Die Erfüllung Die festlichen Fahnen flattern – Den König auf hohem Thron Erfreueten hundert Siege So sehr nicht, als in der Wiege Sein neugeborner Sohn. Und heller Hörner Schallen Erklinget ins Morgenroth, Ihr Ruf stets neue Vasallen Aufs Königsschloß gebot. Das Zechen nahm kein Ende Drei Monden flossen hin, Und sieben Tage drüber, Am letzten schlief hinüber Die kranke Königin. Da schrack der König zusammen, Da ließ er löschen zur Zeit Die Kerzen und Freudenflammen, Da ward ihm prophezeit: »Es wird ein Jüngling kommen, Der Todten an Schönheit gleich, Den Jüngling wirst du erschlagen, Er hat dir in sieben Tagen Zertrümmert Thron und Reich!« Da schrack der König zusammen, Da trauert sein Herz aufs Neu, In seinen Augen schwammen Der Kummer und bittre Reu. Und zwanzig Jahre verflossen, Vergessen war längst das Wort – Jetzt aber flog von Munde Zu Munde schmerzliche Kunde, Sie meldete Brand und Mord. Gefallen war unvermuthet Ein schweifend Volk ins Land, So unaufhaltsam fluthet Das Meer nicht über den Strand! Da sprach zum Sohn der König, Und legt aufs schöne Haupt Ihm freundlichen Blickes die Rechte, »Geh hin, mein Sohn, und fechte, Sei glücklich« ... ha, was raubt Den väterlichen Wangen So plötzlich alles Blut, Was reißt ihm wie mit Zangen Aus seiner Brust den Muth? »Weh mir! das ist der Jüngling Der Todten an Schönheit gleich! Sein Anblick ist Erneuung Verschollener Prophezeiung – Wo ist mein Thron, mein Reich?« Und einen bösen Gedanken Gibt ihm der Schrecken ein, Den schönen Jüngling, den schlanken, Will er dem Tode weihn. »Auf! eile mein Sohn, beweise, Daß du von Helden entstammt, Nimm dreißig erlesene Ritter, Sei wie ein Morgengewitter, Das schmettert wenn es flammt! Die Kraft mußt du erproben, Mußt suchen die Gefahr, Die Welt verschmäht zu loben, Wo großer Haufe war.« Dem König flüchtig dankend, Entfernt sich scheu der Sohn, Nicht war dem Klugen entgangen Die plötzliche Blässe der Wangen, Des Vaters seltsamer Ton. Und mit dem Argwohn flüchten Mocht er zur Amme alt, Er frägt nach alten Geschichten, Da blutet sein Herz gar bald. Doch Ehre gebeut und rufet Den stolzen hinaus ins Feld, Das Schwert klirrt in der Scheide, So zogen auf nächtlicher Haide Die dreißig, voran der Held. Kaum funkelt der Tag, umschwärmen Zahllose Feinde den Troß, Beginnet die Schlacht zu lärmen, Stürzt Reitersmann und Roß. Weh euch, ihr treuen Kämpen, Euch hält umarmt der Tod! Durch eine Herrschergrille Stehn eure Herzen stille – Schlaft still – im Morgenroth! Nur Einer will nicht schwanken, Wo schon das Kämpfen ruht, Die Frühlingskräuter tranken Nur seiner Gegner Blut. Der Jüngling wars, der jetzo Der fremde Herzog berennt, Der Herzog hoch zu Pferde, Er wirft den Jüngling zur Erde – Der springet auf behend. Da greifen sie zu den Schwerten, Da splittert des Jünglings Stahl An bessern Stahles Härten, Da rollt sein Helm zu Thal. Doch schnell am prallen Haarschmuck Des Hiebes Wucht erlag, Wie golden wallten die Locken! Der Herzog, freudig erschrocken, Hält inne mit neuem Schlag. Und schon hat Jener erhoben Die Keule, zu rächen die Schmach, Er schnellt sie mit rasendem Toben Dem Hiebe des Fremdlings nach. Sie sehn ihn wanken, schwanken, Und sinken mit ihm ihr Glück; Die fremden Krieger erbleichen, In Furcht und Ehrfurcht weichen Sie vor dem Starken zurück. Der