[Lyrische Karrikaturen] Vorwort Karrikatur ist nicht sowohl Verzerrung als vielmehr lustige Uebertreibung des Charakteristischen. So wird ein Porträt, wie man sagt »lächerlich ähnlich«, wenn man das etwaige kleine Auge winzig und dazu die etwaige große Nase riesig macht. Ich habe diese lyrischen Karrikaturen zu meinem Privatvergnügen componirt und, als sie auch bei Andern viele Heiterkeit erregten, in den Druck gegeben. Dies soll zeigen, daß nicht Alles pure Bosheit, Satire und Polemik ist, sondern Manches blos Spaß und Ergötzlichkeit – Humor, wie man es jetzt zu nennen beliebt. So macht man auch auf sich und seine Freunde »Zerrbilder«, damit man lache. Mehr will ich diesem Büchlein nicht vorausschicken; es wäre auch das überflüssig gewesen, wenn nicht die Pfiffigkeit der Menschen allzu groß wäre. Karlsruhe im Hornung 1869. Der Verfasser. Nachschiller Rauschend in den Katarakt der Wonne Wogt die unbekannte Sonne Des Verlustes seelenvoll dahin; Ew'ge Harmonieen wallen über, In die bodenlosen Freudenzüber Schöpft der Menschen Danaidensinn. Keine Hoffnung adelt ihren Schaden, Auch der Glückliche fühlt sich beladen, Und den Stachel in der eignen Brust Sinkt er abwärts krank und schuldbewußt. Durch's Getümmel ausgebrannter Krater Schleicht der Würde schwergeprüfter Vater Zu dem Traum des wandelnden Geschlechts; Der Vergeltung Antwort grüßt die Klage Und es schwankt die umgekehrte Wage In den Ausdruck eines todten Rechts. Ungeläutert aus den Wirklichkeiten Siehst du das Verhängniß rückwärts schreiten, In der stillverbissnen Schranke starrt Schon die Zukunft durch die Gegenwart. Einstens aber labt den Adamiden Der Erkenntniß trauter Seelenfrieden, Und das Urtheil bricht sich ab den Zahn; Jenseits flüstert heimliche Geberde, Auf der kummerlosen Vatererde Schweigt der ungerührte Wahn. Welten lodern und Begierden schlummern, Hermes selber nimmt sich einen krummern, Einen minder starren Todesstab In die schatt'ge Unterwelt hinab. Bürgerlicher Wolfgang Herz, mein Herz, was ficht dich an, Daß dir's flumrig ist? Sprich, warum, woso, wie, wann, Wo dich was verdrießt? Ach, ob auch schon tausendmal Lieschen ich geküßt, Ueber aller Zahlen Zahl Schwindelt mein Gelüst'. Hab' ich auch so oft und bang Sie im Arm gefühlt, Meine Flammen sind noch lang, Lange nicht gekühlt. Denn es ist so gut und wahr, Was mich führt zu ihr, Hat sie doch so ganz und gar Sich ergeben mir. Hat sie doch so ganz und gar Mir das Herz gerührt, Ist doch Alles wunderbar, Selbst wie sie sich schnürt. Ach, dem Monde zürn' ich, der Ihr an's Lager schleicht, Und – säh' ich sie nimmer mehr, Stürbe ich vielleicht! Klassicitätsdeutsch Wenn Klopstóck an feu ernden Geists Dicht künste emporschuf, Lenkete, milderen Sangs, Alt meister Göthe die Reimwelt In volks thümlich Geleis, deutsch lebig für den Zu hör kreis. Wie Wald hör nergetön etzetera, zetera, Hilf Gott! Nimmer profanes Gefolg mag lesen und richtig skandiren Wunderbar Maß des Kamöns, am wenigsten Frauengezimmer, Ur verwahr lóst, nie platen geschult, nicht weiter doch red' ich In des Hexámetersfluß; Ana päst -auf stürm end begehr' nun Ich nach weis end zu zeigen, was Deutschlands Sprache vermag viel! Käfer des Mai's, sei meine Cikad', seid, Jünglinge ganz Ohr! Matthis-sonate Am fernen Hügelpärchen Stirbt Phöbus' ros'ger Strahl, Und duftend wie ein Märchen Verschleiert sich das Thal; Es läuten Heerdenglocken Wie Abschied von der Welt, Und auf den Zwielichtsocken Schleicht Pan jetzt über's Feld. Der Espe Baumschlag pispert, Im Mondenglanz gebleicht, Wo vom Geröhr umwispert Das Lied der Zirpchen schweigt; Es schlürft ein Turteltäubchen Im Abzugsrinnkanal, Und selbst das Wieselweibchen Verzehrt sein Abendmahl. Des Baches munt're Stelze Hüpft über Kies und Schurf, Und in dem Sommerpelze Stolziert der Mäulerwurf; Hoch ragen in die Landschaft Die Triften sanft im Saum, Indessen aus dem Sand schafft Sich die Ameise kaum. Der Glühwurm mag beneiden Irrwischchen über'm Teich, Drin reiche Trauerweiden Sich baden wehmuthweich. Stechmücke, Wespe, Spinne, Libelle und Scorpion, Verauscht von Abendminne, Lauscht der Cascade Ton. Am eppichlosen Pfosten Ruht unbequem der Pflug, In braunen Scheunen rosten Bethauter Schaufeln g'nug. Es irrt an meine Scheitel Die flederhafte Maus, Um Alles, weil es eitel, Bricht mir das Wasser aus. Süß hauchen Veilchenraine Von Flieder übertäubt, Dagegen sich vom Haine Der Lege Düften sträubt; Im Weihmutstannenwipfel Girrt zephyrhafter Wind, Und mit dem Schnupftuchzipfel Wischt sich die Nas' ein Kind. Auf seichtem Wellentanze Grüßt Luna eignen Harm, Und an dem Faselschwanze Summt wilder Bremsenschwarm. Um meine Schläfe flechten Schilflilien sich des Teichs, Wo holde Nymphen rechten Mit Faunen des Gesträuchs. Dort liegt ein Ziegenschäfer In Träumen auf dem Moos, Und vierzig Maienkäfer Entsurren seinem Schooß. O wunderschöner Abend, Der heute Abend ist, Und du, zur Mühle trabend, O Esel, sei gegrüßt! Saphirisch-humorphistische Vorlesung Ihr zittert – daß ich wohl das Köstlichste Des Köstlichen, doch nein, des göttlichen D.h. des göttergleichen Ruhmgeschlechts der Schönen: – Das Frauenauge – den lebend'gen Edelstein Durch witzige Berührung zu vertrüben, Durchtrieb'nen Triebs nach Scherzen, lauf Gefahr? Nicht laufen möcht' ich eben sagen hier – Im Gegentheil, graziös, doch ohne Kratzfuß – Gefahr dr'um tanzen, glaubt ihr, werd' ich, wie? Oho! Der Witz ist selbst ein Edelstein. Er sprüht und blitzt; obschon er oft auch nur Der Anstoß-Stein ist; wie er selber Vom reinsten Wasser – Wasser ist Humor doch, Weil Feuchtigkeit; und humor heißt ja diese. Doch hört mich an! Das Frauenauge ist Gerade wie Electromagnetismus (!!), Verwendet zum Fernschreiber Telegraf. (Daß Grafen Schreiber sind, ist seltsam wohl?) Sagt aber, wer wohl läugnet die Magie Des Weibs, des himmlischen Magnets, Der gleichsam wie die magna charta einst (Entschuld'gen sie den garst'gen, den polit'schen Witz) Machtvolle Eifersucht erregt – Und manchen »Magen« schon verdorben hat, Mag Herrin oder Magd es immer sein, (An Magdalene oder Maggelone nur erinnr' ich), Der Schwindel macht und oft zu Grunde richtet ... Wie die Magyaren jüngst der Demagogenschwindel. Wer ferner kennt nicht die elegische Kraft, Die so electrisch aus den Aepfeln blitzt Des Frauenaugs? 