehr verlängert hat, und mit lauter Stimme durch die Gassen ausschreyen: Wer will sich schneiden lassen? XLV. Ein taub und stumm Gebohrner, der plötzlich das Gehör und die Sprache bekam. Ein Mensch, der aller derjenigen Hülfsmittel beraubet wäre, welche unser Gehirn, um urtheilen zu können, nothwendig von der Erziehung und dem Umgang mit andern Menschen erlangen muß, würde ein Wesen von wenigen Denken und noch wenigern Urtheilen seyn! Wäre er noch über dieses des Gesichts, Gehörs und des Gefühls beraubet, was würde er wohl anderst als eine von Erdsaft sich nährende Massa oder ein wirklicher Crysolit seyn? Folgender Zufall bestätiget zum Theil diese Meynung. Ein junger Mensch von vier bis fünf und zwanzig Jahren, der von Geburt taub und stumm war, fieng, zur grösten Verwunderung der ganzen Stadt Chartres, wo sich dieser besondere Zufall ereignete, plötzlich an zu reden. Man erfuhr von ihm, daß er vier oder fünf Monat vorher den Schall der Glocken gehöret hatte, und über diese neue und ihm ganz unbekannte Empfindung in ein ausserordentliches Erstaunen gerathen war, daß ihm nachhero eine Art eines Wassers aus dem linken Ohr gelaufen war, worauf er auf beyden Ohren vollkommen gehöret hatte. Er redete inzwischen innerhalb drey bis vier Monaten kein Wort, gewöhnte sich aber, die Worte die er hörte, ganz leis zu wiederholen, und machte sich die Aussprache und die mit den Worten verknüpften Begriffe bekannt und geläufig: als er sich endlich für tüchtig und geschickt genug hielte, das Stillschweigen zu brechen, sagte er, daß er reden könnte, wiewohl noch sehr unvollkommen. Es kamen so dann so gleich geschickte Gottesgelehrte, und befragten ihn wegen seines vorigen Zustandes, ihre hauptsächlichsten Fragen aber giengen auf GOtt, auf die Seele, und auf das moralische Gute und Böse der Handlungen. Man fande, daß sich seine Gedanken nicht so weit erstrecket hatten, ob er gleich von catholischen Aeltern gebohren war, der Messe beywohnte, und ein Kreuz zu machen, und in der Stellung eines Menschen, der betet, niederzuknien angewiesen worden war: er hatte niemals einige Absicht damit verbunden. Ist es also nicht an dem, daß dieser junge Mensch, von dem in der Geschichte der Academie der Wissenschaften A. 1703. p. 18. geredet wird, den grösten Theil seiner Begriffe dem gegenseitigen Umgang mit denen, die um ihn waren, und der guten Einrichtung seiner Werkzeuge des Gefühls und Gesichts zu danken hatte? XLVI. Von der Entdeckung des Umlaufs des Geblüts, und der Transfusion oder der Ableitung des Blutes eines Menschens oder Thieres in die Blutgefässe eines andern. Gereichet es den heutigen Aerzten zur Schande, oder ist es den Alten eine Ehre, daß die Entdeckung des Umlaufs des Geblütes in der Heilkunst keinen beträchtlichen Unterschied verursachet hat? Ist die Kenntniß der kreismaßigen Bewegung des Blutes der Grund, auf welchem die ganze Arzneykunst beruhet, und ohne welchen selbige nichts als eine blinde Quacksalberey seyn kann? Wenn es dem so ist, wie kommt es dann, daß die Arzneykunst in unsern Händen noch keinen merklichern Fortgang gemachet hat? Warum schöpfen wir denn fast alle unsere Kenntniß aus den grossen Geistern, die sich der Kunst beflissen haben, welche dem Hyppocrates die Unsterblichkeit erworben hat? Die Entdeckung des Umlaufs des Blutes gleichet einem Gebäud welches nach und nach entstanden ist; Harvei, dem man fast allezeit die Ehre dieser Erfindung zuschreibet, und der A. 1628. das Werk herausgabe, in welchem solche festgesetzet und eingeführet wurde, hat gleichwohl das Verdienst nicht, daß er wirklich den Grund dazu geleget hatte. Er hat den Entwurf davon schon in den Schriften des berühmten Servet, der, ob er wohl selbst ein Schwärmer war, doch gleichwohl dem Haß eines andern Schwärmers 1 aufgeopfert wurde, gefunden; und die Arbeiten des Realdus Columbus, wie auch des Cesalpins, gaben ihm Mittel an die Hand, solche völlig gar ins Reine zu bringen. Seine Erfindung jetzte einige Gelehrte in Verwunderung, welche wohl einsahen, daß dieser vortrefliche Mann, indem er den Vorhang weggezogen, welcher, wie ein berühmter Schriftsteller sich ausdrücket, fast alle Geheimnisse der thierischen Beschaffenheit verborgen hatte, der Vernunft dadurch einen Leitfaden, gegeben hatte, der sie ohne Beyhülfe der Sinnen anführen konnte: Demungeachtet empörten sich fast alle Aerzte, weil sie den Begriffen der Alten gar zu sehr ergeben waren, wider eine neue Wahrheit: Harvei war in ihren Augen nichts andersts, als ein Insecten- Frösch- und Schlangen-Zergliederer; die alten Practici konnten gar nicht begreifen, daß ihnen noch etwas zu lernen übrig seyn sollte; sie starben vergnügt mit ihrer Unwissenheit: vernünftigere Leute aber suchten durch neue Erfahrungen neue Beweise auf; unter welchen die Transfusion die berühmteste ist. Den ersten Begrif davon hat man dem Liba vius zu danken; diese besondere Operation hat vielen Lärmem verursachet, und soll, wie man gesagt hat, von ihm nach der Fabel der Medea erfunden worden seyn. »Man nehme, sagte er, einen gesunden und starken Menschen, und einen andern ausgezehrten Körper, dem kaum noch einiger Lebenshauch übrig ist, an; nehmet zwey silberne Röhren, machet in die Ader des vollkommen gesunden Menschen eine Oefnung und stecket eine Röhre in diese Ader, öfnet auf eben solche Art die Ader des Kranken, stecket die andere Röhre in dieses Gefäß, und verbindet die beyden Röhren so genau miteinander, daß sich das Blut des gesunden Menschen in den kranken Körper ziehet; so wird solches eine neue Lebensquelle hinein bringen, und alle Gebrechen werden verschwinden.« Ein so zuversichtlich und von einem schon in Ansehen stehenden Mann vorgebrachter Satz muste nothwendig einen oder den andern verleiten; Es fehlet unter den Aerzten niemals an solchen, die sich von der Neuigkeit dahin reisen lassen, und es giebt genug willfährige Geister, welche die Gefahr, die zu besorgen ist, wenn die Sachr mislingt, nicht eher untersuchen, als wenn es schon zu spät ist, die Klippe zu vermeiden. Das was Libavius vorschluge, wurde in kurzen versuchet. Man ließ das Blut eines Thieres in eines andern Adern laufen. Zwey beständig aufeinander eifersüchtige Nationen machten sich einander den ersten Versuch dieser Erfindung strittig. Man betrachtete sie, wie der berühmte Herr Senac saget, als ein Hülfsmittel wider alle Krankheiten: ja man sahe so gar die Versicherung der Unsterblichkeit ganz deutlich in dieser Transfusion. Die ersten Versuche geschahen nach dem Bericht einiger Schriftsteller in Frankreich; aber die erste mit Umständen erwiesene Transfusion wurde A. 1658. von dem Hansheau angestellet. Lower ein engelländischer Zergliederer, der sich durch einen wohlabgefasten Tractat von dem Herzen bekannt gemacht hat, brachte diese Operation A. 1665. zu mehrerer Vollkommenheit. Ein Jahr nachhero wollte Her Denis, ein Arzt, der sich mehr mit den Glücksspielen als mit den Spielen der Thierischen Maschine beschäftigte, sich auch dadurch hervorthun, daß er in die Fusstapfen des Lowers trate. Die Herren Rnig und Coxe, englische Aerzte, folgten diesem Beyspiel. Das Geschrey, welches diese Versuche verursachten, brachte eben diese Neugierde nach Italien; Herr Caßini war zu Bologna, und Herr Grissoni in einer andern Gegend, Zeuge einiger neuer angestellten Versuche. Herr Denis war noch verwegener, und wagte es, mit einem Menschen einen solchen Versuch zu machen, den er beredete, das Blut eines Thieres in seine Adern einzunehmem. Lower und Rnig ahmten dem Herrn Denis hierinnen bald nach. Die Italiener waren in kurzem eben so verwegen: sie wiederholten A. 1688. die Transfusion bey unterschiedlichen Menschen. Biva und Manfredi nahmen diese Operation vor. Ein Arzt, Namens Sinibaldus, wollte solche an sich selbst versuchen. Man fand endlich allenthalben bis in Flandern Transfusores. Aber wie waren die Erfolge dieser Operation bey den Menschen und Thieren? Die Thiere starben, nach dem Bericht des Herrn von Senac, an der von Lower versuchten Transfusion nicht. Herr Rnig hatte die Erfahrung gemachet, daß ein Schaf, welches das Blut einer Kuh in seine Adern bekommen, behend und lebhaft wurde. Herr Core ließ das Blut eines räudigen Hundes in die Gefässe eines gesunden und recht muntern Hundes laufen, bey diesem Hund bemerkte man keine Veränderung, der andere wurde aber durch den Abgang des Blutes von der Räude curiret, der Appetit schiene bey den Hunden, denen man ein neues Blut gab, auch nicht benommen zu seyn. Einer derselben erhielte dadurch den Gebrauch der Werkzeuge seines Gehöres wieder: ein anderer schien wieder ganz jung zu werden, ein Pferd von sechs und zwanzig Jahren bekam durch das Blut eines Schafes seine Lebhaftigkeit wieder. Bey einigen Menschen war der Erfolg gleichfals nicht unglücklich: als Herr Denis das Blut eines Schafes in die Adern eines Schlafsüchtigen liese, so ermunterte solches diesen Kranken von seiner Trägheit, welche die Folge eines Fiebers war. Eben dieses Mittel verschafte einer Frau, welche von den Aerzten schon war aufgegeben worden, ihre Gesundheit wieder. Eine Mannsperson, deren Gemüth durch die Liebe in Unordnung gerathen war, erhielte innerhalb zweyen Monaten durch das Blut eines Thieres ihren guten Verstand wieder: einige Zeit nachhero verfiel dieser Mensch wieder in seine vorige Thorheit, man brauchte ohne allem Scheu das nämliche Mittel, der Tod war nachhero die Folge davon. Ein Schweb, Namens Bond, starb an einem hitzigen Fieber nach dieser nämlichen Operation. Die Weisheit des Parlements thate endlich einer Verwegenheit Einhalt, die ansteckend werden wollte. Derjenige Mensch, an dem man die Transfusion in Engelland versuchte, erfuhre keinen widrigen Zufall nach dieser Operation: In Italien füllte sich ein Lungensüchtiger vergebens die Lungen mit fremden Blut an, er starb: aber die andern Kranken, die zu diesem so ungewöhnlichen Mittel ihre Zuflucht nahmen, wurden von dem Fieber befreyet; diese Erfolge wollten aber gleichwohl vernünftigen Aerzten nicht entscheidend genug vorkommen. Man ist übrigens nicht berechtiget ein Mittel, das bisweilen gute Wirkungen gehabt hat, aus den Mitteln wegzustreichen, die man zur Heilungskunst anwenden kann. Fußnoten 1 Calvin ließ ihn zu Geneve den 27. Octobr. A. 1553. in einem Alter von 44. Jahren wegen eines theologischen Streits lebendig verbrennen. XLVII. Falsche Zeitrechnung des Ursprungs der venerischen Krankheiten. Man hat bis hieher dafür gehalten, daß die barbarische Eroberung der neuen Welt, und der Ursprung dieser grausamen Krankheit, welche Gift und Galle in unser angenehmstes Vergnügen mischet, ihrem Ursprung und Anfang nach, zu gleicher Zeit entstanden wären; dieses ist die Meynung fast aller unserer neueren Schrifsteller: einige mehr menschlichgesinnte Schriftsteller, aber eben so unrichtige Zeitrechner, haben diese Geisel als eine gerechte Strafe betrachtet, welche unsere Grausamkeit gegen diese so ruhige und weise Völker verdiente. Folgendes Schreiben, welches der Herr Samhez an den Herrn Vandermonde abgelassen, und in dem medicinischen Tagbuch Tom. II. p. 372. eingerucket ist, beweiset die Unrichtigkeit dieser Zeitrechnung auf die überzeugenste Art. Mein Herr! »Vor ohngefähr zwey Jahren hat mir einer meiner Correspondenten ein ganz kleines Buch in Quart von Rom geschicket, welches den Titel führet: Pacifici maximi Poetae Aesculani. Florentiae anno gratiae M. CCCC. LXXXIX. Idibus Novembris per Antonium Miscaminum . In dem zehenden Buch de Matrona, ließt man folgende Disticha; – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Ne confidatis natibus, sunt omnia ficta; Quo praedicemus? dicimus ista: mares Et placet nulli vos subdere more ferarum, Sitque per amplexus ora dedisse satis. Ince calet culus, digitisque evellitur, inde Ficus habet miseras, atque mariscas nates. Inde aliquem vidi tanto pallore teneri, Vt faciem credas immaduisse croco: Adde quod hinc olidas hircus celer ibit in alas, Mirandosque dabit barba molesta pilos; Et saepe in partes centum discinditur ille, Vt sit opus sartas ustulet igne nates. Non aliter vidi nimio vel sole imbre. Punica disrumpi, cortice mala suo. « Und in eben diesem Buch Lib. III. ad Priapum, liest man: » Tuque meum, si non properas sanare Priapum Decedet; heu! Non hoc nobile robur erit. Ante, meis oculis orbatus priuer, vel ante Abesus faedo nasus ab ore cadat. Non me respiciet, nec me volet ulla puella, In me etiam mittet tristia sputa puer. Laetior, heu! Toto me non erat alter in orbe! Si cadet hic, non me tristior alter erit. Me miserum sordes, quas Marcidus ore remittit? Vlcera, quae fœdo Marcidus ore gerit! Aspice me miserum, precor, o per poma per hortos, Per caput hoc sacrum, per rigidamque trabem, Summe pater, miserere mei, miserere dolentis, Meque tuis meritis fac, precor, usque tuum. Hinc ego commendo tota tibi mente, Priape, Fac valeat, fac sit sanus, ut ante fuit. Da diese Disticha zum überzeugensten Beweiß dienen, daß die venerische Krankheit in Italien schon vier Jahr vorhero bekannt war, ehe Christoph Columbus nach Amerika gienge, so glaube ich, daß sie, mein Herr, vieleicht nicht für undienlich halten werden, sie in ihrem Tagbuch kund zu machen, um dieses Denkmaal der Nachwelt zu erhalten; dann ich weis nicht wie solches anderst geschehen kann. Man hat in dem vorigen Seculo eine zweyte Auflage von den Werken des Pacifici Maximi in 4. herausgegeben, die man in der königlichen Bibliotheck findet, man hat aber alle diese unzuchtige Verse nebst unterschiedlichen andern weggelassen. Es fehlen in der Ausgabe die ich besitze, und die ich dem Herrn von Maizieux, Director der Kriegsschule, gegeben habe, die ersten Blätter, die Seiten sind mit keinen Zahlen bezeichnet, und die Anzeige des Drucks und des Ortes, wo solcher geschehen, ist hinten am Ende zu finden – – – etc.« Ich habe die Ehre zu verbleiben etc. Wenn man also hartnäckig behaupten wollte, daß die Franzosen aus Amerika zu uns gekommen wären, so müste solches, wie man aus obigen gesehen hat, ohne Zweifel noch vor der Unternehmung des Christophs Columbs geschehen seyn: durch welchen Weg müsten sie aber vor der Entdeckung der neuen Welt gekommen seyn, und ganz Europa so angestecket haben? XLVIII. Heftige Wirkungen der Liebe. Geschichte des Antiochus Soters und der Stratonica. Die Liebe ist ein Feuer, welches sich nicht allezeit verbergen läst. Sie drucket der Seele solche Veränderungen ein, welche sie über kurz oder lang äusserlich bekannt machen. Diese Empfindung der Wollust und der Zärtlichkeit, welche durch die Bemühungen, die man anwendet, sie geheim zu halten, noch mehr gereizet wird, erreget gewisse Unordnungen, die betrübte Folgen nach sich ziehen können. Es ist die Begebenheit dieses jungen Menschens eine bekannte Sache, welcher von einer heftigen Leidenschaft gegen die liebenswürdige Gaußin so sehr ausser sich gebracht wurde, daß er eines Tages für Freude, Liebe und Wuth, vor ihren Füssen sturbe. Man hat mir von einem Soldaten erzählet, der sich zu Metz in eine Comödiantin verliebte, die dazumal daselbst spielte. Diese Leidenschaft nahm bey diesem Menschen so sehr überhand, daß er davon krank wurde; man brachte ihn in den Spital; da er sich sehr übel befande, so entschloß sich die Comödiantin auf seines Hauptmanns Ansuchen, ihn zu besuchen. Der Kranke kam, da er sie erblickte, so sehr ausser sich, daß er, da er ihre Hand ergriefe, sie mit solcher heftigen Bewegung küste, daß er auf der Stelle davon des Todes war. In dem Alterthum ist nichts merkwürdigers als die Krankheit des Antiochus Soters. Dieser junge Prinz verliebte sich in seine Stiefmutter die Stratonica, er gab sich aber alle Mühe diese Leidenschaft zu unterdrücken, weil er wohl wuste, daß sie nicht billig war; da aber nichts im Stand war, die Empfindung welche sein Herz beherrschte, zu verlöschen, so entschloß er sich lieber zu sterben, als seine Liebe zu entdecken. Er schmachtete und nahm von Tag zu Tag mehr und mehr ab. Seleucus sein Vater, der ihn liebte, und die Ursache des Uebels, das ihn quälte, nicht wuste, nahm seine Zuflucht zu der Wissenschaft des Erasistratus. Dieser Arzt entdeckte sehr bald, daß die Liebe die Ursache des Uebels wäre, welches ihn drückte; er wuste aber den Gegenstand nicht, für welchen Antiochus seufzete: Damit er solchen nun ausfindig machen mögte, brachte er ganze Täge bey ihm zu, und gab beständig Achtung, ob er nicht bey dem Anblick irgend eines Frauenzimmers vom Hof die Farbe verändern würde. An einem gewissen Tag, da ihn die Stratonica besuchte, bemerkte der Arzt, daß sich sein Puls erhebte, und mit mehrerer Stärke und Geschwindigkeit schluge, daß ein verwirrtes Athemholen seine Worte unterbrache, daß seine Augen lebhafter und feuriger, und sein Gesicht über und über ganz ungewöhnlich roth wurde. Er war allzugeschickt, als daß er sich hiebey hätte betrügen sollen. Er wuste nunmehro zwar, woher der sieghafte Streich kame, allein es kame darauf an, solches dem König zu berichten; und wie sollte man mit ihm von der Liebe seines Sohns gegen die Königin reden? Antiochus war inzwischen sterbens krank, und stunde in der grösten Gefahr zu unterliegen, wenn man ihm nicht mit dem einigen Mittel, das für sein Uebel übrig war, zu Hülfe kommen würde. Erasistratus besann sich auf einen listigen Umschweif. Er gieng zu dem Seleucus, und zeigte ihm an, daß ihm das Uebel seines Sohns bekannt sey; welches nichts andersts als die Liebe wäre; er wäre in eine Person bey Hof verliebt, würde aber wahrscheinlicher Weise das Schlachtopfer seiner Leidenschaft werden müssen, weil solche eine Frau zu ihrem Gegenstand erwählet hätte, die ihm nicht werden könnte: Nun wessen Frau ist sie dann, sagte der König? Meine, antwortete der Arzt: und ihr wollt meinen Sohn umkommen lassen, erwiederte Seleucus. Würden Ew. Majestät nicht eben dieses thun, versetzte Erasistratus, wenn er in die Stratonica verliebt wäre? Wollten die Götter, sagte der König, daß sie diejenige wäre, in die er sich verliebt hat, so würde sein Leben in Sicherheit seyn. Sie ist es auch, sagte der Arzt alsdann, Ihro Majestät, die Königin ist die Person, die er liebet und anbetet. Seleucus behauptete seinen Charakter, besuchte seinen Sohn, und sagte ihm, daß die Stratonica seine Gemahlin wäre, und Antiochus war in kurzer Zeit im Stand des Gegenstandes seiner Wünsche zu geniessen. Dieser Fürst belohnte den Eifer des Arztes als ein seines Wunsches befriedigter König. Erasistratus bekam für diese Cur hundert Talente, das ist dreyhundert tausend Livres. XLIX. Von einer Hirnschale, welche durch eine Verwundung sich bis zur Helfte in Schiefern abgesondert hatte. Anno 1688. im Monat October, gieng eine arme Frau aus dem Kranken-Spital, nachdem sie länger als zwey Jahr an einer durch einen Fall verursachten Verwundung am Kopf darinnen krank gelegen war. Es hatten sich in dem Verfolg ihrer Cur, der obere Theil des Stirn-Beins, die beyden ganzen Wandbeine und ein grosser Theil des Hinterhaupts, so dick als sie waren, zerschiefert, und sich solchergestalt abgerissen, daß diese Schieferung einer Hirnschale gleichte, die man mit Fleiß entzwey gesäget, und von dem übrigen Theil abgetrennet hat. Viele Leute konnten nicht glauben, daß diese obenbenannten Stücke eine wirkliche schieferichte Absonderung wäre, und gaben seiner armen Frau einiges Allmosen, damit sie den obern Theil ihres Kopfes zeigte, den sie mit einem Kürbis-Boden bedeckte. Man sahe an dem Ort, wo diese Gebeine sich abgelöset hatten, wie das harte Hirnhäutgen schluge, welches nur mit einem ganz kleinen Häutgen bedecket war, aus welchem von Zeit zu Zeit kleine Bläsgen aufstiegen, die mit einer röthlichen Feuchtigkeit angefüllet waren, welche kleine Geschwüre, die schwer zu heilen waren, verursachte, so daß die Narbe dieser Wunde nicht eher als drey Jahr nach der Schieferung gänzlich gestärket war. Es geschahe, daß sie einstmalen, da sie jemand an diesem Ort etwas stark angefühlet hatte, schrie, daß sie tausend brennende Lichter sähe. Anat. de Palsin, Tom. 2. p. 166 L. Von einem jungen Menschen, der seit vier oder fünf Jahren täglich eine Menge fünf bis sechs Linien langer Würmer von sich gab. Es ist ein erstaunliches Unglück, wenn man in seinen Eingeweiden ein Thier träget, das sieben, acht, ja wohl zehenmal grösser ist, als man selbst ist. Inzwischen ist dieses der unglückliche Theil derjenigen, die in ihren Eingeweiden einen einzelnen Wurm ernähren. Man hat dergleichen Thiere gesehen, die zwanzig Ellen lang waren. Es giebt unter den verschiedenen Würmern, die uns nagen, einige, die nicht gar sonderlich grausam sind. Homberg, ein berühmter Chymisi eines grossen Fürsten, erzählet, »daß ein junger Mensch, den er kannte, und der ganz gesund war, seit vier oder fünf Jahren täglich eine grosse Menge Würmer, die fünf bis sechs Linien lang waren, durch den Stuhlgang von sich gabe.« Hist. de l'Acad. 1707. p. 9. LI. Ausserordentliche Blutflüsse. Das Blut hat sich bisweilen durch solche Theile einen Ausgang gemachet, die zu Blutflüssen gar nicht aufgelegt zu seyn scheinen. Eine Dame, die nach Spa in das Bad verreiste, um sich von der Gelbsucht zu heilen, verlohr einstens aus dem kleinen Finger ihrer rechten Hand mehr als zwölf Pfund Blut, ohne daß man nach diesem so wunderbaren Abgang einige Wunde an dem Finger sehen konnte. Man konnte aller angewandten anziehenden Mittel ohngeachtet, das Blut nicht stillen. Diese Dame, welche schon zu Brüssel einigemal diesen ausserordentlichen Blutfluß gehabt hatte, kehrte wieder nach Haus, ohne daß sie von ihrer Gelbsucht befreyet wurde, und starb daselbst einige Zeit nachher an der Wassersucht. Henr. Hecr. Observat. 23. Ein Mensch von drey und vierzig Jahren empfände in dem rechten Arm einen grossen Schmerzen. Der Arm war davon ganz ausserordentlich erhitzet, und die Hand war ganz roth. Bald darauf bemerkte er an der Spitze des Zeigfingers eine Geschwulst mit einem schwarzen Punct, als wenn er sich einen Dorn eingestossen hätte, wofür er es auch wirklich hielte, und da er sich deswegen den Finger aufritzte, um ihn heraus zu ziehen, so gieng ein Zug Geblüt heraus, der erst nach einigen Stunden aufhörte. Aber kurz darauf fieng das Blut wieder an zu laufen, und hielte ganzer vier und zwanzig Stunden lang an, bis der Kranke endlich in Ohnmacht fiele. In den zwölf Jahren über, die er nach diesem noch lebte, begegnete ihm dieser Zufall vielfältig, und jedesmal verlohr er ungefähr dabey vier Pfund Geblüt. Wenn man es aufhielte, so empfande er so unleidentliche Schmerzen in dem Arm, die ihm kein Mittel lindern konnte. Je mehr er Wein trank, je häufiger kamen ihm diese Zufälle, und er wurde endlich so sehr davon geschwächet, daß er daran sturbe. Trans. Philos. 