HYMNEN Widmung AN CARL AUGUST KLEIN DEN TRAUTEN UND TREUEN SEIT DER JUGEND BERLIN MDCCCXC AUFSCHRIFT Kurz eh es frühling ward begann dies Lied Bei weissen Mauern und im Uferried All unsres volkes neuen Söhnen hold Spielt durch ein Jahr der Traum in blau und gold. WEIHE Hinaus zum strom! wo stolz die hohen rohre Im linden winde ihre fahnen schwingen Und wehren junger wellen schmeichelchore Zum ufermoose kosend vorzudringen. Im rasen rastend sollst du dich betäuben An starkem urduft · ohne denkerstörung · So dass die fremden hauche all zerstäuben. Das auge schauend harre der erhörung. Siehst du im takt des strauches laub schon zittern Und auf der glatten fluten dunkelglanz Die dünne nebelmauer sich zersplittern? Hörst du das elfenlied zum elfentanz? Schon scheinen durch der zweige zackenrahmen Mit sternenstädten selige gefilde · Der zeiten flug verliert die alten namen Und raum und dasein bleiben nur im bilde. Nun bist du reif · nun schwebt die herrin nieder · Mondfarbne gazeschleier sie umschlingen · Halboffen ihre traumesschweren lider Zu dir geneigt die segnung zu vollbringen: Indem ihr mund auf deinem antlitz bebte Und sie dich rein und so geheiligt sah Dass sie im kuss nicht auszuweichen strebte Dem finger stützend deiner lippe nah. IM PARK Rubinen perlen schmücken die fontänen · Zu boden streut sie fürstlich jeder strahl · In eines teppichs seidengrünen strähnen Verbirgt sich ihre unbegrenzte zahl. Der dichter dem die vögel angstlos nahen Träumt einsam in dem weiten schattensaal .. Die jenen wonnetag erwachen sahen Empfinden heiss von weichem klang berauscht · Es schmachtet leib und leib sich zu umfahen. Der dichter auch der töne lockung lauscht. Doch heut darf ihre weise nicht ihn rühren Weil er mit seinen geistern rede tauscht: Er hat den griffel der sich sträubt zu führen. EINLADUNG Lassen wir mauern und staub! – Sprach ladend deine güte – Fern wo leichter und freier Sinn und odem sich glaubt Begehen wir die blüten- Die auferstehungsfeier. – Dankvoll rauhem getobe Quälendem irren entflohn! Wenn auch neu nur von oben Einziger liebe lohe Endliche rettung mir däuchte Und dauernde leuchte. Es war dein kindlich behagen Gebunden an deiner seite In frohsinn mich zu ertragen – Ist nicht entzückend die weite Nicht labend der morgenglanz Auf weisser villen kranz? Schau! bis hinan zum gipfel Wo auf rissigem steine Kleine kiefern wipfeln Steigt der obstbäume bau · Drunten wellen scheinen An blumenreicher au. Erklimmen im lauf wir den hügel! Folge doch – höhnische rufe Bis ich am ziele mich zeige – Nun wieder abwärts ans ufer Schnell! florprangende zweige Leihen uns weisse flügel. Rasten wir! nur eine weile! Feucht ist das gras noch · in eile Weiter arm in arm! – Du hobst mir nagende plagen Ob tiefer gefühle auch arm In sieghaften mussetagen. NACHMITTAG Sengende strahlen senken sich nieder Nieder vom wolkenfreien firmamente · Sengende strahlen von blitzender kraft. Die südenklare luft in mittagstille. Längs den palästen starb der menge wimmeln Auf der fliesen feuer-bergender fläche. Mit stummen zinnen und toten balkonen Die langen mauerwälle starr dastehn Heisshauchend wie wirkende opferöfen. In den höfen umragt von säulengängen Der versiegten brunnen kunst versagt · Auf beeten wo der büsche blätter sich krümmen Halbverdorrter blumen odem lagert. Sengende strahlen senken sich nieder Nieder vom wolkenfreien firmamente. Und dem Einsamen der mit entzücken sie fühlt Der des gemaches duftender kühle entfloh Gegenglut für zerstörende gluten suchend Stetig sie auf scheitel und nacken scheinen Bis er rettender schwäche erliegen darf Hingleitend bei eines pfeilers fuss. Sengende strahlen senken sich nieder. VON EINER BEGEGNUNG Nun rufen lange schatten mildre gluten Und wallen nach den lippen kühler welle Die glieder die im mittag müde ruhten – Da kreuzest unter säulen Du die schwelle. Die blicke mein so mich dem pfad entrafften Auf weisser wange weisser schläfe sammt Wie karg und scheu nur wagten sie zu haften – Der antwort bar zur kehrung ja verdammt! An süssem leib im gang den schlanken bogen Sie zur umarmung zaubertoll erschauten · Dann sind sie feucht vor sehnen fortgezogen Eh sie in deine sich zu tauchen trauten. O dass die laune dich zurück mir brächte! Dass neue nicht die fernen formen stören! Wie ward es