Marianne Ehrmann Philosophie eines Weibs Von einer Beobachterin [Motto] Principium dulce est, sed finis amoris amarus: Læte venire Venus, tristis abire solet. [Vorrede] Vorrede Ist das eine Vorrede? – Das weis ich in Wahrheit selbst nicht, denn mein Plan ist sonderbar, und noch sonderbarer vielleicht seine Ausführung. Sonst das Wesentliche einer Vorrede, das Lob des Werks lasse ich geflissentlich hier weg, weil es blos Thatsachen schildert, die eine meiner Freundinnen, ein Frauenzimmer, das überall mit richtiger Beurtheilung von dem Aeußern auf das Innere zu schließen vermochte, aus Beobachtungen der Handlungen, – aus dem Vertrauen ihrer Freunde und Freundinnen, – kurz – aus der Nebenmenschen Schicksalen sich sammelte. Zu gerne entlehnte ich dann aber doch noch das Ansehen einer Vorrede, um dieser meiner Freundinn öffentlich für das Vertrauen zu danken, womit sie mir ihren Aufsatz, nach Willkühr und Gutbefinden in allem abzuändern, übergab, und um mich zugleich bey ihr zu entschuldigen, wenn vielleicht hie und da eine launigte Stelle, die das Gepräge der Heiterkeit ihrer Schöpferin an der Stirne trug, unvorsätzlich unter meiner Feder ins ernsthaftere sich umwandelte. Dazu ist schon unsre Natur gestimmt, und selbst im Gemählde der Welt ist der männliche Ernst Schatten gegen dem weiblichen Witz, der so oft Licht verbreitet. Was aber den Vortrag, den Zusammenhang dieser Skitzen betrifft, so muß ich nur selbst bekennen, daß ich weniger darauf bedacht war, als auf den Wunsch, daß nur einige wenigstens aus dem guten Rath, den gemeiniglich die Erfahrung eines dritten zu geben pflegt, den Theil, der ihrem Zustand der nächste ist, herausnehmen, – und unvermerkt diese Wahrheit liebgewinnen möchten: daß sie nie Friede in ihrem Herzen, nie Beruhigung in ihren Begierden finden werden, wenn sie je die Hallen des Leichtsinns betreten. [Philosophie eines Weibs] Alle Herzen sind zu fühlen geschaffen, und alle Vergnügungen scheinen gemacht zu seyn, der Seele Liebe einzuflößen. Durch sie werden die grösten Männer schwach, und das ist der unglückliche Zustand des Menschen, daß ihr die vollkommneste Klugheit, und die gewissenhafteste Frömmigkeit zu entgehen Mühe haben. Von allen Leidenschaften ist Liebe die allgemein herrschende, und ich darf beynahe sagen, daß sie die einzige ist, der ehrliche Leute frohnen, denn – man wird den ehrlichsten Mann, das ehrlichste Weib – verliebt sehen. Und der Sieg über sie ist nur dem Mißtrauen in sich selbst, und der Flucht gewähret. Ein elendes Ding ist daher ein Frauenzimmer ohne System gegen die Liebe – gegen die Männer. Hat sie noch dazu das Unglück, Reitze und Gefühl zu besitzen, – Stoff genug, daß sie jede Gattung von Schmetterlingen, die nur der Schönheit und ihrem Genuß nachflattern, immer auf dem Fuß verfolgt. Diese Weichlinge werden sich ihr unter verschiedenen Masken darstellen, und unter eben so vielen Künsten ihre Wünsche verbergen, um endlich zu siegen. Uns widersteht kein Mädchen, kein Weib: ist der gewöhnliche Machtspruch dieser Helden, und die mächtigsten Stützen dagegen sind Entschlossenheit, Stoltz und Geschmack eines Weibs in ihrer Wahl. Ich liebe meinen Körper zu sehr, um ihn so geradezu zum Mißbrauch so vieler Undankbaren zu bestimmen, und nur eine Dumme, Verdorbene kann niedrig genug seyn, bey jedem Angriff das Werkzeug der Bedürfniß der Männer zu werden. Ewige Schande dem Niederträchtigen, der ein Herz kauft, und die Liebe zum Miethling macht! Wißt Elende, daß ihr die Urheber so vieler Laster, die die Erde decken, und all des Schimpfes seyd, die diesen unglücklichen gefallenen Geschöpfen zu Theil wird. Die Einfalt eines Mädchens mißbrauchen, ist unwürdig eines ehrlichen Mannes, und wenn sich erst dann derer manche mit der Beute eines so armen vertraulichen Geschöpfes pralen! – O das ist wahrlich ein rührender Heldenzug! ein wackeres Verdienst! Bedenkt ihr dann nicht, daß, wenn wir Frauenzimmer wirklich so schwach sind, als ihr behauptet, euch eben darum unsre Eroberung wenig Mühe koste, und euer Triumph von keinem Werth seye? Schreibt nicht alle eure Schwachheiten auf unsre Rechnung, denn gab euch gleich die Natur das Recht, uns aufzufordern, so billigt sie doch deßwegen die Bosheit nicht, euch sogleich vor uns wieder zu eckeln. Die Natur gestattet euch eben so wenig, als uns den Mißbrauch ihrer Triebe, und doch führt ihr politische Grundsätze zu eurer Bequemlichkeit ein, – und doch verdammt ihr die Ausschweifungen eines Weibes weit mehr, als die eurigen? – Unbegreiflich scheint es mir, wie ihr strengen Schwärmer von schwächern Nerven eine standhaftere Zurückhaltung fordern könnt! – oder hängen hier in diesem Fall nicht beyde Geschlechter gleichviel von einer unglücklichen Minute ab? – Zwar folgt ihr Männer nur gar zu gerne der Stimme eures Temperaments, und die meisten unter euch können Liebe nur nachaffektiren, weil ihnen ihre fingerdicken Nerven dieß heilige reelle Gefühl nicht wirklich zuzulassen scheinen. Wie gerne würde ich nicht beyden Geschlechtern jenes unwillkührliche Verlieren der Liebe zu gute halten, wenn Taumel der Liebe sie entschuldigen könnte! – Aber garstiger Trieb, niedrige Absichten, Interesse, Geilheit, Vieherey sind meistens ihre Triebfedern. – Die ersten Rebellen gegen verdienstvolle enthusiastische Liebe sind meistens die Männer. Viele davon befriedigen blos ihre Lüsternheit, und lohnen uns mit kaltem Undank, wenn wir schwach genug waren, sie befriediget zu haben. Mir scheint, der Gebrauch sinnlicher Lüste ist solcher Art Männer schon so zur Gewohnheit geworden, daß sie die bangen unverkünstelten Gefühle eines braven Mädchens von den schändlichen Trieben halb verfaulter Kreaturen nicht mehr zu unterscheiden wissen. Haben sie dann nichts mehr zu wünschen, so sumsen sie wieder weiter, denn Leichtsinn ist nun