'Ne ganze Batterie Oft feuert aus 'nem einz'gen Blicke, Auf uns verlorne Männer appliquirt. Bei dem Fernschreiber auch ist ja 'ne Batterie, (Obgleich gewöhnlich Schreiber fern Gern der Bataille mit der Taille steh'n.) Doch ferner will ich's detailliren nicht, Obgleich ich weiter nun erzählen muß. Saht ihr nicht auf dem jüngsten Maskenball, Wo tausend Lüstres holdes Glanzmeer strahlten, Wo Mummenspiel und Muhmen-Schielen spukte, Saht ihr nicht Manchen da wie den von Mancha steh'n, Ein schmächtig Schmachtender im Prunkgewühl, Fernstehen an canelirter Säule, Säulenstarr (Kameel denkt hier ein Witzbold) – Da trifft ihn jählings ein lautloses Wort, Ein luftgeschriebenes Billetdoux, Ein klanggetragner Schmachtbrief der Natur, Der auf Orchesters Tönewellen schwimmt, Ein Seufzer ohne Ton und doch beredt, Ein Blick aus funkenglühendem Brillant, Aus jenem Edelstein – dem Frauenaug'. Telegrafirt ist im Gedankenflug Im Nu, gleichwie electrisch wirkt der Schlag, Ein scheu Bekenntniß. – Ein andres Bild! Seht dort den Eheherrn, Wie er mit schöngeputzten Damen schäkert – (Shakspear'scher Sündenbock – ich beuge mich.) Wie trifft ihn aus der Ferne schnell der Blitz, Die strafende Gardinenpredigt aus dem Aug' Der eifersüchtigen Hausfrau. Ist's nicht so? So stört auch oft ein zürnendzündender Strahl, Seither des Flugs, flugs aber ganz verflucht, Im Nu des liebenswürdigen Töchterchens Kokette Fröhlichkeit (mit Jüngern des Merkur Oder mit Mars süßschlankgehüftetem Schüler) Ein telegrafischer Zuchtbrief, prüfend, Vom Mutterauge. Und – myriadenfach schreibt solche Briefe Des Frauenaugs magnetische Batterie In weit'ste Fern', ha! schneller als der Wind, Als Fantasie, als Alles, schneller selbst Als ich, wenn ich dem Recensentenheer Und unverdientem Lob entrinnen will. – Der Recensent mit seinem ceterum censeo, Meliora esse posse omnia, das heißt: Die Posse ist, daß stets er Zeter schreit. Allein die Andern, welche loben nur, Die bringen uns gar oft in Mißkredit (Und leider meist in einer Miß Kredit, 'nes alten Blaustrumpfs, der kretinenhaft.) Ihr lacht? Nun ja, ich lache selbst. Doch ihr, ihr Frauenaugen um mich her Im Auditorium, nun hört noch dies: Auch euere Kritik hab' ich ganz stille Vernommen längst schon und vermerkt, Gleich hunderten von Recensionsartikeln, Telegrafirt gar deutlich und direkt In meines Busens Didaskalia: Auch Recensionen schleudert Frauenaug'! Es kritisirt mich gar vom Wirbel bis Zum letzten Westenknopf – und bis zur Zeh' Im Feuernu – ich seh' es nur zu gut. O Electromagnetismus! Du bist so alt wie das schöne Geschlecht. Pardon! Sie, andächtige Hörerinnen, Sind Alle jung. Adieu! Der Mittwoch, eine dröstliche Hülsenblüthe Posaunen hauchen wilden Geisterlaut, Dazwischen hürchelt banges Orgelstöhnen, Leis wuchert bst! der Andacht Ginsterkraut – Da steh ich in dem Dom – umringt von Schönen. Sie dort, die Blonde unter Kerzgeflimmer! Ein einsam gramgeboren Frauenzimmer, Sie zupft, ha! mit dem Finger, prickt und pocht An der Laterne quirlendem Gedocht. Und drüben an der schmerlegrausen Säul', Hohlhüstelnd ragt die schwimmelnde Matrone, Der Blick des Auges schwärmt dahin, ein Pfeil, Ausschwirrend durch des Lebens Nachtschablone. Hi! Still! na! o, ich bin verloren, Zerrückt, zerknistert, gluthig angeschmoren, Was ist das, die Laterne spritzt und kocht – Auch sie zupft, zirpst am eignen Lebensdocht. Und Käuzchenschrei ruschelt mit Geierpfiff Wirr durch der Halle wimmerfahlen Brodem – Verfallenes Gemäuer, eingestürztes Schiff, Glockengebraus, Gespensterschwadenodem ... Und Mitternacht! Dann plötzlich Lichtgefunkel Da wälzet aus des Dienstags Trümmerdunkel Der Mittwoch frühlichtflimmernd sich empor, Und säuselt Schauerluft in's linke Ohr. Hahu! regnet es nicht? Saugt nicht den Duft Des molchgesäugten giftiggelben Schwadens Natur? zückt greiser Blitz in wunde Brust, Verzweifelnd an dem Glücke des Entladens? Scheu flattert auf der Troß der Quazaquelen, Die Lampe schüttert lächelnd im Verschwehlen, Die Damen knicken um, der Dolde gleich, Der Bräutigam entrispelt dem Bereich. Hui! ich erwach'! Des Traumes Vampyr flieht, Und schon an der Gardine zupfen Strahlen Der Morgensonne bst! Frohlock', Gemüth! Die Lerchen zitschern weg die lecken Qualen. Des Kummers feuchte Moderkatakombe Stürzt donnernd ein und nur die müß'ge Rombe Der glitzerhaften Qualerinnerung Schlirrt noch einmal – und du bliebst jung? Kling klar! Johann! Die schwarzen Schimmel vor! Spann an! wir fahren heut' noch durch die Haide, Dort, wo die Krähe duckt, die Kröt' im Moor, Dort soll versausen meiner Seele Freude. Lang ist der Tag – d'rum gleich der Wetterwolke Ausbrechen laß' die Bracken bis zum Kolke! Wie geigt die Grill' wie brodelt's im Gestumpf! Sehr mangelt mir der Sitz ... hinaus zum Sumpf! Schwäbische Nachtigall Eine Amsel im Gebüsch, Und ein Liebchen roth und frisch, Und ein blauer Himmel d'rüber, Ist mir auf der Welt nichts lieber. Wunnigliche zarte Maid, In der holden Maienzeit, Küssen wollen wir und kosen, Unter Rosmarin und Rosen. Willst du nimmer sein die Braut: Drunten steht ein Kirchlein traut. Dort ist Alles zahm und friedlich – Und ein Grab auch ist gemüthlich. Missionshymne Du, der du die das Menschenalter Erfüllende Zeit erschufst, Du edler Raum- und Zeitverwalter, Du selber Ewigkeitsausgestrahlter, Dir singen wir den Davidspsalter, Wenn du dein Volk berufst. Hallelujah! Kaffern, Mohren, Hottentotten, Aller Heiden Sünderrotten, In Zions Zelt führst du sie ja! Mit Vaterhuld und Mutterarmen, Umfassest du die große, große Welt, Hast mit dem Thiere selbst Erbarmen, Es darf an deiner Brust erwarmen – Du wirst auch die Erkenntnißarmen Führen in Zions Zelt. Hallelujah! Kaffern, Mohren, Hottentotten, Aller Heiden Sünderrotten In Zions Zelt führst du sie ja! Weltschmerz (Krummnasig.) Ich habe die Heimath durchflogen, Ich bin in die Ferne gefloh'n. Ich habe die Meere durchzogen, Was habe ich nun davon? Ich folgte den Stimmen des Herzens Mit ihrem Sirenenton, Durchwühlte die Luft des Schmerzens, Was habe ich nun davon? Ich habe mir Freuden und Leiden Im Liede verkläret, ein Sohn Der Zeit – und wurde bescheiden, Was habe ich nun davon? Ich habe geholfen, vertrauet, Ich heischte nicht Dank, nicht Lohn; Ich hab' auf den Himmel gebauet! Was habe ich nun davon? Ich habe der Weisheit gelauschet Der Weisen der Nation, Ich habe den Geist mir berauschet – Was habe ich nun davon? Heinrich's letzter Gedanke, (den er sieben Jahre vor seinem Ende deponirt hat.) Mich langeweilt das Carroussel, Die Freiheit, die Lectüre; Der Lieder murmelreicher Quell Zur Gosse sich verliere! Ich, des Jahrhunderts Dichterheld, Verrufe mein glänzendstes Dictum, Ich rufe hinaus in die nachtende Welt: Cacatum non est pictum! Da steh' ich so ganz, so gar allein, Und seufz' an dritten Orten, Ich lebe, das allerbrillanteste Schwein Aus Epikurs Cohorten. Aufrichtig war ich ein Royalist, Die Iulisonne im Herzen, Ich ende, ein Protestant und Christ, Mit heftigen Judenschmerzen. Katholisch zu werden steht mir nah, Ich war ja immer katholisch, Wenn ich Signora knieen sah, Die Taille tiefmelancholisch. Die jauchzenden Völker an meinem Sarg, Sie brechen in wildes Geheul aus, Es brechen Laster, tantalisch arg, Und vorprometheische Gräu'l aus. Es hauchen die Rosen Leichenduft, Das Kichern verlernen die Veilchen, Und lüstern balgen an meiner Gruft Die Hexen sich mit den Heil'gen. Die Sonne tröpfelt als siedendes Gold In die Rachen der Pharisäer, Der Mond vom Himmel herunterrollt Auf den Papst und seine