1685. p. 989. Eben diese Transactiones berichten einen beynahe ähnlichen Umstand. Ein junger Mensch von vier und zwanzig Jahren hatte von seiner Kindheit an einen Blutfluß an dem Daumen seiner linken Hand, ans welchem das Blut ordentlich alle Monate zur Zeit des Vollmonds, zur rechten Seite des Daumens bey dem Nagel liefe, und zwar ohne daß er am Kopf oder sonst irgend einige Schmerzen spürte. Es gieng dessen insgemein bis auf vier Unzen in unterschiedlichen Zügen, die mit vieler Heftigkeit schossen, heraus. Als dieser junge Mensch das sechzehende Jahr erreichet hatte, verlohr er bey einem halben Pfund Blut, und befand sich dieses Abgangs ungeachtet, beständig wohl auf, und spürte keine Entkräftung. Als er endlich vier und zwanzig Jahr all war, so stieß er, weil ihm entweder diese Zufälle zu verdrüßlich waren, oder weil er sahe, daß das Blut nicht mehr so leicht laufen wollte, ein heises Eisen an seinen Daumen und hemmte dadurch den Lauf des Blutes; es kam ihm dieses aber theuer zu stehen: denn er befand sich seit dieser Zeit niemals mehr wohl auf, sondern bekam vielmehr öfteres Blutauswerfen, heftige Colicken, grosse Schwachheiten, und unterschiedliche andere Krankheiten, die seine Kräften erschöpften. Dieses lehret uns, daß wir die Natur wirken lassen, und wenn sie bisweilen ausserordentliche Mittel gebrauchet, sie nicht stöhren sollen, um Krankheiten zu vertreiben oder solchen vorzukommen. LII. Von einer Frau, welche innerhalb 67. Monaten 66. mal angebohret wurde, und 1920. Pfund Wasser von sich gab. Es ist erstaunlich, was für eine Menge Wasser die Wassersucht bisweilen ausstösset: Der berühmte Mead erzählet eine Begebenheit, welche beweiset, daß der Bauch unter gewissen Umständen eine ganz besondere reichliche Quelle ist. Eine Wittbe von Stand bekame in einem Alter von ein und funfzig Jahren die Wassersucht im Unterleib. Man machte, um ihr zu helfen, einen Versuch mit dem Anbohren; nachdem aber das Wasser gleich anfänglich wieder zum Vorschein kam, so nahm man diese Operation öfters vor: man zog ihr innerhalb der Zeit eines Jahres in jedem Monat bey vierzig Maaß Wasser ab. In dem folgenden Jahr fande sich das Wasser eben so reichlich ein, man zog ihr alle Wochen zwölf Pfund desselben ab: in dem dritten Jahr nahm die Menge des Wassers ab, und es gieng monatlich nicht mehr als ungefähr vier und zwanzig Pfund von ihr: in dem vierten, fünften, und denen sieben ersten Monaten des sechsten Jahres nahm es noch mehr ab: in dreysig Operationen von dieser Art, die man diese ganze Zeit über mit ihr vorgenommen hatte, geinge niemals mehr als sechzehen Pfund von ihr. Die Kranke wurde endlich immer matter und trocknete aus, sie litte an der Brust und starb. Diese Patientin war ungeachtet dieser entsetzlichen Entledigungen, die sich auf neunzehen hundert und zwanzig Pfund beliefen, doch immer lustig und aufgeräumt: sie wollte in ihrer Grabschrift alle besondere Umstände ihres Uebels ausgedrucket haben, und befahl solches in ihrem Testament an. Hier folget die Umschrift um ihr Grab, die ich von Wort zu Wort, wie sie daselbst zu lesen ist, anführen will. Here lies Dame Mary Page, Reliet of sire Gregory Page Baronet. She departed this life marche IV. MDCCXXVIII. In the LVI. year of her age. In LXVII. months she was tapped LXVI. times, Had taken away CCXL. gallens of water Wit hout erer repining at her case; Or ever fearing the operation. Hier liegt die Frau Maria Page, des Meßire Gregorius Page-Baronets Wittbe. Sie starb den 4. Merz A. 1728. in dem 56sten Jahr ihres Alters. Sie wurde innerhalb sieben und sechzig Monaten sechs und sechzigmal angebohret, und gab zwey hundert und vierzig Gallonen Wasser von sich, ausser dem sie niemals über ihren Zustand gemurret noch diese Operation gefürchtet hat. Dieses Beyspiel dienet zu einen Beweiß, daß die Macht der Gewohnheit sehr stark ist. LIII. Ein Wassersüchtiger wird durch einen Brandschaden am Fuß geheilet. Ein Wassersüchtiger, der unter dem Wasser, das sich in seinem Körper gehäufet hatte, beynahe ersticken wollte, schlief einstmalen an der Ecke, wo er sein Feuer hatte, ein: das, was für einen andern ein Unglück würde gewesen seyn, gereichte ihm zu einen heilsamen Zufall. Er brannte sich in den Fuß. Er wurde dadurch nicht sogleich augenblicklich aufgewecket, gerieth aber, da er endlich erwachte, in eine grosse Verwunderung, wie er sich von einem Uebel, das man für unheilbar gehalten hatte, fast gänzlich genesen befande. Der Brand hatte eben diese Wirkung wie das Anbohren, und führte das Wasser ab. LIV. Ein wassersüchtiger Mönch sturbe, weil er zu viel Regenwasser getrunken hatte. Die Wassersüchtigen werden hauptsächlich von einem verzweifelten Durst gequälet: diese schmerzhafte Empfindung treibet sie an, alles zu unternehmen, um sich davon zu befreyen. Ein wassersüchtiger Mönch, den man eingesperret hatte, um ihn dadurch vor allen Gelegenheiten zu trinken desto besser zu bewahren, fande in den Maasregeln, die er ergriefe, um die Aufmerksamkeit derer, die auf ihn Achtung hatten, zu hintergehen, den Tod: er hörte in einer Nacht, da man glaubte, daß er in der Ruhe wäre, regnen, er stunde so gleich auf, und entschlosse sich, ob er sich gleich kaum aufrecht halten konnte, den grausamen Durst, welchen er litte, zu stillen. Er schliche zu einem Fenster des Zimmers, und machte solches auf; er bemerkte nicht gar zu weit von ihm die Röhre einer Traufrinne, aus welcher er gerne würde geschöpfet haben, er konnte sie aber nicht erreichen. Da ihm der Strick an seinem Gürtel zur Erfüllung seiner Absichten geschickt zu seyn schiene, so warf er das eine End davon in den Strom und nahm das andere End in den Mund, daß der Strick auf solche Weise eine Art eines Canals wurde, von welchem eine grosse Menge Wasser herunter liefe. Dieser Geistliche wurde seines besondern Trichters, so lang als der Regen dauerte, nicht müde, und trank so viel Wasser, daß er endlich ohne Sinnen und Empfindung zu Boden fiele. Als man des Morgens in sein Zimmer kam, fand man ihn tod schwach, wie er denn auch wirklich einige Augenblicke nachher verschiede. LV. Ein Bauer, der die Wassersucht hatte, wird durch eine grosse Menge Lauge, die er getrunken hatte, geheilt. Jener junge Bauer war glücklicher. Er bekam die Wassersucht, nachdem er vorhero länger als zehen Monat lang ein viertägiges Fieber ausgestanden hatte. Er litte vornehmlich an einem unerlöschlichen Durst, und seine Anverwandten weigerten sich ebenfals am mehresten, ihm etwas zu geben, solchen zu stillen, weil sie hoften, dadurch seine Genesung zu befördern. Es geschahe, daß dieser Kranke eines Tages einmal sich allein im Hause befande: er ergriefe diese Gelegenheit aufzustehen und Wasser zu suchen, fand aber dessen keines, weil man solches alles sorgfältig weggeräumet hatte; man hatte aber nicht gleiche Sorgfalt in Ansehung eines Schwenkkessels beobachtet, der voll Lauge war, weil man sich niemals vermuthet hatte, daß eine so eckelhafte Sache jemand würde in Versuchung führen können. Allein dieser junge Mensch fand ein Belieben daran, und fieng an davon zu trinken, und zwar so viel, daß er auf dem Fußboden kriechen muste, um sein Bett wieder zu erreichen: seine Mutter, welche einige Zeit darauf nach Hause kam, fand ihn in den erschröcklichsten Aengsten liegend; sie schickte so gleich nach einem Arzt, dieser, weil er ihn tod krank antrafe, wuste kein schicklicheres Mittel anzugeben, als ihm etwas Fleischbrühe mit einem halben Glaß voll guten Wein geben zu lassen. Dieses schlechte Mittel hatte die Wirkung der allerstärksten Purganz. Der Kranke wurde so heftig davon so wohl von oben als von unten angegriffen, daß man, wer solches nicht gesehen hat, Mühe hat sich nur vorstellen zu können, dieses sind die eigenen Ausdrücke des Arztes, von dem ich diese Bemerkung habe. Nach dieser Ausführung schlief der Kranke eine Stunde lang: er nahm darauf eine Herzstärkung zu sich, und halte nach seinem Schlaf einen so starken Schweiß, daß man ihm seine Wäsche innerhalb zwey Stunden sechs und dreyßigmal verwechseln muste; und was das besonderste ist, so gieng, ungeachtet dieses entsetzlichen Schweisses, der Urin zugleich häufig von ihm: der Bauch fiel alsofort ein, das viertägige Fieber verschwand, und der Kranke wurde kurz darauf wieder vollkommen gesund hergestellet. Die Enthaltung alles Getränkes ist nicht das einige, wodurch man die schweresten Arten der Wassersucht vertreiben kann; ein gänzliches Fasten kann eben so wohl dafür helfen. Ein Mädchen, das an der Wassersucht litte, und ihres Schmerzens völlig müde war, faste den Vorsatz Hungers zu sterben: alles was ihre Anverwandten und Freunde von ihr erhalten konnten, war, daß sie täglich ohngefähr eine Unze Brod und einen Löffel voll Wein zu sich nehmen wollte; sie entsagte aber bald ihrem betrübten Entschluß: die ausserordentliche Diät, die sie beobachtete, machte sie nach Verlauf eines Monats gesund. LVI. Ein Kind, welches man im Mutterleibe schreyen hörte. Jedermann weis die physikalische Ursache, warum ein Kind im Mutterleibe gezwungen ist, das Stillschweigen zu beobachten; allein die Natur pfleget, wie wir schon öfters angemerket haben, sich ein Vergnügen daraus zu machen, uns zu verwirren, und machet es uns bisweilen schlechterdings unmöglich von den besondern Begebenheiten, die sie bewirket, einigen Grund angeben zu können. Eine Frau, Namens Maria Margaretha Daniel, die mit dem Renat Rondeau, einem Zeugmacher in dem Dorf de Plesse in der Markgrafschaft de Blin, verheurathet war, hörte A. 1686. da sie schwanger war, und das Kind sich in ihr zu bewegen anfienge, an dem Lichtmeßtag das erstemal ein dreymaliges Geschrey aus ihrem Bauch, und seit dieser Zeit machte ihr Kind eben dieses Geschrey alle Tage drey oder viermal, und zwar jedesmal vier oder fünfmal, bisweilen auch acht oder neunmal ganz deutlich wie ein neugebohrnes Kind; es schrie bisweilen mit solcher Heftigkeit, daß man den Magen der Mutter sich aufblasen sahe, als wenn sie hätte ersticken sollen. Der Herr dü Breüil Givron, der diesen Umstand dem Herrn Abt de la Rogue, dem Verfasser des Pariser Tagebuchs, berichtet hat, saget, daß er selbst ein Zeuge davon gewesen seye, und die Stimme dieses Kindes unterschiedlichmalen gehöret habe. Repub. des Lettres. 1686. August. tom. VII. p. 947. Ob diese Begebenheit gleich ausserordentlich genug ist, so lieset man doch mehrere dergleichen Beyspiele, die in einem Buch angeführet werden, welches den Titel: Medicina Septentrionalis Collatitia führet, p. 126. LVII. Ein Kranker, der von einem Wechselfieber durch ein Glas voll Urin, den er getrunken hatte, genasse. Es haben öfters einige Kranke die widrigsten Dinge mit gutem Erfolg eingenommen; so hat zum Exempel der Urin mehrmals die schweresten Krankheiten curiret. Ehe noch die Fieberrinde zur Vertreibung der Wechselfieber aufkame, sagt ein gewisser Arzt, ließ sich einer meiner Anverwandten, der an dem viertägigen Fieber krank lag, und dem ich schon unterschiedliche Mittel verordnet hatte, ohne daß er einige Hülfe erlangte, in Sinn kommen, bey dem Anfang des Anfalls ein Glaß voll Urin zu nehmem, welches ein starkes Erbrechen und Stuhlgang bey ihm erregte, und ihn gesund machte. Wenn der Urin diesem Kranken nur durch die Abführung geholfen hat, so ist diese Beobachtung von keiner besondern Erheblichkeit, hat er aber diese Wirkung vermög einer in sich führenden Eigenschaft wider das Fieber verursachet, so kann man nicht laugnen, daß die Wirkungen der Mittel, nachdem sie in diese oder jene Theile gehen, von sehr verschiedener Art sind: Denn warum vertrieb dieser Urin das Fieber von der Blase aus, wo er sich so lang als in dem Magen aufhielte, nicht eben so leicht? LVIII. Von einem jungen Menschen, dem ein dreytägiges Fieber den Gebrauch der Sprache dergestalt benahme, daß er täglich nur eine Stunde lang reden konnte. Dieser junge Mensch, den das dreytägige Fieber in seinem vierzehenden Jahr stumm machte, war von Wittemberg; er konnte seit dieser Zeit des Tages über nur eine Stunde lang reden, und zwar gerad von zwölf Uhr zu Mittag an bis um ein Uhr. Man glaubte anfänglich, es mögte etwas Bosheit hinter seinem Umstand verstecket seyn, und züchtigte ihn deswegen einigemal mit Schlägen; man sahe aber nachgehends wohl, daß es etwas mehrers als ein blosser Eigensinn bey ihm war. Seine Zunge war wie eine Art einer Feder, die nicht eher als nach dem Verlauf von vier und zwanzig Stunden losgienge. Es half nichts daß man die Uhren zurückstellte oder fortrichtete, um zu sehen, ob ihm der Schall von zwölf Schlägen die Zunge lösen würde, er richtete sich gar nicht im geringsten darnach; sondern er fieng entweder eher oder später als die Uhr Zwölfe schlug an zu reden, nachdem man solche zurück gestellet, oder fortgerichtet hatte. Er redete, wenn er sich auf dem Land befande, und aus dem Schall der Glocken nicht wissen konnte, welche Zeit es war, zu seiner gewöhnlichen Stunde, so daß man ihn sicher für den wahrhaftigen Mittag halten konnte. Man that alles was man konnte ihm zu helfen, es waren aber alle angewandte Bemühungen und Mittel vergebens. Miscell. curiosa Rep. des Lett. Octobr. 1685 tom 5. pag. 1091. LIX. Eine gänzliche Verstopfung des Harns, die von Steinen in dem Herzen und unter der Zunge verursachet wurde. Wie schwer ist es bisweilen, die Ursache, den Sitz und den Ursprung einer Krankheit zu erkennen, die man vertreiben will! Welcher Arzt würde sich in dem Fall, welchen Hollier in seinen Anmerkungen über das funfzigste Capitel des ersten Buchs seiner Praxis anführet, nicht betrogen haben. Er saget, daß er eine Frau, die gestorben war, und vorhero vier ganzer Monat lang, wenn sie den Urin gelassen, unerträgliche Schmerzen gelitten, alsdenn mit dem Urin zugleich eine grosse Menge Eiter von sich gegeben hatte, habe öfnen lassen; daß er die Nieren, die Blase und die andern Theile der Urin-Gänge, so wie im übrigen den ganzen Körper, gesund befunden habe, bis auf das Herz, in welchem sich zwey kleine Steine, und unterschiedliche kleine Geschwüre befanden, von welchen allem Vermuthen nach der Eiter, der mit dem Urin gienge, herkame. Wir haben in dem medicinischen Tagebuch im Jahr 1760. einen diesem sehr ähnlichen und eben so erstaunlichen Umstand gelesen; Herr Dumonchau verordneter Medicus über die Feld-Spitäler zu Douai, der diesen Umstand berichtet, sagt, daß eine Bauersfrau, welche länger als sechs Monat an einer Verstopfung des Urins litte, und den tödlichen Wirkungen dieser Krankheit nicht anderst als vermittelst eines Durchfalles entgienge, der sie aber auszehrte, einstmalen spürte, daß sich unter ihrer Zunge eine Geschwulst ansezte, und daß, nachdem dieses Uebel so sehr über Hand nahme, daß man befürchten muste, sie mögte daran ersticken, sich diese Geschwulst öfnete, und einen Stein, einen wirklichen calculum heraus triebe; so bald dieser besondere Körper heraus war, so kam der Urin wieder in seiner gewöhnlichen Farb zum Vorschein, der Durchfall liese nach, und die Kranke erhielte wiederum ihre Gesundheit. LX. Eine Verstopfung des Urins verursachte eine Schlafsucht. Das Gehirn leidet oft die Strafe der Uebel, mit welchen die Blase behaftet ist. Ein Soldat litte an einer Verstopfung des Urins, die Blase war völlig angefüllet, und gieng doch nichts weg. Der Kranke fiel in eine Schlafsucht, und blieb fast drey Stunden lang ohne Empfindung und Bewegung; nach diesem erwachte er ganz ruhig, und genoß diese Ruhe drey bis vier Stunden lang: auf diese Stille folgte wieder die Schlafsucht; und nachdem man der Blase vermittelst der Sonde Luft gemachet hatte, so hörte diese Abwechslung der Schlafsucht und der Gesundheit auf. Mithin litte dieses Gehirn blos durch die Sympathie, denn wenn der Trieb des Urins in dieses Werkzeug der Empfindung gewirket hätte, so hätte die Schlafsucht mit diesen ruhigen Augenblicken nicht unterbrochen seyn können, sondern selbige müste beständig fortgedauert haben. LXI. Ein Abgang des Blutes, der zu gleicher Zeit bey den Blutigeln, und einer Baronneßin, welcher man solche an den Hintern angeleget hatte, erfolget war. Das Wort Sympathie ist uns Aerzten eben das, was den Newtonianern die Attraction ist. Es zeiget einen unbekannten Umstand an, den es aber nicht erkläret. Und wie wollte man die sympathetischen Wirkungen erklären, die ich erzählen werde? Die Frau Baronneßin von Rois – – litte vor drey Jahren ganz ausserordentlich an Hämmorrhoidal-Umständen. Sie entschlosse sich, sich Blutigel ansetzen zu lassen, welche ihr die gewünschte Beruhigung verschaften, so daß die Schmerzen nachliesen. Man behielte die Blutigel in einer schönen cristallenen Flasche auf; man gab ihnen alle Tage frisches Wasser, anfänglich färbten sie das Wasser, wie ganz natürlich, weil sie sich reinigen musten; endlich aber, da man das Wasser oft genug verändert hatte, beschmutzten sie es nicht mehr. Die Frau von R – – – bekam zwischen dieser Zeit ihre monatliche Reinigung; dieser Umstand hindert nicht, den Blutigeln, die man aufbehalten will, frisches Wasser zu geben: folglich that sie es auch, bemerkte aber dabey, daß dieses Wasser mit Blutge färbet war; sie verwunderte sich darüber; des andern Morgens war das neue Wasser wieder roth, und so fort alle Tage, so lang bis ihre Zeit vorbey war. Man kann sich die Verwunderung leicht vorstellen, die eine solche Wahrnehmung verursachet. Man goß wieder frisches Wasser in die Flasche, welches alle Tage fort rein und hell bliebe. Ohngefähr einen Monat nachher bekam sie ihre Zeit wieder, man lief zu den Blutigeln, und fande daß sie solches gleichfals ahndeten: mit einem Wort, bis jetzo da ich dieses schreibe (im Monat Julius 1761.) hat man diese Bemerkung dreymal wiederholet. Zwey Aerzte, und ein Chirurgus, die ich, wenn man es verlangte, nennen wollte, werden die Wahrheit dieser Sache bezeugen. Man schreye nunmehro noch ferner wider den Ritter Digby und sein sympathetisches Pulver! Wie vieles wäre von diesen Blutigeln zu sagen! LXII. Periodische und sympathetische Blattern an dem Finger. Folgender Umstand, der von dem Herrn Hoin, geschwohrnen Wundarzt zu Dijon 1 ist, kann füglich zu einen Anhang der vorhergehenden Bemerkung dienen. »Im Anfang des Monats Novembers A. 1726. geschahe es, daß ein junger Mensch, der sich mit einer Stecknadel in den Zeigfinger der linken Hand bey der Nagelwurzel leicht gestochen hatte, diesen Finger aus Muthwillen in die Scham eines Mädchens steckte, bey der man keine venerische Krankheit argwohnte, und die auch jederzeit behauptet hat, daß sie zu keiner Zeit damit wäre angestecket gewesen. Sie hatte aber an diesem Tag ihre monatliche Zeit zu erwarten, die sich auch des andern Tages wirklich einstellte. Der junge Mensch bekam an eben diesem Tag an diesem Finger eine kleine Blattern einer Erbsen groß, an dem Ort, wo er sich gestochen hatte; sie gieng vier Tage lang in die Schwürung und vertrocknete wieder von sich selbst. In dem folgenden Monat zeigte sich diese Blatter wiederum und verschwande wieder auf die vorige Art; welches richtig alle Monate zu der Zeit, da das Mädchen ihre Reinigung hatte, erfolgte. Die Blattern kam aber nicht allezeit an dem Ort zum Vorschein, wo sich der junge Mensch gestochen hatte, sondern bisweilen zwey oder drey Linien weit davon weg, aber allezeit auf dem Rücken des zweyten oder dritten Gliedes dieses Fingers. Im Anfang des Monats May A. 1728. wurde mein Vater ersuchet, diese Geschwulst zu heilen. Er ließ sie mit dem Diachylon-Pflaster und dem alten Theriac zum schwären bringen. Das Uebel hatte zwar diesen Mitteln nachgeben müssen, kam aber ein Monat nachher, dieser Operation ungeachtet, wieder. Darauf gebrauchte mein Vater die anziehenden Mittel, die eine starke Schwürung erregen, er brannte darauf einige Tage lang alle Morgen den Grund der Blattern der nur die Oberfläche der Haut angriefe, mit dem Höllenstein, und Abends legte er über den verletzten Theil ein wenig Mercurial-Salben, und ein einzigesmal ließ er dem Kranken zu Ader und purgierte ihn auch einmal. In dem folgenden Monat kam die Blatter nicht mehr wieder, und seit dieser Zeit an war der junge Mansch von dieser Beschwerlichkeit befreyet, ohne daß ihm irgend ein anderer verdrüßlicher Zufall weder in den innern noch äusseren Theilen weiters zustiesse. Er genoß noch A. 1734. einer vollkommenen Gesundheit.« Welche besondere Wirkung der Gährung der monatlichen Reinigung! Sollte man nicht aller Wahrscheinlichkeit nach geglaubet haben, daß diese Blatter nicht eher, als mit der monatlichen Reinigung dieses Mädchens vergehen würde? Fußnoten 1 Journal de Medec. tom. 3. p. 15. LXIII. Von Liebestränken. Ein Arzt versichert, daß er einem jungen Menschen geholfen habe, welcher, nachdem er um vier Uhr nachmittag die Helfte einer Citrone gegessen hatte, die er von einer Frau bekommen hatte, alle Tage in dieser Stunde eine heftige Liebe empfande, die ihn antriebe allenthalben herum zu laufen, um sie anzutreffen und zu besuchen. Diese Art der Wuth dauerte eine Stunde lang, und weil er seinen Trieb wegen der Abwesenheit dieser Frau nicht befriedigen konnte, so vermehrte sich sein Uebel von Tag zu Tag, und versetzte ihn in den jämmerlichsten Zustand. Giebt es denn also Liebestränke, wenn diese Begebenheit richtig erwiesen ist? Man kennet also solche Arzneymittel, welche jemand eine Liebe gegen die Person, die ihm solche beygebracht hat, einflössen. Aber was kann man wohl für ein Verhältniß zwischen einer solchen Person und einem solchen Liebestrank finden? Ist dann die Liebe eine solche Empfindung, der man sich solchergestalt bemeistern kann, daß man sie nach seinem Wunsch in dem Herzen einer Person, die man sich unterwürfig machen will, erregen kann? Ueberhaupts kann man alles das, was erhitzet, für einen Liebestrank halten, weil dadurch eine Begierde nach einer Weibsperson erreget wird, und indem man dem Fortgang und Zunehmen seiner Wünsche stark nachhänget, man dadurch zu dem Verlangen seine Wünsche zu befriedigen, und leichte Mittel dazu zu verschaffen, immer mehr und mehr gereizet wird. Agrippa, dieser übertriebene Tadler der Künste und Wissenschaften, behauptet; »daß keine Kunst noch Wissenschaft die Unzucht und Schwelgerey mehr befördere als die Arzneykunst, sie bietet, seiner Meynung nach, aus ihrem reichen Vorrathshaus Mittel an die Hand, eine Geliebte zur äussersten Gunstbezeigung zum Genuß der Liebe zu bewegen, sie weis den gemachten Riß zu verbessern, und das äusserliche Ansehen der Jungferschaft wieder herzustellen; sie kann das Aufschwellen der Brüste vertreiben, der Wassersucht der Fruchtbarkeit vorkommen, den Lauf der Schwängerung verhindern etc.« aber alle diese schönen Kenntnissen können den Aerzten wohl nicht im Ernst zugeschrieben werden. Sie mögen so geschickt seyn als sie wollen, so wissen sie nichts, was eine Person, die nichts reizendes an sich hat, liebenswürdig machen könnte. Viel Annehmlichkeit, ein wenig Schönheit, hauptsächlich dieses schmachtende Feuer, welches zwey schöne Augen so sehr beleben kann, und vieleicht auch ein wenig von dieser eindringenden Art der auf Eroberungen ausgehenden Schönen, dieses sind die unfehlbarsten Liebestränke, und die mächtigsten Reizungen. Die Liebe, die man in seinem Herzen träget, ist ebenfals kein geringes Mittel, Gegenliebe in dem Herzen zu erregen, das man zu erobern suchet. Welcher Liebestrank steckt nicht in den schmeichelnden Versen, welche die verliebte Sappho an den Phaon verfertigte, dessen Gegenliebe sie zu erhalten suchte? Wo findet man wohl eine einnehmendere Bezauberung als die Briefe der Heloise an ihren Geliebten? Mit welcher Kunst unterhält sie eine Liebe, deren Laulichkeit sie befürchtete? Wie sinnreich suchet sie das Herz des Abailards, des verstümmelten Abailards, und was das schwereste dabey ist, in der Hitze einer Leidenschaft zu erhalten, welche für ihn nichts als eine Quelle unnützer Seufzer ist? »Sie schreibt ihm, daß ihr das Angedenken des Vergnügens, welches sie in seinen Armen genossen, noch immer schätzbar seye; sie meldet ihm, daß ihr, aller angewandten Bemühungen ungeachtet, ein angenehmer Begrif nachfolge; daß alle Gegenstände ihren Augen das Bild ihres Geliebten abmahlen; daß sie während der Stille der Nacht, da ihr Herz ruhig seyn sollte, mitten in dem tiefesten Schlaf, welcher sonst die Sorgen und Unruhen vertreibet, den Blendwerken ihres Herzens nicht entweichen könne, und daß sie auch an die heiligsten Orte, selbst bis zu den Altären ein strafbares Andenken ihrer verliebten Vergnügungen mit sich bringe; daß dieses ihre einzige Beschäftigung seye, und daß sie gar nicht im geringsten beseufze, daß sie sich habe verführen lassen, sondern vielmehr bedaure, daß sie dieses Vergnügen verlohren habe; sie versichert ihn endlich, daß es ihr unmöglich seye, sich so viele Gewalt anzuthun, dasjenige Vergnügen zu vergessen, welches sich durch eine süsse Gewohnheit ihres Gemüthes gänzlich bemeistert hätte.« Diejenigen, welche eine Kenntniß von der lateinischen Sprache besitzen, in welcher sie schriebe, werden ein Vergnügen haben, von ihr selbst die Beschreibung derer Wollüste zu hören, mit denen sie sich in der traurigen Leere der wirklichen Vergnügungen im Geist weidete. Ich will deswegen in der Anmerkung den Theil von ihr einrucken, welchen ich oben erkläret habe: er dienet zu einem Beweiß, daß zärtliche Schilderungen, umständliche wollüstige Beschreibungen, schmäuchelhafte Vorstellungen, und geile Gemählde weit stärker als alle Nachgebuhrten der Pferde zur Liebe reizen können. 