Gottfried von Straßburg Tristan und Isolde Gottfried Gottfried. Gedächte man Dessen nicht nach Werth, Der Gutes hat der Welt beschert, So wär es alles ohne Werth, Was Gutes wird der Welt beschert. Das, was der gute Mann für gut Und nur der Welt zu Gute thut, Wer das nicht nehmen will für gut, Dem sag ich, daß er übel thut. Ich höre schmälern oft und viel, Was man doch gerne haben will: Da ist das Wenige zu viel! Da will man, was man selbst nicht will! Ein Ding, das man vonnöthen hat, Soll finden eine gute Statt, Und loben soll es, wer es hat, So lang es einnimmt seine Statt. Theuer und werth ist mir der Mann, Der Gut und Uebel wägen kann, Der mich und jeden andern Mann Nach seinem Werth erkennen kann. Ehr, Gunst und Lob, die schaffen Kunst, Da Kunst geschaffen ist zu Gunst. Wo Ehre grünt mit Lob und Gunst, Da blühet jede Art von Kunst. Recht wie ein Ding zu Schanden geht, Das ohne Lob und Ehre steht, So wächst eins, das in Ehren steht Und um sein Lob nicht irre geht. Ich weiß so Manchen, der das treibt, Daß er das Gute zu Uebel schreibt, Das Uebele wieder zu Gute schreibt. Der treibt's nicht wohl: er hintertreibt! Clar leuchten, wie auf goldnem Grund, Das Urtheil und die Kunst im Bund. Doch tritt der Neid in ihren Bund, Da geht Urtheil und Kunst zu Grund. Ha, Tugend, wie so schmal dein Steg! Wie doch so kümmerlich dein Weg! Heil, wer ihn wandelt und weicht nicht weg Von deinem Weg, von deinem Steg! Trieb' ich mein Leben müßig hin, So reif im Leben, wie ich bin, Dann führ' ich in der Welt dahin Nicht also weltlich, wie ich bin. Ich wende an eine Unmüßigkeit Der Welt zu Liebe meine Zeit Und edlen Herzen zu einer Labe: Den Herzen, die ich im Herzen habe, Der Welt, zu der mein Herze hält. Nicht mein' ich ihrer Aller Welt, Nicht die, von der ich höre sagen, Sie könne nicht Noth noch Schwere tragen Und wolle nur in Freuden schweben; Die laß auch Gott mit Freuden leben! Doch dieser Welt und ihrer Art Bleibt meine Rede gern erspart. Ihr Leben und meines scheiden sich. Eine andre Welt, die meine ich, Die trägt im Herzen unentzweit Die süße Herbe, das liebe Leid, Die Herzliebe, die sehnende Noth, Das liebe Leben, den leiden Tod, Den lieben Tod, das leide Leben. Dem Leben sei mein Leben ergeben, Der Welt will ich mich weltlich zeihn, Mit ihr verderben, mit ihr gedeihn. Ich bin bei ihr bis heute blieben Und hab mit ihr die Tage vertrieben, Die mir in wehevollem Leben Lehr und Geleite sollten geben. Der halt' ich meine Unmüßigeit Zur Kurzweil und zur Lust bereit, Daß sie mit meiner Märe Ihr Weh und ihre Schwere Lindre zu halbem Theile Und ihre Schmerzen heile. Denn wer etwas zu treiben sinnt, Davon sein Sinn Unmuße gewinnt, Der entladet sorgehaften Muth, Das ist für Herzenssorgen gut. Es sagen Alle von der Ruh, Wenn einer müßig und dazu Mit sehnendem Schaden sei beladen, So mehre das den sehnenden Schaden. Bei sehnendem Leide Müßigkeit, Da wächst je mehr das sehnende Leid. Darum ist's gut, wer Herzensklage Und sehnende Noth im Herzen trage, Daß er mit allem Fleiße Den Leib zur Unruh weise, Darüber denn sein Herze ruht; Das ist dem Herzen mächtig gut. Doch geb ich nimmermehr den Rath, Daß, wer da Lieb im Herzen hat, Unmuße solcher Art erküre, Die reiner Liebe nicht gebühre: Ein Lied von Lieb und Leide Sei seines Herzens Weide, Er heg's mit Herzen und Munde Und sänfte so die Stunde. Nun aber ist ein Wort, das spricht, Und ich verwerf es wahrlich nicht, Das Herz des Sehnenden, je mehr Mit sehnenden Mären es verkehr, Je mehr daß es beschweret sei. Demselben Worte stünd ich bei, Nur daß Ein Ding die Rede schlägt: Wer innigliche Liebe trägt, So weh es ihm von Herzen thu, Sein Herz steht ihm doch je dazu. Der innigliche Liebesmuth, So er in seine Schmerzesgluth Je mehr und mehr sich giebet, Je mehr und mehr er liebet. Dies Leid ist also wonnevoll, Dies Uebel, das thut so herzewohl, Daß, wo es seine Bürde trägt, Kein edles Herz sich sein entschlägt. Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod, Und erkenn es an derselben Noth: Wer minnt mit edlem Sinne, Liebt Mären von der Minne; Darum, wer sehnende Mären will, Der fahr nicht weiter und steh hier still! Ich sing ihm Sehneschmerzen Von zweien edlen Herzen, Die reiner Liebe zugesagt: Der Minne Knecht, der Minne Magd, Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann, Tristan Isold, Isold Tristan. Ich weiß wohl, Viele sind gewesen, Die haben von Tristan gelesen: Sind ihrer doch nicht viel gewesen, Die haben recht von ihm gelesen. Thu aber ich dergleichen nun Und will noch etwas drüber thun, Als ob mir ihrer Aller Sagen Von dieser Märe thät mißbehagen, So red ich anders, als ich soll. Das thu ich nicht! Sie sprachen wohl, Und nur aus edlem Muthe, Mir und der Welt zu Gute. Bei meiner Treue! sie meinten's gut, Und was ein Mann in Güte thut, Das ist auch gut und wohlgethan. Aber, wie ich gesprochen han, Daß sie nicht haben recht gelesen, Das ist, wie ich euch sage, gewesen. Sie sprachen in der Richte nicht, Wie Thomas von Britannien spricht, Der Meister in Aventüren was Und in britannischen Büchern las Aller der Landesherren Leben Und es uns hat zur Kunde geben. Nun der von Tristan anders nicht Denn die Richte und Wahrheit spricht, Begunte ich mit Fleiße In Büchern beider Weise, Welsch und latein, zu trachten, Zu suchen und zu achten, Wie ich in seiner Richte Diese Märe dichte. So mußt ich's lange treiben, Da fand ich all sein Schreiben In einem Buche zu lesen, Wie dieses Abenteur gewesen. Was aber ich gelesen han, Und welch Gewand ich umgethan Der Märe, das leg ich mit Gebühr Allen sehnenden Herzen für, Daß sie durch Unmuße genesen: Es ist sehr gut für sie zu lesen. Gut? ja, es ist innig gut, Macht Liebe lieb, edelt den Muth, Stetigt Treue, reinigt das Leben; Es kann dem Leben wohl Tugend geben; Denn so man höret oder liest, Was von so reiner Treue sprießt, Da liebt ein treuer Mann die Treue Und andre Tugenden aufs Neue. Liebe, Treue und steter Muth, Ehre und auch manch ander Gut Ist nirgends ein so theurer Hort Und nirgends so daheim, wie dort, Wo man von Herzeliebe saget Und Herzeleid von Liebe klaget. Lieb ist selig vor allen Dingen, Ein also seligliches Ringen, Daß Niemand ohn ihr Lehre Noch Tugend hat noch Ehre: So vieles Glück als die Liebe bringt, So viel auch Tugend von ihr entspringt. O weh, daß alles, das da lebet, Nicht nach der werthen Liebe strebet, Daß ich so wenig finde Deren, Die ein herzlauteres Begehren Zu Freundesherzen wollen leiden, Nur um den armen Schmerz zu meiden, Der bei der Liebe zu mancher Frist Verborgen in dem Herzen ist. Wie litte nicht gern ein edler Muth Ein Uebel für tausendfaches Gut? Den Schmerz zahlt viele Freude ja. Wem nie von Liebe Leid geschah, Dem geschah auch Liebes von Liebe nie. Lieb und Leid, wann ließen die Im Minnen je sich scheiden? Man muß mit diesen beiden Ehre und Lob erwerben, Oder ohne sie verderben. Von denen diese Märe spricht, Hätten sie Leid von Liebe nicht, Von Herzenswonne sehnendes Klagen In Einem Herzen nicht getragen, So wär ihr Name und ihre Mär Manch edlem Herzen nimmermehr Zu Statten und zu Liebe kommen. Uns ist noch heute gern vernommen Und immer süß aufs Neue Ihr innigliche Treue, Ihr Lieb und Leid, ihr Wonn und Noth; Und sind sie auch schon lange todt, Ihr süßer Name, der lebet doch; Es soll der Welt zu gute noch Lange ihr Tod und immer leben, Den Treubegehrenden Treue geben, Den Ehrbegehrenden Ehre tragen, Ihr Tod muß sich zu allen Tagen Uns Lebenden lebend und neu erweisen; Denn wo man je noch höret preisen Ihre Treue, ihrer Treue Lauterkeit, Ihr Herzelieb und Herzeleid, Ist's aller edlen Herzen Brod: Hiemit so lebt ihr Beider Tod. Wer nun begehrt, daß man ihm sage Ihr Leben und Tod, ihr Glück und Klage, Der neige Herz und Ohren her: Er findet alle sein Begehr. Riwalin und Blancheflur Riwalin und Blancheflur. Ein Herr war in Parmenienland, Von Jahren jung, ein Kind genannt, Derselbe war, wie der Bericht Von seinen Abenteuern spricht, Wohl von Geburt der Könige würdig, An Lande Fürsten ebenbürtig, Von Leibe hold, den Schönsten gleich, Getreu und kühn und mild und reich; Und wem er Freude sollte tragen, Dem war der Herr in seinen Tagen Eine Freudespendende Sonne, Der Welt eine Wonne, Dem Adel eine Lehre, Den Magen eine Ehre, Und seines Landes Zuversicht; An Tugenden gebrach's ihm nicht, Die ein Herre haben sollte, Nur daß er zu ferne wollte In seines Herzens Lüsten schweben Und nur nach seinem Willen leben, Davon ihm auch groß Leid gedieh. Denn leider, so ist und war es hie: Aufblühende Jugend und volles Gut, Die zwei, die führen Uebermuth. Vertragen, was doch gar mancher Mann In hochgewaltigem Wesen kann, Daran gedacht er selten: Uebles mit Ueblem vergelten, Kraft erzeigen wider Kraft, Das war seine Eigenschaft. Nun geht es auf die Länge nicht, Wenn Einer mit Kaiser Karls Gewicht, Was ihm geschieht, vergelten will. Weiß Gott, der Mann muß mehr als viel An diesem Handel übersehen, Oder ihm muß großer Schade geschehen. Wer keinen Schaden ertragen kann, Dem wächst noch größrer Schaden an, Und ist ein unheilvoller Brauch; So fähet man den Bären auch: Der rächet jeden einzeln Schaden, Bis er mit Schaden wird beladen. Bei Jenem war's ein solches Spiel: Er rächte sich so oft und viel, Bis er davon den Schaden nahm. Daß aber er zu Schaden kam, Das kam von keiner Bosheit nicht, Davon doch Manchem Schade geschicht: Es kam von der Blindheit Der unmündigen Kindheit, Daß er in seiner blühenden Jugend Mit jugendlicher Herrentugend Wider sein eignes Glücke stritt; Die spielende Kindheit spielt ihm mit, Die in seinem Gemüthe Uebermüthig blühte. Er that so recht wie alle Kind, Die meistens ohne Fürsicht sind; Ihm kamen Sorgen nicht in Sinn, Er lebt und lebt und lebt so hin, Seit seines Lebens Licht anfing, Das wie der Tagesstern aufging Und in die Welt helllachend sah; Da wähnte er, was doch nie geschah, Daß er immer also sollte leben Und in der lebenden Süße schweben. Nein, seines Daseins Anbeginn, Der ging mit kurzem Dasein hin; Die morgenliche Sonne, Seines Lebens Wonne, Kaum ließ sie spielen ihren Schein, So fiel sein jäher Abend ein, Der ihm zuvor verborgen, Und löschte seinen Morgen. Wie aber er geheißen war, Das thut uns diese Märe dar: Die Aventüre nennet ihn Beim rechten Namen Riwalin Auch sonst Kanelengres vom Land. Von Vielen zwar wird er genannt König im Land zu Lohnoys, Dagegen Thomas uns bewies, Der's in den Aventüren las, Daß er vom Land Parmenien was Und hatte ein besondres Land Von eines brittischen Herren Hand, Und sollte dem sein unterthan; Derselbe hieß li Duc Morgan. Nun war der Herre Riwalin Mit großen Ehren wohl gediehn: Er trug die Sporn ins dritte Jahr Und hatte sich erworben klar Die ganze Kunst der Ritterschaft, Zu Streit und Orlog volle Kraft; Er hatte Land und Leut und Gut; Ob es nun Noth, ob's Uebermuth Erschaffen haben, weiß ich nicht: Wie seine Aventüre spricht, So griff er als einen schuldigen Mann Morganen, seinen Lehnsherrn, an. Er kam geritten in sein Land Mit so gewaltiglicher Hand, Daß er ihm die Macht verkürzte Und viele Burgen stürzte. Die Städte mußten sich ergeben, Mußten lösen ihr Gut und Leben, So lieb, so leid es ihnen was, Bis daß er auf die Letzt besaß An Gut und Gülten große Kraft, Damit er seine Ritterschaft So sehr verstärkt und mehrte, Daß, wo er hin sich kehrte, Es wären Burgen oder Städte Er viel nach seinem Willen thäte. Auch nahm er oftmals Schaden dran Und zahlte mit manchem guten Mann; Denn Morgan war auf seiner Wehr, Bestund ihn oft mit seinem Heer Und brach ihm ab von seiner Kraft. Denn zu Orlog und zu Ritterschaft Gehört Verlust so wie Gewinn; Darüber geht der Orlog hin: Verlieren und gewinnen, Das muß den Krieg verspinnen. Dasselbe that ihm Morgan wieder: Er warf ihm Städt und Burgen nieder Und brach ihm, weil sich das begab, An Land und Leuten vieles ab Und wollt ihn ganz verderben, Doch konnt er nichts erwerben; Denn immer aus dem Feld schlug ihn Mit großem Schaden Riwalin, Und trieb das also lang und viel, Bis er ihn brachte ans letzte Ziel, Daß er auf keinen Sieg mehr baute, Sich nicht mehr zu erhalten traute, Als nur in seinen Vesten, Den stärksten und den besten. Die belagerte Riwalin Und gab ihm aus voller Hand darin Zu bataljen und zu streiten, Und trieb ihn zu allen Zeiten Stracks zurück bis in das Thor, Auch hatte er oftermals darvor Turnier und glänzende Ritterschaft. So lag er ihm ob mit seiner Kraft Und hauste in seinem Lande Mit Raub und Mord und Brande, Bis daß der Herzog Frieden bot Und es erwarb mit aller Noth, Daß ihm gestattet ward, zu tagen, Ein Jahr die Fehde zu vertragen: Der Friede ward von Beiden Mit Burgen und mit Eiden Gefestet, wie es billig schien. Und also kehrte Riwalin Heim mit den Seinen, reich und froh; Aus milder Hand lohnt' er sie so, Daß er sie alle machte reich; Dann ließ er sie aus seinem Reich In Freuden und mit Ehren Wieder zur Heimath kehren. Nun es Kanelen so gelang, So dauert es darnach nicht lang, Bis daß er aber zu einer Fahrt Ergötzens halber schlüssig ward Und aber aus dem Lande ritt Und nahm gar großen Reichthum mit, So wie der Ehrbegierige thut. All das Geräthe und all das Gut, Das er gebrauchen wollte Und ein Jahr lang haben sollte, Das ward ihm in ein Schiff getragen. Er hatte vieles hören sagen, Wie voller Sitte und Ehre Der junge König wäre Von Kornewall Herr Marke, Der an Ehren starke, Der Kornewall und Engelland Beide hatte in seiner Hand. Durch Erbschaft war er Kornwalls froh, Um England aber stand es so: Das erhielt er jenesmales, Da die Sachsen von Gales Die Britten all vertrieben Und Herren vom Lande blieben. Von denen auch sein Name ist; Britannien hieß es vor jener Frist, Erobert aber, ward es genannt Nach denen von Gales Engelland. Nun die das Land besaßen Und unter sich vermaßen, Da wollten sie alle Königlein Und Herren für sich selber sein, Was ihnen allen schlimm gedieh; Denn alsobald begannen sie Zu kämpfen und sich zu morden stark Und befahlen endlich dem König Mark Sich und das Land zur Pflege. Seit war es ihm allewege So hold und unterthänig, Daß niemals einem König Ein Königreich gehorchte baß. Auch sagt uns die Historie, daß In allen Nebenlanden, Die unter Marke standen, Kein König werther war als er. Dahin war Riwalins Begehr: Ihm wollt er sich ergeben, Ein Jahr mit ihm verleben, In Züchten üben seine Jugend Und lernen neue Rittertugend, Daß seine Sitte würde fein. Sein edles Herz gab ihm das ein, Daß, wenn er fremder Sitten achte, Er seine eignen besser machte Und würde selbst erkannt daran. In solcher Weise hub er an: Er befahl so Leut als Land und Gut In seines Mareschallen Hut, Der hieß Rual li Foitenant; Er hatte seine Treu erkannt. Alsbald fuhr Riwalin zu Meer Mit zwölf Gesellen und nicht mehr; Ihm war genug an dem Geleit. Nun sich also verlief die Zeit, Daß er zum Lande Kornwall kam Und auf dem Meere allda vernahm, Daß Marke der werthe Zu Tintayol verkehrte, Beschloß er bald dahinzuziehn. Er stieg ans Land; da fand er ihn Und freute sich deß von Herzen sehr. Sich und die Seinen kleidet er Reich und wie ihm geziemte wohl. Nun, daß er kam gen Tintayol, Empfing ihn Mark, an Tugend reich, Gar tugendlich und fürstengleich, Und Alle wollten ihm dienen; Man bot da Riwalinen Ehr und Empfang im Saale, Daß er zu keinem Male Zuvor und auch an keinem Ort So hold empfangen ward, wie dort. Da spielten seine Gedanken froh, Und Hofessitte gefiel ihm so, Daß er im Stillen sprach zu sich: »Bei meiner Treu, Gott selbst hat mich Zu diesem Landgesinde bracht! Mein Glücke hat mich wohl bedacht: Was ich von Tugend und von Zier An Mark vernommen, ist alles hier. Sein Leben ist höfisch und wohlgethan.« Nun sagt er ihm sein Begehren an, Warum er kommen wäre. Als Marke seine Märe Und seinen ganzen Sinn vernommen, Da sprach er: »Gott und mir willkommen! Leib, Gut und was ich nenne mein, Das soll zu Eurem Gebote sein.« So ging es Riwalinen wohl Am Hof; der Hof war seiner voll: Er war bei Allen hochgeehrt, Bei Arm und Reichen lieb und werth, Wie nie zuvor ein Gast bei ihnen. Auch mocht er dessen wohl verdienen, Der tugendhafte junge Held: Er war und konnte aller Welt Mit seinem Leib und Gute, Mit seinem geselligen Muthe Getreu sein und zum Dienst bereit. So lebt' er in der Würdigkeit Und in der rechten Güte, Die er in sein Gemüthe Mit täglich neuer Tugend nahm, Bis König Marke's Hochzeit kam, Wozu er alles laden Vom Land und den Gestaden So mit Gebot als Bitte hieß. Wenn er den Seinen bieten ließ, So kam die Ritterschaft zu Hand Vom Königreich zu Engelland Und fuhr je einmal in dem Jahr Gen Kornwall, eine große Schaar. Dieselben brachten auf ihrem Ritt Gar viel der süßen Frauen mit Und manche andre Herrlichkeit. Nun war das schöne Fest bereit, Angesetzt und besprochen, Die blühenden vier Wochen, Wo der viel süße Mai einzieht, Bis daß er wieder von hinnen flieht, Bei Tintayol auf grünem Plan, Daß sich die Festgenossen sahn Auf einer wonnevollen Au, Wie sie kein Aug im Lenzesblau Zuvor gesehen oder seit. Die süße sanfte Maienzeit Hatte an sie mit süßer Hand Ihre süße Unmüßigkeit gewandt. Da waren kleine Waldvögelein, Die der Ohren Freude sollen sein, Blumen und Blüthen, Gras und Kraut, Und was das Auge gerne schaut, Was edle Herzen erfreuen soll, Deß war die Sommeraue voll. Man fand da, was man wollte, Was der Maie bringen sollte, Den Schatten zu der Sonnen, Die Linden bei dem Bronnen, Die sanften linden Winde, Die Marke's Hofgesinde Höfisches Kosen brachten. Die lichten Blumen lachten Aus dem bethauten Grase. Des Maien Freund, der grüne Rase, Hatte aus Blumen sich gemacht So wonnigliche Sommertracht, Daß sie die lieben Gäste Empfing mit eignem Feste. Der Bäume Blust sah Jedermann, Der süße, so süßlachend an, Daß Herz und Muth, befangen ganz, Sich an den lachenden Blüthenglanz Mit spielenden Augen machte Und ihm entgegen lachte. Das holde Vogelgetöne, Das selige, das schöne, Dem Herzen und dem Sinne Zu seligem Gewinne, Erfüllte mit Freuden Berg und Thal. Die wonnevolle Nachtigall, Das liebe süße Vögelein, Das immer soll gesegnet sein, Da sang aus blühenden Zweigen Mit solchem Lufterzeigen, Daß manches Herz, manch edles Blut Freude gewann und hohen Muth. Da hatte die Gesellschaft sich In hohen Freuden wonniglich Gelagert auf das grüne Gras, Wie eines Jeden Wille was, Wie eines Jeglichen Begehr Auf Freuden stund, darnach lag er: Die Reichen waren gelagert reich, Die Höfischen höfisch, Diese weich Auf Polstern, unterm Seidenzelt, Die unter Blumen im grünen Feld. Die Linde gab ein gnüglich Dach, Und Viele barg ihr Zeltgemach Mit blättergrünen Aesten. Von Hofgesind und Gästen Hat keiner noch geherbergt nie So wonniglich als bei Marke hie. Auch war da Vorrath aller Art, Was ziemt bei Festen, nicht gespart Von den Speisen und edlen Gewanden War alles da vorhanden, Und Jeglicher nach Wunsch versehn; Auch durfte Keiner leer ausgehn, Denn König Mark nahm ihrer wahr So reichlich, daß sie immerdar Lebten reich und waren froh. Nun erhob das schöne Fest sich so, Und was der gerne sehende Mann Zu sehen guten Muth gewann, Das ließ die Hochzeit wohl geschehn; Man sah hier, was man wollte sehn: Diese kamen, zu sehn die Frauen, Andre, um den Tanz zu schauen; Der sah den Buhurt in voller Schaar, Der sah tjostiren ein Ritterpaar. Wozu nur Einen sein Wille trug, Das fand er alles da genug; Denn Alle, die da waren In freudehaften Jahren, Beflissen sich in die Wette, Wer Freude brächt und hätte; Und Marke dem guten, Dem höfisch hochgemuthen, Ohn andrer Frauen Lieblichkeit, Die er an seinen Kranz gereiht, War vor den Schönsten allen Ein Wunder zugefallen, Das war seine Schwester Blancheflur, Ein Fräulein, daß auf keiner Flur So schöne Rose war geboren. Von ihrer Schönheit ward geschworen, Sie sehe kein lebendiger Mann Mit inniglichen Augen an, Der nicht davon noch größre Minne Zu Weib und Tugenden gewinne. Die selige Augenweide, Die machte auf der Haide Munter und keck manch junges Blut, Manch edles Herze hochgemuth. Dazu war auf der Aue Manch andre schöne Fraue, Die waren alle werth zu minnen, Der Schönheit reiche Königinnen, Und ließen alles auf dem Plan Freude und hohen Muth empfahn Und machten fröhlich Herz und Sinn. Darüber ging's zum Buhurt hin: Die Werthesten und Besten Von Hofgesind und Gästen, Die ritten hier und dort zur Schaar; Auch kam der werthe Marke dar Und sein Geselle Riwalin Nebst andrem Hofgesind um ihn, Die wollten sich auch befleißen, Sich also zu erweisen, Daß es würdig der Märe Und wohl zu loben wäre. Auch waren Rosse zur Stelle, Bedeckt mit Zendel und Pfelle, Die Decken gemacht mit großem Fleiß, Manche Schabrake schneeig weiß, Viele von rothen, andre von blauen, Gelb, braun, grünen Farben zu schauen, Diese von edler Seide gemacht, Jene geschlitzt mit mancherlei Pracht, Bunt gewirkt und parriret, So und so gefeitiret. Die Ritterschaft kam auf den Plan, Mit reichen Kleidern angethan, Die waren geschlitzt mit großer Zier. Auch ließ der Sommer schauen hier, Daß er auf Marke's Seite sei: Der wonnigen Kränzlein mancherlei Von Blumen sah man bei der Schaar: Die brachte er ihm zur Steuer dar. In diesem herrlichen Lenzesdampf Erhob sich herrlicher Ritterkampf: Die waren an einander sehr Und drängten sich allstets hin und her Und trieben das so lange fort, Bis sich der Buhurt zog zum Ort, Wo Blancheflur im Freien, Die Wunder-Ros' im Maien, Dazu manch andre schöne Frau Im Kreise saßen auf der Schau; Denn diese ritten so ehrenreich, So ritterlich, so kaisergleich, Daß es mit Lust manch Auge sah. Das Beste, was jedoch geschah, Das that der höfische Riwalin, Der auch fürwahr erlesen schien, Daß er an dem Ort und Tage Den Kranz vor Allen trage. Auch nahmen sein die Frauen wahr Und sagten, daß in der ganzen Schaar Niemand nach Rittersitte So leicht und trefflich ritte, Und lobten alle seine Zier. »Seht,« sprachen sie, »der Jüngling hier, Der ist ein wonnevoller Mann: Wie wonnig steht ihm alles an, Wie er sich trägt, wie er sich hält! Wie ist sein Leib nach Wunsch bestellt! Wie reimen so vollkommen sich Die edlen Beine königlich! Wie fest sein Schild zu aller Zeit An seiner Stelle liegt im Streit! Der Schaft, wie edel in seiner Hand! Wie wohl steht ihm all sein Gewand! Sein Haupt, sein Haar, wie wonnereich! All seine Gebärden, wie engelgleich! Wie minniglich sein ganzer Leib! O immer wohl dem seligen Weib, Das Freude an ihm erleben soll!« – Nun merkte ihr Aller Sinn gar wohl Blancheflur die gute, Der er in ihrem Muthe So gut als ihnen Allen, Der werthe Mann, gefallen. Sie hatte ihn in ihr Aug genommen, Er war ihr in ihr Herze kommen; Das blieb als Königreich fortan Dem Gewaltigen unterthan; Er saß mit Scepter und Krone Auf ihres Herzens Throne, Nur daß sie es so stille trieb, Daß es geheim vor Allen blieb. Als nun vorbei der Buhurt war, Auseinander ging die Ritterschaar Und Jeglicher sich wandte, Wohin sein Herz ihn sandte, Da kam es, daß von ungefähr Das Roß trug Riwalinen her, Wo Blancheflur die schöne saß. Gleich sprengt er näher durch das Gras, Und als er ihr in die Augen sah, Den Gottesgruß entbot er da: »A, Deus vus sal la bele.« – »Merzi,« dit la Puzele. »Dank!« sprach sie und fuhr schamhaft fort: »Der reiche Gott im Himmel dort, Der alle Herzen macht froh und reich, Der reiche Euch Herz und Muth zugleich! Gar tiefen Dank für den Willkommen, Und aber des Rechtes unbenommen, Das ich an Euch zu fordern han.« – »Ach, Süße, was han ich gethan?« Sprach Riwalin dagegen fein. – Sie sprach: »An einem Freunde mein, Dem besten, den ich je gewann, Habt Ihr mir Leides angethan.« – Ja, Herre, dachte er bei sich, Was Märe ist dies? und was han ich Gethan wider ihre Hulden? Was gibt sie mir zu Schulden? Er wähnte, ob er irgendwen Der Ihren, Diesen oder Den, Unwissend an der Ritterschaft Geschädigt durch des Armes Kraft, Davon ihr Herz voll Schwere Und ihm entrüstet wäre. O nein, der Freund, nach dem sie frug, Das war ihr Herz, in dem sie trug Von seinen Schulden Ungemach; Das war der Freund, von dem sie sprach; Doch nicht verstand der Ritter sie, Und mit gewohnter Courtoisie Sprach er gar minniglich zu ihr: »Schöne, ich will nicht, daß Ihr mir Haß oder argen Willen traget; Drum, ist es wahr, was Ihr mir saget, So richtet selber über mich: Was Ihr gebietet, das thu ich.« – Die Süße sprach: »Ob dieser Mär Hasse ich Euch nicht allzu sehr; Auch will ich Euch drum nicht Minne geloben. Ich will Euch aber baß erproben, Was ich für Buße soll empfahn Für das, was Ihr mir habt gethan.« Da neigt er sich und wollte gehn; Die Schöne, wie sie das gesehn, Seufzt ihn gar heimlich an und sprach Aus inniglichem Herzen: »Ach, Herzlieber Freund, Gott segne dich.