An Boie, in Hannover 1 Im Mai 1779. Wie nun? Gefällt Die kleine Welt Um Ellrich her, So gut von fern, Als nah, dem Herrn Stabs-Sekretär? Noch zwanzig Länder Mag er besehn, Und nirgend fänd' er Die Welt so schön. Allein verschwend' er Sein Lob nur nicht; Selbst ein Gedicht Voll Rühmens, wäre So lieb mir nicht, Als jene Zähre, Die vom Gesicht' Ihm auf der Spitze Des Berges rann, Wo ich, vom Sitze Auf Timian, Mein Paradies Ihm schweigend wieß. Dein Auge sah Sich brennend um; Wie sprühten da Nicht seine Funken Um mich herum! Du saßest trunken, Und starr und stumm, In dich versunken, Hier einen Park, Wie der von Vater Adam, zu schaun; Denn sind nicht traun! Vauxhall und Prater Dagegen Quark? Seit der Minute Wird sicherlich Von meinem Blute Der letzte Tropfen, O Freund, für dich Im Herzen klopfen. Denn ist es schon Ein schlimmes Zeichen, Wenn Harfenton Uns nicht erweichen, Der Talismann In deiner Kehle, O Philomele! Nicht fesseln kann: So ist der Mann Wohl ohne Zweifel Ein halber Teufel, Der gähnen kann, Wenn er den Park Mit Eins erblickt, Der bis aufs Mark Uns beid' entzückt. Doch, sey der Mann Kein Bösewicht, Mag, wenn er spricht, Sich selbst daran Die Wißgier laben: Mit allen Gaben, Mag ich ihn nicht Zum Freunde haben! Denn wär' er gleich Auch an Verstand Noch Eins so reich, Als jene Sieben In Griechenland, So mag ihn lieben, Wer im Gewühl' Der Autorschaft, Sich um Gefühl Und Lebenskraft Herum geschrieben. Was fing' ich an Mit einem Mann', Der keine Ohren Am Kopfe hat, Wenn vor den Thoren Der düstern Stadt, Die Nachtigall Im Busche singt, Der Wasserfall Nach ihren Tönen In Wirbeln springt, Und süßes Sehnen Ins Herz der Schönen Allmächtig dringt? Und wozu kann Ein Mann wohl taugen, Der grade dann Nur keine Augen Im Kopfe hat, Wenn ich auf Höhen Ihn führe, satt Sich hier zu sehen? Was fing' ich an Mit einem Mann', Der keine Nase Für Veilchen hat? Der Lagerstatt Im weichen Grase Zu sehr entwöhnt, Sich rückt und dehnt, Und sich nach Hause Aufs Sopha sehnt? Zu einem Schmause, Den die Natur Auftischet nur Für unser Einen, Lad' ich so keinen. Doch, wer, wie du, Noch Aug' und Ohren Nicht hat verloren, Der komm' herzu! Der soll dann schmecken Die Süßigkeit, Die keinen Gecken Das Herz erfreut, Auch keinen Weisen, Die gleich den Schnecken Nach Weisheit reisen, Gelehrsamkeit Zwar nach Vermögen Der Welt anpreisen, Doch ach! dagegen Zufriedenheit Kalt von sich weisen. Hat darum dir Im Tannenhain' Mein junger Wein So süß geschmeckt, Weil Wißbegier Dich frühe weckt, Und sich vor dir Kein Herz versteckt? Und sind denn wohl Des Harzes Beeren In deinem Munde Schon aus dem Grunde So Honigvoll, Weil du die Lehren Der Salze kennst, Und manche Stunde Der Kräuterkunde Auf Fluren gönnst? O Freund, fürwahr! Du hätt'st das Jahr, Worin mein Wein Am Niederrhein' Gekeltert war, Gewiß errathen, Wenn dir kein Feld Mit Büsch' und Saaten Sich dargestellt. Hannovers Beeren, Mein Trauter, wären Gerade wohl So Honigsüß, Als unsre Beeren, Wenn ich dich ließ' Ein Körbchen voll Im Paradies' Von Ellrich, leeren. Längst wär' ich schon Von Haus und Hof Und Amt entflohn; Doch, wenn's am Stoff' Zu Thränen mir Im Herbst' nicht fehlte, Im Winter schier Der größte Mangel Mich Armen quälte, Der dann, bald hier Bald da, den Angel Nach Freundschaft, ach! Umsonst warf aus: Ging ich zum Bach' Der Wies' hinaus, Und kam im Schimmer Des Mondes, immer Vergnügt nach Haus. O! vollends nun Mit einem Freund' Am Bache ruhn, Der dankbar weint, Daß Gott auf Erden Solch Paradies Uns Menschen ließ Zur Freude werden: Die Lieb' allein Nur ausgenommen, Kann nichts so frommen! Und Lieb' und Wein Verrauchen bald; Doch wenn ich alt Wie Nestor werde, Die Sympathie Mit Gottes Erde, Wird darum nie In mir erkalten, Und die Natur Mir neu erhalten. Gewinn denn nur Das große Loos Der Lotterie! Dann flieh, dann flieh, Und ruh' im Schooß' Der Freundschaft aus, Und, wo du, Freund, Entzückt geweint, Da bau' ein Haus! Ist das gebaut, So führe du Uns deine Braut Als Freundin zu; Dein Hochzeitschmaus Weiht dann das Haus Mit Becherklange, Mit Rundgesange, Mit Küssen ein; Das ganze Leben Soll eine lange Hochzeit nur seyn! – Glück! kannst du geben? Fußnoten 1 Nach einem Besuche, den er dem Verfasser, im Mai 1779. zu Ellrich gegeben hatte.