An Benzler, in Lemgo An seinem Hochzeitstage, den 1. Mai 1775. Ein herrlich Ding ist's wahrlich doch, Das Leben ledig zu genießen! Der Sorgen hat man wenig noch, Man bringt nur eigene Capricen Und eigne Launen unters Joch. Gesetzt, man muß auch dann und wann Ein wenig Wermuth mit genießen; Ei nun! Ein Tropfen Freiheit kann Ein ganzes Maß voll Gram versüßen. Man ist ein König seiner Zeit, Und ein Gebieter der Vergnügen, Kann, nach Belieben, lang und breit, Und ungeneckt, im Bette liegen. Und statt daß Hänschen: wiege! schreit, Sich singend, nach Bequemlichkeit, Auf seinem Sopha selber wiegen. Wir sehen neue Hauben an, Und seufzen nicht: »Du armer Mann! Das wird dir wieder Thaler kosten!« Und lassen Schwanzdukaten 1 nicht Für künftige Studenten rosten, Denn unser Einer hält's für Pflicht, Die Weine selbst dafür zu kosten. Wir säen, und wir erndten nicht, Kein Faden Flachs wird uns gesponnen, Aus unserm Garten kein Gericht Von Bohnen, oder Kohl, gewonnen; Auf seinen Veilchen uns zu sonnen, Mehr wollen wir vom Garten nicht: Sag', ob uns dennoch was gebricht? Statt eines Knaben Steckenpferd Auf einem Stocke zu begleiten, Ist's wahrlich! doch nicht wenig werth, Sein eigen Steckenpferd zu reiten. Und du, o traute Einsamkeit! Du gute Mutter vom Studiren, Brauchst dich bei uns nicht zu geniren, Wo dich kein Wiegenlied bedräut, Kein Hänschen weint, kein Gretchen schreit. Wir dürfen keinen Narren schmeicheln, Und keinen Lotterbuben heucheln, Berangt, betitelt, wie sie sind! Wir segeln über Gold und Ahnen Hinweg, mit immer frischem Wind', Sind taub bei bellenden Chikanen, Und, zeigt der Neid die Zähne? blind. Frei von der Leber weg zu sprechen, Zu dienen, wenn der Dienst behagt, Wo nicht? die Fesseln, unverzagt, In jeder Stunde zu zerbrechen, Und: Mecum porto omnia! Wie jener Philosoph zu sprechen; (O! welcher Gatte spricht es da?) Das heißt der Freiheit Nectar schlürfen, Denn so viel Brod, als wir bedürfen, Wächst hinter jedem Berge ja! Die ganze weite Welt von Schönen, Ist unser! Eine findet man Doch immer, die es leiden kann, Daß wir nach Gegenlieb' uns sehnen; Und welchen Himmel hat man dann? Habt Ihr der Liebe schönste Stunden, Wie jeder von Euch Gatten spricht, Vor Eurem Hochzeittag' empfunden: Wie glücklich sind wir Andern nicht! Die eine Lieb' hat sich empfohlen, Die andre stellt sich wieder ein; Dann schlüpfen auch mit ihr, verstohlen, Der süßen Stunden mehr herein; Denn ach! ich sag' es unverhohlen, Die große Kunst, getreu zu seyn, Will wenig Jünglingen gelingen, Und Mädchen, selten oder nie! Denn ihre rasche Phantasie Hüpft, blindlings, unter tausend Schlingen Herum, und eh' wir's uns versehn, (Ich weiß ein Lied davon zu singen!) Ist's um den Springinsfeld geschehn. Die Eifersucht hat wenig Rechte, Wenn nicht der Trau-Altar sie gibt. Ein Mädchen, das mich heute liebt, Und das ich ewig lieben möchte, Wird morgen kalt, und ich betrübt. Ob ich mit ihr mich drum entzweie? Nein! fahre wohl, du Ungetreue! Weil's auch für mich noch Mädchen gibt. Doch, welcher Gatte hat das Ziel Der Ruhe, je so schnell gefunden? Entweder wird's zum Trauerspiel' Von etwa vier und zwanzig Stunden, Wo nicht; wenn sich die Jalousie, Wie Gift der Schwindsucht, heimlich nähret, Zu einer Tragi-Comödie, Die oft durchs ganze Leben währet. Doch laßt uns offenherzig seyn! Auch selbst das Herz des besten Gatten Ist doch nicht immer bloß von