Deutsches Leben 1867. Was steht ihr düster und betroffen, Die ihr ein deutsch Panier doch tragt, Nun endlich, endlich unsrem Hoffen Ein Morgen der Erfüllung tagt? O bannt von eurer Stirn die Wolke! Verscheucht den wüsten Traum der Nacht, Als wär' es aus mit unsrem Volke, Weil's anders kam, als ihr gedacht. Denn als der Sturm der sieben Wochen Die Welt erschüttert nah und fern, Wohl hat er morsche Zier gebrochen, Doch nimmer unsres Wesens Kern. Aus tausend Quellen um die Wette Braust unversiegt von Ort zu Ort, Braust stolzer nur im neuen Bette Der Strom des deutschen Lebens fort. Noch wettert durch der Schlacht Gedröhne Das Schwert, ein Blitz in deutscher Hand, Noch wissen lächelnd unsre Söhne Zu sterben für das Vaterland. Und die in schwindelnden Gedanken Die Herrn der Welt sich schon geglaubt, Mit bangem Neide sehn die Franken Den Kranz des Siegs auf unsrem Haupt. Noch waltet am ererbten Herde Der deutsche Bauer schlicht und stark, Beharrlich, wie die Kraft der Erde, Die treu ihn nährt mit ihrem Mark. Noch wächst auf hohem Schloß, dem Ruhme Nacheifernd, den der Ahn gewann, Manch kühner Sproß zum Rittertume Des Geistes und des Schwerts heran. Noch blüht gesegnet in der Runde Der Städte Wandel, Kunst und Fleiß; Noch wurzelt dort im festen Grunde Des Bürgersinns der Freiheit Reis. Im Wettkampf jeder Kraft erschaffen, Gedeiht das Neue Tag für Tag, Doch bürgt die ernste Pflicht der Waffen, Daß alte Zucht nicht rosten mag. Noch läßt zu nimmermüdem Streben Die Forschung ihre Fackel wehn, Der Vorzeit reichen Schatz zu heben, Der Schöpfung Rätsel zu verstehn; Und wenn bekränzt und vielbewundert Die goldne Zeit der Dichtung schied, Noch rauscht dem eisernen Jahrhundert Begeistrung manch geflügelt Lied. Noch steht in unsres Lebens Mitte Wie eine feste Burg das Haus Und strömt den Segen edler Sitte Vom Herd auf die Geschlechter aus; Noch birgt sich in der Jungfrau Sinne Der Unschuld und der Ehren Hort, Noch scheucht der Cherub reiner Minne Vom Jüngling den Versucher fort. Noch wacht mit brünstigen Gebeten Die Mutter über ihrem Kind, Noch treibt's den Mann, vor Gott zu treten, Wenn er ein ernstes Werk beginnt; Und bricht durch starrer Satzung Schranke Der ungedämpfte Geist sich Bahn, Nur treuer wipfelt sein Gedanke In freier Andacht himmelan. Drum laßt vom Zagen, laßt vom Grollen! Im Sturme wuchs uns nur die Kraft, Und mächtig in Gezweig und Schollen Den Lenz verkündend treibt der Saft. Erstorbnem weint ihr nach vergebens, So kommt und tut den Brüdern gleich, Und auf dem Grund des alten Lebens Helft uns erbaun das neue Reich!