Rothenburg Der Dichter kommt mit leichtem Mut gezogen Durch grüne Triften und durch Korneswogen; Da steigt vor ihm auf wald'gem Bergeskranze Ein Schloß empor im Abendsonnenglanze. Bald ist der steile Gipfel kühn erklommen; Bald hat den Gast der Burghof aufgenommen; Dort stehn als Wächter, eingelullt in Träume, Die alten blütenduft'gen Lindenbäume. Des Tores Wölbung ist in Schutt zerfallen Und ungehindert tritt er in die Hallen, In die mit goldnem Strahl die Sonne schauet, In die von oben klar der Himmel blauet. Auf einen moos'gen Stein setzt er sich schweigend, Er stützt das Haupt, es in die Rechte neigend, Und läßt in freiem Spiele die Gedanken Sich mit dem Efeu um die Trümmer ranken: »Du altes Schloß, wie bist du still geworden, Und schollst so laut einst von der Lust Akkorden! Wie ist der helle Schmuck dir abgefallen, Und glänztest einst das herrlichste von allen! Hier fanden sonst zu Spiel und lust'gem Feste In buntem Schwarm sich hundert edle Gäste; Kein hoher Wandrer zog vorbei der Stätte, Der unter deinem Dach geruht nicht hätte. Nun spielen in des Windes leisem Kosen Holundersträuche nur und wilde Rosen, Und nur der Sonne, nur des Mondes Schimmer, In deinen Hallen rasten sie noch immer. Hier stürzte sich in raschen Melodien Trompetenjubel von den Galerien; Die Schleppen rauschten, und die Sporen klangen, Wenn sich im Fackeltanz die Paare schwangen. Jetzt hörst du nur das Lied der Nachtigallen Aus den umbüschten Mauerblenden schallen; Leuchtkäfer lassen märchenhaft im Dunkeln Dazu den lichten Reigen nächtlich funkeln. Einst schmückten Scharlachdecken diese Wände, Durchwirkt mit lautern Goldes reicher Spende; Vom grauen Turme wehten bunte Fahnen, Die stolzen Zeichen der erlauchten Ahnen. Nun läßt der Himmel seine Purpurgluten In vollen Strömen um die Trümmer fluten, Und von den Zinnen seh' ich Efeuranken, Vergänglichkeit, dein grünes Wappen, schwanken. Dort vom Altane sah im Abendstrahle Des Burgherrn ros'ge Tochter wohl zu Tale Und barg geheimnisvoll im reinen Sinne Den ersten süßen Blütentraum der Minne. Nun quellen Rosen aus des Söllers Spalten, Die eben den verschämten Kelch entfalten, Und Schmetterlinge seh' ich still daneben, Die Geister jener Liebesträume, schweben. Du altes Schloß, ich kann nicht um dich weinen, Blüht holdes Leben doch aus deinen Steinen; Wie eine Leiche hab' ich dich gefunden, Der man den Sarg mit Blumen schön umwunden.« So sprach der Dichter, und im Spätrot schienen Ihm einen Gruß zu winken die Ruinen; Er aber schritt, die Brust voll junger Lieder, Vom alten Schloß zur goldnen Au hernieder.