mir gebot für lange nächte Treu zug um zug dein bildnis zu beschwören! Umsonst · ein steter regen bittrer lauge Benezt und bleicht was mühevoll ich male. Es geht .. wie war dein haar und wie dein auge? Es geht und stirbt in bebendem finale. NEULÄNDISCHE LIEBESMAHLE I Die kohle glüht · mit dem erkornen rauche Beträufle sie! der guss verfliegt und zischt. Dass er uns in die dichten wolken tauche Wo frommer wunsch mit süsser gier sich mischt! Lass auf dem lüster viele kerzen flammen Mit schwerem qualme wie in heilgem dom · Die hände legen schweigsam wir zusammen Zu träumen einen melodienstrom! Kein zarter anhauch! nein in jenen chören Wird jungfräulicher flaum den einklang stören Wie künsten – aber falsch – ergeben haar. Wirf neue körner auf die opferschale! Dass blonder wirbel unsern sinnen male Die Wissensvolle müd und wunderbar. II Den blauen atlas in dem lagerzelt Bedecken goldne mond- und sternenzüge · Auf einen sockel sind am saum gestellt Die malachit- und alabasterkrüge. Drei ketten eine kupferampel halten Die unsrer stirnen falben schein verhehlt · Uns hüllen eines weiten burnus falten Und – dass uns nicht ein myrtenbüschel fehlt! Bald hören wir des tranks orakellaut Auf teppichen aus weichem haar gesponnen. Der knabe wohl mit jedem wink vertraut Verbeugt sich würdig vor dem hospodar .. Mir dämmert wie in einem zauberbronnen Die frühe zeit wo ich noch könig war. VERWANDLUNGEN Abendlich auf schattenbegleiteten wegen Über brücken den türmen und mauern entgegen Wenn leise klänge sich regen: Auf einem goldenen wagen Wo perlgraue flügel dich tragen Und lindenbüsche dich fächeln Herniedertauche Mit mildem lächeln Und linderndem hauche! Unter den masten auf rüstig furchendem kiele Über der wasser und strahlen schimmerndem spiele In glücklicher ferne vom ziele: Auf einem silbernen wagen Wo lichtgrüne spiegel dich tragen Und schaumgewinde dich fächeln Herniedertauche Mit frohem lächeln Und kosendem hauche! Lang ist nach jauchzendem tode die sonne verschollen · Mit den planken die brausenden wogen grollen Und dumpfe gewitter rollen: Auf einem stählernen wagen Wo lavaschollen dich tragen Und grell lohe wolken dich fächeln Herniedertauche Mit wildem lächeln Und sengendem hauche! EIN HINGANG Die grauen buchen sich die hände reichen Den strand entlang · vom wellendrang beleckt Dem gelben saatfeld grüne wiesen weichen · Das landhaus unter gärten sich verdeckt. Den jungen dulder vor der windenlaube Woltätig milde strahlenhand bestreift · An neues lied noch dämmert ihm ein glaube · Sein blick ins blaue grenzenlose schweift Wo schiffe gleiten mit erhobnen schilden · Wo andre schlafen wehrlos · froh der bucht · Und weit wo wolken lichte berge bilden Er seiner wünsche wunderlande sucht .. Der lieben auge starr in tränen schaut: Schon nahm er scheu das göttliche geschenk Von leiser trennungswehmut nur betaut · Der klage bar · des ruhmes ungedenk. NACHTHYMNE Dein auge blau · ein türkis · leuchtet lange Zu reich dem Einen · ich verharre bange. Den kiesel tröstet deines kleides saum. Kaum tröstet mich ein traum. Die alten götter waren nicht so strenge. Wenn aus der schönen mutberauschten menge Ein jüngling angeglüht von frommem feuer Zu ihrem lobe liess des lichtes pfade: So war das reine opfer ihnen teuer So lächelten und winkten sie mit gnade. Bin ich so ferne schon von opferjahren? Entweiht mich süsses lüsten nach dem tode Und sang ich nicht zu dröhnenden fanfaren Der freudenliebe sonnen-ode? Geruhe du nur dass ein kurzer schimmer Aus deiner wimper brechend mich versehre: Des glückes hoffnung misst ich gern für immer · Nach deinem preise schlöss ich meinen psalter Und spottete dem schatten einer ehre Und stürbe wertlos wie ein abendfalter. STRAND O lenken wir hinweg von wellenauen! Die · wenn auch wild im wollen und mit düsterm rollen Nur dulden scheuer möwen schwingenschlag Und stet des keuschen himmels farben schauen. Wir heuchelten zu lang schon vor dem tag. Zu weihern grün mit moor und blumenspuren Wo gras und laub und ranken wirr und üppig schwanken Und ewger abend einen altar weiht! Die schwäne die da aus der buchtung fuhren · Geheimnisreich · sind unser brautgeleit. Die lust entführt uns aus dem fahlen norden: Wo deine lippen glühen fremde kelche blühen – Und fliesst dein leib dahin wie blütenschnee Dann