Lieder und Balladen frei nach dem Englischen Jung-Musgrave und Lady Barnard Jung-Musgrave trat in die Kirche, Sein Kleid war gold und blau; Er grüßte die schönen Frauen, Nicht so Unsre liebe Frau. Er sah sich um im Kreise, Nur eine fehlte noch; Ein trat da Lady Barnard, Das war die schönste doch. Ihr Auge fiel auf Musgrave, Ihr Auge wie Sonnenschein, Da fühlte des Knaben Herze: Der Lady Herz ist dein. Sie flüsterte: »Jung-Musgrave, Ich liebe dich seit lang!« »So tat ich, liebe Lady, Nur war mein Wort zu bang.« »Ich hab' ein Haus im Walde, Verschwiegen und bewacht, Und willst du kommen, Jung-Musgrave, Jung-Musgrave, so komm heut nacht!« Den Knaben überlief es, Als habe sie ihn geküßt, Er sprach: »Ich komme, lieb' Lady, Und wenn ich sterben müßt.« Das hörte der Lady Läufer, Nicht lang er so stund und sann: »Und bin ich Myladys Läufer, So bin ich Mylords Mann!« Er sprach es und lief waldeinwärts, Lief über das Heideland; Die Sterne standen am Himmel, Als vor dem Schloß er stand. »Wach auf, wach auf, Lord Barnard, Deine Ehr' ist krank und wund; Jung-Musgrave und deine Lady, Die küssen sich zur Stund'. Sie küssen sich im Walde In deines Försters Haus – Laß satteln, Mylord Barnard, Und komm und reite hinaus.« Der Lord fuhr auf vom Lager: »Lieber Läufer, sprichst du wahr, Mein Forst und meine Äcker Sind deine auf ein Jahr. Doch hast du falsch gesprochen, Oder trog dich falscher Schein, An den höchsten Baum im Walde Sollst du gehangen sein! Auf, auf, meine Mannen alle, Und sattelt mein schnellstes Tier, Oft sind wir rasch geritten, Heut reiten rascher wir.« Hin ging es über die Heide, Lord Barnards Horn erklang – Jung-Musgrave küßte die Lady, Er küßte sie so bang. »Ich hör' es von fernher klingen, – Das ist keine Wachtel im Korn, Das ist kein Häher im Walde, Das ist Lord Barnards Horn!« »Gib mir die Hand, Jung-Musgrave, Deine Lippen sind so kalt – 's ist Pfeif' und Horn des Hirten, Was über die Heide schallt. Dein Falk' hat Schellen und Bänder, Dein Roß hat Streu und Korn, Und du – du hast mich selber, Was kümmert dich Pfeif' und Horn?‹« Und als sie das gesprochen, Lord Barnard hält davor – Er hatte drei silberne Schlüssel, Die schlossen Tür und Tor. Er schob zurück den Vorhang, Zorn schüttelte seinen Leib; »Sag an, sag an, Jung-Musgrave, Wie findest du mein Weib?« »Ich finde sie süß, Lord Barnard, Ich finde sie süß und traut, Und schliefe doch lieber im Walde Bei Ginster und Heidekraut.« »Steh auf, steh auf, Jung-Musgrave, Leg Kleid und Waffen an, Steh auf, ich mag nicht töten Einen unbewehrten Mann. Und hast du keine Waffen, Ich hab' zwei Klingen hier, Nimm du die beste und längste Und laß die kürzeste mir.« Jung-Musgrave schlug zum ersten, Er traf Lord Barnard gut, Lord Barnard schlug zum zweiten, Da lag der Knab' im Blut. Die Lady warf sich auf ihn: »Leb wohl mein süßer Knab', Will beten für deine Seele, Solang' ich Leben hab'.« »Dann bete schnell, lieb' Lady, Und bete für dich mit!« In ihren weißen Nacken Die rote Klinge schnitt. Lord Barnard stieg zu Rosse, Auf glomm der erste Schein: »Begrabt sie beieinander- Ein Grab und einen Stein!« Lord Barnard ritt von dannen, Sah starr ins Morgenlicht: »Die Ehre ist genesen, Mein Herze ist es nicht!« Das Douglas-Trauerspiel »Zu Roß, Mylord! leg Waffen an Und räch' unsres Hauses Schmach; Lord William entführt unsre Tochter – Auf, auf, und den Flüchtigen nach. Und zu Roß! meine sieben Söhne, Und hinaus, und hinein in die Nacht, Und eurer jüngsten Schwester Habet besser Acht!« Lady Douglas rief's. Sie fuhren all' auf, Legten Helm und Waffen an: Lord William und Lady Margret, Die waren noch kaum von dann. Er hob sie auf ein milchweiß Roß, Ein Jagdhorn zu Seiten ihm hing, Einen Apfelschimmel bestieg er selbst, Und über die Heid' es ging. Oft, über die linke Schulter hinweg, Im Reiten er rückwärts sah, Den Alten und seine Söhne Ansprengen sah er da. »Steig' ab, steig' ab, liebe Lady mein, Und nimm mein Roß an die Hand, Deinem Vater und deinen Brüdern Muß ich nun halten Stand.« Sie nahm sein Roß; hernieder rann Keine Träne auf den Hag, Bis neben ihren Brüdern Ihr Vater im Blute lag. »Halt ein, halt ein, Lord William, Deine Streiche treffen zu schwer, Ich fände wohl manchen Liebsten noch, Einen Vater nimmermehr.« Sie nahm aus dem Mieder ein weißes Tuch Von niederländischem Lein, Sie wusch ihres Vaters Wunden damit, Die waren röter als Wein. »Nun wähle, lieb' Lady, und wähle schnell: Willst du gehn oder bleiben, sprich!« »Ich will mit dir gehn, ich muß mit dir gehn, Ich habe ja nur noch dich.« Er hob sie auf ihr milchweiß Roß, Auf der Heide lag Vollmondschein; Seinen Apfelschimmel bestieg er selbst, Und so ritten sie querfeldein. Sie ritten feldein bei Mondenschein, Im Schritt halb, halb im Trab; Und als sie kamen an einen Quell, Da stiegen sie langsam ab. Sie wollten trinken; vorüber rann Wie Silber die klare Flut, Und als sich Lord William bückte, Da wurde sie rot von Blut. »Halt an, halt an, Lord William, Du bist wund bis auf den Tod!« »Es ist mein Scharlachmantel, Der scheint im Wasser so rot. « Sie ritten feldein bei Mondenschein, Im Schritt halb, halb im Trab, Und als sie kamen an sein Schloß, Da stiegen sie langsam ab. »Steh' auf, steh' auf, liebe Mutter mein, Steh' auf und öffne das Tor, Ich hab' mein Lieb gewonnen, Und wir halten beide davor. Und mache mein Bett, liebe Mutter, Und ein zweites dicht daran; Lady Margret muß dicht bei mir sein, Auf daß ich schlafen kann.« Lord William starb vor Mitternacht, Lady Margret vor Tagesfrüh; Man trug sie nach Sankt Marien hin, Da standen drei Tage sie. Er wurde begraben im Kirchenschiff Und sie in der Halle vorn, Eine Rose wuchs aus ihrem Grab, Aus seinem ein Hagedorn. Sie wuchsen hoch am Gewölb entlang, Als wären sie gern sich nah, Und jeder sagte: »Zwei Liebende sind's!« Wer sie so wachsen sah. Bis endlich der schwarze Douglas kam, Im Herzen Wut und Weh, Der riß die beiden Sträucher heraus Und schleuderte sie in den See. Lord Athol Lord Athol kniet im Beichtstuhl Vor dem Bischof von Aberdeen: »Frommer Bischof, ich fühl' ein Feuer In Mark und Adern glühn. O lösch mit Gebet und Gnade Mir das Feuer im Herzen aus – Unter weißen Schlehn im Walde Stand ein einsam Jägerhaus. Es stand im Wald unter weißen Schlehn, Seit drei Nächten steht es nicht mehr, Ich legte Stroh und Reisig Und Strauchwerk rings umher. Die Flammen verzehrten alles, Das Haus und den Mönch und mein Kind, Sie liebten sich, sie küßten sich, Ihre Asche hat der Wind.« Der fromme Bischof von Aberdeen Hat sich seufzend abgekehrt: »Lord Athol, ich kann nicht löschen Das Feuer, das dich verzehrt. Deiner Tochter stille Asche, Die hinweht über die Flur, Sie flüstert von deiner Sünde Wider Gott und die Natur. Und die sündige Seele des Mönches, Die jetzt in Flammen kreist, Schreit auf über deine Untat Wider Gott und den heiligen Geist. Die Schuld hinweg zu waschen, Hat die Welt nur einen Strom – Brich auf und wirf dich nieder Vor dem heiligen Vater in Rom.« Lord Athol nahm eines Pilgers Kleid, Zog hin über Land und Meer, Er trat in die Peterskirche – Viel Tausend knieten umher. Der Papst, in Gold und Purpur, Stand da mit verklärtem Gesicht- Es war am Gründonnerstage, Wo er Worte des Segens spricht. Und als er der Segensworte Allerheiligstes nun begann, Da begann seine Stimme zu beben, Und ein Schauer faßte ihn an; Und der Kelch in seiner Rechten Entglitt seiner zitternden Hand – Es rollten die roten Tropfen Hin über den weißen Sand. Todblaß der heilige Vater, Vor Entsetzen stand er da, Dann hob er mit Macht seine Stimme: »Ein Verfluchter ist uns nah! Er hat nicht teil am Segen Und nicht teil an Christi Huld, Der Kelch mit dem Blute des Heilands Erbebte vor seiner Schuld. Unseliger, flieh! diese Wände, Sie haben für dich nicht Raum!« – Lord Athol schwankte von dannen, Seine Füße trugen ihn kaum. Er schritt ans Meer, zu Schiffe, Es kamen Ebb' und Flut, Die Jahre kamen und gingen, Im Herzen blieb die Glut. Er kniete am heiligen Grabe, Er fuhr über Land und See, Die Jahre kamen und gingen, Im Herzen blieb das Weh. Und heimwärts endlich fuhr er Über Land und über Meer, Er trat in Hof und Halle, Und Hof und Halle war leer. Im Kamine lag tote Asche, Drüber hing seines Kindes Bild, Hing unter Staub und Spinnweb Und lächelte doch so mild. Und mild kam's über Lord Athol: »Ich kenn' eine stille Stell', Eine einsame Stell' im Walde, Da bau' ich Kirch' und Kapell'. Ich bau' sie mit eigenen Händen Und will schlafen auf Stein und Streu, Die Stätte, wo ich gefrevelt, Sei auch Stätte meiner Reu'.« Und Schloß und Hof und Halle Verließ er alsobald, Nacht dämmerte in den Zweigen, Da schritt er hinab in den Wald. Er kam an den Platz; über Trümmern Blühten wieder die weißen Schlehn – Auf dem Estrich, in grauer Kapuze, Sah einen Mönch er stehn. »Knie nieder zur Stell', Lord Athol, Ich kenn' deine Beichte schon, Knie nieder zur Stell', Lord Athol, Und empfange die Absolution.« »Wer bist du, dessen Freispruch An dieser Stätte mich sucht?« »Wer bist du, dessen Freispruch Wo der heilige Vater flucht?« »Bin ein Fremdling worden, Lord Athol, Mein Land ist fern und weit, Knie nieder zur Stell', knie nieder Und bete und sei bereit.« Lord Athol kniete lange, Tau fiel und Morgenduft, Der Fremde zerrann in Nebel, Und der Nebel zerrann in Luft. Im Walde sangen die Vögel, An den Zweigen hing Morgenrot, Lord Athol kniete noch immer – Sie fanden ihn kalt und tot. Schön-Margret und Lord William »Leb wohl, meine süße Margret! Ich hab' eine stolze Braut, Morgen mit dem frühsten Werd' ich ihr angetraut. Leb wohl, meine süße Margret! Ich freie die stolze Maid, Am Kleide trag' ich Hochzeit, Im Herzen trag' ich Leid.