einmal der Hauptzug in dem Karakter so vieler Männer. Zwar lernen sie leider nur zu oft das Betrügen von uns Weibern, und betrügen uns dann wieder, wenn sie Anlaß dazu finden. Aber wehe! wenn dies Loos eine Empfindsame trifft. – Ausgeschämte, feile Dirnen bezaubern den Mann nach und nach; – sie ziehen ihn durch Buhlerkünste an sich, und wenn sie ihn einmal fest haben, so ist er auch gewiß schon verlohren. Zum Sklaven machen sie ihn. Bald drohen sie, – bald reitzen sie, – bald zanken sie, – bald kriechen sie; – bis endlich der Kopf des Mannes zu einem Chaos von Leidenschaften wird, und er selbst zum Kinde zu werden anfängt. Ein unbedeutendes Wesen kriecht er zu jeder Niedrigkeit, die seine Buhlerin von ihm fodert, und umarmt willig ihren Schatten, wenn sie es in natura zu erlauben sich weigert. Er wimmert und seufzt bange um ihr Herz, und hat nicht genug gesunden Menschenverstand zu überlegen, daß sie keines habe. Interesse und Eitelkeit sind die Abgötter, denen er opfern muß, und sein Lohn ist – Spott, Verachtung und Undank. Der gutherzige verliebte Thor sieht oft erst eine kleine Spur, die Befriedigung seiner Wünsche erkauft zu haben, während daß ein anderer kühnerer Nebenbuhler sie schon lange vor ihm gänzlich befriedigte. Wer bey solchen Weibsstücken am meisten zahlt, ist ihr Besitzer, und nicht Zärtlichkeit muß man bey ihnen suchen, denn ihre Herzen sind löchericht, und feines Gefühl ist ihnen fremd. Sie verkaufen ihre Körper ohne Seele, und genießen alles mechanisch. Es giebt zwar Männer, deren Einsicht ihnen alles dieses zum Voraus schon schildert, die aber dennoch zu schwach sind, sich von so wurmstichigen Seelen loszureißen, ungeachtet sie nie das seelige Vergnügen der Harmonie mit solchen Insecten genießen können. Langweilig und mißvergnügt schleichen die Stunden ihres Umgangs vorbey, und so lassen sich die Wollüstlinge taumelnd nachschleppen, bis der Betrug ihrer Buhlerin zu klar wird. Warum aber sind die Männer nicht vorsichtig genug, unser Geschlecht zu prüfen? Und warum fängt dann auch ihre Leidenschaft gleich mit solcher Hitze aufzubrausen an? Wenn ein niedliches Gesichtchen, ein leichter Gang – ein schlanker Wuchs – und eine kleine Dosis tändelnden Witzes – Dinge sind, die einen Mann bezaubern, so ist er schon weg, ehe er noch einen Blick in das Herz des Mädchens warf! O gute Männer! wüßtet ihr nur, wie so mannigfaltig auch das Herz eines Weibs ist! – Grillen – eitle Wünsche – Eigensinn – Verstellung – Thorheit – und Bosheit wohnet darinn. Eine Buhlerin, eine Eigensinnige, eine Filzige, eine Vielsprecherin, eine Witzige, eine Einbilderische, eine Fantastin, eine Närrin, eine Gelehrte machen einen Mann gewiß nicht glücklich; diese Weiber sind für ihn das, was in der Hölle Teufel und Furien seyn sollen. Die einte affektirt Uebelkeiten, Blähungen, Migraine, um ihren Liebhaber in der Besorgniß zu prüfen; und eine andere klagt über Härte des Schicksals, Unglück und Verfolgung, um sich sein Mitleiden zu erbetteln. Eine dritte sucht unaufhörlich Zwistigkeiten, und zankt immer deßwegen unbarmherzig, wie ein Satan, um die Geduld ihres Anbeters nach der Wunderlichkeit ihres Humors abzumessen; eine vierte witzelt bey jeder ungereimten Gelegenheit, um desto sicherer den Witz ihres Gesellschafters untersuchen zu können. Eine fünfte ist schmachtend, um ihn auch schmachten zu lehren; eine sechste traurig, und will ihn par Sympathie zu Thränen zwingen; eine siebende ist äußerst grob, und läßt ihn's fühlen, daß sie ihn sklavisch behandle; und eine achte will sich durchaus nicht widersprechen lassen, um gelehrt zu scheinen. Nur Unschuld und Tugend eines Mädchens kann glücklich machen, und derjenige, der um der Befriedigung seiner Liebe willen heyrathet, ist ein Thor, und wird hierüber sein Unglück fühlen. Bald wird ihm vor der Wollustsspeise eckeln, und dann wird ihm dieses Grausen gar zu einem verzehrenden Gift und sengenden Fieber werden. Wenn Liebe einen physischen Endzweck zum voraus setzt, so stirbt sie, so bald sie ihn erreicht hat. Je höher man aber den Werth ihres Genußes setzt, desto gesicherter ist sie für Eckel. Erst auf das moralische muß das physische folgen. Denn wenn der Körper seine Abkühlung genossen hat, so bleibt er blos Maschine, und sehnt sich bey neu entstehendem Bedürfniß wieder mechanisch nach nöthiger Erleichterung. Daher so viele Männer Sklaven ihrer Bedürfnisse werden. Durch Gewohnheit zögeln sie sich selbst ihr Temperament, und suchen die garstigsten, niedrigsten Gegenstände, um ihren Lüsten nach Hundes Art den Lauf zu lassen. Mangel an gutem Geschmack ist hievon eine der ersten Ursachen, sie haben aber auch oft zu leere Köpfe, um sich selbst ein wahres Gefühl zu schaffen, und den Gebrauch davon am rechten Ort zu bestimmen, denn sonst würden sie ihre Triebe besser zu nützen wissen. Vielen fehlt es an der Erziehung. Sie werden roh und ohne Point d'honneur erzogen, und so handeln sie eben roh fort, ohne sich im mindesten vom gemeinen Pöbel zu unterscheiden. Nicht daß man die Jungen unsrer Zeit mit überspannten Ideen anfüllen, oder sie nach Vorschrift so mancher süßer Romane das itzt so sehr beliebte Empfindeln lehren solle: aber sie den mäßigen, richtigen Gebrauch ihrer Triebe lehren, das ist die Pflicht eines jeden, der für die Erziehung sorgt. Studieren soll man die Leidenschaften eines Kindes, sie in ihrem Keime bezähmen, aber nie ganz unterdrücken. Die Quelle zu den schönsten Handlungen würde man in ihnen verstopfen, und ihre Leidenschaften stürmten dann nur mit doppelter Stärke los. In den reifern Jahren der Jugend muß man ihr von dem Zustand des Menschen und allen seinen Leidenschaften kein Geheimniß mehr machen, sonst möchte sie aus Neugierde auf Abwege, und aus Dummheit ins Verderben gerathen. Man muß sie die Liebe aus ihrem Sehnen, aus