« – Da erst begann es wissentlich Zu werden in der Beiden Sinn. Der junge Ritter ging dahin, Der sich Gedanken machte Und viel im Herzen dachte, Was Blancheflurens Schwere Und diese Märe wäre. Den Gruß und alles, was sie sprach, Den Segen und das viel süße Ach, All ihre Gebärden sah er an, Bis er so nach und nach begann Den Seufzer und den holden Segen Wohl auf der Minne Weg zu legen. Fürwahr, ihm kam die Zuversicht, Die zwei, die seien anders nicht Erzeugt, als nur durch Minne. Das entzündt auch seine Sinne, Daß sie hinwieder fuhren Und nahmen Blanchefluren Und führten die alsbald mit zu Hand In Riwalinens Herzensland Und kröneten sie ihm darin Mit Kron und Scepter zur Königin. Ja, Blancheflur und Riwalin, Der König, die süße Königin, Die theilten unter sich wohl gleich Der Herzen zwiefach Königreich: Das ihre ließ sie Riwalinen, Dagegen mußt ihr das seine dienen, Und wußte doch ihrer Keines nicht Von des Andern Dienst und Lehenspflicht. So hatte sich das sehnende Paar Einmüthiglich und recht fürwahr Mit Herz und Sinn in Eins verbunden: Da hat wohl Recht sein Recht gefunden. Sie lag ihm auch im Herzen Und mit denselben Schmerzen, Die sie um seinetwillen trug. Nun aber er noch nicht genug Von ihrem Sinne war belehrt, Nicht wußte, wovon sie war beschwert, Von Haß oder aber Minne, Das machte seine Sinne Noch stets in Zweifel schwanken: Er schwankte mit Gedanken Bald auf, bald ab, bald hin, bald her. Jetzt wollt er von dannen, in Sorgen schwer, Und auf einmal wollte er wieder dar, Bis daß er gar verfangen war In seiner Gedanken Schlingen Und konnte nimmer entspringen. Der herzenskranke Riwalin Erwies wohl an sich selbst hierin, Daß der sehnende Liebesmuth Recht wie der freie Vogel thut, Der in der Freiheit sich ergötzt, Auf den geleimten Zweig sich setzt: Wird er des Leimes innen, So will er wieder von hinnen, Da klebt er mit den Füßen schon, Nun regt er die Federn und will davon; Doch wo er nur berührt das Reis, Wenn noch so fern, wenn noch so leis, Da ist er gebunden, ist in Haft; So schlägt er denn mit aller Kraft Her und hin, und hin und her, Bis er mit seiner Gegenwehr Sich gar am Ende selbst besiegt Und festgeleimt am Zweige liegt. Recht in derselben Weise thut Der unbezwungene Jugendmuth In sehnender Gedanken Haft, Wenn Liebe an ihm ihr Wunder schafft Mit minniglichem Schmerze Da will das gefangene Herze Zu seiner Freiheit wieder, Doch zieht's die Süße nieder Der verstrickenden Minne. Da verwirrt es sich darinne So mächtig, daß es sich aus dem Bann Sich so, noch so befreien kann. Und also ließ sich Riwalin Von seinen Gedanken hinüberziehn Und verwirren in der Minne Zu seiner Königinne. Ihn hatte die Verworrenheit In wunderlichem Trug entzweit: Er wußte nicht, ob ihm ihr Muth Gesinnt war übel oder gut, Noch immer war es ihm nicht klar, Ob Haß ihr Sinn, ob Liebe war. Er konnte nicht Trost noch Zweifel sehen, Das ließ ihn nicht bleiben, ließ ihn nicht gehen. Trost und Zweifel führten ihn Ohne Ende her und hin: Trost sagt ihm Minne, Zweifel Haß, Und dieser Streit macht ihn so laß, Daß er mit gänzlichem Vertrauen Auf ihrer keines wollte bauen, Auf Haß, noch auch auf Minne. So gingen seine Sinne In dunkler Schwebe hin und wieder: Trost zog ihn auf, und Zweifel nieder. Er fand nichts Stetes an den zwei Dingen, Sie wollten nicht zusammen klingen: So Zweifel kam und that ihm kund, Ihn hasse Blancheflur, zur Stund Wankt er zurück und wollte fliehn. Alsbald kam Trost und trug für ihn Ihr Herz und einen lieben Wahn: Da war es um die Flucht gethan. Er wußte nicht, nach welchen Enden, Nicht hier, nicht dahin sich zu wenden. Je mehr er rang, davonzueilen, Je mehr ihn Minne zwang, zu weilen; Je stärker er von hinnen flog, Je fester ihn Minne rückwärts zog. So spielte sie mit ihm viel und lang, Bis doch der Trost den Sieg errang: Bis er den Zweifel gar vertrieb Und Riwalin versichert blieb Von Blancheflurens Minne: Da waren Herz und Sinne Einmüthiglich auf sie gewandt, Und galt hinfort kein Widerstand. Nun, daß die Minne mit süßem Schmerz Seine Sinne, sein junges Herz Zu ihrem Willen ganz gewandt, Das war ihm doch noch unbekannt, Welch wehevolle Märe Herzliche Liebe wäre. Da er nun ganz von Anbeginn, Wie es mit seiner Königin Ergangen war, betrachtete Und wohl auf alles achtete, Mund, Wange, Kinn und Stirn und Haar Und Schläfe sich wieder stellte dar, Den freudereichen Ostertag, Der lachend in ihren Augen lag, Da nahm ihn wahre Minne hin, Die echte Feuerzünderin, Die stieß ihr Sehnefeuer an, Das Feuer, davon sein Herz entbrann, Das seinem Leben zur selben Stund Offenbarlich machte kund, Was herzdrückende Schwere Und sehnende Sorge wäre: Denn er trat in ein ander Leben, Ein neues Leben ward ihm gegeben. Er wandelte, da ihm's geoffenbart, Seine Sinnen und seine Art Und war von Grund ein andrer Mann; Denn alles, was er jetzt begann, Da war ein wunderliches Wesen Und Blindheit viel darin zu lesen. Die angebornen Sinne, Die waren von der Minne So wild und unstet, so verkehrt, Wie es sein Uebermuth begehrt. An seinem Leben fraß das Leid: Von rechter Herzensfröhlichkeit, Der er sich sonst doch gern ergeben, Zog er sich ab mit Widerstreben. Schweigen, traurig und einsam sein, War seines Lebens Brod und Wein, Seit sein ganzes Gemüthe In sehnenden Nöthen glühte. So auch entging der sehnlichen Pflicht Die sehnende weiße Rose nicht; Die war auch mit demselben Schaden Durch ihn, wie er durch sie, beladen. Die Gewalthaberin Minne War auch in ihre Spinne Gar unversehn mit Sturm gekommen Und hatte ihr mit Gewalt genommen Den besten Theil von ihrer Ruh. Sie war wie umgetauscht im Nu, War weder sich selber noch der Welt Nach ihrer alten Art gesellt: Was ihr von Freuden wohl eh gefiel, Was sie erkor zu Schimpf und Spiel, Das war ihr alles ungenehm. Ihr Leben fügte sich nur nach dem, Wie ihr die Noth zuwog den Tag, Die schwer auf ihrem Herzen lag; Und alles, was sie leiden mußte, Das litt sie, ohne daß sie wußte, Woher dieß sehnliche Wehe kam, Von dem sie nie zuvor vernahm, Was sogethane Schwere Und Herzenssorge wäre; Und sprach gar oft und viel bei sich: »O weh, Gott Herre, wie lebe ich! Wie und was ist mir denn geschehen? Ich habe doch manchen Mann gesehen, Von dem mir nie kein Leid geschah; Und seit ich diesen Mann ersah, Seit ward mein Herz doch nimmermehr So frei noch fröhlich wie vorher. Dies Sehen, das mir hier geschehn, Wär's lieber blieben ungesehn! Es hat mir schweres Leid gesandt. Mein Herz, das keine Noth gekannt, Das ist davon versehret; Es hat mich ganz verkehret Dies Sehen an Muth und Leibe. Sollte jeglichem Weibe, Wenn sie ihn höret oder sieht, Geschehen, so wie mir geschieht, Und ist ihm solches angeboren, So geht durch ihn viel Huld verloren Und lebt er nutzlos als ein Mann. Wofern er aber zaubern kann Und hat durch seine Wissenschaft Dies fremde Wunder mir geschafft Und diese wunderliche Noth, So wär er ja viel besser todt, Und sollt ein Weib ihn nimmer sehn. Um Gott, wie ist mir von ihm geschehn So bitter Leid und Wehe! Ich sah doch wahrlich ehe Noch ihn, noch irgend einen Mann Niemals mit feindlichen Augen an Und hab auch Niemand je gehaßt: Womit verschuld ich nun die Last, Daß mir von Jemand Leid geschehe, Auf den ich mit Freundes Augen sehe? Was schelte ich aber den guten Mann? Er ist wohl gar unschuldig dran: Was ich von ihm und seinetwegen Mag Herzenssorgen nehmen und hegen, Das ist, Gott weiß, zu allermeist Was mich mein eignes Herze heißt. Ich sah bei ihm noch manchen Mann: Was kann er dafür, daß er's gewann, Daß vor den Andern allen Mein Sinn auf ihn gefallen? Da ich so manches edle Weib Von seinem kaiserlichen Leib Und seinem ritterlichen Preis Lobreden hörte, laut und leis, Als wie ein Ball wird umgeschlagen, Und alles von seinem Ruhme sagen, Auch jede Tugend, die man pries, Mein eignes Auge mich sehen ließ, Und als ich so ins Herze faßte, Was an ihm war von Glanz und Glaste, Damit verlor ich Sinn und Ruh, Und hiemit fiel mein Herz ihm zu. Fürwahr, das hat mich blind gemacht, Das war der Zauber, durch dessen Macht Ich mein so gar vergaß im Wahn. Er hat mir Leides nichts gethan, Der liebe Mann, von dem ich klage, Den ich mit Klagen im Munde trage. Mein kindisch meisterloser Muth, Der ist es, der mir Leides thut, Der ist's, der meinen Schaden will: Er will, und will doch allzu viel, Was er nicht wollen sollte, Wenn er bedenken wollte, Was Fug und Ehre schreiben vor. Nun aber sieht der blinde Thor Nur seinen eignen Willen an In diesem wonnevollen Mann, Auf den er in so kurzer Frist So ganz und gar gefallen ist. Und so mir Gott, ich wähne wohl, Wenn ich's mit Ehren wähnen soll, Und soll mich nicht der Rede grämen Und meines magdlichen Namens schämen, So dünkt mich, daß die Herzensklage, Die ich durch ihn im Herzen trage, Nichts andres sei als Minne. Dieß werd ich daran inne, Daß ich so gerne bei ihm wär; Und wie es auch steh um diese Mär, Es erwächst mir etwas Neues hier, Das spricht von Minne und Mann zu mir. Denn was ich all mein Lebenlang Von Frauen, welche Minne zwang, Und von der Liebe je vernommen, Das ist mir an mein Herze kommen: Der süße Herzensschmerze, Der manches edle Herze Peinigt mit süßen Schmerzen, Der liegt in meinem Herzen.« Nun, daß die Höfische, Gute Mit ganzem Sinn und Muthe In ihrem Herzen versichert war, So wie die Minnenden alle zwar, Daß ihr Geselle Riwalin Zur Herzenslust ihr sei verliehn, Daß er ihr Trost sei und ihr Leben, Begann sie die Augen auf ihn zu heben, Sah auf ihn, wo sie ihn konnte sehn, Und wo es die Sitte ließ geschehn, Ersah sie, wie sie ihn grüße Mit Blicken gar still und süße. Mit sehnlichen Augenstrahlen Sah sie ihn oftermalen Gar minniglich und gar lange an. Da aber das der minnende Mann, Ihr Freund, begunte zu merken, Da begunte ihn erst zu stärken Minne und Trost, der ihm sprach von ihr; Da erst entbrann seine Herzensgier, Nun sah er sie, die ihm's angethan, Kühnlicher stets und süßer an, Wie er sie niemals angesehn; Und ließ es Zeit und Ort geschehn, So grüßte auch er mit Augen dar. Als aber die Schöne ward gewahr, Daß er sie meinte, wie sie ihn, Da war ihr ganzer Kummer hin: Sie hatte immer gewähnt, daß er Gegen sie habe kein Begehr; Nun aber erkannte sie, daß sein Muth So innig stand zu ihr, so gut, Wie Lieb zum Liebe stehen soll. An ihr erkannt er das Gleiche wohl, Und das entzündet ihr Beider Begehr, Davon begunten sie hin und her Zu meinen sich und zu minnen Mit herzinnigen Sinnen. Da ging es ihnen recht, wie man spricht: Wenn Lieb in Liebes Auge sicht, Das ist dem Minnefeuer Eine wachsende Steuer. Nun Markes Fest zu Ende kam, Der Adel seinen Abschied nahm, Da hörte Mark die Märe, Wie daß ein König wäre, Sein Feind, geritten in sein Land Mit so gewaltiglicher Hand, Daß, wo er ihn nicht dämpfe zur Stund, So richte der ihm das Reich zu Grund, So weit er's überreite. Da ging's aufs Schierste zum Streite, Und Mark besandte ein großes Heer Und trat ihn an mit starker Wehr Und kämpfte, bis er den Sieg gewann, Und schlug und fing so manchen Mann, Daß, wer entkam ungeschlagen, Der konnte von Wunder sagen. Da fiel der edle Riwalin Von einem Speer getroffen hin; Er war durchstochen und so wund, Daß ihn die Seinen zur selben Stund Mit großem Jammer, bittrer Noth Wegführten aus dem Kampf halbtodt, Gen Tintayol ihn brachten wieder Und legten ihn da todtwund nieder. Alsbald erscholl die Märe, Kanelengres, der wäre Verwundet und im Streit erschlagen: Das gab ein jammervolles Klagen Am Hof und in dem ganzen Land. Wem seine Tugend war bekannt, Dem war sein Tod von Herzen leid. Sie klagten, daß solche Trefflichkeit, So schöner Leib, so süße Jugend, So vielgelobte Herrentugend So schnelle sollt an ihm vergehn Und ein so frühes Ende sehn. Sein Freund, der werthe König Mark, Beklagte seinen Tod so stark, Daß er noch nie um keinen Mann So schmerzensvolle Klage begann. Ihn beweinte manches edle Weib, Viel Frauen klagten um seinen Leib; Und wer ihn je zuvor gesehn, Den erbarmete, was ihm geschehn. Doch wem dies Leid am nächsten ging, Als man die Schreckenskunde empfing, Das war vor allen Eine, War Blancheflur, die Reine, Die Höfische, die Gute, Die in getreuem Muthe Mit Augen und mit Herzen Ihres Herzliebsten Schmerzen Beklagte dar und immerdar; Und wo sie nur alleine war Und ihrem Jammer Zeit gewann, Da griff sie sich mit Händen an, Da führte sie wohl manchen Schlag Dahin, dahin, wo ihr Wehe lag, Da, wo das Herz entgegenschlug, Da schlug die Schöne sich wohl genug. So quälte das viel süße Weib Den jungen schönen süßen Leib Mit also klagevoller Noth, Daß sie jedweden andern Tod, Der nicht von Minne wäre kommen, Für ihr Leben hätte genommen. Sie wäre gar verdorben Und in dem Leid erstorben, Nur daß ein Trost sie leben hieß, Eine Hoffnung sie nicht sinken ließ: Sie wollte durchaus den Wunden sehn, Auf welche Art es möchte geschehn, Und wenn sie ihn nur sähe, Was ihr hernach geschähe, Das wollte sie leiden williglich. Mit diesem Trost erhielt sie sich, Bis daß sie wieder zu Sinnen kam Und in Gedanken unternahm, Ihrem Leide zum Frommen, Wie sie möchte zum Liebsten kommen. Da kam ihr etwas in den Sinn: Sie hatte eine Meisterin, Die sie alle Zeit und alle Wege Behielt in ihrer Lehr und Pflege Und ließ sie kaum aus den Augen fort; Die nahm sie heimlich an einen Ort, Wo Niemand war als nur sie Beide, Da hub sie an von ihrem Leide, Wie sie immer thaten und noch thun, Aus welchen solche Schmerzen ruhn. Ihre Augen überwallten, Sie konnte die Thränen nicht halten, Die fielen heiß und bange Ueber die lichte Wange; Sie hatte die Hände verschlungen Und hielt sie flehend gerungen. »Mein Herz und mein Leben!« rief sie und sprach: »Ach,« sprach sie, »mein Herz und mein Leben, ach! Ach, du herzliebe Meisterin, Nun zeige mir deinen treuen Sinn, Der groß und herrlich in dir ist: Und nun du so auserlesen bist, Daß all mein Rath, mein einzig Gut Einzig auf deinem Rathe ruht, So klage ich dir mein Herzeleid Auf alle deine Seligkeit: Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« – »Nun, Fraue, was ist Eure Noth Und Euer jämmerliches Klagen?« – »Ei, Traute, und darf ich dir's denn sagen?« – »Ja, liebe Fraue, sprechet an.« – »Mich tödtet dieser todte Mann, Der von Parmenien, Riwalin; Gern, wenn ich könnte, säh ich ihn, Wüßt ich, wie ich's erwürbe, Eh denn er vollends erstürbe: Denn leider kann er nicht gedeihn. Magst du mir dazu hilfreich sein, So will ich dir nichts versagen In allen meinen Tagen.« Die Meisterin gedachte still: Wenn ich gestatte, was sie will, Was mag da Schaden erwachsen dran? Denn dieser todeswunde Mann Ist morgen oder noch heute todt: So hab ich doch in dieser Noth Meiner Frauen Leib bewahrt und Ehr Und bin ihr mehr und immer mehr Vor andern Weibern auserlesen. »Traut Fraue,« sprach sie, »liebes Wesen, Euer Weh ist mir von Herzen leid, Und wo ich Eure Traurigkeit Mit meinem Leben wenden kann, Da zweifelt, Fraue, nicht daran. Ich selbst will gehen zu ihm nieder, Ihn sehn und alsbald kehren wieder, Will die Gelegenheit erkunden, Wie man mag kommen zu dem Wunden, Und auch der Leute nehmen wahr.« – Nun trat sie mit Gebärden dar, Als ob sie seine Noth beklagte, Wobei sie heimlich zu ihm sagte, Ihre Herrin möchte ihn gerne sehn, Dafern er solches ließe geschehn Mit Fug und auch mit Ehren. Da stieg sie mit diesen Mären Wieder zu Blancheflur hinan. Sie nahm die Maid und legt ihr an Eines armen Bettelweibes Kleid. Ihr Angesicht voll Lieb und Leid Mit dichten Schleiern sie umwand, Nahm ihre Herrin bei der Hand Und trat den kranken Helden an. Nun hatte dieser, Mann für Mann, Die Seinen ausgetrieben Und war alleine blieben. Er sagte ihnen sein Gebot, Ihm thue Ruh und Stille noth. Auch sprach die Meistrin, wie sie schritt, Sie bringe eine Aerztin mit, Und erwarb, daß man sie zu ihm ließ. Das Schloß sie vor die Thüre stieß: »Nun Fraue,« sprach sie, »seht ihn an.« – Und sie, die Schöne, trat heran; Sie sah ihm in die Augen und sprach: »Ach,« sprach sie, »heute und immer ach! O weh, daß ich je ward geboren! Wie ist mein Trost so ganz verloren!« Ihr neigte Riwalin sich schwach, Weil es an Kräften ihm gebrach, Als einem todeswunden Mann. Auch sahe sie das wenig an Und nahm es unbekümmert hin: Sie setzte sich zu Riwalin Und legte still und bange Die Wange an seine Wange, Bis daß ihr aber, beide, Von Lieb und auch von Leide, Des Leibes Kraft von dannen wich; Ihr rosenfarbner Mund erblich, Auf ihrer Haut erstarben Die lichten Lebensfarben, Womit ihr Leib gezieret war. Da ward in ihren Augen klar So trübe wie die Nacht der Tag, So daß sie in der Ohnmacht lag Und ohne Sinne lange; Ihre Wange an seiner Wange Sah aus, als ob sie wäre todt. Und als sie nun aus dieser Noth Ein wenig wieder zu Kräften kam, Ihr Lieb sie in die Arme nahm Und legte den Mund an seinen Mund Und küßte ihn hunderttausend Stund In einer kleinen Stunden, Bis ihm ihr Mund entzunden Sinne und Kraft zur Minne, Denn Minne war darinne. Ihr Mund, der machte ihn freudenhaft: Ihr Mund, der brachte ihm eine Kraft, Daß er das kaiserliche Weib An seinen halb erstorbnen Leib Gar inniglich und nahe zwang. Darnach so währte es gar nicht lang, Bis daß ihr Beider Wille erging Und das viel süße Weib empfing Ein Kind von seinem Leibe. Da war er auch von dem Weibe Und von der Minne beinahe todt: Half ihm nicht Gott aus seiner Noth, So war es aus mit ihm gewesen, Doch Gottes Huld ließ ihn genesen. Also genas da Riwalin, Und Blancheflur, die ward durch ihn Entladen von einem Herzensschaden Und aber mit einem Schaden beladen: Groß Leid verlor sie an den Mann, Von dem sie größers noch gewann. Sie ließ die sehnende Herzensnoth Und trug mit sich davon den Tod: Die Noth sie mit der Minne vertrieb, Der Tod ihr mit dem Kinde blieb. Und dennoch, wie es ihr auch ging, In welcher Weise sie auch empfing Hie Frommen und dort Schaden, Entladen ward und beladen, So sah sie doch nichts anders an, Als die liebe Liebe, den lieben Mann. Ihr war nicht Kind noch Todesloos Bewußt in ihres Leibes Schooß: Minne und Mann war ihr bewußt; So that sie in rechter Lebenslust, Was der Lebende soll, der Minnende thut; Ihr Herze lag, ihr Sinn, ihr Muth An Riwalin alleine. Hinwieder lag auch der seine An ihr und ihrer Minne. Es trugen ihr Beider Sinne Nur Eine Liebe, nur Ein Begehr: So war er sie, und sie war er, Er war für sie, und sie für ihn: Da Blancheflur, da Riwalin, Da Riwalin, da Blancheflur, Da Eine treue Liebe nur. Ihr Leben war Ein Leben so, Sie waren mit einander froh, Erhöhten ihr Gemüthe, Das stand in Einer Blüthe; Und konnten sie zusammensein, Das war ihr Lebenssonnenschein, Da war ihr Herzensglücke voll, Da war es ihnen sanft und wohl, Da hätten sie ihr junges Leben Um tausend Kronen nicht hergegeben. Jedoch nicht lange, so ging's zu Leid: Denn in der ersten Freudenzeit, Da sie am besten lebten Und in der Wonne schwebten, Da kamen Boten zu Riwalin, Sein Feind Morgan sei wider ihn Mit großem Heer gebrochen ins Land. Auf diese Märe ward am Strand Ein Schiff für ihn bereit gemacht Und alsobald darauf gebracht, Was er bedurfte für die Reise, All sein Geräth, so Roß als Speise. Die minnigliche Blancheflur, Als sie die Jammermär erfuhr Von ihrem herzgeliebten Mann, Da fing ihr ganzer Kummer an: Vor Herzeleid es ihr geschah, Daß sie nicht hörte und nicht sah. Die Farbe an ihrem Leibe Glich einem todten Weibe. Aus ihrem Munde sprach das Weh Nur das viel arme Wort: »O weh!« Das sprach sie und kein andres Wort. »O weh!« so sprach sie fort und fort: »O weh nun, Minne, o wehe, Mann! Wie habt ihr mich gefallen an Mit Mühsal und mit großem Leid! Minne, der Welt Unseligkeit! Da an dir so kurze Freude ist, Da du so wankend und unstet bist, Was minnet all die Welt an dir? Ich sehe doch wohl, du lohnest ihr So, wie der Falschgesinnte thut: Dein Ende, das ist nicht so gut, Als du der Welt verheißest, Wenn du sie lockst und reißest Durch kurze Lust zu langem Leid Deine verlockende Trüglichkeit, Die in so falscher Süße schwebt, Die trüget alles, was da lebt. Das zeigt sich nun an meiner Pein Was meine Freude sollte sein, Das läßt mich nichts erwerben Als Herzleid und Verderben. Mein Trost fährt hin und läßt mich hie.« Nun ihr Herz also Wehe schrie, Trat ihr Geselle Riwalin Mit weinendem Herzen zu ihr hin Und wollte nehmen Urlaub von ihr. »Fraue,« sprach er, »gebietet mir: Ich soll und muß zur Heimath fahren. Euch Schöne möge Gott bewahren! Bleibt immer glücklich und gesund!« – Und abermals verblich ihr Mund, Und aber von der Herzensnoth Fiel sie in Ohnmacht und für todt Vor ihm in Schooß der Meisterin. Ihr Sehnegenosse Riwalin, Da er das große Leid ersah, Das seiner Blancheflur geschah, War er als treuer Gesell bereit: Er nahm auf sich ihr sehnend Leid Und theilte es mit ihr inniglich. Die Farbe auf seinem Gesicht erblich, Mit klagenden Gebärden Setzt er sich traurig zur Erden; Seine Kraft war ihm zerspalten, Kaum konnt er sich erhalten, Bis sie so weit zu Sinnen kam, Daß er sie süß hin zu sich nahm Und hielt das freudelose Weib Herzinniglich an seinen Leib Und küßte ihr viel und lange So Mund als Aug und Wange Und herzte sie beständig, Bis daß sie ward lebendig Und kam zu Sinnen und genas Und aufrecht von sich selber saß. Nun daß sie wieder zu sich kam Und ihren Freund bei sich vernahm, Da sah sie ihn mit Jammer an: »Ach,« sprach sie, »herzgeliebter Mann, Wie ist mir leid von Euch geschehen! Herre, wie hab ich Euch müssen sehen Zu so viel Leid und Herzensklage, Als ich in meinem Herzen trage Von Euch, von Euren Schulden. Dürft ich mit Gunst und Hulden Euch alles sagen, so möchtet Ihr Besser und freundlicher thun mit mir. Herre und Freund, gar mancherlei Ist dieses Leids, und vor allen drei, Die tödtlich und nicht zu wenden sind. Das eine ist, daß ich trage ein Kind, Deß weiß ich nicht zu genesen, Will Gott nicht mein verwesen. Das andere, das ist noch mehr: Mein Bruder und mein Herr, wenn er An mir ersieht dies Ungemach, Dazu auch seine eigne Schmach, So wird er mich verderben Und schmählich lassen sterben. Das dritte ist aber die größte Noth Und ist viel ärger als der Tod: Ich weiß wohl, wird sich's auch begeben, Daß mich mein Bruder lässet leben Und will mich nicht verderben, So wird er mich aber enterben Und wird mir nehmen Gut und Ehr, Da muß ich immer hinterher Unwerth und schlechtes Namens sein. Dazu muß ich mein Kindelein, Das einen lebenden Vater hat, Erziehen ohne Vaterrath. Und dennoch wollt ich nimmer klagen, Dürft ich die Schmach alleine tragen, Und ginge mein alt erlauchtes Haus Und der König frei, mein Bruder, aus, Und möchte er so des Hohns und mein Mit Ehren ledig und ohne sein. Wenn aber Alle, die da sind, Die Märe sagen, ich habe ein Kind Erworben kebslich, und geht der Schall Durch Engelland und durch Kornewall, So ist es für beide Lande Eine offenbare Schande. Und wehe, wenn ich das gewann, Daß man mich sieht mit den Augen an, Daß zwei Lande von Schulden mein Erniedrigt und bescholten sein, So wär ich Eine besser todt. Seht, Herre,« sprach sie, »das ist die Noth, Die immerwährende Herzensklage, In der ich alle meine Tage Ersterben muß mit lebendem Leib. Herr, helft Ihr nicht mir armem Weib, Und fügt's der milde Gott nicht so, So werd ich nimmer hienieden froh.« – »Traut Fraue,« sprach er da zu ihr, »Habt Ihr erworben Noth von mir, Die will ich büßen, so gut ich mag, Und Euch bewahren von diesem Tag, Daß Euch nicht Schmach noch Wehe Durch mich hinfort entstehe. Ich habe, mag was will geschehn, So gar viel Liebs an Euch gesehn, Daß es unbillig wäre, Wenn Ihr die ringste Schwere Mit meinem Willen solltet tragen. Fraue, ich will Euch alles sagen, Mein Herz und allen meinen Muth: Leid und Lieb, Uebel und Gut, Was Ihr genießen mögt und leiden, Davon will ich mich nimmer scheiden, Da will ich immer stehen bei, Wie groß auch unsre Mühsal sei. Ich biet Euch zweier Dinge Kür, Die leget Eurem Herzen für: Entweder bleib ich, oder ich fahr; Nun legt Euch selbst die Sache dar: Wollt Ihr, daß ich zu Tintayol Euer Geschick erwarten soll, Das sei. Geruhet aber Ihr Hinzufahren und heim mit mir, Ich selbst und alles, was ich han, Das ist Euch immer unterthan. Ihr habt mir Lieb erzeigt so viel, Daß ich's Euch wohl gedenken will Mit meinem Leib und Gute. Wie nun Euch sei zu Muthe, Fraue, dessen berichtet mich: Denn was Ihr wollt, das will auch ich.« – »Dank, Herre,« sprach die Schöne froh: »Ihr redet und bietet mir es so, Daß Euch Gott lohnen müße, Und daß ich Eure Füße Immer gerne umfahen soll. Freund und Herre, Ihr wisset wohl, Des Bleibens kann hier nimmer sein: Die Noth mit meinem Kindelein, Die kann ich leider nicht verhehlen, Als wenn ich trachte mich wegzustehlen: Das wäre mir der beste Rath Nach dem, wie sich die Sache hat. Freund, Herre, dazu rathet Ihr.