1 Fußnoten 1 Tantum vero illae quas pariter exercuimus amantium voluptates, dulces mihi fuerunt, ut nec displicere mihi, nec vix a memoria labi possint: quocumque loco me vertam, semper se oculis meis cum suis se ingerunt desideriis. Nec etiam dormienti suis illusionibus parcunt. Inter ipsa missarum solemnia, ubi purior debet esse oratio, obscœna earum voluptatum phantasmata, ita sibi penitus miserrimam captivant anim, ut turpitudinibus illis, magis quam orationi vacem: quae cum ingemiscere debeam de commissis, suspiro potius de ammissis; nec solum quae egimns, sed loca pariter et tempora in quibus haec egimus, ita tecum, in nostro infixa sunt animo, ut in ipsis omnia tecum agam, nec dormiens etiam ab his quiescam; nonnunquam et ipso motu corporis, animi mei cogitationes deprehenduntur, nec a verbis imperant improvisis – – – – LXIV. Besondere Antipathien, und zwar besonders diejenige, welche ein junger Student der Arzneykunst wider den Wermuth hatte. So besondere Sympathien es giebt, eben so ausserordentliche Antipathien kann man selbigen entgegen setzen! Ich habe einen schottländischen Obrist-Lieutenant gekannt, der keinen Frosch sehen noch quaxen hören konnte, ohne daß es ihm übel wurde; es giebt viele Personen, denen es, wenn sich eine Katz gegenwärtig befindet, eben so zu Muth wird; einigen thut der Geruch ja wohl gar schon der Anblick eines Käses Schaden. Begebenheiten dieser Art giebt es ohne Zahl: ich will eine dergleichen anführen, welche den Chymisten gefallen wird. Es befande sich vor einiger Zeit unter der grossen Menge junger Leute, die zu Leyden die Arzneykunst studieren, einer, der die stärkste Antipathie wider den Wermuth hatte. Er hätte nicht so viel als ein Stecknadel Kopf ausmachet, davon zu sich nehmen können, ohne das heftigste Erbrechen auszustehen. Man mochte ihn unter einer Zubereitung verbergen, ihn vermischen, oder verändern wie man wollte, sein Magen wuste ihn allezeit zu bemerken, und das Erbrechen stellte sich augenblicklich ein. Ein Chymist, den die Lehre seiner Mitbrüder von der Gleichförmigkeit der Salium Alcalium fixorum, vegetabilium, nicht befriedigen wollte, fand in der besondern Neigung dieses jungen Menschens ein Mittel eine Gewisheit zu erlangen, was an dieser Meynung wahr seye. Er nahm einstmalen viel Wermuth, ließ solchen trocken werden, machte Feuer darunter an, verbrannte ihn zu Aschen, wusche hernach diese Asche, und zog das Sal fixum davon über, welches fast die mehresten Pflanzen, wenn sie auf solche Art tractiret werden, in grösserer oder geringerer Menge von sich geben. Er reinigte dieses Salz und ließ es calciniren, um ihm mit Hülfe des Wassers und des Feuers, alles was es von fremden Theilen noch an sich haben konnte, zu benehmen: worauf er dem jungen Mediciner eine gewisse Menge von diesem also zubereiteten Salz einnehmen liese, ohne daß er etwas davon wuste. Er empfande gleich einige Zeit, nachdem er es eingenommen hatte, Aengsten und einen Trieb zum Erbrechen, der ihm zu erkennen gab, daß man ihm Wermuth eingegeben hatte. Enthielte dann dieses gewaschene, gereinigte, und calcinirte Salz noch etwas von dem Wermuth in sich, von dem es herkame? Hatte es denn also gewisse Eigenschaften, welche andere Salze, die aus andern Pflanzen übergezogen werden, nicht an sich haben? Sind denn folglich die festen Salze nicht alle ihrem Wesen nach ein ander so vollkommen gleich, daß sie durch keines der geringsten Stückgen einer fremden Materie voneinander unterschieden wären? LXV. Antipathie wider das Brod. Fabricius Hildanus hat einen Gasconier von fünf bis sechs Jahren gekannt, der seit einer langwürigen Krankheit, die er ausgestanden hatte, einen so starken Abscheu für dem Brod bekommen hatte, daß er keines sehen, und auch nicht einmal davon reden konnte hören, ohne in Ohnmacht zu fallen. Da ich ihn sahe, sagt dieser Schriftsteller, so war er dieser besondern Antipathie schon drey Jahr lang unterworfen, und ich weis nicht, wie es in der Folge mit ihm ergangen ist. Centur. 2. Observ. 41. LXVI. Eine andere Antipathie einer Frau, die allezeit, so oft sie ihren Mann sahe, in Ohnmacht fiele. Der vortrefliche Ausleger des berühmten Boerhave erzählet einen Umstand, welcher vieleicht so gar ungewöhnlich nicht zu seyn scheinet, gleichwohl aber von einer sehr besondern Art ist. Er sagt, daß ein Mädchen, welches wider ihren Willen mit einem Menschen, den sie nicht liebte, war verheurathet worden, so oft als sie ihren Mann sahe, in Ohnmacht fiele, und daß sie ihren Haß gegen ihn so weit triebe, daß sie in der Kirche jedesmal krank wurde, wenn sie etwas von der Liebe hörte, welche die Christen gegen ihren Erlöser haben sollen, weil sie sich alsdann vermuthlich der Liebe erinnerte, die sie gegen ihren Mann haben sollte. LXVII. Einige andere besondere Antipathien wider gewisse Speisen. Heer hat eine Frau gekannt, bey der die Fleischbrühe eine wirkliche Purganz war; sie brach einstmalen das Bein, und wenn sie während ihrer Cur etwas gebrauchen wollte, um den Unterleib auszuführen, so pflegte sie nur an eine Fleischbrühe zu riechen, welches sie ganz allein hinlänglich purgierte. Eben dieser Verfasser redet auch von einem Domherrn, welcher niemals weder Fleisch noch Fische gegessen hatte, und weder eines noch das andere vertragen konnte, und sich blos von Brühen wie die Kinder nährte. Er redet auch von einem sehr fleißigen Priester, der von seiner Jugend auf nur alle vier und zwanzig Tage einmal einen Stuhlgang gehabt hatte, und sich dem ohngeachtet vollkommen wohl auf befande. Ein junger Deutscher, sagt Scholzius ( Eph. d'Allemagne, ann. 2. Obs. 11.) mit dem ich studirte, asse frische und gekochte Eyer und Aepfel ohne den geringsten Widerwillen, er nahm sie ohne Angst in die Hand, und konnte sie auftragen sehen; es war ihm aber nicht möglich andere damit umgehen zu sehen, ohne in Ohnmacht zu fallen. – – – Ich habe selbst zu Elbingen einen guten Freund gehabt, der kein Spanferkel mit dem Kopf und Füssen konnte braten sehen, und noch weniger davon essen, ohne daß er in Ohnmacht fiele, so bald man aber diese Theile weggethan hatte, so aß er ohne Widerwillen davon. Herr Boyle hat eine Person vom Stand gekannt, welcher das Honig so zuwider war, daß es sie beynahe so sehr als der Gift beschwerte. LXVIII. Besondere Antipathie eines Vaters gegen seinen einigen Sohn, den er hatte. Wir haben von einigen besondern Antipathien geredet: aber ich glaube nicht, daß man jemals deren eine wundersamere gesehen hat, als jene ist, von welcher Libavius ( lib. 2. singul. p. 116.) redet, da er eines Menschen erwähnet, der die Gegenwart seines einigen Sohnes von seiner Geburt an auf keine Art leiden konnte. Er fiel in Ohnmacht, so bald er nur in das Zimmer kam, wo sich dieser sein Sohn befande. Man merkte wohl, daß er sich öfters alle Mühe gabe, diese so unnatürliche Abneigung zu überwinden; aber er konnte sie niemals gänzlich bezwingen. Man war also gezwungen, dieses unglückliche Kind zu entfernen. Man ließ es eines Tages ohne Wissen des Vaters holen, der solches auch nicht mehr kannte. Sein Abscheu zeigte ihm solches aber, unter zehen jungen Leuten heraus an, in deren Gesellschaft man es gethan hatte; er wurde augenblicklich krank, und schrie, daß sein Sohn gegenwärtig wäre. LXIX. Von einer Frau, welche allezeit aus dem, wenn ihre Zähne wacklend wurden oder ausfielen, das Leben oder den Tod ihrer Kinder richtig vorher sagen konnte. Man hat öfters bemerket, daß die Anzahl der Zähne, die gewissen Weibern fehlen, anzeigen, wie viel Kinder sie getragen haben; ich kenne gegenwärtig, da ich dieses schreibe, selbst eine, die sich in diesem Umstand befindet, aber daß eine Frau aus Leipzig, von welcher Bonnet redet, bey der Geburt dreyer ihrer Kinder jedesmal einen neuen Zahn bekame, der wenn er wacklend wurde oder ihr ausfiele, ihr das Leben oder den Tod derselben richtig vorher anzeigte, das ist einer der besondersten Zufälle. Was für ein geheimer Zusammenhang! wir wollen es nicht wagen eine solche Begebenheit zu erklären, diese Materie muß in die Vorrathskammer der geheimen Physik der Alten gebracht werden. LXX. Von einem Kind, welches vor Erstaunen sturbe, weil es einige Kanonenschüsse gehöret hatte. Kinder sind eines heftigen Erstaunens weit fähiger als erwachsene Personen; wie solches der Zufall, welcher demjenigen Kind begegnete, von welchem Zacutus redet, deutlich zeiget. Es badete sich selbiges in dem Meer; und indem gieng ein Schif aus dem Haven, und lösete beym Absegeln einige Kanonen: das Kind, welches sich nichts vermuthete, gerieth von diesem Getöß das es hörte, in ein solches Erstaunen und Verwirrung, daß es auf der Stelle davon sinnlos niederfiele, und sich an dem Ufer, wie ein Mensch der die schwere Krankheit hat, herum welzete und schluge, so daß es ehe eine Viertelstunde vergienge, des Todes war. LXXI. Wundersame Geschichte eines Nachtwanderers. Man erwartet, wie ich glaube, noch immer eine zuverläßige deutliche Erklärung der Ursache, wie es kommt, daß gewisse Leute schlafend, alle mögliche Handlungen des Lebens, auch nicht einmal das Kinder-Zeugen ausgenommen, vornehmen. Die Art, deren man sich bedienet, diese wundersame Krankheit zu vertreiben, wird vieleicht mit der Zeit einiges Licht in dieser Sache geben können. Folgende Geschichte, die aus des Vigneul Marville Melanges d'histoires et de litteratures genommen ist, wo solche angeführet wird, ist ausserordentlich wundersam. Es hatte wich einer meiner Freunde eingeladen, die Feyertäge mit ihm in einem schönen Haus zuzubringen, welches er in der Gegend bey Brie hatte, die man vor diesem das Paradies der Partheygänger nennete; ich fande daselbst eine schöne Gesellschaft, und unterschiedliche Leute vom Stand; unter andern traf ich auch einen italienischen Edelmann, welcher sich den Herrn Agostino Forati nennete, an, der ein Nachtwandererer war; das ist, der im Schlaf die gewöhnlichen Handlungen des Lebens, die man wachend zu thun pfleget, vornahme. Dieser Mensch schiene nicht älter als dreysig Jahre zu seyn; er war mager, schwärzlich, und sehr melancolisch, aber von einem durchdringenden Verstand, und in den tiefsinnigsten Wissenschaften geschickt. Die Anfälle seiner Verwirrung überfielen ihn mehrestentheils im Abnehmen des Monds, jedoch im Herbst und Winter mit mehrerer Heftigkeit als im Frühling und Sommer. Ich hatte eine unruhige Neubegierde etwas von dem zu sehen, was man von ihm erzählte; und hatte es mit seinem Kammerdiener, der mir Wunderdinge von ihm erzählte, abgeleget, daß er mir Nachricht geben sollte, wenn er dieses lustige Haushalten führen würde. Man setzte sich an einem Abend zu Ende des Octobris nach Tisch zu verschiedenen Spielen; der Herr Agostino spielte wie die andern; gieng darauf weg und legte sich schlaffen: gegen eilf Uhr kam der Kammerdiener und meldete uns, daß sein Herr in dieser Nacht auf seine Wanderschaft gehen würde, und daß wir kommen, und ihn sehen und beobachten sollten. Ich sahe ihn lang mit dem Licht in der Hand an. Er lag auf dem Rucken, und schlief mit offenen Augen, die aber starr und ohne Bewegung waren, welches wie man sagte, ein sicheres Kennzeichen seines Anfalls ware. Ich begriffe seine Hände, die sehr kalt waren, und der Puls gieng so langsam, daß sein Blut kaum zu circuliren schiene. Wir spielten inzwischen im Bretspiel, und erwarteten die Eröfnung dieses Schauspiels. Ohngefähr um Mitternacht zog der Herr Agostino die Vorhänge von seinem Bett plötzlich weg, stund auf und kleidete sich sehr nett an. Ich näherte mich ihm, und fand, da ich ihm den Hut unter die Nase gestossen hatte, daß er mit offenen Augen unempfindlich und unbeweglich war. Er nahm, ehe er seinen Hut aufsetzte, seine Degenkuppel, aus welcher man aus Furcht eines widrigen Zufalls den Degen weggenommen hatte; dann die Herren Nachtwanderer stossen bisweilen wie die Unsinnigen rechts und links um sich. In diesem Anzug gieng der Herr Agostino einigemal in dem Zimmer auf und nieder, näherte sich dem Feuer und setzte sich in einen Lehnsessel, gleich darauf gieng er in ein Cabinett wo sein Felleisen war, suchte in selbigem lange Zeit herum, warf alles untereinander, und nachdem er endlich alles wieder ordentlich an Ort und Stelle geleget hatte, schloß er sein Felleisen wieder zu, steckte den Schlüssel in seine Tasche, und zog einen Brief aus selbiger heraus, den er an das Eck des Camins legte; darauf begab er sich zur Thür, machte solche auf, und gieng die Treppe hinunter. Als er ganz unten war, und einer von uns etwas stark fiele, schien der Herr Agostino darüber zu erschrecken, und verdoppelte seine Schritte. Sein Kammerdiener erinnerte uns, daß wir etwas leiß gehen und nichts reden mögten, weil er öfters rasend würde, wenn sich das in der Nähe um ihn befindliche Geräusch mit seinen Träumen vermischte, und er alsdann bisweilen aus allen Leibeskräften anfienge zu laufen, als wenn man ihn verfolgete. Er marschirte den ganzen Hof durch, der sehr groß war, und gieng gerad auf den Stall zu, gieng hinein, streichelte sein Pferd, zäumte es an, und wollte es satteln; da er aber den Sattel nicht an seinem gewöhnlichen Ort fande, schien er ganz unruhig, und wie ein Mensch, der sich in seiner Rechnung betrogen findet, zu seyn. Er setzte sich zu Pferd, sprengte in vollen Lauf bis an die Hausthür, da er solche versperret fande, stieg er ab, nahm einen Stein und schlug zu wiederholtenmal an die Thorflügel. Nachdem er sich einigemal vergebens bemühet hatte das Thor zu eröfnen, stieg er wieder zu Pferd, ritte an den Tranktrog, der in dem andern Ende des Hofes war, und ließ es sauffen, bande das Pferd an eine Säule, und gieng wieder ruhig in sein Quartier. Bey einem Geräusch, welches die Bedienten in der Küche machten, wurde er sehr aufmerksam, näherte sich der Thür, und horchte mit dem Ohr an dem Schlüsselloch; darauf begab er sich eiligst auf die andere Seite; gieng in einen Saal, wo ein Billard stunde, gieng um solchen einigemal herum und machte alle Bewegungen eines Spielers; von da gieng er weg, that etliche Griffe auf einem Klavizimbel, das er sehr geschickt spielte, und machte einige Zeit lang ein unordentliches Geklemper darauf. Endlich, nachdem er zwey ganze Stunden lang allerhand Beschäftigungen vorgenommen hatte, gieng er wieder in sein Zimmer und legte sich ganz angekleidet zu Bett, in welchen wir ihn des folgenden Morgens um neun Uhr vormittags, noch in eben dieser Stellung antrafen, wie wir ihn verlassen hatten; dann er schlief allezeu acht bis zehen Stunden nach einander fort, wann er seinen Anfall bekame. Sein Kammerdiener sagte uns, daß man seine Anfälle nur durch zweyerley Mittel endigen könne; da man ihm entweder leiß an der Fussohlen kützeln, oder mit einem Waldhorn oder Trompette vor seinen Ohren blasen müste. Mel. d'hist. et de litt. par Vigneul Marville, tom. 2. p. 261. LXXII. Von der Palingenesie oder der Wiederentstehung der Pflanzen aus ihrer Asche. Das grosse Werk ist nicht der einzige Gegenstand, welcher die Forscher des Laufes der Natur in Versuchung geführet hat. Die Verwandlung der Metalle hat die Chymisten nicht jederzeit so stark beschäftiget, und sie haben sich nicht immer der Untersuchung der Mittel sich zu bereichern so gar sehr ergeben, daß sie nicht auch bisweilen ihrem Vergnügen etwas sollten aufgeopfert haben: gleichwohl thaten sie auch in den Stunden ihrer Zerstreuung nichts andersts als daß sie die Natur quälten, in Zwang setzten, und meisterten. Sie konnten die Gerechtsame ihrer Kunst nicht weiter treiben, als daß sie einen durch das Feuer zernichteten Körper wieder beleben, z.E. eine trockene, tode, verbrannte, und zu Aschen gemachte Pflanze, wieder in ihren vorigen Stand herstellen wollten. Dieses nennen sie die Palingenesie; aber giebt es wohl wirklich eine solche Palingenesie? Ist es möglich, wenn man die Bande, welche einen Körper zusammenhalten, durch die Ausglühung zernichtet, wenn man sie zu Aschen gemacht hat, ist es möglich, sage ich, solche wiederum mitten aus ihrer Asche auflebend, und hervorwachsend zu machen? sie in ihrer Gestalt wieder zum Vorschein zu bringen? Wie, man soll im Stand seyn, eine Rose, eine so gebrechliche und zarte Blume von einer so feinen Farbe, die man den Martern eines heftig brennenden Feuers unterworfen, deren Gewebe man zerstöhret hat, indem man ihre Ueberbleibsel sammelt, und solche auf eine gewisse Art zubereitet, wieder hervorzubringen, oder welches eben so viel ist, diese Rose wieder nach seinem Belieben erscheinen lassen, und ihr eine Art der Unsterblichkeit ertheilen zu können? Allerdings antwortet der Ritter Digby, ja antworten Paracelsus, Davison, Monconis, la Brosse, Quercetan, Hannemann und hundert andere Chymisten, dieses ist möglich und vielmal geschehen. Der P. Kircher hat in seinem Cabinet zu Rom zehen Jahr lang eine Flasche mit einem langen Hals, wie ein Pullen-Glas, die auf chimische Art zugebunden und verwahret war, aufbehalten, in welcher die Asche einer Pflanze befindlich war, welche er in Gegenwart derer, welche die Neugierde zu ihm lockte, auflebend machte, und zum Vorschein brachte. Er zeigte im Jahr 1657. der berühmten Königin Christina von Schweden diese Palingenesie, und diese gelehrte Prinzeßin betrachtete dieses Wunder lange Zeit mit vielem Vergnügen. Der P. Kircher vergaß einstmalen diese kostbare Flasche an einem Tage, da sie an seinem Fenster stunde, und von einem kleinen Hagel, der in der Nacht einfiele, zerbrochen wurde. Der P. Schott ein Jesuit versichert, daß er zu der Zeit, da er sich zu Rom aufgehalten, das Vergnügen gehabt habe, diese Rose vermittelst eines kleinen Feuers aus ihrer Asche hervor kommen zu sehen, so oft als man wollte. Der P. Ferari, gleichfals ein Jesuit, redet von dieser Probe als von einem Wunderwerk, und einem wunderswürdigen Anblick, der sich den Augen vorstellet. »So bald als man die Flasche, sagt er, die mit der Quintessenz der Rose angefüllet ist, an die Sonne stellt, so entdecket man den Augenblick eine ganze Welt voll Wunder in den engen Gränzen dieses kleinen Gefässes; die Pflanze, welche schlafend und in ihrer Asche begraben da lage, ermuntert sich, steigt auf, und entwickelt sich. Innerhalb einer halben Stund steiget dieser vegetabilische Phönix aus seiner Asche empor. Diese im Staub liegende Rose gehet aus ihrem Grab hervor um ein neues Leben anzunehmen. Sie ist ein Bild jener Auferstehung, durch welche die Sterbliche, die in den Schatten des Todes liegen, zu der glückseligen Unsterblichkeit gelangen werden.« Diese Versicherungen sind schön; sie sind erstaunlich, und würden für unglaublich gehalten werden, wenn Paris nicht im Jahr 1761. mehr als hundertmal dergleichen Proben hätte wiederholen sehen. 1 »Wir können, sagt der Ritter Digby, 2 eine tode Pflanze wieder erwecken, und sie unsterblich machen; und ihr, indem wir sie mitten aus ihrer Asche wieder hervor bringen, eine Art eines verklärten Körpers ertheilen. Quercetan Königs Henrichs IV. Leibarzt, erzählet uns eine seltsame Geschichte von einem gewissen Pohlen, der ihm zwölf chymisch vermachte Gläser zeigte, in deren einem jeden die Substanz von einer verschiedenen Pflanze war, z.E. in der einen war eine Rose, in der andern eine Tulpe und so mit den übrigen. Man muß aber bemerken, daß man, wenn er ein Gefäß zeigte, nichts andersts als im Grund desselben einen kleinen Aschenhaufen sehen konnte; aber so bald er es auf ein gelindes und mittelmäßiges Feuer setzte, den Augenblick kam nach und nach das Bild einer Pflanze zum Vorschein, die aus ihrem Grab, oder aus ihrer Asche hervor kam: und in jedem Gefäß sahe man die Pflanzen und Blumen in ihrer völligen Gestallt nach der Beschaffenheit der Asche, in welcher das Bild derselben unsichtbar begraben lage, aufleben. Eine jede Pflanze oder Blume wuchs von allen Seiten, nach einer richtigen und ihrer Art gemässen Grösse und Weite, und man sahe ihre ordentlichen Farben, Gestalten, ihre Grösse und andere gleiche Eigenschaften mit einer so genauen Richtigkeit und Lebhaftigkeit an ihnen abgemalet, daß die Vernunft dergestalt von den Sinnen hätte hintergangen werden können, daß man diese Blumen und Pflanzen für wirklich wesentliche und warhafte halten konnte. So bald er aber das Gefäß von der Hitze wegnahme, und es in die Luft setzte, so sahe man, wie diese Pflanzen oder Blumen, so wie das Gefäß nach und nach anfieng zu erkalten, wiederum allgemach abnahmen, ihre schimmernde und lebhafte Farbe verlohren und matt und bleich wurden, und ihre Gestallt nur einem Schatten des Todes gleichten, der endlich plötzlich verschwande, und sich wieder unter seiner Asche begrube; und wenn er das Gefäß wieder an das Feuer setzte, so zeigte sich alles dieses wieder mit den nämlichen Umständen in seiner vorigen Gestalt. Atanasius Kircher, sagt der Ritter Digby ferners, hat mir oft für gewis versichert, daß er diesen nämlichen Versuch gemachet habe, und hat mir das Geheimniß, wie man solches bewerkstelligen müsse, mitgetheilet, ob ich solches gleich vieler Arbeit ungeachtet niemals habe zu Stand bringen können.« Veit de la Brosse, dieser eifrige Botanicus, welcher dem König den Grund geschenket hat, auf welchem heut zu Tage dieser prächtige Kunstgarten stehet 3 und welcher auch in der Chymie arbeitete, hat das nämliche von diesem Pohlen wie der Ritter Digby gesaget: »Dieser Versuch, sagt er, scheinet mir vortreflich zu seyn, und er ist meiner Meynung nach leichter als man denket, es wird nur ein wenig mehr Zeit dazu erfodert als ich gegenwärtig habe, wie ich mir denn auch vorgenommen habe, wenn mir GOtt die Gnade erzeiget, mir etwas mehrere Ruhe zu gönnen, dieses Spielwerk zu versuchen, denn wenn man die Geheimnisse der Natur entdecken will, so darf man die Hände nicht in den Schoos legen.« Dieses Spielwerk ist inzwischen nicht so leicht zu Stande zu bringen, wie sich es la Brosse vorstellte. Digby machte einen solchen Versuch vergebens, seine angewandten Bemühungen waren ohne Erfolg; und Kircher selbst, dem es damit gelungen hatte, betrachtet diese Palingenesie für keine Sache, die so gar leicht zu bewerkstelligen wäre. Als ein gewisser Prinz, den das Wunder seiner Rose in Erstaunen versetzet hatte, sich eine dergleichen von ihm ausbate, so gab Kircher lieber die seinige her, ehe er eine solche Operation noch einmal unternehmen wollte. Dem sey nun wie ihm wolle, hier folget die Art und Weise, wie dieser geschickte Jesuit dabey zu Werke gienge: es wurde ihm dieses Geheimniß von dem Kaiser Ferdinand III. mitgetheilet, der es von einem Chymisten erkauffet hatte, und er hat solches, so wie ich es anführen werde, in seinem Buch: Mundus subterraneus betitelt, Lib. 12. Sect. 4. Cap. 5. Exper. 1. selbsten beschrieben. Die Operation ist nicht leicht, und der Proceß ist etwas lang. 1) Nehmet vier Pfund Saamenkörner von der Pflanze, welche ihr aus ihrer Asche wieder hervor bringen wollet, dieser Saamen muß aber sehr reif seyn. Stosset ihn in einem Mörser, thut alles in ein tüchtiges gläsernes Gefäß, welches so hoch als die Pflanze seyn muß, deren Saamen ihr genommen habt, machet dieses Gefäß sorgfältig zu, und verwahret es an einem gemäßigten Ort. 2) Erwählet einen Abend, an welchem der Himmel sehr rein und heiter ist, und setzet euren gestossenen Saamen in einer weiten Schüssel in den Nachtthau, damit der Saame von der belebenden Kraft, die in dem Thau stecket, eingetränket werde. 3) Sammlet mit einem grossen reinen Tuch, das in einer Wiese an vier Pfähle festgemachet ist, acht Kannen von eben diesem Thau, und gieset solchen in ein tüchtiges Gefäß. 4) Schüttet euren von dem Thau eingetränkten Saamen, noch vor Aufgang der Sonne in sein Gefäß, weil sonst die Sonne den Thau ausziehen mögte, und stellet dieses Gefäß wie vorhero an einen gemäßigten Ort. 5) Wenn ihr eine genugsame Menge Thau gesammlet habet, so muß man solchen filtriren, und nachgehends distilliren, damit keine Unreinigkeit darinnen zuruck bleibe. Die Hefen oder der Satz, welcher zurück bleibet, muß calciniret und ein Salz daraus abgezogen werden, das mit Vergnügen anzusehen ist. 6) Gieset den distillirten und mit diesem Salz eingetränkten Thau auf die Saamenkörner, und vermachet dann das Gefäß wieder mit Borax und gestossenen Glas. In diesem Zustand wird es alsdann ein Monat lang in frischen Pferdmist gesetzet. 