ihrer Ungeduld, aus ihrem Schmachten, aus ihren stürmenden brausenden Empfindungen erkennen lehren, damit sie selbst auf ihrer Hut dagegen seyn kann, und nicht etwa dieses entzündete Feuer in Adern und Nerven fälschlich für Freundschaft zu ihrem Nachtheil nähre. Welche reitzende Bilder einer tugendhaften Liebe kann man ihr nicht vormahlen? Und wer ist weicher, sanfter, nachgiebiger, als ein Lehrling der ersten Liebe? – Er ist schüchtern in der Liebe, und daher lehre man ihn Tugend, Güte des Herzens, und Hochachtung in dem Gegenstand seiner Liebe suchen, und er wird selten bis zur Geilheit ausarten, weil reelle Verdienste seine Einbildungskraft beschäftigen. Enthusiastisch verliebte Menschen sind meistens gutherzig, – die Liebe belebt alle ihre Handlungen, – eine Kleinigkeit wissen sie sich zum Paradies zu schaffen, – sie sind wohlwollend gegen ihre Mitmenschen in Gesinnungen und Handlungen, und lohnen sich selbst mit der Ueberzeugung ihres feinen Gefühls. Eine gewiße stumme Schwärmerey beschäftiget ihre Einbildungskraft, – allenthalben begleitet sie das reitzende Bild ihres geliebtesten Gegenstands, im Traume der Mitternacht sprechen die beyden Vertrauten, wie zwey schwesterliche Seelen in geheimen Unterredungen mit einander, und so genießen sie das sprachlose Entzücken der denkenden Liebe. In düstrer stiller Einsamkeit denken sie sich ihre eigene Welt, und fliehen das Geräusch, worinn schon so mancher seine Rechtschaffenheit und seine Gesundheit verlohr. – Vernunft wirkt viel eher auf ein stilles Wesen, als auf jene Menschen, die taumelnd zerstreut ihre Sinne betäuben lassen. Liebe wirkt in jedem Geschöpfe der Erde, und eine unerkannte, blos gefühlte Macht herrscht durch die ganze Natur: sie erfüllt das kleine Gehirn des Vogels mit dem Bild eines Gatten, und schwellt sein Herz zu gedoppelten Schlägen empor, wenn der Geliebte sich nähert; sie entzündet das Feuer in den Adern des Elephanten und des Gewürms, das unser Auge nur durchs Glas erkennt; sie ruft durch die ganze organisirte Schöpfung mit mächtiger lauter Stimme: – liebt euch! – Alles, was Odem hat, gehorcht diesem Befehl, und selbst das empfindungslose Gewächs wird von dem allgewaltigen Ruf erschüttert, neigt sich verliebt zu dem andern hin, oder haucht seinen Staub, wie Seufzer der Liebe in den Wind aus, daß er der fernen Gattin ihn zutrage. Das Thier muß den Ruf dieser allgemeinen Herrscherin erwarten, und der Mensch ist ihre Wohnung, sie strömt in seinen Adern und in den Lebensgeistern seiner Nerven; und in Blut und Nerven bleibt immer ein Funken – immer das Eigenthum der thierischen Natur – ein Funken, den tausend Ursachen anschlagen, und zur Flamme erwecken, ohne die Erlaubniß der Seele abzuwarten. Die Vernunft allein hält diese Macht im Zaum, und dämmt ihre Hitze, wie ein kühles Sommerwetter, wo uns so wohl, so leicht ums Herz wird; – sie hat das Licht der Sonne, ohne ihre Glut. Durch Erziehung wird ihr Gebrauch verfeinert, und daher der Unterschied, mit dem ein lasterhaftes – und ein Herz liebt, – wo Tugend wohnt. Die angenehmsten Stunden bringt dieses darinn zu, weil es immer vorsichtig genug ist, sich nie zu viele Freyheit zu erlauben, da sie indessen jenes muthwillig mißbraucht, und es nicht selten bis zur schändlichsten Ausschweifung treibt. Die Liebe herrscht über jedes Alter: das gefährlichste aber ist die Jugend. Die Liebe ist wachtbar, und kaum hat sich die Natur entwickelt, so schlägt sie Wurzel, und ihre ersten Wirkungen sind gemeiniglich furchtbar. So lange unser Verstand noch nicht reif ist, überlegen wir nichts: sind wir aber einmal vernünftig, so überlegen wir in der Liebe gerne zu spat. Die Liebe ist boshaft: wir sollen sie daher fürchten, und ihre Bosheit scheuen; denn nur zu oft enden sich dem Schein nach reine und uneigennützige Bekanntschaften traurig. Wir sind schwach, und wir müssen also uns und die Liebe kennen lernen, und behutsam seyn. Die Gefahr nicht einsehen, ist Blindheit; das Verderbniß unsers Herzens nicht befürchten, ist Vorurtheil; wenn man aber nicht unüberwindlich ist, muß man sich schon für überwunden halten? Unterstützen wir unsre Tugend durch Vorsicht und Wachsamkeit, stärken wir sie durch unveränderliche Ehrfurcht fürs andere Geschlecht, und durch behutsames Verrathen unsrer Empfindungen! Wenn zu strenge Weisheit mehr Rauhigkeit und Schüchternheit als Tugend das andere Geschlecht zu fliehen uns eingäbe, so würde nach und nach die Lebhaftigkeit unsers Geists sich verlieren, und statt eines Genies, das zu gefallen sucht, würde man dann nicht mehr, als das Trockene einer übel verstandenen Philosophie finden. Eine lebhafte und reine Verbindung zweyer Personen beyderley Geschlechts nennen wir zärtliche Liebe. Sie ist die seltenste und die schmeichelhafteste, und wer diesen Schatz findet, ist reich genug. Frey und freundlich, immer aber ehrerbietig mit dem andern Geschlecht leben, heißt sich, ohne die Klugheit zu verletzen, die süßesten Vergnügungen verschaffen. In dieser Verbindung herrscht so eine Uebereinstimmung der Gemüther, so eine Artigkeit in den Sitten, und solcher Geist, daß man's rohen Leuten auf gewiße Art nicht verdenken kann, wenn sie nicht glauben, daß man solch' eines Umgangs genießen könne. Auch pflegt man gewöhnlich dem Schein nach, und eben daher falsch zu urtheilen; und wenige haben Verstand genug, um nicht die Wirkungen dieser Art Liebe mit jenen der Sinnlichkeit zu vermengen. Leicht kann man sich zwar dabey irren; soll man aber deßwegen einen braven Mann zum Einsiedler machen, und eine wackere Frau von der bürgerlichen Gesellschaft ausschließen, weil beyde auf die Achtung der Kenner Anspruch zu machen Verdienste haben? Weder einen Andächtler, noch einen Wollüstling muß man hierinn zu Rath ziehen, sondern einen rechtschaffenen Mann, der sich nie eine