Schwäher. Das jüngste Gericht erscheint alsbald Mit dem liebenswürdigen Leviathan, Und hinter dem Finger der Vorsehung krallt Seine Teufelsfaust der Satan. Und doch hat Niemand für soviel Geld So feine Lieder gedichtet; Ich habe die Nothdurft der halben Welt Durch meine Werke verrichtet. Verleger mein, verzeihe du mir, Weil ich jetzt nimmer dich rühre, Bedenke, daß ich ein Laxier Statt Versen bei mir führe. Mein liebes Liebchen, wenn du weinst, Daß ich dich habe vergessen, Bedenke, daß die Trüffeln einst Ich wundersgern gegessen. Mein holdes, angetrautes Weib, Du wirst mir nicht entlaufen, Und wenn, so wünsch' ich dir Zeitvertreib, Dein Bett will ich verkaufen. Mein süßes deutsches Publikum, Dein Liebster war ich ja immer, Besorge nur ferner meinen Ruhm, Es fällt auf dich der Schimmer. Jehova mein, erbarme dich, Daß ich dich oftmals betrübet, Du liebest alle Menschen, ich Hab' jedes Mensch geliebet. Du schufest die Gans mit Vorbedacht, Ochs, Esel zu deinem Preise; Sofern' ich auch was Dummes gemacht, Geschah's plagiatorischerweise. Nun schwebet mir vor nichts Anderes als Der Weltnachtstuhl voll Schwankes, Ich walle, den Strick um den weißen Hals, Zum seligen Strome Ganges. Ich mache dort in der Gegend herum Das Paradies ausfindig Ich werde als wie ein Erzengel dumm, Wie Adam und Eva unmündig. Gazellenaugen glotzen mich an, Die Lotos bekomplimentirt mich, Den Buckel küßt mir ein heiliger Mann, Und eine Lady skizzirt mich. Ich hänge mich auf am Palmenbaum Wie Absalon mit den Haaren, Versunken in dattelsüßlieben Traum, Ankommt mich's, abzufahren. Einst, wenn sie nimmer wird drangsalirt Die Welt, so wett' ich, daß man Zu meinem Grabe pilgern wird, Implicite Tullius Maßmann. Hoffmännischer Tropfen Censur und Polizei, Juhei! Wie sind wir doch so frei, Au weih! Lyrisch Roth 1. Prutzlich Wie lang noch soll ich rufen Euch Schläfern in das Ohr? Taucht aus des Geistes Kufen Noch kein' Gedank' empor? Verlottert ist die Schraube, An jedem Fürstenthron, Bald taucht empor der Glaube Der Revolution. Hinweg mit euren Klostern. Hinweg mit eurem Dom! Es kommt ein neues Ostern, Ein Ostern ohne Rom. Es braust durch deutsche Lande Die Botschaft des Advent, Euch wär' es ewig Schande, Wenn sie euch schachmatt fänd'. Der Freiheit Acker düngten Die Ritter schon St. Jörgs, Die Franklin und Washington, Die Donnerer des Bergs, Die Husse, Spartakusse, Die Decius des Tod's – Mit dem Verrätherkusse Flieht die Ischarioths! Ich möcht' den Tag begehen, Da jede Glocke ruft Mit fürchterlichem Wehen Die Tyrannei zur Gruft; Da's von den Thürmen schallte, Was jedes Herz bekennt: Geschlossen ist das alte, Der Knechtschaft Testament. 2. Revolutzlich Ade, ihr Biedermänner, Die Blut, ein Tropfen, schreckt! Kein Gott hat noch im Jänner Den Frühling auferweckt. Es gilt ein Aderlassen, Einen Tummelplatz der Wuth, Es werden alle Gassen Strombette für das Blut! Heran die Guillotine, Heran das Beil des Volks; Dein Heil, damit es grüne, Proletariat verfolg's! Der Strahl des Völkerlenzes Bricht in die Nacht herein, Ha, panem et circenses! Nachtmahl von Brod und Wein! Der Herrscher Vielerleiheit Thut nun und nimmer gut; Wohlan! die Braut heißt Freiheit; Der Bräutigam heißt Blut. Und Priester sind die Henker Und Altar das Schaffot, Jahrhundert du der Denker Begrabe deinen Gott! Den Samen der Betrüger Verweht das Sturmgebraus – Ihr aber, neue Pflüger, Streut andern Samen aus. Ihr wühlt mit freiem Pfluge Und mit dem Roß der Wuth, Und Euer Arnold Ruge Jahrbücher schreibt mit Blut. 3. Aus dem FF. Steigt aus euren blut'gen Grüften, Die ihr trugt ein Heldenherz, Denn ich wittr' es in den Lüften, Wie da gährt ein neuer März. Aus dem Rauschen dieser Stürme Hör' ich zu der Menschheit Heile Einen Zug von Guillotinen Und das Schwirren heil'ger Beile. Nur im Blute wohnt die neue Freiheit, nur im rothen Blut! Kommen wird der Tag der Reue, Wenn der Stahl noch länger ruht; Wenn nicht bald an jedem Baume Uns ein Volksverräther baumelt, Wenn nicht bald von jeder Klinge Uns ein Schergenhaupt enttaumelt. Wie der Scheich aus Mädchenarmen Reißet euch vom Mitleid los, Wie die Rothhaut stürzt auf Farmen Stürzt euch in der Mordlust Schooß! Schrecket so die Camarilla, Wie das Wigwam wird geschrecket, Wenn den Leu von Madagaskar Frevelnd der Malaie necket! Seht! wie sie die Zähne fletschen, Die von dem Hyänenbund, Mit den eigenen Kartätschen Stopfet ihren heischern Schlund! Nur wenn jedes Herz muß zittern Vor dem Schwurgericht der Rache, Wird das Volk der Freiheit inne, Triumphirt die gute Sache. Nicht allein die Fürstenthrone, Und die Pfaffenstühle nur, Lodern auf im Flammenhohne, Fallen dem Vernichtungsschwur – Nein, es sorgt der Hahn, der rothe, Daß er keinen Giebel fehle, Der nicht unter sich beherbergt Eine Proletarierseele. Nur wenn diese gold'nen Lehren Ueber alle Welt gestreut, Wird dereinst auch wiederkehren Die verheiß'ne gold'ne Zeit. Wo kein Würger mehr zu schauen, Kein Aristokratentiger, Kein Verräther und kein Sclave, Schurke nicht und nicht Betrüger. D'rum wohlauf, ihr rothen Brüder, Geht an euer Tagewerk! Deine Lenze tagen wieder Edle Männerschaft vom Berg. Knirschet auf, und schwingt die Beile! Kein Erbarmen und kein Schonen – So zertritt das Volk die Hyder Aller künft'gen Reactionen. Social-Lyrik In dem schwülen Erdgeschosse, Sitzt die kranke Nähterin, Eine Arbeit auf dem Schooße Für die kalte Herzogin. Zwanzigmal ist schon der Faden Ihr gerissen diese Stund', Den sie aus des Bourgeois' Laden Kaufte, abgespart dem Mund. Ohne Nahrung vierzehn Tage, Vierzehn Nächte saß sie da, In verzweiflungsvoller Lage, Ohne daß sie Jemand sah! Ihre armen Siebensachen Sind von Thränen schmutzignaß, O, es ist dieß nicht zum Lachen, O, es ist zum Weinen das! Da erscheint mit rothem, feisten Angesicht der Miethsherr wild: Zahlung soll sie heut' noch leisten, Zahlen, dieses Engelsbild!? Seht, wie sie mit dürren Händen Klammert sich um seinen Bauch: Lassen's Sie' s nur heut' bewenden! Doch sie tritt der schnöde Gauch. Und an diesem rohen Tritte Bricht der Wimmernden das Herz; Menschlich war doch ihre Bitte, O, Tyrann, kennst du den Schmerz? Ohne Blumen, ohne Lieder Wurde sie bei Nacht verscharrt, Doch das Scheusal grinste bieder In der Menschen Gegenwart. Vormärzlicher Turnus 1. Ich bin ein Turner wohlgemuth, Mit vollen Backen, rothem Blut, Mir ist der Wüstling stets verhaßt, Der seiner Eltern Gut verpraßt. Der Turner ist ein Ehrenmann, Der ausgezeichnet krebseln kann, Er schwingt sich zwölfmal auf am Reck, Und Centnersteine schmeißt er weg. Vor'm Heuchler nimmt er sich in Acht, Vor falschem Freund und Ofenpacht, Geschnürtes Wesen ist ihm Gräu'l, Und keine Felswand ihm zu steil. Er legt sich muthig in das Bett, Wenn's dunkel, doch nicht allzuspät. Er ist schon wieder auf dem Bein, Wenn in der Früh' die Gockler schrei'n. Er weiß dafür den edeln Grund, Daß Morgenstund' hat Gold im Mund; Dann zieht er auf den Tummelort, Und Gott im Himmel ist sein Hort. Feind ist er schnödem Wälschlingsbub, Mit Schwarzbrod, mit Kartoffelsupp', Mit frischem Obst und etwas Fleisch Bleibt er zufrieden, frei und keusch. So lebt der Turner frei und frank, Der Seuchen baar und sonder Wank, Auch übt er edlen Wissensdurst, Und Sturm und Regen ist ihm Wurst. Die deutsche Hausfrau führt er heim, Und legt in's Kind des Turnens Keim, Auf daß es einstmals werd' entbrannt, Für Freiheit, Fürst und Vaterland!! 