« – »Nun, Fraue,« sprach er, »folget mir: Zu Nacht, wenn ich zu Schiffe geh, So richtet Ihr's, daß Ihr noch eh In aller Stille dar seid kommen, Daß ich, wenn ich Urlaub genommen, Euch dann im Schlosse finde Bei meinem Ingesinde. So richtet's: also muß es sein.« Darauf ging Riwalin hinein Zu Marke und sagte ihm Märe, Was ihm entboten wäre Von seinem Volk und seinem Land. Urlaub er nahm von seiner Hand, Darnach von all den Seinen; Die klagten um den Feinen, Daß er nie größere Klage sah, Als die allda um ihn geschah: Viel Segens ward ihm mitgegeben, Daß Gott ihm möge Ehr und Leben Nehmen in seinen Schirm fortan. Nun endlich kam die Nacht heran, Und als er zu seinem Schiffe stieß Und sein Geräthe laden ließ, Da fand er seine Frauen dort, Die schöne Blancheflur, an Bord: Alsbald hieß er die Segel spannen, Und also fuhren sie von dannen. Nun Riwalin zu Lande kam Und die viel große Noth vernahm, In welche Morgan ihn gebracht Mit seines Heeres Uebermacht, Seinen Marschall er besandte, An dem er Treue erkannte, An dem sein meister Trost noch lag, Der aller seiner Ehren pflag Ueber sein Volk und über sein Land: Das war Rual li Foitenant, Der Treuen und der Ehren Stab, Der nie gewankt von Treuen ab; Und dieser, dem es aus dem Grund Bekannt war, that ihm alles kund, Welch bittre Noth und Schwere Dem Land erwachsen wäre. »Doch,« sprach er, »daß Ihr in guter Zeit Zu Trost uns allen kommen seid Und Gott Euch wieder gesendet hat, So soll deß alles werden Rath, Und mögen wir noch wohl gedeihn; Wir müssen nur starkes Muthes sein, Die Angst und Noth geht bald dahin.« Dazwischen sagte ihm Riwalin, Was ihm mit seiner Blancheflur Wunder und Liebes widerfuhr. Deß ward er inniglich erfreut: »Herre,« sprach er, »wohl seh ich heut, Eur Ehre wächst auf jede Weis, Eur Würdigkeit und Euer Preis Und Eure Freude und Wonne, Die steiget wie die Sonne. Ihr könntet nie auf Erden Von einem Weibe werden So hohes Namens als von ihr. Derhalben, Herre, folget mir: Hat sie Euch Heil erwiesen, So laßt es sie genießen. Führen wir unser Ding hinaus Und wenden diesen harten Strauß, Der uns nun so zu schaffen macht, So richtet, Herre, mit reicher Pracht Eine herrliche Hochzeit an: Da nehmet öffentlich alsdann Vor Magen und Mannen sie zur Eh; Und rath ich, daß Ihr sie noch eh, Da es Pfaffen und Laien schauen, In der Kirche machen sollt zur Frauen, So wie der Christenbrauch begehrt: Womit Ihr denn Euch selber ehrt, Und Euch's in allen Euren Dingen Nur um so besser wird gelingen, Und wird Euch Ehr und Glück umfahn.« Nun, das geschah, das ward gethan, Der Rath ins Werk gesetzt vollkommen; Und als er sie zur Eh genommen, Befahl er sie von Hand zu Hand Dem getreuen Marschall Foitenant. Der führte sie gen Kanoel, Das war dasselbige Castel, Nach dem sein Herr, wie ich es las, Kanelengres geheißen was, Kanel nach Kanoel genannt; Und hatte der Marschall auch gesandt Auf dieses Schloß sein eignes Weib, Ein Weib, das dran gab Seele und Leib, Die Welt in weiblichen Treuen Mit Güte zu erfreuen. Der befahl er seine Herrin an Und machte ihr alles unterthan Und hieß sie pflegen fürstensam. Nun wieder Rual zum Herren kam, Beriethen sich die Beiden Und mußten sich entscheiden, Wie es um ihre Sachen stand. Sie schickten durch das ganze Land Und sammelten ihre Ritterschaft Und wandten ihre ganze Kraft Auf nichts als auf die Gegenwehr. So ritten sie mit ihrem Heer Morganen und den Seinen zu. Die blieben auch nicht in ihrer Ruh Müßig liegen vor Riwalin: Sie erwarteten und empfingen ihn Mit einem harten Gefechte. Hei, wie viel guter Knechte Fielen und starben durch Speer und Pfeil! Wie wenig blieben ihrer heil! Wie mancher Mann kam da in Noth, Und wie gar mancher lag da todt Und wund von ihrer Beider Macht! In dieser jammervollen Schlacht Ward der klagwerthe Held erschlagen, Den alle Welt wohl sollte klagen, Wenn Klagen und wenn Grämen Den Todten zu Nutze kämen: Kanelengres der gute, Der in fürstlichem Muthe Und Herrentugenden keinen Schritt, Nicht einen halben, rückwärts glitt, Der lag da jammerwürdig todt; Jedoch in aller dieser Noth Kamen die Seinen über ihn, Konnten ihn kaum dem Feind entziehn, Führten ihn klagend aus dem Feld Und begruben ihn als einen Held, Der nicht weniger und nicht mehr Als ihrer aller Glück und Ehr Mit sich zu seinem Grabe nahm. Daß ich nun viel von Leid und Gram Und ihrer Trauer sagte, Was ihrer Jeder klagte, Was sollte das? es ist nicht noth. Sie waren alle mit ihm todt An Ehren und an Gute Und an allem dem Muthe, Der guten Leuten sollte geben So Glück als freudevolles Leben. Es ist geschehen, so sei's forthin: Er ist todt, der gute Riwalin; Da gehört nun weiter nichts dazu, Als das Eine, daß man mit ihm thu, Was sich schickt mit einem todten Mann. Da schlägt nun doch nichts andres an: Man soll und muß sich sein begeben, Gott pflege sein im ewigen Leben, Der edler Herzen nie vergaß; Und geht die Märe nun fürbaß, Wie es mit Blanchefluren kam. Da die viel schöne Frau vernahm, Was ihr für Weh und Leid geschah, Wie stand es um ihr Herze da? Gott, Herre, da sollt du uns bewahren, Daß wir das je einmal erfahren! Ich habe keinen Zweifel dran: Gewann durch einen lieben Mann Ein Weib je tödtliche Herzensschmerzen, So waren sie all in diesem Herzen. Das war tödtlichen Leides voll. Vor aller Welt bewies sie wohl, Daß ihr sein Tod zu Herzen ging. In ihren Augen aber hing Nicht Eine Thräne bei all dem Gram: Ja Gott, Herre, wie das aber kam, Daß da nicht ward geweinet? Ihr war das Herz versteinet. Da war kein Leben drinne, Als nur die lebende Minne Und nur die viel lebendige Noth, Die lebend Kampf ihrem Leben bot. Klagte sie aber, nach ihrer Pflicht, Um ihren Herren? Nein, sie nicht: Sie verstummete zur Stunde, Die Klage starb ihr im Munde; Ihre Zunge, ihr Mund, ihr Herz, ihr Sinn, Alles zusammen war dahin. Die Schöne klagte kein Ungemach, Ihr Lippe sprach nicht Weh, nicht Ach: Stille sank sie dahin und lag In Qualen bis an den vierten Tag, Erbärmlicher als je ein Weib: Sie kreisete und wand den Leib So und so, her und dar, Und trieb das fort, bis sie gebar Ein Söhnlein mit viel großer Noth. Seht, das genas, und sie lag todt. O weh der Augenweide, Da man nach leidem Leide Mit leidigerem Leide Sieht leidere Augenweide! Sie, deren Ehre am Herren lag, Der er mit großen Ehren pflag, Dieweil und es Gott wollte, Daß er ihrer pflegen sollte, Die traf nun leider schweres Leid, Das übertraf das schwerste weit, Nun all ihr Trost, all ihre Kraft, Ihr Wesen, ihre Ritterschaft, Ihre Würdigkeit und ihre Ehr Dahin war ohne Wiederkehr. Er aber, er ist schön gestorben, Sie gar zu jämmerlich verdorben. Wie leidig auch der Schade war, Die Noth, die Land und Leuten zwar Von ihres Herren Tode kam, Es war doch nicht so klagesam, Als wie man diese quälende Noth Und diesen jammervollen Tod An dem viel süßen Weibe sah. Das schwere Leid, das ihr geschah, Beklage jeder edle Mann; Und wer vom Weib je Muth gewann Oder irgend will gewinnen, Der achte in seinen Sinnen, Wie leichtliches Mißlingen In sogethanen Dingen Den besten Menschen jäh entsteht, Wie leicht es ihnen zu Leide geht Am Herzen und am Leibe; Und soll er dem reinen Weibe Gnade vom reichen Gott erflehn, Daß sein Wille sei, ihr beizustehn, Ihre Hilfe, ihr Trost zu sein. Wir aber reden vom Kindelein, Dem Waisen, vater- und mutterlos, Was Gott mit ihm zu thun beschloß. Rual li Foitenant Rual li Foitenant. Trauer und stäte Treu, Nach Freundes Tode neu, Da bleibt der Freund stets neu, Das ist die größte Treu. Wenn Einer einen Freund betrauert, Wenn Treue nach dem Tode dauert, Das geht vor allem Lohne, Das ist der Treue Krone. Und diese Krone tragen, Wie uns die Mären sagen, Der Marschall und sein hohes Weib, Die Eine Treue und nur Ein Leib Beides gewesen vor Gott und Welt, Und deß ein Vorbild aufgestellt Vor Welt und Gott, zur Zeit der Noth, Da sie Beide nach Gottes Gebot Gänzliche Treu bewiesen Und sie nicht wanken ließen, Und hielten sie ohne Wende Bis an ihr Beider Ende. Sollte Jemand auf Erden Um der Treue willen werden Zum König oder zur Königin, Fürwahr, da taugten wohl diese hin, Als ich euch von den Beiden Wahrhaftiglich mag bescheiden, Was er und sie für Treu bewies. Als Riwalin sein Leben ließ Und Blancheflur begraben war, Da ging's dem Kind, das sie gebar, Dem Unglückskinde dennoch wohl Als einem, der vorwärts kommen soll. Der Marschall und die Marschallin Nahmen das kleine Waislein hin Und bargen's im Geheimen da, Wo keines Menschen Aug es sah. Sie sagten aus und hießen sagen, Die Herrin habe ein Kind getragen, Das sei in ihr und mit ihr todt. Da ward von der dreifachen Noth Des Landes Klage größer denn eh, Dreifache Klage, dreifaches Weh, Klage, daß Riwalin erstarb, Klage, daß Blancheflur verdarb, Klage auch um das Kindelein, Das ihr Trost und Freude sollte sein, Daß das verdorben wäre. Zu aller dieser Schwere Ging ihnen noch der Schrecken Vor Morgans Hand, des Recken, So nah als ihres Herren Tod; Denn dieses ist die größte Noth, Die man auf Erden haben mag, Wenn einem Manne Nacht und Tag Der Todfeind vor den Augen steht; Das ist die Noth, die nahe geht, Und ist wohl ein lebendiger Tod. In aller dieser lebenden Noth Ward Blancheflur zu Grab getragen. Viel Jammer und viel Weheklagen Erhob sich über ihrem Grab. Nun mögt ihr wissen kurz, es gab Des Jammers viel und nur allzu viel. Ich aber soll und kann und will Eure Ohren nicht beschweren Mit gar zu kläglichen Mären, Weil es den Ohren mißbehagt, Wo man zu viel von Klagen sagt; Das Beste nicht im Werthe bleibt, Sobald es Einer übertreibt. Darum so lassen wir langes Klagen Und fleißen uns, euch anzusagen Von dem verwaisten Herrenkind, Um das die Mären erhoben sind. In dieser Welt das Glücke Geht oft und viel zurücke, Und aber kommt's zurücke Wieder zu gutem Glücke. Der biedre Mann am bösen Tag, Wohin es ihn auch führen mag, Gedenke, wie ihm werde Rath: Dieweil und er das Leben hat, So soll er mit den Lebenden leben, Ihm selber Trost zum Leben geben. So that der Marschall Foitenant. Da es um ihn besorglich stand, So bedachte er mitten in der Noth Des Landes Schaden, den eignen Tod: Da ihm's gebrach an Waffenmacht, Er nicht vermochte mit einer Schlacht Sich wider den Feind zu fristen, So that er es mit Listen. Er brachte die Herren all zu Hand Aus seines Herren ganzem Land Und sprach und hieß die Waffen ruhn; Auch gab es ihnen nichts zu thun, Als flehn und sich ergeben: Sie ergaben Gut und Leben Zu Herzog Morgans Hulden; Haß, Mord und andre Schulden, Und was feindlich gehandelt sei, Das legten sie alles weislich bei, Und also erhielten sie Leut und Land. Der getreue Marschall Foitenant Fuhr heim und sprach sein hohes Weib Und befahl ihr an auf Seel und Leib, Sich in das Bett zu legen, So wie die Weiber pflegen, Wenn sie in Kindesnöthen sind; Und daß sie dann dasselbe Kind, Wenn's an der Stunde wäre, Mit allem Schein gebäre, Das Waisenkind von Riwalin. Die gesegnete Marschallin, Die gute, die stete, Die reine Florete, Weiblicher Ehren ein Spiegel rein, Rechter Güte ein Edelstein, Die war gar leicht zu dem gebracht, Was edel ist und Ehre macht: Sie stellte sich mit Sinn und Leib Zu Wehen an recht wie ein Weib, Die eines Kindes soll genesen. Ihre Kammer und all ihr Wesen Hieß sie zu heimlichen Sachen Richten und fertig machen; Und da sie alles kannte wohl, Wie man sich da gebaren soll, So ahmte sie Wöchnerinnen nach Und heuchelte groß Ungemach, Wehleiden an Seel und Leibe Und that gleich einem Weibe, Die solcher Zeit entgegengeht Und deren Wesen gänzlich steht Auf Nöthen, wie dergleichen sind. Da ward zu ihr gelegt das Kind Gar heimlich und verstohlen, Vor Jedermann verhohlen, Der Ammen einer nur bekannt. Bald ging die Märe durch das Land, Es liege der Weiber Krone Darnieder mit einem Sohne. Es war auch wahr, und that sie so: Sie lag allda des Sohnes froh, Der ihrer mit Sohnestreue pflag Bis an ihr Beider Endetag. Das süße Kind trug gegen ihr So süße kindliche Begier, Wie nur ein Kind zur Mutter soll, Und das war rechtgethan und wohl. Auch stellte sie auf ihn ihr Herz Mit Mutterlieb und Mutterschmerz Und hielt daran mit allen Treun, Als hätte sie ihn der Monde neun Unter dem Herzen getragen. Wir hören die Märe sagen, Es habe kein Paar nicht vor, noch seit Mit solcher Lieb und Lauterkeit Erzogen ihres Herren Sohn; Auch zeugt hernach die Märe davon Und läßt uns unverborgen, Wie väterliche Sorgen Und Mühsal, Angst und Leids genug Um ihn der treue Marschall trug. Tristan das Kind Tristan das Kind. Nun daß die Fraue gut und rein Der Noth genesen sollte sein Und sollte nach sechs Wochen, Wie den Frauen ist gesprochen, Mit ihrem Sohn zur Kirche gehn, Von dem die Worte sind geschehn, Nahm sie ihn auf die Arme hin Und trug ihn selbst mit holdem Sinn Zum Gotteshaus, wie ziemlich war; Und als sie christlich zum Altar Den Kirchgang angetreten Mit Opfer und Gebeten, Auch schönem Ingesinde, Da war dem kleinen Kinde Die heilige Taufhandlung bereit, Daß es das Zeichen der Christenheit In Gottes Namen empfinge, Wie ihm's auch dann erginge, Daß es doch immer wär ein Christ. Als nun, was Brauch und Sitte ist Beim Taufen, alles bereitet war, Da trat der Pfaff, der Täufer, dar Und fragte nach dem Kindelein, Wie denn sein Name sollte sein. Die höfische Marschallin sodann Ging und sprach heimlich mit ihrem Mann Und fragte, wie er wollte, Daß man es nennen sollte. Der Marschall, der schwieg lange, Der Name machte ihm bange; Er sann, was zum Geschicke Des Kindes wohl sich schicke. Unterdessen betrachtete er Des Kindes Märe von Anfang her: Recht, wie er sie vernommen, Wie alles war gekommen: »Seht,« sprach er, »Fraue, was ich vernahm Von seinem Vater, wie es kam Mit dem und seiner Blancheflur, Was Trauriges ihnen widerfuhr, Bis ihr liebender Wille an ihm erging, Wie sie in Trauer dies Kind empfing, Wie sie in Trauer genesen sein, So soll Tristan sein Name sein.« – Nun heißet Triste Traurigkeit, Und so von seiner Eltern Leid Ward Tristan dieses Kind genannt, Tristan getauft von Priestershand. Tristan von Triste sein Name hieß, Der ihm wohl eigen und schicklich ließ, – Doch ob er sich bewähre, Gebt Acht, das lehrt uns die Märe. Seht an, wie traurig war nicht das, Als seine Mutter sein genas! Seht, wie von Mühsal und von Noth Er schon so frühe ward bedroht, Seht, welch ein traurigliches Leben Ihm zu durchleben ward gegeben, Seht an den trauervollen Tod, Der alle seine Herzensnoth Mit einem Ende gar beschloß, Vor jedem Tode übergroß Und bitter über alle Gallen. Wer diese Märe hört erschallen, Erkennet, daß des Namens Klang Sich mit dem Leben wohl verschlang: Er war recht, was er hieß, ein Mann Und hieß recht, was er war, Tristan. Und wer nun hätte gern erkannt, Aus welchen Listen Foitenant Verbreiten ließ das falsche Wort, Es sei ihr junger Trost und Hort Von der Geburt und ihrer Noth In seiner todten Mutter todt, Dem sagen wir's ohne Scheue: Es ward gethan aus Treue. Er that's aus diesem treuen Muth: Er hatte Furcht vor Morgans Wuth: Erführe der vom Kinde, So verderbte er's geschwinde Mit schlauer oder blutiger Hand, Und wäre so verwaist das Land. Darum nahm der getreue Mann An Kindesstatt den Waisen an Und zog ihn auf als seinen Sohn, So schön, daß ihm die Welt zum Lohn Die Gottesgnade wünschen soll: Das verdiente er an dem Waisen wohl. Nun daß das Knäblein ward getauft, Christo nach Christenbrauch erkauft, Da nahm ihr liebes Kindlein hin Die tugendreiche Marschallin In ihre innige Pflege Und wollte alle Wege Sehen und selber achten, Ob sie es recht mit ihm machten. Die süße Mutter wachte gut Und nahm ihn in so süße Hut, Daß sie es nicht geschehen ließ, Daß er auch nur den Fuß anstieß. Und als sie das mit ihm getrieben, Bis daß er zählte der Jahre sieben, Und als er, wie ein Knabe soll, So Reden als Gebärden wohl Verstehen konnte und auch verstand, Nahm ihn sein Vater Rual zur Hand Und befahl ihn einem weisen Mann; Mit diesem sandte er ihn sodann Zu Landen fremden und fernen, Fremde Sprachen zu lernen, Vor allem der Bücher Wissenschaft, Die sollte er treiben mit aller Kraft Vor jeder andern Lehre. Das war die erste Schwere, Aus seiner Freiheit der erste Fall: Da trat er in den Bann und Schwall Der befangenen Sorgen, Die ihm zuvor verborgen Und vorbehalten waren. In den aufblühenden Jahren, Da seine Wonne sollte erstehn, Da er in Freuden sollte gehn, In seines Lebens Anbeginn War schon sein bestes Leben hin; Da er mit Freuden zu blühn begann, Da fiel der Sorge Reif ihn an, Der mancher Jugend Schaden thut, Und verdorrte ihm seinen blühenden Muth. In seiner ersten Freiheit schon Floh seine Freiheit all davon. Der Bücher Wissenschaft und Zwang War seiner Sorgen Uranfang; Und doch, wie er damit begann, Wandte er seinen Sinn daran Und seinen jungen Fleiß so sehr, Daß er der Bücher viel und mehr Erlernete in so kurzer Zeit, Denn je ein Kind vor oder seit. Zu beiden Wanderungen, Durch Bücher und durch Zungen, Verbrachte er seiner Stunden viel Mit jeder Art von Saitenspiel, Darauf er wandte so spät als früh Alle Emsigkeit und alle Müh, Bis daß er's konnte aus dem Grund. Er lernete zu jeder Stund, Heute dies und morgen das, Heuer wohl, übers Jahr noch baß. Ueber dies alles lernete er Mit dem Schilde und mit dem Speer Fest und behende reiten, Das Roß zu beiden Seiten Geschickt mit Sporen rühren Und frech zum Sprunge führen, Turnieren und leisiren, Mit Schenkeln sambeliren, Nach Ritterbrauch im Ritterspiel. Hiemit kurzweilt er sich oft und viel. Wohl schirmen, wacker ringen, Wohl laufen, tüchtig springen, Dazu auch schießen den Speeresschaft, Das that er alles nach seiner Kraft. Auch hören wir die Märe sagen, Birschen habe gelernt und jagen Noch nie ein Mann so wohl als er, Es wäre dieser oder der. Aller Arten höfisches Spiel Uebte er wohl und konnte er viel, Auch war er beschaffen am Leibe, Daß ein Jüngling vom Weibe, Nie herrlicher ward geboren; Sein Wesen war auserkoren An Sinn und Sitte zu jeder Zeit. Nun aber war die Herrlichkeit Durchwirkt mit Leide wundersam, Da er leider zu Mühsal ins Leben kam. Nun daß er vierzehnjährig war, So nahm ihn der Marschall wieder dar Und hieß ihn ziehen und reiten Zu allen Stunden und Zeiten Und wohl betrachten so Leut als Land, Auf daß ihm würde recht bekannt, Wie es stünde um des Landes Art. Das that der Knabe auf seiner Fahrt So löblich und behende, Daß an keinem Ende Zu keiner Zeit im ganzen Reich Ein Jüngling ward so tugendreich Erfunden als das Kind Tristan. Die ganze Welt, die sah ihn an Mit Freundesaugen und holdem Muth, So wie man billig Einem thut, Der seinen Sinn auf Tugend stellt, Untugend fremd und ferne hält. Das Schachzabelspiel Das Schachzabelspiel. Um diese Zeit von ungefähr Begab es sich, daß übers Meer Von Norweg dar ein Kaufschiff kam, Den Weg zum Land Parmenien nahm Und landete vor Kanoel, Vor jenem selbigen Castel, Wo der Marschall seit lang und fern Mit Tristan, seinem jungen Herrn, Und seinem ganzen Hause war. Nun daß die Fremden kamen dar Und hielten ihren Markt am Strand, Da ward es gleich bei Hof bekannt, Was da von Kaufrath wäre. Inzwischen kam die Märe An Tristan, nicht zu seinem Heil: Es seien allda Falken feil Und ander schönes Federspiel; Und ward des Redens also viel, Bis von des Marschalls Kindern zwei (Denn Kinder sind immer gleich dabei) Unter sich kamen überein, Daß sie Tristanden zu ihnen zwein, Ihren vermeintlichen Bruder, nahmen, Mit ihm zu ihrem Vater kamen Und baten diesen hoch und sehr, Daß er für sie, Tristanden zu Ehr, Der Falken etliche kaufen hieß; Was auch der edle Rual zuließ, Und wär es ihm gefallen schwer, Daß nicht alles ergangen wär, Was sein Freund Tristan erbat, Da er ihm mehr zu liebe that Und hielt ihn werther, den Einen, Als irgend einen der Seinen, Vom Lande oder Gesinde. Keinem eigenen Kinde War er gesinnt wie gegen ihn; Wodurch es klar vor der Welt erschien, Wie er vollkommener Treue pflag, Wie viel Tugend in ihm und Ehre lag. Gleich stund er auf und nahm Tristanden, Seinen lieben Sohn, zu Handen Und führte ihn hin mit sanftem Schritt; Die andern Söhne, die gingen mit. Auch fehlte das Hofgesinde nicht: Die gingen aus Lust und Die aus Pflicht Und folgten ihnen bis an den Kiel; Und was Jemanden da gefiel, Zu was ihn nur sein Wille trug, Das fand er da zum Kauf genug: Kleinode, Seiden, edel Gewand, Das war in Fülle da zur Hand, Auch gab es schönes Federspiel, Der edlen Pilgerfalken viel, Schmerle und Sperber warden, Habichte und Bussarden Gefunden da in großer Zahl; Auch Rothgefieder stand zur Wahl; Nichts, was man auf dem Markt nicht sah. Tristanden kaufte man allda Falken und Schmerlein; Und, ihm zu liebe, den Herrlein, Die seine Brüder sollten sein, Kaufte man auch, und so allen Drein, Was jeglicher begehrte. Nun daß man ihnen gewährte Das alles, was sie wollten, Und sie heimkehren sollten, Von ungefähr es da geschah, Daß Tristan in dem Schiffe sah Ein Schachzabel hangen, Am Brett und an den Spangen Gar schön und wol gezieret Und ganz nach Wunsch feitieret; Dabei Figuren, feine, Von edlem Helfenbeine Gedrechselt, wie man's selten findt. Tristan, das tugendreiche Kind, Schaute das Schachbrett fleißig an. »Edle Kaufleute,« sprach Tristan, »So Gott euch helfe, verstehet ihr Schachzabelspiel? das saget mir.« Und sprach's in ihrer Zungen. Da sahen sie den Jungen Aber noch fleißiglicher an, Der ihre Sprache zu reden begann, Die Wenige verstanden da. Nun begannen sie den Jungen nah Und näher zu betrachten, So daß sie alle bedachten, Daß sie noch keinen Jüngling sahn So schön gesittet, so wohlgethan. »Ja, Freund,« sprach einer von ihnen klug, »Ihrer sind unter uns genug, Die solche Kunst von Grund verstehn: Wollt Ihr, so mag es gar wohl geschehn. Wohl her, so will ich mit Euch dran.« – Tristan, der sprach: »Das sei gethan.« – Da setzten die Zwei zum Spiele sich. Rual sprach: »Tristan, nun will ich Wieder hinauf nach Hause gehn; Willst du hier bleiben, so mag's geschehn. Meine andre Söhne, die gehn mit mir: Drum bleibe dein Meister da bei dir, Und hüte dich an diesem Ort.« So ging der Marschall wieder fort Mit allem seinem Gesinde, Und blieb da bei dem Kinde Sein Meister nur, der seiner pflag, Von dem ich euch wohl sagen mag Für wahr, als uns die Märe spricht, Daß ein so höfischer Knappe nicht Und von so edler Herzensart In keinen Landen erfunden ward, Und war genannt der Kurvenal. Seiner Tugenden war eine große Zahl, So daß er Dem wohl zu Statten kam, Der auch von seinem Lehrer nahm Gar manche und schöne Tugend an. Das tugendreiche Kind Tristan, Der wohlgezogne Jüngling, saß Und trieb sein Spiel allda fürbaß Und spielte so höfisch und so fein, Daß all die Fremden insgemein Die Augen auf ihn wandten, In ihren Herzen bekannten, Sie hätten nie gesehn die Jugend Gezieret mit so mancher Tugend. Wie ihnen aber auch gefiel Seine Gebärde und sein Spiel, War's ihnen doch nur wie ein Wind: Das nahm sie Wunder, daß ein Kind So viele Sprachen bezwungen: Die floßen ihm von der Zungen, Wie sie es nie vernommen, So weit sie auch gekommen. Der höfische, hofgewohnte Knab Höfische Reden von sich gab, Und seine fremde Schachwörtlein Flogen behende zwischendrein; Die sprach er wohl, konnt ihrer viel: Damit so zierte er sein Spiel. Auch sang er, wohl zu preisen, Schanzune und künstliche Weisen, Sang so Refloit als Stampenie, Und alle solche Curtoisie Trieb er so viel und lange fort, Bis daß die Handelsleute dort Zu Rathe wurden unter sich: Könnten sie ihn durch einen Schlich Behalten und mit ihm entfliehn, So gewännen sie vielleicht durch ihn Großen Nutzen und viele Ehr; Da verweilten sie auch nicht mehr, Befahlen ihren Rudrern an, Sich zu bereiten Mann für Mann, Und zogen selber den Anker ein, Als sollte nichts geschehen sein. Da eilten sie und stießen ab So leise, daß weder der junge Knab Noch Kurvenal die List befand, Bis daß sie die Beiden von dem Strand Stark eine Meile fortgebracht; Denn Beide waren ganz bedacht Auf ihr Schachzabelspiel so sehr, Daß sie da an nichts andres mehr Als an ihr Spiel gedachten. Nun daß sie das vollbrachten, So daß Tristan das Spiel gewann Und er sich umzusehn begann, Da sah er wohl, woher der Wind. Nun würdet ihr auch kein Mutterkind Erschaun mit solchen Jammermienen. Auf sprang er und stand unter ihnen: »Edle Kaufleute!« sprach Tristan: »Um Gott, was fangt ihr mit mir an? Redet, wo wollt ihr hin mit mir?« – »Seht, Freund,« sprach einer, »Ihr seid nun hier; Niemand kann Euch davor bewahren: Ihr müßt mit uns von hinnen fahren. Seid ruhig und habet guten Muth.