7) Nehmet das Gefäß weg, so werdet ihr den Saamen wie Eis im Boden liegen sehen, und der Geist wird wie eine kleine Haut von unterschiedlichen Farben über der ganzen Materie schwimmen. Zwischen der Haut und der Oberfläche des schlammigten Bodens zeiget sich eine Art eines grünlichten Thaues, der ein Korn vorstellet. 8) Stellet den Sommer über dieses Gefäß wohl verwahret bey Tag an die Sonne, und bey Nacht in den Mond. Wenn es aber eine stürmische und regnerische Witterung ist, so muß man es an einem trockenen und warmen Ort so lang aufbehalten, bis es wieder schönes Wetter wird. Es gedeyhet dieses Werk bisweilen in zwey Monaten zu seiner Vollkommenheit, manchmal braucht man aber auch ein ganzes Jahr lang dazu. Die Kennzeichen eines guten Erfolges bestehen darinnen, wenn man siehet, daß die schlammigte Substanz aufsteiget und sich erhebet; daß der Geist, oder die kleine Haut täglich abnimmt, und sich die ganze Materie verdicket. Wenn man durch die Brechungen der Sonnenstrahlen siehet, daß in dem Gefäß feine Ausdünstungen entstehen, und sich dünne Wolken erheben, so zeiget solches die wirklichen ersten Urstoffe der wiederhervorkommenden Pflanze an. 9) Endlich muß sich aus dieser ganzen Materie ein blauer Staub zeigen. Aus diesem Staub erhebt sich, wenn er von der Hitze angefeuert wird, ein Stamm oder Stiel, Blätter, Blumen, und man siehet mit einem Wort die Erscheinung einer Pflanze, die mitten aus ihrer Asche hervorkommt. So bald als die Hitze nachläst, so verschwindet der völlige Anblick, und die ganze Materie fällt wieder auf den Boden des Gefässes hinunter etc. Diese Art zu verfahren ist von denjenigen, die der Herr Macquer angegeben hat, verschieden: sie scheinet aber unter allen bekannt gemachten Methoden die deutlichste zu seyn, wenigstens ist es diejenige, wel che Georg Philipp Harstofflerus und der P. Schott gelehret haben. Wenn übrigens diese sichtbare Begebenheit der Natur richtig erwiesen und dargethan ist, denn seit der Begebenheit mit dem goldenen Zahn aus Schlesien bin ich mit meinem Glauben so gar freygebig nicht mehr, wenn diese Palingenesie eine wirklich geschehene Sache ist, wie ist es möglich, daß wir bis in die Ursache, welche solche hervorbringet und bewirket, eindringen können? Ist es, wie Kircher gedacht hat, ein Spiel des Salzes der Pflanzen? oder wird der Saame, indem solcher selbst nichts andersts als eine zusammen gelegte und in einen kleinen Raum zusammengezogene und eingewickelte Pflanze ist, durch einen kleinen Theil dieses Salzes selbst vorgestellet, oder ist vielmehr ein jedes kleines salzigtes Theilchen ein ähnlicher Theil des vermischten Wesens, aus dem sie entstanden sind, und können sie solches vieleicht durch ihre Vereinigung wieder im ganzen herstellen, und so zu reden vom Tod erwecken? Es liesen sich hierüber sehr viele Muthmassungen anstellen. Es giebt noch eine andere Are der Palingenesie, welche kein so gar mühsames Verfahren zu erfodern scheinet, aber auch in Wahrheit keinen so seltsamen Anblick vorstellet: mit dieser erreichte der Ritter Digby seinen Endzweck. »Ich habe, sagt er, die zweyte Operation, zu der mir der P. Kircher die Anleitung gegeben hat, sehr wohl zu Stande gebracht: Ich nahm eine hinlängliche Menge Nesseln, und zwar mit Wurzeln, Stengeln und Blättern, mit einem Wort, die ganzen Blumen, und calcinirte sie auf die gewöhnliche Art. Aus der Asche dieser Nesseln machte ich mit reinem Wasser, welches ich filtrirte, eine Lauge, und setzte diese Lauge zu einer Zeit, da es gefrohre, in die kalte Luft. Nachdem dieses Wasser gefrohren war, so zeigten sich, wie man sicherlich glauben darf, in dem Eis eine Menge Figuren von Nesseln. Ich besahe dieses Spiel der Natur mit vielen Vergnügen, und ließ den Herrn Doctor Mayerne 4 holen, diese Verwandlung auch mit anzusehen, welche bey ihm eben so viel Erstaunen und Vergnügen als bey mir erregte.« La Brosse hat diese Beobachtung ebenfalls nicht vernachläßiget. Er meldet einem seiner Freunde, »daß er von ohngefähr das Mittel gefunden habe, Figuren von Nesseln vorzustellen – – – indem er die aus der Asche der Pflanze zubereitete Lauge in den Schein des Mondes, und in die Kälte gesetzet hätte, und sich hernach, wenn sie gefrohren war, das Bild der Pflanze darinnen gezeiget hätte.« Der Abt von Vallemont, welcher diesen Versuch wiederholet hat, sagt: »daß er den Neugierigen versichern könne, daß er, da er einstmalen im Winter habe Kastanien sieden lassen, und das Wasser davon, in welchem sie gekochet hatten, die Nacht über in die Luft gesetzet habe, damit es in der Kälte gefriehren mögte; des folgenden Morgens das Vergnügen gehabt habe, Kastanien-Blätter so groß als sie natürlich sind auf der Oberfläche des Eises; in der richtigsten und angenehmsten Zeichnung zu sehen«: woraus dieser Schriftsteller den Schluß ziehet, daß die Salze, die Begriffe, die Gestalt, und die Vorstellung der Pflanzen, aus denen sie gezogen sind, in sich enthalten. Herr Friedrich Bavesus redet von einer Palingenesie, die er mit weit geringerer Mühe, als der P. Kircher zu Stand gebracht hatte: er hatte einen Roseneßig wie gewöhnlich distilliren lassen; einige Zeit nachher sahe er in einer Bouteille, in welcher er diesen Eßig verwahrte, zwey Rosen von eben der Gestalt und Farbe wie die ordentlichen Rosen; bald darauf sahe er deren vier, sechs, und endlich acht, die sich länger als zwey Jahr erhielten. Actes de Phys. et de Med. de l'Acad. des Cur. de la Nat. Tom I. 1727 Obs. 219. Mem. de Trevoux, Jan. 1729. p. 155. Fußnoten 1 Auf dem Markt S. Germain. 2 De la vegetation des plantes, part. 2. p. 64. 3 Diese einzige Handlung, die nur von einer wohlthätigen und dem allgemeinen Besten ergebenen Seele herkommen kann, verdiente wohl, das dieser Arzt mehr bekannt wäre, inzwischen ist sein Name weder in dem historischen Dictionaire des Herrn Abts l'Advocat, noch, welches gar sehr zu verwundern ist, in dem historischen Dictionaire der Medicin des Herrn Eloy zu finden. Veit de la Brosse war der Urgroßvater des Herrn Fagon, er war der oberste Aufseher des königlichen Gartens. Er gab A. 1533. eine Beschreibung der Pflanzen heraus, die er daselbst öffentlich erklärte. Er ist auch der Verfasser eines Buches von der Natur der Pflanzen. 4 Theodor Türqurt von Mayerne, Baron von Aubonne, Rath und erster Leibarzt des König Carls II. und der Königin von Engelland. Er war zu Geneve gebohren, und war eine Zeitlang ordentlicher Leibarzt Henrichs IV. nach dem Tod dieses vortreflichen Fürstens gieng er nach Engelland, und starb daselbst A. 1655. im 82sten Jahr seines Alters. Er war ein Calvinist, und der Cardinal dü Perron arbeitete vergebens an seiner Bekehrung. LXXIII. Ausnehmend feiner Geruch der Negern und eines Ordensgeistlichen, welcher dadurch die Keuschheit der Weiber und Jungfern unterscheiden konnte. Die Hunde sind nicht die einzigen Thiere, welche die Natur mit einem vollkommenen Geruch versehen hat; es hat Menschen gegeben, welche in diesem Stück den feinsten Jagdhunden nichts nachgaben. Der Pater Düreterre ein Dominicaner, erzählet in seiner Geschichte der antillischen Insuln, daß es daselbst Negern giebet, die einen so feinen Geruch haben, das sie die Fusstapfen eines Negern und eines Franzosen von einander unterscheiden können, wenn sie nur an den Ort riechen, wo sie gegangen sind. Der P. Laffiteau ein Jesuit, saget in seinem Buch von den Sitten der Wilden, daß sie einen feinen Geruch hätten, als irgend ein Jagdhund, und vermittelst desselben einen Franzosen von einem Engelländer in einer grossen Entfernung unterscheiden könnten. Es befand sich zu Prag ein Ordensgeistlicher, welcher die Personen aus dem Geruch unterscheiden konnte, wie man sie dem Gesicht nach kennet, und der vermittelst desselben eine keusche Jungfer oder Frau, von andern welche der Keuschheit nicht ergeben waren, ohne sich zu betrügen, unterschiede. Dieser Mann muste viele Sachen riechen, die man ihm nicht sagte. L'extrait du Journ. d'Angl. Journ. des Sav. 11. Feb. 1684. LXXIV. Von Zauberern. Die Geschichte des Zauberers Caßini ist eine bekannte Sache, und man kann solche denen nicht genugsam zu ihrer Erinnerung anempfehlen, welchen die behutsame Bemühung, die Menschen zu richten, aufgetragen ist. Sie hat gelehret und erwiesen, daß die vermeintlichen Zauberer wahrhaftige Betrüger gewesen waren. Man kennet die Pflanze, die sie gebrauchten, um sich diesen unruhigen und verstellten Schlaf zu verschaffen, in welchem ihre ganze Zauberey bestunde. Dieses ist der Stechapfel: (Stramonium) dieses Gewächs verursachet einen mit einem tiefen Schlaf verknüpften Wahnwitz. Die Wurzel und der Saame desselben besitzen diese Eigenschaft in einem hohen Grad. Die Blätter wirken nicht so stark. Garidel redet von einigen Wirkungen dieser Pflanze, die bekannt zu werden verdienen. »Ich habe, sagt er, von dem verstorbenen Apothecker Herrn Johann Baptista Rimbaud erfahren, daß sein Grosvater nebst dem Herrn Broglia einem sehr geschickten Arzt, durch richterlichen Befehl den Auftrag erhielten, eine Untersuchung anzustellen, ob das Pulver desjenigen Korns, dessen sich eine Verbrecherin bedienet, und einigen jungen Mädchen davon zu trinken gegeben hatte, diese Wirkung erregen könnte, welche es, wie man glaubte, bey diesen Mädchen verursachet hatte, die dadurch von Sinnen und Verstand kamen, und alsdann wenn sie sich in einem so hohen Grad des Wahnwitzes befanden, daß sie ganz ausser sich waren, der viehischen Lust gewisser Hurenhengste übergeben wurden, welche dieses schändliche Weibsbild zu ihnen hinein geführet hatte: welches durch den Bericht dieser Herren bestätiget wurde, die, so bald sie sahen, daß es der Saame eines Stechapfels war, so gleich den Ausspruch thaten, daß er dergleichen üble Wirkungen verursache.« Dieses Weibsbild wurde auf Befehl des Hofes (das Parlement zu Aix in Provence) zum Tod verurtheilet. Garet und Costa versichern uns, daß sich die Huren und Diebe dessen oft bedienen, um diejenigen, die in ihre Hände fallen, plündern und ausziehen zu können. Es erreget dieser Saame auch bey gewissen Personen eine Raserey, wie solches jenem Scharfrichter und seiner Frau geschehen, deren ebenfals in dem Garidel erwähnet wird; einige Böswichter, die er zu sich in Verwahrung genommen hatte, mischten ihm etwas von diesem Saamen unter das Fleisch; der selige Herr Martelli, Apothecker in dieser Stadt (zu Aix) hat mich versichert, daß er den Scharfrichter und seine Frau, mit in Stücken zerissenen Hemden auf dem Kirchhof des H. Erlösers habe tanzen und herum springen sehen. LXXV. Was den Boerhave veranlaste, sich der Arzneykunst zu widmen, und einige andere Umstände seines Lebenslaufes. Unter allen Aerzten, die sich besonders hervor gethan haben, verdienet unstreitig der berühmte Boerhave vorzüglich, daß wir unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten, und einige besondere Umstände seines Lebens betrachten; Dieser grosse Gelehrte, dessen Leben in den Jahrbüchern der Kunst einen so merkwürdigen Zeitpunct ausmachet, der alle Theile der Arzneykunst so sehr bereichert, und allenthalben Kennzeichen der tiefsten und unermeßlichsten Gelehrsamkeit hinterlassen hat, stammet seinem Ursprung nach aus den französischen Niederlanden her. Er war zum Dienst des Altars bestimmet, und sollte seinem Vater nachfolgen, welcher ein Priester in einer protestantischen Kirche in einem holländischen Dorf war, und ein Priester venrichtete diese Absicht. Ein Geistlicher traf den Boerhave eines Tages an, und unterhielte sich mit ihm; es wurde die Religion von ohngefähr der Gegenstand ihrer Unterhaltung; ein Gegenstand, bey welchem sich die wenigsten Gemüther in Schranken zu halten wissen; die beyden Gottesgelehrten kamen von dem Gottesdienst auf den GOtt, der solchen fodert, zu reden; man sprach von GOtt, und Boerhave wurde, weil er solchen in der ganzen Natur erkannte, in den Augen des Geistlichen für einen Atheisten angesehen, der ihn darauf auf eine allzuunchristliche Art für einen Spinozisten ausschrie, und dieser übertriebene Eifer war Schuld, daß er sich der Arzneykunst widmete. Die allerglücklichste Sendung hat bisweilen keine so glücklichen Wirkungen nach sich gezogen. Boerhave, der als ein Diener des Evangelii solches vieleicht einigen hundert Holländern, die es schlecht genug verstanden und noch schlechter in Ausübung gebracht hätten, gelehret hätte; hat, da er ein Arzt wurde, einigen tausend Menschen das Leben wieder gegeben, und mehr als tausend Menschen mit seinen Einsichten erleuchtet. Diese Betrachtungen werden die Unbilligkeit derer jederzeit widerlegen, die eine Veränderung verdammen, durch welche er zu dem grösten Ansehen gelangte, zu welchem sich ein Mensch jemals Hoffnung machen kann. Er bekam einstmalen ein Schreiben aus China mit der Aufschrift: An den Herrn Boerhave, Arzt in Europa: es ist ganz sicher, daß an den Boerhave, Geistlichen zu Voorhout keines dergleichen so weit her würde gekommen seyn. Wenn er bisweilen den Neid erregte (denn dieser Rost hängt sich an das Verdienst am unfehlbarsten an, weil es am durchdringensten ist) so erregte er auch im Gegentheil weit mehrere vortheilhaftere Denkungsarten. Er hatte Bewunderer; er hatte Freunde; einer seiner zärtlichsten Freunde bezeigte einen solchen Eifer, und zwar auf eine Art, die ein merkwürdiges Aufsehen verursachte, gegen ihn, daß solches allerdings hier angeführt zu werden verdienet; er erfande nämlich in seinen Untersuchungen eine neue Art einer Pflanze, welche sein Herz dem Boerhave zu Ehren zueignete, und bey den Botanickern unter dem Namen der Boerhavia bekannt wurde. Sternseher würden diesen ehrwürdigen Namen einem neuen Trabanten beygeleget, Reisende würden ihn einem neuen Land oder einer entdeckten Insel; und ein Poet einer Gottheit gegeben haben: der Botanicker giebt ihn einer Pflanze; diese Ehrenbezeigung ist eben so groß, schmäuchelhaft und dauerhaft, und man kann die Worte des Virgils: ipsa sonant arbusta; Deus, Deus ille, ganz wohl hieher anwenden. Daß die Werke des göttlichen Boerhave allenthalben bekannt und ausgebreitet sind; daß seine medicinische Institutiones über die Gränzen unsers Europa hinausgehen, bis nach China kommen und daselbst Bewunderung erregen; daß dieses vortreffliche Buch so gar einem Mufti bekannt und von ihm geschätzet wird, und sich dieser es für eine Ehre achtet, solches zu übersetzen; allen diesen Ruhm und diese Ehre verdienen seine Schriften: daß aber die Anatomie des Wundarztes Dionois in die tartarische Sprache übersetzet, und ein so mittelmäßiges Werk das Handbuch der chinesischen Aerzte wird, ist ein Umstand, dessen man sich ohne Aergerniß über die Unwissenheit des dienstfertigen Jesuiten Parennins nicht erinnern kann. Dieser Glaubensbote, welcher, da ihn der Kaiser Camhi von China auftruge, das beste anatomische Werk aus Europa zu übersetzen, ohne Anstand den Dionois übersetzte, würde, wenn man das beste Journal von dieser Materie aus Europa von ihm verlanget hätte, gewiß nicht unterlassen haben, das Journal von Trevoux zu übersetzen. Man kann wohl sagen, daß seit dem Hyppocrates kein Arzt weder so gelehrt, noch so bekannt, noch so reich als dieser berühmte holländische Arzt gewesen, welcher den 23. Septembris A 1738. zu Leyden in einem Alter von 70. Jahren weniger drey Monate und zehen Tage verschiede. LXXVI. Würmer-Schweiß. Die Aerzte erwähnen in ihren Bemerkungen unterschiedlicher Arten des Schweißes; man hat dergleichen in dem dicken Satz des Honiges, in Bier, und in rothen Wein bemerket, man hat auch so gar einen ganz blutigen Schweiß gesehen, aber der wundersamste unter allen ist, wie ich glaube, ein solcher Würmerschweiß, dergleichen vor einigen Jahren ein Kind von zwölf Jahren in Pommern einen gehabt, welches nach einem vorher an dem ganzen Leib empfundenen Jucken, so bald als man ihm anfienge zu kratzen, mit einer unzählichen Menge Würmer bedecket wurde, und eine Stunde nachher, da die erstern weg waren, und wieder andere zum Vorschein zu kommen anfiengen, starbe. Journ. des Scav. den 6. Febr. 1679. LXXVII. Tod des Democritus. Dieser Philosoph lebte noch drey Tag länger, da er nichts sonst brauchte, als daß er an warmes Brod röche. Unsere Körper sind wirkliche Siebe; indem die Haut, die uns bedecket, mit vielen tausend Löchern durchstochen ist; welches lauter kleine Werkzeuge der Verdauung sind, in welche sich eine unzählbare Menge kleiner Nahrungstheile begeben, welche die Luft mit sich führet. Wenn also die Luft, die uns umgiebet, mit diesen nahrhaften Theilchen genugsam angefüllet wäre, und solche, wenn sie an die äussere Fläche unsers Körpers stossen, von selbigem angenommen, und in hinlänglicher Menge in den Umlauf des Bluts hineingezogen würden, so könnten wir auf eine ganz unmerkliche Art leben, und uns erhalten; wir könnten auf solche Art gewisser massen von der Luft leben, doch es ist allezeit sicherer, sich auf diese Küche nicht allzuviel zu verlassen: inzwischen kann man nicht läugnen, daß gewisse Leute, die beständig mit einer dicken und von nahrhaften Theilen angefüllten Luft, wie z.E. die Metzger und Köche umgeben sind, sich nicht einigermassen auf diese Art nähren sollten. Der mehreste Theil dieser Personen sind gesund und stark und essen doch insgemein sehr wenig. Die ganze Beschaffenheit ihres Körpers isset auf eine unmerkliche Art. Hauptsächlich kann die Luft, die man in sich ziehet, die nahrhaften kleinen Theilchen, das ist, dieses unsichtbare pabulum, welches sie, wie man sagt, in sich enthält, in das Gewebe der Lungen hinein bringen. Man erzählet, daß Democritus, da er hundert Jahr alt war, seines Lebens müde wurde; wiewohl ich einige kenne, die, wenn sie auch doppelt so alt würden, sich wohl hüten würden, darüber verdrüßlich zu werden; kurz diesem Philosophen wollte die Welt nicht mehr gefallen, und er faste den Entschluß sie zu verlassen. Er aß und trank alle Tage etwas weniger, und hatte dadurch jenes erste Feuer, welches unsern Körper belebet, fast gänzlich verlöschet; es näherte sich schon seine letzte Stunde, als seine Schwester, die er liebte, zu ihm kam, und ihn bate, daß er noch nicht sterben mögte, weil sie sein Tod des Vergnügens berauben würde, an einem bevorstehenden Fest Antheil zu nehmen. Democritus entschloß sich ihr zu gefallen, sein Leben noch einige Augenblicke zu verlängern; ließ sich warmes Brod bringen, und lebte von dem blosen Geruch desselben noch drey Tage lang. LXXVIII. Von der Eingiessung der Medicamenten in die Gefässe des menschlichen Körpers. Man glaubt, daß dieses neue Mittel in Engelland von dem Herrn Wren berühmten Professor auf der Universität Oxford und Mittglied der königlichen Gesellschaft, erfunden worden seye. Man ist deswegen auf diese Entdeckung gekommen, weil man vermittelst derselben Arzneymittel in den Körper gebracht, die sich auf die kranken Theile hingezogen haben, ohne daß ihre Kraft dadurch etwas verlohren hätte. Welchen langen Weg müssen die Arzneymittel nehmen, die man durch den Mund einnimmt! es ist nicht anderst möglich, als daß sie bey allen diesen Umwegen beträchtliche Veränderungen leiden, sich mit vielen ganz verschiedenen Substanzen vermischen, und ihre ganze Wirksamkeit verliehren müssen: die Erfahrung beweiset diese Wahrheit; dann wenn man einem Hund eine gewisse Menge Brechpulver, durch den Schlund eingegeben hat, so wird es fast gar keine Wirkung haben, bringt man ihm solches aber in seine Adern bey, so wird er sich fast zu Tod speyen. Man hat ingleichen auch bemerket, daß die speichelmäßige Feuchtigkeit die in den Blasen, welche sich zwischen den Zähnen der Ottern befinden, stecket, wenn man sie in Brandwein, was solches für einer seyn mag, einnimmt und verschlucket, nicht den geringsten Schaden verursachet; wenn man sich aber im Gegentheil an einem Ort, wo die Haut offen ist, nur ein wenig mit dem aus einer toden oder lebendigen Otter gezogenen Saft, reibet, so wird man ganz unfehlbar angestecket. Die Ursache davon ist, weil der Gift auf die erste Art alle seine Stärke in den ersten Gängen, ehe er bis zum Herzen kommt, schon verlohren hat: da er sich im Gegentheil nach der zweyten Art gleich in die Adern einschleichet, und von da unmittelbar ins Herz dringet, ohne irgend eine Veränderung gelitten zu haben. Herr Fabricius, welcher seit langer Zeit begierig war, einen Versuch zu machen, was die Eingiessung der Medikamenten in die Adern eines Menschen für eine Wirkung hervor bringen würde, machte, nachdem sich endlich einige Personen fanden, die sich dazu erboten, folgende Beobachtungen. Der erste Versuch geschahe mit einem Soldaten, welcher von sehr starker Leibesbeschaffenheit, aber dergestalt von den Franzosen angestecket war, daß ihm die Beine in den Armen völlig von solchen Knoten, die man Exostoses nennet, bedecket waren. Nachdem man ihm zwey Dragma von einem Purgier-Trank in die Adern des Arms eingegossen hatte, so beklagte er sich über einen grossen Schmerzen am Ellenbogen: als sein Arm an einigen Orten stark aufgeschwollen war, so druckte man diese Geschwulst etwas gelind mit den Fingern, und trieb sie gegen die Schultern zu hinauf, und ohngefähr nach Verlauf von vier Stunden, fieng die Arzney, aber ohne viele Heftigkeit an zu wirken, und dieses hielte bis zu dem folgenden Morgen an, so daß der Kranke in allem fünf Stuhlgänge hatte. Nach dieser Ausführung verschwanden die Exostoses, ohne daß man noch ausser diesem das geringste Mittel gebrauchet hätte, und es blieb dem Patienten nicht das geringste von der Krankheit zurück, mit welcher er angestecket war. Der zweyte Versuch geschahe an einer verheuratheten Frau, die fünf und dreyßig Jahr alt war und an der schweren Krankheit litte. Diese Krankheit war so stark eingewurzelt, daß keine Hoffnung zu deren Genesung mehr vorhanden war. Nachdem man ihr zwey Dragma von einer Purganz, die man in einem antepileptischen Spiritu aufgelöset, in die Adern gegossen hatte, so bekam die Frau nach Verlauf einiger Stunden einigemal den Stuhlgang, worauf des folgenden Morgens nachher der Anfall ihres Uebels weit schwächer war, und sie endlich nach und nach gänzlich davon befreyet wurde. Extrait du Journal d'Angleterre. Journ. des Scav. du 23. Jan. 1668. Herr Smith, ebenfals ein Arzt aus Danzig, machte, nachdem er die Erlaubniß erhielte an einigen Kranken in dem Spital, an deren Aufkommen man ohnehin verzweifelte, zu versuchen, was für Wirkungen die Eingiessung der Arzneymittel in die Adern verursachen würde, den Versuch damit an zwey Personen, die solchergestalt von den Franzosen angestecket waren, daß man sie für unheilbar hielte. Der eine derselben kam davon und wurde curiret, der andere aber gieng darauf. Er entschlosse sich inzwischen diese Erfahrung fortzusetzen, und ließ mit Gutachten des Herrn Schleffers der gleichfals ein Arzt aus dieser Stadt war, dreyen Kranken, von denen der eine an der Gicht, der andere an einem Schlagfluß und der dritte aufs äusserste an der pohlnischen Plica 1 litte, einige alterirende Arzneymittel in die Adern des Arms eingiessen. Diese drey Operationen hatten den er wünschtesten Erfolg, dann der, welcher an der Gicht krank lage, befand sich das andern Morgens schon besser, und erlangte nach einigen Tagen seine Gesundheit so vollkommen, daß er hingieng und in der Ernde, die dazumal war, arbeitete; der, welcher am Schlagfluß gelitten hatte, hat seit dieser Zeit keinen Anfall mehr bekommen, und der letzte, welcher unterschiedliche Geschwüre hatte, wurde gleichfals vollkommen davon geheilet. Extrait du Journ. d'Angle. Journ. des Scav. du 12. Nov. 1668. Wenn dergleichen Art zu heilen in den Händen eines Arztes aus Danzig von einem so guten Erfolg gewesen ist, warum hat sie sich denn nicht bis auf unsere Tage fort erhalten? Hat sie vieleicht wegen eines bey gewissen Leuten, die sich ihr unterworfen haben, fehlgeschlagenen Versuchs das nämliche Schicksal