« Es kam der Hochzeitsmorgen, Zur Kirche schritt das Paar, Schön-Margret saß am Fenster Und strählte ihr blondes Haar. Sie sah die Braut in Seide, In Sammet den Bräutigam, Sie legte schweigend nieder Den elfenbeinernen Kamm. Sie schritt zum Strom hinunter Und brach ein Blümlein da, Das Blümlein war sie selber – Ein Fischer sie treiben sah. – Nun blinken die stillen Sterne Über dem Hochzeitshaus, Musik ist längst verklungen, Die Lichter loschen aus. Lord William hält in Armen Die stolze, die braune Maid – Da horch, was rauscht vorüber In weißem, wallendem Kleid? Was stellt sich ihm zu Füßen Und lächelt in Tränen noch? Was flüstert ihm zu: »Lieb' William, Leb wohl, ich liebe dich doch!« – Auf blitzt die Morgensonne, Die Vöglein singen vom Baum, Lord William spricht: »Lieb' Lady, Ich hatt' einen bösen Traum. Ich sah zwei rote Rosen, Und die eine liebt' ich heiß, Und als ich brach die andre, Da wurde die eine – weiß.« Lord William steigt zu Rosse, Seine Diener reiten mit, Er weiß nicht, soll er jagen Oder soll er reiten im Schritt. Er kommt an Margrets Fenster, Keine Margret dran zu sehn, Er tritt in Haus und Halle – Da wußt' er, was geschehn. Sieben Brüder stehen schweigend Um ihrer Schwester Bahr', Noch blinken Wassertropfen In ihrem goldnen Haar. »Ich liebte dich im Leben, Ich liebe dich im Tod – Deine Lippen, könnt' ich sie küssen, Bis daß sie wieder rot!« Da murrten die sieben Brüder, Und der älteste sprach laut: »Lord William, willst du küssen, So küß deine stolze Braut.« »Wenn meine Braut ich küsse, Küß' ich nach Recht sie nur – Ich brach eurer Schwester Herze, Doch brach ich keinen Schwur. Zu Tisch nun, liebe Mannen! Die Tafel blinkt von Wein, Morgen mit dem frühsten Soll neugedeckt sie sein.« Wohl war sie neugedecket, Noch eh' der Morgen kam: Schön-Margret starb aus Liebe, Lord William starb aus Gram. Er ward im Chor bestattet, Und siehe, Schön-Margret auch; Sein Grab trug einen Weißdorn, Ihrs einen Rosenstrauch. Sie wuchsen bis zum Dache Und reichten sich da die Hand, Kein Auge sah die beiden, Das nicht in Tränen stand. Der Küster hieb sie nieder Und warf sie in die Flamm, Sie aber wuchsen wieder- Treue Liebe kommt zusamm. Barbara Allen Es war im Herbst, im bunten Herbst, Wenn die rotgelben Blätter fallen, Da wurde John Graham vor Liebe krank, Vor Liebe zu Barbara Allen. Seine Läufer liefen hinab in die Stadt Und suchten, bis sie gefunden: »Ach, unser Herr ist krank nach dir, Komm, Lady, und mach' ihn gesunden.« Die Lady schritt zum Schloß hinan, Schritt über die marmornen Stufen, Sie trat ans Bett, sie sah ihn an: »John Graham, du ließest mich rufen.« »Ich ließ dich rufen, ich bin im Herbst, Und die rotgelben Blätter fallen – Hast du kein letztes Wort für mich? Ich sterbe, Barbara Allen.« »John Graham, ich hab' ein letztes Wort, Du warst mein all und eines; Du teiltest Pfänder und Bänder aus, Mir aber gönntest du keines. John Graham, und ob du mich lieben magst, Ich weiß, ich hatte dich lieber, Ich sah nach dir, du lachtest mich an Und gingest lachend vorüber. Wir haben gewechselt, ich und du, Die Sprossen der Liebesleiter, Du bist nun unten, du hast es gewollt, Ich aber bin oben und heiter.« Sie ging zurück. Eine Meil' oder zwei, Da hörte sie Glocken schallen; Sie sprach: »Die Glocken klingen für ihn, Für ihn und für – Barbara Allen. Liebe Mutter, mach ein Bett für mich, Unter Weiden und Eschen geborgen; John Graham ist heute gestorben um mich, Und ich sterbe um ihn morgen.« Jung-Walter Um Weihnachten war's, der Wind blies kalt Und die Tafelrunde begann, Da kam an den Hof des Königs Manch schottischer Rittersmann. Der König und die Königin Schauten nieder von ihrem Schloß: Da sahen sie kommen Jung-Walter, Jung-Walter hoch zu Roß. Seine Läufer liefen vor ihm her, Seine Reiter folgten ihm dicht, Und sein Mantel wie von Golde Blitzte im Sonnenlicht. Und von Golde waren die Decken, Und die Hufe von Silber hell, Und das Roß, auf dem Jung-Walter ritt, War wie der Wind so schnell. Da sprach ein tückischer Höfling, Der neben der Königin stand: »Wer ist der schönste Ritter In Hoch- und Niederland?« »Ich habe gesehn viel Lords und Lairds, Manch schönen Ritters Gesicht, Einen schöneren als Jung-Walter Sah ich mein Lebtag nicht.« Das hörte der neidische König, Seine Wange verfärbte sich: »Und wär' er zweimal schöner, Erst nennen mußtest du mich.« »Du bist kein Lord und du bist kein Laird, Du bist König über sie all', Da ist kein Ritter in Schottland, Der nicht wäre dein Vasall.« Die Königin sprach es bang und blaß, Der König ward blutrot; – Jung-Walter, daß so schön du bist, Das bringt dir nun den Tod. Sie haben ihn flugs ergriffen, Ihn sicher eingehegt, Sie haben Jung-Walter ergriffen Und ihn in Ketten gelegt. »Oft bin ich geritten durch Stirling Bei Wetter und Regenguß, Nie bin ich geritten durch Stirling Mit Ketten an Hand und Fuß. Oft bin ich geritten durch Stirling Bei Regen und Windeswehn, Nie bin ich geritten durch Stirling, Um's nimmer wiederzusehn.« Am Fuß des Hügels noch einmal Sah er Wappen und Helm und Schwert, Am Fuß des Hügels noch einmal Sah er Sattel und Zaum und Pferd. Am Fuß des Hügels noch einmal Sah er seine Lady schön – Um das Wörtlein, das die Königin sprach, Mußt' sie ihn sterben sehn. Bertrams Totengesang Sie schossen ihn tot um Mitternacht, Wo das Steinkreuz ragt empor, Und sie ließen ihn liegen in seinem Blut Auf dem einsamen Heidemoor. Sie ritten zu ihres Vaters Haus Und sprachen: »Es ist geschehn: Unsre Schwester, die zu oft ihn sah, Soll ihn nicht wieder sehn.« Am andern Morgen aber zurück Ritten sie zu der Stell', Und sie machten von Zweigen die Totenbahr' Und trugen ihn in die Kapell'. Ihre Schwester harrte des Zuges schon, Sie zerriß ihr langes Kleid, Ihre gelben Locken löste sie auf Und kniete an Bertrams Seit'. Sie holte geweihtes Wasser herbei Und wusch ihm die Wunden rein, Einen Kranz um die Brust, einen Kranz ins Haar – »Nun«, sprach sie, »mag es sein!« Sie hüllten ihn ein in schneeweiß Lein Und trugen ihn dann zur Ruh', Die Mönche sangen die Totenmess' Und Litaneien dazu. Sie trugen ihn fort an den alten Ort, Die Nacht war still und bang; Es fiel der Tau, der Nebel zog Das Heidemoor entlang. Sie gruben sein Grab zwei Fuß tief nur, Wo das Kreuz gen Osten schaut, Und sie deckten ihn zu mit Ginstergestrüpp Und mit Moos und mit Farrenkraut. Der Mönche einer stand am Grab Und betete, bis es getagt; Und in der Kapelle singen sie, Solange das Steinkreuz ragt. Sir Patrick Spens Der König sitzt in Dumferlin-Schloß, Er trinkt blutroten Wein: »Wer ist mein bester Segler? Er muß in See hinein!« Sprach da ein schottischer Ritter (Er stand an des Königs Seit'): »Der beste, das ist Sir Patrick Im Lande weit und breit.« Der König schrieb einen offenen Brief, Einen Brief mit eigner Hand – Sir Patrick schritt am Meere Hin über den knirschenden Sand. Er sah auf die erste Zeile Und lachte, als er sie sah, Er las die zweite Zeile, Nicht weiter las er da. Sein Auge stund in Tränen: »Wem tat ich also weh, Zu schicken in dieser Sturmzeit Mich über die weiße See? Zu Schiff nun, liebe Mannen, Wir segeln vor Tagesschein!« Da sprach ein alter Matrose: »Sir Patrick, das kann nicht sein. Ich hört' in meiner Koje Die Windsbraut, wie sie gelacht, Und der neue Mond hielt den alten Im Arme die letzte Nacht.« Es kam der nächste Morgen, Sie gingen all an Bord, Sir Patrick und die Seinen Und mancher schottische Lord. Im Winde flaggten die Wimpel, Hoch tanzten Schiff und Flut- Drei Tage, da schwamm auf dem Meere Nur noch ein bebänderter Hut. Nun sitzen viel schöne Frauen Mit ihren Fächern am Strand Und warten auf Sir Patrick, Und daß er steig' an Land. Alle tragen sie Kämme mit Goldschmuck Und blicken hinaus aufs Meer, Doch sie erharren keinen Und sehen keinen mehr. Fünfzig Faden tief und tiefer, Da pflegen sie all der Ruh: Sir Patrick und die Seinen Und die schottischen Lords dazu. Lord Murray Ihr bunten Hochlands-Clane, Was waret ihr so fern? Sie hätten nicht erschlagen Lord Murray, euren Herrn! Er kam von Spiel und Tanze, Ritt singend durch die Schlucht – Sie haben ihn erschlagen Aus Neid und Eifersucht. Im Lenze, ach, im Lenze – Sie spielten Federball, Lord Murrays stieg am höchsten Und überflog sie all. Im Sommer, ach, im Sommer – Aus zogen sie zum Strauß, Da rief das Volk: »Lord Murray Sieht wie ein König aus.« Im Herbste, ach, im Herbste – Zu Tanze ging es hin: »Mit Murray will ich tanzen!« Rief da die Königin. Er kam von Spiel und Tanze, Ritt singend durch die Schlucht – Sie haben ihn erschlagen Aus Neid und Eifersucht. Ihr bunten Hochlands-Clane, Was waret ihr so fern? Sie hätten nicht erschlagen Lord Murray, euren Herrn! Königin Eleonorens Beichte Todkrank lag Königin Eleonor', Sie wußte, daß schlecht es stünde: »Schickt mir zwei Mönche von Frankreich her, Daß ich beichte meine Sünde.« Der König rief seine Haushalt-Lords, Seinen ersten und seinen zweiten: » Ich will Leonorens Beichtiger sein, Lord Marschall, du sollst mich begleiten.« »Lord Marschall, steh auf, ich verpfände mein Wort Woll' mir zuvor versprechen, Was auch die Königin beichten mag, An mir es nimmer zu rächen.