Bruno Ertler Das Spiel von Doktor Faust Ein deutsches Stück im Volkston in einem Vorspiel und drei Akten [Widmung] Meinem Freunde Alfred Freiherrn von Buttlar- Brandenfels im Gedenken an die Geister auf Schloß Pischätz im Sommer 1922. Personen Figuren: Doktor Johannes Faust, Professor zu Wittenberg Doktor Faustens Vater Wagner, Faustens Famulus Hanswurst, Faustens Diener Pluto, der Fürst der Hölle Charon, der Höllenfährmann Krumschal, der Schlemmerteufel Bulla, die Wollustteufelin Mephistopheles, der böse Geist Der König Die Königin Orestes, der Königin Bruder Erster Scherge Zweiter Scherge Krustl, ein subalterner Teufel Einige Studenten Der Pfarrer Mehrere Teufel Der »actor ludi«, der den Vorspruch spricht Der Geist von Doktor Faustens Mutter Vorspruch Vorspruch Der Führer der Komödianten, genannt der actor, tritt auf, neigt sich und spricht. Ein deutsches Spiel aus alter Zeit tritt vor euch hin in neuem Kleid. Es hat von Kindestag bis jetzt schon manches Wämschen durchgewetzt, fuhr einst mit Sängern, Springern, Narren von Markt zu Markt im bunten Karren, lustierte Herren und Banausen, macht viele fromme Seelen grausen, war bald ein Wirbel leichter Geister und bald ein Sinnwerk tiefster Meister, klebt' fester an die fette Erden breit lachend den zufried'nen Mann und wies mit ewigen Gebärden den Menschengrübler himmelan. Was je in deutschem Blute gor, aus deutscher Seele los sich rang, formt hier aus Tiefen sich empor zu Licht und Lachen, Sinn und Klang. Und ward auch göttlichem Gehalt oft fremder Glätte Glanz gegeben, blieb doch des Spieles Trutzgestalt das hohe Lied vom deutschen Leben. Doch nicht der Kampf um Gott und Welt, der Sonnenweiten in sich bindet, sei hier in engen Raum gestellt: Mein Spiel ist einfach; unterwindet sich keiner Tat der Ewigkeit, sucht Neues kaum, noch Unerhörtes, stellt nur Vertrautes und Bewährtes zum alten Strauß von Lust und Leid. Doch wenn ihr ihm zu Gunst und Lasten dies oder jenes buchen wollt, so ward das Bild im bunten Kasten nur wenig anders aufgerollt. Kaum dieser oder jener Aktor ward frisch gekleidet und frisiert und mancher halbvergess'ne Faktor in das Exempel neu postiert. Besonders kam dem Schalk zugute, was ernste Weisheit ihm verwehrt, und wenn er keck im Übermute zu weiten Raum für sich begehrt, so wollt geneigtest nicht vergessen, daß er in dieser kleinen Welt noch heute seinen Platz behält, den in der großen er besessen. Nun mag euch wiederum ergetzen, was euren Ahnen Freude war, und in verwandte Regung setzen, was groß sie traf und sonderbar. Denn ob die Zeit ihr Antlitz wandelt: Was Lust und Not dem Geist entrang, Was je mit seinem Gott gehandelt, das spottet jedem Untergang. Mag unser Spiel euch dies erfassen und neuen Mut draus schöpfen lassen. Ab. Vorspiel 1. Szene 1. Szene Vor der Hölle. Phantastische Szenerie und Beleuchtung. Im Hintergrunde ein Tor. kommt und spricht verdrießlich. Ich, der Charon, hab's nicht leicht, die verdammten Scharen über Styx und Acheron in die Höll' zu fahren; denn es kommen wenig an, wo man was verdienen kann. Drum ist mir das G'schäft zuwider, das ich bis daher verricht. Ich leg' es mit Freuden nieder und verwalt' es ferner nicht Will doch gleich den Alten sehen, wie er spuckt, wenn ich werd' gehen! Ruft. Hollah! Auf die Höllenriegel! Alter Pluto, komm herfür! Alle schwarzen Teufelsnigel 'raus mit euch und zeigt euch mir! Ich, der Charon, will mit Freuden meinen Dienst von jetztab meiden! 2. Szene 2. Szene Pluto erscheint unter Donnergetöse aus dem feurigen Tor. Halt' dein dreckig Lästermaul, alter Höllenseelengaul, wo ich just beschäftigt bin mit der jüngsten Teufelin! Schimpfen können solche Herrn, zahlen nicht! Das hab' ich gern! Was ist los, mein Feuerkind, kann nicht warten! Red' geschwind! Nix ist los; drum will ich gehen. Nix? Wieso? Du wirst verstehen, daß ich armer alter Mann von der Luft nicht leben kann. Und dein Geschäft? Du hast leicht lachen, frißt Pech und melkst deine Höllendrachen und nudelst dazwischen zum Zeitvertreib alle Tag' ein anderes Teufelsweib. Indessen ich abgerackerter Lackl das alte, zerlemperte Geisterschinakl herüberbugsier' in den Höllenschlund nach dem neuen Fahrplan zweimal in der Stund'. Na also! Da blüht doch der Seelenverkehr! A Schmarrn blüht! Ich fahr' ja doch alleweil leer! Alle Wochen einmal eine magere Seel', so ein ausgewerkeltes Lastergestell, das sein Erdenleben bei Tag und bei Nacht nur mit läßlichen Schlampereien verbracht. Für'n Himmel zu schmutzig, für die Höll' zu minder. Aber nie ein saftiger, rassiger Sünder, so einer, der den alten Herrgott recht reizt, daß denen im Himmel die Galle platzt. Ein Kerl, der was tut und nicht allweil nur schwatzt, so daß sich's lohnt, wenn man den großen Höllofen heizt. Aber freilich: Dazu g'hört halt ein bißl Genie, nicht nur Fressen und Saufen und Cochonerie, wie sie's jetzt immer treiben da oben auf der Erd. Nicht einmal zum Sündigen sind sie heut' mehr was wert. Und zu allem kommt noch, Kreuz Pestilenz! Die überirdische Konkurrenz: Die wirtschaftet besser zu ihrem Segen, da sind deine Teufel schon gar nichts dagegen, ung'schickt in den Pratzen und fad im Maul und im ganzen stinkfaul. Erst gestern hab' ich so einer Höllenhaut volle zwei Stunden zugeschaut: Anstatt fleißig zu ärgern und zu verführen tut er mit einem Pfarrer herumdisputieren, als ob er ein Seminarzögling wär' – am End' widerlegt ihn der geistliche Herr und dein Teufel zieht manierlich und fein nachdenklich voll Demut sein Schweiferl ein. Also weißt du: Mit solchen Helden soll ein anderer Seelen zuführen! Ich geh' mich zum Petrus melden und werd' es oben probieren. Na ja: was ist schließlich besond'res dabei? Ich bin ein Beamter ohne Partei und um ein erträgliches Unterkommen ist schon mancher von links nach rechts geschwommen und wieder zurück je nach Pech oder Glück. Kurz: Wenn deine Teufel nicht gleich fleißig springen und mir nicht schnell ein paar aus'gwachs'ne Sünder bringen, dann soll dir die paar armseligen Ludern ein anderer Narr herüberrudern. Geh, Charon! Jetzt mach' du mir auch noch G'schichten! Ihr werd's mich noch alle zugrunde richten! Dann können wir glücklich droben auf Erden Maschinführer oder Rußkehrer werden. bockig. Ein fetter Sünder – und ich will bleiben! Wo soll ich denn gleich so an Kerl auftreiben? Frag deine Teufel! Ja, du hast recht, zu was zahlt man denn eigentlich seine Knecht'! Ruft in das Tor. He! Fangteufel! Bagaschi! Wer ist denn g'rad z' Haus? Kommt's amal alle a bißl 'raus! 3. Szene 3. Szene Unter Heulen und Pfeifen erscheinen der Schlemmerteufel Krumschal, die Wollustteufelin Bulla und Mephistopheles, der böse Geist. lüstern lächelnd. Cho! Krumschal, geiles Lasterböckerl! Und Bulla mit dem kurzen Röckerl und du, Mephisto, böser Geist: Hört zu: Der Charon hier verweist euch Trägheit. He? Was soll das heißen?! Soll ich euch an den Schwänzen reißen? Euch dran in's große Feuer hängen? Die Daumen in die Schrauben zwängen? Wir brauchen eine schwere Seel' gleich auf der Stell. Wißt ihr mir keine? Herr, ich weiß eine. Ha! Mephistopheles, alter Schieber, du bist das richtige Kaliber! Suchst dir die fetten Bissen aus, bringst keinen toten Frosch nach Haus. Wen hast du denn jetzt auf dem Zug? Es ist der Faust! Der Doktor klug und hochgelahrt zu Wittenberg? Ja, der. Da geh' nur fein an's Werk! Ich kenn' ihn gut und ich muß sagen, er liegt mir lange schon im Magen. Doch ist er schwer herumzukriegen, denn wenn sein Blut auch erdwärts zieht, es summt ihm doch das alte Lied vom Höhersein und Aufwärtsfliegen. 's ist die verdammte Melodie, die uns die Besten streitig macht. Betäubst du ihn, erstickst du sie – beug' ich mich selbst vor deiner Macht! Ich werde es – doch brauch' ich Zeit. Wie lang? O, keine Ewigkeit. Ich schwöre dir: In knapp zwölf Jahren soll Charon ihn zur Hölle fahren. Ich hätt' es keinem zugetraut, nur dir, vor dem mir selber graut. Nun, Charon, bist du es gewillt? Die Zeit ist nichts, wenn's Großes gilt. Ich warte. Brav. Ihr andern helft nach Kräften bei Mephistopheles Geschäften. Verschwindet! Rrracks!!! Charon, Krumschal, Bulla unter Geheul ab. 4. Szene 4. Szene Nun, Mephistopheles, zur Tat! Schon lang' verfolg' ich Faustens Leben und kann dir manchen guten Rat zum Werk mitgeben. Er ist zwar klug – doch ein Pedant, will alles erst geschrieben sehen: Spiel' ihm ein Buch in seine Hand, darinnen falsche Zeichen stehen. Wer sich dem Pergament vertraut, trägt selber bald die Eselshaut und glaubt, was Kiel und Stift erjagt mehr, als ihm Blut und Auge sagt. Dies, lieber Freund, sind die Prämissen: Den Schluß wirst du schon selber wissen. Leb wohl! Ich muß verschwinden. Rrrrack!!! Ab. 5. Szene 5. Szene allein, von rotem Licht dämonisch umspielt. Auch einer von dem eitlen Pack! Brauch' ich den Rat von euern Gnaden?! Sitzt ihr im Rauch des Höllentals oder in Himmelswolkenschwaden: Benebelt seid ihr jedenfalls! Ein jeder will sich hoch vermessen und fühlt vom andern sich beraubt; doch habt ihr schon dabei vergessen: Ihr lebt von dem nur, der euch glaubt! Hier setz' ich ein, verehrte Götter, ich, den kein Dunst mehr blöde macht, und dreh in der gewissen Nacht den Jünger euch zum kalten Spötter. Euch zum Verdruß und mir zur Labe und ihm zur Qual durch Hohn verstärkt; denn Lichtgott war ich einst und habe mir etliches davon gemerkt, wie einer, der im Dunkel zieht, verlor'ne Kindheit leuchten sieht. Nun, Fauste! Auf die Seelenkammer! Du trägst, wie viele, die in Schmerzen nach Gott gesucht, zu deinem Jammer den Teufel bald im heißen Herzen! Nicht Gott, noch Hölle diene ich: Nur mir zu Ehren hol' ich dich! Ab. – Vorhang. 