2. Eichenstark und fischgesund, Immer frisch im Herzensgrund, Fromm und frei, Fröhlich nebenbei! Turner schreckt kein Geizkobold, Weil Gewissen nie ihm grollt, Vaterland Drückt er gern die Hand. Hosenträger er verdammt, Hasset Seide, Gold und Sammt; Hemd von Hanf, Stuhlgang leicht und sanft. Vater Jahn, der ist sein Stern, Geht zur Kirch' am Tag des Herrn; Schaffig, schön Will als Mann er steh'n. Drückt im Geist die Hand dem Mann, Der den Todessprung ersann, Trug und Schand', Hat er nie gekannt. Schule des Lebendigen O Loos der Märtyrer, so bittersüß! Sei's Denn d'rum gewagt! Der schlanke Würfel fiel. Ça ira – weine nicht, Ulrich-Odysseus! Nur im Exil ist heute noch Asyl. Der alte Ocean wird dich umrauschen, Dich hat die schale Welt verkannt; Nur seinen Liedern sollst fortan du lauschen, Mit Menschen nimmer eitle Worte tauschen, Seit jedes Herz ein Sykofant. Einst grollt' auch ich: Vom Haupt die Nebelkappen! Zum Teufel mit der kahlen Klerisei! A bas! so warnt' ich, mit dem kecken Wappen! Und frei zu sein, seid einmal nur so frei. Jetzt kann euch meine Stimme nimmer retten, Seitdem versäumt der Augenblick – O knirschet nur in eure Sclavenketten, Ihr macht nicht mehr die größte aller Wetten! Verlor'ner Donner: république! Ein Bess'rer war zu rechter Zeit ein Tadler, Im Alpenschnee ging seine Spur verlor'n – Noch hass' ich den Verrath und seine Adler, Doch Jene trifft mein einsam keuscher Zorn, Die halben Weges feige stehen bleiben Und mit Proclamationen nur Ihr eig'nes Todesurtheil unterschreiben, Der Freiheit Genius muß sich selbst entleiben, Seitdem die Freiheit Sinekur. Reißt ihr die Throne aus dem Dung der Erden, Sie wuchern nach – das ist das Weltgericht. So wird Europa niemals urbar werden, Ihr Herren seid die rechten Pflüger nicht! Ihr werdet nun und nimmermehr Hellenen, Das ist des Pudels letzter Kern – So wenig als die Liebe mit Typhönen, Cultur mit Barbarei sich läßt versöhnen, Als Judith mit dem Holofern. Ihr wollt den Geist in kranke Hürden pferchen, Im Angesicht des jungen Morgenroths? Ihr wahrlich hört nicht schmettern seine Lerchen, Seht unter Rosen nicht das Schwert des Tod's! Noch ward kein Feldherr unter Euch geboren, Denn eure Schlachten waren Hohn; Ich habe kühnern Fahnen zugeschworen, Zehntausend Griechen waren nicht verloren, Doch Ihr habt keinen Xenophon. Kredenze, Lieb', die Qual nicht zu verlängern, Die letzte Zähre uns'res Vater Rhein! Ein Pereat Europens Müßiggängern! So – lass' mich schlürfen diese Neige Wein. Von nun an soll mein Lied verblutend feiern, Das einst der Freiheit eine Gasse war, Das Lied des Müden, welcher nicht mit euern Befleckten Flaggen wollte planlos steuern, An Geist allein nicht Proletar. Es blüht kein Lenz aus bleichen Tricoloren, Millionen Oriflammen will der Lenz – Ich aber predigte nur tauben Ohren, Und eine Metze ward die Permanenz. Der Weise zieht mit trauernden Standarten Auf stilles Eiland fern im Meer, Des Herzens Frühling mag allein er warten, Und der Entsagung rettende Kokarten Stet er sich auf und liest Homer! Lenautiker Motto: Schwanger mit Bergen sie geh'n und heraus o du Graus, eine Maus kommt. Auf meine Liebe, die seitdem verwest, Wie Geier gierig über Leichen, Hinstürzten wieder der Verzweiflungspest Gluthäugige Gedanken ohne Weichen: Erinnerung, des Wahnsinns Mutter, sie, Sammt ihrer hurtigen Schwester, Phantasie, Erfaßte mich auf öder, weiter Reise – Genossen, die der Zufall zu mir spie, Schreckten die Geier und die Speise. Durch's Thor der Wolken rollte voll und rund Die brüllende Gewalt des Donnerlärmes, Wie Jovis Zorn verkündet durch den Mund Des fußbeschwingten, redekund'gen Hermes. Dann Todtenstille – über Moos und Uld, Gleichwie verstummen wegen arger Schuld, Gleich einem bösen lastenden Gewissen, So schweigt der See, daß vor'ge Tageshuld Ein'n Mord aus seiner Brust gerissen. Ha, wie der Blitz in's wüste Wasser zischt Und greller Schein die Felsen blendet, Nicht anders, wenn ein Hoffnungsstrahl sich mischt In eine Brust, die qualenvoll verendet. Jetzt rasseln Schlossen in das bange Thal, Weiß, groß, gedrängt, in zügelloser Zahl, Wie Sparterpfeile in den Knäu'l der Perser, Wie Kürassiere auf der Stätte blut'ger Wahl Rückprallen vor dem Knall der Mörser. Und Nacht durchfluthet rauschend die Natur: Ein Fluch des scheidend zornigen Tages, Und wieder donnert's wie ein Rütlischwur Von tausend Männern rauhen Schlages. So ritten wir durch's krachende Gehölz – Bis uns der purpurkalte Farbenschmelz Im Osten schauerte sein Licht entgegen, Bis, hinter uns der ungeheure Fels, Wir trabten auf vertrauten Wegen. Oestliche Lügen 1. In meinen Adern wühlt des Elends Wurm' Seit mich die Eifersucht, die Furie, packte, Durch alle Pulse der Begierde Sturm Rast wie der Gott, der wundennackte, Es feiern alle ruhigen Gedanken Sinn und Gefühl in wilder Brust sich zanken; Es kocht mein Aug', es fiebert meine Stirne Vor meinem leidenschaftdurchtobten Hirne. Und in der Dichtung Brautbett stürzend, Mein Geist in allen Fiebern wüthet, Ich dünke mich den wilden Padischah, Der Schlachtgedanken in Umarmung brütet. 2. Bin ein Sohn des heißen Süden Wo die Purpurtraube glüht, Bin ein Kind der Hesperiden Das zum kühlen Norden zieht. Wird mein tolles Feuerauge Zünden in ein deutsches Herz? Die Cigarre, die ich rauche, Draußen lindern meinen Schmerz? Jene schauerkalten Seelen, Ob sie fühlen meine Gluth? Doch, mein Herz, wird dir es fehlen, Da der Genius in dir ruht? Alle wird er noch verführen, Dieser reizend wilde Sang. Du wirst mir die Seelen rühren, Süßer, leiser Sporenklang! 