« »Lord Marschall, steh auf, ich verpfände mein Wort Und ganz England zu meinen Füßen, Was auch die Königin beichten mag, Du sollst es nimmer büßen. Wir legen an ein mönchisch Gewand- In Kapuze und grauem Kleide, So kommen wir betend von Frankreich her Und hören die Beichte beide.« Sie legten an ein mönchisch Gewand; Als gen Whitehall sie schritten, Des Volkes Menge begleitete sie Mit Kniefall und frommen Bitten. Sie traten hin vor die Königin Und sprachen mit Händefalten: »Vergib, es haben Wetter und Wind Unsren Dienst zurückgehalten.« »Wenn ihr zwei Mönche von Frankreich seid, Kann ich euer Säumen nicht schelten; Wenn ihr zwei englische Mönche seid, Sollt ihr's am Leben entgelten.« »Wir sind zwei Mönche von Frankreich her, Drum beichte ohne Bangen, Wir haben noch keine Messe gehört, Seit wir zu Schiff gegangen.« »Die erste Sünde, die ich beging, Hat andre groß gezogen: Lord Marschall hab' ich zuvor geliebt Und den König hab' ich betrogen.« »Eine schwere Sünde! ich löse sie doch In Gottes und Christi Namen.« Der König spricht's, Lord Marschall bebt Und murmelt: »Amen, Amen.« »Die zweite Sünde, die ich beging, Die will ich zum andern bekennen, Ich mischt' einen Trunk, der sollte mich rasch Von König Heinrich trennen.« »Eine schwere Sünde! ich löse sie doch In Gottes und Christi Namen.« Der König spricht's, Lord Marschall bebt Und murmelt: »Amen, Amen.« »Die dritte Sünde, die ich beging, Die will zum dritten ich beichten, Meine Hände waren's, die Becher und Gift An Rosamunden reichten.« »Eine schwere Sünde! ich löse sie doch In Gottes und Christi Namen.« Der König spricht's, Lord Marschall bebt Und murmelt: »Amen, Amen.« »Seht in der Halle den Knaben dort, Er spielt mit dem Federballe, Das ist Lord Marschalls ältester Sohn, Und ich lieb' ihn mehr als alle. Und seht in der Halle den zweiten dort, Er hascht nach dem fliegenden Balle, Das ist König Heinrichs jüngster Sohn, Und ich haß' ihn mehr als alle. Er hat einen Kopf wie ein Warwick-Stier Und ist täppisch wie ein Bär«; »Mag sein«, rief König Heinrich da, »Ich lieb' ihn desto mehr.« Ab riß er Kapuze und Mönchsgewand, Sein Antlitz war blutrot, Leonore schrie auf und rang die Händ' – Ihre Beichte war ihr Tod. Der König über die Schulter sah, Vielgrimmig sah er drein: »Lord Marschall, wär's nicht um mein Wort, Du solltest gehangen sein.« Chevy-Chase oder Die Jagd im Chevy-Forst Gott schütz' den König, unsren Herrn, Und unser aller Leben; Im Chevy-Walde hat sich einst Wehvolle Jagd begeben. Graf Percy von Northumberland, Vor Taue noch und Tage Zog aus er heut, mit Hund und Horn, Daß er den Hirsch erjage. Er schwur es jüngst an heil'ger Stätt' – Sorglos um Groll und Knirschen –, Er woll' drei Sommertage lang Auf schott'schem Boden pirschen. Er woll', was lebt im Chevy-Forst, Mit Speer und Pfeil erlegen. »Lord Douglas schütze, wenn er kann, Den Hirsch in den Gehegen.« Lord Douglas, der in Schottland lag, Als er das Wort vernommen, Dem Percy-Grafen schwur er da Ein blutiges Willkommen; Der aber ist im Walde schon Mit fünfzehnhundert Mannen, Wohlausgesucht und wohlerprobt, Den Bogen straff zu spannen. Schon, von der Meute aufgeschreckt, Flieht, was die Schlucht geborgen; Ein Montag war's, noch halbe Nacht, Es graute just im Morgen. Und eh' der Mittag kam, da lag Haufweis das Wild erschlagen, Doch rastlos, nach getanem Schmaus, Begann ein neues Jagen. Aufs neu durch Schlucht und Dickicht hin Stob Huf und Hund nach Beute, Und neuer Angstschrei mischte sich Dem Lustgeheul der Meute. Graf Percy nun war satt des Spiels Mit Hirschen und mit Hinden, Er sprach: »Lord Douglas gab sein Wort, Hier soll' ich heut ihn finden. Bei Gott, nicht länger harrt' ich sein, Dächt' ich, er könn' es brechen.« Da tät alsbald ein Ritter jung Also zum Grafen sprechen: »Schau, Herr, dort blitzt es durch den Wald, Das ist er mit den Seinen, Schau, wie im Mittagssonnenglühn Die blanken Speere scheinen. Zweitausend sind's vom Lauf des Tweed, Aus Tälern und aus Glennen, Und der vorauf ist Douglas selbst, An Roß und Helm zu kennen.« » ... Nun denn, wohlan!« rief Percy da, »Dies Feld sei unsre Schranke, Noch schlüpfte keiner mir hindurch, Sei's Schotte oder Franke. Das ist der Hirsch, den ich gesucht, Nun lohnt es sich, zu jagen, Es brennt mein Herz, Mann gegen Mann Die Schlacht mit ihm zu schlagen.« Lord Douglas hört's und ruft ihm zu: »Da soll mich Gott verderben, So wahr ein Lord ich bin wie du, Du oder ich muß sterben. Doch hör' mich, Percy, Schande wär's Und Schimpf an unsrem Leben, So vieler Mannen schuldlos Blut Mit in den Kauf zu geben. Es sei all' unser Streit gelegt In unsre beiden Speere ...« »Verdammt sei der«, rief Percy da, »Der andren Sinnes wäre ...« Da trat ein Rittersmann herfür, Withrington hieß der Degen, Der sprach: »Hier müßig zuzuschaun, Dran ist uns nicht gelegen. Wir wollen nicht, dieweil ihr kämpft, Hier Psalm und Lieder singen, Und unsrem König Heinrich dann In London Botschaft bringen. Wohl seid ihr Lords und edle Herrn, Und wir nur Knapp' und Ritter, Doch dächt' ich traun, auch unser Schwert Macht Wunden oder Splitter.« Da tat alsbald all' englisch Volk Den Eschenbogen biegen, Und achtzig Schotten sanken hin Von ihrer Pfeile Fliegen. Lord Douglas aber, unbewegt, Sitzt fest im Eisenbügel Und kehrt zu seinen Mannen jetzt Hoch auf des Waldes Hügel. Schon stehn sie da, nach Kriegesart Geteilt zu dreien Rotten, Und nieder wie ein Hagel jetzt Fährt Douglas mit den Schotten. Das gab ein Stechen und ein Hau'n, Manch breite Wunde klaffte, Längst unser englisch Bogenvolk Nicht mehr den Bogen straffte. O Christ, es war für Herz und Sinn Ein Leid, nicht auszusagen, Wie stöhnend da in Sand und Blut Die Menschenknäule lagen. Und immer schwankte noch die Schlacht, Da endlich – mit Gestampfe – Ansprangen wie zwei Löwen jetzt Die Führer selbst zum Kampfe. Sie kämpften, bis vernehmbar fast Ihr Herz im Busen klopfte, Bis Blut und Schweiß von Brust und Stirn Wie Regen niedertropfte. »Ergib dich, Percy!« Douglas rief's, »Ganz Schottland soll dich preisen, Und König Jakob Ehr' und Gunst Am Throne dir erweisen.« Doch Percy stolz: »Da wollt' ich eh' Wie Kraut am Sumpf verrotten, Mein Wort ist nein und dreimal nein Genüber jedem Schotten.« Da kam ein Pfeil aus unsern Reihn Verrätrisch durch die Lüfte Und bohrte tief in Douglas' Herz Durch Rippe sich und Hüfte. Er sank vom Roß, ein stiller Mann, Graf Percy sah ihn enden Und faßte dann des Toten Hand Mit seinen beiden Händen. »O Douglas«, rief er, »solchen Siegs, Des hat mein Herz nicht Labe, Hin gäb' ich für dein Leben jetzt Mein Land und meine Habe.« Er sprach es kaum, da kam's wie Sturm Durch Freund und Feind gestoben, Den Leib zum Stoß weit vorgebeugt Und hoch den Schild gehoben. Wer ist's? Sir Ralph Montgommery. Er sah den Douglas sinken, Nun soll auch Percys Helmbuschzier Nicht länger drohn und winken. Und schleudernd jetzt den wucht'gen Schaft Mit Hasses Kraft und Schnelle, Durchfuhr die Lanze Percys Leib Um eine Weber-Elle. Hin sank der ritterlichste Held Auf hufgestampfte Tenne, Schon aber griff ein Bogenschütz Nach Köcher und nach Senne. Er spannte straff des Bogens Seil, So straff, wie nie er's spannte, Und drückte seinen längsten Pfeil Scharf an die Eschenkante. Lang zielt' er so, daß sichren Flugs Der Pfeil zum Herzen dringe, Und feucht vom Blut des Schotten jetzt Bebt' in der Brust die Schwinge. So fiel Sir Ralph Montgommery, Und mit ihm sind gefallen Auf beiden Seiten männiglich Die Ritter und Vasallen. Von zwanzighundert schott'schen Volks, Die Schild und Speer genommen, Kaum fünfundfünfzig, weh und wund, Sind norderwärts entkommen. Und unser Volk, nicht siegesfroh Trug es den Sieg von dannen, Nur dreiundfünfzig kehrten heim Von fünfzehnhundert Mannen. Die andern schliefen fest im Wald Nach heißem Kampfgewühle, Und Nachtwind nur und Mondenlicht Glitt über ihre Pfühle. Das war die Jagd im Chevy-Forst, Wo Herr und Hirsch gefallen. Gott schütz' den König, unsren Herrn, Und sei uns gnädig allen. Charles Bawdins Tod und Begräbnis 1471 (Nach Thomas Chatterton) Auf dämmert der Tag, der Hahn kräht hell, Blaß schimmert des Mondes Horn, Und im Morgenrote der Tropfen Tau Glitzert am Hagedorn. König Edward aber, nicht Hahnenschrei Rief ihn vom Schlummer wach; Drei Raben weckten ihn mit Gekreisch Oben am Wetterdach. Und der König fuhr auf: »Beim ew'gen Gott, Ich versteh' euer Mahnen und Schrei'n; Charles Bawdin , der soll sterben heut Und eure Speise sein. Verräter war er. Er hat seine Hand In das Blut des Yorks getaucht, Nicht eher hab' ich Rast und Ruh, Bis seines gen Himmel raucht.« Da sprach Ritter Canning: »Mein König und Herr, Vergieße nicht Bawdins Blut, Was immer er dir Böses tat, Ihm galt es brav und gut. Dem Lankasterkönig hat er gedient Offen und sonder Scheu, König Edward, an deinen Feinden auch Ehre Mut und Treu. Laß Gnade walten, nur Gnad' allein Machet des Siegs dich wert, Den Oelzweig und die Palme nimm, Nicht aber das Racheschwert. Gedenke, wir Menschen allzumal Sind nur an Sünde groß, Ein einziger auf Sankt Petri Stuhl Ist schuld- und fleckenlos. Vergib! das festiget dir aufs Haupt Die kaum gewonnene Kron' ...