An Madam Mumsen und Madam Voß Im Oktober 1778. Ihr wünschet, mich zu kennen? Wär' Hamburg nur von hier Drei Meilen, wollt' ich rennen, Daß kaum, selbst ein Courier Mir sollte folgen können. Allein, weil Euch von mir Sechs Herren Länder trennen, So würden schon fürwahr Die Sohlen wacker brennen, Durchstreift' ich nur ein Paar. Ich könnte freilich reiten; Doch ach! mein einzig Pferd Ist grade jetzt bei Leuten, Die es so lieb und werth, Als ihre Seele, halten. Denn wißt, als ich damit Vor kurzem nach Trialten, Ein Dorf bei Eger, ritt; Da fuhren zehn Husaren Wie Teufel auf mich ein! Ich, mit gesträubten Haaren, Jagt' über Stock und Stein, Allein die Herren waren Noch schneller hinter drein. Da ließ ich durch ihr Schrein: »Halt Schurke!« mich erbitten, Und stellte selbst mich dar, Eh' ich nach wenig Schritten Dazu gezwungen war. Wer hat, sprach ein Husar, Den Gaul Euch zugeritten? Der Hundsfott wäre werth, Daß er am Galgen hinge! Mein Seel'! ein braves Pferd! Wenn's unter mir – der Blitz! – Nur ein acht Tage ginge. Euch ist's den Teufel nütz! Steigt drum nur immer ab! Ich will's schon Mores lehren! – Kaum war ich denn mit Ehren Von meinem Pferd' herab, Als er die Sporn ihm gab, Und, ohne Abschied, husch! War er damit im Busch'. Bringt er es zugeritten In meinen Stall zurück, Will ich den Augenblick Bei Euch zu Gast mich bitten. Allein es lernt vielleicht Wohl erst in vielen Jahren Die Schule, vom Husaren: Drum wäre, wie mich deucht, Das sicherste: zu fahren, Eh' noch die Zeit verstreicht. Denn ach! ihr lieben Frauen! Wenn's manchem gleich so glückt, Wer kann dem Uhrwerk' trauen, Das uns im Herzen pickt? Ihr wißt ja, wie der Zeiger An unsers Lebens Seiger So hurtig weiter rückt! Man flickt daran und flickt, Bis daß die Zeit die Räder Mit einmal stehen heißt, Und, Knall und Fall! die Feder Zerspringt, die Kette reißt! Wohlan! da aufgeschoben So gut als aufgehoben Für einen Pilger ist, Dem, über dem Besinnen, Der Rost gemach von innen Das Triebwerk mürbe frißt: So muß ich wahrlich eilen, Ein Herz mit Euch zu theilen, Das bald in Staub zerfällt; Und sechs und dreißig Meilen Ist ja nicht aus der Welt! Die fahr' ich und mein Kober Voll schmaler Reisekost, Im spätesten Oktober Auf einer offnen Post, Und leid' auf meinem Sitze Dabei so ruhig Frost, Als einst auf seinem Rost' Der heil'ge Lorenz Hitze. Durch einen Kuß wird Euch Es leicht seyn, liebe Frauen, Wär' ich auch Eis, sogleich Mich wieder aufzuthauen. Der Kuß ist mir genug, Um Sporenstreichs zu kommen; Allein, wird mein Besuch Auch Euch, ihr Damen, frommen? Erwartung macht uns größer, Als wir am Ende sind. Daß sie nicht viel gewinnt, Wenn ihr die Schenken Schlösser, Und auf der See zwei Fässer Von fern zwei Schiffe sind, Ist klar; drum thu' ich besser, Ich schick' Euch selbst von Haus Den Maßstab gleich voraus. So fragt Euch denn nur immer: »Je! sollt' er das wohl seyn?