« – Da hob Tristan, das arme Blut, So jämmerliches Klagen an, Daß Kurvenal sein Freund begann Zu weinen mit dem Knaben, Sich also zu gehaben, Daß all das Kielgesinde Von ihm und von dem Kinde Unmuthig ward und sehr unfroh. Da schieden sie die leiden Zwo Und setzten Kurvenalen aufs Meer Im Kahn und gaben ihm nicht mehr Als ein Ruder und ein kleines Brod Für die Fahrt und die Hungersnoth, Und hießen ihn, daß er kehre, Wohin sein Gemüth ihn lehre; Tristen, der müsse mit ihnen fort. – Sie fuhren hin mit diesem Wort Und ließen ihn da lebend, In manchen Sorgen schwebend. Kurvenal schwebete auf der See; In mancher Weise war ihm weh: Weh über Unglück und Gefahr, Worin der junge Tristan war; Weh über seine eigne Noth, Die ihn bedrohte mit dem Tod, Weil er nicht konnte schiffen Und hatte es nie begriffen. Da sprach er jammernd so zu sich: »O weh, Gott Herre, was thue ich! So war ich noch in Sorgen nie. Nun bin ich ohne Leute hie Und kann doch selbst nicht fahren. Gott Herre, du sollt mich bewahren Auf diesem bösen Pfade, Ich will auf deine Gnade, Was ich nie begann, beginnen: Sei du mein Gefährte von hinnen!« – Damit griff er sein Ruder an, Zu fahren er mit Gott begann Und kam in kurzer Stunde, Mit Gottes Huld im Bunde, Nach Hause mit der Märe, Wie es ergangen wäre. Der Marschall und sein edles Weib, Die Beiden quälten ihren Leib Mit solchem Leid und solcher Noth, Läg er vor ihren Augen todt, Daß ihnen diese Schwere Nicht näher gegangen wäre. Und also gingen sie Beide In ihrem gemeinen Leide Mit alle dem Gesinde Nach dem verlornen Kinde Zu weinen überm Meeresgrund. Mit Treuen bat da mancher Mund, Daß Gott sein Helfer wäre. Da gab es manche Zähre: Sie klagten weh und klagten ach, Und als herein der Abend brach, So klagten sie vereinet, Die einzeln erst geweinet; Und als es an ein Scheiden ging, Da trieben sie nur dies Eine Ding: Sie riefen her, sie riefen dort Nichts andres als das Eine Wort: »Beas Tristan; curtois Tristant, Tun cors, ta vie a De cumant! Dein schöner Leib, dein süßes Leben Sei heute Gott dahingegeben!« Die nordischen Männer führten ihn Inzwischen allewege hin Und glaubten alles abgemacht, Als hätten sie an ihm vollbracht All ihren Willen und Begehr. Da widerschuf es alles Der, Der alle Dinge schlichtet, Schlichtend zurechte richtet, Dem Wind und Meer und jede Kraft Mit Beben dienen, wie er's schafft. Wie Der es wollte und Der's gebot, Erhob sich eine große Noth Von Sturmgewitter auf der See Da ward es ihnen Allen weh, Wußten sich nicht zu helfen mehr, Ließen das Schifflein gehn im Meer, Wohin es die wilden Winde trieben, War ihnen wenig Trost geblieben, Zu retten Leib und Leben: Sie hatten sich ganz ergeben An das viel arme Steuer, Das da heißet Abenteuer; Ja, Zufall führte das Gebot Ueber ihr Leben und ihren Tod. Ihr Wesen war nichts andres mehr, Als daß sie mit dem wilden Meer Aufstiegen in die Lüfte Und in Schlünde und Grüfte Wieder hinunterflogen. So trieben die tobenden Wogen Das Schifflein hin und wieder, Bald auf und bald darnieder, So daß auch von der ganzen Schaar Keiner zuletzt im Stande war, Sich auf den Füßen zu halten; Und ging es solcher Gestalten Acht Tage und acht Nächte lang. Da war es ihnen in diesem Drang Beinahe um Sinn und Kraft gethan. Nun sprach da Einer die Andern an: »Ihr Herren, so Gott mir stehe bei, Mir däucht, daß es Gottes Strafe sei, Wie wir in Aengsten leben Und kümmerlich lebend schweben Ueber den tobenden Gründen: Das ist uns von den Sünden Und Untreuen entstanden, Daß wir mit Raub Tristanden Haben geführt von den Seinen fort.« – »Ja,« sprachen sie Alle auf dieses Wort: »Sieh, so ist es, du redest wahr.« – Alsbald beschloß die ganze Schaar, Möchten sie Ruhe finden Vor Wasser und vor Winden, Daß, wo sie ans Ufer stießen, Sie ihn gar gerne ließen In Freiheit, wohin er wollte gehn; Und siehe, kaum war dies geschehn Und aller Wille geoffenbart, Da ward die kümmerliche Fahrt Gelindert noch in der Stunde; Still ward es auf dem Grunde, Der Wind war hingezogen, Da legten sich die Wogen, Die Sonne schien wie immer licht. Da weilten sie auch länger nicht; Sie waren vom Winde verschlagen In den acht Nächten und Tagen Nach Kornewall dem Lande, Und waren sie dem Strande Mit Einem Mal so nahe, Daß man das Ufer sahe. Da eilten sie, zu landen, Und nahmen sie Tristanden Und setzten den Knaben aus am Land, Gaben ihm ein Brod in die Hand Und andrer ihrer Speise ein Theil. »Freund,« sprachen sie, »Gott gebe dir Heil Und möge deiner pflegen.« – Sie boten ihm ihren Segen Und stießen ab, gesagt, gethan. Nun, wie gehabte sich Tristan? Tristan, der heimathlose? Ja, Da saß er und weinete allda; Denn Kinder können anders nicht Als weinen, wenn ihnen Leid geschicht. Der trostlose Verbannte Die Hände gen Himmel wandte Zu Gott mit inniglichem Flehn: »Ei Gott der reiche,« bat er den, »So reich als du an Gnaden bist, So viel als Güte an dir ist, Viel süßer Gott, so bin ich dich, Daß du erzeigest gegen mich Deiner Gnade Schein und Glast, Nachdem du es verhänget hast, Daß ich also verführet bin; Und weise mich doch wo irgend hin, Daß ich bei Menschen möge sein! Ich schaue rings in die Welt hinein Und sehe nichts Lebendes um mich. Die große Wildniß fürchte ich: Wohin ich die Augen wende, Da hat die Welt ein Ende: Wohin ich die Blicke kehre, Da sehe ich in das Leere, Sehe ein öd Gefilde, Alles wüste und wilde, Wilde Felsen und wilde See; In dieser Angst ist mir so weh. Ueber das alles fürchte ich, Wölfe und Thiere, die fressen mich, Nach welchem Ende ich gehen mag; Zudem so neiget sich der Tag Gegen die Abendzeit gar sehr. Ich darf nicht länger weilen mehr, Denn geh ich nicht von hinnen, So muß ich Schaden gewinnen; Verlasse ich diesen Ort nicht bald, So muß ich nächtigen in dem Wald, Und ist es dann um mich geschehn. Nun seh ich, daß hie bei mir stehn Hoher Felsen und Berge viel; Ich wähne, ich will ein hohes Ziel Erklimmen, so ich das vermag, Und sehen, dieweil noch scheint der Tag, Ob keine Wohnung vorhanden sei, Entweder fern oder nahe bei, Allwo ich Leute finde, Zu denen ich mich gesinde, Bei denen mir's möge wohl ergehn, Es möge so oder so geschehn.« So stund er auf und ging hinan. Rock und Mantel hatte er an Von einem Pfelle, der war reich Und an Gewirke wundergleich; Es war von Sarazenenhand Mit kleinen Börtlein dies Gewand Nach ausländischem Fleiße, Heidnischer Art und Weise, Durchwirket rings und mitten, Und also wohl geschnitten Nach seinem schönen Leibe, Daß man von Mann noch Weibe Adlige Kleider konnte nie Besser geschnitten sehn, als die; Dazu sagt uns die Märe, Derselbe Pfelle wäre Saftgrün, mehr als ein Maienplan, Gewesen, und das Futter dran Von Hermelin, so weiß und fein, Daß es nicht weißer konnte sein. Hiemit so machte er sich bereit, Weinend und voller Traurigkeit, Zu seiner mühevollen Fahrt. Er sah, sie war ihm nicht erspart, Zog seinen Rock, zu beßrem Lauf, Unter dem Gürtel ein wenig auf, Machte den Mantel zum Bündelein, Legte ihn auf sein Achselbein Und strich bergan, der wilden Fluh Durch Wald und durch Gefilde zu. Er hatte weder Weg noch Pfad, Als welchen er sich selber trat: Die Füße suchten ihm den Weg, Die Hände bahnten ihm den Steg; Statt Rosses nahm er Arm und Bein Zusammen, und über Stock und Stein Klomm er immer den Berg hinan, Bis daß er eine Höhe gewann. Da kam ihm ganz von ungefähr Ein wilder Waldsteig in die Queer, Dicht verwachsen mit Gras und schmal, Auf dem er jenseits schritt zu Thal. Der führte ihn gerade hin, In kurzer Weile bracht er ihn Auf eine schöne Straße Von gutem Ebenmaße, Breit und befahren hin und her. An diesem Wege setzte er Weinend zur Ruh sich nieder. Sein Herze trug ihn wieder Zu seinen Freunden und zu dem Land, Wo jeder Mensch ihm war bekannt. Da fiel ihn großer Jammer an; Jammernd er abermals begann. Gott zu klagen sein Ungemach; Er sah herzinnig auf und sprach: »Gott, Herre guter, erbarme dich! Wie haben Vater und Mutter mich Verloren! wie ist des Jammers viel! Weh, hätt ich mein Schachzabelspiel, Mein leidiges, gelassen! Ich will es immer hassen. Schmerle, Falken und Sperber, Gott sei ihr Verderber! Die raubten mich meinem Vater und Herrn, Um ihretwillen bin ich fern Von Freunden und Verwandten; Und Alle, die mich kannten Und gönnten mir mein Glück und Gut, Die haben alle schweren Muth Und sind nun sehr betrübt um mich. Ach süße Mutter, wie du dich Mit Klage nun quälst, das weiß ich wohl; Vater, dein Herz ist Leides voll; Ich weiß wohl, ihr seid Beide Sehr beladen mit Leide. Und o Gott Herre, wüßte ich doch, Daß ihr es wisset, daß ich noch Gesunden Leib und Leben habe, Das wär eine große Gottesgabe Euch Beiden und darnach auch mir. Zwar weiß ich freilich wohl, daß ihr Kaum oder nimmer werdet froh, Es füge denn Gott die Sachen so, Daß ihr Kunde von mir empfaht. Du aller Sorgenden Trost und Rath, Gott Herre, nun so füge das!« Unterdessen er also saß, In Nöthen tief und Klagen schwer, Da sah er aus der Ferne her Zween alte Waller gehen, Gottselig anzusehen, Betaget und bejahret, Bebartet und behaaret, Als wie die wahren Gotteskind Und frommen Waller meistens sind. Sie trugen, was ein Waller trägt, Und hatten an den Leib gelegt Linnenröcke und solch Gewand, Wie man es je bei Wallern fand, Und außen auf dem Gewande Muscheln vom Meeresstrande Und fremder Zeichen sonst genug. Ein Jeglicher von ihnen trug Einen Pilgerstab in seiner Hand. Ihre Hüte und Beingewand War alles nach ihrem Rechte. Auch trugen die Gottesknechte An den Schenkeln linnene Hosen, Die über den Knöcheln schloßen, Wohl handbreit ab vom Knöchel stunden Und waren fest ans Bein gebunden. Füße und Knöchel waren bloß So für den Tritt als für den Stoß. Ueber den Schultern trugen sie, Ihr Büßerleben zu zeigen hie, Geistlich gethane Palmen. Ihre Gebete und Psalmen, Und was sie konnten Gutes, Lasen sie frommen Muthes. Tristan, als er die Beiden sah, Zu sich selber sprach er ängstlich da: »Gnädiger Gott und Herre mein, Was wird aber mein Schicksal sein? Jene Männer, die dorther gehn, Haben sie etwa mich ersehn, So mögen sie mich wohl fahen.« – Nun sie begannen zu nahen, Da hatte er sie bald erkannt An den Stäben und am Gewand; Alsbald erkannte er auch ihr Wesen Und begann vom Schrecken zu genesen. Sein Gemüthe ward ein wenig froh; Aus vollem Herzen sprach er so: »Lob dir, gnädiger Herre mein! Dies mögen wohl gute Leute sein; Ich darf nicht Angst vor ihnen haben.« Gar bald geschah es, daß den Knaben Die Zwei vor ihnen sitzen sahn. Nun sie begannen ihm zu nahn, Mit Curtoisie er sprang empor Und hielt die Hände gefaltet vor. Alsbald begannen ihn die Zween Mit vielem Fleiße anzusehn Und nahmen seine Sitte wahr. Freundlich traten sie auf ihn dar Und begannen mit dem süßen Gruße ihn zu begrüßen: »De vus sal, beas amis! Viel lieber Freund, bedeutet dies, Gott möge dich erhalten.« – Er neigte sich vor den Alten: »Ei,« sprach er, »De benie Si sainte cumpanie! Solch heilige Genossenschaft Gesegne Gott mit seiner Kraft!« – Gleich sprachen ihm die Waller zu: »Viel liebes Kind, woher bist du, Oder wer hat dich daher gebracht?« Tristan, der war gar wohl bedacht Und besonnen für seine Jahre; Er diente ihnen mit andrer Waare: »Ihr Herren,« sprach er mit schlauem Sinn, »Von diesem Land ich gebürtig bin Und sollte reiten heute, Ich und andere Leute, Zur Jagd in diesem Walde hie. Da entritt ich, weiß selbst nicht wie, Den Hunden und dem Jagdgesind. Die der Waldstiege kundig sind, Die fuhren Alle baß denn ich, Denn ohne Steig verritt ich mich, Bis daß ich ganz verirret war. Nun nahm ich einer Fährte wahr, Die brachte mich zu einem Graben; Da begann mein Roß sich wild zu gehaben Und wollte immer hinab für sich. Am Ende lagen Pferd und ich Auf Einem Haufen darnieder; Und eh ich konnte wieder Aufkommen in den Bügel, Hatte es mir den Zügel Entrissen und lief zum Wald hinein. So kam ich an dies Fußweglein; Das hat mich daher getragen, Nun weiß ich nicht zu sagen, Wo ich bin und wohin ich soll. Nun, gute Leute, thut so wohl Und saget mir, wo wollt ihr hin?« – »Freund,« sprachen sie mit holdem Sinn, »Ist es der Wille unsres Herrn, So möchten wir heut Nacht noch gern Gen Tintayol in die Stadt gelangen.« – Er bat mit freundlichem Verlangen, Daß sie ihn ließen mit ihnen gehn. »Viel liebes Kind, das mag geschehn,« Sprachen die Waller auf seine Bitt: »Willt du dahin, so komm nur mit.« Er trat den Weg mit ihnen an, Und auf dem Gange da entspann Sich unter ihnen manches Wort. Das höfische Kind sprach fort und fort Und war mit Reden doch so klug, Daß er auf jedes Wort mit Fug, Sie fragten ihn dieses oder das, Das Rechte sprach im rechten Maß. Er wog auf seiner Wagen Sein Reden und Betragen, Daß mehr und mehr die Weisen, Die hochbetagten Greisen Auf ihn die Augen wandten, Mit großer Lust bekannten, Wie schön seine Art und Sitte sei, Wie wohlgethan sein Leib dabei. Auch seine Kleider, die er trug, Besahen die Beiden oft genug, Die däuchten ihnen schön und reich Und an Gewirke wundergleich; Sie sprachen in ihrem Muthe: »Ach, Herre Gott der gute, Wer und von wannen ist dies Kind, Deß Sitten so recht schöne sind?« – So gingen sie hin betrachtend, Auf all sein Wesen achtend, Und trieben die Kurzeweile Wohl eine welsche Meile. Die Jagd Die Jagd. Nun geschah's in kurzer Stunde, Daß seines Oheims Hunde, Des Königs Marke von Kornewall, Hatten bei lautem Hörnerschall, Wie uns die wahre Märe sagt, Einen zeitigen Hirsch gejagt; Der begann der Straße zu nahen, Ließ sich von ihnen fahen Und stund allda zu Bile: Seine Kraft, die war am Ziele, Von Sprung und Flucht dahingenommen. Nun waren auch die Jäger kommen, Umringten ihn mit Lärm und Schall, Zum Abfang blasend mit lautem Hall. Tristan, wie er den Bil ersah, Gegen die Pilger trat er da Und sprach mit klugem Munde: »Ihr Herren, diese Hunde, Den Hirsch und diese Leute, Seht, die verlor ich heute: Nun komm ich just zum Fällen. Dies sind meine Gesellen; Gebietet mir, dahin will ich.« – »Kind,« sprachen sie, »Gott segne dich, Und mögest du mit Frieden fahren.« – »Viel Dank, euch möge Gott bewahren,« Sprach er mit holden Mienen. Er neigte sich vor ihnen Und ging hinweg, zum Hirsche dar. Nun dieser abgefangen war, Der Jägermeister zu ihm stund Und streckte ihn nieder auf den Grund, Auf alle Viere, recht wie ein Schwein: »Wie nun, Meister, was soll dies sein?« Rief da der höfische Tristan: »Laßt ab, um Gott, was fangt Ihr an? Zerwirkt man Hirsche auf diese Art?« – Der Jäger stand auf und strich den Bart, Er sah ihn an und sprach dazu: »Wie willt du, Kind, daß ich ihm thu? Man weiß nichts andres bei unsrer Birsch, Als, wenn enthäutet ist der Hirsch, So spaltet man ihn behende Vom Kopf bis an das Ende, Und darnach in die Viere, So daß der vier Quartiere Keines um viel darf größer sein Als die anderen ins gemein. Das ist der Brauch in diesem Land: Kind, ist es anders dir bekannt?« – »Ja,« sprach der Sohn von Riwalin: »Das Land, da ich erzogen bin, Das hat den Brauch nicht so wie hie.« – »Und wie denn?« sprach der Meister: »wie?« – »Man entbästet den Hirsch bei mir.« – »Traun, Freund, ich sähe es denn von dir, So weiß ich nicht, was entbästen heißt. Darin ist Niemand unterweist In diesem Königreiche hie; Auch hörte ich das Wort noch nie Von Heimischen noch von Gästen. Traut Kind, was ist Entbästen? Bei deiner Güte, nun zeige mir's, Geh her, entbäste diesen Hirs.« Tristan sprach: »Lieber Meister mein, Soll es mit Euren Hulden sein, Und mag Euch Liebes dran geschehen, So laß ich's Euch viel gerne sehen, So weit ich selber es erkannt, Was der Brauch ist in meinem Land, Das Ihr da fraget um den Bast.« – Der Meister sah den jungen Gast Freundlich und gütlich lächelnd an, Denn er war selbst ein höfscher Mann Und kannte alle Sitten wohl, Die ein guter Mann verstehen soll. »Ja,« sprach er, »lieber Freund, das thu. Wohl her, und bist du zu schwach dazu, Traut Geselle, liebes Kind, Ich selbst, und die hier bei mir sind, Wir wollen dir mit Händen Ihn legen helfen und wenden; Du darfst mir und den Leuten Nur mit dem Finger deuten.« Tristan, das heimathlose Kind, Den Mantel nahm er ab geschwind Und legte den auf einen Block; Er zog höher hinauf den Rock; Die Ermel schlug er vorne wider, Die schönen Haare strich er nieder, Hinter die Ohren strich er sie. Und mehr und mehr besahen Die, So bei dem Jagdstück waren, Sein Wesen und Gebaren. Sie faßten alles in ihren Muth, Und däuchte sie es also gut Und lieblich zu betrachten, Daß sie im Herzen dachten, Sein Wesen wäre rittergleich, Seine Gewande fremd und reich, Sein Leib nach allem Wunsch gethan. Da traten sie zu ihm heran Und nahmen seiner Dinge wahr. Nun ging der Heimathlose dar, Der junge Meister, Herr Tristan; Er griff den Hirsch mit Händen an Und wollte ihn auf den Rücken legen; Doch konnte er ihn nicht bewegen, Er war dem jungen Blut zu schwer. Da bat er höfisch rings umher, Sie sollten ihn niederbreiten Und zu dem Bast bereiten. Nun war das alsobald geschehn. Da ging er oben am Hirsch zu stehn, Begann den Strich zu schneiden, Den Hirschen zu entkleiden Unten von dem Geäs hernieder; Zu den Bugbeinen kehrte er wieder; Die schälte er nach dem Brauch, der Flinke, Erst das rechte und dann das linke. Beide Hüftbeine nahm er drauf, Die entschälte er, Lauf um Lauf. Dann ging er, von den beiden Seiten die Haut zu scheiden. Er machte sie los, der kluge Knab, Alles von oben nach unten hinab, Und legte die Haut dem Hirschen nieder. Zu seinem Bügen kehrte er wieder, Entbästete die Blätter frei Und ließ die Brust doch ganz dabei. Die Büge legte er nebenan. Seine Brust er darauf begann Von dem Rücken zu scheiden Und ließ von den Seiten beiden Drei Rippen, da und dort, an ihr. Das ist die rechte Bastmanier: Die läßt man jederzeit daran, Wenn Einer die Brust ablösen kann. Und alsbald kehrte er wieder her, Mit rascher Hand entbästete er Die beiden Hinterbeine, Zusammen, nicht alleine. Ihr Recht er auch den beiden ließ, Den Braten, da der Rücken stieß Von der Lende gegen das Ende Wohl anderthalben Hände; Ziemer wird er allda genannt, Wo diese Bastkunst ist bekannt. Dann ging er zu den Rippenstücken, Die hieb er beide von dem Rücken; Doch Magen und Gescheide, Sie waren keine Weide Für seine schönen Hände mehr; Er rief: »Wohl bald zween Knechte her! Da, nehmet diese Stücke Und legt sie weiter zurücke!« – So war der Hirsch entbastet, Der Haut nach Fug entlastet; Die Brust, die Blätter, Seiten, Bein Hatte er alle überein Dahingelegt mit Schick und Acht: Hiemit so war der Bast vollbracht. Tristan, der heimathlose Gast, »Seht, Meister,« sprach er, »das ist der Bast, Und also ist diese Kunst bestellt. Nun tretet näher, wenn's Euch gefällt, Mit Eurer Massenie, Und machet die Furkie.« – »Furkie? traut Kind, was ist das? Du sagst mir vor, ich weiß nicht, was. Du hast uns diesen Jägerbrauch, Der fremde ist und löblich auch, Nach Meisterweise lassen sehn: Nun laß ihn vollends für sich gehn, Deine Meisterschaft vollführe fein, Wir wollen dir hold und gewärtig sein.« – Alsbald von hinnen sprang der Knab Und hieb sich eine Gabel ab, So Die da Furke nennen, Die die Furkie kennen; Doch ist der Unterschied gering, Denn Furke und Gabel, das ist Ein Ding. Nun kam er wieder mit seinem Stab, Die Leber schnitt er besonders ab, Netz und Lümmel schied er dann Und auch den Ziemer abgewann Von dem Gliede, an dem er saß. Er ließ sich nieder in das Gras, Nahm die drei Stücke da zur Hand, An seine Furken er sie band, So gut das Netz sie faßte; Mit einem grünen Baste Verstrickte er sie hier und dort. »Nun seht, ihr Herren,« fuhr er fort: »Dies heißen sie Furkie In unsrer Jägerie, Und weil ich's an die Furken band, Darum so wird der Brauch genannt Furkie und stimmt auch überein, Weil es muß an der Furken sein. Dies nehme ein Knecht von dem Geleit. Nun aber haltet euch bereit Und schreitet zur Curie.« – »Curie! De benie!« Riefen sie Alle: »was ist das? Wir verstünden Sarazenisch baß. Was ist Curie, lieber Mann? Schweig und sage uns gar nichts an: Laß es gleich lieber vor sich gehen, Daß wir's mit eignen Augen sehen; Das thue, höfischer Knabe du!« – Tristan war gleich bereit dazu; Er nahm den Herzrick, das Geschling, Woran des Hirschen Herze hing, Und streifte alles dran zurück; Vom Herzen schnitt er das halbe Stück Gegen dem spitzen Ende; Er nahm's in seine Hände, Auf daß er es halbire, Dann kreuzweis schneide in Viere, Warf auf die Haut die Theile nieder, Kehrte zu seinem Ricke wieder Und löste Milz und Lungen gar, So daß der Rick entledigt war. Das lag auf der Haut, nach rechtem Brauch. Dann schnitt er Rick und Gurgel auch Oben heraus am End der Brust. Den Kopf er löste mit Jägerlust Sammt dem Geweihe von dem Kragen Und hieß das zu der Brust hintragen. »Wohl her,« sprach Tristan und hielt inn, »Nehmet mir diesen Rick dahin, Und kommen arme Leute her, So theilet ihnen nach Begehr Von diesem Ricke mit, oder thut Mit ihm nach eurem Brauch und Muth. Nun wende ich zur Curie mich.« – Zu ihm traten sie männiglich Und nahmen seiner Künste wahr. Der Knabe hieß ihm bringen dar, Was er zuvor bereiten ließ. Auch lag zu Handen alles dies, Wohl zugerüstet und bereitet, Wie er zuvor sie angeleitet. Es lagen der Quartiere Von dem Herzen viere, Wie sie die Jäger legen, Die solcher Sitte pflegen, Zerschnitten auf der Haut zu vier; Nun schnitt er Lungen und Milz vom Thier, Dann Magen und Gescheide, Und was der Hunde Weide, In Stücke, eben also klein, Wie es ihm mochte füglich sein, Und spreitet's alles auf die Haut. Hiemit begann er überlaut Den Hunden zu rufen: »Sa, sa, sa!« Aufs Schierste waren sie alle da Und standen und genoßen. Er, dem die Worte floßen, Sprach: »Seht, dies wird Curie genannt Daheime in Parmenienland; Auch will ich euch sagen wárum: Curie heißet es dárum, Weil man es auf die Cuire legt, Was man den Hunden zu geben pflegt; So hat das Waidwerk, siehe, Denselben Namen Curie Von Cuire erfunden und genommen, Von Cuire ist Curie kommen; Und ist zwar dieser Brauch den Hunden Zum Frommen und zur Lust erfunden Und ist ein Ding, das Nutzen trägt; Denn ihnen wird, was man so legt, Süß durch den Schweiß, ich meine das Blut, Und machet auch die Hunde gut. Nun sehet diese Bastkunst an, Es ist kein andrer Witz daran: Seht, wie sie euch gefalle.« – »Ach Herre,« riefen sie alle Und sprachen: »Was sagst du, seliges Kind? Wir sehen wohl, diese Künste sind Den Bracken und den Hunden Zu großem Nutz erfunden.« Und weiter sprach Tristan das Wort: »Nun nehmet eure Cuire fort, Denn meine Kunst ist nun am Ziel; Und wisset, hätt ich bei dem Spiel Euch können baß zu Diensten stehn, Es wär von Herzen gern geschehn. Nun schneide Jeder seine Wied, An Sattel knüpfet Glied für Glied, Das Haupt, das führet an der Hand Und bringet euren Jagdprisant Zu Hof nach zierlichem Hofesbrauch; Da zieret ihr euch selber auch. So wisset ihr auch selber wohl, Wie man den Hirsch prisanten soll: Prisantet ihn nach Rechte.« Den Meister und die Knechte, Die nahm es Wunder mehr und mehr, Wie dieses Kind in aller Lehr Und aller Jagdkunst heimisch war, Das so besonders und so klar In allen Jägerpflichten Sie wußte zu unterrichten. »Siehe,« sprachen sie, »seliges Kind, Die Künste, die hier ergangen sind, Die gefallen uns dergestalt Und dünken uns so mannigfalt, Daß wir sie möchten zu Ende sehn; Was bis daher von dir geschehn, Das achten wir gar für einen Wind.« Sie brachten dem heimathlosen Kind In Eile ein Pferd: da baten sie, Daß er mit ihnen aus Curtoisie Nach seiner Kunst zu Hofe ritte Und seine Jagd- und Landessitte Bis an das Ende ließe sehen. Tristan sprach: »Das mag wohl geschehen, Nehmet den Hirsch aus und wohl hin,« – Saß auf und that nach ihrem Sinn. Nun er dahin mit ihnen ritt Und ging also zu Hofe mit, Da konnten sie Stund und Gelegenheit Kaum erwarten, war Jeder bereit, Zu entwerfen und zu vermuthen frei, Von welchem Lande er bürtig sei Und wie hieher gekommen; Sie hätten gern vernommen Von allem, wie es um ihn stand. Das hatte auch gar bald erkannt Der wohl besonnene Tristan, Der gleich mit großen Witzen sann, Wie er seine Mär erfinde. Sein Reden war einem Kinde Fürwahr in keiner Weise gleich. Er sprach an Sinn und Witze reich: »Jenseits Britannien liegt ein Land, Das ist Parmenien genannt, Da ist mein Vater ein Handelsmann, Der wohl nach seinem Wesen kann Mit der Welt leben gar schön und wohl, Ich meine, wie ein Kaufmann soll. Nun aber wißt, ihr Herrn, zugleich: Mein Vater ist doch nicht so reich An Habe und an Gute, Als tugendlichem Muthe. Der hieß mich lehren, was ich kann. Nun kam manch fremder Handelsmann Aus andern Königreichen dar, Und dieser Fremden nahm ich wahr, Sah ihre Sprache und Sitten an, Bis mich zu spornen mein Muth begann Und anzutreiben fort und fort In fremde Reiche und ferne Ort, Damit ich würde baß bekannt Mit andern Leuten und andrem Land. Von Stund an war ich früh und spat Gänzlich bedacht auf meinen Rath, Bis daß ich meinem Vater entkam, Die Flucht auf einem Kaufschiff nahm; So bin ich hier ans Land gekommen. Nun habt ihr all mein Ding vernommen; Weiß nicht, wie's euch gefalle.