vernünftige Freude versagte. Schweifen wir nicht in unnöthige Zweifel aus, und sind wir gewissenhaft, wo wirs seyn sollen! Wenn wir das Böse meiden, und das Gute thun, so sind wir berechtiget, die Thoren zum Stillschweigen zu bringen. Das Wort Liebe wird aber auch so oft entheiliget, so oft von Menschen mißbraucht, daß es einem innerlich grauet, wenn man das Menschen seligstes Gefühl unter dem Namen des Lasters gebrandmarket sieht. Alles nennt man Liebe, und was die Menschen Liebe heißen, ist oft nur Eitelkeit, Eigensinn, Temperament, Sinnlichkeit, Vieherey. Die wenigsten kennen sie, die Schöpferin alles Guten. – Sie muß unwillkührlich entstehen, – frey handeln, – und edel sich entwickeln. Es giebt Menschen, die ein anderes Geschöpf blos um ihrer selbst willen lieben; theils ihren Stoltz zu kitzeln, theils ihrer Eitelkeit Nahrung zu geben. Untersuchen sollte man eben erst in solchen Fällen, und nicht so blind weg der Ueberraschung seiner Sinne glauben; denn Menschen und die Welt kennen lernen, ist für die eine Nothwendigkeit, die im gesellschaftlichen Leben ihre Tage zu durchwandern bestimmt sind. Auch wenn die Frauenzimmer sich selbst ein bisgen in ihr Herz schauten, so wäre es so übel nicht. – Oder wollen sie und mögen sie nicht denken lernen? – Zu meiner eigenen Schande muß ich's gestehen, daß es beynahe so etwas seyn muß, weil wir so viele dumme Maschinen, eitle Docken, und ausschweifende Dirnen haben. Alles hängt eben von der Erziehung ab, und es wird ihnen dann jede Grille, jede Laune und Kapritze selbst lächerlich werden, und Weiber mit Kopf und Herzen geben statt so vieler namenloser Mißgeburten von allen Schwachheiten zusammengesetzt. An der Erziehung von Kindheit auf liegt am mehrsten, und die erste Sorge soll seyn, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Die Schärfe derjenigen, die die Kinder erziehen, ist immer Ursache, daß diese ihre besonderen Vertraute suchen; sie würden ihnen sicher nie was verhehlen, wenn sie nicht dazu gezwungen würden. Sie sind ihre erste natürlichen Vertrauten; man sieht es an der Begierde, mit der sie ihnen jeden Gedanken zu entdecken eilen, den sie nur erst halb gedacht zu haben glauben, ehe sie ihn ihren Aufsehern erzählten. Wenn sie nun keine Vorwürfe, keine Verweise, keine Strafen darüber zu befürchten haben, so werden sie immer alles sagen, und man darf sicher seyn, daß sie nie was verhehlen werden. Die Erziehung der Mädchen ist von jener der Knaben verschieden, weil sie weder im Charakter, weder im Temperament noch gleich sind, noch gleich seyn müssen. Nach der Anordnung des Schöpfers der Natur müssen zwar beyde Geschlechter übereinstimmend, aber nicht gleich arbeiten; der Zweck der Arbeit ist gemeinschaftlich, die Arbeit selbst aber ist verschieden. Der Mann und das Weib sind zwar für einander geschaffen, ihre beyderseitige Abhängigkeit aber ist ungleich. Des Mannes Vergnügen macht ihn vom Weib abhängig, und des Weibs Vergnügen und Nothdurft macht sie abhängig vom Mann, der immer eher ohne sie, als sie ohne ihn bestehen könnte. Die Erziehung des weiblichen Geschlechts muß also immer auf jene des männlichen sich beziehen, weil die Pflichten des Weibs blos darinn bestehen: dem Mann zu gefallen; ihm nützlich zu seyn; sich geehrt und beliebt bey ihm zu machen; ihn in der Kindheit zu erziehen; im Alter zu pflegen; ihm zu rathen; ihn zu trösten; und ihm das Leben angenehm zu machen. Arbeitsam und munter müssen die Mädchen erzogen werden, und ihre Strafen müssen immer kontrastmäßig seyn. Man muß sie nicht zu weich halten, damit sie nicht, wie unsre itzigen wächsernen Damen über jedes Lüftchen Schnuppen bekommen, und frühe ihrem Willen Zwang anthun, damit sie ihn desto leichter andrer Willen zu unterwerfen angewöhnen. Ohne ihnen unaufhörlich zuzurufen: daß sie klug, daß sie weise handeln sollen, kann man jungen Leuten Liebe dafür einflößen, wenn man sie den Werth der Tugend fühlen lehrt, und den Vortheil zeigt, der aus ihr entsteht. Es ist nicht genug, daß man diesen Vortheil von ferne, und erst in der Zukunft suche; man muß ihn gegenwärtig, in den Verhältnissen ihres Alters, und in dem Charakter ihrer Geliebten ihnen zeigen. Man muß ihnen einen rechtschaffenen, verdienstvollen Mann vorstellen, sie ihn erkennen, lieben, und um ihres Glückes willen lieben lehren; man muß sie überzeugen, daß nur dieser sie glücklich machen könne. Schon in den ersten Jahren der Kindheit soll eine weise und verständige Mutter tief in das zarte und gelehrige Herz ihrer Tochter die Lehre einprägen: daß in ihrem Leib was wohne, das edler ist, als er; daß sie durch dieses der Gottheit, wie durch jenen dem Nichts verwandt seye; daß dasselbe all ihrer Sorgfalt würdig sey, und daß sie, nachdem sie es anbaue, glücklich oder unglücklich seyn werde. Sie soll in den Jahren, die man am mindesten der Aufmerksamkeit würdig glaubt, ihre noch zarte Empfindungen mit kluger und geschickter Hand bearbeiten, und denselben den glückseligen Schwung geben, welcher der natürlichen Unart entgegen gesetzt ist, – durch den man sich und andere glückselig macht. – Und wenn die milde Natur diesem Kind auch den allerschönsten Körper mitgetheilt hätte, so würde es sich dennoch schämen, wenn nicht seine edle Seele denselben überträfe. Den Eigenwillen, der in den jungen Herzen die stärkste und gefährlichste Neigung ist, soll sie mit der liebreichsten und zärtlichsten Sorge ihrer Tochter benehmen, und sie frühe gewöhnen, zu sehen, und zu ertragen, daß meistentheils das Gegentheil, was wir wünschen, geschehe. Die Tochter wird dann so glücklich, wenn ihre Wünsche erfüllt werden, allzeit erfreut, und niemals murrisch zu seyn, wenn ihr dieser Vortheil versagt werden sollte. Die Eitelkeit ihrer Tochter soll sie dadurch hemmen, daß sie den edlen Trieb sich vollkommener zu machen, und