An Frau von H–s, in Magdeburg 1789. Darf der noch vor dein Antlitz kommen, Der deine Liederchen, Mimi, So lang behielt, als hätt' er sie Mit sich hinab ins Grab genommen? Zum wenigsten, als hätt' er schon, Zu seinem wohlverdienten Lohn', In einem Zitadellgewölbe, Wie Schubert, längst nach Luft geschnappt, Und für die Freundin an der Elbe Nicht Feder und Papier gehabt? Ich lebe, war auch nicht gefangen, Gesund, trotz einem Tagedieb'! Noch mehr: Kein Tag ist mir vergangen, An dem ich nicht fünf Stunden schrieb. Um desto minder, wirst du sagen, Ist solch ein Aufschub zu verzeihn! So scheint es freilich wohl; allein Sey gütig, laß mein Leid dir klagen. Die Lust und Fähigkeit, zu reimen, Steht mir nicht zu Gebot wie Gleimen, Der Verse, wie die Tauben, lockt. Mag ich nach ihr mich zierend sehnen, Die Muse, gegen mich verstockt, Scheint mich noch obenein zu höhnen. Sie öffnet meine Stubenthür, Blickt spöttisch auf die Aktenfächer, Spricht achselzuckend: »Armer Schächer! Leb' wohl! da hast du viel Papier! Was brauchst du mich und Amors Köcher? –« Und husch! verschwindet sie vor mir. Ich, der der Freundschaft und der Minne, Nicht Fürsten, ihre Lieder sang, Noch lieber jetzt ein Herz gewinne, Als einer Hoheit reichsten Dank; Womit verdient' ich wohl die Strafe, Daß sie mir kalt den Rücken dreht, Ja! nicht einmal, wie sonst, im Schlafe Mir heitre Träum' aufs Lager weht? Dem Winzer gibt sie unter Reben, Der Harkerin, auf ihrem Grummt Am Abend singend, neues Leben, Ich, ich allein bin nur verstummt. Vielleicht indeß zu meinem Glücke! Sie mochte wohl zum voraus schaun, Mir sey, bei meines Dämons Tücke, Kein Saitenspiel mehr zu vertraun. Und wahrlich! Wer gleich Juvenalen, Die hohen Thoren seiner Zeit In ihrer Häßlichkeit will mahlen, Der gehe ja, eh' sie bezahlen, Dahin, wo kein Zensuredikt Die Wahrheit in der Wieg' erstickt, Sonst wart' er, bis er dahin rückt, Wo Lucian mit Juvenalen Sejanen dreist ins Auge blickt. Dank denn, o gute Muse! dir, Daß du seit Jahren hast geschwiegen, Noch nöthiger ist Ruhe mir, Als Geist zu Liedern und Vergnügen. Du, die Gelehrte streiten läßt, Und unverblendet von dem Schimmer Des Ruhmes, sich nicht Lob erpreßt, Wohl aber oft ein frohes Fest Den Musen gibt in ihrem Zimmer, Indeß der Mann das Wespennest Vom Aber- und vom Wunderglauben, Und von geheimen Orden stört: Sing' in versteckten Rebenlauben, Von deinen Freunden nur gehört, Das seltne Glück zufriedner Ehe, (Ein Sohn, wie Amor, sey dein Lohn!) Und weh' dem Kritikaster, wehe! Der einen falschen Semiton Dir aufzumutzen wagen könnte, Wenn alle Freund' ihn gern verzeihn. Das allerschönste der Talente Ist doch: der Freunde Herz erfreun!