« – »Ah, traut Kind,« sprachen sie Alle, »Das war bei dir ein edler Muth: Die Fremde ist manchem Herzen gut Und lehret mancher Arten Tugend. Trauter Geselle, süße Jugend, Gebenedeiet sei das Land Von Gott, wo eines Kaufmanns Hand Erzog so tugendreiches Kind! Alle Könige, die nun sind, Hätten es besser nicht gethan. Nun, liebes Kind, sag uns auch an: Dein höfischer Vater, wie nannte er dich?« – »Tristan,« sprach er, »Tristan heiß ich.« – »De us adjut!« sprach Einer hier: »Um Gott, was soll der Name dir? Du wärest besser fürwahr genannt Juvente bele et la riant, Die schöne Jugend, die lachende.« – So ritten sie, Kurzweil machende, Der Eine hie, der Andere da; Doch was von Reden dort geschah, Das galt nur diesem Kinde. So fragete das Gesinde, Wie Jeder sich's zu Herzen nahm. In kurzer Stunde es aber kam, Daß der Knabe die Burg ersah. Von einer Linden brach er da Zwei Kränzlein, waren wohl belaubt; Eines setzte er auf sein Haupt, Das andre er etwas weiter maß, Dem Jägermeister bot er das: »Ei,« sprach er, »lieber Meister mein, Sagt, was wohl diese Burg mag sein? Wie königlich! Die gefällt mir wohl!« – Der Meister: »Das ist Tintayol.« – »Tintayol? Ah!« sprach er: »Wohl! De te benie, Tintayol, Und alle dein Gesinde!« – »Ah wohl dir süßem Kinde!« Sprachen die Andern aus Einem Mund: »Sei glücklich und sei froh allstund, Und müsse dir's also wohl ergehen, Daß wir es gerne mögen sehen!« So kamen sie zu Burg und Thor. Da machte Tristan Halt davor. »Ihr Herren,« sprach er, »haltet inn! Ich weiß nicht, da ich fremde bin, Wie euer jedes Name sei: Nun fahret eben Zwei und Zwei Und reitet wohl geschlossen ein. So soll der Hirsch beschaffen sein: Zuvörderst kommen die Stangen, Die Brust kommt nachgegangen, Die Rippen nach den Bügen; Darnach so sollt ihr's fügen, Daß alsobald den Rippen bei Das hinterste Glied gesellet sei; Darnach so achtet auf den Fug, Daß ihr im allerletzten Zug Die Cuire und Furkie paart: Das ist die rechte Jägerart. Auch treibet es nicht allzu jach, Reitet gemach einander nach: Mein Meister hie und ich, sein Knecht, Reiten zusammen, dünkt's euch recht, Und daß es euch gefalle.« – »Ja, traut Kind,« sprachen sie alle: »So wie du willt, so wollen wir.« – »So sei's,« sprach er: »nun leihet mir Ein Horn, das mir gerechte sei, Und seid auch deß gemahnt dabei: Wenn ich anhebe, so horchet mir, Und wie ich horne, so hornet ihr.« – Der Meister sprach zu ihm: »Nun thu, Viel lieber Freund, und horne du, Wie es dir nur gefalle; Wir folgen und dienen dir Alle, Ich und die hier mit mir sind.« – »A boneure,« sprach das Kind, »Mit Güte, so soll es also sein.« – Ein kleines helles Hörnelein, Das gaben sie ihm an seine Hand. »Nun hin!« sprach er: »allez avant!« So ritten sie rottiret ein Zu Zweien, wie es sollte sein; Und als durchs Thor die Rotte kam, Tristan sein helles Hörnlein nahm Und begunte fein zu blasen Und wonniglich aus der Maßen; Und Alle, die auf ihn harrten, Die konnten's kaum erwarten, Bis sie ihm zu Hilfe kamen, Vielmehr die Hörner nahmen Und machten ein Getöne In seinem Ton gar schöne: Er vor, das klang zu Preise; Sie nach in seiner Weise Und machten das geschickt und wohl: Die Burg ward des Getönes voll. Der König und die Hofleut all, Da sie den fremden Jägerschall Erhörten und vernahmen drin, Da waren sie in ihrem Sinn Erschrocken und erstaunt gar sehr, Weil dessengleichen nie vorher Bei Hofe war vernommen. Nun war die Rotte kommen Für den Palast und an die Thür; Da war viel Hofgesinde für Gelaufen ob dem Hörnerschall, Und nahm es sie groß Wunder all, Was das Getön begehrte. Auch war der lobenswerthe Marke selber gekommen dar, Zu nehmen diese Märe wahr, Und mit ihm mancher höfische Mann, Nun daß den König sah Tristan, Begann er ihm zu gefallen. Von den Andern allen Erlas er ihn mit Herz und Muth, Denn er war ja von seinem Blut: Die Natur, die zog ihn dar. Er nahm sein mit den Augen wahr Und begann ihn schön zu grüßen. Mit Tönen, fremden, süßen, Eine andere Weise hob er an, So laut zu hornen er begann, Daß ihm Keiner von Allen Vermochte beizufallen. Nun war das aber bald gethan: Der wohlgezogene Tristan, Der schwieg und ließ sein Horn in Ruh. Er neigte sich dem König zu Gar hold und sprach mit süßem Mund, So süße, als er das verstund: »Deus sal roi et sa mehnie: König und seine Massenie Erhalte Gott der gute!« – Marke der wohlgemuthe Und all sein Hofgesinde, Die danketen dem Kinde Viel tugendlich und also wohl, Als man dem Tugendhaften soll. Sie freueten sich allgemein: »Ach,« sprachen sie alle, Groß und Klein, »De duin duze aventure Si duze creature: Süße Stunden und frohes Leben Möge Gott so süßem Geschöpfe geben!« Der König nahm des Kindes wahr; Er besandte den Jägermeister dar: »Sag an,« sprach er, »wer ist dies Kind, Deß Worte so wohlgesetzet sind?« – »Ach, Herre, es ist ein Parmenois Und ist so wundervoll curtois, So aus der Maßen tugendsam, Wie ich's an Kindern nie vernahm. Er sagt, sein Name sei Tristan, Und sei sein Vater ein Handelsmann, Ich glaub es aber nimmer: Wie hätte ein Kaufmann immer In seiner großen Unmüßigkeit Auf ihn gewandt so viele Zeit? Sollte er Muße für ihn gewinnen, Der immer soll Unmuße beginnen? Ach, Herre, er ist so tugendhaft: Seht, diese neue Meisterschaft, Wie wir zu Hofe sind gekommen, Die haben wir ganz von ihm genommen. Und hört die Wunderkünste: Wißt, Recht wie der Hirsch beschaffen ist, So ist er hier zu Hof gebracht: Wo ward eine Kunst so wohl bedacht? Seht, erstens Kopf und Stangen, Dann kommt die Brust gegangen, Büge darnach und Beine: Herr, schöner wurden noch keine Und besser zu Hof prisantet eh. Seht dort, Herre, und habt Ihr je Eine solche Furkie gesehn? Mir ist dergleichen nie geschehn, Seit ich die Jägerkunst verstehe. Dazu ließ er uns sehen ehe, Wie man den Hirsch entbästen soll: Die Kunst gefällt mir also wohl, Daß ich noch Hirsch, noch andre Thiere Zerhauen will in vier Quartiere, Und sollt ich bis an mein Ende jagen.« – So begann er seinem Herrn zu sagen Von Anfang alle Märe, Wie er vollkommen wäre In aller höfischen Jägerschaft, Und wie er die Curie beschafft Für die Bracken und die Hunde. Des Jägermeisters Kunde, Die nahm der König in seinen Sinn, Hieß den Knaben rufen zu sich hin Und hieß die Jäger nach Hause fahren, Ihr Amt und ihre Pflicht bewahren; Die kehrten um und ritten fort. Tristan, der Jägermeister dort, Gab hin sein Hörnlein wieder Und sprang zur Erde nieder. Das junge Hofgesinde, Das lief entgegen dem Kinde Und conduirt's mit holdem Sinn An den Armen für die Krone hin. Auch konnte er selber zierlich gehn, Und war der Leib ihm anzusehn, Wie es die Minne nur gebot: Sein Mund, der war recht rosenroth, Sein Antlitz licht, seine Augen klar, Gar schön war sein lichtbraunes Haar Geringelt an dem Ende; Seine Arme und Hände, Die waren wohlgebaut und blank, Sein Leib im rechten Maße schlank; An seiner Füße und Beine Stand Ward seine Schöne zumeist erkannt; Sie standen so zu Preise wohl, Als man's am Manne preisen soll. Sein Gewand, das wisset ihr, War mit großer höfischer Zier Nach seinem Leib geschnitten. Seine Gebärden und Sitten, Die standen ihm so lieblich an, Daß man den Knaben lieb gewann. Der König schaute immer zu: »Freund,« sprach er, »Tristan heißest du?« – »Ja, Herre, Tristan. De vus sal.« – »De vus sal, beas Vassal.« – »Merzi,« sprach er, »gentil Rois, Edler König Kornewalois: Ihr und Euer Gesinde, Ihr seiet von Gottes Kinde Immerdar gesegnet!« – Da ward ihm hold entgegnet Mit Merzi und Merzi fort und fort. Sie sprachen nur das Eine Wort: »Tristan, Tristan li Parmenois, Cum est beas et cum curtois!« – Marke sprach aber Tristanden an: »Ich sage dir, was du thust, Tristan, Du sollt mir eine Bitte gewähren, Das will ich nicht von dir entbehren.« – »Was Ihr gebietet, Herre mein.« – »Du sollt mein Jägermeister sein.« – Nicht wenig lachten Die um ihn. Da sprach der Sohn von Riwalin: »Herre, gebietet über mich, Was Ihr gebietet, das bin ich, Euer Jäger und Euer Mann, Und will Euch dienen, so gut ich kann.« – »Mit Güte, Freund!« sprach Marke froh: »Das ist gelobt, nun sei es so.« Tristans Weltglück Tristans Weltglück. Nun, Tristan, der ist heimgekommen, Unwissend, wie ihr habt vernommen, Und meinte heimathlos zu sein. Der unvermeinte Vater sein, Marke, der tugendreiche Mann, Der that gar tugendlich daran, Und dessen war auch große Noth; Er bat besonders und gebot Dem ganzen Hofgesinde, Daß es dem fremden Kinde Gütig und gnädig wäre Und böte ihm alle Ehre Mit Rede und mit Geselligkeit. Deß waren sie allesammt bereit Mit williglichem Muthe; Und ward Tristan der gute Des Königs Hofgenosse so. Der sah ihn gern und war sein froh; Denn ihn zog auch sein Herze dar, Und nahm sein oft und gerne wahr; Denn er, zu allen Zeiten, Blieb höfisch an seiner Seiten Und trug ihm seine Dienste an, Wie er Gelegenheit gewann. Wo Marke ging und wo er war, Blieb er der Zweite immerdar, Und nahm das Marke auf für gut; Er trug ihm immer holden Muth Und that ihm wohl, wo er ihn sah. In diesen Dingen es geschah, Daß in den nächsten acht Tagen Er selbst mit ihm aufs Jagen Und viel des Hofgesindes mit, Zu schauen seinen Jagdbrauch, ritt, Und seine Künste zu nehmen wahr. Der König hieß ihm bringen dar Ein Jagdroß, das er ihm verlieh. Besser beritten war er nie, Denn es war stark und schön und schnell. Ein kleines Jagdhorn, süß und hell, Hieß er ihm geben an seine Hand. »Tristan,« sprach er, »dir ist bekannt, Daß du mein Jägermeister bist: Nun zeig uns, wie dein Jagdbrauch ist Nimm deine Hunde hin und fahr Und beschicke die Warte dar, Wo sie dich dünket recht zu stehn.« – »Nein, Herre, es kann nicht also gehn,« Sprach da Tristan, der höfische Knab: »Schicket nur Eure Jäger ab, Die sollen sich mit befassen Und die Bracken vom Seile lassen: Sie sind ja heimisch hier zu Land, Und ihnen ist baß denn mir bekannt, Wo sich der Hirsch hinziehet Und vor den Hunden fliehet; Die kennen die Gelegenheit. Ich habe ja hie zu keiner Zeit Gejagt und bin ein fremder Knecht.« – »Das weiß Gott, Tristan, du hast Recht: Du kannst die Warte nicht versehn, Die Jäger müssen selber gehn, Ihr Amt zu thun nach Zeit und Ort.« – Auf dieses gingen die Jäger fort Und kuppelten die Hunde Und stellten zu der Stunde Die Warte auf dem rechten Grund, Bestätigten einen Hirsch im Rund Und jagten ihn wacker trabend In die Wette bis zum Abend. Da erliefen ihn die Hunde, Und zu derselben Stunde Kam Marke mit seinem Kinde Und vielem Hofgesinde Gerannt, ihn abzufangen. Die Jägerhörner klangen In mancherlei Getöne; Sie horneten so schöne, Daß König Marken dieses Spiel Und all den Seinen wohl gefiel. Nun sie den Hirschen fällten, Den Meister sie hinstellten, Tristanden, ihren heimischen Gast, Und baten, daß er sie den Bast Von Anfang ließe zu Ende sehn. Der Höfische sprach: »Das mag geschehn,« – Und bereitete mit dem Worte sich. Nun wähne ich wohl und dünket mich, Daß es unnöthig wäre, Euch zweimal eine Märe, Die nämliche, vorzutragen. Recht wie beim ersten Jagen, Wie jenen Hirsch, nach gleichem Brauch Entbästete er den zweiten auch. Den Bast und die Furkie, Die Kunst von der Curie, Als sie das sahen, zu der Stund Bekannten sie mit Einem Mund, Daß Niemand diese Sachen Besser wisse zu machen, Noch besser könne erfinden. Der König hieß da binden Den Hirschen auf und ritt davon Mit seinem Jäger, seinem Sohn, Und seiner Massenie. Mit Gehörne und Furkie Ritten sie heim zur Abendzeit. So war der gute Tristan seit Ein lieber Hofmann in Tintayol. König und Hof, die hielten ihn wohl Und boten ihm gute Genossenschaft. Auch war er selber so diensthaft, So freundlich gegen Arm und Reich, Daß, hätte er sie alle gleich Auf den Händen können tragen, Er hätt's nicht abgeschlagen. Den Segen hatte ihm Gott gegeben: Er konnte und wollte Allen leben, Lachen, tanzen, singen, Reiten, laufen, springen, Mit Allen jubiliren Und konnte Allen hofiren. Er lebte, wie man's wollte, Und wie die Jugend sollte; Was ihrer Einer nur begann, Das hub er alsbald mit ihm an. Nun fügete sich aber das, Daß Marke an einem Tage saß, Ein wenig nach der Essenszeit, Wo Kurzweil ist und Müßigkeit, Und lauschte sehr an einem Ort Einem Leiche, den ein Harfner dort Spielte, ein Meister seiner Kunst, Der beste, und in großer Gunst; Und war derselbe ein Galois. Nun kam Tristan, der Parmenois, Und saß zu seinen Füßen dar Und nahm mit solchem Fleiße wahr Des Leiches und der süßen Noten, Wär es ihm auf den Leib geboten, Er konnte sich länger nicht verstellen; Sein Muth begann ihm aufzuschwellen, Sein Herze ward des Muthes voll: »Meister,« sprach er, »Ihr harfet wohl, Die Noten sind recht fürgebracht, Sehnlich, und wie sie sind erdacht. Das haben brittische Zungen Von Herrn Gurun gesungen, Von ihm und seiner Minne.« – Dies nahm in seine Sinne Der Harfner und lauschte immer dar, Als nähme er nicht der Rede wahr, Bis er den Leich vollendete. Zu dem Kind er da sich wendete: »Was weißt du,« sprach er, »liebes Kind, Von wannen diese Noten sind? Verstehst du diese Kunst etwan?« – »Ja, schöner Meister,« sprach Tristan: »Ich hatte einst mehr Meisterschaft, Nun hat es aber so kleine Kraft, Daß ich mir nicht vor Euch getrau.« – »Nein, Freund, nimm diese Harfen, schau, Laß hören, was und welcherhand Kann man bei dir in deinem Land?« – »Gebietet Ihr das, Meister mein, Und soll's mit Euren Hulden sein, Daß ich Euch harfe?« sprach Tristan. – »Ja, traut Geselle, schau, fang an.« – Wie er die Harfen also nahm, Stand sie den Händen wundersam: Die waren, wie ich las, so fein, Daß sie nicht feiner konnten sein, Weich und linde, klein und schlank, Und wie ein Hermelin so blank. Mit diesen rührte er und schlug Vorspiel und Nötelein genug, Seltsame, süße, gute. Da kamen ihm zu Muthe Seine brittischen Leiche; Sein Plektrum nahm der Reiche, Wirbel und Saiten spannte er, Die einen minder, die andern mehr, Recht so, wie sie ihm sollten stehn. Nun, das war alsobald geschehn; Der neue Spielmann, Herr Tristan, Also sein neues Amt begann, Als wär es ihm geboten: Sein Vorspiel, seine Noten, Seine seltsamen Grüße, Die harfte er also süße Und machte sie so schöne Mit schönem Saitengetöne, Daß Jeder zu dem Knaben lief. Der Eine den Andern näher rief. Gar eilig kam vom Hof die Schaar Zu allermeist gelaufen dar, Und Keinem däuchte es zu fruh. Nun, Marke, der sah immer zu Und saß, auf alles achtend, Seinen Freund Tristan betrachtend, Und wunderte ihn die Märe, Daß er so höfische Lehre Und gute Kunst in seiner Brust, Da er sich ihrer doch bewußt, Also konnte verhehlen. Nun fing aus voller Seelen Einen klingenden Leich Tristan Von der viel stolzen Freundin an Gralandes des schönen. Den ließ er süß ertönen Und harfete so zu Preise In britannischer Weise, Daß mancher Mann da stund und saß, Der seinen eignen Namen vergaß; Da begannen Herz und Ohren Wie thöricht und verloren Aus ihrem Recht zu wanken, Und wurden da Gedanken In mancher Weise fürgebracht. Da wurde oft und viel gedacht: »Wohl dem Kaufmann, dem frommen Mann, Der solchen höfischen Sohn gewann!« – Ja, seine Finger, lang und weiß, Die gingen wohl mit Kunst und Fleiß Wogend in den Saiten Und ließen Töne gleiten, Daß der Palast erfüllet ward. Da ward der Augen nicht gespart, Da lugten manche Blicke dar Und nahmen seiner Hände wahr. Nun, dieser Leich, der war vollbracht; Der gute König nahm Bedacht Und sprach, daß man ihn bäte, Daß er noch einen thäte. »Mu voluntiers,« sprach da Tristan, Und aber hub er herrlich an Einen sehnlichen Leich, wie eh, De la curtoise Tisbe Von der alten Babylon; Den harfete er in so schönem Ton Und ging so recht den Noten mit, Mit recht vollkommenem Meisterschritt, Daß es den Harfner Wunder nahm; Und als es an die Worte kam, So ließ das tugendreiche Kind Zu großer Wonne süß und lind Seine Schanzune gleiten, Die Weisen zu den Saiten, Britannische und galoise, Lateinische und franzoise, Die sang er so süß mit seinem Mund, Daß Niemand wußte zu dieser Stund, Welches süßer wäre Oder werther der Ehre, Sein Harfen oder sein Singen. Da erhub sich von diesen Dingen, Von seiner Geschicklichkeit, Art und Fug Rede und Märe im Saal genug; Da bekannten sie Alle gleich, Sie wüßten in dem ganzen Reich An einem Mann die Künste nie. Der Eine sprach dort, der Andre hie: »Was ist das von einem Kinde! Wen haben wir zum Gesinde! Alle Kinder, die nun sind, Sind gegen dieses wie ein Wind, Tristanden, dem kommt keines gleich.« Und als nun Tristan seinen Leich Vollendet hatte nach Begehr, Der König sprach: »Tristan, geh her! Der dich das hat gelehret, Der sei vor Gott geehret Und du mit ihm! Das klingt ja fein. Gern will ich hören die Leiche dein Unterweilen gegen Nacht, So noch gerne dein Herze wacht; Nicht wahr, dies thust du mir und dir?« – »Ja, Herre, wohl.« – »Nun sage mir: Kannst du kein ander Saitenspiel?« – »Nein, Herre,« sprach er. – »Grad ans Ziel! So lieb als ich dir bin, Tristan, Sage du mir die Wahrheit an!« – »Herre, Ihr durftet nicht so hoch Mich mahnen,« sprach er, »ich hätt es doch Gesagt auf Euer Fragen, Da ich's Euch doch muß sagen Und Ihr es wollet wissen. Herre, ich war beflissen, Zu lernen jegliches Saitenspiel; Und kann doch in keinem also viel, Daß ich nicht gerne verstünde mehr. Auch hab ich die Kunst nur nebenher Und nicht gar lange Zeit getrieben, Und zwar bin ich dabei geblieben, Wenn's hoch kommt, etwa sieben Jahr Oder wenig darüber, das ist wahr. In Parmenien, da lehrten sie Die Fiedel mich und die Symphonie: Harfen aber und Rotten, Das lehrten mich Galeotten, Zween Meister, waren Galoise. Mich lehrten Britunoise, Die waren aus der Stadt von Lut, Spielen die Leier und Sambiut.« – »Sambiut, was ist das, lieber Mann?« – »Das beste Saitenspiel, das ich kann.« – »Seht,« sprach das Hofgesinde, »Gott hat dem holden Kinde Zu wonniglichem Leben Seiner Gnaden viel gegeben.« Marke fragte ihn aber mehr: »Tristan, ich hörte dich doch vorher Britannisch singen und galois, Auch gut lateinisch und franzois: Kannst du die Sprachen?« – »Herre, ja, So ziemlich wohl.« – Nun kam aber da Der Haufe dargedrungen, Und wer nur fremde Zungen Wußte aus einem Nachbarland, Der versuchte ihn, was er verstand, Der Eine so, der Andre so. Da gab er Allen frei und froh Antwort mit Hofmanieren: Den Norwegern, den Iren, Alemannen, Schotten und Dänen. Manch Herz begann sich zu sehnen Nach Tristans Kunst und Geschicklichkeit. Da waren ihrer genug bereit, Die wären gewesen gern wie er, Und rief ihm manches Herzens Begehr Minniglich und süße zu: »Ach, Tristan, wär' ich doch wie du! Tristan, du magst wohl gerne leben, Tristan, dir ist der Preis gegeben In allen Künsten, die ein Mann Auf Erden beisammen haben kann.« – Auch machten sie mit Worten Groß Wesen und Wunder dorten: »Hört!« sprach Dieser, und »hört!« sprach Der: »Alle Welt, die höre her! Ein Kind, ein vierzehnjährig Kind, Kann alle Künste, die nun sind!« Marke sprach: »Tristan, höre her! An dir ist alles, was ich begehr, Du kannst alles, was ich will, Jagd und Sprachen und Saitenspiel: Nun wollen wir auch Gesellen sein, Du der mein und ich der dein. Bei Tage wollen wir jagen, reiten, Bei Nacht daheim uns Lust bereiten Mit höfisch gethanen Dingen: Harfen, fiedeln und singen, Das kannst du wohl, das thu du mir. Auch ich kann Spiele und thue dir, Was auch dein Herze wohl begehrt, Gebe dir Kleider und Rosse werth Und alles, worauf dein Herze zielt: So habe ich dir wohl mitgespielt. Sieh hier, mein Schwert und meine Sporn, Meine Armbrust und mein gülden Horn, Geselle, die befehle ich dir, Die nimm zu Handen, die pflege mir, Und sei du höfisch und sei froh.« Nun ward der Heimathlose so Der Liebste vom Hofgesinde. Man sah bei keinem Kinde Solch Glück und Segen, nicht vor noch nach: Denn, was er that und was er sprach, Das däuchte und war auch also gut, Daß alle Welt ihm holden Muth Und innigliches Herze trug. Hiemit sei nun der Rede genug: Wir legen diese Märe nieder Und greifen zu der andern wieder, Sein Vater, der Marschall Don Rual, Li foitenant et li leal, Was der für Rath erkoren, Nachdem er ihn verloren. Die Erkennung Die Erkennung. Don Rual li Foitenant, Der schiffte von Parmenienland Ueber Meer mit großem Gute; Denn ihm war ganz zu Muthe, Er wolle nicht wiederkommen, Bevor er hätte vernommen Eine gründliche Märe, Wo sein Junkherre wäre. Da fuhr er erstlich Norweg zu Und forschete so spat als fruh In allen nordischen Landen Nach seinem Freund Tristanden. Was half ihm das? er war nicht dort, Sein Suchen war umsonst am Ort, Und als er ihn da nicht erfand, So wandte er sich gen Ireland. Seht, da konnte er auch nicht mehr Von ihm erforschen, denn vorher. Darüber ging seine Habe Gegen dem Bettelstabe, So daß er sich nieder zu Fuße ließ, Seine Rosse verkaufen hieß Und sandte seine Mannen Mit dem Gelde von dannen. Er aber blieb in aller Noth Und mußte betteln gehn um Brod Und trieb das stete Wandern Von einem Reich zum andern Und fuhr von Land zu Landen, Forschend nach Tristanden. Das trieb er wohl drei Jahr und mehr, Bis daß er endlich also sehr Von seines Leibes Schöne kam Und also ab an Farbe nahm, Daß, wer ihn hätte vor gesehn, Nicht hätte mögen zugestehn, Daß er je kehre zu Würde. Und diese schmähliche Bürde Trug, der so hoch in Ehren stund, Wie ein Ribald, ein Vagabund, Und ohne daß ihm seine Noth, Wie sie es doch schon Manchem bot, Den guten Willen je benahm. Nun es ins vierte Jahr so kam, Da hielt er sich in Dänemark Und forschete auch dorten stark In allen Städten fern und nah; Durch Gottes Gnade traf er da Die zween wallenden Männer an, Die sein verlorner Freund Tristan Auf der Waldstraße gefunden. Die fragete er zur Stunden, Auch sagten sie ihm die Märe, Wann und wie lang es wäre, Daß sie einen Knaben hätten gesehn, Den sie da ließen mit ihnen gehn, Der wäre nach seinem Conterfei; Und sagten ihm, wie er beschaffen sei An Angesicht und Haaren, An Reden und Gebaren, Am Leib und am Gewande, Wie er Sprachen vieler Lande Und wie viel Art er habe. Zur Stunde war der Knabe Erkannt: er sah, dies wäre er. Die beiden Waller bat er sehr, Daß sie ihm doch die Stätten, Wo sie ihn gelassen hätten, Wenn sie die je noch kennten, Um Gottes Willen nennten. Da sagten sie dem Mareschall, Es sei im Lande Kornewall, In der Stadt zu Tintayol geschehn. Und aber hub er an zu flehn, Und sprach der gute Foitenant: »Wo liegt denn Kornewall, das Land?« – »Das Land ist,« sprachen sie hergegen, »Jenseits Britannien gelegen.« Ah, dachte er, Gott und Herre mein! Dies mag wohl deine Gnade sein: Ist Tristan, wie ich hie vernommen, Also nach Kornewall gekommen, So fand das Bächlein seinen Strom, Denn König Marke, der ist sein Ohm. Nun weise mich, Gott, auf diesen Pfad! Ach, süßer Gott, durch deinen Rath Laß mir noch so viel Heil geschehen, Daß ich Tristanden möge sehen! Die Märe, die ich hier vernommen, Soll mir zu Statten und Freuden kommen: Sie dünket mich und ist auch gut, Sie hat mir meinen schweren Muth Wieder geheilt mit Einem Mal. »Gesegnete Leute,« sprach Rual, »Der Sohn der Magd soll euch bewahren, Ich will nun meine Straße fahren Und sehen, ob ich ihn finde.« – »Er weise Euch zu dem Kinde, Der über die Welt gebeut und spricht.« – »Dank,« sprach er, »hier ist des Bleibens nicht, Gebetet mir, ich muß zur See.« – »Freund,« sprachen Jene, »a De, a De!« Nun schritt der Marschall immer zu, So daß er seinem Leib zur Ruh Keinen Tag, keinen halben nahm, Bis daß er zu dem Meere kam. Da ruhete er, das war ihm leid: Denn Schiffe, die waren nicht bereit, Und als er zuletzt ein Fahrzeug fand, Da fuhr er nach dem Brittenland. Durch Britannien strich er hin Und war so eifrig in seinem Sinn, Daß ihm kein Tag so lange ward, Daß er je hätte sein gespart Und wäre nicht in die Nacht gegangen. Er hatte Muth und Kraft empfangen, Seit ihm die Hoffnung war erwacht; Da war ihm sanft und leicht gemacht Jegliche Mühsal wundersam. Nun er zum Lande Kornwall kam, In derselben Stunde wohl Fragete er nach Tintayol. Viel bald er deß belehret ward; Da zog er weiter auf seiner Fahrt Und kam dahin mit großer Müh Sonnabends in der ersten Früh, Da man zur Messe sollte gehn. Er ging vors Münster hin zu stehn. Die Leute liefen hin und her, Und allenthalben spähete er Und schickte die Augen fern und nah, Ob er nicht Einen fände da, Der ihm zu Frage und Märe Wohl recht und handlich wäre; Denn immer dachte er bei sich: »Dies Volk ist alles mehr denn ich, Und wenn ich Einen frage, So fürcht ich, daß er's versage Und schicke mich ohne Antwort hin, Weil ich so armen Standes bin. Was ich thun soll, Herre, das rathe du.