Stein. Ein neues Mädchen nimmt ihn ein: Gleich steht sein Weibchen dann im Schatten, Und seine Schön' im Sonnenschein'. Die Rosen, die entzückt ihn hatten, Saugt nun sein Auge nicht mehr ein, Denn diese Rosen sind ja sein! Die Rosen, die ihn jetzt entzücken, Verschönern sich zu seiner Pein, Denn ach! er darf sie niemals pflücken; Was kostet's da, getreu zu seyn! Treibt das Gewicht von seinen Jahren Noch nicht ein Trauring in die Höh', Wie trotzt der Jüngling den Gefahren Der Reisen, Schlachten und der See! Wenn er durch Liederchen sich früh Mit Finken munter pfeift und singt, Ist seine ganze Frage die: Was ihm der Tag für Freude bringt? Indeß aus traumbeschwertem Schlummer Nach einer halb verseufzten Nacht, Der Ehmann oft zu neuem Kummer, Nur nicht zu neuem Trost' erwacht. Ein Wolkenzug von Nahrungssorgen Macht ihm den hellsten Frühlingsmorgen Schwarz, wie die dicke Mitternacht. Was hilft's, wenn rund um ihn, in Hainen Und Auen, Baum und Blume lacht? Er wird nur seinen stillen Gram In Hain und Auen, lauter weinen, Wenn ihm der Tod den Liebling nahm, Der sonst, mit Blumen in den Händen, Und holder, unschuldsvoller Scham: Ob sie des Vaters Beifall fänden? Ihm, auf der Au', entgegen kam. Gern stirbt der Jüngling freilich nie, Doch das verzeiht man selbst dem Greise, Nur jener wiegt doch, sanft und leise, Sich in die letzte Lethargie. Seht aber hin auf jenes Lager! Beim kranken Gatten sitzt der Tod, Und bei der Gattin, blaß und hager, Der Hunger, welcher schon Verderben Aus seinen nackten Zähnen droht. Ist dieser Tod nicht schwer zu sterben, So schwer, wie eines Königs Tod? – – – Wenn ich, am ersten Ehetage, Nicht in dem reitzendsten Prospect' Die Ehe dir zu zeigen wage, So weiß ich, daß er dich nicht schreckt. Du aber, beste Fanny! schlage Die Augen auf, denn sieh! da fliegt Ein neuer Vorhang in die Höhe! Siehst du? wie blaß, wie mürrisch liegt Ein feiner Jüngling dort im Klee? Ach hör'! Er seufzt! Was seufzt doch er, Den noch die Sorgen nicht begleiten? Was seufzt er? daß sich um ihn her, Die Freuden, ihm zu dienen, streiten? Ich wette Tausend gegen Eins, Es geht ihm schier wie meinem Täubchen, Dem fehlt zwar der Vergnügen keins, Doch fehlt ihm alles, fehlt – sein Weibchen. Für zwanzig seiner Thaler hat Der Mann für keinen Groschen Freude. Er ist, eh' er noch kostet, satt; Denn wer nur seine Stubenfliegen Beim Nectar zur Gesellschaft hat, Wie kann selbst Nectar den vergnügen? Daß Niemand: Prosit! zu ihm sagt, Wenn er in seinem Zimmer nieset, Erträgt er noch wohl unbeklagt, Doch, daß er, wenn er schönes lieset, Den Wänden: das ist schön! nur sagt, Ich selbst erfahr's, wie sehr das nagt! Wenn vollends ein verdammter Schwarm Von Launen ihn verfolgt; und Grämen Und Haß, zur Flucht die Füße lähmen: Wo öffnet hurtig sich ein Arm, Ihn wider sie in Schutz zu nehmen? Der Arm des Freundes? Ja! vielleicht! Doch was kann selbst der Busenfreund, Als daß sein gutes Herz, erweicht, Bei Klagen seufzt, bei Thränen weint? Er ist, wie in die Welt geschneit. Sein väterliches Haus ist leer, Sein Vater, Mutter, sind nicht mehr, Und Brüder, Schwestern, sind zerstreut. So wie der Trinker in dem Schlauche, Sucht er bei dir, o Lieb'! Ersatz; Allein ein Mädchen ist ein Schatz Zum Ansehn bloß, nicht zum Gebrauche. Wie schwer, ihr Lieben, hält's, wie schwer, Ein schönes Röschen zu erblicken, Es anzusehn, und immer mehr Es anzusehn, und – nicht zu pflücken. Pflück' ich's? So bin ich ein Corsar; Wer hatte mir das Recht gegeben? Und pflück' ich's nicht? Ein braver Narr! Was quäl' ich denn umsonst mein Leben? Man sagt, es soll ein Mittelding, Platon'sche Liebe, glaub' ich, geben; Allein, so weit ich durch das Leben, An deiner Hand, Erfahrung, ging, Hab' ich's noch nie recht nah gesehen. Glück zu, dem Jäger, der es fing! Ich möchte selbst die Jagd verstehen. Zwar gibt es noch ein Mittelding, Allein als Jüngling das zu üben, Dazu gehört ein Sonderling; Denn wer kann leben, und nicht lieben? Doch setzt, man schleppt die Jugend hin, Und liebt, und liebt, bald die, bald jene: Reitzt man auch noch mit greisem Kinn' Und Beinen wie ein Storch, die Schöne? Ich mahlt' Euch gern das ganze Bild Des Hagestolzen, treulich aus, Wär's nicht vielleicht dereinst ein Schild Vor seines Mahlers eignes Haus. Doch laßt den ersten Umriß noch Mit diesem Seufzer mich beschließen: Ein traurig Ding ist's wahrlich doch, Das Leben ledig zu genießen. Und, so beschaut, wird, wie ich meine, Des Griechen Antwort richtig seyn. Nimm eine Gattin, oder keine, Es wird dich beides oft gereun! So ist's! das Glück hat immer Mängel; Die Freud' ist unstät auf der Erde; Allein der Mensch ist Mensch, nicht Engel, Damit er erst zum Engel werde. Sprecht, sollten sich nicht unterm Mond' Von Hundert, neun und neunzig schämen, Die oft, wer weiß warum! sich grämen? Sucht nur die Freude, wo sie wohnt, Dann sagt, ob's nicht die Müh' belohnt, Auch die Paar Jahre mit zu nehmen? Zum Beispiel' wähl' ich nur die Ehe, (Wovon ich, in Parenthesi, Vom Zusehn doch so was verstehe,) Wie viele Freuden hat auch die? Es ist doch süß, ein freundlich Weib, Nicht bloß die Lippen dran zu laben, Nicht bloß bei Tisch als Zeitvertreib, Nein, auch zum Busenfreunde haben. Man sagt, die Küsse nähmen bald, Zum wenigsten ihr Feuer ab; Der Zeitvertreib werd' endlich alt: Neu, bleibt der Geist nur, bis ins Grab, Und da wird auch das Herz erst kalt. Sie geht durchs Leben, Schritt vor Schritt, Gelassen, auf den spitzen Steinen, Und singend, auf dem Rasen, mit; Und sollte sie einmal auch weinen: Stark macht des Weibes Schmerz den Mann! Schon unter seinen Küssen scheinen Ihn ihre Sonnen wieder an. Die hundert tausend kleinen Freuden, Die er aus seinen Kindern küßt, Muß jeder Hagestolz beneiden, Wenn sein Gefühl so sein noch ist. Der Tag, an dem zuerst der Knabe: Papa! aus seinem Mündchen preßt, Der Tag, an dem er auf dem Stabe Zuerst sich reitend sehen läßt, Und der, an dem er, halb berauscht, Den Kapprock mit den Höschen tauscht, Ist für das Haus ein hohes Fest! Der Tag, an dem das kleine Mädchen Auf ihrem ringelreichen Rädchen, Den ersten dicken Faden spann, Und der, wo sie den Glockenschlag Schon auf französisch sagen kann, Ist für das Haus ein Gallatag! Und wird der Knabe nun zum Mann', Das kleine Ding, zur schlanken Schöne, So – – – Nehm' ich, zum Exempel, an, Daß ich dein Vater, Benzler, wäre: Vor Wonne trunken, rief ich dann, Viel lauter, als die Hochzeitchöre: »O seht doch meinen Sohn dort an, Und seine Braut! Bei meiner Ehre! Ein solches Mädchen kann ihm noch Das Leben, mir den Tod, versüßen!« Ein herrlich Ding ist's wahrlich doch Mit solcher Frau, es zu genießen! Fußnoten 1 Diese Dukaten, unter König Friedrich Wilhelm I. von Preußen geprägt, haben ihre Benennung von dem langen Haarzopfe an dem Bildnisse des Königs.