1. Akt 1. Szene 1. Szene Faustens Studierstube voll mit Büchern und wissenschaftlichem Gerät Faust allein am Pult vor einem aufgeschlagenen Folianten. Kein Licht, kein Ausweg und kein End', was ich auch denk und dichte und ob mein armes Hirn verbrennt, mir wird das Werk zunichte. Ich geh's von allen Seiten an, zwing' meinen Geist die schroffe Bahn, laß Welt und Menschen achtlos liegen und kann den Dämon nicht besiegen. Er reißt mich stets zu neuem Ringen, verheißend hoher Klarheit Glück. Doch meine schärfsten Waffen springen von seinem Spiegelschild zurück, daß ich erkenn' im tiefen Fall: Ein Staubkorn ist der Mensch im All. In alten Büchern konnt ich lesen, von denen, die vor mir gewesen, wie sie gestrebt, die armen Blinden, im eitlen Wahn, das Licht zu finden, manch Denkgebäude aufgerichtet auf guten Gründen, fest und klar, und mit Beweisen brav verdichtet, bis es ein dunkler Keller war. Ward einer Meister gar zuweilen, von allen rühmend angeschaut, so las ich zwischen seinen Zeilen: Es hat ihn vor sich selbst gegraut. Denn keiner ward von dem verführet, wovon er auch die Schwächen spüret. Drum will ich Orden nicht und Titel, nicht Geld noch Liebe, Rang und Kleid, ob Fürstenpelz, ob Büßerkittel: Was sich ernennt, ist Eitelkeit. Nur jenes Große, Ungenannte, geheimniswaltend Ausgespannte, aus dem es quillt, in das es mündet, das keine Fakultät ergründet, um seinen Segen will ich werben und müßt ich gleich daran verderben! Zu seinen Büchern. Ihr Bücher, die ich dürstend aufgeschlagen, daß ihr mir Richtung, Klärung weist, was konnte euer dürrer Witz mir sagen? Euch schrieb ein zahmer, selbstgefälliger Geist, zufried'ne Sicherheit von Leuten, die immer nur sich selber deuten. Zornig. Bin ich ein Narr von euren Launen? Magisterkniffen untertan?! Wo eure Weisheit sich im Staunen und Beten stumpft, dort fang ich an! Wer sagt mir Worte, kühn erfunden, in denen Erde sich und Himmel mengt, in meuternden, zerriss'nen Stunden aus aufgewühlter Brust gedrängt! Wo ist ein Mensch, ein Geist, der so verwegen, daß er sich selber zu verlassen wagt, kühn über alle Grenzen jagt, zu Schöpferhöhen siegend ragt und um den hausgeback'nen Segen der Festgewordenen nicht fragt!? Ruft. Du kühner Geist aus Trotz und List. erscheine, wenn du lebend bist! Horcht; dann müde. Doch ach! Mein Schrei bleibt leerer Schall. Nichts als gebroch'ner Widerhall, nur hauchbewegte Spinnenschleier, kein Ruf, nicht Antwort, noch Befreier. Nur eine Ratte gräbt und nagt, wo ich nach einem Gott gefragt! Verzweifelt. O Faust! Ist alles dir verstockt? Ist deines Ringens Ende Not, daß du, verrammelt und verpflockt die Wahl hast zwischen Sumpf und Tod!? Dann lieber gleich des Würgers Krampf, als leben ohne Kraft und Kampf! Sinkt in den Stuhl nieder. Was wär es auch, das ich verlor? Nicht Weib und Kind, nicht Haus noch Ackergrund und ging ich heute durch das dunkle Tor, so winselt kaum mein alter Hund. Und doch: Hast du nicht einst geliebt? Ward dir Erwachen nicht und Werden? Ach, nur zu wissen, daß es Mütter gibt –! Wär' doch die Liebe nicht auf Erden! Nicht Schönheit, Sonne, Abendsegen, des jungen Jahres Wiederkehr – – Ach, zwischen Wut und weichem Regen wirft es dich haltlos hin und her, befreit dich nicht, verdammt dich nicht! Kein Weg, kein Ende und kein Licht. 2. Szene 2. Szene Faust – Wagner. kommt von der Seite. Magnifizenz! Ich muß euch unterbrechen, doch stör' ich euch gewiß nicht lang: Ein fremder Studiosus steht im Gang und wünscht gar sehr mit euch zu sprechen. Der Arme hofft, ich könnte ihm was geben – und ringe selber zwischen Tod und Leben. Ach Herr, Ihr martert Euch zusehr, ich hab' mir das schon oft gedacht – mich freut ein Wissen nimmermehr, wenn es mich unzufrieden macht. Ihr wißt: Ich spar' nicht Fleiß und Mühe und manches Morgens graue Frühe fand mich in emsiger Geduld bei meinen Büchern vor dem Pult, bestrebt, in meinen Kopf zu zwingen, worum sich andere einst geplagt; doch hab' ich nie verborg'nen Dingen mit keckem Fürwitz nachgejagt. Aus Fragen wachsen neue Fragen: Hat man der Hydra einen Kopf mit harter Mühe abgeschlagen: Zehn and're packen uns beim Schopf. Zwar will ich wissen, doch nicht bohren, mich der gehob'nen Schätze freuen; schon mancher hat sich selbst verloren, der Altes ließ und folgt' dem Neuen. ungeduldig. Wozu das atemkurze Schwatzen?! Will ich zur Höhe, weit und klar, frag' ich den schwingenstarken Aar und nicht im Mist die fetten Spatzen. – Laß mir den Schüler doch herein, der denkt wohl hoch von meinen Werten, doch mag es heut', wie oft schon, sein, daß Schüler ihre Meister lehrten. Wagner ab, Faust setzt sich an das Pult. 3. Szene 3. Szene Faust – Wagner – Mephistopheles als Schüler verkleidet, ein Buch unterm Arm. Wagner geht gleich wieder ab. sehr devot. Ach hoher Herr! Berühmter Meister! Magnifizenz und Exzellenz! Gebieter aller starken Geister, ich neig' mich euerer Potenz! Ihr nehmt Euch hoch im Überschwang. Ein Titel hat nicht viel Belang. Sagt mir, wie ich Euch dienen kann? Mir dienen?! Solch erhab'ner Mann!? Ihr spottet meiner, Herr. Zu dienen kam ich und wäre hocherfreut, wenn etwa Ihro Herrlichkeit Das Buch überreichend. dies Buch, das mir von Wert erschienen. durchblättern wollte. hoch entzückt. Was ich seh! Der »clavis nigromanticae«, nach dem ich überall gesucht. Ganz recht. Es steht darin verbucht, der schwarzen Künste letztes Wort. Wer jemals tief sich drein versenkt, an gar nichts mehr gebunden hängt als Herrscher über Zeit und Ort. Es schrieben's, wie Euch wohlbekannt, Don Runzifar und Radamant, die zwei hispanischen Gelehrten, die frei mit jedem Geist verkehrten. O sagt, mein Freund, wie kam's Euch bei? In meines Vaters Bücherei stand es verstaubt und ganz vergessen. Da drang mir Euer Ruhm an's Ohr, daß Ihr des höchsten Euch vermessen in dieser Kunst. Ich sucht's hervor und da ich selbst nur schwach gelehrt, wohl kaum in seine Tiefen dränge, so sei dem Meister es verehrt auf daß das letzte ihm gelänge. Ach, werter Freund! Ich bin entzückt! Dies war es, was mir immer fehlte, nach dem ich mich vergebens quälte! Ihr habt auf's höchste mich beglückt! Stößt die anderen Bücher weg. Nun fort mit all' den Folianten, die mich in Sklavenfesseln bannten! Theologie, Philosophie hinweg! Nur einzig die Magie sei meine Gottheit. – Seht, ich eile, den Schatz in meinen Bücherschragen, wo niemand ihn entdeckt, zu tragen. Ihr wartet wohl die kleine Weile. Mit dem Buche ab. 4. Szene 4. Szene allein; rot umleuchtet, mit seiner echten Stimme und Geste. Nun sieh dich vor, mein Faust, schon brennt in deiner Hand das Pergament! Brennt es in Hirn und Herzen erst, dann weiß ich, daß du mit mir fährst! Mein Freund, du sollst mir Augen machen, denn wenn ich will, so kann ich viel! Doch eh' du's denkst, sind wir am Ziel – – dann will ich wieder einmal lachen! Versinkt oder fährt durch die Luft unter teuflischem Gelächer ab. 5. Szene 5. Szene Faust – dann Wagner. kommt zurück. So, werter Freund – – – – – – Sieht sich erstaunt um. Wo ist er hin? He! Wagner! Wagner kommt. Ging der Schüler fort? Ich sah ihn nicht. Wie das? Und bin doch immer da am rechten Ort. 's ist seltsam. Merkt Ihr's nicht: Es stinkt nach Schwefel. Und er hat gehinkt, ganz wenig zwar, doch sah ich's gut. Auch hört' ich lachen just und dachte, daß er mit Euch wohl Spässe machte, obwohl es schaurig klang. Das Blut wollt' mir beinahe drum erstarren. Dich hat nur deine Angst zum Narren. Riecht ihr wo Schwefel, macht im Nu den ganzen Teufel ihr dazu. Mögt Ihr nur übereilt nicht schelten! Am Ende kann es gleich mir gelten, ob dieser fragliche Scholar ein Engel oder Teufel war. Er gab mir aller Bücher Buch. Ich blätterte noch kaum darinnen, schon glüht es mir in allen Sinnen! Was ich gewesen, trifft mein Fluch! Die Stunde bringt mir neues Leben, für dessen kleinsten Atemzug ich alles Frühere möchte geben. O Herr! Gedenkt des großen Gottes, der Hoffart straft mit ewigem Tod! Ist er ein Gott des trägen Trottes, zerreiß' ich heute sein Gebot! Denkt Eurer Mutter! Eures Vaters! An Kinderglaubens sanfte Macht! Ich denk' als einzigen Beraters des Buch's und dessen, der's gebracht! So wollt Ihr Euch dem Teufel geben –? O tut es nicht! Erhört mein Fleh'n! Ich muß als Geist mit Geistern leben! Mag alles sonst zugrunde geh'n! Dann bleibt mir nur, für Euch zu beten als einen trugverfall'nen Mann. In's Beten mag sich immer retten, wer sich mit Kraft nicht helfen kann. Kann sein, Ihr ruft mich noch einmal: Kurz ist die Sünde, lang die Qual. Wenn dir der Wahn die Zeit verkürzt, ich will ihn dir gewiß nicht stören. Doch wirst du nie mich beten hören zu Göttern, die ich selbst gestürzt. Ist dir mein Sinn so schlecht bekannt? Mit gleichem Rechte kannst du sagen, daß ich mit dieser meiner Hand den eig'nen Vater sollt' erschlagen! Ich will in mein Museum flüchten, durch Arbeit täuben meinen Schmerz und mir von allen eitlen Süchten bewahren ein zufrieden Herz. Nur eine Bitte noch, o Herr: Ihr wißt: Ich widme alle Kräfte der Wissenschaft. Doch die Geschäfte in Haus und Küche stocken sehr. Hier wär' ein zweiter Diener not, dies alles sauber zu verrichten. Darf ich um mäßig Lohn und Brot mir den Geeigneten verpflichten? Tu', was du magst. Verlaß mich nun! Ich dank' Euch! Wünsche wohl zu ruh'n. Mit Verbeugung ab. 6. Szene 6. Szene allein. Zu ruhen – –! Jetzt? Zu rechter Frist zeigst du, wes Geistes Kind du bist! Schon war's mir einen Augenblick, als wecktest du mir ferne Stimmen und Bilder, die im Nebel schwimmen, sah'n halbvertraut nach mir zurück. Fast hat dein Unken mich verblendet, nun seh' ich, welcher Geist dich sendet: Ob Götter euch mit Flammen trafen, ihr denkt doch immer nur an's Schlafen! Ich aber wache kampfgestählt, befreit, entschlossen und erwählt. Kein Zögern gilt und kein Zurücke, bin Doktor nicht, noch Herrlichkeit, ich breche jede feige Brücke: Ich bin ein Mann und bin bereit! Rasch ab. 7. Szene 7. Szene Man hört hinter der Szene Hanswurst singen. So geht's auf der Welt, so ist's auf der Reis': Bald plagt ein' Hitz' und Kält', bald beißen ein' die Läus'! einen Ranzen auf dem Rücken, tritt auf. O du höchst unterhaltliches Durcheinand'! Überall kracht's und wurlt's im Land. Bald is a Krieg, bald a Revoluzi und bald alle zwei miteinander. Fix kruzi! A jeder schaut, daß er g'schwind was fischt und daß ihn sein Bruder dabei nit erwischt. Das Weib lebt vom Lieben, der Mann vom Schieben und niemand weiß, was sie früher hab'n trieben. Der eine spaltet Holz und der andere Haar' und z'letzt kummens' drauf: 's is a jeder a Narr. Drum sag' i halt allweil: Das beste is g'wis, es ist an Wurst, ob ma g'scheit oder a Esel is. Man spart sich viel Müh' und an Haufen Zeit zu allerhand Hetz' und Ergötzlichkeit. Was i zum Beispiel g'rad hab' erleben können, das werden Sie selber höchst spaßig nennen. Ich bin da nämlich zum Rechnen und Lesen bei an jungen Herrn Studiermacher g'wesen und hab' müssen an allen Wochentagen ihm sein Prinzipibi in d' Schul' nein tragen. Na und amal – wer kann denn da was dafür? – Brauch ich unterweg's pressant a Blattl Papier. Ich mach mir in meiner Bedrängnuß nix draus und reiß' halt a Blattl aus'm Schulbüchl' raus. Drauf leg' i das Büchl – Gott sei Dank! – noch zur richtigen Stund' in der Schul auf die Bank. Wie mein Herr dann studier'n will, da kummt's ihm so vor, es paßt was nit recht. Er kratzt sich am Ohr und beutelt den Schädel und liest hin und her, was das für a neuartige Wissenschaft wär'. Drauf steckt der Präzeptor die Nasen hinein und sagt: »Dieser Casus tut sonderbar sein! Quod est nach altem proverbium ein grammartialisches Unikum. Wollen den Casus daherowegen vor's collegio academico legen. Das collegium academicum schnüffelt lang an dem Prinzipibi herum und tät sich sofort in zwei Kriegslager spalten, die sich gegenseitig für Hornviecher halten.« Die einen behaupten: »Aha! Oho! Dies ist ein sogenanntes Qui pro quo!« Die andern aber, glaub ich, ham's besser verstanden, die sagten: »Das ist durch ein Schisma entstanden!