3. Todt!? Nein nicht todt! begraben nur, Nein! nicht begraben – noch einmal geboren Ist – Utiscz: Zunge der Natur! Es hat ein Genius nur sein Joch verloren. Doch er ist todt, ja – todt. Schreit auf, verwandte Geister! O, lieber hört' ich, daß mein bester Freund Ein Schurke ward – ich, ein Verwaister, Ließ Vater, Mutter unbeweint – Das Liebchen sei verdorben und gestorben In wilder Schmach – ich selber wäre reif Mit jedem Auswurf dieser Welt zu buhlen – Wenn dieser Jammer, den ich kaum begreif', Wenn dieser Kunde thränenschwang're Kette Den ganzen Frieden meiner Dichterbrust Nicht heut', ach heut'! erdrosselt hätte Das Haidebild Zigeuner mit alten Geigen, Grafen mit schwarzen Dirnen, Reizender, schamloser Reigen, Finsteres, sprechendes Schweigen, Schweißperlende Stirnen. Unheimlich alte Weiber, Glühende Gluthweinbecher, Zotende Rossetreiber, Mitunter Räuber, Unmaßgeblicher Beschreiber, Je interessanter je frecher. Geibel's Antheil Wenn Küsse flüstern durch die Nacht Mit heimlich süßem Weh'n, Und Sterne still in Silbertracht Durch ihren Himmel geh'n, So ruf' ich, schlafet wohl, jawohl! In Ruh'! Die lieben Aeuglein zu, Die Engel Gottes hüten euch, Lulu! Wer weinen kann, dem ist so wohl, Gebenedeit ist der, Vom Dünensand bis nach Tyrol Und wieder bis an's Meer. Auch er schläft wohl, wie ihr, jawohl! In Ruh', Die lieben Aeuglein zu, Die Engel Gottes hüten euch, Lulu! Entschlafen ist das blaue Meer Und träumend ruht der Kiel, Und sanft erklingt darüberher Ein gold'nes Saitenspiel. Es singt und klingt, schlaft wohl, jawohl! In Ruh', Die lieben Aeuglein zu, Die Engel Gottes hüten euch, Lulu! Fahr' wohl, fahr' wohl, fern ferne du! Die Liebe zieht und scheucht – Ich aber – finde keine Ruh' Die braune Wange feucht ... Doch ihr, o schlaft nur wohl, jawohl! In Ruh' Die lieben Aeuglein zu, Die Engel Gottes hüten euch, Lulu! Unter'm Portrait Ocean ist Dichterbusen, Den die Lebensstürme packen, Nach dem Götterwink der Musen Speit er Perlen oder Kraken. Schier-asisch Meine Reime müssen rein, Wunder – lich intakt sein, Meine Strophen, wenn nicht fein, Scrupulös exact sein, Lieber, wenn vielleicht nicht rein, Sicher halbcontract sein; Lieber aber Lückenbüßer, Als zu reimen Glockengießer; Lieber einen Eisentbinder, Als gereimet Winter Kinder; Lieber etwa herzbeschiedlich, Als gemüthlich je auf friedlich; Lieber manchmal Reissereimer, Gluthenschäumer, Dichtedäumer, Als geradaus Verseleimer; Lieber noch der leere Schein, Lächerlich befrackt sein, Als verzeihlich nackt sein; Lieber zu der Hörer Pein Auf der Staunestelzebein- Schneiderwörterjagd sein; Lieber regenwasserrein, Wenn auch abgeschmackt sein! Moderner Ritterwitz Ich sah sie unter Fratzen statt Gesichtern, Entbehrend eines Herzens grünen Gruß, Wie unter einer Brut von Afterdichtern, Ein Feuergenius ersticken muß!! Mir bluteten die sporngeschmückten Fersen: Fort ritt' ich, ha! in wüster Wetternacht. Gleich den Gedanken, meinen wilddiversen, Bäumt sich der Hengst, als ging es in die Schlacht. Das stolze Thier verletzt am rauhen Kies, Das edle. O, zurück jetzt in die lüst'ren Glanzfluthenden Gemächer, die ich ließ, Jetzt oder nie muß sich das Bild entdüstren. Noch ging die Strahlende nicht zum Altar, Verlobung nur ist, was sie heute feiern: Jetzt klirr' ich mitten in die schale Schaar – Und lief're Stoff den Jamben meines Byron. Aus dem Buch der Liederlichkeit 1. Ich möchte gerne, wo an allem Ort Ein hohes Fauenbild sich quälend sehnet Nach Liebesthat zu süßem Liebeswort, Ihr nahen, da sie Gluth sich nahe wähnet Und harret einsam an dem Steine dort, Dran sie gedankenvoll und prächtig lehnet: Ich möchte solcher Edeln jede finden Zu trauter Stunde, wenn die Strahlen schwinden. Die rohen Narren, Männer sonst genannt, Gehn ihr vorüber, witzlos, ohne Fühlen, Mich hat ein unsagbarer Blick gebannt, Am Säulenschacht muß ich die Stirne kühlen, Auf reinen Formen weil' ich unverwandt, Mit Aug' und Sinn in Reiz mich einzuwühlen. Schon ist der Finger neckend Spiel begonnen Und ernste Rede führt zum Thron der Wonnen! 2. Ihr indischen Rosendüfte, Habt ihr mein Mädchen gesehn? Ihr Wellen, die ich beschiffte, Habt ihr vernommen ihr Flehn? Es war in dunkler Stunde Da schritten wir über den Sand, O, habt ihr gar keine Kunde, Wohin meine Göttin verschwand? Sie weint', ich konnte nicht weinen, Und endlich weint' ich auch – Ich that es nur ihr zu Liebe ... Wir schritten im Windeshauch. Nun sprecht, ihr Wellen, ihr Düfte, Habt ihr mein Mädchen geseh'n? O Pipi, Pepi, mein Täubchen, Vernimmst du nicht mein Fleh'n? O, sprecht ihr Wellen, ihr Düfte, Habt ihr sie besser gerührt? Habt ihr durch süßere Klagen Lacertchen mir entführt? Geistvoller Quartettstoff (Husaren oder Cigarren.) Cigarren sind gar wack're Schluzer, Das Menschenkind ist ihnen hold, Der zierliche, galante Stutzer, Der roh' gemeine Trunkenbold, Die allerbesten Schluzer waren, Seit man Tabak baut, die Cigarren. Gilt es den Kampf mit übeln Düften, Mit der Miasmen Höllenstank, Mit dem Geruch aus Modergrüften, So wissen wir dem Glimmchen Dank, Die besten Rettungsmittel waren, So lang es Nasen gab, Cigarren. Cigarren kann man immer brauchen, Habanna wie Palatia, Sobald wir nur Cigarren rauchen, Kommt keine Sorg' uns allzunah. Bei Bier, bei Punsch und Kaffe waren Von jeher practisch die Cigarren. Cigarren sind uns stets willkommen, Sowohl im Freien wie zu Haus, Sobald das Frühstück eingenommen, Vor, während und auch nach dem Schmaus, Ja selbst des Nachts im Bette waren, Schon Manchem köstlich die Cigarren. Cigarren sind auch wohlgelitten Bei Weibern, sonst wie allerwärts, Wenn wir sie recht gemüthlich bitten, So rauchen Weiber selbst zum Scherz. Man könnte sich viel' Langweil' sparen. Vermehrte man hübsch die Cigarren! Ein verlorener Gesang aus Amaranth Motto: Ein Schneider hat dich gemacht. Lear. Herr Walther wallt im Walde Mit Hermelin verbrämt, Sein Hüfthorn schallte balde So süß und so verschämt. Am Seidensammtbarette Die goldene Trottel rankt, Und über'm Amulette Die Reiherfeder schwankt. Es schlägt in reiche Falten Der Purpurmantel sich, Den zwei Agraffen halten So trutzig ritterlich; Beperlt, besteint, bebändert, Schaut er sich sinnend an, Wer hat dich so verändert, Du deutscher Rittersmann? Er schweigt und beugt sich nieder Und richtet dann sich auf, Unt beugt sich tiefer wieder, Die Hand gen Schwertesknauf! Die sanfte Locke schmieget Sich kindlich um sein Ohr, Und eine Thräne bieget Sich aus der Wimper vor. Und aus der Ferne nahen, Auf stolzem blankem Roß, Die feuchten Augen sahen Gismund mit keckem Troß. »Gib mir mein Koller wieder, Gib mir mein stählern Hemd!« So ruft er treu und bieder, So spricht er stolzzergrämt. »Wenn meine Ahnen wüßten, Wie ich verweichlicht bin, Sie knirschten: einem Christen Kommt solcher Tand zu Sinn?« Und vor der Herrin Füßen Wirft Ketten er und Tracht, Die blauen Augen fließen – Gismund? Gismunde lacht: Was faselst du von Christen, Bist du noch so bornirt? Von des Gefühls Gelüsten Noch nicht emancipirt! Schau' um dich, Herr der Erde, Die perlt im Lenzes schmuck, Es schmückt sich jede Börde – Du liebest Schmutzes Druck? Herr Walther schielt der Schönen In's feuersprüh'nde Aug' – Ihn überläuft ein Sehnen, Dem Sprosser gleich im Strauch. Er zittert mit der Linken Auf ihr Pilaster-Knie, Die Augen thäten im sinken, Er wußte selbst nicht wie. Doch plötzlich fährt er rückwärts, Und seufzt zum Himmel auf, Dann wieder kleidungsstückwärts, Das lag im Gras zu Hauf. Und den bebuschten Lippen Entfährt ein scharfes Wort, Und gen die Männerrippen Kocht ihm das Herz sofort. »Was nützet dir dein Prunken Im sprüh'nden Goldeslicht? Was alle Demant-Funken, Hast du die Demuth nicht? Du möchtest nur genießen, Zu aller Buße träg, Jetzt hab' ich's dir bewiesen: Du geh'st den falschen Weg! »O steig' vom eiteln Rosse Und wandle in's Gemach, Entsage diesem Schlosse Voll übermüth'ger Schmach; O sitze hin zur Spindel – Es ist nur um die Zucht – Verflucht sei aller Schwindel Und aller Stolz verflucht! »Brich ab das Jagdvergnügen, Das dich so wild zerstreut, Laß uns in's Kloster biegen Und einmal büßen heut'. Zwar hab' ich nichts dagegen, Daß man sich freut der Jagd, Doch ist mir d'ran gelegen – O sei mir treue Magd!