« Umsonst, die rostigen Angeln drehn Sich schrill im Tower schon. Und bei Tagesfrüh', in des Kerkers Tor Der Sheriff die Botschaft trug, Und ein Stündlein, und zum Richtplatz hin Bewegte sich der Zug. Der Zug war so: der Richter vorn In seines Amts Geschmeid', Hell glitzerte das Quastengold An seinem Scharlachkleid. Zwölf Augustiner kamen dann In härenem Gewand, Mit Rosenkranz und Geißelstrick In recht- und linker Hand. Bußpsalmen sangen finster sie, Und finster die Wolken ziehn, Und dazwischen schrillte Glöckleinklang Vom Turme Sankt Marien. Den Mönchen folgte, festen Schritts, Ein Bogenschützenhauf, Die Sennen waren all gespannt, Die Pfeile lagen auf. Wohl mochte versteckt lankastrisch Volk Den Ritter noch befrein, Es mochte Charles Bawdins letzter Gang Der seiner Feinde sein. Dann kam er selbst: zwei Rappen vorn In schwarzer Decken Putz, Auf ihren Köpfen bewegte sich Ein Straußenfederstutz. Und wieder dann kam festen Schritts Ein Bogenschützenhauf, Die Sennen waren all gespannt, Die Pfeile lagen auf. Zwölf Augustiner wieder dann Mit Psalmenmelodien – Und immer noch scholl Glöckleinklang Vom Turme Sankt Marien. Und nun zum Schlusse, straßenbreit Des Volkes dicht Gedräng, Von allen Dächern folgte man Dem traurigen Gepräng. Zuletzt an Christi Kreuz vorbei Bewegte sich der Zug, Hernieder schaute still das Lamm, Das unsre Sünden trug. Charles Bawdin aber betete leis: »Heiland, erbarm dich mein Und wasch auch meine Seele heut Von aller Sünde rein.« Und die Thems' entlang und das Schloß vorbei, Und nun waren sie zur Stell': Verhangen schwarz war das Schafott, Das Beil, es blitzte hell. Rings Stille. Da sprach Charles Bawdin laut: »Blutacker bleibt dies Land, Solange Schwert und Zepter bleibt In dieses Edwards Hand. Vergehn vor Gram wird manches Weib Und manche junge Braut, Eh' dieses Land den ersten Strahl Des Friedens wieder schaut.« Und rasch an Priesters Seite dann Hin kniet' er aufs Schafott, Und betend still die Seele sein Empfahl er seinem Gott. Hin floß sein Blut. Laut weinend stand Das Volk im Kreis umher, Wieviel auch roten Blutes floß, Der Tränen flossen mehr. Der Henker dann, mit scharfer Axt, Vierteilte Bawdins Rumpf, Und jeder Teil ward aufgesteckt Auf einen Lanzenstumpf. Der eine tät als Wetterfahn' Auf dem Tower-Turm sich drehn, Ein zweiter war als Gitterschmuck Vor Edwards Schloß zu sehn. Der dritt' und vierte, samt dem Haupt, Bei fahlem Mittagsschein Von dreien Toren blickten die Weit in das Land hinein. Da wurden sie, bei Tag und Nacht, Umkrächzet und umkreist, Das Raben- und das Krähenvolk Hat alles aufgespeist. Das war das End' von Bawdins Treu Und seiner Ehren Ziel ... Gott schenk' dem König, unsrem Herrn, So treuer Diener viel. Der Aufstand in Northumberland 1. Percy und die Nortons Graf Percy ging in den Garten sein, Sein junges Gemahl geleitet ihn, Er spricht: »Mir singt ein Vogel ins Ohr, Du mußt fechten, Percy, oder fliehn.« Lady Percy spricht: »Verhüte das Gott! O sei nicht so stolz, o sei nicht so scheu: Nach London geh, an der Königin Hof, Und beug' ihr dein Knie und leist' ihr die Treu.« »Zu spät, zu spät, liebe Lady mein, Es ist nicht mehr, wie sonst es war, Meine Feinde gelten bei Hofe jetzt, Ich kann nicht gehn, mir droht Gefahr.« »Und doch, und doch – sonst reut es dich noch! Leg ab deine Scheu, leg ab deinen Trutz, Nimm all deine besten Mannen mit, So hast du Schirm, und so hast du Schutz.« »Zu spät, zu spät, liebe Lady mein, Der Hof ist klug, ist fein-verstrickt, Und wenn ich morgen zu Hofe ging', So hätt' ich dich heute zuletzt erblickt.« »Und doch, und doch – sonst reut es dich noch! Laß satteln! ich will ja mit dir gehn Und will bei Hofe, so Tag wie Nacht, Meinem lieben Herrn zur Seite stehn.« »Halt ein, halt ein, liebe Lady mein, Es ist zu spät, ich bin nicht blind, Der Vogel hat Recht, und mein Herz hat Recht, Und fechten muß ich für Weib und Kind – – Tritt her, tritt her, mein Knappe jung, Und schaue mich an und horche wohl auf, Zu Richard Norton muß dieser Brief, Noch eh' vorüber des Tages Lauf. Empfiehl mich dem Squire und sag' ihm das Wort: Die Stunde sei da, und wir seien bereit, Und wenn er noch Richard Norton wär', So müss' er kommen zu dieser Zeit.« Der Percy sprach's, der Knappe brach auf, Eine Weile er ging, eine Weile er lief, Und eh' die Sonne hernieder war, Da hatte der Squire des Grafen Brief. Er las voll Ernst, er las zweimal, Seine Söhne sahen ihn fragend an, Und als er las zum dritten Mal, Eine Trän' ihm über das Antlitz rann. »Sag' an, sag' an, Christopher, mein Sohn, Dein junges Herz hat braven Mut, Graf Percy ziehet in bösen Streit, Was sollen wir tun, welch Rat ist gut?« »Und soll ich raten, so rat' ich frei: Graf Percy ist ein edler Lord, Und was es immer uns bringen mag, Wir müssen ihm halten unser Wort.« »Hab' Dank, hab' Dank, Christopher, mein Sohn. Dein Rat ist gut, Gott schenk' ihm Gedeihn, Und kommen wir mit dem Leben davon, So soll dir's nicht vergessen sein. Was aber sprecht ihr, ihr andern acht? Sagt ja, sagt nein, ich laß es geschehn.« Da sprachen sieben: »Wie's kommen mag, Wir wollen zu unserm Vater stehn.« »Habt Dank, habt Dank, meine Kinder brav, Unser sächsisch Blut, ihr haltet es rein, Und ob ich leben, ob sterben mag, Eures Vaters Segen soll mit euch sein. Doch was sagst du, Franz Norton, mein Sohn, Mein Ältester du und mein Erbe dazu! Ich seh' was brüten in deiner Brust; Deine Brüder sprachen, so sprich auch du.« »Und soll ich sprechen, lieb Vater mein: Dein Bart ist grau, dein Haupt ist weiß; Setz' nicht an faulen, schimpflichen Kampf Deiner siebzig Jahre ehrlichen Preis.« »Halt ein, Franz Norton! der Schimpf ist dein! Mein Sohn, mein Sohn, wer hat dich betört? Als Kind auf deines Vaters Knien, Da hab' ich dich andre Sprache gelehrt.« – Der Alte rief's. – Vor Tagesschein Brachen sie auf mit Mann und Roß, Und ehe die Sonne in Mittag stand, Hielten sie schon vor des Percy Schloß. Bald auch die Nevils kamen heran, Die stolzen Grafen von Westmorland, Und – eh' die Sonne zu Rüste ging, Sie dreizehntausend beisammen fand. Das Nevil-Banner, zum ersten dann Im Morgenwinde ward es entrollt; Sein Zeichen war ein silberner Stier, Der trug eine blinkende Kette von Gold. Die Percys ließen zum zweiten dann Ihren schimmernden Halbmond flattern und wehn; Die Nortons aber führten ein Kreuz, Dran waren die Wunden des Heilands zu sehn. Sie zogen ins Feld, und sie jagten wie Spreu Der Königin Volk übers Clifford-Moor; Siebenhundert retteten sich aufs Schloß – Bald aber lagen die Grafen davor. Sie griffen an am kommenden Tag, Und am dritten Tage da glückte der Sturm: Die Percys nahmen den Felsenwall, Die Nortons nahmen den Backsteinturm. Ihre Banner wehten von Schloß zu Schloß, Bleicher Schrecken lief gen London hin, Da aber ward der Schrecken zu Wut Im Herzen unsrer Königin. Sie rief: »Wohlan denn, Blut um Blut! Sie sollen ernten, was sie gesät, Und das Beil mag beugen ihren Kopf, Der so trotzig auf ihren Hälsen steht.« Sie musterte dreißigtausend Mann, Die führte der höfische Warwick-Graf, Und am elften Tag, am Humber-Strom, Da war es, wo er die Grafen traf. Er rief hinüber, voll Spott und Hohn: »Nun Nevil-Stier, stürm' an in Wut, Nun Percy-Mond, geh' auf, geh' auf, Nun Norton, sieh, was dein Heiland tut.« Der Nevil-Stier und das Norton-Kreuz, Wohl täten sie hoch in Lüften wehn, Der Percy-Mond, wohl ging er auf, Doch er ging nur auf, um unterzugehn. Graf Percy floh gen Schottland hin, Graf Nevil floh weit über die See, Die Nortons aber wollten nicht fliehn, Sprach jeder: »Ich falle, wo ich steh'.« Sie fielen nicht, nicht Vater, nicht Sohn, Und litten doch alle blutigen Tod; Vergebens war seine Locke so weiß, Vergebens war ihre Wange so rot. Sie fielen nicht auf ehrlichem Feld, Sie fielen, wo der Drei-Baum stand; Der Würger ging von Tür zu Tür, Und ein Schrei ging über Northumberland. 2. Percys Tod »Mein Dach ist der Himmel seit manchem Tag, Mein Lager zur Nacht des Waldes Streu: Zu William Douglas will ich gehn, Sein Schloß ist fest, sein Herz ist treu. Als einst er floh, wie jetzt ich flieh', Da fand er Schutz am Herde mein: Die Douglas waren immer treu, Auch William Douglas muß es sein.« Graf Percy spricht's. Sein müdes Roß, Er treibt es an mit Sporn und Schlag; Er reitet gen Lochleven-Schloß Und hält davor am dritten Tag. Die Brücke rasselt niederwärts, Graf Percy tritt zur Hall' hinein; Graf Douglas spricht: »Willkomm, willkomm!« Und reicht ihm Hand und reicht ihm Wein. Es geht der Tag, die Monde gehn; Am Fenster rüttelt Herbsteswind, Des Percy Herz wird bang und schwer, Er denkt an Weib und denkt an Kind. Graf Douglas sitzt zu Seiten ihm Und ruft ihm zu: »Was trübt dich so? Wir fahren morgen über See, Lord Murray jagt bei Linlithgow. Und bist du krank, so heil' dein Herz Durch grünen Wald und raschen Ritt; Zudem, ich gab dem Lord mein Wort, Du wärst dabei, du jagtest mit.« Der Douglas spricht's. Graf Percy drauf: »Du gabst dein Wort, – ich bin bereit! Und ritt'st du bis zum heil'gen Grab, Ich ritte mit an deiner Seit'.« Er spricht's und reicht ihm rasch die Hand; Rot wird des Douglas bleich Gesicht, Er senkt sein Aug' und geht hinaus. Maria Douglas aber spricht: »Hab acht! mein Bruder spinnt Verrat; Unstet seit lang' sein Auge rollt; Das macht, er hat verkauft die Treu', Verkauft um englisch Sündengold. Er führt dich nicht nach Linlithgow, Er führt dich, wo Schloß Berwick ragt; Nach England geht's ; wohl gibt es Jagd, Du bist es selbst , auf den man jagt. Bleib hier und sprich: ›du seiest krank!‹ So helf mit Gott ich dir hindurch Und führ' dich, auf verborgnem Pfad, Durch Wald und Nacht nach Edinburg. Und bring' dich zu Lord Hamilton, Das ist ein echter Schotten-Lord, Der ließ wohl lieber Land und Leib, Als daß er ließ von seinem Wort.