« Doch schließlich, da kommt ein Buchbinder d'rauf und klärt schleunigst das hohe Kollegium auf. Drauf schreiben die an mein Herrn seinen Alten, der Herr Filius hätt sie alle zum Narren gehalten und daß sie hochwissenschäftliche Herrn und nicht dem Lauswenzl seine Springinkerln wär'n. Und sie lassen sich nit an der Nasen 'rumführ'n, und täten den Sohn von der Schul' relegier'n. Da kriegt der Alte den panischen Schrecken und holt aus'm Eck einen spanischen Stecken und haut herum, daß es pfeift und zischt, dabei hat er leider grad mi derwischt. Das Hinterzeug hat er mir fest gespannt, Sackerment! Der Kerl war gut bei Hand! Aber mich hat der Tanz doch arg scheniert, drum hab ich gleich meine Sachen gepackt und bin zum Zölpel hinausmarschiert. So geht's, wenn ma sich mit der Wissenschaft plagt! Sieht sich nach allen Seiten um. Aber was is denn das für a Haus? Da schaut's wie in einer Apotheken aus. Lauter Flascheln und Gläser und allerhand Bücher und Banergerippeln von Menschen und Viecher und in der Luft a Menge scharfe Gerücher. Guckt in ein Buch, das vor ihm liegt. Was steht denn da drin? I hab zwar scho' g'nua von die Bücher, aber es laßt ma halt doch ka Ruah. Liest langsam buchstabierend. »Receptum mysticum, was maßen Sachen einer braucht, ein alt Weibl wieder jung zu machen.« Spricht. A, da schau her! Das is aber interessant! Wann i das weiß, bin i der größte Herr im Land. Alsdann, was braucht ma? Liest. »Von 3000 jungen Damen die strengverschwiegenen Zungen, dann Weibertreu nur just einen kleinen Bissen, dann ein halbes Quintel Advokatengewissen.« Spricht. Teufel! Teufel! Liest. »Das mischet man dann Und vertraut's der alten als strengstes Geheimnis an. Hat dieselbe es dann nur nach drei Tagen ohne weiterzusagen, bei sich getragen, dann wirkt es bestimmt – –« Spricht. Na, na, mit der Kunst, da plagert sich aner ganz umasunst. Wann ma die Raritäten auch überhaupt finden könnt', so verplappert's an doch die Alte am End'. Na, das is nix – – – 8. Szene 8. Szene Hanswurst – Wagner. kommt. Ei was sucht er denn hier? Na, das sieht er ja doch, daß ich grad studier! Ja, wie kommt er denn überhaupt da herein? Na, wie soll i denn eini'kommen sein? Es geh'n ja doch viele hier ein und aus, das ist doch ein Wirts- oder Herbergshaus? Was Ihm einfällt! Hier wohnt der berühmte Lehrer und Doktor Faust. Seines Geistes Verehrer und Schüler gehen hier aus und ein. Was? Eine Lernschul' tut das da sein? Na, na, da geh' i, das kenn i schon – – Will fort. Halt! Bleib er nur! Lauf' er nicht gleich davon. Sag' er an: Was hat er für einen Stand? Ich fahr' mit der Fußpost so durch das Land. Sonst nichts? Na, sonst nix. Keine Kondition? A paar spanische Zwanz'ger waren mein letzter Lohn. Möcht' er sich nicht wieder einem Herrn verdingen? Ich glaub', das wird nicht so leicht ein' Herrn gelingen. Bleib er hier. Er bekommt zwanzig Taler im Jahr und Essen und Kleider und Schuhe zwei Paar. Viel Essen? Genug. Und wie steht's mit'n Durst? Auch zu trinken genug. Topp! Dann will ich gern bleiben. Und wie heißt er? Wer? Ich? Ja; wie tut er sich schreiben? Es kennt doch im Land jedes Kind den Hanswurst ! Und Vater und Mutter? Was weiß denn i? Ich hab' keine Ahnengalerie so wie die Fürsten, Barone und Grafen. Wenn zwei recht Verliebte beinander schlafen und es purzelt a Sternderl vom himmlischen Zelt, dann kommt meist so einer wie ich auf die Welt. Drum hab' i ka Angst net und mach' mir nix draus: Verliebte und Narren sterben nit aus! Er gefällt mir. Doch schärf' ich Ihm eines gleich ein: Er muß hier wie das Grab verschwiegen sein, von nichts, was er hört und sieht, was verraten! Wickelt alles nur immer in Wein und Braten! Dann schweig' ich noch stiller als jedes Grab, weil ich mit' 'm Maulwerk was anders z'tun hab'. Nun komm' Er, ich will Ihm die Arbeit zeigen. Ach, lieber Herr Faust, muß ich heut' schon schweigen? Ich bin nicht Faust, nur sein Famulus, der ihm beim Studieren dienen muß, und heiße Wagner. sehr überrascht. A, da schau einer her! Jetzt glaub' ich all'weil, er ist selber mein Herr! Da blast er sich auf und tut voll der Gnaden, derweil sind wir nix als Kameraden! Na, kumm, alter Gauner! Gib mir die Hand, und jetz' gehn ma faulenzen miteinand'! Beide ab. 9. Szene 9. Szene kommt mit dem Buche. Nun vorwärts, rasch den Schritt getan, der mich weiter führt auf meiner Bahn. Fast hat das Große mich erschreckt, das diese Seiten ahnen lassen. Doch meine Hand ist offen ausgestreckt in jene Welt. Wer wird sie fassen? Ihr Geister, die ihr waltend lebt, Dämonen, Furien, Ungeheuer, ich rufe euch, daß ihr euch hebt aus Erde, Wasser, Luft und Feuer! Nach alter Weisheit Zauberwort erscheint und steht vor mir am Ort! Schlägt das Buch auf und ruft unter beschwörenden Gebärden laut. Im Namen der mächtigen Dreizahl errege ich Himmel und Hölle! Im Namen der kräftigen Neunzahl ruf' ich alle Geister zur Stelle! Die unendliche Elf mir zum Siege verhelf', daß ich nach dem dritten Ruf euch erblicke: Cito! Cito! Cito! Perlicke! 10. Szene 10. Szene Unter Schnurren, Pfeifen und Getöse erscheinen die Teufel Krumschal und Mephistopheles und die Teufelin Bulla. Hier sind wir. Was willst du? tritt erschrocken zurück. Weh! Was für Gestalten! Doch Mut kann den Teufel im Zaume halten. Wendet sich gegen Krumschal, der ihm zunächst steht. Was bist du für einer? Bin Krumschal geheißen. Was mußtest du mich von der Freßschüssel reißen? Ich esse des Tages siebenmal und dazwischen saufe ich ohne Wahl Schnaps, Wein oder Bier, aber nur kein Wasser. Kurzum: Du bist der Teufel der Schlemmer und Prasser. Was hast du für eine Geschwindigkeit? Beim Essen laß ich mir gerne Zeit, denn Hast und Eile schadet dem Magen. Ich glaube, du könntest mir wenig sagen. Gefährlich sind des Gaumens Freuden, weil wir das Beste dran vergeuden. Das speckt und filzt und macht uns stumpfen, bis wir verdämmern und versumpfen. Mit fettem Bauch und Wangenrot ist mancher schon im Leben tot. Wenn wir uns solchem Geist vertrauen, ist unser Dasein ein Verdauen. Hinweg! Perlacke!! schnurrt ab. Purrrr!! zu Bulla. Du runde, kleine, sag an: Was bist du denn für eine? Ich heiße Bulla und ich bin die süße Wollustteufelin. Näher. Gedenkst du noch der jungen Tage? Der Nächte mild im Mondenschein? Mit jedem ersten Amselschlage fuhr ich dir heiß ins Blut hinein. Zwar wolltest du mich oft nicht kennen und meinst, es kam aus Kopf und Brust, des Quelle du – ich will's nicht nennen, an welchem Ende – suchen mußt. Singt ihr nur schön von hoher Liebe, scharwenzelt wacker her und hin, reimt Herz und Schmerz und süße Triebe: Ich bin ja doch des Ganzen Sinn! Wie schnell? Vom ersten Kitzelblick bis zum gewissen hohen Fest! Nicht lockt mich mehr der Sinne Glück, ich kenn' zu gut den schalen Rest. Du gibst dem Augenblicke Gold, Wen hätte nicht dein Sturm durchbebt? Doch wer sein Bestes dir gezollt, der hat das Ganze nicht erlebt. Denn du bist Teil von einem Teil, das Weite bleibt dir schroff verwehrt, bist jenes Tieres Sucht und Heil, das niemals will , nur stets begehrt . Ich aber will das Ganze sehen, bin deiner Halbheit herzlich müd' und was mir heiß im Busen glüht, reißt mich von dir zu steilen Höhen. Perlacke!! schnurrt ab. Purrriant!! der bisher lauernd seitab gestanden, schnell. Fauste! Du bist mein! Was solltest du für einer sein? Wie einer heißt, ist einerlei, Macht er uns nur von Lasten frei. Und solches darf ich von mir sagen. Ich will dich, wenn es dir gefällt, durch diese oder jene Welt frei mit Gedankenschnelle tragen. Was du vom Diesseits auch begehrst, sei dir in jedem Maß gegeben, woferne du im andern Leben zum Lohne mir gehörst. Halt ein, daß ich dich recht betracht', du scheinst mir irgendwie vertraut ... Kann sein, daß du mich schon geschaut in einer schlafentwöhnten Nacht. Auch komm' ich gerne zu Besuch in Stunden, grübelnd und verschwiegen, und bin als Zweifel oft entstiegen so manchem dir vertrauten Buch. So oft es treibend dich bewegt von weichem Pfühl, aus süßen Banden, bin ich, der Geist, der stets erregt, aufwiegelnd hinter dir gestanden. Wer da noch betet, statt verachtet und, was da kribbelt, kramt und will, verdrehten Auges scheu betrachtet, der schmerzt mich – hätt' ich noch Gefühl. Doch was in sich zufrieden ruht, bringt mich in allergrößte Wut! Ich seh' den bösen Geist in dir und sage dennoch: Bleib bei mir. Es geht mir, wie dem schönen Kind, das einen blutigen Mörder liebt und dennoch grenzenlos und blind sich wonnig seiner Kraft ergibt. Beklage dich nicht allzu weich! Wer mag um Gottes Lohn entsagen? Das sogenannte Himmelreich hat keiner noch herabgetragen. Was du nicht siehst, mußt du nicht glauben, doch was du hast, kann man dir rauben. Drum schaff' dir Kräfte für die Welt, solang' es rammelt noch und schmatzt und dich und sich zusammenhält, bis diese Seifenblase platzt und du und all' ihr schillernd Kleid ein Tröpflein Schmutz am Strohhalm seid. So willst du mir die Erde schaffen, mein Diener sein auf dieser Welt, mir geben Geistes schärfste Waffen und jede Lust, die mir gefällt, auf alle großen, letzten Fragen mir ohne Säumen Antwort sagen, so daß ich schalt' nach freier Kür –? Das will ich. Und verlangst dafür? In dieser Welt so gut wie nichts. Nur daß du dich mit mir verträgst und dann am Tage des Gerichts dich hübsch auf meine Seite schlägst. Um ein paar äuß're Kleinigkeiten wirst du mit mir wohl kaum dich streiten: Daß du dir Haar und Bart nicht schneidest, kein Weib nimmst und die Kirche meidest – zumal dir keinerlei Beschwerden aus dem Versprechen wachsen werden. Ich mach' dich schön, just zum vergaffen, will Buhlschaft dir nach Lüsten schaffen und dich vertreten fern und nah', wo man dich immer hört' und sah. So mancher, die da herrlich sitzen, muß sich auf seinen Diener stützen und strahlt gar weit und hoch beschrieen von einem Licht, das er geliehen! So sei es denn! Ich schlage ein! Hält ihm die Hand hin. Ein Blatt Papier wird besser sein. Hier: Feder, Tinte – –. Ja, schon gut. Doch besser ist ein Tropfen Blut. Wie? Blut? Zum schreiben? Doch woher –? berührt ihn an der Hand. Wenn du erlaubst, es schmerzt nicht sehr. sieht seine Hand bluten. Wahrhaftig! Kaum berührst du mich, so blutet's. Nur ein seichter Stich. Hier mit dem Finger aufgeritzt, Ich trag' die Nägel gern gespitzt. Nun unterschreibe. unterschreibt. Es donnert. Dazwischen tönen fern verwimmernd wehklagende Stimmen von Männern und Frauen undeutlich verhallend. Welch' Geschrei? Hat nichts zu sagen; schon vorbei! Mein Rabe, flieg! Winkt. Ein Rabe kommt geflogen, nimmt den Vertrag vom Tische und fliegt damit fort. ruft hinter der Szene. Mein Sohn! Mein Sohn! erschrickt. Die Stimme kenn' ich! Zu Mephistopheles. Geh davon! Mein Vater soll dich hier nicht finden! Wenn du befiehlst, muß ich verschwinden. Ab. 11. Szene 11. Szene Faust – Faustens Vater. Ist's wahr, mein Sohn, was sie mir sagen: Willst mit dem Teufel dich vertragen? Ach Vater, hört sie nicht. Ihr wißt, wie viel aus Luft gesponnen ist! Drum frag' ich dich. Doch du weichst aus! Mein Sohn! Mein Kind! Ach, komm nach Haus! ungeduldig. So laßt mich doch! Was soll ich dort? Mich hält mein Amt. Kann hier nicht fort. Die Mutter liegt zum Tode krank, bald werd' auch ich mich sterben legen. Wir wollen ja nicht Lohn und Dank, nur komm, empfange unser'n