Die Braut »Verweinte Augen seh ich hier, Dein Köpfchen senket sich, Was geht in deiner Seele für Mein Schwesterlein, o sprich!« »Ein Brief ist kommen auf der Post; Er spricht von – allerlei. O Bruder, Bruder gib mir Trost, Mein Schatz bricht mir die Treu!« So schluchzet Caroline laut, Die Jungfrau süß und schlank, Die opferfrohe, fromme Braut Herrn Ferdinands vom Trank. »Laß ab vom Weinen, mich entmannt Dein jammervolles Weh! An deinem Stolze brich die Schand Du tief Beleidigte!« »Vermöcht ich das, o das, ich wollts Ja gerne thun um Dich, Ach selbst gebrochen ist mein Stolz, Auch darum weine ich.« »Gib her den Brief! Was er enthüllt, Verwundet mein Geschlecht. Eh dort der Mond sich wieder füllt, Bist, Mädchen, du gerächt!« »Gott! Rache, nein, für meine Noth Ist Rache kein Begehr, Mein Herz ist wie erfaßt vom Tod, Mein Herz verlangt nichts mehr.« »Zurück sei dieser Pfeil geschnellt, Der Pfeil – verrathne Treu! Mein Eins und Alles auf der Welt, Gerächet, lebst du neu!« Und Bernhard drückt die Schwester heiß Ans Herz und stürmet fort; Er reitet manches Roß in Schweiß Bis er am rechten Ort. Lothringer Land ist gut bestellt, Dort rast der Fürstenzank, Dort gegen Frankreich liegt im Feld Herr Ferdinand vom Trank. »Der Satan segne Euch den Wein, Drein Ihr verdrossen schaut! Dieß, Herr, zum Gruß! Herr, überm Rhein Verzweifelt eine Braut.« »Und schriebst du das? Gib Rechenschaft, Verbuhlter, meinem Schmerz! Die Wuth ist meine Fechterkraft, Ist Schärfe meines Schwerts!« »Doch sieh! den Zierrath an der Wand! Pistolen, herrlicher Als je zu schaun – nimm sie zur Hand! Denn du sollst sterben, Herr!« »Mein Freund – ich danke deiner Wuth, Ich ehre deinen Schmerz, Es fließe Blut, doch schieße gut, Die Kugel mir ins Herz! Komm mit in jene Tannennacht! Glaub nicht an Furcht und Flucht! Den Tod hab ich in mancher Schlacht Vergebens aufgesucht.« »Du, Tod? Ha, deiner Gleißnerei Winkt volle Strafe dort! Von deinen Freunden wähle zwei, Daß Niemand spricht von Mord!« Die Wolken ziehn, es rauscht der Tann In seiner finstern Pracht, Am Auge haftet Mann dem Mann, Und Schuß auf Schuß erkracht. Da wälzet sich in seinem Blut Herr Ferdinand vom Trank, Da bebt in Frost, da flammt in Glut Sein Gegner der nicht sank; Nicht sank, der Nimmerweichende, Weil nicht auf seine Brust Weil der zuvor Erbleichende Ins Blaue schoß mit Lust. »Hab Dank, du Glücklicher, hab Dank! Sei, was ich nicht war, sei Was du, sei Ferdinand vom Trank, Mit mir ist es vorbei!« »Was thatest du? Mit deinem Blut Verraucht mein heißer Zorn. Was sprichst du irr? Mich läßt der Muth, Ich werde selbst verworrnf« »Die Wahrheit sagt ein Sterbender. Vernimm, o Freund, was ein Durch Liebe ganz Verderbender Gesteht in seiner Pein! Vernimm, was Bosheit ausersann – Ein Greis vertraute mir Das schreckliche Geheimniß an, Verschied und ließ mich hier. Es war mein Oheim, ach er war Einst meines Vaters Feind; Wir Beide, ein Milchbrüderpaar, Wir waren früh vereint! Da brachte listiger Verrath Verwechslung bald zu Stand, Die Amme wußte um die That, Die Amme bald verschwand. Wir Beide werden schnell getrennt – Die Mutter ging zur Ruh – Und Schadenfreudezähren flennt Der Heuchler keck dazu. Der Vater starb. Vor Monden erst Erfuhr ich, was du jetzt Zu deinem süßen Heil erfährst, Was mich zu Tod entsetzt! Gerungen hab ich wie ein Mann Ein edler ringen mag, Was sterbend ich entdecken kann, Verhehlt ich Tag für Tag. O Schwester! Braut! Geliebtes Herz! Von uns wer hätte still Ertragen diesen einen Schmerz – Den Gott mir nehmen will! Weh! mich verblendete der Gram. Zerrüttet herzenstief Von Leidenschaft und Schmerz und Scham Schrieb ich den bösen Brief. Mein Wahn war gut – ich dachte dich Zumal an ihrer Seit; Verachten, rief ich, soll sie mich, Dann ist ihr Herz befreit! Ich stürze mich ins Schlachtgewühl, Ich suche die Gefahr, Ich lebte ja, aus Pflichtgefühl, Weil ich ein Kriegsmann war. O Lügenweisheit, Gott erbarm! Ich armer Klügler jug Sie der Verzweiflung in den Arm – Ich war im Wahnsinn klug! Nur fort, nur fort! du richte sie Aus Thränen auf am Stab Der Wahrheit, Wahrheit tödtet nie, Doch Untreu wirft ins Grab.« »Gott hats gewollt! Ach stirbst du schon? Verzeihung mir und dir! Leb wohl, du Held, du Schmerzensohn! Laß diese Locke mir!« Und Bernhard drückt »den Bruder« heiß Ans Herz und stürmet fort; Er reitet manches Roß in Schweiß Bis er am rechten Ort. »Getreu ist Ferdinand vom Trank! Wach auf in deiner Noth! Ein Bruderherz ist ohne Wank, Getreu bis in den Tod.« »Was thatest du? Was sprichst du irr? Du blickst so siegeswild, So fremd, ich fürchte mich vor dir Steh Rede – Geisterbild!« »Mein Eins und Alles auf der Welt! Ich bins. Bin bei Verstand. Vergiß, vergiß, was dich gequält! Hier Bernhard, Ferdinand!« »Was ist Vergessen! Welch Gebot Dem Herzen öd und leer! Mein letztes Hoffen ist der Tod, Und sterben ist nicht schwer.« »Du sollst nicht sterben! Lasse dir Erzählen, was ich fand, Was ich gethan, dann weinen wir, Versöhnt um Ferdinand!« Sie weinten um den Todten bald, Der ferne fern genest; Sie fühlen jene Allgewalt, Die Herzen, Schmerzen löst. Sie haben lange stumm gekost, Sie hängen Mund an Mund, Und sanfter Liebe süßer Trost Schließt ihren ewgen Bund.