sich hervorzuthun, bey ihr auf grosse, und des Adels ihrer Seele würdige Gegenstände wende, und sie dasjenige verachten lehre, was kleinen Seelen so groß dünkt. Sie zeige ihr, daß Schönheit ohne Sitten, Witz ohne Verstand, und Reichthümer ohne die Kunst sie zu gebrauchen nicht nur den Werth des Menschen nicht erhöhen, sondern ihn vielmehr schmälern. Dann wird ihre Tochter unter den Häßlichen niemals stoltz, unter den Dummen niemals einbilderisch, und gegen die, welche ihr am Reichthum nachgeben, allzeit demüthiger seyn, als gegen die Reichen. Immer muß Vernunft der Tugend Führerin seyn: man muß zwar junge Mädchen die Herrschaft ihres Geschlechts fühlen lehren; man muß ihnen aber auch beweisen, daß sie nicht blos von ihrer Aufführung und Sitten, sondern auch von der Denkungsart der Männer abhange, und daß sie immer wenig Macht über niedrige, schändliche Seelen habe. Mahlt man ihnen dann die Sitten unsrer Zeiten, so darf man sicher seyn, daß man ihnen wahren Abscheu dagegen einflöße; zeigt man ihnen die Leute nach der Mode, so werden sie dieselben verachten, ihre Grundsätze fliehen, ihre Denkungsart hassen, und ihre eitlen Galanterien gering schätzen. Eine edlere Begierde wird in ihrem Busen sich entflammen, jene – grossen starken Geistern zu gebieten, jene – der Weiber aus Sparta, die über ihre Männer herrschten. Erziehung sammt ihren guten Folgen bleibt ewig. – Ein Satz, den mir die Erfahrung jederzeit richtig bewiesen hat. Sind dem jungen Mädchen in der Jugend ihre Wünsche einmal bezähmt worden, so kann sie keine Verschwenderin, keine eitle Thörin mehr werden. Niemanden auf der Welt zur Last kann so ein Geschöpfe auch ohne Protektion zur Freude der Menschheit jede Armuth ertragen; und sollte sie auch zuweilen kleine Schwachheiten begehen, so wird sie doch immer ihr schon gebildetes Herz wieder auf ihr solides System zurückführen. Haben sie es einmal so weit gebracht, daß ihr Herz keine Afterverdienste mehr vorzieht, und ihnen ihre Eitelkeit, – denn ohne diese giebt es kein Weib, – blos zur Aufmunterung des Guten dient, so werden sie lachend mit jeder Gattung von Männern ohne Gefahr ihres Herzens umgehen. Sie werden nie nach dem ersten Schein eine Mannsperson beurtheilen, weil sie wissen, daß die Männer sonderbare wunderliche Geschöpfe sind, die oft das mit dem Mund tadeln, was sie in ihrem Herzen hochschätzen, und auch umgekehrt oft das äußerlich loben, was ihnen innerlich mißfällt. So viele Jünglinge verlassen sich eben auf die Flatterhaftigkeit und das gedankenlose Wesen unsrer Frauenzimmer, und kleiden sich deßwegen oft in diese Charaktere, und ahmen ihre kleine Thorheiten nach, um ihnen zu gefallen. Messen sie also ihr Betragen gegen einen jeden Gesellschafter nach seinem Verdienste ab; und so lange ihnen sein wahrer Charakter noch unbekannt ist, so bleiben sie immer in einer gewißen Entfernung gegen ihn. Diese Zurückhaltung wird ihrem Verstande und ihrer Tugend Ehre machen. Es giebt Mannspersonen, die jungen Mädchen Schmeicheleyen sagen, nur um galant zu scheinen, um sich dann wieder bey Leuten ihres Gelichters wacker über die Leichtgläubigkeit dieser armen Mädchen lustig zu machen. Nehmen sie daher die Schmeicheleyen der Manns personen nie mit einem zu geneigten Ohr auf, denn ein listiger Jüngling macht sie ihnen oft auf Kosten ihres Verstands, oder ihrer Ehre; und ein abgeschmackter petit maitre sagt ihnen in romantischen Ausdrücken eben das, was er auch einer Koquette sagte, wenn er sie zu seinen Absichten gewinnen wollte. Greifen sie solche eitle und leichtfertige Geschöpfe durch ihren Witz auf einer lächerlichen Seite an, und glauben sie nicht immer, daß derjenige, der ihnen am mehrsten schmeichelt, auch zugleich die meiste Achtung für sie habe. Vor allen Dingen hüten sie sich, den Liebsanträgen der Mannspersonen Gehör zu geben. Selbst der bescheidneste Jüngling kann eine Fallbrücke für ihre Ehre werden. Ein höflicher Ernst, womit sie den abweisen, der ihnen etwas von seiner Liebe vorschwatzt, wird sie am besten wider die verliebten Angriffe der Stutzer schützen. Ein blos tändelnder Gesellschafter muß eigentlich nie ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein unerfahrnes Mädchen aufs theuerste versichern, daß sie artig, daß sie schön, daß sie allerliebst sey; ihr die Hände zu küssen, zu seufzen, und sie in eine gute Laune zu spielen, ist vielmals das Geschäft eines leeren Kopfs, und gehört nicht mehr dazu als ein mäßiges Talent von tändelnder Artigkeit. Bey einem solchen süßen Herrchen lachen sie ohne Bedenken, und schonen sie nicht. Schnappen sie ihn ab, und sagen sie ihm: ihr Herz brauche einen Mann, und keinen Wurm. Der Wollüstling kömmt beynahe gewöhnlich mit Venussprache angerückt, und vertheidigt seinen reitzbaren Körper mit witzigen Widersprüchen: fängt nun der Held an schmutzig zu werden, so setzen sie ihm den Wohlstand entgegen, und sie werden ihn sicher zum Schweigen bringen. Kömmt aber der verächtliche gar noch, sie durch ein bisgen Metall zu reitzen, so mag Stoltz ihr Vertheidiger seyn, und lasse sie nie ihre Neigung sich für Geld erkaufen. Mit der Koquette theilt man zwar das Bett, aber nicht den Namen; und ein Mädchen, das jedem mit gleicher Gefälligkeit zulächelt, – das um eine allgemeine Anbethung buhlt, – das sich jedem lüsternen Auge darstellt, – das durch seine Reitzungen einen jeden Jüngling einladet, – ein solches Mädchen wird höchstens die Leidenschaft, nie aber das Herz in Bewegung setzen; denn nur eine Tugendhafte kann glücklich machen. Eine bescheidene Eingezogenheit, oder eine gewiße Schamhaftigkeit ist jene Eigenschaft, die ihnen so leicht die Liebe und Zuneigung der Männer, oder wenigstens ihre Hochachtung erwirbt. Nichts ist so reitzend, als eine verschämte Schönheit. Diejenige, die sich aufdringt, so groß sie