Segen! Empfange ihn an jenem Orte, den du zum Himmel uns verklärt, der deiner Kindheit erste Worte, dein reines Lachen einst gehört. Des kleinen Hauses arme Schwelle, sie schützt dich treu vor List und Pein. Dem Teufel muß verwiesen sein der Mutterliebe heilige Stelle. Das Ackerfeld, der Baum voll Frucht, des vollen Jahres Auf und Nieder: Sie heilen dir die wilde Sucht und schenken dich der Erde wieder. O, komm, mein Sohn! Entsag' dem Bösen und werde, was du einst gewesen! gequält. Macht mir mein Blut nicht schmerzen! Ihr kennt mein Wollen nicht und reißt an meinem Herzen mit bleiernem Gewicht! Euch fließt in festen Räumen von Saat und Frucht die Zeit – Ich aber darf nicht säumen: Mein Tun ist Ewigkeit! Nur Hoffart tönt aus jedem Worte, Bekräftigung verweg'ner Schuld! Ach, Vater! Meidet meine Pforte, Ihr foltert meine Ungeduld! Was frommt es Euch, mich aufzuwühlen? Seht Ihr mein hartes Ringen nicht? Wohl kann ich Eure Sorge fühlen, doch auch mein Weg hat seine Pflicht. Was Vater ist, mag sich bescheiden auf weiser Höhe, stark und still, vor einer Welt, die ihre Leiden und Wonnen neu sich schaffen will. Im Zeugen keimt schon das Entsagen und Tod ist aller Liebe Preis: Wir, die auf euren Schultern ragen, durchmessen einen andern Kreis. Mir ist, ich hör' den Teufel sprechen, in Worten gleißnerisch und fein. auffahrend. Es kann auch Liebe ein Verbrechen und Sorge eine Folter sein! Verirrter! Laß dich nicht betören! Und willst du schon auf mich nicht hören, so magst doch deine Mutter seh'n. Ich kann hier nicht von hinnen geh'n. So sei verflucht auf ewige Tage! hebt die Hand. Hinaus! Du hebst die Hand zum Schlage? Verblendeter! drängt ihn zur Türe. Nur fort von hier! stürzt bei seiner Berührung sterbend nieder. Mein Sohn ermordet mich! Wehe mir! Fällt in die Kulisse; stirbt. 12. Szene 12. Szene Faust – dann Mephistopheles. Mein Gott! Was habe ich getan!? Ich rührte kaum den Alten an, schon sank er hin in Todesnacht! Mephisto! Das hast du vollbracht! erscheint. Nur still! Das ist des Lebens Lauf: Fällt einer, steht ein andrer auf. Ich half nur nach. Du bist befreit von einer Unbequemlichkeit. Die Rechnung läßt in allen Dingen sich meist auf diesen Nenner bringen. Es war mein Vater! Kannst du's fassen? Ich konnt' ihn meiden – doch nicht hassen! Wer sich mit eig'nem Werk will tragen, darf nicht nach seinen Vätern fragen. jammernd. Wenn ich doch bei der Mutter wär'! Die alte Dame lebt nicht mehr. schreiend auf ihn zu. Auch das? Ha, Ungeheuer, du! Schrei nicht! Den Toten gönn' die Ruh'. Laß frei uns leben im Verein: Wer fliegen will, muß ledig sein! stöhnend. Verkauft! Verbrieft! Nun, Teufel, zeige mir deine Kunst bis an die Neige. Wer jetzt mich wiederbringt dem Leben, muß eine Welt aus Angeln heben! Nur sachte! Nicht zu groß getan! Daß solch' ein bißchen Schmerz verraucht, dazu hat ein gesunder Hahn noch niemals eine Welt gebraucht. Wir wollen uns den Hof besehen. Ein Fest voll Glanz und Weiberduft pumpt dir bald eine frische Luft in deine Lungen. Laß uns gehen! Beide ab. 13. Szene 13. Szene kommt. Sackerment! Das is aber ein merkwürdig's Haus! Überall schreit's und winselt's, es is schon a Graus und wann ma schaut, was da quietscht ohne Grund und Gebühr, so flitzt wo a Schatten g'schwind hinter die Tür. Jetzt bin i g'rad über die Stieg'n 'nunterg'loffen und bei der offenen Kellertür' einig'schloffen. I denk' mir, vielleicht find' i da was zan pipeln, da seh' ich lauter schwarze Manderln die Wand hinauf kripeln. I renn' davon voller Angst und Bangen und dabei is mir mei schöner Durst vergangen. Zu dera Bude da hab' i noch 's meiste Vertrau'n, I werd' wieder a bißl in die Bücheln 'nein schau'n. Sieht das aufgeschlagene Beschwörungsbuch. A, da schau her, das is ja ganz was Neug's Leuter so kramurliges Schnirkelzeugs. Was steht denn da? Liest langsam. »Cito! Cito! Cito! Perlicke!« 14. Szene 14. Szene Hanswurst – die Teufel. erscheinen beim Wort »Perlicke!«. Pirrrr! ohne aufzusehen, liest weiter. »Posterea Apage: Perlacke!« verschwinden. Purrrr! A, das is lustig! Wie heißt das? Picke? A nein! Liest. »Perlicke!« erscheinen. Pirrr! Und nachher? Liest. »Perlacke!« verschwinden. Purrrr! sieht auf. Was is denn das immer für ein Geschnurr? Wer macht denn da allweil »Pirrr« und »Purrr!«, Sobald ich in mein Studierbüchl blicke. Sieht wieder ins Buch. Alsdann, wie war das? Richtig: »Perlicke!« erscheinen. Pirrr! sieht auf. Was Pirrr? Sieht die Teufel. O, du heiliger Spirifankerl! Was seid's denn ös für grauperte Gankerl? Wir sind Teufel – Teufel! Ja, ganz ohne Zweifel! Ich hätt' euch rußige Gruselg'stalt'n mei' Lebtag nit für schneeweiße Engerln g'halt'n. Wir sind der Hölle dienende Geister und beugen uns vor dir, unserem Meister! Alle Teufel verneigen sich und bleiben so stehen, die Schwänze in der Luft, die Nasen am Boden. A, das schaut schon besser aus. Ihr habt's recht viel Manier. Winkt gnädig. Erhebt euch! Sie stehen auf. Na, und was wollt's denn von mir? Wir wollen dir dienen. A, das tut mich freuen! Da hätt' ich auf einmal an Haufen Lakaien! Zu einem. Alsdann: Du dort, du Lackl mit die krallerten Pratzen, du wirst mich alle Tag schön am Buckl kratzen. Zu Krumschal. Und du mit die bockerten Hörndlzinken, du schaffst mir zu essen und zu trinken. Zu Bulla. Für dich, du patschierliches, bunkertes Weiberl, hab' ich a besonderes Zeitvertreiberl. I hoff, du wirst mir das Ding bald begreifen, komm' nur in mein Kammerl, wenn i tu' pfeifen. Zu allen. Und dann wird mir schon noch für an jed'n von euch allen mit der Zeit das richtige G'schäft einfallen. Wollt's noch was? Wenn wir dir dienen im Leben, so mußt du uns deine Seele vergeben. Mein' Seel'? Ja weißt du, daß i so gwiß a Seel' hab'? I weiß gar nit, was das is. I tanz' da nur grad so von ungefähr ganz ohne Gedanken auf der Welt hin und her und hab mich vor lauter Freud noch nie g'fragt, warum das so is, was mich treibt oder tragt, I hab nur grad alleweil schauen müssen ... Wie soll i von meiner Seel was wissen? Mach keine Ausflucht! was soll das heißen?! Sonst werden wir dich in Fetzen reißen! Bist still! Du höllischer Rauchfangbesen! Zu allen. Fahrt's ab und laßt's mi jetzt weiter lesen! Liest. Das war jetzt »Perlicke« – dann kummt »Perlack – –« schnurren ab. Purrr! A, da schau! Da verziagt sich das Lumpenpack! Liest. »Perlicke!« kommen. Pirr! Da kummen 's wieder. A, so is die G'schicht?! Na wart's, den Hanswurstel, den fangt's ihr nicht! Perlacke! Perlicke! I werd' euch schon geben! Perlacke! Perlicke! Was? Das is a Leben! Perlicke! Perlacke! Nur immer fleißig geschwirrt! Perlacke! Perlicke! Daß mir kaner sich irrt!!! Perlicke! Perlacke! Guck – guck und da – da! Perlacke! Perlicke! Hahahahaha!!! Je nach dem Kommando sausen und schnurren die Teufel mit »Pirr!« und »Purr!« hin und her, bis unter vollem Wirbel und Gelächter des Hanswurst der Vorhang fällt. Ende des ersten Aktes. 2. Akt 1. Szene 1. Szene Garten des königlichen Schlosses. kommt einsam. Es treibt mich in des Gartens Einsamkeit, ich will nicht lachen, keine Menschen sehen, nur hier, wo linde Düfte mich umwehen, bin ich allein mit meinem bittern Leid. Mein König, mein Gemahl, ich liebe dich! Was ich vor wenig Wochen am Altar geschworen habe, halt ich ewiglich, es kam aus reinem Herzen, treu und wahr. Doch, ach, dein Wort war eitel Schall und Dunst nur leere Formel, fühllos nachgesprochen. Was hab' ich Ärmste Gräßliches verbrochen, daß du mir weigerst Liebeshuld und Gunst? Was hat sich nur in diesen letzten Tagen so kalt und trennend zwischen uns getragen? Nicht Fest und Jagd beglückt dich auf die Dauer, ich seh' dich schweigend meist und finster gehen. Bald Zorn und Unmut, bald geheime Trauer merk' ich im Antlitz dir gezeichnet stehen. Wie wend' ich wieder dich zu mir heran? Wer kann mir's deuten, was ich dir getan? Sieht hinaus. Wer kommt mir näher dort durch Busch und Bäume? Es ist der fremde Meister, der seit Tagen am Hofe weilt und der auf alle Fragen tiefgründig Antwort weiß. Jedoch ich säume und hab' mich ihm bis heute nicht vertraut. Zwar ist er schön und stolz, sein Auge schaut kühn strahlend tiefer als der andern Blicke. Jedoch sein Diener scheint voll böser Tücke und wenn er spricht im Ernste oder Scherz, klemmt wie mit kalten Krallen es mein Herz. Doch jetzt ist er allein – nun könnt' ich's wagen und was mich drückt, dem Vielvertrauten sagen. 2. Szene 2. Szene Die Königin – Faust. kommt und bleibt stehen. Vergebt mir, Fürstin! Hätte ich gewußt, daß Ihr im Garten – – – – Hat des Festes Lust auch Euch nicht halten können? Seht, mich trieb sie in die Einsamkeit. Doch wär' mir's lieb, wenn Ihr, der stets der Mittelpunkt der Runde, nur mir allein gehörtet eine Stunde. beglückt. Ach, Herrin! Nie ersehnte ich ein Glück so heiß, wie dieses! Aber keine Freuden hab' ich mit Euch zu teilen. Mein Geschick ist traurig, heißt mich Fest und Menschen meiden und meinen Gram in stille Fernen tragen. Wollt Ihr mir, Herrin, nicht ein Wörtchen sagen? Ich knüpfe leicht mir dann den weitern Faden. Ihr seid ein kluger Mann von vielen Graden, habt wohl dem Leben auf den Grund gesehen und werdet auch ein Frauenherz verstehen. Ein Herz erfühlt man – doch versteht man's nicht, weil es mit Blut, nicht mit Gedanken spricht. So hört: Der König, dem ich jüngst vermählt, will ohne Grund sich plötzlich von mir wenden. Ein ungesagter Kummer frißt und quält sein Herz. Könnt Ihr mir sagen, was ihn blenden und wirren mag in also junger Ehe? Ich gräme mich zu Tod, allein ich sehe nicht Weg und Licht! O Herrin! Königin! Zerquält Euch nicht das allzu treue Herz! Zu einfach scheint mir dieses Kummers Sinn: Die junge Ehe ist ein Sturm im März, der wolkig oft die Sonne überdacht, nur daß sie nachher desto heller lacht. Feurig. Ihr seid so schön! Ein Bild aus lauter Licht! Was Wunder, wenn es Euren Gatten bangt, ob es am Ende einen andern nicht in heißen Blutes Sturm nach Euch verlangt? Ein Blick, ein Wort, ein Zufall schlimmen Scheines formt Bild und Tat, die sonst kein Auge fand, und was als Fünkchen glomm, als winzig kleines, das lodert hoch als zehrend wilder Brand. Ihr malt mit Worten, kühn und nie erhört, dagegen stets sich alles mir empört. Allein ich finde Grund und Anlaß nicht. Gott schrieb die Unschuld Euch in's Angesicht! Sah je mit solchem Blick ein reines Kind? Wann hat ein Engel so wie du gesprochen?! Wer dies nicht hört und sieht, ist taub und blind! Weh' jedem, der ein treues Herz gebrochen! Er schüttet Gift in edelsten Kristall und trinkt daraus Verderben, Tod und Schuld – – – – O, haltet ein! Wie jäher Wasser Fall bestürmt mich Eurer Worte Ungeduld! Schon dünkt's mich Sünde, weiter dich zu hören, dich zu verlassen, schwindet mir die Kraft! Erbarmt Euch meiner! Lasset Euch beschwören, daß Ihr mir nichts als seine Liebe schafft! Wär' mir die Macht gegeben, ich tät' auch das zur Stund' – und ging mein armes Leben entsagend dran zugrund! Denn lächelt wieder deiner Augen Sonne, auch wenn ihr Strahlen gar nicht mir gehört, wird meine Sehnsucht zur erfüllten Wonne! Dich glücklich sehen, ist mein Leben wert. Was meinen schwachen Kräften mag gelingen, will ich in diesen Dienst gesammelt zwingen. Er kniet vor ihr nieder und küßt ergeben ihre Hand und den Saum ihres Kleides. 