« Tritt künftig in das Zimmer Ein Mann im Frack' hinein. Die Wahrheit Euch zu sagen: Er hat nur einen Rock. Müßt' ihn der Kuckuck plagen, Auf Reisen den zu tragen, Als hätt' er noch ein Schock. Auch schiebt es auf das Reisen, Wird man an seinem Haar' Von einem Kräuseleisen Kaum eine Spur gewahr; Doch hatt' er es im Grunde Schon immer an der Art, Daß er die Viertelstunde Gern für die Freude spart. Man sagt, es sey zu lesen Auf seiner Stirn' gewesen: Fort mit der Narrenbrut! Nur hat, das müßt ihr wissen, Sein Weibchen nicht geruht, Bis daß sie unter Küssen Die Aufschrift abgerissen; Was eine Frau nicht thut! Doch würd' er auch, ihr Lieben, Vom Kopfe bis zum Schuh', Euch von Gestalt beschrieben, Von Wesen noch dazu; Ja! wenn er selbst da stünde: Was wär' er? Nun! ein Ding Gleich jedem Menschenkinde, Das je im Fracke ging; Denn, einen Sonderling Haßt er wie seine Sünde. Kann etwas, ihn genau Zu schildern, ja noch taugen, So sind es seine Augen, (Wenn ich nicht irre, blau, Doch meinethalb auch grau,) Worin er, was ihn rühret, Und mißfällt, sehr genau Gleich selber registriret. Doch sollte so ein Mann Im Frack', mit solchem Auge, Gleich von der Thürschwell' an, Mit einer ganzen Lauge Von Witz und Reimerei Euch weidlich übergießen, So könnt Ihr sicher schließen, Daß das nicht Göckingk sey. Denn der wird sicher warten, Wovon Ihr lieber sprecht: Von Liedern oder Karten? In eines Freundes Garten Ist jede Blum' ihm recht. Doch, wenn nach einer Stunde Mein Mann noch immer schweigt, Wenn dann auf seinem Munde Sich noch kein Lächeln zeigt: So wird sich's nimmer zeigen, Und er ist nicht für Euch! Denn das ist ihm so eigen, Gleichgültig still zu schweigen, Wo Sympathie nicht gleich Die Herzen paart mit Herzen. An Freundlichkeit und Scherzen Wird er nur dann erst reich, Wenn sie der Etikette Den Marschallsstab zerbricht, Und ehe noch ein Licht Verbrannt ist, um die Wette Sich Rosenkränze flicht. Sonst ist er es für Fürsten, Und sollt' er ewig dürsten, Selbst bei Tokaier nicht. Sagt nur mit einem Blicke: »Mann! du gefällst uns wohl!« Wer ist, der dann im Glücke Sich ihm vergleichen soll? Denn was ist Glück? Als Freude, Die einem Mann' im Frack' Zuflüstert: diese Beide, Könnt' in dem reichsten Kleide, Kein Narr, mit seinem Sack' Voll Gold, ihn hochzuschätzen, Gewinnen; aber du, Darfst dich geradezu An ihre Seite setzen. O seliges Gefühl, Den Edlen zu gefallen! Du bist das große Ziel, Nach dem wir alle wallen! Dich haben, ist schon viel! Dich auch verdienen, ist Das seligste von allen! Wem du gegeben bist, Der siehet von dem Baum' 1 Der Krämer Schiff' im Hafen, Wird aber, ohne Traum Von Schiffen, ruhig schlafen. Wer dich hat, beugt dem Wagen Mit Sechsen, willig aus, Doch ist's umsonst, ihn fragen: »Sah nicht der Fürst heraus?« Wer dich hat, wahrlich dem Sitzt sein Gewissen, – treibe Das Glück sein Spiel! – bequem, Wie mir mein Frack am Leibe. Glück, ist der Klugheit Loos, Der Weisheit Loos, ist Freude! Ich sitze nicht im Schooß' Des Glücks, doch weil ich Beide Nicht gut vereinen kann, So halt' ich's mit der Freude. Bin ich nun Euer Mann? Fußnoten 1 Das bekannte Baumhaus in Hamburg.