« Graf Percy hört's, sein Aug' wird feucht, Er spricht: »Schwer trifft mich Gottes Hand, So vielen Freunden bracht' ich Tod, Dem letzten bring' ich Schimpf und Schand'. Ich hab' gedacht: es sei vorbei, Und hab' gedacht: das Maß sei voll; Weh mir, daß Schlimmres nun als Tod Auf Freundes Haupt ich laden soll. Die Treue bring' ich in Verdacht, Sie sei nicht treu, sei falsches Spiel; Ich trage Fluch in jedes Haus – Es ist zuviel, es ist zuviel. Und sprichst du auch: Hab acht, hab acht! Ich sprech' doch nur: Halt ein, halt ein! Die Douglas waren immer treu, Auch William Douglas muß es sein.« Graf Percy spricht's. Die Lady drauf: »Und schätzest du mein Wort gering, Komm mit mir an den Leven-See, Und schau hinein durch diesen Ring. Den Ring mir meine Mutter gab, Die konnte Wind und Wald verstehn, Und blickst du auf des Sees Grund, So wirst du deine Zukunft sehn. Komm mit, komm mit! und willst du nicht, Und glaubst du nicht, Gefahr sei nah, So gib mir deinen Diener mit, Der mag dir sagen, was er sah.« James Swinnard mit der Lady ging, Sie kamen an den Leven-See; James Swinnard spricht: »Das sind von York Die Türme, die ich drunten seh'! Doch, Lady, sprich, auf offnem Platz Was soll von Brettern das Gerüst?« »Das ist der Altar, drauf dein Herr Zum letzten Mal den Heiland küßt.« »Und, Lady, sprich, wer steht dabei, Gehüllt in Mantel, schwarz und dicht?« »Das ist von York der Lord-Wardein, Der deinem Herrn das Stäbchen bricht.« »Und, Lady, sprich, wer steht dabei, Gehüllt in Mantel, rot wie Blut?« »Das ist von York der Meister Hans, Der deinem Herrn das Letzte tut.« James Swinnard trat vor seinen Herrn, Er sah ihn an und weinte laut; Er sprach: »Bleib hier, mein teurer Lord, Ich hab' nichts Gutes da geschaut.« Er schwieg. Graf Percy aber schnell: »Und kostet's Leben mir und Leib, Ich bau' auf Mann und Manneswort Und nicht auf Spuk und Zauberweib. Und wär's kein Spuk und würd' es wahr, Ich spräche doch: 's ist Trug und Schein, Die Douglas waren immer treu, Auch William Douglas muß es sein.« Der Morgen kam, der Wind war gut, Die Pfeife rief: an Bord, an Bord! Man stieg zu Schiff – James Swinnard auch, Der ließ kein Aug' von seinem Lord. Und Douglas rief: »Setzt Segel bei, Kein Handbreit Linnen sei gespart!« Hell lag die Sonn' auf Land und Meer, Und rasch gen Süden ging die Fahrt. Sie fuhren fünfzig Meilen schon, Der Percy aber ward's nicht froh, Er sprach: »James Swinnard, frag' den Lord, Wie weit es noch bis Linlithgow.« James Swinnard vor Lord Douglas trat; Der lacht und spricht: »Wir sind noch fern! Ein Narr, wer schönen Worten traut, Und nun empfiehl mich deinem Herrn.« Und wieder fünfzig Meilen ging's, Rings offne See, kein Land zu sehn, Da trat Graf Percy selbst heran: »Douglas, sag' an, was soll geschehn!« Der lacht und spricht: »Setz' dich zu Roß Und spring' ins Meer und such' dein Glück, Und willst du noch nach Linlithgow, So reit' den halben Weg zurück.« Und wieder fünfzig Meilen ging's – Da blinkt's wie Türme über See, Graf Percy spricht: »Nun helf' mir Gott, Das ist Stadt Berwick, was ich seh'!« Sie legten an bei Abendschein, Frühmorgens hat er fortgemüßt. Und als der dritte Morgen kam, Stand er in York am Blutgerüst. Er stieg die Stufen fest hinan, Das blanke Beil, er sah es nicht, Sein Auge schweifte rings umher Und traf des Douglas bleich Gesicht. Noch einmal klang's ihm durch das Herz, Und bitter lächelnd schaut' er drein: »Die Douglas waren immer treu, Auch William Douglas muß es sein.« Dann ließ er nieder sich aufs Knie Und gab das Zeichen mit der Hand; Ab flog sein Haupt: – das war das End' Des Percy von Northumberland. Robin Hood 1. Liebe Herrn, horcht auf und habt mal Geduld, Und lauf mir keiner davon – Ich will euch erzählen von Robin Hood, Und vielleicht auch von Little John. Zu Locksly, im lustigen Nottinghamshire, Beginn' ich mit meiner Geschicht', Da bracht' Robins Mutter den Robin zur Welt, Und das andre – das weiß ich nicht. Das aber weiß ich und hört' es oft: Sein Vater war Förster allda, Er traf ins Schwarze, auf tausend Schritt, Und das ist just nicht nah. Mit Adam Bell und Will Cloudesly Schoß er oftmals um die Wett', Die mußten ihm zahlen vierzig Mark In Gold und auf ein Brett. Robins Mutter, die war John Gamwels Kind, Der 'nen Wolf mit der Hand erwürgt (Zu Coventry der Ochsenwirt Hat mir's hundertmal verbürgt). Und ihr Bruder hieß Gamwel von Gamwel-Hall, Und sein altes Herz war frisch- Das weißeste Brot in Nottinghamshire, Das kam auf seinen Tisch. – Und sieh, Jung-Robin wuchs heran, Zählte zwanzig Jahre bald, Er hatte Vater und Mutter lieb, Doch noch lieber den Sherwood-Wald. Robins Mutter aber zum Vater sprach: »Mein Liebster, der du bist, Gern ritt' ich heute gen Gamwel-Hall Und feierte heiligen Christ; Ich hab' eine Lust, in Keller und Küch' So recht zur Hand zu gehn; Auch hab' ich den lieben Bruder mein Seit Pfingsten nicht gesehn.« Vater Robin drauf: »Lieb' Hanna, gewiß, Meinen Braunen geb' ich gern, Nur nimm mir unsren Robin mit Und zeig' ihn dem alten Herrn; Und grüß den Alten und küsse dazu Die Kinder groß und klein, Und wenn ihr alle recht lustig seid, Lieb' Hanna, so denke mein.« Er sprach's. Alsbald der Braune kam, Gestriegelt und aufgestutzt! Nur Robins Mutter und Robin selbst, Die waren noch mehr geputzt. Jung-Robin trug eine blaue Kapp' Und ein Schwert an seiner Seit', Und die Mutter gar, die bauschte daher Im Vierzigfaltenkleid. Es war ein selbstgesponnenes Stück, Und sie wußte sich was darin, Und sie sah beinah so stattlich aus Wie zu London die Königin. Jung-Robin schwang in den Sattel sich, Seine Mutter kletterte nach, Sie sah den Braunen ängstlich an, Vater Robin aber sprach: »Lieb' Hanna, laß, ich kenne sein Kreuz, Zwei Reiter ist ihm Spiel, Er trug schon sieben Scheffel Korn, Und die wiegen doppelt so viel.« Er sprach's. Jung-Robin ritt im Schritt Bis dicht an das Stadttor hin – Das Händeschütteln nahm kein End' Von Nachbar und Nachbarin. Nun aber ging's auf den Braunen los Zugleich mit Peitsch' und Sporn, Und Robin rief: »He, lauf einmal Und verdiene dein Weihnachtskorn.« Sie kamen an. Das ganze Haus Geriet wie außer sich, Der Alte rief in einem fort: »Lieb' Schwester, wie freue ich mich!« Am andern Morgen ging's zur Mess', Dann aber ging's wieder nach Haus, Sechs Tische standen da, wohlgedeckt, Drauf dampfte der Weihnachtsschmaus. Jede Tafel trug eine braune Gans, Mit saftigen Äpfeln gefüllt, Daneben Wildpret mit Schinken zumal, In Eierteig gehüllt. Sechs Lichter brannten; der Pfarrer vom Dorf Sprach den Segen kurz und fromm- Dann aber rief Squire Gamwel selbst: »Lieben Gäste, Gott willkomm! Willkommen mir all in Gamwel-Hall, Und nun seht, was die Küche briet, Wer aber mein Märzbier trinken will, Der singe zuvor ein Lied.« Da sangen sie all (denn das Bier war gut) Aus voller Kehl' und Brust – Squire Gamwel schlug den Takt dazu Und weinte beinah vor Lust. Er rief: »Hört nur, wie draußen der Wind Den Regen ans Fenster schlägt, Das ist die Zeit, wo das Menschengemüt Einen Humpen mehr verträgt. Lieb' Hanna, hol uns den Stachelbeerwein, Er zählt schon manchen Tag, Und wirf mehr Holz noch in den Kamin, Daß es lustiger knistern mag.« Und sie brachte das Holz und sie brachte den Wein, Und sie tranken wacker davon, Und der Alte rief: »Nun kommt das Best', Nun hol' ich den Little John; Little John, das ist der flinkste Bursch Zehn Meilen in der Rund': Kopfstehn, Radschlagen und Gliederverdrehn, Das versteht er aus dem Grund.« Little John trat ein; Jung-Robin rief: »Nun flinkester Bursch, komm her! Und springst du sieben Ellen weit, So spring' ich noch eine mehr.« Little John sprang sieben, Jung-Robin sprang acht, Auf Zollbreit hielt er Wort, Da rief der Alte: »So wahr ich leb', Ich lasse dich nicht mehr fort. Sei mir ein Sohn: wir haben hier auch Fangmesser, Bogen und Pfeil, Und mach' ich mal die Augen zu, So erbst du Kindesteil.« 2. Jung-Robin blieb. Der Frühling kam, Auf sproßten die Veilchen, die blaun, Die Lerche hatte mit Liedern zu tun, Und die Schwalbe mit Nesterbaun; Da rief Jung-Robin: »Nun komm, Little John, Jeder Vogel ruft mich hinaus – Ich muß wieder heim in den Sherwood-Wald Und sein grünes Blätterhaus.« Sie kamen zum Wald; sein Hüfthorn rasch Führte Robin an den Mund – Da wuchsen, wie auf Zauberschlag, Fünfzig Jäger aus dem Grund. Er rief: »Grüß' Gott euch, liebe Geselln!« Und fragte sie her und hin; Dann plötzlich schwieg er: aus Waldesnacht Trat Jenny, die Schäferin. Seine Sinne hatten sie nie gesehn, Betroffen er vor ihr stand; Sie trug in Strählen ihr schwarzes Haar, Durchflochten mit rotem Band. Sie trug ein Mieder, kornblumenblau, An silbernen Spangen reich, Und ihr Aug', umwölbt von dunkler Brau, Blickte mild und mutig zugleich. Er rief: »Willkommen, wer immer du seist! Und suchest du unsren Schutz- Beim Himmel, um deinen süßen Leib Böt' ich dem Könige Trutz.« Da lachte sie laut und rief: »Hab' Dank! Ich bin eine Warwick-Maid, Und braucht' ich Schutz, sieh diesen Pfeil Und den Bogen an meiner Seit'!« Sie sprach es kaum, da brach mit Geräusch Ein Reh durchs knickende Holz, Sie rief: »Schau auf!« und mitten durchs Herz Drang ihr gefiederter Bolz. Jung-Robin sah's. »Und brauchest du nicht Meines Arms« – so rief er laut – »So nimm meine Hand und mein Herz dazu Und sei meine süße Braut. Ich bin Robin Hood. Im Sherwood-Wald Sollst du die Königin sein, Was Bogen und Pfeil erreichen kann, Ist alles, alles mein.