gehabt, wie die Transfusion des Blutes, von der wir geredet haben? Oder ist die Anzahl derer, die daran sturben, grösser gewesen, als die Zahl derer, denen sie geholfen hat? Es mag aber die Ursache davon seyn welche sie will, so bleibt doch dieses richtig, daß man diese Heilungsart schon deswegen, weil sie einige schwere Curen bewerkstelliget hat, nicht gänzlich hätte aufgeben sollen, dann wie viele Personen, die auf Befehl der Facultät zu einen unvermeidlichen Tod verurtheilet worden, würden nicht in Versuchung gerathen, von diesem Urtheil an dieses Gericht der Wunder zu appelliren? Fußnoten 1 Plica polonica ist eine in Pohlen sehr gemeine Krankheit, die in einer Verwicklung und Zusammenbackung der Haare an unterschiedlichen Theilen des Leibes, hauptsächlich aber auf dem Haupt bestehet, welche von sehr zähen und schleimichten Humoribus mit mancherley Zufällen herrühret. Es ist solches ein harter und fast nie recht zu curirender Zufall. LXXIX. Die Aerzte haben die Theile, welche sie entdecket haben, nach ihren Namen benennet, und unter diesen Entdeckungen ist ihrer grossen Menge ungeachtet, nur eine, die nach einem Wundarzt benennet ist. Die Wege, welche die Gelehrten betretten müssen, werden wahrhaftig mit gar zu vielen Verdrüßlichkeiten verderbet; es ist aber auch nicht zu läugnen, daß sie sich öfters die Widerwärtigkeiten, die sie drucken, selbsten gerechtermassen zuziehen; gleichwie es eben so richtig ist, daß der mehreste Theil derselben, sich die nächste als die beste Gelegenheit zu Nutz machet, wenn man ihnen den Tribut des Lobes und diejenige Ehre, die sie verdienet zu haben glauben, nicht bezahlen und zugestehen will: sie entschliessen sich ohne vielen Umschweif sich selbst eine Ehre zu erzeigen, die nur blos von ihrem Willen abhänget: so haben die Sternkundiger ohne viele Umstände den Planeten, Constellationen etc. ihre eigene Namen beygeleget. Auf solche Art haben die Kräuterkenner, die Reisenden, die Erdbeschreiber unter ihren Namen neue Pflanzen, Länder und Meere bekannt gemachet: und die Anatomici haben ebenfals solchergestalt ihre Entdeckungen mit ihren Namen verewiget. Die Aerzte kennen in dem Haupt die Pontem Varolii, die Valvulas des Vieusssens, das torcular des Herophili, den Acuaeductum des Sylvii, die Muskeln des Duverney, die Schleimhaut des Schneiders, die Trompeten des Eustachii, die Drüsen des Valsalvae und des Meibomii, sie kennen in der Hölung der Brust die aufhebenden Muskeln des Stenon, die unter den Ribben laufenden Muskeln des Veryheyen, die Höhle des Botalii, die Arterien des Ruisch: in dem Bauch die Capsul des Glisson, die kleine Lappe des Spigellii, den Gang des Virsungi, den Milchbrustadergang des Pequet, die Bälgleins-Drüsen des Malpighi, die Urinröhren des Bellini, die zusammengesetzten Drüsen des Brunneri, und des Peyeri: die Muttertrompete des Fallopii, das Ligament des Poupart, den Muttermuskel des Ruisch, den schwammichten Körper des Higmore, die Drüsen des Littre etc. Die Aerzte kennen alle diese Theile wie auch die berühmten Männer, welche derselben Einrichtung und Beschaffenheit am ersten entdecket haben, und es ist hiebey eine Anmerkung zu machen, die ihnen nicht misfällig seyn wird; daß nämlich unter so vielen in dem menschlichen Körper gemachten Entdeckungen nur eine einige unter dem Namen eines Wundarztes, nämlich des Cowpers bekannt ist. LXXX. Eine Unterredung über des Herrn Senacs Tractat von dem Herzen, und des Herrn Astrucs sein Buch de morbis venereis. Folgendes habe ich irgendwo gelesen – – – Ich hörte einstmalen die Unterredung unterschiedlicher Gelehrten an. Sie redeten von den Schriftstellern und ihren Werken, und urtheilten von dem Ruf und Ansehen derselben. Die Meynungen waren selten einerley, ein jeder redete mehr nach seinem Geschmack als nach seinen Einsichten. Endlich fiengen sie mehr als jemals an, miteinander zu streiten und sich zu widersprechen, und einer von ihnen stund sehr hitzig auf, gieng auf mich zu, und sagte zu mir: Wie steht es, mein Herr, sie schweigen anjetzo sehr zur ungelegenen Zeit, wir reden hier von Büchern, und ich kenne deren zwey, die vorzüglich gut ausgearbeitet sind, und alle beyde von ihrer Kunst handeln. Weil er sehr laut redete, so schwieg jedermann, und er erhebte seine Stimme ferners: ja, mein Herr, verfolgte er, sie handeln von der Arzneykunst. Sie schauen sich einander an, gut, ich muß sie also nennen: Es ist solches das berühmte Werk des Herrn Astruc de morbis venereis, und des Herrn Senacs unsterblicher Tractat von dem Herzen. Ich biete ihnen Trotz mir gründlichere, gelehrtere, deutlichere, ordentlichere, besser eingerichtete und geschriebene, ja ich setze noch hinzu, unterhaltendere Bücher als diese anführen zu können. Was für Gelehrsamkeit, Wissenschaft und Weisheit stecket nicht in diesem Tractat von den venerischen Krankheiten! Welche Schmäucheleyen muß Herr Astruc nicht bekommen haben, daß er dieses Werk heraus gegeben, welche Ehre – – – Ein Officier, der eben dazu kam, ließ ihm seine Lobrede nicht gar ausführen: Astruc, sagte er, und druckte drey bis vier Personen welche er in seinem Leben nicht gesehen hatte, die Hand, ach meine Herren, sie reden von dem Astruc, der ist ein grosser Mann – – – den sie vermuthlich sehr wenig kennen werden, mein Herr, sagte darauf jemand zu ihm. Den ich nicht kenne, erwiederte er, den ich nicht kenne, zum Teufel, so gut und vieleicht noch besser als Sie: habe ich ihn nicht vom Anfang bis zum Ende durchgegangen? Geben sie Acht, wenn sie eine Probe davon sehen wollen, ich will ihnen gleich meine Gelehrsamkeit zeigen. Ob ich den Astruc gelesen habe? Den Augenblick fällt mir ein Umstand ein, der mir besonders vorkam, und den sie schwerlich mit eben der Aufmerksamkeit beobachtet haben werden: daß nämlich fast alle Aerzte, die in den vorigen Zeiten von dieser bewusten Krankheit geschrieben haben, ihre Werke blos dem Gebrauch grosser Personen, denen sie mehrestentheils zugeeignet sind, gewidmet haben; Diese Herren müssen sich also vermuthlich über das: was werden die Leute sagen, hinaus gesetzet haben: und sie hatten recht. Es ist eine Thorheit, seine Zufriedenheit der Willkühr des Redens der Leute blos zu setzen; inzwischen haben einige dieser Schriftsteller sehr lustig geschrieben 1 ich hatte eine ganze Stelle auswendig gemerket, die zum Lachen war, aber was das Latein anbetrift, so mögte ich bey meiner Treue den sehen, der mich jetzo dazu bringen sollte es zu reden; ich will des Todes seyn, wenn ich mehr als unser Major-Chirurgus davon weis: ich erinnere mich aber inzwischen noch ganz wohl, daß dieses Buch von dem sie sprechen, recht rein geschrieben war. Ja, mein Herr, versetzte darauf derjenige, den man unterbrochen hatte, sie haben recht; das Buch de morbis venereis ist auch in Ansehung der Schreibart ein Meisterstück; aber da sie von der Schreibart reden, wer schreibt wohl schöner als der Herr von Senac; welches Feuer, welche Richtigkeit, und gleichwohl auch welche Lebhaftigkeit, Annehmlichkeit und Leichte, zeiget sich darinnen: man findet die Stärke des Demosthenes, die Annehmlichkeit des Lysias, und den wortreichen Ueberfluß des Platons darinnen: es ist der Strich des Michael Angeli und der Reitz des Correge, kurz, es ist alles was gefallen und entzücken kann. Ich will ihnen nur die Vorrede des Tractats von dem Herzen vorlesen, das ist ein Stück der Beredsamkeit – – – von dem Herzen, mein Herr, versetzte der Officier lebhaft, davon lese ich nichts, das lernt sich nicht aus Büchern; da wollte ich lieber von unsern Grenadirern Herzhaftigkeit lernen, wenn ich es nothwendig hätte, aber es fehlet mir Gott Lob nicht an Herzhaftigkeit so wohl zum Dienst des Königes – – – Ey mein Herr, antwortete der andere heftig, was Teufel, sie reden von der Herzhaftigkeit? Das kann man sich leicht vorstellen, daß es ihnen, da sie ein Franzoß sind, daran so wenig als einem andern fehlen wird: ich rede von dem Tractat, von der Einrichtung und Beschaffenheit und den Krankheiten des Herzens, von diesem Werk, welches unter den Schriften eben den Rang hat, welchen sein Verfasser unter den Aerzten besitzet, nämlich den allerhöchsten; Dieser vortrefliche Arzt, der auf dem Thron der Kunst sitzet, worauf ihn sein Verdienst geschwungen hat, redet darinnen als ein gründlicher Gesetzgeber, welcher den grösten Ruhm und Ehre erlanget hat; das anhaltenste Studieren, und die mühsamste Arbeit ist ihm ein Vergnügen, welches ihn oft den Wünschen der vornehmsten Personen entziehet, die so wohl wegen der Annehmlichkeit seines Geistes als auch wegen des weiten Umfangs seiner Einsichten, ihr gröstes Vergnügen an ihm haben: es sind auch alle seine Schriften lauter Gesetzbücher, in denen die zukünftigen Geschlechte noch die vortreflichen Gesetze finden werden, die ihnen in der Ausübung der so schweren Heilungskunst den rechten Weg zeigen werden – – – Dieser Mensch redete noch lange Zeit in diesem Ton fort, und ließ sich mit Vergnügen zuhören; der Officier schwuhr, daß er die Vorrede lesen wollte; ein Arzt, der sich dabey gegenwärtig befande, und sich scheuete zu bekennen, daß er den Traktat von dem Herzen niemals gelesen hätte; lief zu den P.*** um solchen zu bekommen, und ich gieng ganz entzückt über diese an meinem Helden verschwendete Lobeserhebungen nach Hauß. Fußnoten 1 Z.E. in der Stelle des Buches des Nicolaus Massa, wo sich der Verfasser, nachdem er vorhero von der Gefahr redet, welcher sich diejenigen aussetzen, die sich der Liebe mit solchen Weibspersonen, die sich in den ihnen so eigenen und gewöhnlichen Umständen befinden, der auch mit solchen überlassen, die angestecket sind, also ausdrucket: Quod si forte quis cum muliere infecta coiverit, laventur partes illae post coitum, cum vino albo calido, vel cum aceto, quod magis mihi placet, ut fiat confortatio membri et prohibitio corruptionis ad illam malam qualitatem – – – – si vero quis cum infecta muliere coire voluerit, quod fatuum est, laventur vulva cum vino aut aceto, et membrum virile cum aceto, quoniam non finit imprimere malam illam qualitatem, et non moretur in coitu, et post lavetur membrum virile, ut supra; et e contra, si mulier cum viro infecto coiverit, lavet viri membrum, et vulvam ante et post coitum, et non moretur in coitu. LXXXI. Ausserordentliche Hitze, die man A. 1705. in Languedoc spürte. Der Mensch kann in keiner solchen äusserlichen Luft leben, die ebenso hitzig wie sein Blut ist, die Luft wird dadurch gar zu sehr ausgedehnet, das Athemholen wird erschweret, und man stirbt. Dieses Schicksal würden die Einwohner zu Montpellier erfahren haben, wenn sie sich nicht vorgesehen hätten. Es fiel daselbst den 30. Julius A. 1705. eine solche ausserordentliche Hitze ein, daß die Luft an diesem Tag fast so heiß als diejenige war, die aus den Oefen in den Glashütten gehet, und man konnte nirgends als in den Kellern seine Zuflucht nehmen. Man sotte an unterschiedlichen Orten Eyer in der Sonne, und die mehresten Wettergläser zersprangen von dem Trieb des Liqueurs, der bis oben hinauf stiege. Man bemerkte auch daselbst, daß die Perpendicul-Uhren in diesem heissen Sommer stark verderbet wurden. Hist. de l'Acad. 1705. p. 38. LXXXII. Von einigen, aus freyen Stücken entstandenen und andern Arten der Wasserfurcht. (Hydrophobies.) Es ist etwas seltsames, wenn jemand rasend wird, ohne von einem tollen Thier gebissen worden zu seyn; wenigstens findet solches sehr selten bey einem Menschen statt: der Wolf, der Hund, der Fuchs und alle vierfüßige Thiere dieser Art, sind zu einer von ohngefähr entstehenden Wuth weit mehrers geneigt. Man hat aber doch auch bemerket, daß manche Menschen in gewissen bösartigen Krankheiten und andern Umständen, in eine Raserey verfielen. Herr Laurens, ein geschickter Arzt, hat vor nicht gar langer Zeit, in dieser Sammlung, die allen wahren Aerzten so schätzbar seyn sollte, ein Beyspiel hievon angeführet: 1 es betrift dieser Fall einen Bauer an, welcher blos durch eine allzustarke Hitze, die er auf einer Reise ausgestanden hatte, diese Art der Wuth, die man die Wasserfurcht nennet, plötzlich bekame. Herr Laurens, welcher überzeuget war, daß der Bauer diese Wuth von einer Furcht für dem Wasser bekommen hatte, ließ ihn in den nächsten Gasthof führen, wo er die Zufälle, welche diese jämmerliche Krankheit so deutlich zu erkennen geben, in kurzen an ihm ausbrechen sahe. Herr Laurens, der von der eigenen Schwester des Kranken, die ihn auf seiner Reise begleitet hatte, hörte, daß er von keinem tollen Thier gebissen worden wäre, sondern sich früh Morgens nüchtern auf den Weg gemachet, und unterwegs nichts als ein wenig Brandwein getrunken hätte, glaubte mit Recht, daß ihn die ohngefähre Wuth überfallen hätte; die Schwester sagte ihm noch überdieses, daß man nicht unterlassen würde haben, ihn, wenn ihm dieses Uebel zugestossen wäre, sogleich nach S. Hubert 2 zu schicken. Ich weiß Leute, die behauptet haben, daß man, wenn einmal vierzig Tage vorbey wären, nachdem man von einem tollen Thier gebissen worden, ohne daß man eine Tollheit an sich gespüret hat, die Hydrophobie 3 nicht mehr zu befürchten hätte. Diese Leute haben nicht viel gelesen. Die Schriftsteller sind voll von Beyspielen, die leider ihre geringe Meynung widerlegen. Ich will ihnen zwey der merkwürdigsten davon zu ihrem Unterricht anführen. Ein gewisser Mensch wurde, da er in eine Gasse gehen wollte, von einem Haufen Leute angehalten, die sich daselbst versammlet hatten, um sich eines tollen Hundes zu bemächtigen; er zog seinen Degen, den er ansteckend hatte, stieß den Hund nieder, steckte seinen Degen darauf wieder ein, und gieng seines Weges. Acht Jahr nach diesem Zufall kam dieser Mensch mit dreyen von seiner Bekanntschaft in einen Streit; er schlug sich, und zwey wurden mit eben diesem Degen verwundet, womit er den Hund erstochen hatte; sie wurden alle beyde an ihren Wunden, die nicht gefährlich waren, geheilet, sie starben aber drey Jahre nachher doch noch daran. Sie wurden krank, und fiengen gleich anfänglich an bey dem blosen Anblick des Wassers diese Empfindung der Furcht und des Entsetzens zu spüren, welche die Tollheit anzeiget. Das Uebel nahm in kurzer Zeit mehr und mehr über Hand, die Raserey, die Wuth zu beissen etc. stellten sich bald darauf ein, und brachten diese Kranken ausser sich, die endlich in den erschrecklichsten Bewegungen sturben. Hildan. cent. I. obs. 86. erzählet, daß eine Dame, die von einem tollen Hund war gebissen worden, alle sieben Jahre Anfälle der Wuth bekame, welches bis an ihren Tod dauerte, der sich erst dreyßig Jahre nach dem da sie gebissen worden war, eräugete. Von welcher feinen und wirkenden Art ist nicht also diese erste tödliche Urstoffe, die sich acht ganzer Jahre lang an der Klinge eines Degens, ohne daran etwas von ihrer Wirkung zu verliehren, und drey Jahre lang in dem Körper erhalten kann, ohne zu erlöschen? Fußnoten 1 Journal de Medec. etc. tom. VII. p. 1. 2 Es ist in dem Ardenner Wald eine Abtey, die den H. Hubert zu ihren Schutzpatron hat. Diese ist wegen der Curen, die daselbst, wie das Volk glaubet, an denjenigen geschehen, die von der Wuth überfallen werden, sehr berühmt. Es scheinet, daß man in Flandern, und in Lothringen in diesem Punct sehr leichtglaubig ist; und die Ordensgeistlichen bemühen sich nicht sonderlich, denjenigen die solches glauben, ihren Irrthum zu benehmen. Sie machen vielmehr diese Pilgrimschaft dadurch daß sie von denen die sie unternehmen, einige Uebungen der Andacht, und unterschiedliche Regeln der Diät fodern, noch geheimnisvoller. Uebrigens unterwirft man die Patienten daselbst einer sehr grausamen Prob. Man brennet ihnen die Stirne mit einem glühenden Eisen in Gestalt eines Schlüssels, und legt in die Wunde ein kleines Stück von der Stola des H. Huberts; einige Tage nachhero nimmt ein Priester dieses Stück Tuch, welches man in die Wunde geleget hatte, weg, und alsdann versichert man den Patienten, daß er geheilet, und so gar auf ewig für diesem fürchterlichen Uebel gesichert seye. Journ. Med. ibid. 3 Dieses Wort ist aus zwey griechischen Worten zusammengesetzet, die eine Furcht für dem Wasser anzeigen, welcher Zufall sich in der Raserey eräuget, und solche zu erkennen giebet: daher man diese schreckliche Krankheit die Hydrophobie oder Wasserfurcht nennet. LXXXIII. Ein Soldat wird durch einen Pistolschuß von einem Anfall der fallenden Sucht befreyet. Beningerus, des Herzogs von Würtemberg Leibarzt, sahe zu Montpellier einen dicken sanguinischen und starken Menschen von sechs und zwanzig Jahren plötzlich zur Erden niederfallen: er schäumte, er hatte die Fauste fest eingezogen, und schien in einen tiefen Schlaf verfallen zu seyn, den er bisweilen durch einiges von Zeit zu Zeit ausgestossenes Aechzen unterbrache; nachdem er einige Zeit lang in diesem Zustand zugebracht hatte, öffnete er die Augen, und bemühete sich aufzustehen, verfiel aber alsobald wieder in seinen vorigen Schlaf. Ein Soldat befreyete ihn auf eine ganz besondere Art davon: er hielte ein sehr stark geladenes Pistol dem Kranken so nahe als er konnte, an die Ohren, und druckte es loß; kaum war solches geschehen, so stunde der junge Mensch auf, und gieng nach Haus. Kann denn also ein plötzlich heftig erregter Schall zu einem Mittel dienen, einen Anfall der fallenden Sucht zu hemmen? LXXXIV. Eine Frau eines Lüttichischen von Adels starb in ihrer fünften Schwangerschaft, weil sie sich ihre Nativität hatte stellen lassen. Eine verwirrte Einbildungskraft erreget bisweilen solche Unordnungen in dem Körper, die in die Länge tödlich werden. Man hat gesehen, daß manche schwache Personen, die von einer unbesonnenen und widrigen Prophezeyung eingenommen waren, solche durch ihre Furcht wahr gemachet haben. Henrich Heers hat unter seinen Bemerkungen ein Beyspiel angeführet, das zu einem hinlänglichen Beweiß davon dienet. Die Frau eines Lüttichischen von Adel kam viermal glücklich nieder; sie wurde zum fünftenmal schwanger. Je mehr die Zeit ihrer Niederkunft herannahete, je mehr verwehrte sich die Furcht, die sie für den Tod gefasset hatte, in ihr: sie hatte sich eingebildet, daß dieses ihre letzte Schwangerschaft seye. Sie wendete die ganze Zeit ihrer Schwangerschaft zu Vorbereitungen des Todes an. Es halfen keine Vorstellungen bey ihr, daß diese Furcht ungegründet, lächerlich und gefährlich seye, sie beharrte immerfort auf der Meynung, daß sie in dieser Schwangerschaft sterben würde. Zu Ende des achten Monats machte sie ihr Testament, und einige Tage darauf fande man sie tod in ihrem Bett. Ein Wahrsager hatte ihr gesagt, sie sollte sich hüten, fünf Kinder zu bekommen, weil sie in der fünften Schwangerschaft sterben würde, und diese Prophezeyung hatte ihre Einbildungskraft in Unordnung gebracht. LXXXV. Ein Officier bringt es so weit, daß er endlich in einem finstern Gefängniß einige Gegenstände unterscheiden lernet. Ein Edelmann vom Verdienst, der sich bey der Armee Carls I. Königs von Engelland als Major eines Regiments befande, und sich durch den Sieg der unrechtmäßigen Besitznehmer gezwungen sahe, sein Glück ausser dem Königreich zu suchen, wagte es, seinem Fürsten einen Dienst von grosser Wichtigkeit auf eine solche Art zu leisten, die man in Spanien für ganz und gar unregelmässig hielte. Man bemächtigte sich seiner, und steckte ihn in ein Gefängniß, welches keine Fenster, sondern nur ein Loch in der Mauer hatte, durch welches man dem Gefangenen die nöthigen Lebensmittel zulangte, und solches nachher und zwar sehr sorgfältig wieder zumachte. Dieser Edelmann saß einige Wochen lang ohne das mindeste zu sehen, in der grösten Finsterniß. Nachgehends aber schien er ein schwaches Licht zu sehen, daß sich von Tag zu Tag so sehr vermehrte, daß er endlich sein Bett, und andere Gegenstände von dergleichen Grösse entdecken konnte. Er brachte es endlich so weit, daß er auch kleine Gegenstände sehen konnte, er sahe z.E. die Ratzen, die die Krumen seines Brodes, die auf die Erde fielen, frassen, und bemerkte ihre Bewegung ganz deutlich. Er erzählte noch viele andere Wirkungen seines Gesichtes in diesem dunkeln Ort. Woraus zu ersehen ist, daß solches hauptsächlich davon herkame, daß die Werkzeuge seines Gesichts, weil sie so lang an einem finstern Ort blieben, erweichet wurden; weswegen sich dieser Officier auch nicht unterstunde, nachdem sich die Lage der Sachen geändert, und er seine Freyheit wieder erlanget hatte, sich so gleich dem hellen Tageslicht blos zu stellen, indem er befürchtete, daß er durch den gar zu lebendigen Glanz des Tageslichtes das Gesicht verlieren mögte; sondern glaubte, daß er seine Augen nach und nach dazu gewöhnen müsse. Herr Boyle, der diese Geschichte anführet, hatte solche aus dem Mund dieses Edelmanns erfahren. Dissert. touchant les causes finales et naturales. LXXXVI. Von einigen ganz wunderbaren Arten der Fruchtbarkeit. Plinius erzählet, daß eine Frau in dem Peloponneso in vier Niederkünften zwanzig Kinder, jedesmal fünf auf einmal bekame, von denen die mehresten am Leben blieben: und nach dem Bericht des Tragus kam eine andere Frau in Aegypten mit sieben Kindern auf einmal nieder. Herr Menage schreibt, daß ein geringer Bürger zu Paris, Namens Blunet, mit seiner Frau auf siebenmal nacheinander, ein und zwanzig Kinder gezeuget habe; daß diese Drillinge getaufet worden waren, und einige derselben unterschiedliche Tage, andere verschiedene Monate lang gelebet, und zwölf der dauerhaftesten davon am Leben geblieben sind, die alle groß erwuchsen und sich in vollkommener guter Gesundheit befunden haben. Dieser Schriftsteller meldet ferners noch dabey, daß dieser Mann, da man zweifeln hätte können, ob er oder seine Frau das mehreste zu dieser Art eines Wunderwerks mögten beygetragen haben, sich einmal verirrte, und seine Magd schwängerte, die nach neun Monaten ebenfals mit drey Kindern männliches Geschlechts niederkame, welche ungeachtet ihrer Schwächlichkeit, und des geringen Alters ihrer Mutter, vierzehen Tage bis drey Wochen lang lebten. Man findet vieleicht in dem ganzen Alterthum kein Beyspiel einer so ausserordentlich wunderbaren Fruchtbarkeit. Was für ein Hercules war nicht dieser Blunet. Man lieset in den historischen Versuchen von Paris des sinnreichen Herrn von Saint Foix, daß man vor diesem auf dem Kirchhof der Unschuldigen eine in folgenden Worten verabfaste Grabschrift sahe: Hier liegt Jolland Bailly, der im Jahr 1614. im acht und achtzigsten Jahr seines Alters, und im zwey und vierzigsten Jahr seines Wittber-Standes verschiede, welcher noch vor seinem Tod zwey hundert und fünf und neunzig Kinder, die von ihm abstammeten, gesehen hat, oder wenigstens hätte sehen können. LXXXVII. Von einem Menschen, dessen Kinnbacken und Zähne nur aus einem einzigen Bein bestunden. Es ließ sich jemand einen Zahn ausreissen; der Wundarzt rieß aber mehrere aus, und brachte ein Stück des Kinnbackens hervor; das Blut lief lange Zeit sehr häufig, daß man Mühe hatte, es zu stillen, und der Patient litte ausserordentliche Schmerzen: er beschwehrte sich über den Zahnarzt, und verklagte ihn bey der Obrigkeit, daß er ihn übel operiret habe. Man zog Erkundigung ein, und ließ den Theil untersuchen, wo die Zähne ausgerissen worden waren, und nachdem diese Untersuchung geschehen war, wurde der Patient mit seinen Ansprüchen abgewiesen, weil sein Kinnbacke und seine Zähne nur aus einem einzigen Bein bestunden. Hollerius, observat. ad consilia 31. LXXXVIII. Von der Herrschaft der Seele einiger Personen über solche Werkzeuge des Leibes, deren Handlungen gewöhnlicher massen dem Willen nicht zu unterworfen seyn pflegen. Wie vielerley Veränderungen zeiget nicht die Natur in den muskulmäßigen Bewegungen unserer Theile! An einem Ort sind wir im Stand diesen oder jenen Theil so wie es uns beliebt, zu bewegen, an einem andern Ort können wir manchen Theilen nicht die geringste Bewegung beybringen: es stehet uns frey die Bewegung und Wirkung unserer zum Athemholen dienlichen Werkzeuge nach unseren Willen zu hemmen oder zu befördern; es stehet aber nicht eben so wohl in unsern Kräften, das Spiel der zur