« Er zieht ihr von dem Finger Den strahlenreichsten Ring, Den Lilienhaut-Umschlinger, An dem ihr Auge hing – Er schleudert ihn hinunter In Seees Grund und sagt: »Hier roste, schnöder Plunter, Du sei mir treue Magd! « Und hellauf zuckt ein Lachen Durch's wälsche Angesicht, Sie spornet den Wallachen Und weilet länger nicht. Als wie ein Blitz geschwinde Hinschießt sie durch's Gehölz, Es bauschen sich die Winde In der Schabrake Pelz. Herr Walther starrt der Stolzen Mit stummem Vorwurf nach, Und der Verachtung Bolzen Dem Aug' entjagen jach. Er hat kein Wort gesprochen, Entwallet still zu Thal, Er ist in's Knie gebrochen, Und weinet noch einmal. Da steht ihm gegenüber Und winkt mit weiter Hand, Und hauchet schnell vorüber Die süße Amaranth. Was mocht' er wohl da denken? Was floh' sie stumm davon? Mit Wehmuth ihn zu tränken Entschwand die Vision. Wohl sieht er stille stehen Beisammen Blumen zwei, Die eine kaum zu sehen, Die and're prunkend frei. Er wallt noch eine Miglie, Bis er frohlockend spricht: Kennst du die Sumpfeslilie, Und das Vergißmeinnicht? Was wallt er durch die Buchen Vorbei am Weiherstrand? Er scheint etwas zu suchen, Gefaltet Stirn und Hand. Er biegt in eine Grotte – Dort leuchtet Jesu Christ – Und danket seinem Gotte, Daß er kein Atheist. Die tiefsten der Gedanken (!) Durchzücken ihn wie Lied, Und Hochgefühle ranken Wie Eppich in's Gemüth. Was er mit sich gesprochen, Das ist so geisteshehr, Was seine Pulse pochen, Das läßt sich sagen schwer. Da zupft's ihn an der Kuppel Des treuen Ahnenschwerts, Und frägt mit kaltem Scrupel, Ob durstig auch sein Herz? Es war der Edelpage Mit der Genossen Schaar, Die zur Heremitage Still hergeschlichen war. Der hält die schwere Platte Voll köstlichen Confects, Der reicht, geschliffen matte, Den Kelch und nickt: wie schmeckt's? Der Maitrank, Limonade, Der Glühwein, der Sorbet, Der prahlt mit praller Wade, Dem sitzt's so knapp und nett. Der nippt verstohl'ner Weise, Der spielt mit dem Geschmeid, Der zieht im Sande Kreise Mit Fußes Lichtigkeit. Der äugelt mit der Schale Von schillerndem Crystall, Der schwenket Gluthpokale Und trotzet ihrem Fall! Herr Walther stiert und blicket Augschweifend in der Rund'; Hat diese hergeschicket Zum Hohne mir Gismund? Mit nerv'ger deutscher Rechte Zertrümmt er das Geschirr, Und scheucht die feinen Knechte Mit droh'ndem Schwertgeklirr'. Die flieh'n und kichern freche, Er aber bricht in's Knie, Und heiße Zährenbäche Enteilen ihm wie nie. Den Ellenbogen stützt er Auf Beichtesstuhles Kant', Und in Gedanken schnitzt er In's Schnitzwerk Amaranth. Was hört er draußen schallen Waldvögelein so trüb? Weh' euch, ihr eitlen Hallen, Weh' deinem stolzen Lieb! O, daß sie immergrünte, Die Minne frommer Zeit, Die, fern du aller Sünde, Trugst vor der Waldesmaid! Wo Berg und See sich schmiegen Mit Sehnsucht ineinand, Dort ließest jüngst du liegen Auf heißem Schooß die Hand? Gismundes Liebesheucheln Es wußte, großer Gott! Dir Gluthen abzuschmeicheln Zu deinem eig'nem Spott? Herr Walther biegt die Stirne An einer Eiche Stamm, Ueber die Alpenfirne Sehnt er sich lobesam; In ihren Eisenpanzer Sehnt sich die bied're Brust, Damit als Mann, als ganzer, Er würde sich bewußt (!) Er träumt von Waldesdüften Und heil'ger Einsamkeit, Epheudurchrankten Klüften, Wildrosig überschneit. Und eine Harfe schweben Sieht er und geisterhaft In leisen Klang verbeben: In Wehmuth Leidenschaft. Hoch über'm Schwarzeswalde, Tiefgolden, emaillirt, Entschwebte sie und hallte Von Waldesduft berührt; Und Hüfthorn, Orgel, Flöte, Sie schwebten all' heran, Die heilige Drommete, Posaune laut voran. Und Harfen über Harfen, Violin und Violon, Wie gaben sie so scharfen, Erschütternd hehren Ton! Es wallt die Tonkohorte Wie Donner des Gerichts, Und saget mehr als Worte – Hier sagten Worte Nichts. Damenpoesie nach dem tollen Jahr Wo ist das Land, da noch Gesetze blühn, Wo Tugenden Millionen Herzen glüh'n, Ein Vaterauge sanft auf Alles blickt, Und der Verführung einmal gar Nichts glückt? Wo ist das Schloß voll wunderschöner Prinzen, Da nicht Verräthermienen teuflisch grinzen, Wo nur die Treue wandelt aus und ein, Und stumme Ehrfurcht ist kein leerer Schein? Wo ist der Staat, da Sinn für Ordnung ist, Zu Würden nur gelangt der wahre Christ, Zufriedenheit bei Unterthanen wohnt, Und sich Verdienst in milder Gnade sonnt? Wo Jeder mit den Seinen sich begnügt, Und höhern Wünschen man sich gerne fügt, Wo Neid und Habsucht, Scheelgier und Verrath Nicht überwuchern darf des Guten Saat? Wo man allein noch Ritterlichkeit trifft, Wo nimmer wirkt das Demokratengift, Wo nicht die Faulheit auf der Bierbank thront, Und Pflichterfüllung durch sich selbst belohnt? Wo stille Demuth annoch findet Statt, Und noch der Adel was zu sagen hat, Wo Herr und Knecht kein leerer Name ist, Kurz, wo Religion und Christenthum noch ist!? Volkston In einer Nacht, einer finstern Nacht Hat eine arme Mutter Ihren Buben umgebracht. In einem kalten, vielnassen See Das Büblein liegt begraben, Thut ihm kein Zahn mehr weh. Du armer Tropf, nun hast du's gut! Die Mutter dankt im Herzen Der schweigsamen Fluth. Da war ein lauwarmer Wintertag, Am tannengrünen Ufer Das Büblein oben lag. Ein Waidmann strich im wüsten Wald, Sein Hund begunn zu bellen, Da sah er's Büblein bald. Die Menschen liefen aus der Stadt, Sie sahn sich die Guckaugen Am Büblein nimmer satt. Das Weib erschrack: nun sag' mir an, Heimtückisches Gewässer, Was hast du mir gethan? Die Mutter sperrten sie wohl ein. Der See, der hat geschwiegen – Und es könnt' auch anders sein. Der Kunstdichter Auf das Sonett ein nett Sonett zu machen, Darauf verfallen wird alsbald ein Dichter, Sofern ihm sonst nichts beifällt, und der Richter Wird leicht bestochen durch die Siebensachen. Die guten Freunde halten schon das Lachen, Gerne zufrieden ist das Zunftgelichter, Das, selbstbeseelt vom Nürenberger Trichter, Unendlich fühlt, es könn' es auch so machen. So den Beruf zur Dichtung aufzuzeigen, Muß ich nur schnelle das Sonett besingen, Jedoch ich glaub', ich darf sofort schon schweigen; Ist Alles doch bekannt, was mag entflammen, Gottlob, die Form schon stutzet uns die Schwingen, Auch sind die vierzehn Zeilen jetzt beisammen. Aus der Ghaseleefabrik Ob es die Locken lockend, Augen auch, Die Lippen seime? weiß ich ganz und gar nicht. Ob ich im Strahle deines Angesichts, Im Wellenbade süßen Redeworts, In Liebe taumle oder Trunkenheit, Wach' oder träume, weiß ich ganz