ANHANG JUGENDDICHTUNGEN UND GEDICHTE IN FREMDEN SPRACHEN MONOLOG AUS GOETHES EGMONT IN VERSEN Du alter freund! du immer treuer schlaf · Fliehst du mich nun wie alle andern freunde? Wie senktest willig auf mein freies haupt Du dich hernieder · kühltest meine schläfe Du wie ein schöner myrtenkranz der liebe! Von waffen rings umgeben auf der woge Des lebens ruhte ich in deinen armen Leicht atmend · dem aufblühnden kinde gleich. Wenn stürme wild durch zweig und blätter sausten Wenn ast und wipfel knirrend sie bewegt Blieb doch der kern des herzens ungeregt. Was schüttelt dich nun? was erschüttert dir Den festen sinn? Ich fühls es ist der klang Der mordaxt die an meinen wurzeln nascht. Noch steh ich aufrecht · und ein innrer schauer Durchfährt mich. Ja sie überwindet · die Verrätrische gewalt · sie untergräbt Den festen stamm und eh die rinde dorrt Stürzt krachend und zerschmetternd deine krone ... Warum denn jezt der du gewaltge sorgen So oft gleich seifenblasen von dem haupte Dir weggewiesen hast · warum vermagst Du nicht die ahnung zu verscheuchen die in Dir tausendfach sich auf und niedertreibt? Seit wann begegnet furchtbar dir der tod Mit dessen wechselbildern wie mit allen Gestalten der gewohnten erde du Gelassen lebtest? – Auch ist er es nicht Der rasche feind dem die gesunde brust Wetteifernd sich entgegensehnt · der kerker Ist es · des grabes bild dem helden wie Dem feigen widerlich. Unleidlich war Mirs schon auf meinem polsterstuhle wenn Die fürsten in der stattlichen versammlung Was zu entscheiden leicht war überlegten Und zwischen düstern wänden eines saals Die balken seiner decke mich erdrückten. Da eilt ich fort sobald es möglich war Und rasch aufs pferd mit tiefem atemzuge Und frisch hinaus da wo wir hingehören Ins freie feld wo aus der erde dampfend Uns jede nächste woltat der natur Und durch die himmel wehend alle segen Des sternenreichs umwittern · wo wir gleich Dem erdgebornen riesen durch berührung Mit unsrer mutter kräftger auf uns reissen · Wo wir die menschheit ganz und menschliche Begier in unsern adern fühlen · wo das Verlangen vorzudringen zu besiegen Zu haschen seine faust zu brauchen zu Besitzen durch die brust des jägers glüht · Wo der soldat sein angebornes recht Auf alle welt mit raschem schritt sich anmasst · Wo er in fürchterlicher freiheit wie Ein hagelsturm verderbenbringend streicht Durch wiese wald und des getreides wogen Nicht grenzen kennt die menschenhand gezogen. Du bist nur bild · erinnrungstraum des glücks Das ich so lang besessen · wo hat dich Verräterisch das schicksal hingeführt? Versagt es dir den nie gescheuten tod Im angesicht der sonne rasch zu gönnen Um dir im ekeln moder zu bereiten Den vorgeschmack des grabes? hauchet er Mich nicht aus diesen steinen widrig an? Schon starrt das leben · vor dem ruhebette Wie vor dem grabe scheut der fuss. – O sorge Die vor der zeit du schon den mord beginnst Lass ab · lass ab. – Seit wann ist Egmont denn Allein so ganz allein in dieser welt? Dich macht der zweifel fühllos nicht das glück. Ist die gerechtigkeit des königs der Du lebenslang vertraut · die freundschaft der Regentin die (du darfst es dir gestehen) Fast liebe war · sind sie auf einmal wie Ein glänzend feuerbild der nacht verschwunden Und lassen dich auf dunkelm pfad zurück? Wird an der spitze seiner freunde nicht Oranien wagend sinnen? wird ein volk Nicht mit anschwellender gewalt sich sammeln Und rächend seinen alten freund erretten? O haltet mauern die ihr mich umschliesst So vieler geister wolgemeintes drängen Nicht von mir ab! und welcher mut sich sonst Aus meinen augen über sie ergoss Der kehre rück aus ihrer brust in meine! O ja sie rühren sich zu tausenden Sie kommen stehen mir zur seite und Ihr frommer wunsch eilt dringend zu dem himmel Er bittet um ein wunder. Steiget dann Zu meiner rettung nicht ein engel nieder So seh ich sie zu lanz und schwertern greifen. Die tore spalten sich die gitter springen Die mauer stürzt von ihren händen ein Und Egmont steigt dem tagslicht froh entgegen. Wie manch bekannt gesicht empfängt ihn jauchzend. Ach Klärchen wärest du ein mann · nicht fern Bliebst du · du brächst zuerst die schranken Und was ich ungern dankte einem herrn Ich hätte dir die freiheit zu verdanken.