immer seyn mag, wird entweder Eckel verursachen, oder höchstens sehr niedrige Begierden entflammen. Die Mannspersonen haben einmal den Fehler, sie versagen ihre Bewunderung, wo man sie dazu auffordert; wo man sie aber zu vermeiden scheint, da pflegen sie sie gerne zu leisten. Die sich entfernenden Grazien haben immer am meisten an sich gezogen. Fliehen sie also den Fehler der Koqueterie; aber fallen sie ja nicht, um diesem zu entgehen, in den entgegengesetzten; ich meyne, machen sie ja keine Spröde gegen das männliche Geschlecht. Die Sprödigkeit, wenn sie nicht aus einer natürlichen Kälte des Herzens, oder aus einem gewißen scheuen Wesen entspringt, halten die Mannspersonen ohne alle Einschränkung für nichts anders, als eine elende Verstellung, die aus einer Heucheley, aus Stoltz, oder aus Eigensinn entsprang. War Heucheley der Grund davon, und sie lassen diese Maske fallen, so werden sie mit großem Geräusche den kürzern ziehen: wären sie aber durch Stoltz oder Eigensinn zur Annahme einer solchen Gestalt verleitet worden, so wird dieser Fehler auf die Rechnung ihres Verstands geschrieben werden. Eine wahre Tugendhafte ist nie eine Spröde gewesen. Fodern sie also bey Annäherung des rechtschaffenen wenig sprechenden Mannes all ihr Gefühl auf, ihn zu schätzen; begegnen sie ihm mit anständiger Achtung, und mit jener liebenswürdigen Freundlichkeit, die den Mannspersonen so sehr an jungen Frauenzimmern gefällt, und so entlassen sie ihn mit Achtung und Freundschaft. Begegnen sie ja keinem ihrer Werber mit Verachtung, er gefalle ihnen auch so wenig, als es immer sey. Vernünftige schließen von diesem Betragen auf ihren Verstand, und auf ihr Herz; und man wird beydes nicht vortheilhaft beurtheilen können. Ein gesetzter und vernünftiger Mann hat immer den Vorzug vor einem lustigen Gecken, und ich wollte ihnen daher auch rathen einem Antrag von erster Art eher Gehör zu geben. Ein gesetztes Gemüth ist ein fruchtbarer Boden für die grösten Tugenden, und für die würdigsten Handlungen. Behutsamkeit bey der Wahl eines künftigen Gatten ist durchaus nöthig, und nur eine zuweit getriebene Vorsichtigkeit kann schaden. Die Mittelstraße, haben uns schon unsre Alten gesagt, bleibt eben allemal die sicherste, und weder zu viel, noch zu wenig ruft uns die Klugheit in einer jeden Sache zu. Wollen sie glücklich wählen, so müssen sie durchaus die erste Einwilligung bey ihrem Herzen suchen. Ohne seinen Beystand ist ihre Liebe unnatürlich, und blos auf ein Gerathewohl zu heyrathen, ist jederzeit gefährlich. Billigt aber ihr Herz ihre Wahl, so ist ihre Vernunft die zweyte Rathgeberin, an die sie sich wenden müssen. Fragen sie sie, aber hüten sie sich, daß nicht etwa die Leidenschaft sich ihnen unvermerkt an die Seite stelle. Sie möchte sonst den Ausspruch der Vernunft entkräften, und die Vernunft möchte sonst mit dem Herzen davonlauffen. Will man glückliche Ehen machen, sagt Rousseau: so muß man hiebey die Natur, oder die Uebereinstimmung des Geschmacks, der Laune, der Empfindungen und der Gemüthsarten zu Rath ziehen. Die Mannspersonen bewerben sich eigentlich um ein Mädchen aus zweyerley Ursachen. Es geschieht entweder aus Neigung, oder aus Liebe zu ihrem Glück. Man nennt es auch Interesse. Das hat nun freylich eine sehr weitläufige Bedeutung, und erstreckt sich nicht immer nur blos auf das Heyrathgut. Sie müssen also hier auf sich und auf den Mann, der sich um sie bewirbt, wohl acht haben, damit sie seine Absichten entdecken, um nicht etwa dabey zukurz zu kommen. Doch rathe ich ihnen, nicht zustrenge hierinn gegen sich selbst zu seyn. Denn wenn sie Liebe – Treue – und eine gute Begegnung für ihr Vermögen von ihm erkaufen können, so haben sie nicht zu theuer bezahlt. Das Aeußerliche einer Mannsperson macht oft einen starken Eindruck auf unser Geschlecht; aber sie würden nicht gut handeln, meine Freundinnen, wenn sie mit ihrer Wahl hiebey stehen bleiben wollten. Sie müssen den innern Charakter desjenigen, mit dem sie sich verbinden wollen, durch mancherley unschuldige Kunstgriffe hervorzulocken suchen, um den ihrigen dagegen zu halten, und beyde in Vergleichung zu stellen. Haben sie nun einmal nach der vorgeschriebenen Art gewählt, so vermeiden sie ja mit ihrem Jawort noch lange zurückzuhalten. Es ist ein verkehrter Stoltz, und es giebt Fälle, wo Mannspersonen die Liebe und Achtung haben, einer so langweiligen Neigung überdrüßig werden, und dasjenige verachten, was sie zuvor geliebt haben. Zeigen sie sich von nun an ihrem besten Freund in der liebenswürdigsten Gestalt, und legen sie diese nie ab. Thun sie alles, um ihn in ihnen sein höchstes Gut auf Erden finden zu lassen, und denken sie ja nicht mit den mehresten unsers Geschlechts, daß diese Epoche für sie eine Zeit des Herrschens, für ihren Geliebten aber eine Probzeit seiner Geduld seye. Das Gute, so wie das Böse, das man an jungen Weibern findet, hat meistens seinen Grund in der Vorstellung, die die Mütter ihren Töchtern von der Ehe machen. Hat es nun die liebe Mamma sich selbst nie einen wahren Ernst seyn lassen, gegen ihren Mann zärtlich zu seyn, so ist es wohl sehr natürlich, daß die gelehrige Tochter die schönen Grundsätze der werthesten Mamma ausübe, den künftigen Ehestand als einen Stand der Freyheit nach eigenem Gefallen zu handeln sich vorstelle, und aus der gefälligen Braut eine plagende Alecto werde. Aber nicht alle Männer sind bey der Ehestiftung so verbindlich, auf den Hut Verzicht zu thun; und die Erfahrung bestätigt es, daß ein Frauenzimmer bey der Eheverbindung allemal noch weit mehr wage, als eine Mannsperson. Wir übergeben eben unser Glück der Verwaltung unsers Gatten. Hüten sie sich vornehmlich vor dem unanständigen Betragen so vieler bösen Weiber, die oft dadurch den vernünftigsten Mann in die äußerste Verlegenheit setzen. Die