Geschichten und Gestalten Ein Poet Kennt ihr den unglückselgen, Den übermüthgen Mann, Den wunderbaren, welchen Niemand begreifen kann! Ihr wißt, daß keinen Richter Er über sich erkennt, Und nennt ihn einen Dichter, Wie er sich selber nennt. Ihr lauschet seinen Tönen Der Eine aber fühlt Von allen Erdensöhnen Wie Lorbeer brennt und kühlt! Zugleich in Lust und Schmerzen Ist er entzückt, betrübt, Und oft vom selben Herzen Gehaßt und heißgeliebt. Sein Schicksal ist, zu schauen Zukünftiges und doch Am alten Räthsel kauen, Doch ziehn im ewgen Joch. Mit Träumen, mit Gedanken, Mit Prüfung bester Kraft Zu schwelgen oder kranken In jeder Leidenschaft. Was Alles einst empfunden, Von Andern ward gelebt, Ihm schlägt es frische Wunden, Die er durchs Leben schleppt! Und so ihm der Pelide Vors Auge treten will, Da weicht von ihm der Friede, Er selber ist Achill. Die Meergöttinnen klagen, Er sitzt am Strand und weint, Patroklos ist erschlagen, Patroklos war sein Freund. Er grollt, er weint, es schäumet Hochauf das Meer, er starrt Hinein, vergißt, versäumet Den Wink der Gegenwart. Erschrecket nicht, zu lesen An seiner Stirn, daß er Der Kain einst gewesen, Und einst der Ahasver. Der Menschheit tausendfältgen Geheimsten Kummer muß In seinem Selbst bewältgen Der stolze Genius. In seinem Busen sammelt Sich auf das Weh der Welt, Doch keine Demuth stammelt Der narbenvolle Held. Mit Trost sich selbst zu täuschen, Zu göttlich, folgt er nur Dem hellen Ruf der keuschen, Der innersten Natur. Die ihr so unanstellig Ihn findet zum Geschäft Des Tages, selbstgefällig An Klugheit übertrefft. Die ihr ihn sein bewitzelt, Und meidet seinen Pfad – O eure Seelen kitzelt Sein Wort und seine That. Umsonst, daß ihr ihn heißet Heil suchen anderwärts; Was wollt ihr thun, ihr reißet Aus seiner Brust das Herz! Fürwahr ihm lohnt Verkennung, So tief er fühlt und ringt, Daß jeder Tag ihm Trennung Auch von dem Liebsten bringt. Auf seinen wilden Wegen Kommt nimmermehr das Glück Dem Schmachtenden entgegen Mit Grüßen in dem Blick. Ihm ist kein Seelensrieden, Ihm ist nicht Ruh, nicht Ziel, Kein Heimathland beschieden, Kaum irgend – ein Asyl. Von Wenigen verstanden, Von Keinem ganz erfaßt, Nimmt er den Stab zu Handen Und will auch keine Rast. So treibt es ihn, zu schweifen, Unstäten Geistes Kind, Und seine Früchte reifen In Wetter und in Wind. Sie reifen, wie die Sonne Von Land zu Land von Pol Zu Pol ihm Leid und Wonne Ihm reifte Weh und Wohl. Dann strömet seine Leier So klare Töne aus, Und nimmer kühner freier Voll süßem Seelengraus! Wohl tief, ach tief von innen Entquillt der reiche Klang, Sein Herzblut muß verrinnen Mit jenem schönsten Sang.