stehet einsam, trauend Dem Schutze der Götter nur, Es staunet der Feind, erschauend Die leuchtende Heldenspur. Und, die der Tod geschichtet, Man hat sie jetzt nicht gezählt, Wohl war der Führer darunter, Doch wenn das Heer frisch munter, Was hilfts, wenn der Führer fehlt? Der Tapferste wars von Allen – Er mußte es wieder sein – Wars keiner seiner Vasallen? Der Jüngling wars allein. Sie jauchzen und küren den Helden, Und heben ihn auf den Schild, Der Jüngling wars zufrieden: »Die Götter haben entschieden, Mein Schicksal sei erfüllt!« Wohl muß er die Heimkehr meiden Zum Haus voll Trug und List, Zum Vater, der beim Scheiden Den Kuß des Verräthers geküßt! Wie mit tosendem Gekrache, Von des Wetters Macht zerschellt, Die zertrümmerte Felsenmasse Sich bahnt eine bebende Gasse! Wenn sie fürchterlich winkt, und fällt, – Und donnernd rollt sie die jache Die Wand des Berges herab, Und knickt, als nähme sie Rache, Die Hoffnung des Menschen ab; Ja Rache, weil sie gestürzet Vom herrlichen Wolkenthron; Zerschmettert Wälder und Hütten, Sie begleitet im grausen Verschütten Der Lebendigen Klageton – So läßt sich die Kraft des Rächers Nicht brechen, die Wuth nicht staun, Die blinde, des schrecklichen Zechers In Blut und Menschengraun. Der König in seinem Schlosse War traurig und war froh, Er glaubte den Sohn erschlagen, Er hörte des Volkes Klagen, Sein stolzer Gleichmuth floh. Und heller Hörner Schallen Erklinget ins Morgenroth, Ihr Ruf die schnellen Vasallen Aufs Königsschloß gebot. Sie ritten am siebenten Tage, Zu großer Macht vereint, Der König mit allen Recken, Er wollte strafen den kecken Den übermüthigen Feind. Doch was seine Brust erfülle Das sagt sein klopfend Herz, Sein trotziger Herrscherwille Erschmilzt in tiefen Schmerz. Bald deckte die Schlacht den Anger Mit sterbender Menschheit zu; Es ermatten die feurigen Renner, Vergeblich spornt sie der Männer Gewaltiger Eisenschuh. Noch immer herüber, hinüber Schwanket das Schlachtenglück, Doch immer umflort sich trüber Des Königs düstrer Blick. Da wirbelt ein heißer Südwind Herauf vom nahen Meer, Wild schmerzt die staubge Schwüle, Da flieht in dichtem Gewühle Das müde Königsheer. Der König nur steht mannhaft, Verstummt in sich hinein, Mit letzter Athemspannkraft Mäht er des Feindes Reihn. Und auf einander treffen Jetzund der Vater und Sohn, Der Sohn dem Vater unkenntlich, Der Vater dem Sohn unendlich Verhaßt wie der Hölle Schlund. Doch – soll der Sohn bestürmen Den Vater mit scharfem Tod? Ziemt Flucht? Sich selber schirmen Heißt ihn die grimmige Noth. Wie da der Mann, der starke, Den Jüngling hart bestritt! Dem stund in solchem Streite Kein Jugendfeuer zur Seite, Das reife Kraft vertritt. Den Vater galts zu schonen, Und doch zu retten den Schein Der Tapferkeit. Wie lohnen Die Götter so herber Pein? Und sieh, da rollet wieder Des Jünglings Helm zu Thal; Des Königs Hiebe flammen – Der König schrickt zusammen, Der Sohn erbleicht zumal. Und auf den schönen Todten Starrt hin des Vaters Schmerz; Der König rasselt zu Boden – Gebrochen war sein Herz. Es staunen die fremden Horden Am unheilvollen Ort. So redete wahr die Stimme, So war erfüllt das schlimme, Das alte, verschollene Wort. Vom Könige selbst erschlagen Der Jüngling, an Schönheit gleich Der Mutter – in sieben Tagen Zertrümmert Thron und Reich.