Herrschaft des Weibs ist eine Herrschaft der Sanftmuth, der Klugheit, und der Gefälligkeit. Ihre Befehle sind Liebkosungen, und ihre Drohungen Thränen. Aus der ehelichen Verbindung entsteht eine moralische Person, wovon das Weib das Aug, der Mann der Arm ist. Das einte hängt aber so sehr von dem andern ab, daß das Weib von dem Mann, was sie sehen, und der Mann von dem Weib erlernen muß, was er thun solle. Alles zweckt nun in dieser Harmonie, die unter ihnen herrscht, auf das gemeinschaftliche Beste ab; jedes folgt dem Trieb des andern, jedes gehorcht, und beyde herrschen. In dem Haus muß ein Weib, wie im Staat ein Minister regieren, sie muß sich das befehlen machen, was sie thun will. Mißbraucht sie aber ihre Rechte, und will sie selbst befehlen, so entsteht immer nichts anders, als Elend, Aergerniß und Unehre daraus. Des tugendhaften und rechtschaffenen Weibs gröste Würde ist, verborgen zu bleiben; – ihr Ruhm besteht in der Hochachtung ihres Manns; – und ihr Vergnügen ist das Glück ihrer Familie. Die erste und wichtigste Eigenschaft eines Weibs ist Sanftmuth. Geschaffen, einem so unvollkommenen Geschöpf, als der Mensch ist, zu gehorchen, der oft so lasterhaft, und immer so fehlerhaft ist, muß sie frühe selbst die Ungerechtigkeit ihres Manns ohne Murren ertragen lernen, denn – Widerwärtigkeit, und – Halsstärrigkeit haben nur immer die Uebel der Weiber, und das schlimme Verfahren der Männer vermehrt, weil diese fühlten, daß das nicht die Waffen seyen, mit denen man sie bezwingen müsse. Die Natur hat uns nicht schmeichelnd, reitzend und zärtlich gemacht, um widerspenstig zu werden; – sie hat uns nicht schwach geschaffen, um gebieterisch zu seyn; – sie hat uns nicht eine so liebliche Stimme gegeben, um zu schmähen; sie hat uns keine so feine Züge in unsre Gesichter gegraben, um sie durch Zorn zu verunstalten. Wir vergessen uns, wenn wir uns erzürnen, und wenn wir schon oft Ursache zu klagen haben, so haben wir doch nie eine zu murren. Jedes muß die Eigenschaften seines Geschlechts bey behalten. Ein zugefälliger Mann wird seine Frau unleidlich machen, wenn aber der Mann nur nicht eben gar ein Unthier ist, so wird ihn die Sanftmuth seines Weibs wieder zurecht bringen, und frühe oder spät ist ihr der Triumph über ihn gewiß. Ein Leben voll beständigen Entzückens giebt es zwar nicht, und auch die glücklichste Ehe ist nicht im Stand, uns ganz von leeren und düstern Augenblicken frey zu machen, und es ist eine weise Sorgfalt nöthig, zarte Pflanzen wider unangenehme und rauhe Luft zu schützen. Der schrecklichste und fürchterlichste Feind der Ehe ist die Eifersucht. Sie ist Klugheit vor der Hochzeit, und Narrheit nach der Hochzeit. Bewahren sie sorgfältig ihr Herz für diesem unglücklichen Argwohn! Zu bedauern würden sie seyn, wenn sich nur einmal ein solcher tödtender Gedanke in ihrer Seele gegen ihrem Mann einschliche, und die unglücklichste unter allen Frauen würden sie vollends werden, wenn er sich bey ihnen festsetzen sollte. Suchen sie daher einen so ungeheuren Affect auch von der Seele ihres Manns durch ihr Betragen zu entfernen. Vermeiden sie alles, auch sogar den kleinsten Schein, wenn er Verdacht erwecken könnte, und sie werden schon durch die Klugheit, die sie ohnedem dem unauflöslichen Bande, das sie mit ihm verknüpft, schuldig sind, seine Liebe und Zutrauen sicherlich behalten. Die Ehre einer Frau hängt gar sehr und beynahe gänzlich von der Ehre ihres Mannes ab, und eine vernünftige tugendhafte Frau sucht sie stäts aufrecht zu erhalten. Jene Frau, die sich in Gegenwart anderer über ihren Mann beschwert, erwirbt sich keine vortheilhafte Idee über ihren Charakter. Diejenige aber, die von ihrem Ehegatten solche Fehler aufdeckt, die die Welt noch gar nicht einmal von ihm wußte, oder worüber sie noch ungewiß war, ist das niederträchtigste Geschöpf unter der Sonne. Die beyderseitige Uebereinstimmung im Ehestand macht diesen Stand vorzüglich glücklich. Diese aber kann niemals ent stehen, wenn nicht wahre Zuneigung, wenn nicht die Liebe unsre Wahl bestimmt. Die Beyspiele derer, die nach der Hochzeit stärker lieben, als vor derselben, sind bey den Männern seltener, als bey unserm Geschlecht, und man irrt sich erschrecklich, wenn man glaubt, die Liebe werde sich schon mir der Zeit noch finden. Eben so groß ist der Irrthum, auf den unser Geschlecht doch so häufig verfällt, daß wir den Ehemann und den Liebhaber für eine, und eben dieselbe Person halten. Dieser Mangel einer richtigen Unterscheidung, den öfters noch die Hirngespinnste unsrer Romanen um einen großen Theil vermehren, schwächt oft diejenige Glückseligkeit in der Ehe, die man, wenn sie nicht durch Zufälle unterbrochen wird, in jeder andern Art von Verbindung vergebens sucht. Es ist unmöglich, den Gatten und den Liebhaber so zu vereinigen, wie es so viele von uns sich vielleicht vorstellen. Wir vermissen in der Ehe eine Menge Tändeleyen, Schmeicheleyen, und andere verliebte Kleinigkeiten, worinnen so oft nur die befriedigte Eitelkeit Liebe zu finden glaubt, und diesen Mangel fortdaurender Zärtlichkeit in der Ehe, wie man es fälschlich nennt, die vor unsrer Hochzeit vorhergieng, schreiben wir der Abneigung, oder der kaltsinnigen Gleichgültigkeit des Mannes zu; da doch diese Veränderung in der That nichts anders ist, als eine natürliche Folge von dem Besitz eines Herzens, dessen Erlangung man mit Eifer gewunschen hatte. So lange man noch in der Bestrebung begriffen ist, so lange bleibt man auch in einer Art von Unruhe, die allen Sinnen Geschäftigkeit mittheilt; ist man aber einmal an das Ziel gekommen, so ist man eben nicht immer weniger glücklich, aber doch gelassener. Dies ist nun eben der Fall bey einer ehelichen Verbindung. Die Vernunft, die itzt nicht weiter mehr durch auffallende Leidenschaften in Verwirrung gebracht