An Detlev von Liliencron Heute hatt' ich einen Festtag, einen Frohtag. In den Federn lag ich noch, ich Siebenschläfer, Als erschreckend mich, an meinem Klingelzug schon Stürmisch riss der brave, schnauzige Stephansjünger, Er, so mancher meistens unverhoffter Freuden Unbewusster, mürrisch kalter Botenträger. An die Thüre stürz' ich eins zwei drei auf Socken, Stürze, stolpre, rutsche. Durch die schmale Spalte Eine Handvoll »Post« reicht mir herein der Brave: Briefe, Bücher, eine lange Notenrolle. Ei, verflog der Schlaf, der halbwegs mich umfing noch. Dennoch zog ich schnell zurück ins warme Bett mich. In des Wintermorgens mattem trübem Frühlicht Überflog ich schnell die reiche Stephansspende, Brach das Brieflein: »Viel zu kalt ist's heute,« schrieb mein Mütterchen, »für unsre Domfahrt, und ich schone Lieber mich zum Feste.« – Aus der schlanken Rolle Zog die ersten fünf ich von den dreiundfünfzig Mörikegesängen Hugo Wolfs, den unlängst Du begeistert mir gepriesen und in deinem Neusten, prächtigen Versebuch: »Der Haidegänger« Kräftiglich in deiner kernigen Art besungen. Und da war er selbst in seinem gelben Kleide, Kam mit einem gelben Zettelchen, auf welchem Zier geschrieben: »Mit ergebenster Empfehlung Vom Verleger überreicht.« Schon hatt' am Abend Fröhlich ich für ihn das Portemonnaie gezogen Und mit meinem Federmesser alsogleich ihn Untersucht nach wahren, echten Dichtergaben. Zwei der edlen »Gänger« stehen nun im Stall mir, Bücherstall: so nenn' ich meinen kleinen gelben Schrank. Einst war es Mutters Wäscheschrank. Jetzt stehen Drin in Reih und Glied geordnet (Schöne Ordnung!) Groß und kleine und berühmt und unberühmte Teutsche Dichter, die ja, wie bekannt, nur schreiben Tapfer fleißig für ihr Volk, auf dass es schmunzelnd Sie und stolz als höchste nationale Güter In den Schrank stellt! Aber Freund, sei ohne Sorge, Eins von deinen Haidegängerbüchern mag drin Neben Goethe, Schiller, Platen, Lenau, Reuter Neben Bibel und Fürst Bismarck Ruhe pflegen, Von dem Schreibtisch kommt mir nicht das andre eher, Bis ich Vers für Vers zu eigen mir gemacht hab'. Kommst du, wie du ja versprochen, gleich nach Neujahr Auf die Bude mir, so will für alles Schöne, Das seit letztem Sommer ich dir danke, herzlich Beide Hände ich dir drücken. Und dann singst du – Denn mir ahnt: Du singst, verstehst zu singen – jene Schönen Lieder mir vom neuen Liederkönig Hugo Wolf. Vor allem das entzückend lust'ge Lied vom Knaben mit dem Immlein. Ach, ich selber Singe nur in Tönen wie ein Nebelhorn, das Mitternächtig ruft bei trübem, dickem Wetter Angst und Graun im Herzen wach der Passagiere, Die mit Zagen denken der Gefahr, davon sie Einzig nur des Schiffes dünne Planken trennen. Heute noch dazu quält mich ein Riesenschnupfen: Schnaufend, niesend, kröchelnd, ächzend schreib ich diese Seltsame Epistel an dich nieder, während Draußen, Omeletten gleich dick überzuckert, Alle Dächer tragen frischen Winterschmuck, denn Schon seit frühem Morgen schneit es unaufhörlich Auf die Dächer, Straßen, Plätze und die grünen Waldentführten Weihnachtsbäume. Wenige Tage Noch, und auch in meiner kleinen Klause leuchtet Solch ein lichtgeschmücktes Bäumchen mir zum ersten Frohen Christfest an dem eignen Herd. Wie köstlich! Und du Böser wolltest einst mich sorglich warnen Keinem Weib zu fest ins schlaue Garn zu gehen, Denn die leidigen Ehefesseln brächten wenig Freude einem teutschen Dichter. Nun, am Ende Bin ich gar kein Dichter, denn fürs erste schmeckt mir Noch die Ehe wie ein Honigkuchen, d'rauf mit Weißen Mandeln eingelegt ein schönes Herz ist. Doch, gewiss, ich weiß ja, Ehe ach und Ehe! Aber dass nun meine Frau so übel gar nicht Und ein dichterfreundlich Herz hat, zeigt allein schon, Dass trotz jener Warnung sie nicht schmollt mit dir und Ihren »Ersten« – wenn das Störchlein nicht vergisst drauf – Detlev nennen will: Hans Detlev. Heute schickt sie Dir besondern Gruß und Dank durch mich für deinen Allerliebsten »Puppenhimmel«. Damit, Bester, Gott befohlen. Und ein frohes, schönes Christfest. Gleich nach Neujahr hoff' ich dir die Hand zu drücken.