Muckerlied Tagtäglich zehn Mal beten, Und Bibelsprüch' im Maul, Sonst hab' ich Nichts vonnöthen, Bin ganz erschrecklich faul. Ich war ein armer Schlucker, Hatt' kaum das liebe Brot, Da wurde ich ein Mucker: Nun hat es keine Noth! Bei jeder neuen Sitzung, Die unsre Bande hält, Da wird mir Unterstützung Durch baares, blankes Geld. Daß ich bin fromm geworden, Hat mir doch sehr gefrommt! Vielleicht daß noch ein Orden Mir in das Knopfloch kommt. Den Kopf gesenkt zur Erde Geh' ich des Morgens aus; Mit heuchelnder Geberde Tret' ich in's Kaffeehaus, Trink' Wasser dort mit Zucker Und werbe Fromme an: Kein Mensch ahnt, was ein Mucker Zu Hause saufen kann! Zu hohem Zins verleih' ich, Was ich beim Muckern spar', Und meine Seele weih' ich Herrn Jesu immerdar, Und den Gewinn notir' ich Im frommen Liederheft, Auf diese Weise führ' ich In Frieden mein Geschäft. Des Abends im Theater Sitz' ich mit gierem Sinn, Und schmunzle wie ein Kater Nach jeder Tänzerin; Mit meinem Operngucker Schau' ich nach Wad' und Brust; Ach lieber Gott! ein Mucker Hat auch so seine Lust! Dann schleich' ich still zur Klause, Da, wo mich Niemand sieht, Und nach dem Abendschmause Sing' ich ein frommes Lied, Recht laut: von heil'ger Stätte, Von Jesu, Glanz und Thron! Daweile macht mein Bette Die kleine Köchin schon. Ich preise die Regierung, Ich finde Alles gut; Ich fluche der Verführung Durch jetz'ge Freiheitsbrut; So leb' ich armer Schlucker Ganz heiter, Gott sei Dank! Und das Geschäft als Mucker Treib' ich mein Lebenlang.