« Nun kam der König selbst herzu Mit einer wonniglichen Schaar. Und aber sah der Treue dar Und schickte umsonst die Blicke aus. Nun daß sich aus dem Gotteshaus Der König wieder nach Hof begab, Da ging Rual vom Wege ab Und trat bei Seite mit bangem Sinn Zu einem betagten Hofmann hin: »Ach, Herre,« sprach er, »saget mir Durch Eure Güte, wisset Ihr, Ob hie ein Kind bei Hofe sei? Man sagt, es sei dem König bei Und sei mit Namen genannt Tristan.« – »Ein Kind?« hub da der Andre an: »Weiß nichts von einem Kinde; Ein Knappe ist beim Gesinde, Der mit nächstem soll empfahn das Schwert Und ist dem Könige lieb und werth, Denn er kann Künste weit und breit Und mancherlei Geschicklichkeit, Als ein vollkommener Hofgenoß, Und ist ein Jüngling stark und groß Von braungelockten Haaren Und löblichem Gebaren: Auch ist er aus einem fremden Land: Der wird allhie Tristan genannt.« »Nun, Herre,« sprach der Marschall da, »Seid Ihr vom Hofgesinde?« – »Ja.« – »Herre, ich bitte bei Eurer Ehr, Thut mir noch ein wenig mehr, Denn wahrlich, Ihr thut sehr wohl daran. Sagt ihm, hier sei ein armer Mann, Der ihn gern sprechen möchte und sehn; Auch dürft Ihr ihn lassen wohl verstehn, Daß ich sein Landsmann wäre.« – So erfuhr Tristan die Märe, Daß ein Landsmann von ihm zur Stelle sei. Tristan, der kam geschwind herbei, Und alsobald daß er ihn sah, Mit Mund und Herzen rief er da: »Nun müsse Gott, der Herre mein, Immer gebenedeiet sein, Vater, daß ich dich sehen muß!« – Das war sein allererster Gruß. Darnach lief er ihn lachend an Und küßte den getreuen Mann, Wie ein Kind wohl seinen Vater soll; Und war das billig gethan und wohl. Er war sein Vater, und er sein Kind. Von allen Vätern, die nun sind, Oder die vor uns waren, Ist keiner also gefahren Mit seinen Kindern vatergleich. Ja, Tristan hatte, überreich, Vater, Mutter, Magen und Mann, Alle Freunde, die er je gewann, Hatte er in den Armen da. Und inniglich begann er: »Ah, Getreuer Vater, guter Mann, Meine süße Mutter, sag mir an, Und meine Brüder, leben sie noch?« – »Ich weiß nicht, trauter Sohn, jedoch, Sie lebten, da ich letzt sie sah, Nur daß ihnen wie mir geschah Von deinen Schulden großes Leid; Doch wie sie lebten seit jener Zeit, Das kann ich dir nicht sagen, Da ich in vielen Tagen Keinen, den ich kannte, fand Und auch kein einzig Mal mein Land Seit der unseligen Stunde sah, Da mir an dir so mißgeschah.« – »Ei,« sprach er, »trauter Vater mein, Was soll mir diese Märe sein? Dein schöner Leib, wo ist der hinkommen?« – »Sohn, den hast du mir benommen.« – »So will ich dir ihn wiedergeben.« – »Sohn, das mögen wir auch erleben.« – »Nun Vater, so komm zu Hof mit mir.« – »Nein, Sohn, da geh ich nicht mit dir: Du siehest wohl, ich wäre Dem Hofe nicht zur Ehre.« – »Nein, Vater, es soll und muß geschehn, Der König, mein Herre, soll dich sehn.« – Rual der höfische, gute, Gedachte in seinem Muthe: Meine Nacktheit, die schadet nicht; In welchem Stand mich auch Marke ficht, Er wird mich gerne sehen, Und werde ich ihm gestehen, Daß er seinen Neffen bei sich hat, Ja, werde ich alles, was ich that, Von Anfang bis zu Ende sagen, Wird ihm mein Aussehn wohl behagen. Tristan, der nahm ihn bei der Hand. Sein Aufzug aber und Gewand Das war, wie es da mochte sein, Ein armseliges Leibröcklein, Gar schäbig und verschlissen Und hie und da zerrissen; Das hatte er ohne Mantel an; Die Kleider, die der gute Mann Unter dem schlechten Rocke trug, Die waren bettelhaft genug, Vernutzt und schmutzig ganz und gar. Sein Haar an Haupt und Barte war, Des Kammes ledig seit lange her, Verworren und verfilzt so sehr, Als ob er ein Wilder müßte sein. Auch ging er bloß an Fuß und Bein, Weil alles auf der Fahrt verdarb. Dazu war er so wetterfarb, Wie alle Die mit Fuge sind, Denen Frost, Hunger, Sonn und Wind Die Farbe hat benommen. So war er für Marken kommen, Und als ihm der in die Augen sah, Zu seinem Tristan sprach er da: »Sag an, Tristan, wer ist der Mann?« – »Mein Vater, Herre,« sprach Tristan. – »Redest du wahr?« – »Ja, Herre mein.« – »Der soll uns viel willkommen sein,« Sprach Marke süß und tugendlich. Rual, der neigte höfisch sich. Hiemit so kam in Haufen Die Ritterschaft gelaufen, Das Hofgesinde drang heran, Die riefen Alle, Mann für Mann: »Sire, Sire, De vus sal!« – Nun sollt ihr wissen, daß Rual, Wie wenig seine Gewande Zeugten von seinem Stande, An Leib und an Gebärden So gut als Einer auf Erden Vollkommen einem Herren glich. Er war von Leibe ritterlich, Von Gliedern groß und kühne Gewachsen wie ein Hüne; Seine Arme und Beine waren lang, Edel und herrlich war sein Gang, Sein Leib von Grund aus wohlgestalt; Er war nicht zu jung und nicht zu alt, Er stand in der besten Lebenszeit, Wo Alter und Jugend, ungezweit, Dem Leben geben die beste Kraft. Er war so stattlich und herrenhaft, Als säß er auf einem Kaiserthron. Seine Stimme klang wie Hörnerton, Seine Rede, die war herrengleich. So stand er höfisch und tugendreich Vor all den Herren im Königssaal. Es war heut nicht das erste Mal. Barone und Ritter mit Staunen Begannen sich zuzuraunen Und redten hin und redten her: »Ja,« sprachen sie alle, »und ist das Der? Der Kaufmann ist es, der höfsche Mann, Von dem uns hat sein Sohn Tristan So viel gesagt zu Ruhm und Zier? Von seiner Tugend haben wir Märe um Märe viel vernommen; Wie ist er so zu Hofe kommen?« – Und sprachen dies und jenes Wort. Der König hieß ihn alsofort Zu den Gemächern gehen Und ließ ihn da versehen Mit herrlichen Gewanden. Tristan war ihm zu Handen Und sorgte wohl für Bad und Kleid. Ein Hütlein war für ihn bereit, Das setzte er auf sein Haupt jetzund, Daß es auf keinem besser stund; Denn er war schön von Angesicht Und wich an Gestalt dem Schönsten nicht. Tristan, der nahm ihn bei der Hand, Lieblich, wie ihm's ums Herze stand, Und führte ihn wieder zu Marke hin. Nun begann er ihnen in ihrem Sinn Stark und wohl zu gefallen. Da ging die Rede bei Allen: »Seht, wie ein adlig Gewand so bald Den Mann gemacht hat wohlgestalt! Die Kleider stehn dem Handelsmann Gar wohl und lobenswürdig an. Auch sieht er selber herrengleich. Wer weiß, er ist wohl tugendreich; Auch zeigt er sich deßgleichen wohl, Wenn man die Wahrheit sagen soll: Seht an, wie adelig er geht, Wie schön sind seine Gebärden, seht, In höfischen Gewanden, Und seht nur auf Tristanden! Da schauet seine Tugend an: Wie konnte je ein Handelsmann Ein Kind erziehen so wundersam, Wenn's nicht aus edlem Herzen kam?« Das Wasser war genommen Und Marke zu Tische kommen. Da setzte er seinen Gast Rual An seine Tafel und befahl, Daß man ihm höfisch diene und wohl, Wie man dem Höfischen dienen soll. »Tristan,« sprach er, »geh bald herzu Und bediene deinen Vater du.« – Auch war er gleich dazu bereit: Alle Ehre und Gemächlichkeit, Die je ein Sohn bewiesen, Die ließ er ihn genießen. Auch aß Rual der gute Mit williglichem Muthe; Denn Tristan machte ihn froh und frank, Tristan, der war ihm Speis und Trank, Daß er Tristanden vor Augen sah, War seine Tafelfreude da. Und als man nun von Tische ging, Der König mit Rede den Gast empfing Und thät ihn fragen allerhand Beides von seinem Vaterland Und auch von seinem Wanderzug; Und da ihn also der König frug, Da lauschten die Herren alle dar Und nahmen des Marschalls Märe wahr. »Herre,« sprach er, »es geht fürwahr Nahezu in das vierte Jahr, Seit daß ich von meinem Lande schied, Und wo ich seither hingerieth, Da ließ ich mir nichts wichtig sein, Als was mir lag im Sinn allein Und mich herführte, wie Ihr seht.« – »Was war das?« – »Tristan, der hie steht. Und hab ich zwar noch andre Kind, Die mein von Gottes wegen sind, Und will auch denen also wohl, Als Einer seinen Kindern soll; Herre, es sind der Söhne drei, Und wär ich ihnen gewesen bei, So möchte zur Stunde von den Drein Wol ein und der andre Ritter sein: Doch hätten mir die Drei zumal Nur halb gemacht die Noth und Qual, Die ich um ihn, den fremden, trug, Herre, es wäre des Leids genug.« – »Den fremden?« fiel der König ein: »Sagt an, was soll die Märe sein? Er ist Euer Sohn doch, wie er spricht?« – »Nein, Herre, verwandt ist er mir nicht, Als sofern ich bin sein Lehensmann.« – Tristan erschrack und sah ihn an. Aber sprach Marke: »Nun sagt uns das: Von welchen Schulden und um was Habt Ihr die Noth auf Euch genommen Und seid von Weib und Kindern kommen, Wie Ihr da sprecht, so lange Frist, Da er doch Euer Sohn nicht ist?« – »Herre, das weiß Gott und ich.« – »Wohlan, Freund, so belehrt auch mich,« Sprach aber der gute König: »Es wundert mich nicht wenig.« – »Wüßt ich,« sprach der Getreue, »Ob es mich nicht gereue, Und ob sich's wolle gebühren, Vergangenes aufzurühren, Herre, so könnt ich Euch Wunder sagen, Wie sich all dies hat zugetragen Und sich gefügt von Anfang an Mit Eurem Manne hier, Tristan.« – Der König und die Barone Und alle Herren am Throne, Die baten ihn zur Stunde Alle aus Einem Munde: »Saget an, gesegneter Mann, sagt an, Getreuer Mann, wer ist Tristan?« Da sprach Rual li Foitenant: »Herre, es ist Euch wohlbekannt, Und denk ich, es wissen's auch noch Die, So zu den Zeiten waren hie, Von Riwalin, dem Herren mein, Deß Mann ich war und sollte sein, So es Gott also wollte, Daß er noch leben sollte: Der hörte zu Eurem Preise Reden auf solche Weise, Daß er seine Leute und sein Land Alles befahl in meine Hand; Und also fuhr er übers Meer Um Euretwillen nach Kornwall her, Weil er Euch hätte gern gekannt, Und lebte hier, dem Hof verwandt. Auch wißt Ihr, was ihm widerfuhr Mit der viel schönen Blancheflur, Wie er zur Freundin die gewann Und sie von hinnen mit ihm entrann; Worauf sie zu uns kamen, Einander zur Ehe nahmen; In meinem Hause das geschah, Daß ich und mancher Mann es sah; Da befahl er sie in meine Pflege, Und pflegt ich ihrer allerwege Aus meines Herzens Grunde. Alsbald und zu der Stunde Warb und besandte er zu Hand Eine Heerfahrt in seinem Land Mit Magen und mit Mannen Und fuhr auch gleich von dannen Und ward in einem Streit erschlagen, Wie Ihr wohl habt gehöret sagen. Nun als die Märe zu uns kam Und die viel schöne Frau vernahm, Wie es ergangen wäre, Alsbald die tödtliche Schwere So tief ihr in das Herze schlug, – Seht hier Tristanden, den sie trug, Den gewann sie in der großen Noth, Und lag sie selber, die Mutter, todt.« Damit fiel den getreuen Mann So inniglicher Jammer an, Daß er es wohl bescheinte, Denn da saß er und weinte, Als ob er ein Kindlein wäre. Auch begannen von der Märe Den andern Herren allen Die Augen zu überwallen. König Marke der gute Nahm mit so schwerem Muthe Den Jammer in sein Herze, Daß ihm der Herzensschmerze In Thränen aus den Augen floß, Ihm Wangen und Gewand begoß. Tristanden war die Kunde Schmerzlich im Herzensgrunde, Doch sah er andres nicht daran, Als daß ihm an dem treuen Mann Vater mit Eins und Vaterwahn Verloren war und abgethan. So saß Rual der gute Mit trauriglichem Muthe Und sagte dem Gesinde Von dem viel armen Kinde, Wie gut er sein hieß nehmen wahr, Da seine Mutter es gebar; Wie er's an sichrer Stätte Heimlich verborgen hätte; Wie er die Märe verbreiten hieß, Den Landgenossen sagen ließ, Es wäre in seiner Mutter todt; Wie er dann seinem Weibe gebot, Sich in das Bett zu legen, So wie die Weiber pflegen, Wenn sie in Kindesnöthen sind, Und daß sie so das Waisenkind, Wenn's an der Stunde wäre, Der Welt zum Schein gebäre; Wie sie mit ihm zur Kirchen ging, Wie er die Taufe da empfing: Warum er Tristan ward genannt; Wie er auf Reisen ihn gesandt Zu Landen, fremden und fernen, Mit Händen und Mund zu lernen Künste, die er ihn lehren hieß; Wie er ihn in dem Schiffe ließ: Wie er ihm ward entführet, Und wie er ihm nachgespüret, Und wie ihn Mühsal quälte. So saß er und erzählte Die Märe ganz von Anfang her. Da weinte Marke, da weint auch er, Da weinten die Herren allgemein: Der Jüngling nur, Tristan allein, Vermochte nicht zu beklagen, Was er da hörte sagen: Ihn fiel die Kunde zu jählings an. Was aber Rual, der gute Mann, Von der Liebenden Ungemach Und Noth und Tod dem Gesinde sprach, Von Riwalin und von Blancheflur, Das ließ bei ihnen keine Spur, Die Märe war wie Spreue Gegen die große Treue, Die ihrem Waisen angedieh, Ihr habt ja wohl gehöret wie, Nach ihrem Tod, dem Kinde: Das war dem Hofgesinde Die größte Treue, die ein Mann Zu seiner Herrschaft je gewann. Nun diese Rede so geschah, Sprach Marke zu dem Gaste da: »Nun, Herre, ist diese Rede wahr?« – Rual, der gute, bot ihm dar Ein Fingerlein an seine Hand: »Nun, Herre,« sprach er, »dieses Pfand Soll Zeugniß leisten für meinen Mund.« – Der gute Marke, der Wahrheit kund, Der nahm das Ringlein und sah es an: Den Jammer, den er eh gewann, Umfing sein Herze fester. »Ach,« sprach er, »süße Schwester, Dies Fingerlein, das gab ich dir, Und mein Vater, der gab es mir, Da er im Todesbette lag. Diese Märe ich wohl glauben mag. Tristan, komm her und küsse mich: Bleiben wir leben, du und ich, Will ich dein Erbevater sein. Schön Blancheflur, der Mutter dein, Und deinem Vater Kanelen Sei Gott ein Hort der Seelen Und möge ihnen geben Das ewigliche Leben. Nun es also gekommen ist, Daß du mir doch geworden bist Von der viel lieben Schhwester mein, Gewährt es Gott, so will ich dein Pflegen und immer bleiben froh.« Zum Gaste aber sprach er so: »Nun, lieber Freund, nun saget mir, Wer seid Ihr oder wie heißet Ihr?« – »Rual, Herre.« – »Rual?« – »Rual.« – Da entsann er sich mit Einem Mal, Da er auch in seinen Tagen Von ihm gehöret sagen, Wie weise und wie voll Ehre Und wie getreu er wäre, Und sprach: »Rual li Foitenant?« – »Ja, Herre, also bin ich genannt.« – Da trat ihn der gute König an, Umfing und küßte den treuen Mann Und ehrte ihn herrlich nach Gebühr. Auch trat die Ritterschaft herfür, Und einer nach dem andern kam Und küßte ihn gar wonnesam Und begannen ihn mit süßen Worten höfisch zu grüßen: »Willkommen, Rual, der werthe Held, Ein Spiegel für die ganze Welt!« Rual war da willkommen. Ihn hatte Marke genommen An seine Hand und führte ihn hin; Hold und freundlich er setzte ihn An seine Seite nieder; Da begannen sie wieder Mit ihren Aventüren Und sprachen nach Gebühren Von Tristan und von Blancheflur, Auch was Kanelen widerfuhr, Was der Lobwerthe und Morgan Einander hätten zu Leid gethan, Und was das für ein Ende nahm. Alsbald es an die Märe kam, Daß Marke begann zu sagen, Wie klug und wie verschlagen Tristan zu ihnen wäre Gekommen mit der Märe, Sein Vater sei ein Handelsmann. Rual, der sah Tristanden an: »Freund,« sprach er, »ich habe lange Gar fleißig und gar bange Handel und Handelsreise In armuthseliger Weise Um deinetwillen fortgesetzt, Bin doch gekommen auf die letzt Zu einem guten Ende, Darum ich meine Hände Immer zu Gott erheben soll.« – Tristan, der sprach: »Ich höre wohl, Es wenden sich diese Mären so, Daß ich spät ihrer werde froh. Ich bin nach dem, was ich vernommen, Zu wunderlichen Mären kommen: Ich höre meinen Vater sagen, Mein Vater, der sei lang erschlagen; Hiemit begiebet er sich mein, Und muß ich ohne Vater sein, Ja ist's um zwei zumal gethan. Ach Vater, und ach Vaterwahn, Wie seid ihr also mir benommen! Von dem ich wähnte, daß mir gekommen Ein Vater sei, derselbe Mann Nimmt mir zween Väter, die ich gewann, Ihn selbst und den ich niemals sah.« Der gute Marschall, der sprach da: »Wie nun, Geselle, mein Tristan, Laß diese Rede, da ist nichts dran. Dir hat vielmehr mein Kommen Gegeben, statt genommen: Du bist werther und höher, denn je, Und hast zween Väter doch, wie eh, Hast meinen Herren hier und mich: Er ist dein Vater, das bin auch ich. Folge du meiner Lehre Und sei an Adel und Ehre Stets allen Königen gesellt. Laß alle Rede dahingestellt. Deinen Oheim bitte, meinen Herrn, Daß er dir heim verhelfe gern Und hier dich zum Ritter mache, Denn du magst deine Sache Woll selbst verrichten in solchem Stand. Ihr Herren, sprechet und seid zur Hand, Daß es mein Herre gerne thu.« Da sprachen die Herren alle zu: »Herre, die Sache hat guten Fug, Denn Tristan, der hat Kraft genug, Und ist ein wohl erwachsner Mann.« – Marke sprach: »Neffe mein, Tristan, Sag an, wie steht dein Muth dazu? Ist es dir lieb, wenn ich es thu?« – »Traut Herre, ich sag Euch meinen Muth: Wär mir beschert so reiches Gut, Daß ich wohl nach dem Willen mein Und also Ritter könnte sein, Daß ich des Ritternamens mich Nicht schämte, noch er meiner sich, Noch ritterliche Würde An mir zunichte würde, So wollte ich gerne Ritter sein Und wollte die müßige Jugend mein Wohl gerne üben und kehren Zu ritterlichen Ehren. Denn, wie man sagt, die Ritterschaft Muß mit der ersten Jugendkraft Versuchen ihre Schwingen, Sonst wird sie's nicht weit bringen. Daß ich auf Würdigkeit und Tugend Diese meine unversuchte Jugend So wenig habe, so schlecht geübt, Ist mißgethan und sehr betrübt, Und muß ich's an mir selber hassen. Auch hab ich mir lange sagen lassen, Wohlleben und ritterlicher Preis, Die stimmen weder laut noch leis Und führen zusammen ein übles Wesen. Auch hab ich selber wohl gelesen, Daß Ehre will des Leibes Noth. Gemächlichkeit ist der Ehre Tod, Wenn man zu lange und allzuviel In der Kindheit ihrer pflegen will. Und wisset, Herre, wohl fürwahr: Hätte ich nur vor einem Jahr, Oder auch eh, gewußt so gut, Was ich nun weiß, ich hätte den Muth Nicht gespart bis zu dieser Frist. Nun es aber versäumet ist, So ziemt's, es noch hereinzubringen: Steht mir doch alles aufs Gelingen Am Leib und an dem Muthe. Gott helfe mir nur zum Gute, Daß ich nach meinem Muthe thu.« Marke sprach: »Neffe, sieh selber zu, Frag nur, wornach du frügest, Wenn du die Krone trügest Und wärest Herr in diesem Land. Nun ist dein Vater Rual zur Hand; Der pflegt mit ganzer Treue dein: Er soll dein Rath und Helfer sein, Daß dein Ding also für sich geh, Daß es nach deinem Willen steh. Tristan, traut lieber Neffe, Nicht Armuth dich betreffe: Denn sieh Parmenien, das ist dein Und soll dein eigen immer sein, So lang ich und der Marschall leben. Dazu will ich dir Steuer geben: Was ich nur habe, Leut und Land, Traut Neffe, das ist in deiner Hand. Willst du zu fürstlichen Ehren Herz und Gemüthe kehren, Und ist dein Wille so gethan, Wie du da redest, dann, Tristan, Dann spare nicht das Meine drum: Kornwall sei dein Grundeigenthum, Meine Krone deine Zinserin. Strebst du nach Ehre und Weltgewinn, So sorge du nur für reichen Muth, Ich gebe dir schon reiches Gut. Sieh, du hast kaiserliche Habe: Drum brich dir selbst nichts ab, mein Knabe. Bist du dir selber also hold, Und hast du Muth, als wie du sollt Und mir zu hören hast gegeben, So werd ich's bald an dir erleben. Sieh, finde ich Herrenmuth an dir, So findest du immerdar bei mir Für deinen Willen vollen Schrein: Tintayol soll immer sein Deine Schatzkammer und dein Trisor. Sprengst du mir immer gebührlich vor Mit reichem Herrenmuthe, So folg ich dir mit dem Gute, Oder soll alles verloren sein, Was ich zu Kornwall nenne mein!« Hier gab's ein stattlich Neigen: Sie neigten sich im Reigen, Die bei dem König standen; Sie boten ihm zu Handen Ehre und Lob mit Schalle: »König Marke,« sprachen sie Alle, »Du sprichst, als wie der Höfische soll; Die Rede steht der Krone wohl. Deine Zunge, dein Herz und deine Hand Mögen immer gebieten in diesem Land! Sei immer König in Kornewall!« – Rual, der getreue Mareschall, Und sein Junkherr und Sohn Tristan, Die griffen ihr Geschäfte an Und verwandten das Gut und Geld, Das ihnen Marke zugestellt, Wie ihnen war das Maß gegeben. Nun streite ich um ihr Beider Leben, Wie sich der Vater und Sohn vertrug: Ich höre schon, wie Jemand frug (Weil selten Alter und Jugend Gleich stimmen in einer Tugend, Weil Jugend das Gut verachtet, Das Alter nach ihm trachtet): Wie sich aber die Beiden Je konnten so bescheiden, Daß Jeglicher mit Ehren Bestand auf seinem Begehren Und nicht sein Recht verspielte, So daß das Maß erzielte Der Marschall an dem Gute, Und Tristan that dem Muthe Mit vollem Gut Genüge? Das prüfe ich sonder Lüge: Sehet, der Marschall und Tristan, Die waren einander zugethan Mit also ebenwilligem Muth, Daß Keiner übel rieth, noch gut, Noch anders konnte und wollte, Als dem Andern recht sein sollte. Rual, der Ehren Krone, Vertrauete dem Sohne Und sah an ihm die Jugend an: Gleich also fügte sich Tristan Der Ehr und Tugend in Rual. Dies trug sie Beide zu Einem Mal Und Einem Ziele der Begehr, Daß Der begehrte so wie Der, So daß das viel tugendreiche Paar Ein Mann an Muth und Willen war. Hievon ward Alter und Jugend Einhellig in Einer Tugend, Fiel hoher Muth zu weisem Sinn; Damit behielten die Beiden inn, Tristan sein Recht am Muthe, Rual das Maß am Gute, Daß ihrer Keiner, Mann noch Knab, Von seinem Rechte nichts vergab. Tristans Schwertleite Tristans Schwertleite. So griffen der Marschall und Tristan Ihr Wesen wohlbedächtig an Nach dem, wie ihre Sache stand. Sie erwarben Harnisch und Gewand Innerhalb dreißig Tagen, Dreißig Rittern zu tragen, Die sich der höfische Tristan Zu Gesellen wollte nehmen an. Wer mich nun fragt nach deren Kleid Und seiner Kunst und Zierlichkeit, Wie das zuwege ward gebracht, Da bin ich dessen kurz bedacht Und sag ihm's nach der Märe; So es aber anders wäre, Mag er meine Rede schlagen Und mag er's besser sagen. Es war bereitet ihr Gewand Aus reichen Stoffen viererhand, Und waren die Viere insgesamt Jegliches reich in seinem Amt. Das Eine, das war hoher Muth, Das Andre, das war volles Gut, Klugheit das Dritte, wie ich las, Die schnitt die Beiden zu mit Maß; Höfischer Sinn das Vierte war, Der bot den Faden für alle dar. So thaten die Vier zu Preise. Ihr Werk in ihrer Weise: Der hohe Muth begehrte, Das volle Gut gewährte, Klugheit gab an, schnitt zu, verband, Der Sinn vollbrachte das Gewand, Den Zeug und Schmuck der Recken, Speerfähnlein, Pferdedecken Und anderes Turniergeräth, Worin die Ritterschaft besteht, Und was das Roß und was den Mann Als ritterlich erproben kann: Alles war reich und königlich, Also daß auch kein König sich Des Zeuges durfte schämen, Das Schwert darin zu nehmen. Nun die Gesellen sind bereit Mit wohlgemeßner Kostbarkeit, Wie fahe ich meine Rede an, Daß ich den werthen Held Tristan, Meinen Hauptmann, zur Schwertleite So rüste und bereite, Daß es der Märe bekäme Und man es gern vernähme? Ich weiß nicht, wie ich's sage, Ob es euch wohl behage, Und ob es schön zur Märe steh: In meinen Tagen und auch eh Hat man die Worte so wohl gestellt Von aller Herrlichkeit der Welt, Von reichem Geräthe, großer Zier, Hätt ich der Sinne zwölfe hier, Davon ich habe nur einen, Und könnte sie vereinen, Und trüge ich zur Stunde Zwölf Zungen in diesem Munde Und könnte mit einer jeden Also sprechen und reden, Als ich's mit meiner Einen kann, Ich wüßte es nicht zu fangen an, Wie ich so Gutes sänge Von Pracht und von Gepränge, Das nicht wär baß gethan vorher. Ja, ritterlich Gewand und Wehr Ist also viel beschrieben, Mit Reden so zertrieben, Daß ich davon nichts reden kann, Da sich ein Herz erfreue dran. Herr Hartmann von der Auen , Ah, der kann Mären bauen Und kann sie außen und innen Mit Worten und mit Sinnen Durchfärben und durchschmücken! Wie seine Reden zücken Recht auf der Aventüre Sinn! Wie fließen rein und lauter hin Seine krystallene Wörtelein! Sie sind's und mögen es immer sein! Sie treten sittig zu dem Mann Und schmiegen sich dem Herzen an Und heimeln Einem reinen Muth. Wer gute Rede kann für gut Verstehn und recht erfassen, Muß Dem von Aue lassen Sein Reis und seinen Lorbeerkranz. Auf der Worthaide wer den Tanz Will machen mit dem Hasen, Hoch springen und weit grasen, Mit Worten würfeln, wie's Gott beschert, Und, unsrer Stimmen unbegehrt, Wahnhoffnung zu dem Kranze fassen, Der möge uns nur den Wahn belassen, Wir wollen auch bei der Wahl nicht fehlen. Wir, die die Blumen helfen wählen, Mit denen dieses Ehrenreis Durchflochten ist in Blumenweis, Wir wollen wissen, was er begehr! Wer es auch sei, er trete her Und stecke seine Blumen dar: So nehmen wir an den Blumen wahr, Ob sie so schön am Kränzlein sehn, Daß wir's ihm müssen zugestehn Und Dem von Aue herunterziehn. Nun aber Keiner noch erschien, Dem's besser stünde, zu dieser Frist, Helf Gott, so lassen wir's, wo es ist. Das Reis, das darf uns Keiner haschen, Seine Rede sei denn wohl gewaschen Und eben jedes Wort und schlicht, Daß Keiner den Hals darüber bricht, Der schön