Dritter Gesang Schon schnitt aufs neu der Sonnenführer Den Zwischenraum der Endlichkeit Drey Jahre bis zur Dämmerung Der Götter ab, seit mein Halvard Vom Waffenblitz aus meinem Arm Weit nach Britannien hinweg Gewinkt, nach seiner Gegenwart Mich Schwermuthsvollen schmachten ließ. Einst, da ich einsam und verlassen, Wo ihn die Barke von mir stieß, Am Ufer irrt, und jeden Hauch Der Luft, der nach der Küste blies, Mit meinen Seufzern flügelte: Trat ein mir fremder kühner Mann Mit wildem Schritt zu mir heran. »Gieb mir die Goldharf! rief er stolz, Die dir Halvard zum Denkmaal ließ; Er gab sie dir, er nahm sie mir. Du überträfst mich nicht in Liedern, Wär nicht der Raub des Frevlers dein! Gieb mir die Goldharf, sie ist mein!« – »Nicht so! sprach ich mit ernster Stirn, Was mir mein Freund geschenkt, war sein, Ist itzt mein Stolz, mein Schmuck, mein Ruhm, Und wird dereinst mein Nachruhm seyn. O glaube mir, nicht der Besitz Der Goldharf ists, der Dichter macht. Erhebe dich, entzünde deinen Witz Mit Bragurs edler Glut, Fach auf dein träges Blut Streb' himmelan zu dringen, So wirst du besser singen!« Zur Wuth erhitzt und Funken sprühend Aus rothem Auge fodert er Zum Kampf des kurzen Speers mich auf: »Da soll, sprach er, der Rächer Frö Mit warmem Blut die Wahrheit rächen.« »Da mag, sprach ich, Frö, der Gerechte, Die Wahrheit schützen, und mich rächen.« Der neugebohrne Tag entschlüpft dem Meer, Sträubigt rauscht von oben her Der Hahn Valholls, und kräht Sein kriegrisch Lied, und hebt den goldnen Kamm! Aus Heliars Palast tönt ihm Der Erde Hahngeschrey entgegen! »Auf! auf! zum Kampf aus später Ruh!« Ruft Gotlands Helden-Jugend uns zu. Schon treten wir mit Helmen angethan Auf die blutlechzende Todesbahn; Schon schließt sich um uns her die Schaar Der Richter, die durch weißes Haar Und langen Bart ehrwürdig war! Schon blinkt der Geir im Sonnenstrahl! Schon strömt die Purpur-Wunde! Schon öffnen Endils Wölfe Auf meinen Feind den giergen Schlund! Ach mir Unglücklichen! Da schlüpft Die Ferse mir im schwarzen Blut! Da stürz ich hin, und über mich Mein sterbender Feind! – Schmach, Wuth und Scham Begrub mich noch im Todes-Schlummer, Als mich ein jammernd Klaggeschrey Vom Oceane her erweckt. Ich seh, ich seh! – o Schauer! o Entsetzen! Ach, warum lebt ich, es zu sehn? – Ich sehe meinen Freund, den besten Der Menschen, meinen treuen Halvard, Der Freundschaft Urbild, itzt des Todes Bild, Im Schleyer der ewgen Nacht gehüllt. Zu meinen Füßen lag er, seufzte noch, Und hob die schwere Brust – Ihn hatte Sein eignes Schwert, zu eingedenk Des hohen Schwurs, gestürzt, da er Mich fallen sah – Ach! wehe, wehe, mir! Warum mußt ihn ein falscher Anblick trügen? Warum sein erster Anblick seines Freunds? Nicht darum war er, nach drey langen Jahren, Dem Busen seines Thorlaugs zugeeilt! – Ich warf verzweiflungsvoll Auf seinen Leib mich hin, verbarg Mein Angesicht in seine Brust, und schluchzte! »Ach nein, Halvard, du bist nicht todt? Nein! bey den Göttern, nein! du schlummerst nur! Es ist ein dichter Schlaf, der dich erquickt!« Umsonst! umsonst! Die lange Nacht Versiegelte sein Helden-Auge! Er war auf Ewig mir entschlummert! Man riß mich grausam aus des Todten Arm. Mit wildem und gebrochnem Blick schaut ich Zum Himmel! Da ermannt ich mich, Und sprach: Ich will dem theuren Mörder Ein Grabmaal baun, und seinem Hügel nah Ein Brand-Altar erbaun, zur Ehre Der Freundschaft! des Unsterblichen! Ich thats; mein letztes Opfer flammte Durch Wolken auf; ich schwung dreymal Mein Schwert, durchstieß mein brechend Herz, Und sank vergnügt auf seinen Holzstoß nieder. Die Schaar der Staunenden ließ meine Glieder Zur Asche glühn, und senkte dann, Dem Hügel meines Freunds zur Seite, Des Staubes Urn in diese Gruft, Der sie dieß zweyte Denkmaal weihte, Das freundschaftlich im heiligen Schatten Dem Wandrer süße Schwermuth winkt, Und zur Begeistrung ihn erhebt, Mein banger ahndungsvoller Geist Hielt bey dem frommen Schauspiel sich Nicht auf, und flatterte verfinstert Durchs unbegränzte Leere Dem Schatten des Geliebten nach.