« Wohl wurde sie rot und rief doch: »Ja! Ja, und von Herzen gern, Ich will dir folgen, wohin du gehst, Und dir dienen als meinem Herrn. Jetzt aber komm und geleite mich heim In meines Vaters Haus, Wir feiern heute das Kirchweihfest – Nun wird es mein Hochzeitsschmaus!« Da brachen sie auf nach Titbury-Town, Little John, der schritt voran, Auf den Schultern er einen Rehbock trug, Den man immer brauchen kann. So ging's feldein. Schon grüßte der Turm Von Titbury ganz in der Näh' Da sperrten fünf Burschen ihnen den Weg Und schrien: »Gebt uns das Reh!« Ihre Messer blitzten. Da lachten laut auf Robin Hood und Little John, Sie schlugen zwei von den Strolchen tot, Die andern liefen davon. Beim Himmel, ein lustiger Stückchen Kampf Tät Robin nie bestehn – Ich bin der Fiedler von Titbury-Town Und habe mit zugesehn. Ich stand kaum fünfzig Schritt davon Und fiedelte wacker mit drein, Auch aus der Stadt scholl Jubel her Von Dudelsack und Schalmein. Und als der Kampf vorüber war, Jung-Robin war nicht matt, Er faßte schön Jenny um den Leib Und tanzte hinein in die Stadt. Da war auf Markt und Gassen schon Das Kirchweihfest im Gang, Selbst Tom, der Schreiber vom Gericht, Über Tisch und Bänke sprang. Er führte die Anne Marie zum Tanz – Bei Gott, eine hübsche Dirn! Und richtig gezählt, jeden dritten Takt Da küßt' er sie auf die Stirn. Ich bin der Fiedler und hab' es gesehn Und gönn's ihm auch von Grund, Denn meine Nanny war auch dabei, Und die küßt' ich auf den Mund. Jung-Robin aber und Jenny schön, Die tanzten zum Vater ins Haus, Und als der Herr Pfarrer sein Sach' getan, Ging's tanzend wieder hinaus; Hinaus in den Wald; da waren die Tisch' Unterm Laubdach angericht't, – Ach, was ich da alles gegessen hab', Vor Trinken weiß ich's nicht. Nur in den Wabenhonig hinein Schnitt ich ein tiefes Loch, Und wenn ich daran denken tu, Schmeckt es mir immer noch. Jung-Robin und Jenny gingen zu Bett, Wir aber schliefen aus, Und als der nächste Morgen kam, Nahm jeder was mit nach Haus. Ich nahm einen Kuchen; er war nicht groß, Doch war er auch nicht klein, Ich lebt an die sieben Tage davon Und lud noch Gäste ein. Und halt! daß eins ich nicht vergess' Vor lauter Hast und Eil': Sie wurden getraut mit einem Ring; Und nun dem Könige Heil! Dem Könige Heil! und geb' ihm Gott Einen jungen Prinzen bald; – Ich aber will singen von Robin Hood Und dem lustigen Sherwood-Wald. König Johann und der Bischof von Canterbury Nun heb' einen lustigen Schwank ich an, Ein Märchen von unsrem König Johann, Mutwillig hat er im Lande regiert, Ob's recht war, ob nicht – hat ihn wenig geschiert. Und erzählen auch will ich zur Stelle hie Von dem hochweisen Bischof von Canterbury – Die Küche voll Wildpret, der Keller voll Wein Und Früchte von London, so mußt' es sein. Und hundert Diener tagein, tagaus, Die warteten seiner in Hof und Haus, Sie trugen Kleider von Sammet schwer Und goldene Ketten darüber her. Das hörte der König. »He, Bischof, sprich, Du hältst ja glänzender Haus als ich, Ich wett', du betrügst mich um Steuer und Zins Und beraubst meinen Seckel seines Gewinns.« »Herr«, seufzte der Bischof, »vor Gott ich bekenn', Ich hab' nur vertafelt, was mein ich nenn', Und Ihr könnet und werdet mir krümmen kein Haar, Weil ich Wein getrunken, der meine war.« »Doch, Bischof, doch, dein Verbrechen wiegt schwer, Du stirbst, es kann dich nichts retten mehr, Es sei denn, du fändest die Antwort schnell Auf drei winzige Fragen, die ich dir stell'. Zum ersten: wenn ich auf Englands Thron, Das Zepter in Händen, zu Häupten die Kron', Rat halte mit meinen Grafen und Herrn, Wie viel ich dann wert bin, wüßt' ich gern? Und zum zweiten sollst du mir sagen dann, Wie rasch wohl die Welt ich umreiten kann? Und zum dritten will ich wissen geschwind, Was zur Stelle meine Gedanken sind?« »Herr, Eure Fragen sind viel zu schwer, Da find' ich nicht Lösung flugs hinterher, Gönnt mir drei Wochen vom heutigen Tag, Daß ich Frag' und Antwort ergründen mag.« »Wohlan, es sei! doch nutze die Frist, So lieb dir dein Land und dein Leben ist, Denn rätst du falsch oder bist du nicht hier, Sind dein Land und dein Leben verfallen mir.« Der Bischof hört' es in trübem Sinn, Gen Oxford und Cambridge ritt er hin, Da war kein Doktor, den er nicht frug, Doch die Klugen waren nicht klug genug. So ritt er denn heimwärts, das Kinn auf der Brust, Da kam sein Schäfer des Weges just, Der rief ihm zu: »Willkommen zu Haus! Was bringt Ihr? Wie sieht es in London aus?« »Schlecht«, seufzte der Bischof, »drei Tage nach hier Fällt mein armer Kopf vor die Füße mir, Es sei denn, daß er auf Antwort verfällt Auf drei Fragen, die mir der König gestellt. Zum ersten, wenn er auf Englands Thron, Das Zepter in Händen, zu Häupten die Kron', Rat hält mit seinen Grafen und Herrn, Wieviel er dann wert ist, wüßt' er gern. Und zum zweiten soll ich ihm sagen dann, Wie rasch er die Welt wohl umreiten kann; Und zum dritten will er wissen geschwind, Was zur Stelle seine Gedanken sind.« Da lachte der Schäfer: »Herr, denket daran, Daß ein Narr einen Weisen lehren kann; Gebt mir Euer Roß, Euren Stab, Euer Kleid, Und ich fecht' Euch aus Euren ganzen Streit. Sorgt nicht; in Kentshire weiß jedes Kind, Daß wir zwei wie von einem Vater sind, Und trag' ich nur erst Euer prächtig Gewand, Unterscheidet uns keiner im ganzen Land.« Da beschwor ihn der Bischof: »Nimm Chorrock und Stab, Nimm Diener und Läufer, so viel ich hab', Nimm Mitra, Kapuze, nimm was dir gefällt, Nur löse die Fragen, die er gestellt.« »Willkommen, Freund Bischof«, rief König Johann, »Du hältst deine Zeit, das ist wohlgetan, Und hält nur dein Witz auch so pünktlich Stand, Belehn' ich aufs neu dich mit Leuten und Land. Zum ersten: Wenn ich auf Englands Thron, Das Zepter in Händen, zu Häupten die Kron', Rat halte mit meinen Grafen und Herrn, Wie viel ich dann wert bin, wüßt' ich gern.« »Unser Heiland wurde, so wahr ich getauft, Um dreißig Silberlinge verkauft, Drum neunundzwanzig schätz' ich Euch ein, Um einen müßt Ihr doch billiger sein.« Da lachte der König und schwur bei Sankt Velt: »Ich hab' nicht gedacht, daß so wenig ich gelt'! Nun aber zum zweiten sage mir an, Wie rasch wohl die Welt ich umreiten kann?« »Reit' aus mit der Sonn', immer neben ihr fort, Bis du andren Tages am alten Ort, So hast du die Reise in Tag und Nacht Oder vierundzwanzig Stunden gemacht.« Da lachte der König und schwur bei Sankt Veit: »Ich hab' nicht gedacht, daß so rasch ich reit'! Nun aber sollst du mir sagen geschwind, Was zur Stelle meine Gedanken sind.« Da beugte der Schäfer schnell sein Knie: »Ihr denkt, ich sei Bischof von Canterbury, Der sitzet daheim; nur sein Schäfer bin ich Und bitt' um Gnade für ihn und für mich.« Da schwur der König und lachte hell: »Du sollst Bischof sein an seiner Stell'.« Der Schäfer seufzte: »'s geht halt nit mehr, Wo nähm' ich das Lesen und Schreiben her?« »Wohlan denn, so nimm zu Dank und Lohn Vier Nobel die Woche von mir, mein Sohn, Und reitst du bei deinem Bischof heran, So bring ihm Verzeihung vom König Johann.« John Gilpin (Nach William Cowper) John Gilpin hat ein Tuchgeschäft Nicht weit von Leicester-Square, Auch war er Hauptmann der Miliz In Londons Bürgerwehr. Und Gilpin hat ein edles Weib; Sie sprach: »Mein teurer John, Wir sahen keinen Feiertag Die zwanzig Jahre schon. Drum, heut' an unsrem Hochzeitstag, Dächt' ich, Mann meiner Wahl, Kutschierten wir nach Islington, Ins frische Grün einmal. Fünf unsrer Kleinen nehm' ich mit, Sie wiegen ja nicht schwer Und haben Platz – du steigst zu Roß Und reitest hinterher.« John Gilpin sprach: »Ich ehrte stets Das weibliche Geschlecht, Doch dreimal ehr' ich dich, o Weib, Drum ist mir alles recht. Auch schafft mein blühend Tuchgeschäft Leicht meinem Wunsch Gehör, Und seinen Braunen leiht mir gern Mein Freund, der Appreteur.« Sprach Mistreß Gilpin: »John, noch eins, Wie ist es mit dem Wein? Ich denk', wir nehmen welchen mit, Es dürfte bill'ger sein.« John Gilpin küßt' sein treues Weib, Er weinte auf ein Haar, Daß Mistreß, trotz Vergnügungssucht, Doch noch so sparsam war. Der Wagen kam, doch hielt er nicht Vor Gilpins eignem Haus, Sie war all in Sorg' und Furcht: Hochmütig säh' das aus. Drei Häuser abwärts stieg man ein, Die Küchlein und das Huhn, Und durch die City-Straßen hin Ging es im Trabe nun. Die Peitsche pfiff, auf schlug der Huf, Daß alles klang und scholl, Und Rad und Steine lärmten schier, Als wären beide toll. John Gilpin hatte sich indes Als Reiter schon gezeigt Und lang geschwankt, ob rechts, ob links Man in den Bügel steigt. Jetzt aber sitzt er sattelfest- Er will davon im Nu, Da steuern seiner Kunden drei Grad auf den Laden zu. John Gilpin denkt: ›Verlust an Zeit, Ich schätz' ihn nicht gering, Doch traun, Verlust an Gut und Geld Ist noch ein übler Ding.‹ Schnell springt er ab. – Noch steht und schwankt Der Handel mit den Drei'n, Da stürzt ihm Betty in den Weg: »Hier, Herr, ist noch der Wein!« »Gut« spricht er, »doch nun bring' mir auch Das Lederfutteral, Darinnen bei Paraden steckt Mein fleckenloser Stahl.« John Gilpin nahm die Flaschen beid', Sie waren voll Likör, Und hatten oben an dem Hals Ein weites Henkelöhr. Durch beide zog er jetzt hindurch Die Scheide seines Schwerts – Sie hingen, wie Pistolen schier, Am Sattel seines Pferds. Dann schlug er um die Schultern sich Den Mantel schwarz und rot, Als zög' er in die Ritterschlacht Zum Siege oder Tod. – Die Stadt hindurch, auf hartem Stein, Da schien der Renner faul; John Gilpin sprach: »O schäme dich, Bist du ein Karrengaul?