3. Szene 3. Szene Königin – Faust – Mephistopheles. kommt eilig. Ich störe wohl? Doch nicht aus freien Stücken, und was ich melde, kann nur jeden freuen: Des Königs Majestät will euch beglücken! angstvoll, schnell. Er hat gehorcht?! Muß Tugend Horcher scheuen? Ich kann den König jetzt unmöglich grüßen. Lebt wohl – Will ab. Ich folg' Euch, Herrin, auf den Füßen! Laßt mich allein – – kommt mit – – nein bleibt – – ach tu', wozu dein Herz dich treibt – –. Schnell ab. 4. Szene 4. Szene Faust – Mephistopheles. entzückt. Sie ist ein Engel! gelangweilt. Ja. Ein Bild der Reinheit, ohne Fehl und Mängel! Ein etwas aufgeregter Engel. – Du hast dich brav gehalten. Spielt nur weiter so in dem Duett, dann steht das kühle Ehebett bald wie ein Kessel über Flammen und kocht auf's neue sie zusammen. Du kannst noch spotten? Sieh mich zittern in allen Tiefen reinsten Glücks. Ach ja: Die lieben Weibchen wittern stets gut den Mann des Meisterstück's. Drum sag' ich ja: Du bist auf besten Wegen, dem Gatten sie an's bied're Herz zu legen. Was wir verwerfen, findet Wert, wenn nur ein andrer es begehrt. Ich gratulier' zur guten Tat! Sollt' ich im Wandel dieser Erden vielleicht noch einmal Pfarrer werden, bei dir erhole ich mir Rat! Sieht hinaus. Doch sieh: Des Königs Lichtgestalt geht auf! Du wirst ihn gerne sehen – –? Ich kann es nicht! Bleib' hier und halt' ihn auf! Getrost! Es soll geschehen! Faust schnell ab. 5. Szene 5. Szene allein. 's ist mit der Liebe, wie beim falschen Wein: Säuft einer, fällt der andre auch hinein und eh' sie merken, welchen Fusel sie saufen, hat sie schon der Dusel! 6. Szene 6. Szene Königin – Orestes. zu Mephisto, der sich tief verneigt. Wo ist sein Herr? weist hinaus. Geruht und seht: Er wandelt mit Ihro Majestät! zornig. Geh!! Mephisto ab. Zu Orestes, sehr bewegt. Seht Ihr es nun selbst, Orest? Sie meiden beide Spiel und Fest und finden sich zum Stelldichein! Ach Herr, es mag ein Zufall sein. Es ist noch Tag und jeder sieht, was sich ereignet und geschieht. Jawohl! Ich sehe! Du bist blind! Wer mag gleich Arges denken? Sind wir alle nicht von seinem Wort und seinem Geist in Bann geschlagen? Das ist es ja! Ist er am Ort, so wag' ich keinen Laut zu sagen. Es liegt gebietend in der Luft, ein jedes Ding scheint ihm zu lauschen, oft hör' ich ferne Schwingen rauschen, wenn mir sein Wort zum Herzen ruft. Und einem Mann von solcher Macht soll ich mein Liebstes blind vertrauen? Ich nenne Schuld nicht und Verdacht, doch offen ist der Sinn der Frauen, daß vieles ohne Wahl sie fassen und eins für alles gelten lassen. Nur große Liebe quält sich so. Nie kann uns Gleichmut Gram bereiten. Doch faßt Euch, Herr, seid wieder froh, ich steh' Euch treu und wach zur Seiten. Obwohl ich meine rechte Hand für meine Schwester setz' zum Pfand, so will ich scharf und nüchtern schauen, daß keiner sie von rechten Wegen verleiten soll. Habt nur Vertrauen zu mir und meinem guten Degen. Wenn ich nur seinen Namen wüßte! Ich fühl' in ihm den großen Mann, doch kommt's mich manchmal plötzlich an, als ob er was verbergen müßte. Sein Diener spricht von hohen Graden und vieler Titel Schwergewicht. Allein ich weiß noch immer nicht, wen ich an meinen Hof geladen. Nun hat sein Wort und seine Art das Fragen füglich mir erspart, denn wo sich hohe Werte zeigen, da mögen alle Namen schweigen. Ich fühle ihn erst unbekannt, seit ich als Mann den Mann empfand. Er mag nach allem äußern Schein Gelehrter oder Dichter sein und ist in seinem Vaterland ganz ohne Zweifel weit bekannt. Will seinen Namen er verschweigen, ist ihm wohl tiefe Demut eigen. 7. Szene 7. Szene König – Orestes – Hanswurst. noch draußen. Holladriöh! Oha! Halt! Nit a so rennen! Fliegt herein, dem König zu Füßen. Fix! Hoppla! Die G'schicht hätt' leicht schief gehen können! Sitzt auf der Erde. Beutelt mi das Mistvieh auf einmal da ab – Na, i bin froh, daß ich wieder Boden unter'm Sitzzeug hab'. Was ist das auf einmal für ein Geplärr? Wer ist er? Wo kommt er da plötzlich her? Ha? I hör' noch nix. zu Orestes. Frag' ihn du, wer er ist? zu Hanswurst. He! Wer ist er? Ja wann i das selber glei' wüßt! Purzeln Sie amal wo 'runter zwölf Klafter tief und sagen's dann g'schwind Ihnern Steckenbrief! Ja, sag' er uns wenigstens vor allem: Woher ist er denn heruntergefallen? Hier ist doch kein Fels, weder Turm noch Haus, Er fiel wohl direkt aus den Wolken heraus? San S' still und tun S' nit so dalkert pappeln und lassen S' mi' erst zusammenkrappeln. Steht mühsam auf. Au weh! Jetzt is richtig a Hosenknopf g'rissen! Also wo i herkomm', das täten S' gern wissen? Na raten S'! Da kummen S' nit d'rauf bis af d' Letzt. Mich hat der Teufel hier abgesetzt! Der Teufel? Zu Orestes. Der Sturz verwirrt ihm den Sinn! Na, Sie seh'n ja doch, daß i wirklich da bin. Wär' i vom Himmel g'fallen, so müßt ich doch fein a schneeweißes, putzliches Engerl sein. Und das bin i doch nit. Nein, bei meiner Seel'! Na, alsdann, drum glaub'n S', was ich Ihnen derzähl'. Woher hat ihn also der Teufel gebracht? Aus Wittenberg. Wie? Freilich! Gestern af d' Nacht san mir abg'fahr'n und heute san mir schon da! Was? Das is g'schwind?! Und 's is gar net so nah'! I hab mi nur glei' auf sein Buckl g'setzt und der Teufel is beim Ofenloch außig'fetzt. Und was will er nun hier? Ja, i wissert halt gern, wo i eigentlich bin, denn i such' meinen Herrn. Der hat nur glei' g'sagt: »Hans, komm nach geschwind!« Dann is er abg'fahr'n. Und i soll wiss'n, wo ich 'n jetzt find'! Nun, wo er ist, das verrat' ich ihm schon: Weist auf den König. Er sieht hier den König in höchsteig'ner Person! Und befindet sich bei Hofe! A! Das is g'scheit! Da is mein Herr sicher a net weit! Denn der König hat ihn in großen Gnaden zu der Hochzeitsramasuri geladen. Und hoffentlich komm' i noch recht zu Tisch, daß i a noch an guten Bissen derwisch'! sehr überrascht zu Orestes. Voilà! Das wäre ...? Zu Hanswurst. Nun sag' mir, du Wicht, wie nennt sich sein Herr? Ja – – – das is so a G'schicht' ... Sein' Namen den darf i kan Menschen sagen, sonst packt mi sofort der Mephistl beim Kragen. Wer packt dich? Na, die zaundürre, scheanglate Krax'n, die alleweil humpelt mit aner Hax'n, mein Herrn sein Begleiter. zu Orestes. Er ist's, ohne Zweifel!! Ich glaub' alleweil, der Mephistl is a a Teufl. Nun, wie heißt sein Herr? Will Er mir's gar nicht verraten? Es ist noch viel übrig vom Hochzeitsbraten. Fix Sakra – – –! Und Kuchen – – und Wein in Menge! Ihr bringt's mich da in ein schönes Gedränge. Übrigens mit a bißl Verstand kann's a jeder derraten. Weist ihm die Hand. Was is das? Die Hand. Und jetzt mach' i's zu, wannst genau herschaust. Wie nennt ma das nachher? Die Faust. Erleuchtet. Ha! Faust!! schnell. I hab' nix g'sagt! Nein, du hast geschwiegen und sollst auch deine Belohnung kriegen. Geh' schnell in die Küche und laß dir das Essen vom Koch in die große Schüssel messen. Holladrioh! Endlich! Aber daß der Geizkragen nur ordentlich mißt, denn mir kracht schon der Magen! Schönsten Dank, Herr König! Auf Wiederschauen! 8. Szene 8. Szene König – Orestes. sehr erregt. Nun? Willst du sie ihm noch vertrauen? Der Faust!! Der Schrecken der Gerechten! Im Bund mit allen bösen Mächten, der schlimmste Zauberer im Lande, des Christenreiches dunkle Schande! O Schwager! Schwager! Welche Schmach! Man sagt ihm jeden Frevel nach, sogar, daß er vor kurzen Tagen den eig'nen Vater totgeschlagen! Blut raucht von des Verruchten Hand, schon längst verwirkte er sein Leben. Gott hat ihn sichtbar mir gesandt, dem Henker ihn zu übergeben! O wollet, Majestät, bedenken: Hat auch des Narren Wort Gewähr? Ihm darf ich allen Glauben schenken: Ein Schelm, der hungert, lügt nicht mehr. Doch während wir hier säumend sprechen, häuft jener weitere Verbrechen! Mein Weib ist ihm in's Garn gegangen! Ich laß ihn gleich von Schergen fangen ... Herr Schwager, darf ich Euch beraten, so meidet überstürzte Taten. Wenn, was Ihr sagtet, wirklich ist, scheint mir der beste Weg die List. Ihr ladet ihn mit heitrem Munde zur Abendtafel höflich ein, dort findet sich zur rechten Stunde ein Dolch – ein Tropfen Gift im Wein. Den Mann geziemt es uns zu richten, den Schädling schmählich zu vernichten. Noch will ich aber keinem trauen, als dem, was meine Augen schauen. Sieht hinaus. Er kommt! Allein? Welch dreister Mut! Und nun, Herr Schwager, ruhig Blut! 9. Szene 9. Szene Es wird allmählich Abend. König – Orestes – Faust. neigt sich tief vor dem König. Willkommen, edler Freund! Der Abend sinkt. Ich kam, Euch aufzusuchen, in den Garten: Zur Abendtafel, die uns festlich winkt, darf ich Euch wohl an meinem Tisch erwarten? Zu viel der Ehre, Majestät! Ich finde hochbeglückt mich ein. Man ehrt den Gast, der Geist verrät. Was kann mein armer Witz Euch sein? Wär' ich ein Dichter kühner Geste, ein Sänger süßer Melodie, gereicht' ich sicher Eurem Feste zur Zierde. So doch weiß ich nie, ob meine Bilder und Gedanken nicht unbemerkt in's Dunkel sanken, ob das, was meine Worte nennen, auch Widerhall und Leben fand: Das Beste, was wir geben können, es ist uns selber kaum bekannt. Ich möchte jedem, den ich liebe, mich glühend gießen in die Brust, ach, wäre mir in dem Getriebe nur eines Herzens Dank bewußt! Wer Liebe fand, des Herz ist reich, er ist ein hochbeglückter Mann und lebt geborgen, warm und weich: Doch reicher ist, wer lieben kann ! Drum König! König! Wollt mich hören! Gebt Liebe denen, die Euch lieben! Wer Treue ehrt, wird selbst sich ehren, Ihm ist das beste Teil geblieben! leise zu Orestes. Sein Wort mag den Entschluß mir rauben! Wer ist der unerhörte Mann? Ich flieh'! Denn nimmer will ich's glauben, daß so der Teufel sprechen kann! Komm mit, Orest! Laß schnell uns gehen! Zu Faust. Ich hoff', Euch bald beim Fest zu sehen! Faust verneigt sich. König und Orestes ab. 10. Szene 10. Szene Der Abend wird immer dunkler. allein. Besinn' dich, Faust! Dein Weg ist kühn! Noch reißt dich Blutes Ungeduld verwegen nah' dem Abhang hin. Doch schon dein nächster Schritt ist Schuld! Was willst du hier? Darfst du den Blick noch senken. In Augen, denen Reines nur vertraut? Die deines Wollens Trotz, dein Werk und Denken in ihren schwersten Träumen nie geschaut! Entflieh', und lasse Heiliges unberührt, du, den der Böse selber führt! Und doch! Noch lebt mir Weiches im Gemüt, noch starb mir nicht das ferne Tönen, das mir von all' dem Einfach-Schönen erzählt, wie ein verscholl'nes Kinderlied. Es streckt die Arme nach mir aus, verschmerzt mir sanft das Schwere und das Schlimme Und ruft: »Mein Kind, ach komm' nach Haus – –!