und gar nicht. D'rum auch verzeihe mir, daß dich zu schau'n Ich Zeit versäume fleißig ganz und gar nicht; Weil And'res kaum mich Kranken hoffen läßt Fruchtlorbeer bäume – Reisig ganz und gar nicht. Dich aber, Zauberin, liebliche Nachtigall, Da deinem Lied der Seel' entfalten sich Die Rosen keime, preis ich ganz und gar nicht, So du dich nur in leere Luft verhauchst, Statt in die Saiten meines Busenspiels – Millionen Zäume leg der Sehnsucht an Und nur der Zäume dreißig ganz und gar nicht: Indem ich schwerlich bei Verstande bin, Wenn ich begeistert stolze Verse feil', Denn arme Reime reiß ich ganz und gar nicht. Noch weniger aber dichten ungereimt Kann ich, denn Seume heiß ich ganz und gar nicht – Ein Dichter, wisset, liebesgramberauscht, Ist insg eheime bei sich ganz und gar nicht. Almanächtig Wenn nach süßem Abendschlummer Die Natur im Monde liegt, Da beginnt der große Kummer, Der zur Brust sich schmiegt. Und die Sehnsucht, ach, zu stillen, Wandl' ich in dem Dämmerlicht, Brechend ohne meinen Willen Ein Vergißmeinnicht. Und ich sag' es dir alleine, Daß ich gern verrathen bin, Denn die Thräne so ich weine, Strömt als Lied dahin. Und der Schmerz um das verlor'ne Liebesblütheparadies Gleicht so seltsamsüß dem Dorne, Den die Rose ließ. Lieder des Divansky 1. Geh' hin, mein Sohn, betrinke dich, So wirst du ein Genie gleich sein. Wälz' dich gesund im Straßenkoth, Das Tiefste ist, dem Vieh gleich sein. Hast du ein Buch, verkauf's, versauf's, Der Weise ist der Trunkenbold. Ihn suche, weise ist er, denn Er wird bei der Parthie gleich sein. Sei gut und voll! Maß halten sei, Sagt Bias, gut. O, besser sind Zwei Maß. Da wird, was du nur thust Im Rausche, ein Genie streich sein. Sieh' an den Mönch, den fastenden, Der frech auf Gottes Gabe schimpft, Wälz ihm dich vor, der Schurke wird Gestolpert über's Knie gleich sein. Die Nüchternheit empöre dich, Nie trocken sei dir Wäsch' und Witz, Sie sollen stets am Spundenloch Triefendem Para plui gleich sein. Erst wenn dir ward zur anderen Natur der Rausch, wirst du im Kampf Mit Freiern und dem Jammergeist Der Katzen ewig sieg reich sein. Nasch' allzeit! Uebergibst du dich, So übergib dich nicht dem Wahn, Als wär' es Schmach, auf Pfirsichfleisch Zum guten Schluß Schmeiß flieg leich' sein. 2. Die Ros' erglühte in Flammen, Die Nachtigall war kein Amphib', Sie setzten sich fröhlich beisammen, Und hatten einander so lieb. Suleima's Teint, klagt Rose, Ist rosiger immer als ich, Auch giebt bei süßem Gekose Ihr Zünglein feineren Stich. Und Nachtigall klagt mit Aechzen: Nicht sei mir das Schweigen verargt, Mein Singen ist rabenhaft Krächzen, Sobald sie nur seufzt oder schnarcht. Sie siede mich nun oder brat' mich, Sie drehe die Gurgel mir um, Und speise dazu als Salat dich, Es wäre uns ewiger Ruhm! Der große Lyriker Ich bin das Meer, schier ohne Grund und Küste, Ihr wißt es, Perlen hat das Meer. Jawohl, das Meer, die große Wasserwüste, Gewiß auch nicht an Perlen leer, Wer aber will sie suchen, wer? Sprüche der Albernheit (Aus dem Afghanischen.) Hüte dich vor Hund und Katzen, Hüte dich vor Laus und Floh, Denn die einen können kratzen, Und die andern beißen froh. Darum selber thu' dich kratzen Darum leb wie Laus' und Floh, Aber nicht wie Hund und Katzen, Laus und Hund und Katzen kratzen Und zu hüten ist der Floh, Willst du sein des Lebens froh. Außerordentliche Professoren-Dichtung 1. Wenn dich der Menschheit Jammer faßt, So lasse dir zum Troste sagen, Der Seelenlebensschiffsbalast Muß dich nach dem Polarstern tragen – Dixi et animam salvavi. Die Felsenwahrheit wird sobald Nicht fallen vor der Nacht des Schnöden, Denn Sonnenklarheit ist entprallt Dem Silberschild des Urkomöden – Dixi et animam salvavi. Der Nichtsinn ist der Kehrblick oft Des Sinns; in falschen Göttern gleißet Die Menge, weil sie Unsinn hofft, Den Genius aber kothbeschmeißet – Dixi et animam salvavi. 2. So groß du bist, unendlich weite Welt, Du vor dir selbst erschreckender Koloß, Du bist doch nur, wofür der Mensch dich hält, Dem Großen klein und nur dem Kleinen groß. Erfahre du, nach reiflichster Betrachtung, Geistlose, meine gündlichste Verachtung. Man sagt, ein Gott hat dich aus Nichts gemacht, Wahr muß es sein, noch heut' bezeugt's der Schlamm; Was bist du? Nichts. Mit diesem Fluch bedacht: Der Apfel fällt nicht weit von seinem Stamm. Des Menschengeists erhebendes Bewußtsein, Es sollte dir ein ewiger Verlust sein. Einst betete im Bett des alten Nil Das blöde Volk dich, Welt, mit Inbrunst an, Mit dem Begriffe trieb es Affenspiel, Indeß um Wahrheit sich verzehrt der Mann. Dem Raum, dem Stoff, in schmutziger Bethörung, Erwies der Wahnmensch göttliche Verehrung. Es ist genug. Die frische Gegenwart Entriß sich längst dem schnöden Gängelband, Von der Natur in finstrer Zeit genarrt, Hat sich der Mensch zum Höheren gewandt. Und sieh! In wissenschaftlicher Verkunstung Entflieht er fröhlich alles Seins Umdunstung. Ein Popanz warst du, Welt, von Anbeginn, O, man durchschaut jetzt den berühmten Lauf! Du bist erkannt, Geheimnißkrämerin, Copernicus hob dir den Schleier auf. Noch hundert Jahr' und auf des Archimedes Weltmordpunkt steht von unsern Kindern Jedes. Ha, schauder' vor dir selbst, Erbärmliche, An uns'rer Gnade zappelst du nur noch, Nur eine Galgenfrist, rein förmliche, Und du erfüllst nicht mehr das eitle Loch. Bis dahin brüste dich, als Somnambüle, In deines Nichts durchbohrendem Gefühle! Dr. Geistreich's Feuilleton 1. In vollen Zügen schlürf' ich Die destillirte Luft, Mit meinem Stabe schürf ich Dem Käfer eine Gruft. Die Blüthenbäume schneien, Es weint die Nachtigall – Ich will ihn dir verzeihen, Mein Herz, den Wiederhall. O Frühling, heiliger Frühling, Wie bist du göttlich schön – Ich sehe den Dr. Spühling Dort auch spazieren gehn. 2. Ich ging am kühligen Strome Vorüber mit meinem schön Lieb, Es hoboëten die Drosseln, Als sie die Guckäug'lein rieb. Was zitterst du Mädchen, was ist dir? Ich sehe, ich seh', o du Kind, Ich sehe krystallene Tropfen, Wie Thränentropfen sind. Siehst auch die Wellen Du ziehen? Jetzt sind sie da, jetzt dort, Bald seh' ich keine mehr nimmer, Wie da, so wiederum fort. Wohl seh' ich die Wellen ja ziehen, Was soll das mir und dir? Wir können ja, Herzensgeliebte, Alle beide Nichts dafür. 