Verdauung bestimmten Eingeweide auf gleiche Art zu hemmen. Weder das Herz noch die ganze Verfassung der daselbst befindlichen Gefässe sind dem Willkühr unsers Willens unterworfen; es giebt inzwischen einige Beyspiele, die zu beweisen scheinen, daß sich die Herrschaft der Seele über den ganzen Umfang aller Theile, wie solche Namen haben mögen, erstrecke, und daß man die Unvermöglichkeit über die Bewegung und Wirkung einiger Theile, blos dem Mangel der Gewohnheit zuschreiben müsse. Es wird hier in der Folge von einem Officier geredet werden, der die Ohren bewegte wann er wollte. Einer meiner Freunde hat einen Ordensgeistlichen gekannt, welcher wiederkäuen konnte. Es giebt Leute, die sich ohne viele Beschwerniß brechen können wann sie wollen: aber der von dem Herrn Doctor Cheyne angeführte Fall, ist noch weit besonderer. Dieser Schriftsteller redet von einem Hauptmann Namens Townshend, der die Bewegung seines Herzens nach seinem Gutbefinden hemmte. Er machte einstmalen in Gegenwart des Herrn Cheyne und zweyer seiner Freunde, einen Versuch hievon: er fiel wie tod ohne Athem und Puls nieder. Da er nun ziemlich lang in diesem Zustand verbliebe, so entsetzten sich die Zuschauer, und befürchteten, daß Herr Townshend wirklich tod seyn möchte, und machten schon Anstalt sich aus dem Zimmer wegzubegeben, als der vermeintliche Tode, welcher vermuthlich ihre Unterredung mit angehöret hatte, seinem Herzen die Bewegung wieder gabe, und sich gleich darauf wieder in seiner gewöhnlichen Verfassung zeigte. Der Umstand, welchen der H. Augustinus in seinem Buch von der Stadt Gottes erzählet, scheinet ebenfalß sehr besonders zu seyn. Ein Priester, Namens Restitutus, aus dem Kirchspiel von Calame, konnte, wie dieser heilige Doctor saget, sich so oft als er wollte, in einen der Beschaffenheit eines toden Menschen vollkommen ähnlichen Zustand versetzen; man mochte ihn alsdann schlagen, stechen, ja so gar brennen, so zeigte sich nicht die mindeste Empfindung an ihm, ja man fande nicht einmal eine Spur des Athemholens an ihm, er bemerkte auch nicht einmal daß man ihn gebrannt hatte, als ohngefähr aus den davon zuruckgebliebenen Narben; kurz, er hatte eine solche Herrschaft über seinen Körper, daß er sich, wenn man ihn darum ersuchte, in kurzer Zeit, den gänzlichen Gebrauch seiner Sinnen benehmen konnte. LXXXIX. Eine in eine gipserne Kugel eingewickelte Leibesfrucht, die man in der Mutter einer Frau acht und zwanzig Jahre nach ihrer Schwangerschaft gefunden hatte. Die Natur pfleget bey keinerley Umständen mehrere besondere Wirkungen zu zeigen, als bey der Fortpflanzung der Thiere. Im Jahr 1582. wurde die Frau eines Schneiders Namens Columbus Charry in der Stadt Sens, in einem Alter von acht und dreißig Jahren, nachdem sie einige Zeit lang vorhero unfruchtbar gewesen war, schwanger; sie empfande nach und nach alle Merkmale der Schwangerschaft neun Monate lang. Sie gab nach vielen und grossen ausgestandenen Leiden, welches ihr eine Verstopfung des Urins einige Tage lang verursachet hatte, nichts als eine Menge Wasser, und einen Theil geronnenes Geblütes von sich; worauf zwar ihre Schmerzen etwas nachliesen, und das Kind sich in ihr zu bewegen aufhörte; sie muste aber doch drey Jahre lang mit vieler Beschwerniß im Bett liegen bleiben, und beklagte sich, so lang als sie lebte, beständig über die Härte und Geschwulst ihres Bauches, über Reissen der Geburtsschmerzen, und über die Beschwerlichkeit dieser Last, welche, nachdem sie die Bewegung verlohren hatte, sich so wie sie sich selbst bewegte, bald auf die eine bald auf die andere Seite hinlenkte. Da sie endlich tod war, und die Frucht acht und zwanzig Jahre lang getragen hatte, so fand man ihre Mutter von vielerley Farben gesprengt, und fast so hart wie eine Schale, und in selbiger eine gipserne Kugel, in deren Mitte die Leibesfrucht eingewickelt lag, deren Glieder wohl gestaltet waren; es hatte sich solche aber darinnen verhärtet, und gleichsam versteinert, jedoch so, daß die Gebeine des Kopfes so glänzend wie Horn, und die inneren Theile aber nicht so hart wie die äusseren zu seyn schienen. Mezeray. Hist. de France tom. 3. p. 28. XC. Ein junger Mensch, der sich in seine Anverwandtin heftig verliebet hatte, wird durch die Bäder und den Gebrauch des mit Eiß abgekühlten Wassers von einem Priapismo curiret. Die Liebe verursachet allerhand Wirkungen: sie verwirrte einem jungen Menschen den Kopf, welcher sich in eine seiner Anverwandtinnen verliebte, die sich mit einem andern verheurathet hatte. Er gerieth dadurch, weil er sich auf solche Art aller Hofnung den Gegenstand seiner Leidenschaft jemals geniessen zu können, beraubet sahe, in eine heftige Aergerniß; Er wurde ganz unkenntlich, und verlohr in kurzem seine Vernunft dergestalt, daß man ihn einsperren muste. Es besuchten ihn einige Aerzte, und man kann leicht urtheilen, ob sie ihm zu Ader gelassen hatten? sie liesen ihn auch baden: allein der Kranke fuhr, dieses und vieler anderer Mittel ungeachtet, immer fort zu singen, zu lachen, zu pfeiffen, zu klagen, zornig und rasend zu werden. Er weigerte sich auch schlechterdings etwas von Speisen zu sich zu nehmen. Man fieng darauf wieder von neuen an, ihm zu Ader zu lassen: man öfnete so gar die Gurgel-Ader und richtete eben so wenig damit aus; der junge Mensch bekam deswegen nicht im geringsten einige mehrere Ruhe. Er schlos kein Aug zu, und bekam einen Priapismum 1 mit allen damit verknüpften Zufällen. Ein Arzt ersann das Mittel, diejenigen Theile, welche dieser Beschwerlichkeit hauptsächlich unterworfen waren, mit in Eiß-Wasser eingetauchten Tuch zu umwickeln, er ließ auch den Kranken scheeren, und ihm so hoch als möglich dergleichen mit Eiß abgekühltes Wasser auf den Kopf tropfen, wodurch sich ein merklicher Erfolg zeigte. Der Kranke schlief zwey Stunden lang; man fuhr mit dem Gebrauch dieses Mittels einige Tage lang fort, und die Krankheit nahm von Tag zu Tage mit Hülfe der Bäder, die man nachher gebrauchte, solchergestalt ab, daß selbiger wieder gänzlich zu seiner Vernunft und Gesundheit gelangte. Fußnoten 1 Priapismus heist, wenn das männliche Glied durch den Krampf steif und starr stehet, so daß es immerfort in solcher Lage bleibet. XCI. Von einem jungen Menschen von vornehmen Stand, bey dem die Liebe einen so heftigen Eindruck machte, daß ihm einstmalen das Blut plötzlich aus einer Ader an der Stirne heraus schosse. Wie groß ist nicht das Feuer, welches die Liebe in unsern Herzen entzündet, und wie mächtig sind die Triebe, welche die durch die Liebe erregten Begierden dem Lauf des Blutes einflössen! Ein junger Mensch von vornehmen Stand, saß einstmals bey einer liebenswürdigen Wittbe, die er zu trösten sich vorgenommen hatte, am Tisch. Der Wein, die Munterkeit, welche solcher einflösset, und hauptsächlich die Nähe des Gegenstandes seiner Liebe setzten ihn in eine so heftige Bewegung, daß ihm das Blut plötzlich und mit vieler Heftigkeit aus einer Ader an der Stirne spritzte. Ich habe dieses selbst gesehen, sagt Cornax ( lib. 1. consult. med. cap. 3.) da ich mich einstmalen in einem gewissen Haus, wohin ich zu einem Krankenbesuch beruffen wurde, bey dem Mittagessen befande. XCII. Ein Soldat starb für Freude, da er die Nachricht hörte, daß er mit einer Frau, die er heftig liebte, sollte verheurathet werden. Daß unser Herz, wenn es von Traurigkeit beklemmet ist, bey einem jähen schmerzlichen Anfall, dem Blut keinen freyen Lauf mehr eröfnet, das ist ganz gut; aber bey einer jähen Freude kommet uns die Natur schlecht zu Hülfe, indem wir solche selten ohne die gröste Unordnung empfinden werden. Ein Soldat war sehr heftig in ein Mädchen verliebt, die aber gar zu sehr über seinen Stand war, als daß er sich hätte Hofnung machen können, sie zu heurathen, gleichwohl hatte er sich lange Zeit mit dieser Hofnung geschmäuchelt, denn die Liebe ist niemals ohne Hofnung; endlich fieng er aber an zu verzweifeln, daß er jemals mit seiner Geliebten könnte vereiniget werden; da man ihm plötzlich die Nachricht hinterbrachte, daß sich alles geändert hätte, und daß seine Geliebte seine Frau werden sollte: er lauft in diesem Augenblick ganz ausser sich zu ihr, er fliegt zu ihr, umarmet sie, und will mit ihr sprechen, aber die Stimme erstirbt ihm auf den Lippen, und er selbst fällt ihr in eben diesem Augenblick tod in die Arme, und stirbt an einem Schlag der Zärtlichkeit, wie ein mit dem Schlagfluß behafteter an einem Schlag des Blutes stirbt: Man fande in dem toden Körper, daß das Pericardium, dieses Fell, welches das Herz umgiebet, völlig mit Blut angefüllet war. XCIII. Democritus machte eine vortrefliche Auswahl in seinen Speisen und hatte ein so durchdringendes Gesicht, daß er die Jungferschaft unterscheiden und bemerken konnte. Democritus hatte, wie Veit Patin meldet, eine vortrefliche Geschicklichkeit seine Nahrungsmittel gut auszuwählen, und er verstunde sich ganz besonders wohl auf die Milch. Man sagt, zu einem Beweiß davon, daß, da er sich einstmals hatte Milch bringen lassen, er in Gegenwart des Hyppocrates erriethe, daß solche von einer schwarzen Ziege ware, die nur ein Zicklein getragen hatte. Man eignet ihm noch eine andere Art der Erkenntniß zu, die manchen scheinheiligen Schönen sehr beschwerlich fallen würde; folgendes ist ein Beweiß davon: Ein gewisses Mädchen, das ihm begegnet war, und er als eine Jungfer gegrüsset hatte, grüste er des folgenden Morgens als eine Frau, weil er ihr aus dem Gesicht ansahe, daß sie, seitdem er sie gesehen hätte, zu dem Verlust ihrer Jungferschaft eingewilliget hatte. Herr Democritus, setzet dieser anzügliche Schriftsteller hinzu, würde in diesem Land schlechte Besuche bekommen haben, weil man die Unbescheidenheit seiner Kunst gar zu sehr gefürchtet hätte. XCIV. Von einer Frau, die in ein sehr heftiges Zittern verfiele, weil sie von ihrem Mann war überfallen worden. Ein berühmter Arzt hat eine Frau gekannt, welche, da sie sich einstmalen über die Ankunft ihres Mannes entsetzte, die vermuthlich in einem derjenigen Augenblicke geschahe, in welchem die Weiber ihre Männer nicht erwarten, in ein so heftiges Zittern verfiele, daß sie aller angewandten Bemühungen ungeachtet, sich fast in einer ganzen Stund lang von ihrer Bewegung nicht wieder erholen konnte. XCV. Ein Mensch starb aus Furcht für einem Schiffbruch, und der Marquis von Marignac wird durch den Schrecken, welchen ihm eine Stückkugel verursachte, vom Podagra befreyet. Eben dieser Schriftsteller hat mir gesagt, daß er bey einem Menschen, der eine Lustfahrt in die See gemachet, und daselbst von einem Sturm überfallen wurde, noch weit erschrecklichere Wirkungen der Furcht gesehen habe. Die Furcht für dem Schifbruch war so stark bey ihm, daß er nach Verlauf von sechs Stunden sturbe; und sich, noch vor seinem Tod an einigen Orten seines Leibes wirkliche Pestbeulen, als wenn er von dieser Seuche wäre angestecket gewesen, zeigten. Diese Leidenschaft verursachet aber nicht jedesmalen so fürchterliche Unordnungen: als im Jahr 1555 Sienna belagert wurde, so machte eine Stück-Kugel, die sehr nahe bey dem Marquis von Marignac vorbey striche, ihm einen solchen Schrecken, daß er das Podagra, von dem er gequälet war, auf einmal darüber verlohre. XCVI. Eine Jungfer stirbt an einer Arzney, die sie aus Vorsicht als ein Präservativ eingenommen hatte. Es ist ganz gewiß richtig, daß man sich nicht zu viele Mühe geben, und nicht Kenntniß und Wissenschaft genug besitzen kann, wenn man sich unterstehet, andere zu curiren. Folgendes Beyspiel ist wegen der schlimmen Wirkung der präservirenden Mittel, sehr merkwürdig. Eine Jungfer von 35. Jahren, die niemals weder purgieret noch sich zu Ader gelassen hatte, befande sich bey einer Dame im Dienste, die so sehr für die Arzneymittel eingenommen war, daß sich ihre Bedienten nicht besser bey ihr in die Gunst setzen konnten, als wenn sie recht oft Arzneyen einnahmen, sie erwiese ihr endlich, nach vielen Widerstand auch die Gefälligkeit, zu purgieren und sich zu Ader zu lassen; aber diese Purganz, ungeachtet sie nur aus zwey Unzen Caßia, und zwey Quent Senetblättern bestunde, und in dem Haus dieser Dame und zwar mit ihren eigenen Händen zubereitet wurde, lieferte die Jungfer innerhalb sieben Tagen glücklich in das Grab. Rep. des Lett. Jun. 1686. tom. 9. p. 715. Ein Carmelitermönch von L – – – in F – – – brachte aus einer eben so dienstfertigen Unwissenheit wie diese Dame, seine leibliche Mutter mit einer einzigen Dosin des aillaudischen Pulvers so gut als mit einem Schießpulver um das Leben, und vieleicht hatte er nicht einmal so viel Verstand, daß es ihm gereuet hätte; denn man siehet, daß diese Ordensgeistliche, der königlichen Befehle und besondern Verbote, die ihnen geschehen sind, ungeachtet, dieses Pulver jedermann mit gleich fortdaurender Verwegenheit zukommen lassen. XCVII. Eine Frau wird über ein ausgeweidetes Schwein, das sie gesehen hatte, und eine andere deswegen närrisch, weil sie sich alle Tage an und abkleiden muste. Wenn sich jemand von unserer Vernunft einen gar zu grossen Begrif gemachet hätte, der darf nur bedenken, welche Kleinigkeit öfters im Stand ist selbige in Unordnung zu bringen. Ein wenig Wein verwirret sie, und ein Kind verführet sie, sagt die reizende Deshouillieres: sie druckt sich auch in einer Stelle, da sie mit ihren Schafen redet, also aus: Ob wir gleich die Vernunft zu unsern Antheil haben Die ihr unschuld'ge Thier nicht zu gebrauchen wist; So bringt sie uns doch nicht, so sonders grosse Gaben, Von einem solchen Werth, der zu beneiden ist. Felix Platerus hat eine Probe hievon an einer Frau vom Stande gesehen, die eine ausserordentliche Neigung zur Nettigkeit hatte, und darüber, daß sie einstmals an den Thüren einer Fleischbank ein ausgeweidetes Schwein hängen sahe, närrisch wurde: wie, schrie sie, ist es möglich daß mein Leib mit solchen Unflath und garstigen Dingen angefüllet seye; ach mein Gott was für ein Elend ist es, so unsauber zu seyn! Sie konnte diesen traurigen Betrachtungen nicht länger nachhängen, die ihr den Kopf verruckten. Eben dieser Beobachter erzählet, daß sich eine Frau oft mit Thränen gegen ihren Pfarrer über die verdrüßliche Nothwendigkeit beklagte, daß sie sich alle Tage an und auskleiden müsse. Dieses Frauenzimmer muß keine Liebhaberin des Nachttisches gewesen seyn. XCVIII. Eine Frau starb aus Verdruß, weil sie eine Nacht lang von ihrem Mann getrennet seyn muste. Ein reformirter Geistlicher gieng einstmalen mit seiner Frau nach einer Stadt in der Schweiz: es war bereits sehr spät, und man wollte die Thore zuschliessen: der Mann lauft um hinein zu kommen, und solche aufhalten zu lassen; er kommt wirklich in die Stadt, ist aber kaum darinnen, so werden die Brucken aufgezogen, und er siehet sich gezwungen seine Frau ausserhalb den Mauern zu lassen; welche in einen solchen Kummer darüber verfiele, und so viel Unruhe und Schrecken bekame, daß sie eine ganze Nacht durch allein bleiben sollte, daß man sie des andern Tages, da man die Thore öffnete, tod fande. XCIX. Eine andere Frau starb an der Wasserfurcht, weil sie von ihren andern Gefährtinnen in einem Gewölb allein zurück gelassen wurde. Eine Frau eines Schusters, die an einem Abend von ihren Gefährtinnen in einem Gewölb allein zurückgelassen wurde, in welchem sie lederne Häute gewaschen hatten, wurde dadurch so sehr ausser sich gebracht, daß sie in diesem Augenblick, das ganze Gewölb in Feuer stehen, den Fluß aus dem Ufer tretten, das Schiff, in welchem sie war, unterzusinken zu sehen, und ihr Leben in der grösten Gefahr zu stehen glaubte, nachdem sie sich von ihrer Furcht in etwas erholet hatte, kam sie wieder zu sich; man bot ihr bey ihrer Ankunft etwas Wein an; den sie an statt ihn anzunehmen, vielmehr mit dem grösten Entsetzen ausschluge; man verwunderte sich darüber, und befragte sie um die Ursache dieses Abschlages, sie gab keine Antwort, endlich nahm sie auf vieles Bitten und Flehen, daß sie doch trinken mögte, den Wein in Mund; wäre aber beynahe daran ersticket; man versuchte ihr Brühe und Wasser zu geben, es war aber alles einerley. Sie entsetzte sich für einem jeden Getränk. So bald sie nur etwas flüßiges sahe, so verfiel sie in den jämmerlichsten Zustand. Auch so gar die Luft verursachte ihr, wenn solche ein wenig in Bewegung war, die schlimsten Zufälle; das besonderste dabey war, daß sie niemals ihren Verstand verlohre; sie hatte alle Tage ihre vollkommene Vernunft, bis an den achten Tag ihrer Krankheit, da sie sturbe. Welche erstaunliche Wirkung der Furcht, welche Zerstöhrung in den Werkzeugen der Denkungstraft! Felix Platerus, observ. Lib. I. C. Eine schwangere Frau asse zwey bis drey Pfund Ingwer. Es ist bekannt, welche unordentliche Lüsternheit die schwangern Weiber haben, sie vereinigen bisweilen einen doppelten besondern Charackter in sich; denn wie ist es zum Exempel möglich, daß eine Frau einen Lust bekommt zwey bis drey Pfund Ingwer zu essen, und woher kommt es, daß ihr solcher, da sie ihn gegessen hat, nicht die geringste Beschwerlichkeit verursachet? Ihr jungen Leute, die ihr alles erklären wollet, durch welche Kunst werdet ihr euch aus dieser Sache wickeln? Plater. observ. in appetitu depravato, p. 289. CI. Von der Art und Weise, wie man sich in Ostindien für den giftigen Thieren und vergifteten Waffen verwahret. Das merkwürdigste und besonderste Mittel zu verhindern, daß die durch den Biß eines giftigen Thieres oder durch vergiftete Waffen verursachte giftige Wunden, nicht tödlich werden, bestehet nach der Meynung des Herrn Münicks darinnen, daß man den Gift mit dem Mund aussauget. Plinius versichert, daß dieses Mittel schon zu seiner Zeit bekannt gewesen, und er führet gewisse Leute an, welche er Psyllos nennet, die es wagten, diese Arten der Wunden auszusaugen, und die wie man glaubte, eine besondere Kraft an sich hatten, dem Gift zu widerstehen. Herr Münick versichert, daß dieser Gebrauch in Ostindien sehr bekannt wäre, und daß es daselbst ganze Familien gäbe, die sich von diesem Gewerb erhielten, weil es alda sehr viele giftige Thiere giebet. 1 Die einzige Vorsicht, welche diese Leute gebrauchen, ist, daß sie sich den Mund unterschiedlichemal mit Limonien-Saft auswaschen, welcher ein vortrefliches Verwahrungsmittel wider die Schädlichkeit des Giftes ist. Munnicks Chyr. ad Prax. hodier accommodata. Fußnoten 1 Es hat in Europa in Ansehung der Wuth eben diese Bewandniß: man findet daselbst ganze Familien, die mit dem sogenannten Aufschub geben ein Gewerb treiben, welches die Wuth ordentlicher Weise so lang aufhält, bis man nach S. Hubert in den Ardenner Wald gelangt ist; diese Familien halten sich für Anverwandte dieses Heiligen, lassen es aber wohl bleiben, die Wunden, wie die Morgenländer, auszusaugen; Sie sollen, wie man sagt, so viele Gewalt über die rasenden Menschen und Thiere haben, daß eine Baase des H. Huberts einstmals einen rasenden Stier, den sie nur mit der Spitze ihres Fingers berührte, umbrachte; man sagt auch, daß keiner dieser Leute an der Wuth stirbet, ob gleich vor nicht gar langer Zeit einer dieser Aufschub-Geber ohne Gnade daran den Geist aufgegeben hat. CII. Zwey Personen starben von einem Opio, davon die eine ein Stück in die Hölung eines verderbten Zahns, und die andere ein Stück in das Ohr gethan hatte. Das Opium ist ein vortrefliches Mittel; Sylvius dieser berühmte Arzt sagt, daß er lieber wollte, daß es gar kein Opium gäbe, als, daß man solches, da es vorhanden ist, nicht sollte gebrauchen können: inzwischen wird bey dem Gebrauch desselben, viele Vorsicht erfodert. Ein gewisser Mensch, der entsetzliche Zahnschmerzen ausstunde, legte ein Stück Opium in die Hölung des verdorbenen Zahns; der Schmerze ließ zwar nach, aber er starb wenige Zeit darauf. Ein gleicher Umstand begegnete jenem Spanier, dessen in der Sammlung des Zacutus erwähnet wird. Er war von einem Schmerzen in den Ohren so heftig beschweret, daß er nicht einen Augenblick lang schlaffen konnte: Ein Marktschreyer legte ihm ein Stück Opium in die Höle des Ohres: der Kranke bekam einen Schlaf; nachdem er aber erwachte, wurde er von einigen zuckenden Bewegungen überfallen, wurde ganz toll, sinnlos und schwächlich, und gab kurz darauf seinen Geist auf. CIII. Besondere medicinische Bücher. Unter allen Schriftstellern, die theologischen ausgenommen, haben sich die Aerzte am vorzüglichsten in Abhandlungen über besonders reizende und ungewöhnliche Gegenstände geübet: folgende Bücher haben z.E. lauter solche Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ermuntern. Valentini Henrici Vogleri . Phisiologia historiae passionis Jesu Christi, nempe de angore, sudore, spina corona, vino myrrha condito et aceto felleo; de solis obscuratione, siti, hyssopo et aceto; clamore, repentina morte, terrae motu, humoribus ex latere fluentibus, et conditura corporis. Helmstad. 1673. in 4. Joannis Wieri , liber apologeticus et pseudomonarchia daemonum. De lamiis liber, et de eommentitiis ieiuniis. De irae morbo, ejusque curatione philosophica, medica, et theologica. Amstelod. 1660. in 4. Paschalii Justi , de alea, sive de curanda ludendi in pecuniam cupiditate, Basil. in 4. 1616. et Amstelod. 1642. Der Verfasser dieses Werks war ein Flammländer und erster Leibarzt des Herzogs von Alenson. Er war dem Spiel sehr heftig ergeben, und hat unterschiedliche Gebete verfertiget, GOtt zu bitten, daß er ihn von einer so sehr zu seinem Verderben gereichenden Sucht befreyen möge: diese Stücke sind, zu seiner Ehre verlohren gegangen, und wir haben nichts mehr von ihm, als dieses Werk, in welchem er solche Mittel zur Entwöhnung des Spiels an die Hand giebt, die kein Spieler in Ewigkeit nicht gebrauchen wird. Martinii Schurigi Spermatologia, sive de femine humano ejus natura et usu; simulque opus generationis pertinens de castratione et hermaphroditis, etc. in 4to Francof. 1702. Ejusdem . Parthenologia, hoc est virginitatis consideratio, qua ad eam pertinent pubertas et menstruatio, nec non partium muliebrium pro virginitatis custodia. in 4. Dresdae 1729. Ejusdem . Gynecologia, hoc est, congressus muliebris, qua utriusque sexus salacitas et castitas, nec non coitus ipse, ejusque voluptas, cum observationibus, in 4. Dresd. 1730. Joh. Gabr. Rudolphi Medicus ad aegri palatum, varium in materia medica, inprimis universali evacuante adaptatus. Lugd. Batav. Luchtmanns 1669. in 8. Wenn dieses Werk dasjenige leistet, was der Titel davon verspricht, so kann es von einem sehr wichtigen Nutzen und Gebrauch seyn. Hyppocrates hat schon gesagt, und wenn er es auch nicht gesaget hätte, so wäre es doch allezeit richtig und ausgemacht, daß diejenigen Speisen und Mittel die man mit Vergnügen zu sich nimmt, allezeit nützlicher sind, als die, welche einen Eckel erregen. Tobiae Vogelii , Mnemosylogia, sive de men oria, libellus medicus theoretico-practicus. Joan. Gollner 1676. in 12. Hequets Tractat von den Dispensationen des Fastens etc. Paris, Fournier 1710. in 12. Eben desselben Abhandlung von der Unanständigkeit, die dadurch begangen wird, wenn Mannspersonen den Weibern in der Geburt beystehen, und von der Verbindlichkeit der Mütter ihre Kinder selbsten zu säugen. Trevoux (Paris) Stephan 1703. in 12. Geschichte solcher Personen, die einige Jahrhundert lang gelebet haben, und wieder jung geworden sind, nebst dem Geheimniß der Verjüngerung, des von Arnault von Villeneuve; von Harcourt von Longueville herausgegeben, Paris 1716. in 12. J.A. Rottenberger , Diaeta litteratorum. Jenae. 