« Fährt auf. Weh! War das meines Vaters Stimme?! War es der Mutter sterbend Wort, das sie an leere Wände weinend hauchte? O, daß ich nicht zu leben brauchte! Was zuckt dies müde Herz noch fort?! Verzweifelt. Du ferner Gott in deinen Höhen! Verwirf mich ganz, so wie ich dich, und laß für alle Zeiten mich auch deinen Himmel nicht mehr sehen ! Begrabe mich in Nacht und Sünden! Zieh' nimmer mich zu dir hinan! Laß nie mein Herz die Liebe finden! Ich trotze dir, so wie ich stets getan! 11. Szene 11. Szene Der Mond hebt sich. Faust – Mephistopheles. kommt. Recht so! Wenn wir den Schwur erneuen, so war er meist schon abgewetzt. Doch tust du schlecht, gerade jetzt dich hier pathetisch anzuschreien. Dein Engel weiß sich keinen Rat, du hast sie meisterlich erhitzt! Ich bin ihr just vorbeigeflitzt und half durch eine schnelle Tat. fährt auf. Du hast – –?! Nur keine Angst! Ich habe sie nur gefragt, wieso? warum? Die Gute nahm es gar nicht krumm; sie sieht mir's an der Nase an, daß ich alles wohl verstehen kann: Sie gab mir Botschaft und ich trabe zu dir. Du siehst, ich spiele nur einmal den postillon d'amour. schnell. Sie gab dir Botschaft? Wie?! Nur still! Sie sagt, daß sie dich sehen will, jetzt gleich, noch vor dem Abendessen. Ich sagte ihr, wo du gesessen. Drum bleib und warte. – Weist auf den Mond. Mondenschein! Nun fehlt nur noch Gitarrengezimpel, dann spürt es jeder poetische Gimpel: Hier muß die Liebe wirksam sein! plötzlich. Ich warte nicht! Du bist verrückt! Ich freu' mich, daß es so geglückt und du willst fort? Ich geh' zum Feste. Dies Fest – – ich glaub', es ist das beste, du meidest es. Das Fest? Warum? Es summt was in der Luft herum. Was soll es schaden oder nützen? Ich kann dich diesmal nicht beschützen. Es kommt die ganze Klerisei, da bin ich lieber nicht dabei. Es würde mich zu sehr verdrießen: Riech' ich nur Weihrauch, muß ich nießen! Wenn sonst nichts hemmt, was kümmert's mich!? Bleib hier, mein Freund, ich warne dich. Winkt mir Gefahr, dann will ich gehen, Mann gegen Mann sie zu bestehen! Will fort. 12. Szene 12. Szene Volles Mondlicht. Faust – Mephisto – die Königin. kommt schnell, ein Tuch verschleiernd übergeworfen. Bleib! Geh' zur Tafel nicht! Es droht dir von Verräterhand der Tod! Solch' Todesurteil läßt sich unterschreiben, das Leben will zu Leben treiben! Ab. Ob Recht, ob Unrecht diesen Weg mich trieb – Ich weiß es nicht. Ich will es auch nicht wissen! Ein Mann mag wägen , wo das Rechte blieb – Wir Frauen fühlen , was wir müssen! Magst du ein Mörder, ein Verräter heißen, mit aller dunklen Macht in Bindung stehen: Ich hab' das Lichte aus dir strahlen sehen, sie sollen dich nicht vor den Henker reißen! Drum flieh! Der König sinnt dir Böses an: Man hat mit tausend schwarzen Taten auch deinen Namen ihm verraten! Dies Festmahl dient nur einem argen Plan. Leb wohl, mein Freund! Frag' nie um mich, es geht um Größeres: Rette dich ! Bleib! Wunderbare! Ist es wahr, daß solches Licht auf Erden lebt?! Was soll mir Tod noch und Gefahr, wenn mich Erlösung schon erhebt?! Wie Balsam fließt es in die Wunden, die mein zerriss'ner Busen trägt: Ich hab das eine, eine Herz gefunden, das an mich glaubt und mit mir schlägt! Kriecht nur heran! Hier steh' ich reich und frei und lache eurer Stümperei! Verwegener! Dein Wort ist Tod! Schon hör' ich Lärm – – – den König nahen! reißt sie an sich. Hier ist dein König! Dein Gebot! Sie sollen schau'n, was nie sie sahen: Zwei Menschen, die aus reiner Welt ein hoher Geist verbunden hält! Lärm nähert sich. 13. Szene 13. Szene Faust – Königin – Mephisto. den bloßen Degen in der Hand, kommt eilig herein. Heidi! Jetzt wird der Fall ergötzlich! Sie randalieren ganz entsetzlich! Und weil ihr gar so einig seid nach aller Himmel hohen Rechten, gibt dir ein Gott Gelegenheit, auf Erden auch um sie zu fechten. Hier ist er schon. 14. Szene 14. Szene Vorige – Orestes. den Degen in der Faust, stürzt herein. Verführer! Steh! Will auf Faust los. stellt sich ihm entgegen. Nur nicht so hitzig, Freundchen! Fechten. Weh! Mein Bruder! mit Mephisto fechtend, zur Königin. Will dich nimmer sehen, du Metze! sticht ihn nieder. Nun, das kann geschehen! stürzt zu Orestes, der sinkt. Mein Bruder fällt! in die Knie gebrochen, abwehrend. Komm mir nicht bei! Mich ekelt alles – – 's ist vorbei – – Er sinkt tot in die Kulisse. Die Königin ihm nach. – Ab. 15. Szene 15. Szene Faust – Mephisto. der wie aus einem Bann erwacht. Du Mörder! So? Das ist der Dank! Lägst lieber du an seinem Platz? Wer tot in weiche Arme sank, den wärmt nicht mehr ein heißer Schatz. Ich wollt', ich wär' es! Papperlapp! Das Leben bietet noch viel mehr! Drum fort von da! Die Zeit ist knapp! Mir scheint, man liebt uns hier nicht sehr. Beide ab. 16. Szene 16. Szene Hanswurst – zwei Schergen – zwei Teufel: Krumschal und Krustl. den man draußen schreien hört. Fix Sakra! Laß aus! Was willst denn von mir? Was kann denn i für die ganze Schlamastik dafür?! der ihn am Genick zu fassen sucht. Du bist sein Diener! Drum mußt du bleiben. Wir nehmen dich gefangen als Geisel! Geh', sei nit fad! Geh'n ma lieber Kegelscheiben um an Liter Wein in a g'müatliches Beisel. Wir werden dich auf die Folter strecken! Ja, Schnecken! Reißt aus. Ha, Kerl, treibst du mit mir deinen Spott! Ich will dich zwiefeln!! Schlägt ihn. Hörst glei' auf, du Fallott! Gibt ihm eine Ohrfeige. ruft in die Szene. He! Kamerado! Bring' Ketten und Stricke! erscheint mit einem langen Strick und schweren Ketten. Hallo! Jetzt wird's g'mischt! Ruft. Cito! Cito! Perlicke! Krumschal und Krustl erscheinen. Pirrr! weist auf die Wächter. Putz weg! Wo is 's Katzerl? Was? Jetzt ziagt's euer Schweifl! Weh! Kamerado! Flieh! Der Teufel! Der Teufel! Die Teufel fahren heulend auf die Schergen los und werfen sie hinaus. Guat habt's dös g'macht, Kinder! Jetzt hab'n s' es davon! Nun gib uns sofort deine Seele zum Lohn, Sonst werden wir dich zerreißen, du Zwerg! Mei' Seel? Ja, die hab i in Wittenberg. Was soll das heißen? Na, das werd's doch wissen: Oft hat einer schon in die Fremde müssen, weit in die abscheuliche Welt hinaus. aber sein' Seel, die laßt er halt z'Haus. zu Krustl. Was meinst du, Kollege Krustl, dazu? Mir ist das egal, entscheide du! Also gut. Daß ich seh', daß du die Wahrheit tust sagen, wollen wir dich gleich nach Wittenberg tragen. Wir haben dort ohnehin zu tun, denn wir sollen die Seel' vom verstorbenen Nachtwächter holen. Das wär' a Posten für mich! Wir werden ja sehen: Gibst du uns deine Seele, dann wird's vielleicht gehen. Jetzt setz' dich auf meinen Buckel geschwind! Zum zweiten Teufel. Geh', Krustl, mach a bißl an Feuerwind! Zu Hanswurst. Und jetzt sag' »Perlacke!«, aber halt' dich nur recht fest an die Hörndln. Perlacke! Purrr!! Indem sie mit ihm abfahren, fällt der Vorhang! 3. Akt 1. Szene 1. Szene Prächtiger Saal in Faustens Haus. Faust, Mephistopheles und mehrere Studenten bei üppigem Gelage. Faust jedoch steht abseits und teilnahmslos. Trinklied der Studenten: Alt oder jung: Ein guter Trunk beflügelt uns zu hohen Werken, ob Ernst ob Scherz, es mag das Herz am süßen Weine sich erstärken! Lieb' oder Haß: Am vollen Faß muß jede Zweiheit schweigen, wenn wir das Haupt, vom Kranz umlaubt, dem Einheitsgotte neigen. Stoßt an und trinkt! Das Leben winkt, der Becher macht die Runde. Ihr spart euch nicht das Weltgericht: Drum lebt der lachenden Stunde! stehen auf, mehr oder minder betrunken. Dabei rufen sie halb singend durcheinander. »Drum lebt der lachenden – – – Hupp – – – der saufenden – – – Hupp – – Stunde – – –!« Ein anderer. Ja – – Herr Kommilitone – – Hupp – Mort de ma vie – – Muß heut' noch Sabinchen karressieren – mich morgen in aller Früh – – hupp – – mit Cleanthen perduellieren. – Ein anderer. Dem Schwein von Manichäer – hupp – dem' schuld ich funfzig Gulden – – Ein anderer. Ach – hupp – – laßt mich zufrieden – – mit Raufen – – Weibern – – und Schulden. – – – – Trallallalala – – – –! Sie taumeln alle ab. 2. Szene 2. Szene Faust – Mephisto. Ist das nun alles?! Ach, es widert mich! Hast, Teufel, du nicht mehr zu bieten? Dies alles, glaub' ich, hätte ich auch dann, wenn mind're Geister mich berieten. Seit Jahren nichts, als dies berauschte Dröhnen und hie und da ein Weiberstöhnen aus Gier und Sattheit trüber Brunst. Und wollte dir schon etwas glücken in eitlen Taschenspielerstücken, so war das deine höchste Kunst! Doch das befreiende Genie, das schafft und findet, sah ich nie! Mein Freund, ich glaub', dir liegt's im Magen, da sieht man vieles kritisch an. Im übrigen hast du zu fragen, ich sag dir alles, was ich kann. Den Teufel hieße es entarten, wollt' Schöpfung man von ihm erwarten. So sag' mir eins: Was plagt ihr euch so sehr, uns Menschen zu erjagen? Du fragst gespitzt, das muß ich sagen. Mein Freund, es tobt im Geisterreich ein alter Krieg, wie du wohl weißt: Hie schwarzer Geist – hie lichter Geist. Des Menschen Seele steht in Mitten und wird von beiden heiß umstritten, daß jeder, wenn dies Reich zerfällt, den größern Teil für sich behält. Ganz gut. Doch zeigt sich mir noch nicht: Was nennst du schwarz? Was nennst du licht? Dies scheint ein Brauch aus jüngsten Tagen, den Teufel um das Licht zu fragen. Das Licht – – Ich kenne seinen Schein! Wie soll ich es dir nur benennen!? 's ist das verfluchte Obensein, dies ruhige Haben, sich're Können! Das Schaffende und nie Verwirrte, das Klare, lächelnd Unbeirrte, kurz: Alles, was da zeugt und sprießt, was Blühen, Kraft und Werden ist und uns mit stiller starker Hand den schönsten Teil der Welt entwand. Und all' dem Aufwärts bist du feind!? Zog es dich nie nach seinen Spitzen?! Nun machst du mich schon wirklich schwitzen! Stark. Ja! Einst war ich dem Licht vereint! Und führte eine steile Bahn voll Messerspitzen mich hinan, ich wollte gleich sie barfuß gehen, um einen Strahl aus jenen Höhen! Doch weil es ewig mir verwehrt, hat Ohnmacht alles, was sich sehnt, in mir zu wildem Haß verkehrt, den nichts verlöscht und nichts versöhnt. Weil wir enterbt sind all' des Lichten, drum soll es unser Neid vernichten! Denn stets entquoll dem dunklen Born verscherzter Liebe heißer Zorn. Wie wird es mir? Mich packt ein Grauen! Nur eines noch, verworf'ner Geist: Kann ich, kann ich das Licht noch schauen? Ich weiß nicht mehr, als was du weißt. Sag' nur ein Wort! Ich darf es nicht! Du mußt! Dich hält verbriefte Pflicht! Ich kann es nicht! So sei verflucht! Und alles zwischen uns gebrochen! Schreist du?! Hab' ich nach dir gesucht? Erst wird beschworen und versprochen und steigt es euch an's Maul hinan, dann fuchtelt ihr mit Fluch und Bann. Ich kenn euch Herr'n und halt' euch fest! Sieh selber, wie sich helfen läßt! Ab. 3. Szene 3. Szene allein, aufschreiend. So weit?! Ich, der das Licht gesucht, vom Licht verstoßen und verflucht! Von Mord besudelt meine Hand! Wer rettet mich aus Tod und Schand'? Kniet nieder. O Herr in deines Himmels Chören, kannst du mein Beten noch erhören!? Du Wundergott, du Vater aller Väter! Sieh meiner heißen Reue Tränen fließen, ich knie vor dir, ein schwarzer Missetäter, und lege dir ein blutend Herz zu Füßen! Gleich wie des Waldes Tier aus dunkler Höhle nach einem Trunke Wasser schreit, so schreit zu dir jetzt meine Seele: Du großer Gott! Barmherzigkeit!! O, höre mich! Verwirf mich nicht! Du Gott in Höhe, Kraft und Licht! Sinkt auf sein Antlitz nieder. 