3. Siehst du die kalten Wolken Am Mittagshimmel ziehn, Ich sehe die kalten Wolken Am Mittagshimmel zieh'n. Es ist so ein Gezitter Das in den Bäumen wippt, Wenn es nur kein Gewitter, Du Herzgeliebte, gibt! Denn schlüg' es auch nur flüchtig Dir in das Herzchen ein – Ich müßte eifersüchtig, Und minder geistreich sein. 4. Mon Dieu! die blinkende Schnuppe Wie sie geflügelt winkt, Gleich wie aus dunkler Puppe Ein Papillon sich schwingt. Mir wird dabei so palude, Als müßt' ich wandern so weit, Als wäre der ewige Jude Mir in die Brust gestreut. Neueste Epigrammertsvögel Nimmer verrathen die Götter den Liebling, ob er den Lorbeer Dreimal unsäglichen Spotts unter die Füße sich tritt. Göthe umarmte im Geist den Homer und den Sänger von Lidos, Aber Sophrosyne rieth ihm von Euripides ab; Darum entsprang aus der Hüfte ihm Lied und erzählende Weise, Während vom Rücken ihm trof Willkür des brennenden Stoffs. Wenn sich im Bogen ergießt des Farbquells siebniger Wohllaut, Steht mit verstaunendem Aug' auch der Verkommenste da. Trübsal trocknet im Traum der trümmerauftreibenden Tragik; Trügerisch trollt sich der Troß, trotzend treutröstlichem Trieb. Eines verehr' ich, den Schweiß, die Schwiele, die Schwester des Schweißes Lieb' ich und drücke die Hand brüderlich schwitzend mir selbst. Mode-Ode Alkäisch, sapphisch, asklepiadéisch, traun! Ist wied'rum Mode, also versuch's auch ich, Obschon das eitle Publi kum wird Viele Notiz wohl davon nicht nehmen. Indessen dárauf kommt es ja gar nicht an, Die eigne Plage ist der Bemühung Lohn, O besser freilich wär's, die deutsche Sprache nicht also zu radebrechen. Erfände Einer ein urn atürlic h Maß Im Heimathgeiste; tausend der Wörter ja In Versen möchten eine Stätte Finden und richtigen Klangs gesprochen. Ich fühl's, sie betteln, Keiner erbarmt sich doch, Viel lieber bricht er Arm und Gelenk' entzwei, Und zwingt in sein Prokrustes bett die Aermsten, ein Stümper, ein ganz herz- loser. Ich aber huld'ge lieber der Mode auch, Daß vor Kunst- Rich tern einige Ruh' ich hab', Von einflußreichen Philologen Aber vielleicht noch ein Lob erhasche. Der Aesthetische Bandwurmstrophen, göttliche Terzinen Oder auch geharn- ischte Sonette, Lass' ich los, das eigne Versmas preisend, Aus Petrarka, Dante, Göthe weisend, Platen jedenfalls in Wunderglätte, Meisterbrief ausstellend Allen ihnen, Deutsches hold mit Wälschestem verschweißend, Zählend kunstverwandte Musenstädte, Gold vermählend dem Ultramarinen, Plaudernd über Tizian's Palette, Etwas überflüssig um mich beißend, Als ob man mich angetastet hätte – Werd' ich schließlich stumm, Steh' vor hohem Publikum Da mit stolzen Bettlermienen. Der Gefühlvolle Herbstzeitlose, letzte Rose, Nachtviole, stumm Gebet, Thränendrüse, Alphabet, Duftnarkose, Deinvergessen, Hauch, Mimose. Himmelsfrieden, Glockenschlag, Seele – Allerseelentag! – Wenn ich solche Worte singe, Braucht es da noch großer Dinge Dich zu preisen, Selbstverlag? Roquetterie Ungeheure Heiterkeit Jauchzt in unsern Büsen, Die wir noch im Flügelkleid Morgensonnen grüßen – Stiefeln über Berg und Thal, Mitten durch die Hopfen, Oder auch ein ander Mal, Auf den Busch zu klopfen. Jugendbläue, Maienkur Klingen unsre Saiten, Lächerlich erscheinen nur, Die was arebeiten, Hei! was schiert uns euer Zopf, Die wir selig spassen, Und der Lebensflasche Pfropf Lustig knallen lassen! Sorgen um das liebe Brot Lassen wir den Sternen, Und es macht uns kleine Noth, Daß wir sonst was lernen. Frische Jungen sind wir ja, Schlendern hin und fahren Durch die Welt, juvallera, Eppich in den Haaren. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Haiden, Dich zu bringen in die Mod', Soll uns nicht verleiden; Aber wenn wir deinen Duft Haben ausgesogen, Setzen wir uns in die Luft Auf den Regenbogen! Kupplethargie Liebs Publikum, ich bin das Couplét, Mir ist vor mir selber ganz übel, o weh! Weil ich witzig soll sein und bin gründlich fad, Statt in Wahrheit ein – italien'scher Salat. Ach ich bin ein Bastard nur von Geist und Geschmier, Aber – ich kann nichts dafür. Von Ehedissidien, von städtischem Klatsch, Von ein wenig verschimmeltem Kladderadatsch, Crinolinen und Chignons, von Schneidern, potz Blitz Der »Schneider« das ist ja schon selber ein Witz, Von dem soll ich nähren mich armes Gethier, Aber – ich kann nichts dafür! Wanderwurstig Nach Kamtschatka, nach Kamtschatka, Drückt mich lang schon die Krawatka, Wo der Wendegreis sich narrt; Wo der Russe endlich endigt, Wo der Wandrer verelenndigt, Und der Mutterwitz erstarrt – Dahin – Nach Gorillien, nach Gorillien Thu' das Budget mir verwilligen, Wo der Waldmensch lebt und leibt; Wo die Muse, die verirrte, Mit Gewalt verliert die Myrthe, Und der Wechselbalg sich sträubt – Dahin – Auf dem Dawala-lackhieri War ich auch schon schneeblind schieri, Wo die Pore röthlich rinnt; Wo der Mensch gen Himmel zipfelt, Wo der Unsinn grausam gipfelt, Und das Bohnenlied beginnt – Dahin komm' ich schließlich hin! Mit Scheffelmaß Mel. J.w.n.w.s.e. bed. Einst schoß ich im siebenten Himmel Krampfhaft als Meteor, Aus dem Engeren in das Weitre, Und hatte glanzvollen Humor. Ein chaotischer Erdbahnschnupfen Nieste mich feurig herab, Ich kam bedeutend herunter, Wie des Rodensteiners Knapp. Nun, gefallen aus allen Himmeln, Tröstet mich Selbsteinkehr: Als ich höheren Schwindel getrieben, War ich dochschon nur höchstephemer. Die chlorberauschtübermüth'ge Menschheit hatte längst mich durchschaut, Das Mannweib Spektralanalyse Entriß mir die Löwenhaut. Obschon ich in Wahrheit weit her bin, Ist doch nichts Besondres an mir, Ich bin erkannt – als Nickel, Und war's, schon im Zeichen des Stier. Wegen sehr »zwecklosen Umherziehn's« Vielleicht gar »unwissend wo« Kam ich auf den Schub, so spräche Gern die Wissenschaft im Büreau. Doch, ein Loch in Kopf schlug mein Colleg einst Dem Anaxagoras, bum! Das freut mich noch heut; es machte Daß die Philosophie kehrte um. Zwar es platzten Meinesgleichen Nicht blos zur Kulturwelt herein, Ich war schon der Pfahlbautgesellschaft Nicht ganz hoffnungslos – ein Stein. Sie begriff, was mir irdischen Werth lieh, Zumal meine seltsamen hex- agonalen Konkavitäten, Davon die Kehrwand konvex. Und neueste Forschung erquickt mich: War Weltkörpertrumm, Majestät, Planetarische Stoffanhäufung – Kein bloses Mondexkret. Ich fiel – zwischen Görz und Gradiska In's sedimentäre Friaul. Zu Venedig im rothen Ochsen Dien' ich noch als Trinkpokaul! Aus dem neuen Völker-Frühlingg Motto: Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Heilige Gewässer wälzen Sich vom Grat des Himalaya, Und die Muse geht auf Stelzen, Kaufbesorgt vom Sohn der Maja: Aus erloschner Felsengrotte Tönet delphisches Orakel, Doch die Welt steht vor dem Gotte Mit der umgekehrten Fackel. Wenn sich Selene entschleiert dem Pol, Dunkler Geheimnisse Schmerz-Alkohol Jauchzt in Phiolen und schäumet Mirakel. Aus dem Geisterland der Skythen Weht es ahnungsvoll herüber, Durch die Dämmerung der Mythen Zittern Schwerter, gros Kaliber. Fluch, o Fluch dem kranken Wahne, Segen jeder stummen Klage, Tröstung jeder Karawane, Friede jedem Sarkophage! Sonnig im Ozean schlummert das Ei Seliger Insel und Akakelei Strahlt vom Skorpion und entschimmert der Waage. Lasset mich vom Aetna schreiten Ueber hadesgraue Schlacken, Laßt mich in die Fluth der Zeiten Tauchen mit dem Priesternacken; Unabsehbar schleichen Züge Schneegezeugter wilder Ahnen Um die eingesargte Lüge Des Jahrhunderts der Alanen. Zweifelhaft ist die Unsterblichkeit, Hol mich der Teufel eh' morgen als heut, Neue Geschlechter zahnen.