« Doch plötzlich, draußen vor dem Tor, Verging ihm aller Spott, Der Braune schnob und wieherte Und setzte sich in Trott. »Still, still, mein Tierchen«, ächzte John, »So wirf mich doch nicht ab!« Doch, wie er auch am Zügel riß, Galopp ward aus dem Trab. Und auf und nieder, her und hin, Flog unser armer Tropf, Bald hielt er an der Mähne sich Und bald am Sattelknopf. Das arme Pferd, das immer sonst Gelenkt von sichrer Hand, Es kam bei Gilpins Reiterei Zuletzt um den Verstand. Und wie vom Teufel angeschürt, Durch ging es voller Wut; Ab riß ein Baum von Gilpins Kopf Perücke, Zopf und Hut. Scharf blies der Ost; noch flaggte bunt Des Mantels weiter Schoß – Jetzt aber ging er in die Welt, Die Knöpfe ließen los. Die Hunde bellten Dorf um Dorf, Die Kinder lärmten mit, Und alles schrie: »Das nenn' ich brav, Das nenn' ich einen Ritt!« Die Nachbarweiber klatschten sich Bereits die Mäuler wund; Die eine wußt' es ganz genau: Es gelte tausend Pfund. Die Zolleinnehmer hielten's auch Für Wetteritt und Lauf Und rissen mit geschäft'ger Hand Die Gittertore auf. John Gilpin schlüpfte heil hindurch, Nicht so das Flaschenpaar, Die eine ließ den Kork zurück, Den Hals die andre gar. Hin troff der rötliche Likör, Man dacht', es wäre Blut, Und murrend klang es hie und da: Der spornt auch allzu gut!« Jetzt aber in Klein-Islington Hinein sprengt unser John; Es harrte schon, mit Gruß und Kuß, Die Gattin am Balkon. Sie ruft ihm zu: »Halt, Gilpin, halt! Wo willst du hin? so sprich! Die Kinder haben Hunger schon Und weinen bitterlich.« John Gilpin hört's; in tiefem Schmerz Fleht er den Braunen: »Steh!« Doch ach, der Braune hat kein Herz Für eines Vaters Weh. Zwei Meilen hinter Islington Da liegt ein zierlich Haus, John Gilpins Freund, der Appreteur, Zog sommers da hinaus. Der Braune machte oft den Weg, Und wiehernd jetzt am Zaun Ruft er den Herrn, der aber will Kaum seinen Augen traun. »He, Gilpin, he! was ist geschehn? Was kommt Ihr überhaupt? Und wenn Ihr kommt, warum beschmutzt, Barhäuptig und bestaubt?« John Gilpin drauf: »Was ich hier soll, Das frage dieses Tier; Wir ritten scharf, Perück' und Hut Sind darum noch nicht hier.« Laut lachte da der alte Freund, Es war ein lust'ges Blut, – Er nahm sich die Perück' vom Kopf Und sprach in frohem Mut: »Nimm hin! Du starrst von Staub und Schmutz, Drum scheint sie noch zu klein, Doch wasch' nur erst die Kruste ab, So wird sie passend sein.« John Gilpin nahm und dankte viel Und sprach zum Pferde dann: »He Freund, ich hab' für dich getan, Was man nur tuen kann. Du wolltest her zu deinem Herrn, Ich ehrte diesen Trieb, Nun aber trag' auch mich zurück Zu meinem treuen Lieb.« Er sprach es kaum, da kreischte laut Ein Esel hinterm Heck, Und Roß und Reiter zitterte, So packte sie der Schreck. Wie wenn ein Löwe wo gebrüllt, So griff der Renner aus – Auf tauchte bald Klein-Islington Samt seinem Kaffeehaus. Die Gattin harrte immer noch Des Gatten am Balkon, Jetzt sah sie ihn und wandte sich Zum Schwager Postillon: »Sieh, diese halbe Kron' ist dein, Mein wackerer Gesell', Schaffst du mir meinen Ehemann Lebendig hier zur Stell'.« Der Postillon, der war nicht faul, Aus zog er auf den Fang Und hakte bald nach Mann und Roß Mit Zügel und mit Strang. Dem Braunen aber deucht' es schier, Als wär's ein Peitschenhieb, Er lief, daß selbst der Postillon Im Hintertreffen blieb. Sechs Reiter kamen just des Wegs, Die sahen Gilpins Flucht, Und wie der Postillon umsonst Ihn einzuholen sucht. Sie jagten mit und schrien laut: »Halt't ihn! ein Dieb! ein Dieb!« John Gilpin aber unverkürzt Des Tages Sieger blieb. Und wie ein Jockey bester Art, Mit Weste, Stulp und Kapp – Erst wo er aufgestiegen war, Da stieg er wieder ab. Und nun zum Schluß: dem König Heil, Und Heil! John Gilpin, dir, Und setzt du wieder dich zu Roß, So bitt' ich, sag' es mir. Die drei Raben Drei Raben saßen auf einem Baum, Drei schwärzere Raben gab es kaum. Der eine sprach zu den andern zwei'n: »Wo nehmen wir unser Frühmahl ein?« Die andern sprachen: »Dort unten im Feld Unterm Schilde liegt ein erschlagener Held. Zu seinen Füßen liegt sein Hund Und hält die Wache seit mancher Stund'. Und seine Falken umkreisen ihn scharf, Kein Vogel, der sich ihm nahen darf.« Sie sprachen's. Da kam eine Hinde daher, Unterm Herzen trug sie ein Junges schwer. Sie hob des Toten Haupt in die Höh Und küßte die Wunden, ihr war so weh. Sie lud auf ihren Rücken ihn bald Und trug ihn hinab zwischen See und Wald. Sie begrub ihn da vor Morgenrot, Vor Abend war sie selber tot. Gott sende jedem Ritter zumal Solche Falken und Hunde und solches Gemahl. Die zwei Raben Ich ging übers Heidemoor allein, Da hört' ich zwei Raben kreischen und schrein; Der eine rief dem andern zu: »Wo machen wir Mittag, ich und du?« »Im Walde drüben liegt unbewacht Ein erschlagener Ritter seit heute Nacht, Und niemand sah ihn in Waldesgrund Als sein Lieb und sein Falke und sein Hund. Sein Hund auf neuer Fährte geht, Sein Falk' auf frische Beute späht, Sein Lieb ist mit ihrem Buhlen fort – Wir können speisen in Ruhe dort. Du setzest auf seinen Nacken dich, Seine blauen Augen, die sind für mich, Eine goldene Locke aus seinem Haar Soll wärmen das Nest uns nächstes Jahr. Manch einer wird sprechen: ich hatt' ihn lieb! Doch keiner wird wissen, wo er blieb, Und hingehn über sein bleich Gebein Wird Wind und Regen und Sonnenschein.« Lord Maxwells Lebewohl »Leb wohl, leb wohl, liebe Mutter mein, Und leb wohl, meines Vaters Haus, Lebt wohl, es soll geschieden sein, Ich muß in die See hinaus; Leb wohl, du Garten im Sonnenschein, Drin die Maienglöckchen stehn, Und vor allem leb wohl, liebe Lady mein, Ich muß von dannen gehn. Lord Johnston erschlug ich am Wege hier, Es war eine dunkle Nacht, Lord Johnston erschlug meinen Vater mir, Und so hab ich's quitt gemacht; Drei Jahre harrt' ich bei Nacht, bei Tag, Meinen Vater gerächt zu sehn, Ich hab' nicht Reu, was kommen mag, Aber von dir muß ich gehn. Und hätt' ich Reu, ich dächt' an den Tag, Der wie gestern vor mir steht, Wo mein Vater auf seinen Knieen lag Und die Johnstons um Gnade gefleht; Sie hieben ihm ab die flehende Hand, Geschehn ist, was geschehn, Nun muß ich lassen Lieb' und Land Und, lieb' Lady, von dir gehn. Leb wohl, Carnarven, mein Fels, mein Schloß, Leb wohl auf manches Jahr, Leb wohl, du Wald, du stiller Genoß, Darinnen ich glücklich war, Leb wohl, Lochmabens Birkenhain, Und du Platz, wo die Tannen stehn, Und vor allem leb wohl, lieb' Lady mein, Denn ich muß von dir gehn.« Sie hielt ihn an ihr Herz gepreßt: »Bleib hier und bleibe mir! Meines Bruders Schloß ist stark und fest Und doppelt fest mit dir; Die Hamiltons und die Douglas beid', Sie werden zu uns stehn –« »Es bricht mein Herz in Weh und Leid, Aber von dir muß ich gehn.« Er nahm einen Ring, an dem Ringe hing Ein Kreuz von rotem Stein: »Nimm hin den Ring und trage den Ring Und vor allem gedenke mein, Denn ach, vergäßest du mich je, Um nach andrem Glück zu sehn, Rück flög' ich über die schäumende See, Und um alles wär' es geschehn.« Der Tag war grau, das Deck war klar, Lord Maxwell ging zu Schiff, Der Wind in allen Segeln war, Die Bootsmannspfeife pfiff; Ein Streifen schwand das Ufer jetzt, »Ade!« Die See ging hohl, Und Wind und Wogen verschlangen zuletzt Lord Maxwells Lebewohl. Melrose-Abbey Und willst du des Zaubers sicher sein, So besuche Melros' bei Mondenschein; Die goldne Sonne, des Tages Licht, Sie passen zu seinen Trümmern nicht. Wenn die Bögen und Nischen im Schatten stehn, Die Ecken und Pfeiler wie Silber sehn, Wenn das weiße, kalte, zitternde Licht Um den Mittelturm seine Girlanden flicht, Wenn die Strebepfeiler sich wechselnd reihn, Halb Ebenholz, halb Elfenbein, Wenn's schneeig auf allen Gräbern liegt Und die weißen Figuren noch weißer umschmiegt, Wenn das Rauschen des Tweed, weitab gehört, Wie Summen die nächtige Stille stört – Ja, dann tritt ein: bei Mondesschein Besuche Melros' und – tu es allein. Die Blumen des Waldes (Nach der Schlacht bei Flodden) Ich hörte sie singen, wenn morgens sie gingen, Die Herde zu melken, die draußen steht; Nun hör' ich ihr Wehe, wo immer ich gehe- Die Blumen des Waldes sind abgemäht. Vorüber das Necken an Wegen und Hecken, Still eine neben der andern geht, Sie können nicht scherzen mit Trauer im Herzen. Und was sie sprechen, ist leises Gebet. Kein Erntereigen; es schweigen die Geigen, Kein Tänzer, der fröhlich im Tanze sich dreht. Auf Märkten und Messen die Lust ist vergessen – Die Blumen des Waldes sind abgemäht. Kommt Dämmerstunde, nicht mehr in die Runde Das Haschen und Pfänderspielen geht, In stiller Kammer verbirgt sich ihr Jammer – Die Blumen des Waldes sind abgemäht. Dahin unsre Kränze! wir zogen zur Grenze, Wo Englands Banner im Winde geweht, Unsre Blumen vom Walde, sie ruhn auf der Halde, Die Blüte des Landes ist abgemäht. Ich hörte sie singen, wenn morgens sie gingen, Die Herde zu melken, die draußen steht; Nun klingt ihre Klage von Tage zu Tage: Die Blumen des Waldes sind abgemäht. Leslys Marsch (Puritanerlied) Immer mit, immer mit, Was Teufel, wer hält nicht Schritt? Die Englischen ziehen von drüben heran, Schließt euch fester Mann an Mann, Musketiere rasch in die Front, Habt ihr vergessen, was ihr gekonnt: Schießen und Fechten und Schädelspalten Und mit der Linken die Bibel halten. Die erste Kirche, in die wir kommen, Drin Rom und die Pfaffen Platz genommen Und Orgel und Altar hinein erneuert, Werd' ausgefegt und ausgescheuert; Jenny