und aufrecht auf dem Plan Mit ebenen Sinnen kommt heran. Die aber in Mären wildern Und wilde Mären bildern, Mit Riegel und Ketten klirren, Kurze Sinne verwirren Und Gold von schlechten Sachen Den Kindern können machen, Die Büchsen schwingen und rütteln, Statt Perlen Staub draus schütteln, Die sind's! Vom Strunke kommt ihr Schatte, Und nicht vom grünen Lindenblatte; Die schirmen uns nicht mit Laub und Aesten. Ihr dürrer Schatte thut den Gästen Viel selten in den Augen wohl. Wenn man die Wahrheit sagen soll, Daran erwarmet keine Brust, Darin liegt keine Herzeluft, Ihre Rede hat die Farbe nicht, Die edlen Herzen dünket licht. Dieselben wilden Jäger, Sie müssen Wortausleger Mit ihren Mären lassen gehn: Wir können sie nicht so verstehn Mit Augen und mit Ohren; Auch ist die Zeit verloren, Daß man im schwarzen Buche Nach Noten und Glossen suche. Noch sind der Farbenmeister mehr: Bliker von Steinach tritt einher Mit Worten, lust- und wundersamen. Die stickten Frauen an dem Rahmen Von Gold und auch von Seiden; Man konnte sie überkleiden Mit griechischen Borten. Er hat den Preis von Worten: Sein Sinn, der ist so rein und klar, Ich wähne, daß ihn wunderbar Feien haben gesponnen Und ihn in ihrem Bronnen Geläutert und geweihet: Er ist fürwahr gefeiet. Seine Zunge mit den Harfensaiten, Die hat zwo ganze Vollkommenheiten: Das sind die Worte und der Sinn; Die Zwei, die harfen zusammen hin Und folgen ihrer Märe Gang Zu seltnem Preise mit Einem Klang. Der Rede Meister, sehet dort, Mit sinnreich ausgedachtem Wort, Wie er am Umhang Wunder bringt, Wie ihm der Messerwurf gelingt Mit wohlgefügten Reimen! Wie kann er Reime leimen, Als wären's einander gewachsen an! Fürwahr, es ist und bleibt mein Wahn, Er müsse Buch und Schriftbuchstaben Für Federn angebunden haben, Denn, wollt ihr seiner nehmen wahr, Seine Worte, die schweben gleich dem Aar. Wer nun? Es sind doch viel gewesen, An Rede reich, von Sinn erlesen. Wen soll ich auferwecken? Heinrich von Veldecken , Der sprach aus ganzem Sinne! Wie sang er wohl von Minne! Wie schön er meiselte seinen Sinn! Ich wähne, daß er die Weisheit hin Vom Born des gefiederten Rosses nahm, Von dem die Weisheit alle kam. Ich hab ihn selber nicht geschaut: Es geben aber die Besten laut, Die noch zu seinen Jahren Und seither Meister waren, Ein Zeugniß ihm und einen Preis: Er impfete das erste Reis In unsrer deutschen Zungen; Davon sind Aeste entsprungen, Von denen die Blumen kamen, Daraus die Meister nahmen Den Sinn zu schönem Funde; Und ist dieselbe Kunde So mannigfach verbreitet, Von Gau zu Gau geleitet, Daß Alle, die nun sprechen, Die höchsten Kränze brechen Von Blumen und von Reisen An Worten und an Weisen. Der Nachtigallen, der sind viel, Von denen ich nun nicht reden will: Sie gehören nicht zu dieser Schaar. Damit geb ich nichts andres dar, Als was ich immer sagen muß: Sie können alle ihren Gruß Und singen wohl zu Preise Ihre süße Sommerweise. Ihr Ton ist lauter und ist gut, Sie geben der Welt einen hohen Muth Und thun so recht dem Herzen wohl. Die Welt, die würde stumpf und hohl Und käme außer allen Schwang Ohne den lieben Vogelsang; Der mahnet und mahnet einen Mann, Der je zu Freuden Muth gewann, An alles Gute und Liebe Und spielt mit manchem Triebe, Der edlen Herzen sanfte thut. Das wecket freundlich holden Muth; Hievon kommt inniglicher Drang, Wenn spricht der süße Vogelsang, Der Welt von ihren Freuden allen. Nun saget von den Nachtigallen: Die sind zu ihrem Amt bereit Und können alle ihr sehnend Leid So wohl besingen und besagen: Welche soll denn das Banner tragen, Seit die von Hagenaue , Der ganzen Schaar Leitfraue, Die aller Töne höchsten Fug Versiegelt auf der Zungen trug, Der Welt also verstummet ist? An die gedenk ich zu jeder Frist. Ich wähne von ihren Tönen, Den süßen und den schönen, Daß wohl des Orpheus süßer Mund, Dem alle Töne waren kund (Davon er ihr bescherte Und sie das Wunder lehrte So mancher Wandelungen), Aus ihrem Mund erklungen. Seit man nun diese nicht mehr hat, So gebt uns aber einen Rath, Ein frommer Mann, der leg ihn dar: Wer leitet nun die liebe Schaar? Wer weiset dies Gesinde? Ich wähne, daß ich sie finde, Die nun das Banner führen soll: Ihre Meisterin, die kann es wohl, Die von der Vogelweide . Hei, was die über die Haide Mit hoher Stimme klinget! Was Wunder sie uns bringet! Wie fein sie organiret, Ihr Singen moduliret! Ich meine aber in dem Ton, Der klinget von jenem Berg und Thron, Da, wo die Göttin Minne Gebietet drauf und drinne. Die ist bei Hofe Kämmererin: Die soll sie leiten fürohin; Die weiset sie nach Wunsche wohl, Die weiß wohl, wo sie suchen soll Der Minnen Melodieen. Sie und die mit ihr ziehen, Die mögen also singen, Daß sie zu Freuden bringen Ihr Trauern und ihr sehnendes Klagen: Und das gescheh noch in meinen Tagen! Nun hab ich aber Worte gnug Von guter Leute Schick und Fug Gefügen Leuten hergereiht; Und noch ist Tristan unbereit, Und weiß ich zur Schwertleite Nicht wie ich ihn bereite: Der Sinn will nimmermehr dazu, Und die Zunge weiß nicht, was sie thu Allein und ohne des Sinnes Rath, Von dem sie ihr Amt zu Lehen hat. Was aber wirre den Beiden, Deß will ich euch bescheiden Die Zwei hat das geirret, Was tausend Andern wirret: Dem Mann, der nicht wohl reden kann, Kommt dem ein redereicher Mann, So erlischet ihm zur Stunde, Auch was er kann, im Munde. Ich wähne, das sei mir geschehen: Ich seh und hab allhier gesehen So manchen wohlberedten Mann, Daß ich nicht also reden kann (Es wäre dawider nur ein Wind), Wie dieser Leute Reden sind. Man redet jetzt so recht und wohl, Daß ich mit großem Rechte soll Meiner Worte pflegen und nehmen wahr, Ob sie so lauter sind und klar, Wie ich wollte, daß sie wären In fremder Leute Mären, Und wie ich an einem andern Mann Die Rede erkennen und prüfen kann. Ich weiß nicht, wie ich's beginne: Meine Zunge und meine Sinne Wollen nicht zu Hilfe kommen; Mir hat die Furcht genommen, Selbst was mir sonst gelungen, Recht mitten von der Zungen. Hier weiß ich nimmer, was zu thun, Ich thäte denn das Eine nun, Was mir fürwahr noch nie geschehn: Mein Gebet und mein ganzes Flehn, Die will ich erstmals senden Mit Herzen und mit Händen Hin zu dem Helikone, Zu dem neunfaltigen Throne, Von dem die Brunnen schießen, Daraus die Gaben fließen Der Worte und der Sinnen. Der Wirth und die Wirthinnen, Apoll und die Kamenen, Der Ohren neun Sirenen, Die da zu Hofe der Gaben pflegen, Ihre Gnade ertheilen und verwägen, Wem sie sie zugesonnen; Die haben der Sinne Bronnen Manchem ertheilt so reich und voll, Sie mögen mir einen Tropfen wohl Mit Ehren nicht versagen. Und mag ich den erjagen, So behaupte ich meinen Platz so wohl, Als ihn ein Meister behaupten soll. Derselbe Tropfen, der Eine, Der ist auch nicht so kleine, Daß er mir nicht berichte, Zurechterichtend schlichte Beide die Zunge und auch den Sinn, Daran ich so zerrichtet bin; Da werd ich meine Worte sehn Durch den viel lichten Tiegel gehn Der kamenischen Sinne, Und muß er mir sie drinne Schmelzen zu seltnem Preise, Bereiten in Wunderweise, Gleich Golde der Araben. Dieselben Gottesgaben Des wahren Helikones, Kräfte des obersten Thrones, Von dem die Worte entspringen, Die durch die Ohren klingen Und in das Herze lachen, Die Rede leuchtend machen, Gleich seltnen Edelsteinen: Geruhen sie, die Reinen, Mein Flehen zu erhören In ihren Himmelschören, Und lassen mich den Wunsch empfahn. Nun sei dies alles auch gethan, Und sei dies alles auch gewährt, Was ich von Worten nur begehrt, Und soll ich haben vollen Hort, Daß ich jedwedem Ohr mein Wort Versüße und jeglich Herz beschatte Mit dem saftgrünen Lindenblatte, Und geh allstets der Rede mit, So daß ich ihr bei jedem Tritt Die Straße räume und fege Und lasse an ihrem Wege Auch nicht das ringste Stäubelein, Daß es nicht müßte vertrieben sein, Und daß sie nur auf grünem Klee Und nur auf lichten Blumen geh: So wende ich dennoch meinen Sinn (Seht, wie ich ungesinnet bin!) Kaum oder nimmermehr daran, Daran sich schon so mancher Mann Versuchet und erprobet hat. Fürwahr, ich bin der Märe satt, Und nähme ich alle meine Kraft Zur Ausrüstung der Ritterschaft, Wie, Gott weiß, Mancher hat gethan, Und ließe euch wissen, wie Vulkan, Der weise, hochberühmte, Mit jeglicher Kunst geblümte, Tristanden unerhört und fremd Schwert und Hosen und Panzerhemd, Und was gehört zum Ritterstand, Bereitete mit seiner Hand Nach meisterlicher Sitte, Wie er ihm entwarf und schnitte, Der stets zur Kühnheit war gewillt, Den Eber auf dem Heldenschild, Wie er ihm den Helm erdachte Und oben darauf machte, Zu malen der Minne Qualen, Die Bolzen von Feuerstrahlen, Wie er ihm Stück für Stück erfand Und auch mit seiner Meisterhand Vollbrachte, schön, wie er's ersann, Und wie Fraue Kassandra dann, Die wunderweise Trojerin, All ihre Kunst und ihren Sinn Hätte aufs andre Werk gewandt, Daß sie Tristanden sein Gewand Bereite und vollende, Ein Meisterwerk der Hände, So gut sie es nur inne Hatte in ihrem Sinne, Der von den Göttern im Himmel gar, So wie ich las, gefeiet war: – Was hätte das viel andre Kraft, Als was ich schon zuvor geschafft, Da ich Tristans Geleite Rüstete zur Schwertleite? Ich will, mag's euch behagen, Euch meine Meinung sagen. Seht an, hier stehen Muth und Gut: Wer zu den zwei Geräthen thut Klugheit und höfschen Sinn hinzu, So wirken die Vier in guter Ruh So viel als Einer auf dem Plan. Ja, auch Kassandra und Vulkan Machten zu größrem Preis, denn Die, Rittergewand und Rüstung nie. Nun die vier reichen Kräfte So tüchtig sind zum Geschäfte Und können kleiden und zieren, So befehlen wir den Vieren Unsern Freund Tristanden: Die nehmen ihn zu Handen, Bereiten uns den werthen Mann, Wenn's doch nicht anders gehen kann, Mit dem Gezeug und nach dem Schnitt, Da seine Schwertgesellen mit So reichlich sind bereitet. So sei Tristan geleitet Zu Hof und in den Kampfesring. Er ist in seinem ganzen Ding Seinen Gesellen ebengleich, Ebenzierlich und ebenreich, Ich meine aber im Gewand, Das da kommen ist von Menschenhand, Nicht in dem angeborenen, Vom Herzen auserkorenen, Das sie da heißen edlen Muth, Das den Mann herrlich macht und gut Und edelt ihm so Leib als Leben: Dies Kleid ward anders ihm gegeben Und anders seiner Ritterschaar. Ja, der tugendreiche, fürwahr, Der ehrbegehrende Tristan Hatte besondre Kleider an, Die von Ansehn und Gebaren Reich aus der Maßen waren. Er übertraf an schönen Sitten Und Tugenden Alle, die mit ihm ritten. Aber an den Geräthen, Die Mannes Hände nähten, Da war kein weitrer Unterscheid: Der werthe Hauptmann trug sein Kleid So, wie jedweder Unterthan. Der hochgemuthe Vogt Tristan, Dem nun Parmenien eigen war, Mit seiner ganzen Ritterschaar War er zum Münster kommen, Hatten die Messe vernommen Und auch empfangen den Segen, Wie sich's ziemte allerwegen: Da nahm Marke Tristanden, Seinen Neffen, zu Handen Und schnallte ihm an so Sporn als Schwert. »Sieh,« sprach er, »Tristan, Neffe werth, Nun dir das Schwert gesegnet ist Und nun du Ritter worden bist, So erwäge den Ritterpreis zumeist Und auch dich selber, wer du seist, Deine Geburt und Edelkeit Habe vor Augen allezeit. Sei demüthig und ohne Trug, Sei wahrhaft, halte Zucht und Fug, Sei immer gegen Arme gut Und gegen Reiche hochgemuth, Ziere und werthe deinen Leib, Ehre und minne jedes Weib, Der Welt sei mild und sei getreu, Deine Milde und Treue sei immer neu; Denn meine Ehre verpfänd ich dir: Nicht Gold, noch Zobel bringt die Zier Dem Speere und dem Schilde, Die Treue bringt und Milde.« Er bot ihm den Schild und küßte ihn: »Neffe,« sprach er, »nun fahre hin, Und möge dir Gott nach seiner Kraft Heil geben zu deiner Ritterschaft. Sei immer höfisch, sei immer froh.« – Nun waffnete Tristan gleich also Seine Gesellen, Mann für Mann, Wie ihm der König, sein Ohm, gethan, Mit Schwert und Sporn und Schilde: Demuth, Treue und Milde Legte er eines Jeden Kür Mit wohlgestellter Lehre für. Nun harrten sie auch nicht länger mehr, Buhurdirten und ritten sehr, Deß ist mein Zweifel gar nicht groß; Wie sie da aber brachen los, Wie sie mit Speeren stachen, Wie viel sie Schäfte zerbrachen, Das mögen die Knappen sagen, Die es halfen zusammentragen. Ich brauche ihr Turneien Nicht alles auszuschreien. Doch bin ich zu einem Dienst bereit Und wünsche ihnen jederzeit, Daß sich ihr Aller Ehre In allen Dingen mehre, Und ihnen ritterliches Leben Zur Ritterschaft Gott möge geben. Heimfahrt und Rache Heimfahrt und Rache. Trug je ein Lebender stetes Leid Bei stetiger Glückseligkeit, So trug Tristan je stetes Leid Bei stetiger Glückseligkeit, Wie ich es euch bescheiden will: Ihm war ein volles Endeziel Gegeben zweier Stücke, Vollmaß von Leid und Glücke; Denn alles, was er je begann, Gelang ihm, wie noch keinem Mann, Und war doch immer Leid dabei; Wie ungleich eins dem andern sei, Doch waren die Gegenstücke: Beständigs Leid und Glücke, Gesellet an dem Einen Mann. So Gott euch helfe, nun saget an, Tristan hat nun das Schwert genommen Und ist zu reichem Glücke kommen Und ritterlicher Würdigkeit: Laßt hören, welchgestaltes Leid Hat er bei solchem Glücke? – Weiß Gott, in einem Stücke, Das Herzen stets mit Leid umfing Und auch dem seinen nahe ging: Daß ihm der Vater ward erschlagen, Wie er Rualen hörte sagen, Das quälte ihn in seinem Muth; Also war Uebel da bei Gut, Schaden bei Glück, bei Freude Leid: So ist's im Herzen allezeit. Ich weiß, es nehmen Alle an, Den Haß, den nehme ein junger Mann Mit ernstlicherem Herzen an, Denn je ein lebensreifer Mann. Ob aller seiner Herrlichkeit Schwebte Tristanden so das Leid Und das verborgene Ungemach, Wovon er keinem Menschen sprach: Ihm brachte Riwalinens Tod Und Morgans Leben diese Noth; Dies Leid lag ihm mit Sorgen an. Der sorgenvolle Vogt Tristan Und sein getreuer Mann und Rath, Der noch von Treue den Namen hat, Der tugendreiche Foitenant, Bereiteten alsbald am Strand Mit herrlichem Geräthe, Darnach man nicht erst spähte, Eine herrliche Barken: So kamen sie für Marken. Tristan sprach: »Lieber Herre mein, Es möge mit Euren Hulden sein, Daß ich heim nach Parmenien fahr Und nehme nach Eurem Rathe wahr, Wie es da habe seinen Stand Um unsre Leute und unser Land, Nachdem Ihr sprechet, es sei mein.« Marke sprach: »Neffe, dies soll sein. Wie ungern ich dich mag entbehren, Doch will ich deine Bitte gewähren. Fahr heim in dein parmenisch Reich, Du und deine Gesellen gleich; Willst du aber der Ritter mehr, Die nimm nach Willen und Begehr. Nimm Rosse, nimm Silber und nimm Gold, Was du bedarfst und haben sollt Und dir vor Augen stellest; Und wen du dir gesellest, Dem biete es so mit Gute Und gutem Gesellenmuthe, Daß er dein Diener gerne sei Und dir mit Treuen wohne bei. Viel lieber Neffe, leb und thu, Als spräche dir dein Vater zu, Rual, der Treue, der hier steht, Der Treue und Ehre früh und spät Dir hat erwiesen bis daher. Wenn Gott erfüllet dein Begehr, Daß du das alles richtest Und deine Sachen schlichtest Mit Frommen und mit Ehren, So sollt du wieder kehren: Da kehre wieder her zu mir. Ein Ding gelob ich und leist es dir, Nimm meine Treue in deine Hand, Daß ich mit dir mein Gut und Land Zu gleichen Stücken theile; Geschähe dir zum Heile, Daß du mich solltest überleben, Sei dir's zu eigen ganz gegeben; Denn deinetwillen soll mein Leib Verbleiben ohne ein ehlich Weib, Dieweil ich immer leben soll. Neffe, du hast vernommen wohl Meine Bitte und meinen Sinn. Bist du mir hold, wie ich dir bin, Trägst du mir Liebe, wie ich dir trage, Weiß Gott, so sollen wir unsre Tage Fröhlich zusammen hier verleben. Hiermit sei dir Urlaub gegeben: Marien Sohn, der hüte dein Und laß dir wohl befohlen sein Deine Verrichtung und deine Ehr.« – Da blieben sie auch nicht länger mehr: Tristan und sein Freund Rual Schifften von Kornwall ab zumal, Sie und ihre Genossenschaft, Gen Parmenien mit ihrer Kraft. Und hättet ihr nun gern vernommen, Ob man den Herren bot Willkommen, So sag ich euch, was ich vernommen, Wie sie gewesen sind willkommen. Ihr Führer und Gefährte, Der treue, der bewährte Rual trat vor und stieg ans Land, Sein Hütlein legt er und sein Gewand Mit höfischer Sitte nebenan, Mit lachendem Munde zu Tristan Lief er, küßt ihn, sprach: »Herre mein, Gotte sollt Ihr willkommen sein, Und Eurem Lande darnach und mir. Nun schauet, Herre: sehet Ihr Dies schöne Land bei diesem Meer? Festen, Städte, Wall und Wehr Und manch ein herrliches Castell: Seht, das hat Euer Vater Kanel Auf Euch vererbet und gebracht; Und seid Ihr biderbe und bedacht, So entgeht Euch nichts von dem Gebiet, So weit hier Euer Auge sieht; Dafür steh ich Euch immer gut.« Mit reichem Herzen und frohem Muth Nach dieser Rede wandte er sich, Empfing am Ufer freudiglich Die Fahrtgenossen, Mann für Mann, Die er, wie Keiner mehr, begann Mit feinen Worten, süßen, Zu saluiren und grüßen. Dann führte er sie gen Kanoel, Und überall Stadt und Castel, Die von Kanelens Jahren In seiner Pflege waren In allen diesen Landen, Uebergab er Tristanden Getreulich nach der Lehenspflicht, Und auch die seinen minder nicht, Die von den Ahnen allen Ihm waren zugefallen. Was braucht er da der Rede mehr? Er hatte Rath und hatte Ehr: Darum bot er dem Herren Rath Als Der, der Rath und Ehre hat, Und all den Seinen spät und früh. Solchen Eifer und solche Müh, Als er mit süßem Muthe Ihnen Allen zu Gute Auf alle Weise wandte an sie, Sah eines Menschen Auge nie. Wie nun? wie ist mir denn geschehen? Ich hab mich selber übersehen! Wo hab ich aber meinen Sinn? Die tugendreiche Marschallin, Die reine, die stete, Meine Fraue Florete, Daß ich sie so verschweigen kann, Fürwahr, ist höfisch nicht gethan. Ich will es aber der Süßen Bessern und will es büßen. Die höfische, die gute, Die weiblich gemuthe, Die wertheste, die beste, Ich weiß, daß sie die Gäste Nicht mit dem Mund allein empfing; Denn wie das Wort vom Munde ging, Ging ihm der gute Wille vor. Ihr Herze, das fuhr recht empor, Als ob's gefiedert wäre. Sie waren nur Eine Märe, Beide ihr Wille und ihr Wort; Ich weiß wohl, daß sie über Bord Einmüthig gesellet gingen, Da sie die Gäste empfingen. Florete, die selige Marschallin, Wie sie sich freute mit Herz und Sinn Auf ihren Herren und auf ihr Kind, Das Kind, deß diese Mären sind, Tristanden, ihren Sohn, mein ich, In Treuen, deß belehren mich Ihre Tugenden ohne Ziel, Ihre Sitten groß und viel, Die ich von der Gesegneten las; Daß sie die hatte in reichem Maß, Das bewährte sie also wohl, Als ein Weib aufs allerbeste soll, Denn sie schuf ihrem Kinde Und seinem Ingesinde Alle die Ehr und Gemächlichkeit, Die je für Ritter war bereit. Auch wähne ich Eines also wohl, Als ich aufs allerbeste soll: Daß dem höfischen Kurvenal Sein Freund nach solcher Noth und Qual Ein willkommener Tristan war, Deß bin ich alles Zweifels baar. Nach diesem wurden bald besandt Zu Parmenien im ganzen Land Die Herren und die Ritterschaft, Die da hatten Gewalt und Kraft, Beides in Stadt und in Castel; Und als nun Die in Kanoel Alle zusammenkamen Und sahen und vernahmen Den wahren Hergang und Bericht, Wie uns die Märe von Tristan spricht Und wie ihr selber habt vernommen, Da flog ein tausendfach Willkommen Aus eines Jeden Munde, Leut und Land zur Stunde Erwachten aus dem langen Leid Und machten sich zur Freudigkeit Mit Wundern, wundersamen: Sie schwuren Huld und nahmen Ihre Lehen, Leut und Land Aus ihres Herrn Tristandes Hand Und wurden ihm alle unterthan. Inzwischen immer trug Tristan Seinen heimlichen Schmerzen Verborgen in dem Herzen, Der von Morganen ihm gedieh, Und dieser Schmerz verließ ihn nie, Der quälte ihn so früh als spat. Und also ging er da zu Rath Mit Magen und mit Mannen Und sprach, zu den Britannen Stehe sein Verlangen, Sein Lehen zu empfangen Aus Morgans, seines Feindes, Hand, Auf daß er seines Vaters Land Mit beßrem Rechte hätte. Das that er auch an der Stätte: Er schiffete von dannen, Er und seine Mannen, Bereitet und gerüstet wohl, So wie ein Mann mit Rechte soll, Der auf eine gefährliche That Ernstlich den Willen gerichtet hat. Als Tristan nach Britannien kam, Von ungefähr er da vernahm Und hörte für Wahrheit sagen, Der Herzog sei aufs Jagen Und reite von Wald zu Walde. Nun hieß er eilen balde; Die Ritter machten sich bereit Und legten unter ihrem Kleid Den Halsberg an und all ihr Ding, Also daß Keiner einen Ring Ließ aus dem Gewande sehn. Das war gethan, das war geschehn. Ueberdies legte jeder Mann Seinen weiten Reisrock an Und saßen auf ihre Rosse. Sie geboten dem Trosse, Allfort zurückzureiten, Harrend nach keiner Seiten. Dann theilten sie ihre Ritterschaft Und stelleten die größre Kraft Im Rücken an die Wiederfahrt, Damit der Troß sei wohl bewahrt, Wo der auf seiner Straße fuhr. Da dies geschah, so blieben nur, Zu reiten mit Tristanden, Dreißig Ritter bei Handen, Und Jene an der Wiederkehr Waren wohl sechzig oder mehr. Viel bald geschah es, daß Tristan Hunde und Jäger zu sehn begann. Dieselben fragte er Märe, Allwo der Herzog wäre. Die thaten es ihm alsbald kund, Und ritte er zur selben Stund Des Endes, fand auch da viel schier Auf einem grünen Waldrevier Viel brittische Barone: Da waren Pavelone Und Hütten auf dem Gras geschlagen, Darum und auch darein getragen Laubes und lichter Blumen viel. Ihre Hunde und ihr Federspiel Hatten sie da zu Handen. Die grüßten auch Tristanden Und seine Rotte, die mit ihm ritte, Höfisch nach aller Hofessitte, Und sagten ihm auch alsofort, Morgan ihr Herre reite dort Gar nahe in dem Walde. Da eilten sie zu ihm balde Und fanden ihn mit Genossen Auf Castilianerrossen, Und waren viele brittische Herrn um ihn. Nun sie also zu ihm trabten hin, Empfing Morgan die Gäste, Nicht wissend, zu welchem Feste, Also gastlich und also wohl, Wie man Gäste empfangen soll. Sein Landgesinde dasselbe that: Und Einer nach dem Andern trat Mit seinem höfischen Gruß heran. Nun dieses Grüßen war gethan Und die Unmuße gar vorbei, Zu dem Herzog sprach Tristan frei: »Herre, ich bin gekommen her, Mein Lehen zu nehmen, und begehr, Daß Ihr mir's gebt zu tragen, Und wollt mir das nicht versagen, Was ich mit Rechte haben soll. So thut Ihr höfisch und thut wohl.« – Morgan sprach: »Herre, saget mir, Von wannen oder wer seid Ihr?« – »Von Parmenien ich bürtig bin, Und hieß mein Vater Riwalin; Herre, deß Erbe soll ich sein, Und ist Tristan der Name mein,« – So zu Morganen sprach Tristan. Morgan sprach: »Herre, Ihr kommt mich an Mit so unnützen Mären, Daß sie viel besser wären Verschwiegen, als hie fürgebracht. Ich bin der Sache kurz bedacht: Wollt Ihr bei mir nach etwas streben, So wär Euch leichtlich Statt gegeben, Und sollt Euch nichts verhindern dran, Wäret Ihr nur ein solcher Mann, Daß Ihr zu ganzen Ehren Die Sache konntet kehren; Wir wissen aber Alle wohl, Und sind die Lande der Märe voll, In welcher Weise Blancheflur Mit Eurem Vater von Hause fuhr, Zu welchen Ehren es ihr kam Und welches Ende die Liebschaft nahm.« – »Liebschaft? Herre, wie meint Ihr das?« – »Ich rede Euch nun nicht fürbaß, Denn wie ich sage, so steht es drum.« – »Herre,« sprach Tristan wiederum: »Diese Reden bescheiden mich; Ihr meinet es wohl so, daß ich Nicht ehlich sei geboren Und habe damit verloren Mein Lehen und mein Lehenrecht.« – »In Treuen, Herre, guter Knecht, Dafür halt ich's und mancher Mann.« – »Ihr redet übel,« sprach Tristan: »Ich wähnte doch, es wäre Gethan nach Fug und Ehre, Wer Einem etwas zu Leide that, Daß er doch die Zunge hielte zu Rath Und hätte Sinn und Sitte drin. Hättet Ihr nun Sitte oder Sinn, Nachdem durch Euch solch Leid mir ward, Ihr hättet die Rede wohl gespart, Die neue Schwere wecket Und alte Schulden strecket. Ihr schluget mir den Vater doch; Damit bedünket aber noch Meines Leides Euch nicht genug: Ihr sagt, daß die Mutter, die mich trug, Kebslich mit mir gegangen sei. Stehe mir Gott der reiche bei! Ich weiß, wie mancher Edelmann, Den ich hie nicht benennen kann, Seine Hände hat gefalten mir: Hätten sie diese Missezier, Von der Ihr redet, an mir erkannt, So hätte keiner seine Hand Zwischen die meinen nie gebracht. Die nahmen die Wahrheit wohl in Acht, Daß Riwalin der Vater mein Meine Mutter bis ans Ende sein Gehalten hat als ein ehlich Weib: Ist's, daß ich das auf Euren Leib Bewähren und beweisen soll, In Treuen, das beweise ich wohl.« – »Fort,« rief Morgan, »in Gottes Haß! Euer Beweisen, was soll mir das? Euer Schlag, der fällt auf keinen Mann, Der je zu Hofe Recht gewann.