wird, betrachtet nunmehr die geschehene Wahl mit einem gesetztern Auge, und hier entstehen, wenn sie dieselbe billigt, Gesinnungen, die stark genug sind, die ächteste Zärtlichkeit, die dauerhafteste, ja eine ewige Freundschaft zu erzeugen, die nicht nur in den Leidenschaften, sondern auch in dem Herzen siegt. Eine solche Liebe muß einer vernünftigen Frau ungleich größere Zufriedenheit und Glückseligkeit geben, als alle Tändeleyen eines Liebhabers einer eitlen Thörin geben können, der man die Puppe wieder in die Hände legen sollte, die sie ohne Zweifel erst vor kurzem weggeworfen hatte. Und nun meine Herren vom andern Geschlecht! so ferne sie mir meine Freyheit nicht übel nähmen, so möchte ich ihnen dann auch noch zum Beweis, daß ich bis an das Ende meiner Philosophie unpartheyisch handle, den wohl gemeinten Rath zur guten Letze mittheilen: hüten sie sich vor den bösen Weibern, und suchen sie die guten. Jedes Geschöpf, das durch betrogene Liebe unglücklich wird, jammert mich. Aber das müßte wohl eine überflüßige Kreatur von einem Manne seyn, der keine Liebe, ohne sie zu erstürmen, oder zu erkaufen verdienen könnte. Schmeicheln sie uns weniger, so werden wir weniger spröde thun, und sie werden keine Duldung mehr von uns erkriechen müssen, sobald wir, frey von eitlem Stoltze, zur Gegenliebe gereitzt werden. Gewöhnen sie uns unsre Herrschsucht durch sanfte Bezähmung ab, und wir werden künftig bitten, und nicht mehr befehlen. Suchen sie unsern Umgang nach ihrem Geschmack zu bilden, und sie werden nicht mehr Ursache haben, aus langer Weile bey uns einzuschlafen. Lehren sie uns, natürlich denken, und geradezu handeln, so werden wir uns nicht mehr verstellen. Ihre Redlichkeit muß die unsrige auffodern, und man wird von beyden Geschlechtern die herrlichsten Freundschaftszüge aufweisen können. Man kann sich lieben, ohne ins überspannte, ins abentheuerliche zu gerathen. Man kann sich wechselweise beystehen ohne den Wohlstand zu beleidigen, und so kann der reitzende Lohn eines wahren geselligen Lebens das Loos eines jeden werden. – Jeder wähle sich ein unverdorbenes Geschöpf. – Wenn gleich alle Ueppigkeit und alle Ausgelassenheit mit gebietherischer Unverschämtheit in unsern Städten thront; wenn gleich das Laster mit aufgestrecktem Haupte in unsern Gassen herrscht; wenn gleich die scheue Tugend sich kaum mehr blicken läßt, so hat sie doch noch Herzen, die sie wie zarte Pflanzen vor den rauhen Nordwinden bewahrt, und die sie sich zu reinen und heiligen Tempeln ausersehen hat. Suchen sie das Mädchen, das in untadelhafter Jugend aufblüht. Es ist kein Weg so gefährlich, kein Land so entfernt, das nicht der raubgierige Spanier, und der geitzige Holländer um Geld, und Nahrungen der Laster und der Ueppigkeit daraus zu holen, erschiffen; – welch' eine Schande wäre es, wenn Tugend und Unschuld für ein junges, für ein feurig liebendes Herz zu entfernet wären! – Suchen sie nicht eine große Schönheit, fliehen sie selbe eher bey der Heyrath. Schnell nimmt sie durch ihren Besitz ab, und ist für ihren Besitzer in wenig Wochen nichts mehr. Ist dies schöne Weib nicht ein leibhafter Engel, so ist ihr Mann der unglücklichste unter den Menschen; – und wenn sie auch wirklich ein Engel wäre, würde sie es wohl hindern können, daß sie nicht immer von Feinden umgeben würde? Ist dann dieses das unvermeidliche Schicksal der Liebenden, daß sie einander gleichgültig werden sollen? – Ist es nicht möglich, diesem traurigen Schicksale zu entgehen? – Sind dieses nicht die ewigen Gesetze der Natur, und ist sie eine so grausame Mutter, daß sie uns ihr schönstes Geschenk nur so lange gönnet, als es nöthig ist, daß uns der Verlurst davon unglücklich mache? Gemach meine Herren! mich dünkt, sie seyen zu ungerecht, die gute mütterliche Natur einer solchen Härte anzuklagen. Suchen sie in allem das mittelmäßige, und nehmen sie selbst die Schönheit nicht davon aus. Ziehen sie ihr immer eine gefällige und einnehmende Bildung vor. Die Anmuth nimmt nicht, wie die Schönheit ab; sie erhält immer frisches Leben, und erneuert sich unaufhörlich. Auch nach dreyßig Jahren der Verheyrathung gefällt ein tugendhaftes Weib, das Anmuth hat, ihrem Manne noch, wie den ersten Tag. Die feurigen lebhaften Triebe, die man bey der ersten entstehenden Leidenschaft, und bey dem ersten Besitz dessen, so man liebt, empfindet, verlieren, und schwächen sich nach und nach; wahre Liebe aber verliert sich deswegen nicht, oder wenn es geschieht, so ist es durch die eigene Schuld der Unglücklichen. Sie ändert nur ihre Natur, und verwandelt sich in eine vollkommnere und ruhigere Neigung. Sie wird Freundschaft, und bleibt eine eben so enge Gemeinschaft zur Glückseligkeit der Liebenden. Gefälligkeit, Zärtlichkeit, Treue, alles, was zur Glückseligkeit zweyer Herzen nöthig ist, bleibt, und nur die flatterhaften Triebe, das Kindische, das Sinnliche der Liebe entflieht auf flüchtigen Schwingen. Wenn nun diese Vergnügungen das einzige gewesen sind, was Liebende bey einander gesucht haben, so folgt freylich auf ein kurzes Vergnügen ein langes trauriges Leben. Ist aber ihre Liebe auf was wesentlicheres, auf dasjenige, was der Grund einer wahren und edlen Freundschaft seyn soll, auf Verstand, Tugend, Hochachtung und ein gutes Gemüth gegründet, so kann sie sich niemals verlieren, und wird immer fester und dauerhafter. Sie nimmt zwar ab an Glanze, und wirft nicht mehr so helle Flammen von sich; allein sie wird täglich feiner, reiner und vollkommner; sie verlängert auch bis ins Alter die Reitze der ersten Verbindung, und wird eine Nahrung der edelsten Triebe, welche Liebende beglückseligen. Suchen sie, suchen sie also muthig jenes Mädchen, das sie glücklich machen kann; und wenn sie selbe gefunden haben, so denken sie zuweilen auch an die, die sie dazu aufmunterte.