Epistel Fastnachtsverse wünschen Sie, verehrter Doktor? Leider hab ich nichts dergleichen mehr auf Lager, Meine Muse, die in diesen Tagen dreimal Schon ich darum anging, aber ist ein sprödes, Knauseriges Frauenzimmer, voller Launen, Wie ja alle Evastöchter, und seit vielen Wochen wendet schon die »Himmlische« mir schmollend Ihren »hehren« Rücken zu. Was fang ich an jetzt? Giebt es Mitleidswerteres als einen Dichter, Dem die Muse den berühmten Kuss verweigert? Viele zwar von meinen Herrn »Berufskollegen« Wissen sich in solchem Falle schon zu trösten Und versuchen's kecklich ohne ihre Muse, Und die Menge merkt es, beim Apoll, den glatten Feinen Versen, die ins Ohr wie Öl ihr träufeln, Manchmal nimmer an, dass sie der Herr Verfasser »Ganz allein« gedichtet, ohne höhere Hülfe. Ich doch kann nicht eine einzige Zeile schreiben, Wenn die gute Muse mit mir »mault«, und gar noch Faschingsverse – nein, dazu bedarf's der ganzen Närrisch übermütigen Laune, die mit buntem Flitter sich behängt, hinweg zu täuschen klüglich, Sich auf Stunden dieses Lebens graues Elend, Oder auch bedarf's des grauen Elends selber, Aschermittwochstimmung, die in Sack und Asche Und mit hängenden Ohren Bußelieder dichtet. Beides liegt mir fern. Ganz nüchtern werkeltäglich Trott ich meines Lebens immer gleichen Pflichtweg, Der mich abseits führt von Maskeradensälen. Ach, wie lange schon ist's her, dass mich auch einmal Einer Maske klug gewählte Hülle freundlich Barg vor meiner lieben Nächsten Späherblicken, Dass der weiße, kreuzbestickte Rittermantel, Und der kecke Hut mit weithinwallender Feder, Und der Degen und die großen Sporenstiefel, Diese ganze Heldenmummerei, mich einmal Wenige schöne Götterstunden ließ vergessen, Dass mit vielen tausend Adamssöhnen sonst ich Ohne Rittermantel muss mein Kreuzlein tragen. Nun, man trägt es schon. Kommt einmal doch die Stunde, Wo auch dieses Kreuz mit anderm, wie entlieh'nes Faschingsballkostüm, dem großen Allesleiher Wieder wir zurück in die Garderobe liefern. Masken! Larven! Ach, wir tragen alle Tage, Nicht zum Fasching nur, die wunderlichsten Hüllen. Masken! Larven! Bis die Stunde schlägt, Erlösung Schlägt? und alle Hüllen fallen. Oder geht es Weiter drüben, weiter so in aller, aller Ewigkeit? Ein immer neues Mausern? Immer Nur ein Kleiderwechseln? Aber werter Doktor, Welche alte, abgedroschne Kinderfragen Stell ich. Sehen Sie, so geht es mir nun, wenn ich Ohne den berühmten Musenkuss Episteln Schreib, wie jene Afterdichter, jene kleinen Flinken Fexen unseres lyrischen Parnasses, Die sich ihre lyrische Begeistrung jeweils, Wenn nicht anders, holen her aus dem Kalender. Darum Schluss denn, keine lahme Zeile weiter. Fort vom Schreibtisch, von dem heute sehr missbrauchten, An den Flügel. Aufgeschlagen winkt vom Pult mir Robert Schumanns immer junges, frühlingshaftes, Buntes Faschingssträußchen: »Papillons« benamset. Wenn die Finger mit den Tasten Zwiesprach halten: Druck und Gegendruck, auf leises Fühlen Antwort, Dann vielleicht, dass sachte, von den herzensechten Tönen Schumanns angelockt, die Muse hinter Meinen Stuhl sich stellt und lauscht, denn Schumann liebt sie, Und dass sie zum Lohn hernach vielleicht ein Verschen Wieder mir ins Ohr mit ihrem wunderbaren Lächeln, wie von einer andern Welt her, flüstert. Thut sie's, schreib sofort ich's nieder auf mein bestes Weißestes Papier und schick es »eingeschrieben« Schleunigst an die Redaktion mit nächster Post.