rauschen alle stauden in akkorden Und werden lorbeer tee und aloe. HOCHSOMMER Ton verklang auf den altanen · Aus den gärten klänge tönen · Unter prangenden platanen Wiegen sich die stolzen Schönen · Keck in eleganten zieren Sie am arm den kavalieren Milder lauschen und mit süssen Winken grüssen. Ja die reifen die sich rühmen Feiner kinder flink im spiel Huldigen dem leichten stil · Auf den lippen eitle fragen · Von verlockenden parfümen Hingetragen. Pauken schweigen · sachte geigen. Ferner tritt · es nahen reiter · Leises traben · langsam weiter .. Zwanglos darf ein flüchtig raunen Sie bestaunen. Fröhliche galante leere Feindlich trübem tatenmeere · Weise schlaffheit nur im bade Wahre gnade. Auf dem wasser ruderklirren · Gondel die vorüberfuhr · Sanfte takte sanftem kirren Sich vereinen einer kleinen Pompadur. RÜCKBLICK Noch einmal ahn ich hinterm vorhang – nachtgewirkte nebelfahne – Und den platanenästen – seltsam ins geweb geprägte plane – Das ziel vor kurzer zeit treu meinem zepter · nun schon zauber-au · Die Tyrus teich und gartenreich getaucht in teer und blumentau. Wo an der küste buchenkronen dorf und kecke villa trennen Und surrend leichter rehe rudel durch die waldeslichtung rennen. O schiffe · stolzer schwäne schaugepräng das farben mir bescherte · O meer das mütterlich an meine lieder mir den glauben mehrte. AUF DER TERRASSE Die hügel vor die breite brüstung schütten Den glatten guss von himmelgrünem glase · Die wirren wipfel und des glückes hütten. Der göttin schatten rastet auf der vase. Entgegen eil ich einem heissen rade. Ein blitz: für uns ein zug von wunderstaben Sogleich ergriffen durch erhöhte gnade · Dann aber ach in stete nacht begraben .. Ich suche wieder die verwischten gleise. Der göttin schatten rastet auf der vase. O wärest wirklich du so gross und weise? Ich quäle mich in törichter ekstase. Triumph! du bist es · aus dem abendrote Getauschter blicke las ich meine trauer · Doch treu bekennend kamst du selber bote Und stolz war unsres bundes kleine dauer. GESPRÄCH Nie sei mir freude an den kalten ehren: Wenn königlich du deinen leib verbietest Den niedren mägden die ihn dreist ergehren Und deren du mit seufzen nur entrietest. Vergebens musst du ja die hände ringen Nach einem labetrunk aus hoher sfäre · O dass um selber ihn herabzubringen Dass einer mutter ich geboren wäre! Herr oder flehend mögest du mich laden · Es sollte mir kein doppel-rot entquillen · Ich würde dich in seidenwellen baden Auf schwerem purpur freudig dir zu willen. Doch so kann ich mit schattenkuss nur trösten Ich leichter wolke kind und lichter plane: Im chaos fragen · jubeln dem Erlösten Und dulden wie ich deine duldung ahne. BILDER DER INFANT Bei schild und degen unter fahlem friese Mit weissem antlitz lächelt der infant In dunklem goldumgürtetem oval. Nicht lang im damals unberührten saal Ein zwillingsbruder: kühle bergesbrise Sie war ein allzu rauher spieltrabant. Doch wird er selber nimmermehr bedauern Dass er zum finstern mann nicht aufgeschossen Wie der und jener an den nachbarmauern · Denn seligkeiten wurden ihm beschlossen: Wenn vor dem mond die glasgranaten blühn Dass eine lichte elfenmaid ihn hole · Er folgen dürfe oft in flug und fall Mit ihr dem treubewahrten seidenball Der rosenfarben und olivengrün Noch schimmert auf der eichenen konsole. EIN ANGELICO Auf zierliche kapitel der legende – Den erdenstreit bewacht von ewgem rat · Des strengen ahnen wirkungsvolle sende – Errichtet er die glorreich grosse tat: Er nahm das gold von heiligen pokalen · Zu hellem haar das reife weizenstroh · Das rosa kindern die mit schiefer malen · Der wäscherin am bach den indigo. Der herr im glanze reinen königtumes Zur seite sanfte sänger seines ruhmes Und sieger der Chariten und Medusen. Die braut mit immerstillem kindesbusen Voll demut aber froh mit ihrem lohne Empfängt aus seiner hand die erste krone. DIE GÄRTEN SCHLIESSEN Frühe nacht verwirrt die ebnen bahnen · Kalte traufe trübt die weiher · Glückliche Apolle und Dianen Hüllen sich in nebelschleier. Graue blätter wirbeln nach den gruften. Dahlien levkojen rosen In erzwungenem orchester duften · Wollen schlaf bei weichen moosen. Heisse monde flohen aus der pforte. Ward dein hoffen deine habe? Baust du immer noch auf ihre worte Pilger mit der hand am stabe?