Waldmärchen In einer Waldschlucht finster, Wo heimlich baut der Fuchs, Wo Farrenkraut und Ginster Sich rangt in üpp'gem Wuchs, Lag ich, vom Grün umwoben, An einem dunklen Bach; Es lugte kaum von oben Die Sonn' ins Laubgemach. Ich hatte Moos zum Pfühle, Gestrüpp zur Lagerstatt, Vom Fels kam eine Kühle Und ging durch Busch und Blatt; Und kühle quoll der Sprudel Und murrt' am schroffen Hang, Den oft bei Nacht im Rudel Die Hindin übersprang. Mit rotem Auge schaute Vom Baum der Auerhahn, Es zog mit heisrem Laute Der Häher seine Bahn; Dann hämmert' abgebrochen Der Specht von Zeit zu Zeit - Mir war's, als hört' ich pochen Das Herz der Einsamkeit. Da plötzlich sah ich lehnen Am Stamm ein hohes Weib, Umwallt von lockigen Strähnen Den wunderschönen Leib; Wem ward zum Eigentume Je solch ein Goldgewand! Sie trug eine blaue Blume In ihrer weißen Hand. Sie sprach: »Sei mir willkommen! Du bist ein seltner Gast, Doch hast du dir zum Frommen Erkoren hier die Rast; Von allen Königinnen Die reichste bin ich bald; Mein Schloß mit grünen Zinnen, Das ist der lust'ge Wald. Sonst macht' ich wohl hinunter Ins offne Land den Ritt, Und Blumen sproßten munter, Wohin mein Zelter schritt; Zu bringen Lust und Minne, Das war mein fröhlich Recht; Doch ist von anderm Sinne Das heurige Geschlecht. Das träumt von Klingenhieben, Von Schlacht nur und Geschoß; Da bin ich heimgeblieben In meinem Zauberschloß. Nun lehr' ich singend wallen Den Bach durch Fels und Ried, Nun lehr' ich die Nachtigallen Im Lenz ihr süßestes Lied. Ich weiß, auch du mußt fechten, Auch du gehörst der Zeit; So steh' zu deinen Rechten Und führe wackern Streit! Doch will dein Arm ermüden, Bei mir dann kehre du ein, Im säuselnden Waldfrieden Sollst du gekräftigt sein. Da sollst du Frische saugen Im harz'gen Duft vom Tann, Da schaut aus Blumenaugen Das Märchen froh dich an; Und macht der Forst dich singen: Es wird in der Zeiten Gang Auf solche Weise dringen Wie grüner Waldhornklang.« Sie sprach's; ich stand erschrocken Und wußte nicht ein Wort, Da schüttelte sie die Locken Und schwand ins Dickicht fort. Noch glaubt' ich fern das Wallen Zu sehn des goldnen Haars, Doch in den Buchenhallen Ein Strahl der Sonne war's. Und wieder schrie der Häher, Und wieder quoll die Flut; Doch mir entzücktem Seher War groß und still zumut. Und zeihn sie mir's als Sünde: Ich lasse dich dennoch nie, O Fei der Waldesgründe, O Sagenpoesie!