Achtes Kapitel Ein Sturm Der Sturm will jagen: auf fährt er vom Sitz In seinem zerklüfteten Schlosse, Er ruft seinen Diener, den flüchtigen Blitz, Und schwingt sich jauchzend zu Rosse; Dann probt er die Kraft seiner nervigen Hand Und schleudert die Tanne, die vor ihm stand, Gleich einem Ball in die Lüfte. Die Jagd hebt an: vom Felsenhorst Stürzt er mit klaffender Meute Und spürt in Schluchten und Urwaldforst Nach tausendjähriger Beute. Von Norden her saust er und braust er heran, Und jetzt durch Woodstocks mächtigen Tann Schrillt seine gellende Pfeife. Es ächzt und stöhnt der geschüttelte Wald – Umsonst, ihn rettet kein Jammern! Wie fest die Eiche sich klammert und krallt, Zerbrochen werden die Klammern. Und was von der Hand des Sturmes nicht fällt, Das wird vom Speere des Blitzes zerspellt – Tot liegen die Riesen des Waldes. Und weiter geht es auf schnaubendem Roß, Die Hufe stampfen und schlagen, Verhängten Zügels an Woodstock-Schloß Will er vorüber jagen: Sieh, da stutzt er – an Söllers Rand Steht ein Mädchen und hebt die Hand Und ruft: »O komm, o rette!« »O komm, o rette!« Er fängt es auf Und trägt es fort in die Lüfte; Mit Donnerstimme auf seinem Lauf Ruft er's in Wälder und Klüfte; Der schäumenden See jetzt schrillt er's ins Ohr, Und die Wasser der Tiefe steigen empor Und horchen: »O komm, o rette!« »O komm, o rette!« An Frankreichs Strand Gellt es der fliegende Reiter; Die Städte hindurch, hin über das Land Braust er weiter und weiter; Da flattert's wie Linnen auf offenem Feld, Und lauter an König Heinrichs Zelt Ruft er: »O komm, o rette!« Der König hört's; der rüttelnde Sturm Entriß ihn finsterem Traume: Er sah einen nagenden Totenwurm An einem blühenden Baume – Er denkt des Traumes und steigt zu Schiff, Ihn kümmert nicht Woge, ihn kümmert nicht Riff, Er hört nur: »Rette, rette!«