1606. Georg Franci , de Studiorum noxa dissertatio. Jen. 1696. in 12. Tractatus physiologicus, de pulchritudine: juxta ea quae de sponsa in canticis canticorum mystice pronunciantur. Auth. Ernesto Waenico . Bruxellis, Foppens, 1662. fig. in 12. Jacob Ferrands Tractat von der Krankheit der Liebe oder der verliebten Melancolie, Paris, Moreau 1632 in 8. Henrici Kormanni ex Kirchiana chattorum, de Virginitatis jure, tractatus novus et jucundus ex jure civili, canonico, Patribus, Historicis, Poëtis etc. confectus, 1631. – – – Linea amoris sive commentarius in versiculum gl. Visus, colloquium, convictus, oscula, factum. Man findet in diesem kleinen Werk alle Fragen, die man von dem Zustand der Jungferschaft aufwerfen kann, und einige davon sind ganz ausserordentlich besonders: z.E. folgende: num virginitas totaliter perdatur actu venecco? – – – an ex mammarum crossitie arguatur virginitatis amissio? – – – utrum mulier propter arctitudinem separata a primo viro et conjuncta secundo, quando efficitur habilis primo, propter usum secundi, sit restituenda prima? Wie auch diese folgende, welche der Verfasser nicht gänzlich so wie es hätte seyn können, entschieden hat: num Virgo ut propriam sinitatem recuperet, possit sine peccato, medico id petenti, sui corporis copiam facere? Tract. de fenum avaritia Medicorum experientissimorum curam prorsus eludente; foras datus ab. Hermann. Wern. Engelberto de Westhaven S.R.I. Equite Comite Palatino Cacsareo Regiae Borussicae Majestatis Consiliario-bellico, et Domaniorum, etc. nec non Poëta authoritate imperatoria laureato. Geschichte der Kunst schön zu machen: nebst der Art und Weise die Krankheiten der Haut zu heilen, nach der Erfindung des L.P.D.L. an der F.D.M. von P. Paris, Berjon 1616. in 8. Salom. Alberti Oratio de sudore cruento: adjuncta est quaestio, cur pueris non sit interdictum lacrymis; et cur in lacrymis, suspiria, et gemitus sere conjuguntur? Viteb. Lehmann, 1682. in 8. Christian. Warlitzii , Diatriba medico-sacra de morbis biblicis a prava dieta animique affectibus resultantibus, publice exhibita. Vitemb. Ludovicus 1714. in 8. Wilh. Ader. Enarrationes de aegrotis et morbis in Evangelio. Tolosae Bosc. 1621. in 8. Rodolphii Goglenii Phisiologia crepitus ventris et risus. Francofurti 1660. in 8. Thomae Bartholini Paralytici novi Testamenti, medico et philologico commentario illustrati. Lipsid. Wohlfahrt. 1686. in 8. Bernardi Conor Evangelium Medici, seu Medicina mystica de suspensis naturae legibus, sive de miraculis, reliquisque in sacris Bibliis memoratis, quae medicae indagini subiici possunt. Londini, Wollington 1697. in 8. Diese Werke, welche eher als des Mead seine herausgekommen sind, haben ihm den Begrif seines Tractats, der den Titel führet: Medica Sacra, in welchem die vornehmsten Krankheiten, die in der H. Schrift gemeldet werden, vorkommen, an die Hand geben können. Dieser Arzt hat noch ein Werk herausgegeben, dessen Gegenstand Aufmerksamkeit verdienet, und welches den Titel hat: De imperio solis et lunae in corpora humana et morbis inde oriundis. Disquisitio medico sacra de modestia scripturae in rebus verecundis, autore Christiano Warlitzio Med. Profess. publico. Witemb 1702. in 4. de 112. pp. Ejusdem . Scrutinium medico sacrum lacrymarum. Vitemb. 1706. Lorenz Jouberts Tractat vom Lachen, nebst der moralischen Ursache des Lachens des Democritus, und einem Gespräch über die französische Lacographie. Paris, Chesneau, 1679. in 8. Joh. Henr. Meibomii , de flagrorum usu in re venerea, et lumborum renumque officio. Londini 1666. Daniel Paul druckte A. 1760. diesen Tractat des Johann Henrich Meibomius nebst denen seiner Söhne Henrich und Thomas Bartholinus unter dem Titel: de flagrorum usu in re medica et venerea etc. Accedunt de eodem renum officio, Joach. Olhasii, et Olai Wormii Dissertatiunculae. Francof. in 8. Hieronym. Jordanus , De eo quod divinum aut supernaturale est in morbis humani corporis, ejusque curatione liber. Francof. 1661. Vertheidigung der Alten, worinnen gezeiget wird, daß sie alles das schon gewust haben, was die Neuern für neue Entdeckungen in der Arzneykunst ausgeben, von Joubert. Paris, Chardon 1690. in 12. Bartholomaei Montagnanac junioris, Patavini consilium medicum ad Petrum Zonum Venetum, pro illustrissimo et reverendissimo Episcopo et Hungariae Vice Rege, morto gallico Laborante. In Collect. veneta Aloysii, Linsini 1667. Andreae Baccii , de naturali vinorum historia, de vinis Italiae, et de conviniis antiquorum lib. VII. Accessit de factitiis as cervisiis, deque Rheni, Galliae, Hispaniae, et totius Europae vinis, et de omni vinorum usu compendiaria tractatio. Romae, Mutius 1696. fig. in folio. Der Verfasser der Neujahrs-Geschenke an die Bücherkenner, saget im Jahrgang 1760. daß die einige Ausgabe, die von dieser verschieden ist, diejenige ist, die zu Frankfurt A. 1607. herauskame, und daß der gewöhnliche Preiß dieses Werkes sich auf sechzig bis zwey und siebenzig Livres belauft: wenn dieser Verfasser selbiges um diesen Preiß bekommen hat, so hat er einen guten Kauf gethan, denn es wurde solches bey der Inventur der Bücher des Herrn Burette, für hundert und zehen Livres bezahlete Vop. Fortunati Plempii de affectibus capillorum et unguium Tractatus. Lovanii 1662. in 4. Bartholomaei Vicarii de aegrotantium optimo assistente ejusque officio in singulis morbis, libri III. Romae, Ferrarius 1691. in 4. Ant. Santorelli Post praxis medica seu de medicando defuncto, liber unus. Neap. Scorigius 1629. in 4. Medicus Politico-Catholicus; sen Medicinae sacrae, tum cognoscendae, tum faciundae idea. Hieronymi Bardi Geuven. Genevae 1644. in 8. Jo. Herm. Fürstenau Med. Doct. etc. de morbis Jurisconsultorum, epistola. Francof. ad Moenum 1721. Fort. Licetus de iis qui diu viunt sine alimento Patav. 1662. in fol. S. Sturmii discursus medicus de Medicis non Medicis. Witteb. 1663. in 4. Obicius de nobilitate Medici. Mog. 1619. Präservativ wider die Charlatanerie der falschen Aerzte, von Gazola. Leyden 1736. Politick des machiavellischen Arztes. Amsterdam. J. Fred. Matensius de ritu bibendi super sanitate Pontificum Caesarum, Principium etc. Col. 1611. CIV. Ein Pachter begegnete seiner Frau auf einem öffentlichen Spaziergang, nachdem solche schon zehen Jahr lang begraben war. Es pfleget öfters zu geschehen, daß eine Person, die man für tod hält, solches nicht wirklich sondern nur dem Schein nach ist; ja man ist schon bisweilen von dem Schein so weit hintergangen worden, daß man lebendige Personen begraben hat: diejenigen Weiber, die mit Mutterbeschwerungen behaftet waren, sind hauptsächlich die betrübten Schlachtopfer einer solchen Unwissenheit gewesen, wie man solches aus folgender Geschichte ersehen wird. Zwey Kaufleute, die in der S. Honorius Strasse wohnten, und durch eine genaue Freundschaft, einerley Glücksumstände und Handlung, mit einander verbunden waren, hatten jeder von ihnen ein Kind, der eine eine Tochter und der andere einen Sohn, ohngefähr von gleichem Alter. Die ersten Empfindungen, welche der Tochter zu erkennen gaben, daß sie ein Herz hatte, lehrten ihr auch zugleich, daß solches dem jungen Menschen ergeben war, der ihr nicht weniger zugethan war. Diese gegenseitige Neigung wurde durch einen beständigen Umgang noch mehrers unterhalten, welchen die Väter und Mütter um so viel lieber bewilligten, weil sie die Neigungen ihrer Kinder, mit ihren Absichten sie miteinander zu vereinigen, übereinkommen sahen. Man war schon im Begrif die Vermählung zu schliessen, als ein reicher Pachter im Weg kame, und um die Jungfer anhielte. Der Reiz eines viel glänzendern Glückes machte, daß ihre Aeltern ihren Entschluß änderten. Die Tochter gab, ihres bezeigten Widerwillens gegen dieses Werkzeug des Plutus ungeachtet, endlich dem eifrigen Zudringen derer, denen sie das Leben zu danken hatte, nach; sie heurathete den Pachter, und untersagte, als eine tugendhafte Frau dem jungen Menschen den sie liebte, auf ewig ihre Gegenwart. Die Melancolie, in welche sie die verhaßte Verbindung, die sie geschlossen hatte, stürzte, warf sie nieder, und verursachte eine Krankheit bey ihr, in welcher ihre Sinnen dergestalt betäubet waren, daß man sie für tod hielte, und ins Grab legte. Ihr Liebhaber war der letzte nicht, der das betrübte Ende seiner Geliebten erfuhre. Weil er sich aber erinnerte, daß sie vor diesem einen heftigen Anfall einer Schlafsucht gehabt hatte, so schmäuchelte er sich, daß es vieleicht auch diesesmal dergleichen Bewandniß mit ihr gehabt hätte; und diese Hofnung hemmte nicht nur seinen Kummer, sondern trieb ihn auch zu dem Entschluß an, daß er den Todengräber bestache, und mit dessen Hülfe die Verstorbene aus dem Grab nahme und zu sich nach Hauß truge. Er wendete sodann so gleich alle mögliche Mittel an, sie wieder zu sich zu bringen, und war so glücklich, seine Bemühungen mit einem guten Erfolg belohnet zu sehen. Man kann sich leicht vorstellen, wie sehr die wieder vom Tod erweckte Frau erstaunte, da sie sich in einem fremden Hauß und ihren Geliebten bey ihrem Bett sahe, und wie man ihr ausführlich erzählte, was während ihres Todenschlafes mit ihr vorgegangen war. Man brauchte nicht sonderlich viel Mühe ihr zu erkennen zu geben, wie viele Verbindlichkeit sie ihrem Erretter schuldig wäre. Die Liebe, welche sie jederzeit für ihn hegte, war der nachdrücklichste Redner bey ihr. Sie wurde völlig gesund, und weil sie glaubte, daß ihr Leben von Rechtswegen demjenigen eigen wäre, dem sie solches zu danken hatte, so giengen sie miteinander nach Engelland, und lebten daselbst unterschiedliche Jahre lang in der vollkommensten Einigkeit. Nach Verlauf von zehen Jahren bekamen sie Lust, wieder nach Frankreich zurückzukehren; sie giengen demnach wieder nach Paris, und brauchten keine besondere Vorsichtigkeit sich zu verbergen, weil sie fest glaubten, daß sich kein Mensch von ihrer Begebenheit etwas würde beykommen lassen. Der Pachter begegnete durch einen ohngefähren Zufall seiner Frau auf einem öffentlichen Spaziergang. Dieser Anblick machte einen so lebhaften Eindruck bey ihm, den die Ueberzeugung, die er von ihrem Tod hatte, nicht verlöschen konnte. Er machte, daß er sie erreichte; und verließ sie, ungeachtet der verstellten Sprache, welche sie um ihn zu hintergehen annahme, in vollkommener Ueberzeugung, daß sie wirklich diejenige wäre, für die er getrauret hatte. Das Besondere dieser Begebenheit hatte diesem Frauenzimmer solche Reize gegeben, die sie in den Augen des Pachters niemals gehabt hatte, er entdeckte ihren Aufenthalt in Paris, ob sie gleich einige Vorsicht gebraucht hatten, sich zu verbergen, und verlangte sie als seine Frau vor Gericht wieder zuruck. Alle Gründe, womit der Liebhaber seine Ansprüche, die er durch seine Bemühungen an seine Geliebte erlanget hatte, geltend zu machen suchte; da er vorstellte, daß sie ohne seine Hülfe tod seyn würde; daß sein Gegner sich dadurch, daß er sie hatte begraben lassen, aller Ansprüche auf sie verlustig gemachet habe; daß man ihn so gar als einen Mörder belangen könne, da er aus seiner eigenen Nachläßigkeit, die zur Versicherung des wirklich erfolgten Absterbens erforderliche Vorsicht nicht gebrauchet habe, alle diese und tausend andere Gründe, die ihm die sinnreiche Liebe an die Hand gabe, waren vergebens; da er aber merkte, daß bey Gericht der Wind nicht günstig für ihn war, so erwählte er das Mittel, das Urtheil des Processes nicht abzuwarten, und reiste mit seiner Geliebten in fremde Lande, wo sie ihre Lebenstage in Ruhe endigten. Causes celebres, tom. 8. CV. Von einem Mädchen, welches dreymal begraben wurde. Diese Geschichte, sagt Herr Winslow, ist mit solchen Umständen begleitet, die zwar von so sonderlich grosser Wichtigkeit nicht sind, gleichwohl aber mit unserer Materie in einem mittelbaren Verhältniß stehen. ( Dissert. von der Ungewisheit der Kennzeichen des Todes etc.) Ich habe sie von dem Herrn von Egly, der den besten Theil derselben wohl dreyßigmal von der Heldin dieser Geschichte selbst hat erzählen hören. Sie kann gegenwärtig nicht älter als beyläufig dreysig Jahre seyn. Herr Devaux, ein Wundarzt von S. Cosme, in der S. Antons Strasse wohnhaft, hatte zwey Jungfern in seinem Hauß, deren Magd dreymal zu Grab getragen wurde, und die das drittemal nicht eher wieder zu sich kame, als da man sie schon in das Grab hinunter lassen wollte. Die Fertigkeit, die sie erlanget hatte, den Tod so vollkommen nachzumachen, daß jedermann dadurch betrogen wurde, verursachte so viel Mißtrauen, daß man, da sie wirklich sturbe, es nicht wagen wollte, den vierten Irrthum zu begehen; weswegen man sie sechs Tage lang in dem Hauß behielte, ehe man sie begraben liese. Plinius erzählet in dem 52. Cap. des siebenden Buches seiner Naturgeschichte, daß Acilius Aviola, ein Mann von vornehmen Stand, weil er Consul gewesen war, auf dem Scheiterhaufen wieder zu sich kam, und, weil man ihm wegen der Heftigkeit des Feuers, das schon zu weit um sich gegriffen hatte, nicht zu Hülfe kommen konnte, lebendig verbrannt wurde. Dem Lucius Lamia, der Prätor gewesen war, begegnete eben dieser Zufall. Diese beyden grausamen Zufälle werden auch von dem Valerius Maximus erzählet. Coelius Tubero kam glücklicher davon, dann er gab noch zur rechten Zeit Kennzeichen des Lebens von sich, wodurch er dem betrübten Schicksal seiner Mitbürger entgienge. CVI. Von einem Kind, welches man noch lebendig aus dem Bauch seiner Mutter nahme, da selbige schon einen Tag lang im Grab gelegen war, und den besondern Zufällen, die diesem Kind nachgehends begegneten. So fein und zart auch unsere Organa sind, und so wenig öfters dazu erfodert wird, unsern Tod zu befördern, so zeigt sich doch auch aus einigen Beyspielen, wie schwer und mit wie vieler Mühe dieser erste Stoff, der uns belebet, zerstöhret wird. Franz von Civille, ein Edelmann aus der Normandie, war Hauptmann über eine Compagnie von hundert Mann, in der Stadt Rouen, zu der Zeit, da diese Stadt von Carl IX. belagert wurde, und war dazumal sechs und zwanzig Jahr alt. Er wurde zuletzt bey einem Sturm tödlich verwundet, und nachdem er von dem Wall in den Graben gefallen war, so warfen ihn einige Schanzgräber, da sie ihm vorhero seine Kleider ausgezogen hatten, nebst einem andern Körper, in einen Graben, und bedeckten ihn mit etwas Erde. Er blieb daselbst von eilf Uhr vormittags bis um halb sieben Uhr gegen Abend liegen. Sein getreuer Bedienter bemerkte, da er ihn umarmete, noch einige Kennzeichen des Lebens an ihm, und trug ihn in das Haus, wo er zu wohnen pflegte. Er lag daselbst fünf Tage und Nächte lang ohne zu reden noch sich zu bewegen, noch sonst ein Zeichen einiger Empfindung von sich zu geben, war aber so heiß von einem Fieber, so kalt er in dem Graben gewesen war. Nachdem die Stadt mit Sturm erobert worden war, warfen ihn die Bedienten eines Officiers von der siegreichen Armee, der in dem Haus, wo Civille lag, sein Quartier nehmen sollte, in eine hintere Kammer, von welcher ihn die Feinde seines Bruders zum Fenster hinunter stürzten; er fiele glücklich auf einen Misthaufen, auf welchem er länger als dreymal vier und zwanzig Stunden im blossen Hemde liegen bliebe. Nach Verlauf dieser Zeit schickte ihn einer seiner Anverwandten, der sich erstaunlich verwunderte, daß er ihn noch ledendig antrafe, an einen eine Meile weit von Rouen gelegenen Ort, wo er verbunden und versorget wurde, und endlich seine völlige Genesung wieder erlangte. Dieses ist noch nicht alles; die Geburt des Civille ist eben so wunderbar als das was wir gelesen haben, und war gleichsam eine Art der Prophezeyung der zukünftigen Dauerhaftigkeit seiner organischen Lebens-Theile. Seine Mutter starb währender Abwesenheit ihres Mannes mit schwangern Leib, und wurde begraben, ohne daß man das Kind durch den Kaiserschnitt zu retten suchte. Des folgenden Tages langte der Mann an, und erfuhr mit Erstaunen den Tod seiner Frau, und daß man so wenig Sorge für ihre Leibesfrucht getragen hatte: er ließ sie ausgraben und ihr den Unterleib öfnen, aus welchem Civille noch lebendig herausgebracht wurde. CVII. Ein Freyschütz, der zum Galgen verurtheilet war, wird mit Erlaubniß Ludwigs XI. lebendig geöfnet, um den Sitz des Steins kennen zu lernen, und in funfzehen Tagen völlig geheilet, begnadiget und belohnet. Die Toden sind fast bey allen alten Völkern ein Gegenstand der abergläubischen Gebräuche gewesen, welche der weiteren Beförderung und Aufnahme der anatomischen Kenntnissen eine dem menschlichen Verstand sehr schimpfliche Hinderniß im Wege geleget haben. Ein gewisser Pabst im Anfang des vierzehenden Jahrhunderts schämte sich nicht eine Verordnung ergehen zu lassen, in welcher er den Gebrauch, die toden Körper zu zerstücken, abschafte. Dieser heilige Vater, nennet diesen Gebrauch eine abscheuliche Barbarey, die er schlechterdings bey Strafe des Bannes wider die, welche solche ausüben würden, und bey Strafe der Beraubung eines geistlichen Begräbnisses, in Ansehung der auf solche Art zerstückten Körper, verbietet. Sechs und zwanzig Jahre hernach hatten die Aerzte weniger Mühe zu zergliedern und sich unterrichten zu können. In Frankreich wagten sie es so gar, Ludwig XI. der dazumal regierte, die Vorstellung zu machen, daß es sehr nützlich wäre, nachdem unterschiedliche Personen von vornehmen Stand an dem Steinschmerzen, der Colick, und Schmerzen an der Seite litten, wenn man den Ort untersuchen könnte, wo diese Krankheiten veranlasset werden; welches nicht besser geschehen könnte, als wenn man die Operation in einem lebendigen Menschen vornähme; weswegen sie unterthänigst ersuchten, daß man ihnen einen Freyschützen übergeben mögte, der Diebstahls wegen zum Galgen verurtheilet worden, und mit besagten Uebeln sehr stark beschweret war. Der König bewilligte dieses Ansuchen, und man nahm diese Operation in dem Kirchhof von S. Severin öffentlich vor: Nachdem man untersuchet und gearbeitet hatte, sagt die Chronick Ludwigs XI. schob man besagte Eingeweide wieder in den Leib des bemeldten Freyschützens hinein, nähete solchen zu, und heilte ihn auf königlichen Befehl so gut, daß er nach funfzehen Tagen völlig gesund war, ihm seine Verbrechen ohnentgeldlich nachgelassen wurden, und noch Geld dazu gegeben wurde. CVIII. Verdrüßliche Folgen von leichten Verwundungen. Die allerleichtesten Verwundungen haben bisweilen die verdrüßlichsten Folgen nach sich gezogen. Henrich von Heers sahe einen Menschen sterben, weil er sich einen Nagel zu nahe an der grossen Zähe abgeschnitten hatte. Es kam der Krebs dazu, und rafte ihn in wenigen Tagen weg. Hollier redet von einem Wassersüchtigen, der sich, da er seine Nägel abschnitte, in das Fleisch verletzte, und sich hierauf ganz wohl befande; indem er dadurch einen heilsamen Ausgang des Wassers eröfnete, welches ihn würde um das Leben gebracht haben. Eine Frau, die einen Streit, in welchen einer ihrer Söhne verwickelt war, beylegen wollte, starb an einem Schlag, den sie in das Gesicht bekam, nach einer halben Stund, ohne daß man eine Art einer Geschwulst noch sonst eine Veränderung im Gesicht bemerken konnte. »Ich habe einen Menschen gesehen, sagt dieser berühmte Verfasser des Tractats von dem menschlichen Herzen, der mit einem Degen in die Leber verwundet wurde, die Wunde hatte nur ein wenig geblutet, nichts destoweniger muste er in vier bis fünf Stunden daran sterben.« Es hat mit diesen Verwundungen eben diese Beschaffenheit, wie mit den Wunden in dem Gekröse, sie ziehen so wie die Wunden im Magen und in den Eingeweiden die nämlichen Zufälle wie der Gift nach sich; ein kalter Schweiß, Ohnmachten, Zuckungen und eine Krämpfung des Pulses, sind die fürchterlichen Folgen davon. Es eräugen sich eben diese Wirkungen bisweilen bey äusserlichen Verwundungen. »Ich habe nebst dem Herrn Chirac, fähret der oben erwähnte vortrefliche Schriftsteller ferner fort, eine leichte Wunde nahe bey dem grossen Augen-Winkel gesehen. Sie hat entweder nichts zu bedeuten, sagt der Arzt, oder der Verwundete wird bis morgen des Todes seyn.« Es war alles ruhig, der Schmerzen liese nach; in kurzer Zeit darauf wurde der Kranke von Zuckungen überfallen, die ihn hinrafften. Dergleichen Zufälle geben von den innerlichen Ursachen der Krankheiten ein grosses Licht; es giebt unsichtbare Triebwerke, welche die Nerven angreifen, ihre Bewegung schwächen, oder ihnen mehr Stärke geben. CIX. Verwundungen im Herzen. Man muß aber nicht glauben, daß es in Ansehung der Verwundungen bey allen Theilen diese Bewandniß habe. Es ist geschehen, daß die vornehmsten Lebenstheile verwundet, weggeschnitten, oder verrissen wurden, ohne daß der Kranke sogleich daran gestorben ist. Man sollte zum Exempel glauben, daß die Wunden im Herzen jederzeit tödlich und zwar plötzlich tödlich seyn müsten; aber sehr viele Beyspiele beweisen, daß die Entzündung und die Eiterung in diesem Theil des Leibes eben so lang als in den übrigen dauern kann, und daß man dabey nicht in allen Fällen gänzlich verzweifeln darf. Nach dem Bericht des Henrichs von Heers lebte ein Mensch, dessen Herz in der rechten Herzkammer verwundet war, noch zwey Tage lang. Ein anderer, der in eben dieser Herzkammer zweymal verwundet war, lebte, wie Riva meldet, vier Tage lang. Bartholinus erzählet, daß ein Mensch, der an eben diesem Ort verwundet wurde, erst an dem fünften Tag sturbe. Germannus erzählet, daß ein Bauer, der verwundet wurde, noch sechs Tage lang am Leben bliebe, ob gleich die Wunde bis in die rechte Herzkammer eingedrungen war: aber das ist noch mehrers zu bewundern daß ein Mensch, von welchem Caranius redet, dem die Spitze des Herzens durch einen Flintenschuß weggerissen war, noch bis an den siebenden Tag lebte. Mummius Ludens hatte einen Menschen gesehen, der in das Herz verwundet wurde, nach einigen erschrecklichen Zufällen die er bekam, schien er wieder vollkommen hergestellet zu seyn; er hatte schon bereits wieder mühsame Arbeiten unternommen, ungeachtet der Ohnmachten denen er von Zeit zu Zeit unterworfen war; endlich sturb er aber plötzlich; die Ursache seines Todes war ein Eitergeschwür an der Oberfläche des Herzens. Können dann also die Verrichtungen des Herzens, da solche Kranke, die an diesem ersten Bewegungstrieb des Blutes verwundet sind, so lang leben können, ungeachtet der grossen und bey solchen Verwundungen unvermeidlichen Entzündüngen dennoch bestehen? CX. St. Philipp von Neri war dem Herzklopfen so stark unterworfen, daß dadurch zwey Ribben aus ihren Knorpeln getrieben wurden. Einige Arten des Herzklopfens, die aus unterschiedlichen Ursachen entstanden sind. Das Herzklopfen ist bey manchen Personen bisweilen so heftig gewesen, daß nach dem Bericht unterschiedlicher Aerzte, die Ribben, welche das Herz bedecken, dadurch zertrieben worden sind. Cesalpinus, Realdus, Columbus, und Angelus Victorius erzählen, daß St. Philipp von Neri mit einem so heftigen Herzklopfen behaftet war, daß dadurch zwey Ribben aus ihren Knorpeln getrieben wurden; daß diese Ribben sich wechselsweise nach den verschiedenen Bewegungen des Herzens niedersenkten und wieder erhebten, und daß dieser Theil einen ausserordentlich grossen Umfang gehabt habe. Man lieset in den Bemerkungen des Tulpius daß ein Apotheckers-Jung mit so heftigen Herzklopfen behaftet war, daß man solches an der Kammerthüre hören konnte. Die tägliche Erfahrung und die Schriften der Aerzte weisen Fälle auf, aus denen sich ergiebet, daß öfters der Magen die Ursache des Herzklopfens ist: es ist bekannt, daß der Caffee dergleichen bey solchen Personen erreget, die demselbigen sonst nicht unterworfen sind: Herr von Senac hat einen Menschen gekannt, der so gleich damit überfallen wurde, so bald er Linsen asse; es gieng ihm hiemit wie dem Malpighi, bey dem das Herz, so bald als er Hülsenfrüchte asse, so gleich heftig zu schlagen anfienge. Simon Pauli erzählet, daß er im Herbst jedesmal Herzklopfen bekommen, wenn er frisch gewachsene Aepfel geessen habe. Was für besondere Verhältnisse. CXI. Geschichte des Capuciners von Malta; seine Art, das mit Eiß abgekühlte Wasser bey unterschiedlichen Krankheiten zu gebrauchen, und verschiedene besondere Curen von ihm. Man hat vieles von dem Wasser geschrieben, aber seit dem Pindarus, der gesagt hat, daß nichts bessers als das Wasser wäre, hat kein Mensch so erstaunliche Dinge davon geschrieben, die mit den ganz besonders wurderbaren Curen, welche der Capuziner von Malta mit Wasser bewerkstelliget hat, in Vergleichung gesetzet werden könnten. Dieser Vater hiese Bernhard Maria von Castrogianne, und war ein Sicilianer. Er hat zu Palermo so erstaunliche Curen gemacht, daß er, da er A. 1724. in der Absicht nach Venedig zu reisen, nach Malta kam, von unterschiedlichen kranken Rittern ersuchet wurde, auf dieser Insul zu bleiben. Seine Curen, die er vermittelst des Eises und des damit abgekühlten Wassers gethan hat, sind unbegreiflich. Man findet in dem Mercurio von A. 1723. und 1724. unterschiedliche Briefe, in denen sie ausführlich beschrieben sind. Ich will nur einen davon anführen, der schon hinlänglich seyn wird, den Leser in Erstaunen zu setzen. »Merken sie nun, meine Herren, grosse und kleine, auf die Geschichte des Arztes des mit Eiß abgekühlten Wassers. Ein Sicilianer, der seinem Stand nach ein Priester und Capuciner, ein Sohn eines Apotheckers, zugleich Doctor in der Arzneykunst und ein berühmter Chymist ist, und sich seit sechs Wochen allhier aufhält, (dieses Schreiben ist vom 12. Julius 1724. datiret) hat, ich weis nicht ob aus christlicher Liebe, aus Eitelkeit, oder aus Bosheit wider die Facultät, solche Uebel curiret, die, wie man glaubte, den Aerzten ganz unbekannt waren. Bemerken sie folgenden Umstand. Der Graf von Bevern, ein Deutscher, war seit drey Monaten mit einem Herzklopfen, das mit zuckenden Bewegungen begleitet war, behaftet, er spürte einen so heftigen Frost auf der Brust, daß er auch nicht einmal in den Hundstagen die Luft, die doch sehr warm war, vertragen konnte; er war beständig mit Pelzwerk auf der Haut, und über dieses mit Westen und Ueberröcken gehörig bekleidet; ausser dieser Kleidung, die er des Tages über anhatte, lag er noch sehr warm zu Bette, in der Nacht konnte er keinen Finger aus seinen Bedeckungen hervor ziehen, ohne fast zu Eiß zu werden, und Zuckungen zu bekommen. Der Capuciner nahm ihm gleich zum Anfang alle seine unnützen Oberkleider ab, brachte ihn an die Luft, und brachte innerhalb vier und zwanzig Stunden, blos mit ordentlichen Wasser, das aber mit Eiß abgekühlet, und beynahe gefroren war, so viel zu wege, daß der Graf von Bevern weder seine Schwachheit auf der Brust, noch die gewöhnliche Kälte, die er vorhero ausgestanden hatte, mehr spürte; die Zuckungen hörten auf, er schlief zum Verwundern, und befand sich fast schon völlig gesund, sein Herzklopfen ließ sehr stark nach, und alles dieses geschahe in einer Zeit von fünf Wochen.