4. Szene 4. Szene Faust – Wagner. kommt mit einem Blumentopf in der Hand. Ich wag' es, gleich hereinzutreten – – doch seh' ich recht? Ihr seid beim Beten – – da stör' ich nicht – – – Will fort. steht auf. O, bleibe hier! Mir ist, als rief ich just nach dir. Auf die Pflanze deutend. Was hast du da? Ach, seht's nicht an! Es ist beileibe nicht viel dran. Ich bring's Euch nur in dieser Stunde aus einem ganz bestimmten Grunde. Was hier ein Bäumchen möchte werden, pflanzt' ich als Samen in die Erden an jenem, just an jenem Tag, als Ihr den schrecklichen Vertrag mit Eurem finsteren Genossen vor langen Jahren abgeschlossen. Es stand auf meinem Arbeitstisch, ich hegt' es treu und hielt es frisch und – lacht mich nur recht tüchtig aus! – Stets, wenn Ihr ferne wart vom Haus, wähnt' ich geschützt Euch im Getriebe, solang dies Bäumchen munter bliebe. Und jetzt, da Ihr das Haus besucht, trägt es die erste, kleine Frucht. Hier, nehmt sie an, die arme Gabe: Es ist das Liebste, was ich habe. – Das war es nur, weshalb ich kam – – – weh. O Seele! Seele! Brich in Scham!! Du wolltest Gott das Wunder rauben und mußt zerschmettert nun gestehn: Nur in der Einfalt heiligem Glauben ließ Gott sein Wunder stets geschehn! Ihr seid bewegt, was dringt so auf Euch ein? Was kann die kleine Gabe Euch wohl sein? Es ist die Gabe nie, die uns bewegt, nur das, was sie von Herz zu Herzen trägt. O, Wagner, könntest du es fassen, was ich verlor, was mich verlassen! Wie deine Worte doch vor Jahren der Einfalt reine Stimme waren. Flieh! Ich bin krank in tiefster Seele! Es brennt mein Herz von Todesgift ob ich mich gleich in Reue quäle, die Geißel Gottes fällt und trifft! Gott prüft uns, eh' er uns verflucht! Ich habe ihn zu frech versucht! Mag es allein Euch nicht gelingen, daß er in Gnaden Euch vergibt, so muß zu seinem Herzen dringen das Beten eines, der Euch liebt. Mich liebt – –? Wie klingt das Wort so weh! Von allen, die ich um mich seh', liebt keiner mich. Es ist vergebens! In frühern Tagen Eures Lebens war's anders – – liebt' ein Vater Euch und eine Mutter! O, wie reich war ich doch einst! Ich hörte sagen: Ein reines Herz, von Liebe voll, vor Gottes Richterstuhl getragen, besänftigt seinen tiefsten Groll. Ein reines Herz? Wer opfert sich? Wär' ich so rein, gern wollte ich es tun. Doch unter Erdenkinden mag schwer sich einer würdig finden. So ist dies Mittel, wie es scheint, wohl nur als frommer Spruch gemeint – sinnend. Ein reines Herz – – – Nun, gute Nacht! Zergrübelt nicht die späten Stunden: Was alle Weisheit nicht erdacht, hat oft ein schlichter Traum gefunden. Ab. – Faust bleibt sinnend stehen. 5. Szene 5. Szene allein. Ein reines Herz – – O, alles Wissens Ende muß gläubige Demut sein. Du Gott im Licht! Ich ringe meine Hände aus dunkler Pein! Nur deinem Atem lauschen ist mein Sehnen, O, sieh mich an: Ich habe allen Stolz in heißen Tränen von mir getan. O, blicke, Gott der Gnade, niederwärts und schenke mir das ruhige, reine Herz! 6. Szene 6. Szene Faust – Mephisto – Bulla als Helena verkleidet. Nun wird es Zeit, das Jammern aufzugeben! Das Winseln und das Gnade-Lallen laß' ich mir dann und wann gefallen, doch gibt's auch and're Lust im Leben. Denn, wie ich aus Erfahrung weiß, bist du zum Beten noch zu heiß! ohne hinzusehen. Hinweg, Verführer! Ja, das ist so euer Ruf, eh' ihr was wißt. Den Teufel hat noch stets verbannt, wer seine Künste nicht gekannt. Sieh' her, mein Freund, wen ich dir bringe. Ich will nicht sehen! Hör' ich recht? Spricht einer so, der alle Dinge der Erde sehen wollte!? Schlecht, mein Freund, schlägt dir das Beten an! Mut zeigtest du und warst ein Mann, nun seh' ich, daß in feiger Angst du vor den eignen Augen bangst. Führt Bulla vor ihn hin. Sieh her!! sieht auf. Welch' Blendwerk bringst du da? Es ist die schöne Helena! Die artigste der Erdendamen! Selbst Trojas Mummelgreise bekamen, sie brauchten sie nur wo zu wittern, im Knie ein jugendliches Zittern. gebannt. Bei meinem Leben! Sie ist schön! Drum sag' ich: Laß dein Bußgestöhn, sei Paris! Freu' dich ihrer Glut! Das Beten macht dir dickes Blut! noch immer wie gebannt sie ansehend. Wie Meeresleuchten winkt dein Blick, du Bild aus lang versunk'nen Tagen. Du gibst mir einer Menschheit Glück, nach der ich Sehnsucht je getragen. Die schönen Maße lichter Hallen, aus denen Götterfreude sieht, der blauen Woge Sprung und Fallen, im Hain der Hirtenflöte Lied. Du Welt versöhnter Heiterkeit laß meine Schwermut dir vermählen und laß im Einklang uns'rer Seelen verschwingen Fluch und Kampf und Leid! Nähert sich ihr mit ausgebreiteten Armen. Umfange mich! Erlöse mich – – – wirft Mantel und Schleier ab. Hahahaha! Nun hab' ich dich!! fahrt zurück. Weh' mir! Erkennst du mich, mein Freund? Du hast dich einst gar groß gemacht, hoch über meiner Macht vermeint. Doch besser lacht, wer endlich lacht! Nun komm, mein Lieber, du wirst sehen, ich weiß viel süßen Zeitvertreib: Ob Helena, ob sonst ein Weib, das Wunder ist sehr bald geschehen! flieht. Fort! Fort! Schon leckt der Hölle Brand! Ab. Du Narr, war dir das unbekannt? Was unsereiner selbst nicht kann, das stellt er durch ein Weibsbild an! Nimmt Bulla um die Hüften und beide gehen lachend ab. 7. Szene 7. Szene Verwandlung! Straße, Nacht, Mondlicht. Im Hintergrund eine Kirche, daneben Friedhof, von dem einige Gräber sichtbar sind. als Nachtwächter gekleidet, mit Spieß, Horn und Laterne kommt. So a Nachtwachter der is schon ganz verkehrt dran: Wann alle Leut' aufhör'n, dann fangt er an! Jetzt krall'n die braven Bürgersleut' unter die Decken und i kann da heraußen die Spitzbuben schrecken. Wann i wo an siech, i tät eh g'wiß nix sagen, aber i fürcht' halt, es packt aner amal mi beim Kragen. Zwar jetzt is no a ganz a geheuere Stund, jetzt hocken die Mannsleut' bei der Stammtischrund. Inzwischen daham über d' Stieg'n vielleicht mit die Schuh' in der Hand grad der Liebhaber schleicht. Deswegn will i vor allen Dingen eine hochmoralische Mahnung singen. Singt. Hört, ihr Männer, und laßt euch sagen, wenn die Glock' wird zehne schlagen, gebt auf eure Weiber acht, daß keine euch zum Schwager macht. 's tut zehne schlagen! Hört, ihr Weiber, und laßt euch sagen, wenn euch eure Männer schlagen, so tragt nur alles mit Geduld: Irgendwas is g'wiß dran schuld! Hat zehne geschlagen –! Es schlägt während des Liedes oder nachher zehn Uhr. Hanswurst bläst und geht singend ab. in schwarzem Mantel, tritt, während noch die Uhr schlägt, auf. Mond ist still heraufgegangen, Turm und Dach vom Blaulicht scheint. Alle hält der Schlaf umfangen, leidversöhnt und liebvereint. Die sich nächtens meiden müssen, werden sich am Tage küssen. Du allein in irrer Hast findest Frieden nicht und Rast. Kehr' ich heim zu meiner Schwelle, engt sich mir das ganze Haus, Unrast drückt den Saal zur Zelle, treibt mich fort und straßenaus. Kaum jedoch vom Haus geschieden, ruft es mich in seinen Frieden. Ach, wo wird der wüsten Pein Aufgelöstes Ende sein!? Sieht den Friedhof. Ihr Male längst vergang'nen Lebens, euch sucht ein stiller, müder Gast. Laßt ihn nicht draußen steh'n vergebens, gönnt ihm ein kleines Weilchen Rast. Er setzt sich auf das nächste Grab. Mag dir die Ruhe nicht vergehen, bei dem ich mich geladen hab'; wer liegt wohl hier? Ich will doch sehen – – Er liest die Schrift auf dem Stein und springt jäh auf. Weh! Es ist meiner Mutter Grab! Kniet vor dem Grabe nieder. Du Heilige! Du Reine! Im Marterstrahlenschein! Du aller Frauen eine! Du Mutter, Mutter mein! Sieh, meine Hände fassen die Erde deiner Gruft; der dich im Stolz verlassen, dein Sohn ist's, der dich ruft! Verflucht ward mein Beginnen, hilf du mir! Hör' mich nun! Denn Sorge war dein Sinnen und Liebe all' dein Tun! Du Treue, Herzensreine! Laß mich verdammt nicht sein! Du aller Frauen eine, Du Mutter, Mutter mein! 9. Szene 9. Szene Faust – der Geist von Faustens Mutter. erscheint aus dem Grab. Welcher Stimme Klang? Bist du es, mein Sohn? Ich wartete lang auf diesen Ton. Als zuckend ich im Verglühen lag, Tag und Nacht – Nacht und Tag, war keiner, der mir Wasser gereicht, aber es war leicht: Doch daß mein Sohn in dieser Stunde zu mir nicht gesprochen, hat mir das Herz gebrochen. Es ist verloren, versunken, tief – – – Aber nun rief nach ihm eine Stimme von Tränen schwer – Doch ich habe mein totes Herz nicht mehr. Ade! Daß du kamst, habe Dank. Weh, daß ein dürstendes Herz versank – –! Verschwindet im Grab. 10. Szene 10. Szene Faust – dann Mephistopheles. stürzt vom Grabe weg nach vorne. Auch hier verworfen und verklagt, mit Geißelhieben fortgejagt! unter Donner aus der Höhe. Fauste! Fauste! Mach dich bereit! wendet sich. Ha! Welche Stimme!? der gleich nach Faustens Wegstürzen rückwärts erschien und im feuerroten Mantel, von glühenden Lichtern umzuckt, auf dem Grabhügel der Mutter sitzt. Deine Zeit ist voll! Auf Stunde, Jahr und Tag erfüllt sich heute der Vertrag! Wie das? Noch war's die Hälfte kaum! Was kümmert mich dein eitler Traum? Ein Kerl, der mit Geistern spricht, der phantasiert, doch rechnet nicht. Noch einen Tag! Nur eine Stunde! Nicht eine flüchtige Sekunde! Glaubst du, der Teufel dient ein Leben, sich des Triumphes zu begeben? Wer weiß, was alles du bewegtest und welchen Geist du noch erregtest, ließ ich dich jetzt aus meiner Macht. Heut', mit dem Schlage Mitternacht, bin ich so frei und stell' mich ein. Bis dahin laß ich dich allein! Verschwindet mit Gelächter. Ab. 11. Szene 11. Szene Faust allein. Fauste! Fauste! Wir rufen Klage! Wer seid ihr, Stimmen, halb vertraut, an lang Verschollenes gebunden? Wie wird es mir? Mein Auge schaut Bild neben Bild. In alten Wunden brennt neues Weh! O Königin! O toter Vater, trauter Freund, was kommt ihr alle nun vereint, und weist auf mich, den Mörder hin?! Ich hab' kein Wort, das mich befreit, ich flehe nur: Barmherzigkeit! Flieht schnell ab. 12. Szene 12. Szene Hanswurst – dann Krumschal – Bulla – Krustl – der Pfarrer. kommt wie früher und singt. All' meine Jungfern, laßt euch sagen: Wenn ein Mann euch sollte fragen, ob ihr wirklich Jungfern seid, sagt nur: Ja, es tut uns leid! 