soll das Käppchen tragen, Jocky das Chorhemd um sich schlagen, Und nach der Orgel und ihren Pfeifen Sollen unsre Pfeifer greifen, Können drauf spielen den ganzen Tag, Komme, was da kommen mag; Bursche, munter, Bald wird's bunter, Schürzet die Plaids! sie kommen, Juchhe, Und klappt die Mützen in die Höh. Jakobitenlieder (Von 1715 bis 1746) 1. Die Duncans kommen, die Donalds kommen, Die Colins kommen, die Ronalds kommen, Es kommen die Kenmures Sohn und Vater, Lord Foster und Lord Derwentwater, Und Jack und Tom und Bobby kommen Und haben die blaue Blume genommen. Die Intosh kommen, die Quarries kommen, Die Söhne Lord Glengarrys kommen, Es kommen die Douglas und Mac Gregore Mit kurzem Schwert und langem Rohre, Und Jack und Tom und Bobby kommen Und haben die blaue Blume genommen. Die Phersons kommen, die Kenzies kommen, Die Grants, die Leans, die Menzies kommen, Es kommen die Bursch' aus allen Clanen, Die Mädchen selbst zu unsren Fahnen, Und Jack und Tom und Bobby kommen Und haben die blaue Blume genommen. Die Camerons kommen, die Gordons kommen, Die stolzen Söhne des Nordens kommen, Es kommen die Enkel der alten Thane, Die Crabies und die Mac Farlane, Und Jack und Tom und Bobby kommen Und haben die blaue Blume genommen. Sie kommen mit Pfeifen und Dudelsäcken Und suchen das Volk mit den roten Röcken, Bald werden die Schöße im Winde fliegen, Bald werden die Whigs auf der Nase liegen, Denn Jack und Tom und Bobby kommen Und haben die blaue Blume genommen. 2. Die einen sagen, wir haben gewonnen, Die andern sagen, sie haben gewonnen, Ich aber sage das eine nur: Es ward viel gelaufen bei Sherifmur, Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen, Gelaufen einzeln und in Haufen. Wir haben den linken Flügel geschlagen, Der rechte Flügel hat uns geschlagen, Eine Rennbahn war die ganze Flur, Es ward viel gelaufen bei Sherifmur, Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen, Gelaufen einzeln und in Haufen. Rob Roy, o wärst du zu Hilf' uns gekommen, Es hätt' ein andres Ende genommen, So aber war das Ende nur: Es ward viel gelaufen bei Sherifmur, Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen, Gelaufen einzeln und in Haufen. 3. O käm' er wieder, mit Waffen scharf, Der Bursch, den ich nicht nennen darf, O käm' er wieder und käm' er schnell, Hier ist sein Platz und seine Stell', Ich wollt ihn schützen, wo immer er wär', Und wären zehntausend um ihn her. Von Tartan der Rock und die Hose dazu, Die Mütze blau und geschnürt die Schuh, Ein Hochlandsbursch vom Wirbel zur Zeh, Das ist der Bursch, mit dem ich geh', Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär', Und wären zehntausend um ihn her. O ging' es wieder ins grüne Feld, Er ist ein König und ist ein Held, Auf seiner Brust der goldene Stern, Wo der uns leuchtet, da folgen wir gern, Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär', Und wären zehntausend um ihn her. O säß' er wieder, der Erb' einer Kron', Auf seiner Väter heiligem Thron, Da wären vorüber Weh und Streit Und wir lebten wieder die goldene Zeit, Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär', Und wären zehntausend um ihn her. 4. Mein Liebster ist kommen von Aberdeen, Ach, über die Maßen lieb' ich ihn, Und hat mich doch betrübt und erschreckt Und die weiße Kokarde aufgesteckt; Er ist ein übermütiger Bursch, Und doch ein lieber, gütiger Bursch, Und ich lieb' ihn und will mit ihm gehn Und immer die weiße Kokarde sehn. Ich will verkaufen Geiß und Kuh Und Spindel und Flachs und Garn dazu Und will mir kaufen ein Tartankleid Und still marschieren an seiner Seit'; Er ist ein übermütiger Bursch, Und doch ein lieber, gütiger Bursch, Und ich lieb' ihn und will mit ihm gehn Und immer die weiße Kokarde sehn. 5. An einem Montagmorgen war's, Kaum schlug die Glocke vier, Da zog er ein in unsre Stadt, Der junge Kavalier; O Charlie ist mein Liebling, Mein Liebling, mein Liebling, O Charlie ist mein Liebling, Der junge Kavalier. Und als er zog die Straß' hinauf Und nickte dort und hier, Da klang's aus allen Fenstern: »Heil Dir, junger Kavalier«; O Charlie ist mein Liebling, Mein Liebling, mein Liebling, O Charlie ist mein Liebling, Der junge Kavalier. Viel tausend Bursche bracht' er mit, Das halbe Hochland schier, Die folgten gern dem echten Herrn, Dem jungen Kavalier; O Charlie ist mein Liebling, Mein Liebling, mein Liebling, O Charlie ist mein Liebling, Der junge Kavalier. Sie ließen Weib und Kind zurück, Wohlan, so tun auch wir, Wir baun auf Gott und gutes Glück Und auf den Kavalier; O Charlie ist mein Liebling, Mein Liebling, mein Liebling, O Charlie ist mein Liebling, Der junge Kavalier. Wir ziehn entlang mit Pfeifenklang, Die Distel als Panier, Mit Kilt und Plaid und Schwertern blank, So siegt der Kavalier; O Charlie ist mein Liebling, Mein Liebling, mein Liebling, O Charlie ist mein Liebling, Der junge Kavalier. 6. Cope schrieb einen Brief an den Kavalier: »So du Mut hast, komm und fecht' mit mir, Und bist du nicht in zwei Stunden hier, So komm' ich früh am Morgen.« Prinz Charlie sah hinein in den Brief; Er zog sein Schwert und lacht' und rief: »Und sind deine Gräben noch so tief, Wir kommen früh am Morgen.« Auf, Hochlandsbursche, auf, ins Feld, Grau-Dämmrung schon die Nacht erhellt, Und wo John Cope uns hinbestellt, Da stehn wir früh am Morgen. Wie, was? ob Cope noch schlafen mag? Wach auf, es ist schon heller Tag, Hörst du nicht Pfeif' und Trommelschlag? Wir kommen früh am Morgen. Halt, Cope, was läufst du schon von fern? Wir schüttelten dir die Pätschchen gern, Nun lauf' und grüß' uns deinen Herrn Und biet' ihm guten Morgen. Cope lief bis Leith mit rotem Gesicht; »Wo sind deine Leute?« der Sheriff spricht, »Zum Teufel«, rief Cope, »ich weiß es nicht, Ich sah sie zuletzt heut morgen.« 7. Mein Harry war ein tapfres Blut, Ich sah ihn neben der Fahne gehn, Nun ist er über die große Flut Auf Nimmer-, Nimmer-Wiedersehn; Und doch nur einmal herzen ihn, Was gäb' ich alles nicht drum hin! Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland Für den kleinen Finger von seiner Hand. 0ft, wenn es still geworden im Haus Und von Abend her die Lüfte wehn, Dann frag' ich in den Wind hinaus: Werd' ich ihn nimmer wiedersehn? Ihn sehn, nur einmal herzen ihn, Was gäb' ich alles nicht drum hin! Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland Für den kleinen Finger von seiner Hand. O hingen einige Schurken hoch Und ließ' uns Gott einen Rächer erstehn, Da kämen frohe Tage noch Und den Liebsten würd' ich wiedersehn; Ihn sehn, nur einmal herzen ihn, Was gäb' ich alles nicht drum hin! Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland Für den kleinen Finger von seiner Hand. 8. Die schöne Maid von Inverneß, Wie freudlos ihr der Tag vergeht, Sie schafft und spinnt und webt, indes Ihr dunkles Aug' in Tränen steht: »Drummossie-Moor, Drummossie-Tag, O bittrer Tag, o blut'ges Moor, Wo kalt und starr mein Vater lag Und ich der Brüder drei verlor. Sie liegen tief in Sand und Blut, Im ersten Grün die Gräber stehn, Der beste Bursch daneben ruht, Den Mädchenaugen je gesehn. Weh Sieger dir, der nach der Schlacht Noch die Geschlagenen niedertrat, Du hast manch Herz betrübt gemacht, Das dir doch nichts zu leide tat.« 9. Wetternacht und Sturmesgrollen Hab' ich um mich für und für, Und der Gießbach, angeschwollen, Klopft an meine Felsentür; Ach, von jenen stillen Quellen, Dran die blaue Blume blüht, Von des Westwinds leisen Wellen Labt nicht eine mein Gemüt. Rechtes willen, Ehre wegen Kämpften wir den Kampf der Pflicht, Doch der Himmel war entgegen, Und die Götter wollten's nicht; Sieg und Ruhm entsank im Streite Uns auf Hochlands Moor und Moos, Vor uns liegt die Welt, die weite, Aber freund- und freudelos. 10. Sieben Söhne gab ich dem Kavalier, Sieben grüne Plätze sind blieben mir, Ihrer Mutter Herz ist gebrochen vor Weh – König Jakob, daß ich dich wiedersäh'. In Trümmern die Kirche, in Fesseln das Land, Das Schwert in Mörder- und Henkershand, Und schweigen müssen, was immer geschäh' – König Jakob, daß ich dich wiedersäh'. Mir ist zu leben nimmer Gewinn, Meine Söhne tot, seine Krone dahin, Doch singen will ich, wo immer ich steh': König Jakob, daß ich dich wiedersäh'. 11. Die ihr euch » Jakobiten « nanntet Zu eigner und des Königs Ehr', Die ihr euch Jakobiten nanntet, Zu Thron und Stuart euch bekanntet Und endlich doch den Rücken wandtet, O tretet her. Was kämpft ihr noch voll halben Zwanges Ein leeres Wortgefecht »ums Recht«? Entschlagt euch des gelehrten Dranges, Ich sag': ein kurz Schwert und ein langes, Ich sag': ein stark' Herz und ein banges, Die machen Unrecht, ach und – Recht. Was schwankt ihr länger bang und schüchtern? Der findet Gnade, der drum wirbt ; Was schwankt ihr länger bang und schüchtern? Fügt euch den neuen Himmelslichtern Und – überlasset seinen Richtern Den , der in Treue lebt und stirbt. Schwertspruch (Eingegraben in das Erbschwert der Douglas-Familie) Unter allen Lords in meinem Reich War keiner doch dem Douglas gleich. Drum trag du, wenn ich gestorben bin, Mein Herz zum heiligen Grabe hin. Dort mag es liegen tief und still, Bis mein Erlöser es wecken will. Ein besserer Ritter bis diese Stund' An keines Königs Seite stund. Grabschrift (Auf einem Grabstein im Kirchhof von Melrose-Abbey) Erde gleißt auf Erden In Gold und in Pracht; Erde wird Erde, Bevor es gedacht; Erde türmt auf Erden Schloß, Burg, Stein; Erde spricht zu Erde: Alles wird mein.