« »Der Commentur Guarena, ein Piemonteser, wurde von der Facultät dem freyen Willkühr, eines Polypi oder Scirrhi (einer harten Geschwulst) übergeben, der sich wirklich angesetzet haben mag oder nicht, übrigens aber an die Seite längst der Leber angewiesen wurde, und so hart war, daß er nicht nachgabe, wenn man ihn mit der Hand anfühlte; äusserlich zeigten sich alle Zufälle eines mit Verstopfungen angefüllten Menschens; ein trockener und hagerer Körper, ein bleiches Angesicht etc. Dieser Scirrhus wurde durch die Wirkung des Wassers erweichet; vierzehen Tage nachher empfand der Patient alle Arten des Schmerzens. Endlich nahm die Härte nach und nach ab, so wie sich in seinem Urin von Zeit zu Zeit eine gewisse Materie wie Kreide zeigte, die so schleimig war, daß man sie mit dem Messer schneiden konnte; und der Herr Guarenna erholte sich von seiner Mattigkeit, sein Gesicht bekam seine natürliche Farbe, und er wurde wieder völlig gesund.« Ein Priester, der ein bösartiges Fieber hatte, kam in drei Tagen wieder auf die Füsse: indem man dem Fieber gleich im Anfang so bald als es für bösartig erkläret wurde, begegnete. Ein Spanier, der Page bey dem Grosmeister war, verlohr sein Fieber, nachdem ihn die Aerzte schon aufgegeben und er das H. Sacrament empfangen hatte, durch Hülfe des Capuciners, in drey Tagen. Er übernahme ihn in diesem Zustand, ließ die Fenster aufmachen, und ihm mit Eiß abgekühltes Wasser einnehmen. Er behauptete, daß er die Wassersucht in kurzer Zeit mit Wasser curiren wollte, und verlangte, daß man ihm dergleichen Patienten übergeben sollte. Der Balley Ruffo lag an einem heftigen Fieber darnieder, das mit einem Durchlauf und Zwang nebst jämmerlichen Schmerzen begleitet war. Da ihm alles nichts helfen wollte, ließ er den Capuciner holen, und nahm Wasser ein; in den ersten vier und zwanzig Stunden war das Fieber und alle Schmerzen weg. Den folgenden Morgen kam der Durchlauf heftiger und gieng eine grüne Materie in Menge von ihm; den dritten Tag sahen wir ihn bey dem Grosmeister, worüber ich mich nicht genugsam verwundern konnte, da ich ihn des Morgens noch in seinem Bett gesehen hatte. Alles was ich ihnen schreibe, mein lieber Herr Balley, das habe ich selbst gesehen und gehöret: ich bin gar nicht sonderlich für das Wasser eingenommen, und glaubte nicht daß solches zu etwas andersts gut wäre, als unsere Gläser zu reinigen, und unsere Rinnen abzuwaschen etc. Die Art seiner Cur war folgende. Man kühlte das Wasser so stark als möglich mit Eiß oder mit Schnee ab, und tranke des Morgens drey grosse Becher davon, und so den übrigen Tag fort, bis auf sechs und dreysig; essen durfte man nichts, und zwar am wenigsten in den ersten Tagen. Wenn man schwach wurde, so gab er dem Patienten des Abends an statt einer Speise zwey oder drey Gläser Wasser mit zwey oder drey Eyerdottern. Nachgehends asse man ein halbes junges Huhn, eine junge Taube, oder zwey bis drey Unzen sicilianische Makaronen nach Beschaffenheit der Umstände etwas mehr oder weniger; so wie der Capuciner den Zustand seines Kranken befindet, so nimmt man weniger oder mehr Wasser und Speisen. Er verlässet seine Kranken niemals, und giebt beständig auf ihren Puls Achtung. Das Wasser ist von der Wirkung, daß es entweder Kopfschmerzen, oder eine ausserordentliche Hitze, Schmerzen in den Eingeweiden, ja so gar den Durchlauf verursachet, und alle alte Uebel wieder verneuert. Sein Mittel wider den Durchlauf ist dieses: er läst den Patienten mit im Eiß abgekühlten Wasser clistiren, und zugleich dergleichen Wasser für die Schmerzen in den Eingeweiden trinken, und den Bauch mit Eiß reiben. Wider die Hitze verfährt er eben so, er reibt den Kopf und den Magen mit Eiß. Wenn sich wiederum Lendenschmerzen, oder ein Fluß zeiget, so wird der leidende Theil mit solchem Eiß gerieben etc. Auf solche Art curirte dieser medicinische Capuciner die mehresten Uebel welche die Wissenschaft, die Kunst und den Verstand eines Arztes auf die Folterbank legten. Galenus hatte eine Art die hitzigen Fieber zu curiren, die von der Art des Capuciners von Malta nicht viel unterschieden war; denn wenn er dem Kranken eine Ader hatte öffnen lassen, so verordnete er kaltes Wasser und zwar in grosser Menge; dadurch wurde die Hitze des Fiebers gedämpfet, und der Kranke schwitzte stark und leicht, und genasse auf solche Art in kurzer Zeit: Wenn Galenus die Kranken des jetzigen Jahrhunderts und zwar hauptsächlich in der Hauptstadt des französischen Flanderns curiren sollte, so würde man ihn daselbst für einen Dummkopf, für einen Schwärmer, für einen Unwissenden und Narren halten, wie öfters sehr geschickte Aerzte, durch das neidische und heimtückische Geschrey einiger Quacksalber, allda dafür gehalten werden, die der Eigennutz der Wundärzte und einiger Mönche gelegentlich zu beschützen weis, damit sie das Vertrauen des Publici desto besser mißbrauchen können. Das Wasser hat, nachdem es auf verschiedene und nach dem Zustand und Temperament der Kranken abgemessene Ärten gebrauchet wird, fast alle die Kraft der andern Arzneymittel in sich: es reizet zum Erbrechen, führet durch, es löset die Verstopffungen auf, ist schweißtreibend, dienet wider den Krampf etc. und vertreibet so gar die Kröpfe. CXII. Sonderbare Antipathien bey Personen von einem erhabenen Rang und Verdiensten. Die Gelehrten, die einigen Ruhm erworben haben, ziehen die Aufmerksamkeit des Publici durch ihre Wissenschaften, und die Grossen durch ihre Posten, die sie begleiten, an sich. Man hat auch so gute Nachrichten von ihren besondern Umständen, daß man mancher Souveränen ihre Privat Lebensart ganz wohl kennet. Fast jedermann weis, daß Jacob II König von Engelland keinen blosen Degen sehen konnte ohne bleich zu werden, und in eine Art einer Ohnmacht zu fallen: daß der alte Herzog von Epernon, der Henrich III. sein ganzes Aufnehmen zu danken hatte, bey dem Anblick eines jungen Haasens in Ohnmacht fiele; daß Henrich III. selbst in keinem Zimmer allein bleiben konnte, wo eine Katze war; aber die, welche neugierig sind dergleichen Beyspiele von sonderbaren Antipathien zu sammeln, wissen auch ganz wohl: daß Erasmus keine Art von Fischen nahe bey sich dulten konnte, ohne das Fieber zu bekommen; daß Scaliger keinen Brunnkreß starr ansehen konnte, ohne am ganzen Leib zu zittern; daß Ticho-Brahe die Farbe veränderte und ihm seine Füsse niederfallen wollten, wenn ihm ein Haas oder ein Fuchs begegnete: daß Hobbesius, wenn er bey der Nacht nur einen Augenblick lang ohne Licht war, fast sogleich aberwitzig wurde: daß Bacon, wie ich hier schon erwähnet habe, so oft eine Mondsfinsterniß einfiele, jedesmal ohnmächtig wurde; daß Boyle Zuckungen bekame, wenn er das Geräusch hörte, welches das Wasser, das zu einem Hahn heraus lauft, machet: daß la Mothe le Vayer, dieser sceptische Weltweisse, keine einzige Art eines Instruments und wenn die Töne desselben noch so wohlklingend waren, leiden konnte, im Gegentheil aber bey dem Schall des Donners, und dem Sausen eines heftigen Windes ganz entzücket war etc. Die philosophischen Transactiones erwähnen eines Capellans bey einem Herzog von Bolston, der in seinem Herzen und auf dem Wirbel des Haupts eine ausserordentliche Kälte empfande, wenn man ihn nöthigte, das drey und funfzigste Capitel aus dem Propheten Jesaias und einige Verse aus dem Buch der Könige zu lesen. Eben so merkwürdig ist dasjenige, was Fabricius Campani von einem gewissen Ritter von Alcantara schreibet: diesem Edelmann wurde es übel, wenn er das Wort Wolle (Lana) aussprechen hörte, ob er gleich öfters wollene Kleider truge. Alle diese Dinge sind unstreitig ausserordentlich sonderbar, wir wollen uns aber doch hüten, nicht sogleich alles dasjenige zu verwerfen, was über den engen Kreis unserer Einsichten hinaus gehet. Wir setzen der Natur nur gar zu oft die nämlichen Gränzen, in welche unser Verstand eingeschränket ist. Wir eignen ihr unsere kurzen Einsichten zu, und wenn es auf uns ankäme, so würde die Natur so schwach in ihren Wirkungen als unser Verstand in Begriffen seyn. CXIII. Von einer violetten Feuerflamme, die mit Ungestümm aus der Schaam einer Frau herausschosse, der man ein Kind mit dem Hacken aus dem Leib genommen hatte. Den 15. December wurde ich beruffen, (sagt Herr le Duc ein ordentlicher Wundarzt zu Paris, der sich durch seine Geschicklichkeit und Frömmigkeit, die er bezeigte, wenn er den Frauen von der Geburt halfe, sehr berühmt gemacht hat) der Frau eines Postknechts des Prinzens von Guimenee, in der Geburt beyzustehen; sie arbeitete schon drey Tage lang, und das Gewässer hatte sich alles verlaufen; das Kind hatte seine Zeit, war aber ohne Leben, und zeigte sich in der natürlichen Lage, der Kopf stack in dem Ausgang, und die Brust war mit einem stinkenden Wasser angefüllet, das in grosser Menge aus einer Oeffnung heraus lief, die ich mit dem Scalpello machte. Bey solcher Beschaffenheit der Sache suchte ich die Leibesfrucht mit dem Hacken herauszuziehen, den ich in den Kopf bohrte, aber weil das fleischige Häutgen dieses Theils schon ganz brandigt, und die Beine der Hirnschale wackelend und von einander stehend waren, so konnten sie die Gewalt des Instruments nicht ausstehen. Die Arme löseten sich mit leichter Mühe von dem Rumpf ab, der in den Mutterwänden klebend bliebe, wo ich ihn mit der äussersten Gewalt heraus risse, indem ich meinen Hacken zwischen die Wirbelbeine im Ruckgrad steckte, die die erfoderliche Stärke hatten, daß ich meine Operation glücklich zu Ende bringen konnte. Aber gleich darauf, nachdem diese Frucht herausgenommen war, und ehe sich noch der Grund der Mutter der Nachgeburt entlediget hatte, schosse eine violettfarbe Flamme, die einen Schwefel-Geruch hatte, und eine Hitze bey sich führte, die zwey Personen welche die Kranke hielten, an den Händen spürten, mit Ungestümm aus der Schaam heraus, und diese entzündete Ausdünstung, welche sich von dem innersten der Mutter einige Schritt weit ausbreitete, füllete, da sie plötzlich verlöschte, das ganze Zimmer mit Rauch an. Dieser Frau, die ohngefähr zwey und zwanzig Jahr alt war, wurden im Anfang ihrer Schwangerschaft die Augen so dunkel, daß sie endlich blind wurde, es war dieses ihre erste Niederkunft, nach welcher sie noch einige Tage lang lebte. Ich könnte, sagt dieser berühmte Accoucheur, mehr als funfzehen Augenzeugen von dieser Begebenheit anführen. CXIV. Eine Art einer einige Zeit lang daurenden Schlafkrankheit welche, nachdem sich zwey Würmer zeigten, wieder vergienge. Wie sehr hängen nicht die Wirkungen unsers Verstandes, die Uebung unserer Vernunft, die Kräften unserer Seele, und dieses unbekannte erste Wesen, das uns beweget, von den Werkzeugen ab, deren Bewegung unser Leben verursachet! Ein geringer Anstoß verursachet öfters einen grossen Schaden unter ihnen, verderbt sie, und bringt sie in Unordnung. Wundert euch nicht, sagt Paschal, daß gegenwärtig der gröste Mensch von der Welt nicht geschickt urtheilet, eine Mücke sauset ihm vor den Ohren; und das ist schon genug ihn untüchtig zur Ertheilung guter Rathschläge zu machen. Wollt ihr, daß er die Wahrheit finden können solle, so verjaget dieses Thier, welches seine Vernunft im Zaum hält, und diese mächtige Einsicht stöhret, welche Städte und Königreiche regieret. Herr Van Swieten wurde geholet eine Frau zu besuchen, die in einen schläfferigen und zuckenden Zustand verfallen war. Sie war eben mit Kastanien braten beschäftiget, die sie über dem Feuer umrührte, da sie plötzlich Sinn- und Bewegungslos in der nämmlichen Stellung stehen blieb. Man suchte ihr einige Hülfsmittel zu verschaffen, aber zwey kleine lebendige Würmer, die sie aus dem Mund von sich gabe, erspahrten dem Arzt diese Mühe. Das besonderste dabey war, daß sie den Augenblick darauf ihre Kastanien wieder anfieng umzurühren, und sich sehr verwunderte, daß sich so viele Leute um sie herum versammlet hatten: sie hatte von allen dem was vorgegangen war, nicht den geringsten Begrif. Haben die Würmer, durch die angewandte Bemühung ihren Ausgang zu suchen, so viele Unordnung erreget? Dieses ist ein durch eine so geringe Ursache veranlaster grosser Zufall. Welcher Arzt würde dieses wohl für die rechte Ursache gehalten haben? CXV. Eine Frau, die täglich bis auf ein Pfund Meersalz asse, bekame die Läuse-Krankheit. Eine gewisse Frau war gewohnt täglich bis auf ein Pfund Meersalz zu essen. Ihr Leib wurde mit kleinen Blattern bedecket, in deren jeder eine Laus war. Man gebrauchte innerlich den Mercurium, und riebe auch die äusseren Theile damit, allein es half alles nichts. Dieses Uebel konnte mit nichts andersts als mit Bädern vom solchem Wasser, in welchem man vorhero Wermuth abgesotten hatte, vertrieben werden. Der vortrefliche Verfasser von dem ich diesen Umstand habe, hat bey einer andern Gelegenheit eben dieses Uebel an einem Menschen gesehen, der fast blos von Fleisch lebte, und hat solches auf die nämliche Art vertrieben. Was hat das Meersalz und das Fleisch für eine Gleichheit miteinander, und gleichwohl erreget es einerley Unordnung. CXVI. Eine Frau, die an den Pocken krank lage, genasse von den Speisen, die sie während des Suppurations-Fiebers zu sich nahme. Manche Kranke sind bisweilen glücklich gewesen, wenn sie ihren Arzt hintergangen haben: Eine Frau von vornehmen Stand, die an den Pocken krank lag, bekam zu der Zeit, da sie das Suppurations-Fieber hatte, eine ausserordentliche Lust zum essen. Sie bat ihre Wächterin so sehr, daß solche ungeachtet des wiederholten Verbots des Arztes für einen Sol Brod in ihrer Brühe gelind aufkochen liese. Sie asse solches ganz auf, und bekam kurz darauf einen guten Schlaf. Da sie erwachte, befande sie sich viel besser als vorher, das Fieber hatte sie fast gänzlich verlassen, und die Blattern, die vorhero nicht zum besten beschaffen waren, zeigten sich ganz schön und von einer guten Art. Die Kranke ließ es hiebey nicht bewenden, sondern fuhr ferners fort gut zu essen, und sich wohl zu befinden. CXVII. Des Herrn Dovars Methode die Schwindsucht mit Erfrischungen und starken Aderlassen zu curiren. Unter allen Krankheiten scheinet wohl die Schwindsucht am allerwenigsten den häufigen Gebrauch des Aderlassens ausstehen zu können. Inzwischen zeigte sich vor ohngefähr dreysig Jahren zu London ein berühmter Arzt Namens Dovar, der sich sonst gar keines andern Mittels wider alle Arten der Schwindsucht bediente, als daß er denen, die von dieser Krankheit entkräftet wurden, dreysig, vierzig, ja wohl funfzigmal zur Ader liese. Man kann sich leicht vorstellen, daß Herr Dovar das Vergnügen nicht hatte, seine Methode zu London ruhig und ungehindert einführen zu können; sie wurde von den Aerzten angegriffen, er wurde selbst angegriffen, wie es die Mode mit sich bringt; was konnte man aber wider einen Mann einwenden, der ihren Spottreden lauter glückliche Fälle entgegen setzte. Dovar curirte, wenn man dem Werk, das er kurz vor seinem Tod herausgabe, 1 Glauben beymessen will, mit seiner Methode alle Schwindsüchtige, die er unter seinen Händen gehabt hatte. Einer meiner Freunde, sagt er, war seinem Ende so nahe, daß er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Ich beredete ihn, daß er sich vierzehen Tage lang, täglich sechs Unzen, darauf in den andern vierzehen Tagen allezeit über den andern Tag wieder sechs Unzen, nachgehends jedesmal nach zwey, dann nach drey Tagen, und endlich alle fünf Tage eben so viel Blut aus der Ader lassen sollte. Dieses war im Monat November: Den dritten Merz darauf kam er einstmalen von Eveshan nach Bristol 2 zu Pferd zu mir, und dankte mir, daß ich ihm zu seiner Gesundheit wieder verholfen hätte. Er lebte noch verschiedene Jahre nachher, ob gleich seine ganze Familie an der Schwindsucht gestorben war. Ich liese einem andern Schwindsüchtigen, mit dem es ebenfals schon auf das äusserste gekommen war, wenigstens funfzigmal zur Ader, der dadurch in kurzem seine Gesundheit wieder erlangte, und sich nachhero besser als jemals befande. Ich hätte noch andere Kranke anführen können, die durch den häufigen Gebrauch der Aderlässen curiret wurden. Es gehörte viele Verwegenheit dazu, sich vorstellen zu können, daß selbige ein so schwer zu heilendes Uebel sollten vertreiben können, und noch mehr, es zu wagen, sie wirklich zu unternehmen. Fußnoten 1 Vermächtnisse eines alten Arztes an sein Vaterland, welche eine Sammlung alles dessen was ihm in einer 49jährigen Praxis begegnet ist, in sich enthalten etc. Haag, 1734. 2 Diese beyden Städte, liegen 47. Meilen weit von einander. CXVIII. Vergleichung des Zwergs Bowrslesky mit dem Riesen Jacob Damman. Der Mensch ist der König der Natur, wenigstens hat man uns solches gesagt, und es ist möglich; wenn man aber den ausserordentlichen Unterschied bemerket, den die Natur zwischen den Gliedmassen des pohlnischen Edelmanns Bowrslesky und diesem Jacob Damman, von dem Platerus redet, beobachtet hat, so muß man gestehen, daß sie bisweilen mit ihrem Herrn sehr zu scherzen pfleget. Herr Bowrslesky war nach dem Bericht des Herrn Grafens von Tressom in einem Alter von zwey und zwanzig Jahren, acht und zwanzig Zoll groß; und Damman war mit zwey und zwanzig Jahren acht Fuß hoch; und seine Hände waren sechs Zoll lang. Dieser Rieß, der sich nur für Geld sehen liese, war A. 1613. zu Basel. CXIX. Einige betrübte Folgen, die daraus entstanden sind, wenn man sich der Liebe gar zu sehr überlassen hat. Man findet in den Werken des Chesnau einige Beyspiele solcher jungen Ehemänner, welche die Schlachtopfer ihrer Leidenschaften geworden sind. Dieser Verfasser sagt, daß er einstmals einen Kranken besuchte, der ein starkes Fieber hatte, und hauptsächlich das Gesicht so sehr aufgeschwollen war, daß es ihm nicht möglich war die Augen zu öffnen; da er der Ursache dieses Zufalls, der ihn in Verwunderung setzte, nachdachte: und der Kranke erst seit einigen Tagen verheurathet war, so glaubte er solche in den Ausschweifungen zu finden, denen er sich in dem Ehestand überlassen hatte. Er ließ, um den Folgen, die er befürchtete, bevor zu kommen, dem Kranken zu Ader, und setzte ihm Schrepfköpfe; allein er konnte den neu verheuratheten Ehemann mit allen seinen angewandten Bemühungen nicht vom Tode retten, der ihn an dem siebenden Tag seiner Krankheit wegraffte. Chesneau redet auch noch von einem jungen und starken Bauern, der seine allzuheftige Hitze, welcher er sich überlassen hatte, eben so theuer bezahlen muste. Er sagt, daß selbiger noch, ausser dieser entsetzlichen Geschwulst im Gesicht, heftige Schmerzen in der Gegend bey den Nieren empfande. Wie klug, wie heilsam ist es nicht also, wenn man zu Zeiten seinen Begierden auf eine vernünftige Art widerstehet! Wer sollte wohl aber übrigens glauben, daß daraus, wenn man dieser unwiderstehlichen Neigung, die die Natur selbst in uns eingepflanzet hat, willig folget, und sich ihr überlässet, eine Ursache des Todes entstehen könne! CXX. Eine durch die Verschneidung curirte Tollheit. Ist wohl das Beyspiel dieses Samuel Formius, dessen Bemerkungen den Bemerkungen des Riviere angehänget sind, von solcher Beschaffenheit, daß es nachgeahmet zu werden verdienet? Es wurde ein junger Mensch, der wahnwitzig geworden war, seiner Besorgung anvertrauet. Er versuchte eine unbeschreibliche Menge von Hülfsmitteln, auch so gar das Trepaniren, und die Oeffnung der Pulsader an seinem Patienten, aber alles vergebens; endlich machte er einen Abelard aus ihm, und erreichte dadurch den Endzweck, ihn zum Theil wieder zu seiner Vernunft zu verhelfen. CXXI. Von einem Mädchen, der fast alle Gebeine an ihrem Leib durch eine innerliche Ursache brachen. Den 8. Merz 1690. kam ein Mädchen von ohngefähr dreysig Jahren in den Kranken-Spital, welche seit vier Monaten an ihrem ganzen Leib ausserordentliche Schmerzen empfande, ohne daß doch einiger Anschein eines Fiebers vorhanden war. Sie konnte aber doch ungehindert gehen und andere Bewegungen machen: wenn man sie aber nur anrührte, so fühlte sie grossen Schmerzen. Drey Monat nachher, da sie das Bett hüten muste, weil sie nicht mehr gehen konnte, brachen alle ihre Gebeine dergestalt, daß man sie nicht berühren konnte, ohne einen neuen Bruch zu verursachen, und ihre Schmerzen wurden immer heftiger. Man öffnete sie, und fande, daß die Oberschenkel, die Schienbeine, die Arme, die Schlüsselbeine, die Ribben, die Wirbelbeine, und die Hüftbeine zerbrochen, und kein Bein an ihrem ganzen Leib ganz geblieben war. Sie waren so dünn und zart, daß man sie nicht zwischen den Fingern halten konnte, ohne daß sie in kleine Trümmer zerbrachen, die so weich wie eine feuchte und faule Baumrinde, und mit einem röthlichen Mark so stark angefüllet waren, daß sie in dieser Gestalt völlig zu zerschmelzen schienen. Die Beine der Hirnschale fielen wie die Hirnschale eines vierzehentägigen Kindes, unter den Fingern zusammen; die Knorpeln und die Gelenke hatten keinen Schaden gelitten. Die innern Theile waren ganz gesund, und man konnte in ihrem ganzen Körper kein Kennzeichen einer vorhergegangenen Krankheit finden. Man weis zwar, daß die Franzosen die Beine anfressen können, diese waren aber im Gegentheil wie zerschmelzet, und erweichet; wie war aber die Art der Auflösung beschaffen? Fiat lux. Journ. des Sav. 5. Fev. 1690. CXXII. Ein Ordensgeistlicher lacht in einem bösartigen Fieber bis an seinen Tod. Platerus erwähnet eines bösartigen Fiebers, welches mit einem bey dergleichen Krankheiten ganz ungewöhnlichen Zufall begleitet war. Dieses eräugete sich bey einem Pater Prior, der das Fieber hatte, und in dem heftigsten Anfall desselben, einen so starken und wider seinen Willen erzwungenen Trieb zum Lachen bekam, daß er keinen Augenblick lang dafür schlaffen konnte; man mogte ihm sagen was man wollte, und er mogte sich selbst so sehr bemühen als es ihm möglich war, es konnte ihn nichts davon abhalten, er lachte bis an seinen Tod. Felicis Plateri, obs. lib. 10. p. 167. Ende des ersten Theils.