's wird elfe schlagen! All' meine Jungg'sell'n laßt euch sagen, wenn ihr's wollt bei Mädchen wagen, tut gar fein und gebt hübsch acht, daß die Bettstatt nit so kracht! Es schlägt elf. Hat elfe geschlagen! schnurrt herbei. Purrr! Halt! Was pfnurrt denn da noch herum? Hoffentlich draht mir keiner den Kragen um! tanzt hin und her, so daß ihn Hanswurst bald da, bald dort sieht. mit der Laterne hin und her leuchtend. Alsdann, was is denn das für a G'spiel?! Verflixter Lauswenzel, steh' amal still! Ich bin eine obrigkeitliche Amtsperson: Entweder gehst her, oder renn' ganz davon. Stellt ihn. Oha! Hab' i di' jetzt beim Wickel?! Leuchtet hin. A, du bist es, du krauperter Höllenschweinickel!? Na, da geh nur glei' her! Du hast eh g'wiß was g'stohlen. Ich komme heut' nacht deine Seele holen! Oha! Hast an g'stempelten Schuldschein bei dir? Das nicht. Aber du versprachst sie mir, sobald wir dich hätten hieher gebracht und zum Nachtwächter der Stadt Wittenberg gemacht. Wir haben's gehalten, du aber noch nicht! Ja, weißt, das mit der Seel', das is halt so a G'schicht. Wie i bin wegg'fahr'n, da hab' i sie eben an geistlichen Herrn zum Aufbewahr'n geben. Na ja, i hab' mir denkt, die Herren von dem Stand, die haben doch so was alle Tag' in der Hand, und da sagt doch die klare Vernunft: Ma geht mit an jedem Ding zu der Zunft. Na, und der Herr Pfarrer, der wascht meine Seel' recht fein und tut sie noch fest mit Weihrauch imprägnieren. Drauf sperrt er's gut in a Tabernakel hinein; Na, da kann doch sicher nix passieren! Wie i dann bin heimkommen, hab' i müssen schau'n akkrat, daß i Nachtwächter werd', beim Stadtmagistrat. Na, und bei der Bewerbung um a solche Stell' da fragt an doch kaner um sein' Seel. Denn um bei Nacht so a Nest zu bewachen, mein Lieber, da braucht ma ganz andere Sachen! So liegt halt mei Seel' noch immer ganz schön da drinn in der Kirchen im Tabernakl. Wannst es hab'n willst, da mußt schon zum Pfarrer geh'n, aber i sag' dir's glei': Das is dir a grober Lackl! Mit so an, wie du bist, macht er gar nit viel Flausen, der laßt di glei' kopfüber ba da Stiag'n abisausen, daß d' dir bei an jeden Eck deine Hörndln verbiagst, und durch die zug'machte Haustür glei' durch aussifliagst! Denn in Wittenberg tut das in der Luft schon liegen, daß sich Pfarrer und Teufel zu raufen kriegen. O, du siebenmal gerissener Schwindelpatron! Na wart' nur, du Lumperl! Wir kriegen dich schon! Ruft. He! Krustl! Bulla! Herbei! Herbei! Die Teufel schnurren an. amtlich. Halt Ruhe! Was ist das für ein Geschrei? Besoffene Gesell- und Lumpenschaften muß ich kraft meines Amtes verhaften! Bulla und Krustl wollen ihn fangen. Was, Weibsbilder auch noch? A, das bitt' ich mir aus! Klopft an die Tür neben der Kirche. He! Herr Pfarrer! Kommen S' g'schwind mit'm Weihwedel 'raus! von drinnen, unwillig. Was gibt's denn? Laß mi doch bei mein' Betbüchl sitzen! Kummen S' nur außa! Sie müssen den Teufel anspritzen! erscheint mit einem großen Weihwedel. Da bin ich! Was ist das für ein Rumoren?! Gehn S', haun S' der Bagaschi a paar um die Ohren! haut mit dem Wedel drein. Das werd'n ma gleich ham. Wenn ich einen packe, der kommt mir nit aus! hilft mit dem Spieß nach. Wart's, ihr Gauner! Perlacke!! Es entsteht ein wildes Balgen. Pfarrer und Hanswurst hauen drein, die Teufel fluchen, heulen und brüllen, dazwischen das hohe Weibergekreisch der Bulla, die vom Pfarrer verprügelt wird. Schließlich fahren die Teufel unter Wutgeheul ab. 13. Szene 13. Szene Hanswurst – der Pfarrer. Bravo! Herr Stadtpfarrer! Das war fein! Aber jetzt geh'n ma g'schwind auf a Maßl Wein, denn ich hab mi bei dem Tremmeln damisch erhitzt! Dann trinkt ma viel lieber, wann ma a bißl schwitzt. Geh'n ma glei da übri zu der »Nassen Gemütlichkeit« Bis Mitternacht hab' i grad' noch a bißl Zeit. Beide gehen ab in die Gasse. 14. Szene 14. Szene Faust allein. kommt. Es treibt mich wieder nach dem Ort, wo Geisterstimme mich umgab, doch seh' ich dort der Mutter Grab so reißt es mich im Fieber fort. groß und schwer. Fauste! Fauste! Bist du wieder hier? Was rufst du so schwer? Was willst du von mir? Du bist gerichtet! Deiner Sünden Wucht hat dich vernichtet und auf ewig verflucht! Suche Gnade nicht: Das Schwerste geschieht dem, der das Licht in sich verriet! Wer es nie gesehen in all' seiner Zeit, mag heiter gehen in der Einfalt Kleid. Aber wen je seine Strahlen riefen, der muß ihnen nach, über Höhen und Tiefen; wohl dem, der auf sturmvoller Fahrt die starke, die reine Seele siegend bewahrt: Ich wäge, eh' ich erwähle! fällt auf sein Angesicht. Weh mir! Weh mir! 15. Szene 15. Szene kommt singend heran, so daß seine Stimme früher gehört wird, als er auftritt. All' ihr Witmänner, laßt euch sagen: Wenn ihr's wollt noch einmal wagen, lobt die erste nicht zu sehr, sonst bekommt ihr keine mehr und seid zu beklagen! – Tritt auf. All' ihr Witfrauen, laßt euch sagen, ihr seid wahrlich zu beklagen, weil ihr das entbehren müßt, was ihr aus Erfahrung wißt. Wird gleich zwölfe schlagen! Stößt ins Horn. – Stellt die Laterne hin, sieht Faust. A, da schau her! Wer liegt denn da? A! Der Herr Faust! Da schau i ja! Was hat denn den Herrn Doktor um Mitternacht von seine Studierbücheln weggebracht? Wer bist du, Mensch, der mich erkennt und mich nicht voll Verachtung nennt!? Verachten? Ja, warum nit gar? Wo ich doch amal Ihna Bedienter war! Just, die uns dienen, sind uns feind. A, was nit gar!? Aha, mir scheint, daß Sie da den Mephistl meinen. Aber sehen S', Herr Doktor, unsereinen den darf man da nit in ein' Atem nennen. Ich hab' Ihna alleweil gut leiden können, wann S' nur nit immer so finster g'west wär'n. Aber das is halt a so mit euch gelehrsame Herrn. Schau'n S', i versteh ja nix von solche Sachen, aber i mein halt' immer, ihr tut's z'wenig lachen. Schau'n S' her: das is so mit dem Pech oder Glück: Wie aner d' Welt anschaut, so schaut sie halt z'rück. Wer alles schwer nimmt, sich ärgert und müht, den holt ganz g'wiß der Teufel. Doch wer die Welt als Theater sieht, den kriegt er nit beim Schweifel. Ich habe deinesgleichen im Leben nie beachtet, nun seh' ich, daß in solchem Zeichen sich auch die Welt betrachtet. Erstürmen oder lächelnd meiden – – – Wer mag's entscheiden? I glaub', es liegt vor allem dran: Ihr fangt's die G'schicht immer von oben an. Da wird studiert und dissertiert, aber keiner hat wirklich was probiert! Die kleine Welt is euch zu minder – und wart's doch alle amal Kinder! Schaun' S' her: I bin auch zu was Höherm gebor'n und bin doch mit Freud'n jetzt Nachtwächter wor'n; denn daß die Bürger wissen, wie viel Uhr es hat g'schlagen, ist wichtiger, als hundert Doktorfragen. Recht oder Unrecht – –? Einst fragt' ich's gern. Doch es gibt nur eines: Nah' oder fern. unter Donnergetöse, während es vom Turme zwölf schlägt. Fauste! Fauste! In aeternum damnatus es! Blitze zucken ununterbrochen, es heult und pfeift in der Luft. breitet die Arme aus. Hier bin ich – –! Jessas! Da tratsch' i und währenddessen hätt' i beinah' auf mei Pflicht vergessen! Und wie's da af amal bleangerzt und kracht! Ich geh'. Gute Nacht! Geht ab. 16. Szene 16. Szene Die Szene erglüht in rotem Licht. Ununterbrochenes Donnergetöse. Feuerregen. erscheint in rotem Feuermantel, springt auf Faust, der noch immer, wie betend, mit ausgebreiteten Armen steht, zu und erwürgt ihn. Zu mir! Zu mir!! in seine Arme sinkend. O Licht! O Qual!! Beide versinken unter großem Getöse. 17. Szene 17. Szene Es wird mit einem Schlage alles wie früher, also eine stille Mondnacht. kommt und singt ganz gemütlich. Hört, ihr Leut', und laßt euch sagen: Tut euch nicht mit Hochmut tragen! Gott, der Herr, der weiß bestimmt, was er jedem gibt und nimmt, drum tut nit klagen! Will ein neuer Tag anheben, laßt uns nur dem Rechten leben! Meidet Undank, Haß und Streit, daß ihr am Abend heiter seid! Hat zwölfe geschlagen! Indem er bläst und noch im Singen weitergeht, fällt langsam der Vorhang. Anmerkung Anmerkung Dieses Spiel wurde auf Schloß Pischätz vom 4. bis 20. August 1922 geschrieben. Es lagen dabei vier alte »Faust«-Spiele unmittelbar vor, und zwar die drei Puppenspiele der Engelschen Sammlung (Nr. I, IX und X) und das Puppenspiel von Dr. Faust der Insel-Bücherei (Nr. 125). Selbstverständlich wirkten Goethes Gestalten auch auf die Fassung der Charaktere ein, was mir jederzeit voll bewußt blieb. Ich habe mich bei der Arbeit sehr frei gehalten und keine Vorlage mehr als die andere, sondern alle nur ganz äußerlich benützt. Einzig drei Nachtwächterlied-Texte und eine Stelle bei Faustens erster Reue-Anwandlung (III/3.) entsprechen mehr oder minder genau dem Text des Insel-Puppenspieles. Sonst habe ich hauptsächlich die Szenenfolge beiläufig eingehalten, jedoch, wo es mir gut schien, auch umgestoßen. Was den zweiten Akt (am Königshofe) betrifft, so ist seine Handlung ganz frei erfunden, da in den Puppenspielen stets nur von Faustens Zauberei die Rede ist und er auch deshalb als Hexenmeister vom Hofe verbannt wird. Das Eifersuchtsmotiv fand ich ein einziges Mal ganz nebenbei (als ein »Beiseite-Sprechen« des Königs) angedeutet, aber nirgends ausgeführt. Ebenso blieb die Gestalt Orest's stets nur Staffage und ich gab ihm absichtliche etwas vom Valentin Goethes mit, wie denn auch die Königin ganz unwillkürlich dem Gretchen nahe rückt. Auch Faustens Vater tritt nur in einer Fassung auf und dort ist dann auch im letzten Akt eine Szene, wo Faust den toten Vater aus dem Grabe scharren will, um durch dessen reines Herz Gott zu versöhnen, worauf ihn der Geist des Vaters verflucht. Das schien mir zu gruselig und der zweimalige Vaterfluch obendrein überflüssig. Deshalb stellte ich die Mutter-Szene frei hin, die natürlich in keiner Vorlage erscheint. Dem Famulus Wagner, der in den Puppenspielen nur ein Schatten Faustens ist, gab ich Züge eines gutherzigen, einfältigen Menschen, in bewußtem, teilweisem Gegensatz zu Goethes haltherzigem »trockenen Schleicher«. So ist das Motiv der treugehegten Pflanze ganz frei erfunden, um Wagner plastisch zu machen. Die unterirdischen Geister teilte ich in zwei Hälften, deren eine der dämonische Mephistopheles hält, während auf der anderen Seite die mehr komisch-grotesken Figuren: Krumschal, Bulla, Krustl, Bluto, Charon stehen, die mehr oder minder dem Hanswurst entsprechen, so daß die Grundlinie des Spieles: der Gegensatz von Faust und Mephisto zu Hanswurst und seinen Teufeln in der Form der Parallele auf verschiedenem Niveau durchgeführt erscheint. Daraus ergibt sich schließlich (da der Ausgang für Faust tragisch, für Hanswurst versöhnlich zu sein hat) ein Faust-Drama, das von Goethes Höhenwerk stark abweicht. Denn wenn es dort heißt: »Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen«, so faßte ich den Sinn des Spieles in die Worte des Hanswurst (III/15:) »Wer alles schwer nimmt, sich ärgert und müht, den holt ganz g'wiß der Teufel! Doch wer die Welt als Theater sieht, den kriegt er nicht beim Schweifel!« Ich betone, daß ich hier nicht etwa »Goethe widerlegen« wollte, sondern nur den Sinn des alten Puppenspieles, wo stets der Kasperl über Faust triumphiert, herausarbeitete – deutlicher und bewußter freilich, als irgend eine der mir bekannten Vorlagen, die ja Goethes Werk nicht ahnen konnten. Die Figur des Pfarrers und die Luther-Reminiszenz ergaben sich mir unmittelbar aus der Situation und der Örtlichkeit, sind natürlich in keiner Vorlage zu suchen. Zum Sprachlichen sei noch bemerkt, daß alle mir vorgelegenen Spiele in Prosa abgefaßt waren und nur ganz wenige Stellen Verse zeigten, die ich fast nirgends übernehmen konnte. In dieser Hinsicht also kann das vorliegende Spiel als völlige Neuschöpfung angesehen werden. Dr. Bruno Ertler.