« – »Das wird sich zeigen,« sprach Tristan, Zuckte das Schwert und rannte ihn an; Er schlug ihm durch von obenher Hirnschal und Hirn mit seiner Wehr, Daß sie bis auf die Zunge drang. Dann stach er ihm im andern Gang Das Schwert ins Herze tief hinein. Da zeigte wohl der Augenschein Des Wortes Wahrheit, das da spricht, Daß Schulden liegen und faulen nicht. Die mit Morganen ritten, Die unverzagten Britten, Die konnten ihm da nicht frommen, Noch ihm zu Hilfe kommen, Eh daß er kam zu Falle. Jedoch sie waren Alle, So gut sie konnten, an ihrer Wehr; Ihrer war bald ein großes Heer. Die unversehenen Mannen Fielen die Britannen Männlich an und mit kühnem Muth. Vorsicht, Bedachtsamkeit und Hut, Der Dinge nahm selten Einer wahr, Sie drangen Alle mit Haufen dar Und warfen die Feinde mit Gewalt Ins Feld hinaus wohl für den Wald. Da hub sich großer Lärmen, Starkes Weinen und Härmen. Da flog umher des Herzogs Tod Mit vieler Klage, mit mancher Noth, Als ob er flügge wäre. Er sagte böse Märe Auf die Burgen und in das Land. Im Lande ging von Hand zu Hand Nichts als das Eine Klagewort: »A, noster Sires, il est mort! Wie wird des Landes Rath nunmehr? Nun, ziere Helden, kehret her Aus Städten und aus Festen, Gelohnet diesen Gästen, Was sie uns haben zu Leid gethan!« Da griffen die Britten wacker an, Und gab's ein stetes Streiten: Sie fanden zu allen Zeiten Auch bei den Gästen vollen Streit: Die kehrten je von Zeit zu Zeit Mit einer ganzen Rotte wieder Und warfen ihnen Manchen nieder Und wußten aber mit Fliehen Den Streit dahin zu ziehen, Allwo sie wußten ihre Kraft. Da fanden sie ihre Ritterschaft Und nahmen daselbst Herberge Auf einem festen Berge Und hielten sich dort über Nacht. Die Nacht ward aber des Landes Macht So stark und also feste, Daß sie die leiden Gäste, Sobald es kam zu tagen, Begannen stark zu jagen Und Manchen niederstachen, Den Haufen oft durchbrachen Mit Schwertern und mit Spießen, Die sie bald im Stiche ließen. Ja waren ihnen Schwert und Speer Fürwahr gewaltig kurze Wehr, Deren gar viel zersprangen, So sie in die Rotte drangen. Auch war das kleine Tristansheer So frech an seiner Gegenwehr, Daß, brach man in den Haufen da, Großer Schade dem Feind geschah. Die Schaaren wurden beiderseit Zur einen und zur andern Zeit Mit Schaden groß und viel beladen: Sie nahmen Schaden und thaten Schaden Und schädigten gar manchen Mann Und hielten so lange zusammen an, Bis aber zuletzt das innre Heer Zu wanken begann in seiner Wehr; Denn ihm ging ab und Jenen zu: Die mehrten sich in guter Ruh, Nahmen an Vortheil zu und Macht, So daß sie doch noch vor der Nacht Belagerten die Gäste In einer Wasserfeste, Draus sich die Gäste wehrten Und sich die Nacht da nährten. So war das Haus belagert schwer Und rings umschlossen von dem Heer, Als ob's umzäunet wäre. Die Fremden in der Schwere, Tristan und seine Mannen, Was ist's, das sie begannen? So hört, wie sich zutrug ihr Ding, Wie ihre Noth zu Ende ging, Wie sie von dannen kamen, Sieg an den Feinden nahmen. Tristan, als der von Hause schied, Wie ihm sein Rath und Vater rieth, Um zu empfahen sein Lehen Und alsbald wieder zu gehen, Der lag auch seit zu jeder Stund Dem edlen Rual im Herzensgrund Mit einem Wahn, es möchte gehn, Recht wie Tristanden auch geschehn. Doch hatte er nicht gerathen Zu solchen blutigen Thaten. Hundert Ritter nahm er an Und kehrte nach seinem Herrn Tristan, Gerade aus in seiner Spur. Gar kurze Zeit er also fuhr, Bis daß er gen Britannien kam Und dorten alsobald vernahm, Wie es ergangen wäre, Und nach des Landes Märe Führte er seine Reise hinaus Zu dem belagerten Wasserhaus. Nun sie begannen zu nahen, Daß sie die Feinde sahen, Da kam von ihrer Rotte Keiner zu seinem Spotte Weder nach noch seitab gezogen: Sie kamen allesammt geflogen Mit wehenden Panieren, Da gab's ein Schlachtcroijiren Von ihrer Massenie: »Schevelier, Parmenie! Parmenie, Schevelier!« Da sauste jegliches Panier Mit Schaden und mit Ungemach Durch der Zelte Wand und Dach. Da warfen sie zur Stunden Die Britten mit Todeswunden Durch ihre Zelte hin und her. Nun daß begann das innre Heer Ihr Banner zu erkennen Und hörten ihr Zeichen nennen, Begannen sie Raum zu machen, Und wie sie ins Feld vorbrachen, Hob Tristan starkes Kämpfen an. Da ward großer Schade gethan Den brittischen Landgesellen: Mit Fahen und mit Fällen, Mit Schlagen und mit Stechen Begannen sie durchzubrechen Zu beiden Seiten in dem Heer; Auch nahm den Feinden das die Wehr, Daß die zwo Schaaren dort und hier »Parmenie, Schevelier!« Riefen und schrieen mit solchem Schall: Das verdrängte sie überall, Da war nicht Wehr noch Wiederkehr, Da gab es nichts zu streiten mehr, Da hieß es ducken und fliehen Und drängen und sich ziehen Nach den Bergen und nach dem Wald. Das Streiten ward da mannigfalt: Flucht war das Beste in dieser Noth, Das einzige Mittel für den Tod. Nun dieser Schlag ergangen war, Da ruhete die Ritterschaar; Herberge ward genommen, Und die da umgekommen Und lagen im Feld erschlagen, Hieß man zu Grabe tragen, Und die verwundet waren, Die legten sie auf Bahren Und nahmen heimwärts ihre Fahrt; Und war Tristanden auf solche Art Sein Lehen und sein sondres Land Verliehn aus seiner eignen Hand, Und war er Herr von Dem und Mann, Von dem sein Vater nichts gewann. So hatte er sich frei gemacht Und all sein Ding zurecht gebracht, Sich frei gemacht am Gute, Zurechtgebracht am Muthe: Sein Unrecht war zurückgegeben, Sein schwerer Muth war leicht und eben. Er hatte nun in seiner Hand Sein Vatererbe und all sein Land Unangefochten und also, Daß Niemand irgendwann, noch wo Ansprache hatte an sein Gut. Hiemit so wandte er seinen Muth, So wie es ihm gebot und rieth Sein Oheim, da er von ihm schied Wieder dahin gen Kornewall, Und konnte doch auch vom Mareschall Nicht wenden sein Gemüthe, Der ihm so manche Güte Erwiesen und aufs Neue Erwies mit Vatertreue. Von seinem Herzen ging ein Strahl Zu seinem Ohm und zu Rual; An diesen Beiden lag all sein Sinn: Der Sinn, der zog ihn her und hin. Nun spräche wohl ein frommer Mann: »Unser gesegneter Tristan, Wie soll er es beginnen nun, Um ihnen Beiden recht zu thun Und Jedem zu lohnen, wie er soll?« – Euer Jeder, der weiß ja wohl, Er kann das nicht ersparen, Muß Einen lassen fahren Und bei dem Andern bleiben. Laßt hören, wie soll er's treiben? Fährt er nach Kornwall wieder, So sinkt Parmenien nieder Und muß ohn alle Würde sein; Und auch Rual büßt alles ein An Freuden und an Muthe Und an allem dem Gute, Drauf seine Wonne sollte stehn; Will er aber nicht von hinnen gehn, So wird er sich auch nicht kehren Zu höheren Ritterehren Und schlägt auch Marke's Rath in Wind, Dran seine Ehren gebunden sind. Wie soll er sich hievor bewahren? Weiß Gott, da muß er wieder fahren: Deß soll man ihm Beifall geben. Er soll sich hoch erheben Und steigen an Ehr und Muthe, Will es sich ihm zu Gute Und auch zu Glücke kehren. Er soll nach allen Ehren Billig begehren und streben. Will's ihm die Glücksfrau geben, So hat sie Recht, daß sie es thu: Denn all sein Muth steht ihm dazu. Tristan, der viel sinnreiche Mann, Griff sein Vorhaben sinnig an: Er wollte sich gleich und eben Vertheilen und vergeben Zwischen den Vätern beiden, Als sollte man ihn zerschneiden. Sich selber theilte er in zwei, So gleich und eben als ein Ei, Und Jeglichem gab er den Theil, Davon er wußte, daß er zum Heil Ihm und all seinem Wesen kam Wer nun von Theilung nie vernahm, Die man mit ganzem Leibe macht, Dem sag ich, wie sie wird vollbracht. Da hat wohl Niemand Zweifel dran: Zwei Dinge machen einen Mann, Und diese zwei sind Leib und Gut. Von diesen sprosset edler Muth Und weltlich hoher Ehren viel. Wer aber die Beiden scheiden will, In Armuth wandelt der das Gut: Der Leib, dem man sein Recht nicht thut, Der fällt vom Wesen, das er gewann, Und wird der Mann ein halber Mann, Wenn gleich mit ganzem Leibe. So ist's auch mit dem Weibe. Fürwahr, es sei Mann oder Weib, So müssen immer Gut und Leib Mit gemeinsamen Sachen Ein ganzes Wesen machen. Wollt ihr sie aber scheiden, So ist es aus mit Beiden. Nun, diese Theilung hub Tristan Herrlich und willigen Muthes an Und führte sie aus mit Sinnen: Er hieß ihm da gewinnen Schöne Rosse und edel Gewand, Speise und Vorrath mancherhand, Deß man bedarf zu Fest und Schmaus, Und richtete eine Hochzeit aus; Die Besten von der Ritterschaft, Auf denen stund des Landes Kraft, Besandte er und lud er nun: Die thaten, wie die Freunde thun, Und kamen, wie befohlen, an. Nun war bereitet auch Tristan In allen seinen Dingen. Da gab er zwein Jünglingen, Söhnen Ruals, das Ritterschwert, Die waren ihm als Erben werth Und Lehensmannen nach Rual. Und was er ihnen dazumal Zu Würden und zu Ehren Konnte wenden und kehren, Da sparte er keine Kosten dran, Das ward so willig und gern gethan, Als wäre Jeglicher sein Kind. Nun daß sie Ritter worden sind, Mit zwölf Gesellen an der Zahl, War einer der Zwölfe Kurvenal, Der höfische getreue Mann. Der tugendreiche Vogt Tristan Nahm seine Brüder an der Hand, Höfisch, wie ihm sein Sinn drauf stand, Und führte sie von dannen. Seine Magen und Mannen Und Alle, die da waren Von Sinnen oder Jahren, Oder aber von beiden Bedächtig und bescheiden, Die wurden alle aus dem Land Zu Hof geladen und besandt. Nun, die sind alle erschienen. Tristan stund auf vor ihnen: »Ihr Herren,« sprach er zu der Schaar, »Denen ich gern und immerdar In Treuen und mit Lauterkeit Zu allem Dienste bin bereit, So weit, als ich es immer kann, – Meine Magen und meine lieben Mann, Von deren Gnaden ich es hab, Was Gott mir Ehren und Würden gab, Durch eure Hilfe hab ich mich Erbaut mit allem, dessen ich In meinem Sinn begehrte. Wie mir's auch Gott gewährte, Doch weiß ich wohl, durch eure Macht, Durch eure Frommheit ward's vollbracht. Was mag ich weiter sagen? Zu diesen kurzen Tagen Habt ihr so Ehr als Glücke Auf mich in jedem Stücke Gewendet, daß ich zweifle nicht, Daß eher diese Welt zerbricht, Eh ihr zu irgend einer Zeit Meinem Willen zuwider seid. Freunde, Mannen und alle Die, Die durch meinen Willen hie Oder aus eigener Tugend sind, Nehmt meine Rede nicht ungelind, Noch laßt sie euch mißfallen: Ich künde und sage euch Allen, Wie auch mein Vater hie, Rual, Gesehen hat und gehört zumal, Daß mir mein Oheim all sein Land Gesetzet hat in meine Hand Und will auch lassen seinen Leib Um meinetwillen ohne Weib, Damit daß ich sein Erbe sei, Und will, daß ich ihm bleibe bei, Wo er sei und wohin er fahr. Nun hab ich mich bewogen dar, Und steht mir all mein Muth darzu, Daß ich nach seinem Willen thu Und wieder zu ihm kehre. Besitz und Herrenehre, Die ich habe in diesem Land, Die will ich lassen und leihn zur Hand Meinem Vater, dem Mareschall, Wofern ich im Lande Kornewall Je anders als wohl bekleibe, Ob ich sterbe oder da bleibe, Daß es sein Erbelehen sei. Nun stehn hier seiner Söhne zwei, Dazu noch andre seine Kind: Die nun seine Erben ferner sind, Die haben alle Recht daran. Nun höre jeder Lehensmann: Die Lehen über das ganze Land, Die will ich haben in meiner Hand All meine Jahre und Tage.« Da erhob sich Jammer und Klage Unter der ganzen Ritterschaft, Sie wurden alle unfreudenhaft, Ihr Muth, ihr Trost, der war nun klein: »Ach, Herre,« sprachen sie insgemein, »Viel besser wäre uns geschehn, Wenn wir Euch hätten nie gesehn; So wäre auch dieses Leid nicht da, Das uns nun so durch Euch geschah. Herre, unser Trost und unser Wahn, Der war so gegen Euch gethan, Als wär uns ein Leben mit Euch gegeben: Nein, leider unser Aller Leben, Das wir zu Freuden sollten haben, Das ist erstorben und begraben, So wie Ihr von hinnen kehret: Herre, Ihr habt uns gemehret Und nicht gemindert unser Leid. Unser Aller Glückseligkeit, Die hatte ein wenig aufgenommen Und ist nun wieder schon verkommen.« – Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod: Wie stark ihr Aller Klagenoth, Und wie groß ihre Schwere Geworden ob dieser Märe, Rual, dem es zu Statten ging, Der großes Frommen davon empfing Und große Ehr am Gute, Dem that es in dem Muthe Unsanfter denn ihnen Allen. Ihm war da zugefallen Ein Lehen, daß er mit solchem Gram Noch keines je zu Handen nahm. Nun Rual und seine Kind Belehnet und erbgesessen sind Durch ihres Herrn Tristandes Hand, Ergab er Gotte Leut und Land Und fuhr aus diesen Landen; Auch ging da mit Tristanden Sein treuer Meister Kurvenal. Seine Mannen und gar Rual, Dazu das Landvolk insgemein, Ob ihre Noth und Klage klein Und ihr Kummer nicht redebar Um ihren trauten Herren war? In Treuen, dieses weiß ich wohl: Ganz Parmenien, das war voll Von Jammer und von Klagen, Die wären nicht auszusagen. Die Marschallin Florete, Die treue und die stete, Die legte Marter an ihren Leib, Wie von Rechtswegen thut ein Weib, Der Gott ein hochgesegnet Leben An Weibesehren hat gegeben. Der Irenzins Der Irenzins. Was halte ich euch hier länger an? Der landesflüchtige Tristan, Da der gen Kornwall wieder kam, Zur Stund er eine Märe vernahm, Die ungern ward von ihm vernommen: Es sei vom Irenlande kommen Morold, der gar sehr starke, Und fordere von Marke Mit kampfbereiten Handen Den Zins von beiden Landen, Von Kornwall und von Engelland. Mit dem Zinse war es so bewandt: Der da in Irland König was, Wie ich in der Historie las Und kund die rechte Märe thut, Derselbe hieß Gurmun Wohlgemuth, War geboren von Afrika, Und war sein Vater König da. Nun der verschied, so fiel das Land An ihn und seines Bruders Hand, Der so wohl Erbe war als er. Gurmun war aber von Begehr So herrisch und so hochgemuth, Daß er verschmähte, gemeines Gut Zu haben mit einem andern Mann. Sein Herze trieb ihn immer an, Er müsse selbst ein Herre sein. Da wählte er sich insgemein Die Starken, die Muthfesten Und in der Noth die Besten, Die man kannte als die Rechten, Von Rittern und Fußknechten, Die er mit seinem Gute Oder mit höfischem Muthe Für sich mochte gewinnen, Und fuhr auch gleich von hinnen Und ließ dem Bruder all sein Land. Nun daß sein Sinn auf Orlog stand, So nahm er von den Siegern, Den mächtigen Romakriegern, So Urlaub als Bestallung hin: Er sollte seines Schwerts Gewinn Für sich haben zu eigen Und ihnen davon erzeigen Etliche Rechte und Ehren. Da ließ er's nicht lange währen: Er fuhr mit einem starken Heer Ueber Land und über Meer, Bis daß er zu den Iren kam Und Sieg an ihrem Lande nahm, Daß ihre Kraft darnieder sank Und sie ihn mußten ohne Dank Zum Herrn und König nehmen Und sich dazu bequemen, Daß sie ihm zu allen Zeiten Halfen mit Stürmen und Streiten Die Nachbarlande zwingen. In diesen selben Dingen Bezwang er auch an seine Hand Ganz Kornewall und Engelland. Da war aber Marke noch ein Kind, Unwehrhaft, wie die Kinder sind, Kam so von seiner Herrlichkeit Und ward Gurmunen zinsbar seit. Auch half Gurmunen dieses sehr Und gab ihm große Kraft und Ehr, Daß er Moroldens Schwester nahm, Davon er in Furcht und Ansehn kam. Der war ein Herzog dort zu Land, Und hätte in seiner eignen Hand Gerne ein Land besessen; Denn er war sehr vermessen, Hatte Land und großes Gut Und war mannlich an Leib und Muth. Der war Vorfechter für Gurmun. Was aber der Zins gewesen nun, Den man sandte den Iren Aus jeglichen Revieren, Dessen bescheide ich euch fürwahr: Sie sandten ihnen das erste Jahr Dreihundert Mark von Messing schwer, Und aber dazu nichts andres mehr, Das andere Silber, das dritte Gold; Im vierten Jahre, da kam Morold Der Starke vom Irenland, bereit Zu jedem Kampf und zu jedem Streit. Vor diesen wurden da besandt Aus Kornwall und aus Engelland Die Barone und Großen: Die mußten allda loosen Vor seinen eignen Augen Um Kinder, welche taugen Zu Hof und Hofdienst sollten Und wären unbescholten Von Leibe und dem Hof genehm, Wer sein Kind müsse geben Dem: Nicht Mägdlein, Knaben nur allein, Und sollten ihrer dreißig sein Aus jeglichem der Lande; Auch durfte dieser Schande Niemand anders zuwider stehn, Es müßte im Zweikampf denn geschehn Oder aber im Landgefecht. Nun mochten sie aber zu ihrem Recht Mit offner Gegenwehr nicht kommen: Die Lande hatten abgenommen; Auch war Morold sehr stark und groß, Arg, zornig und erbarmungslos, Daß wider ihn nicht leicht ein Mann, Sah er ihn Aug in Auge an, Zu setzen wagte seinen Leib, So wenig fast, als nur ein Weib. Und wenn der Zins in diesem Jahr Hin gen Irland gesendet war, Und kam das fünfte Jahr heran, So mußten die zwei Lande dann Zur Zeit der Sonnenwenden Gen Rom die Boten senden, Die den Römern behagten, Auf daß die ihnen sagten, Welch Gebot und welchen Rath Der hochgewaltige Senat Erbieten ließe und sende Einem jeden Gelände, Das unterthan den Römern war: Denn man las ihnen jedes Jahr Und that ihnen kund genug und satt, Wie daß sie sollten der Römerstadt Lois und Landrecht hegen Und ihres Gerichtes pflegen, Und mußten auch recht also leben, Wie ihnen Lehre ward gegeben. Dies Zinsrecht sammt dem Pfande Ließen die beiden Lande Alle fünf Jahre schauen Rom, ihre werthe Frauen. Doch boten sie ihr diese Ehr Und dieses Zinsrecht nicht so sehr Von Rechtes, noch von Gottes wegen, Als weil sie Gurmunen unterlegen. Wir sollen wieder zur Märe kommen. Tristan, der hatte wohl vernommen Von Englands Schmach und Kornwalls Leid, Und war ihm auch vor dieser Zeit Schon lange kund, mit welcher Pflicht Derselbe Zins war aufgericht. Nun aber alle Tage Hört er des Landvolks Klage; Wohin er seine Richte nahm, Vor Städte oder Castele kam, War all das Land des Leides voll; Und als er aber gen Tintayol Und zu dem Hofgesinde kam, Seht, da hörte er und vernahm In Gassen und in Straßen Ein Jammern aus der Maßen, Daß es ihm stark zu Herzen drang. Alsbald sich zu dem König schwang Und an den Hof die Märe, Daß Tristan kommen wäre; Deß waren sie Alle zusammen froh: Froh, das meine ich aber so, Wie es sein konnte in ihrem Stand; Denn die Besten, die man erfand Im ganzen Lande Kornewall, Waren in diesen Tagen all Daher gen Hof gekommen Zur Schmach, als ihr vernommen. Die Edeln und die Großen, Die gingen da zu loosen Ihren Kindern zu Falle. So fand sie Tristan Alle Kniend im Gebete, Und Jeder rief und flehte, Den Jammer nicht verschließend, Die Augen von Thränen fließend, Mit inniglichen Schmerzen Am Leib und auch im Herzen, Daß ihm Gott der milde Beschirme und beschilde Seinen Adel und auch sein Kind. Nun sie Alle im Beten sind, Kommt Tristan hergegangen. Wie ward er aber empfangen? Das ist euch bald geoffenbart: In Treu und Wahrheit, Tristan ward Unter all dem Gesinde Von keinem Mutterkinde, Auch nicht von Marke, mit Grüßen Empfangen also süßen, Wie ihm doch wäre geschehen Ohne die Noth und Wehen. Doch nahm das Tristan wenig wahr, Er ging zur Stunde kecklich dar, Wo man das Loos für sie erlas Und Marke mit Morolden saß. »Ihr Herren,« sprach er, »allzuhand, Alle mit Einem Namen genannt, Die hie zum Loose laufen, Ihre edlen Kinder verkaufen, Schämet ihr euch der Schande nicht, Die diesem Lande durch euch geschicht? So mannhaft, als ihr allezeit Alle und allerdinge seid, So wäre es billig angewandt, Daß ihr so euch als euer Land An Achtbarkeit und Ehren Solltet erhöhen und mehren. Aber die Freiheit habet ihr Hingelegt euren Feinden hier Zu Füßen und zu Handen Mit zinsbaren Schanden; Und eure edlen Kindelein, Die eure Wonne sollten sein, Eure Lust und euer Leben, Die gebt ihr und habt sie geben Zu Schälken und zu eigen: Und könnet doch nicht zeigen, Welche Macht euch zwinge dazu, Oder welch andere Noth es thu, Denn ein Zweikampf und ein einzler Mann. Ficht doch kein andre Noth euch an, Und könnet unter euch allen Auch nicht auf Einen fallen, Der wollte wider Einen Degen Sein Leben auf die Wage legen, Ob er nun bleibe oder siege. Nun sei es auch, daß er erliege, So kann doch wahrlich der kurze Tod Und diese lange lebende Noth Im Himmel und auf Erden Nicht gleich gewogen werden. Geschieht es aber, daß er siegt Und daß das Unrecht so erliegt, So hat er fort und immer fort Hie Ehre und Gottes Lohn alldort. Ja, ein Vater soll für sein Kind, Da sie Ein Leben zusammen sind, Sein Leben geben: das will Gott. Es ist gar wider Gott ein Spott, Wer seiner Kinder Freiheit rafft Und stürzt sie in Leibeigenschaft, Daß er sie hin zu Schälken gebe Und er dafür in Freiheit lebe. Soll ich euch Rath zu eurem Leben Gott und der Ehre gebührlich geben, So rathe ich euch wahrlich an, Daß ihr euch küret einen Mann, So man solch einen finde Bei diesem Landgesinde, Der zu Kampfe geschaffen sei Und wolle das Glück versuchen frei, Ob er siege oder falle; Und Diesen bittet Alle Um Gotteswillen allermeist, Wobei ihm möge der heilige Geist So Glück als Ehre geben, Daß der nicht solle beben Vor Morolds Größe und Uebermacht, Sondern vertraun auf Gottes Wacht, Denn er verließ noch keinen Mann, Der auf gerechte Dinge sann. Gehet zu Rath und schnelle Berathet euch zur Stelle, Wie ihr diese Schande von euch kehrt Und gegen Einen Mann euch wehrt, Und verunehret nimmermehr Eure Geburt und eure Ehr.« »Ach, Herre,« sprachen sie insgemein, »Mit diesem Manne kann's nicht sein; Nein, Keiner kann vor Dem bestehn.« – Tristan sprach: »Laßt die Rede gehn! Um Gott, besinnet euch doch noch! Nun seid ihr von Geburt ja doch Aller Könige würdig Und Kaisern ebenbürtig, Und wollet eure edlen Kind, Die euch gleich edel geboren sind, Verhandeln und versachen, Zu Eigenschälken machen! Wofern ihr aber keinen Mann Erherzigen könnt und treiben an, Daß er betrachte euer Leid Und dieses Landes Traurigkeit Und kühnlich nach dem Rechte In Gottes Namen fechte Gegen diesen Einen, Und wollt ihr's also meinen, Daß ihr es stellet auf Gott und mich, Wahrlich, ihr Herren, alsdann will ich Meine Jugend und mein Leben Ans Abenteuer geben Und euretwegen den Kampf bestehn. Gott lasse ihn euch zu gut ergehn Und bringe euch wieder zu Rechte! Und wenn mir's im Gefechte Am Glücke irgendwie gebricht, Das schadet eurem Rechte nicht. Bleibe ich in dem Kampfe todt, So ist ja eurer Keines Noth Nicht ab, noch an gekehret, Gemindert, noch gemehret, So steht es immer noch ganz wie eh. Sei's aber, daß es zu Heil ergeh, So kommt es fürwahr von Gottes Kür, Da danket Keinem denn Gott dafür: Denn, den ich soll bestehn allein, Der ist, so hör ich insgemein, Von Muth und auch von Leibeskraft Zu Kampf und ernstlicher Ritterschaft Ein lange her bewährter Mann; Ich aber fange allerstmals an Und bin von Muth und Kräften Zu ritterlichen Geschäften Nicht also kürbar und also gut, Wie es uns Noth zur Stunde thut. Doch da mir im Gefechte An Gott und auch am Rechte Zween sieghafte Gehülfen stehn, So sollen sie mit zum Kampfe gehn. Dazu hab ich noch willigen Muth, Und der ist auch zum Kampfe gut: Helfen mir nun dieselben Drei, Wie unversucht ich sonsten sei, Doch habe ich guten Trost daran, Ich genese wohl von dem Einen Mann.« »Herre,« sprach all die Ritterschaft, »Im Himmel die heilige Gotteskraft, Die alle Welt geschaffen hat, Vergelte Euch den Trost und Rath Und den glückseligen Hoffnungswahn, Den Ihr uns Allen habt aufgethan. Herre, nun laßt Euch alles sagen: Unser Rath hat nie viel angeschlagen. Wär uns das Glück gewesen hold, So viel wir's haben versucht und gewollt, So oft als es begonnen ward, Wir hätten's nicht bis daher gespart. Wir haben nicht Einmal und weiter nie, Wir in dem Lande Kornwall hie, Um unsre Noth uns Raths befragt, Wir haben gesprochen und getagt, Und konnten dennoch bei allem Weh Keinen erfinden, der nicht eh Sein Kind in Knechtschaft wollte geben, Als verlieren sein eigen Leben Im Kampfe mit diesem Teufelsmann.« – »Wie redet ihr also?« sprach Tristan; »Es sind der Dinge doch viel geschehn Und hat man Wunder schon gesehn, Wie ungerechte Hoffahrt kam Durch kleine Kraft zu Schmach und Scham: Das möchte auch jetzt noch wohl ergehn, Wenn Einer es wagte zu bestehn.« Nun, Morold, der hörte alles an, Und verdroß ihn gewaltig, daß Tristan So hitzig sprach zum Kampfe da, Nachdem er doch so jung aussah, Und trug ihm in dem Herzen Haß. Tristan sprach aber da fürbaß: »Ihr Herren alle, redet nun, Was ist euch lieb, daß ich soll thun?« – »Herre,« sprachen sie allgemein, »Könnte es irgend also sein, Daß der Wahn, den Ihr uns gemacht, Möchte werden zuweggebracht, Das wäre unser Aller Begehr.« – »Ist euch das lieb?« sprach aber er: »Nun daß es bis auf diese Frist Und daß es mir vorbehalten ist, Und will's Gott fügen an diesem Tag, So will ich sehen, was ich vermag, Ob Gott euch habe Glück und Heil Etwa vergönnt an meinem Theil, Und ob ich selber habe Glück.« Da wollte ihn Marke ziehn zurück Mit allen Kräften und Sinnen, Und meint's ihm abzugewinnen, Daß er's seintwillen ließe, Wenn er's ihn lassen hieße. Nein, er, weiß Gott, blieb auf dem Rath: Wie er gebot und wie er bat, Konnt er ihn nicht so viel bewegen, Daß er abließe seinetwegen. Er ging dahin, da Morold saß, Und redete aber da fürbaß: »Herre,« sprach er, »saget mir, So Gott Euch helfe, was werbet Ihr?« – »Freund,« sprach der Ire zur selben Stund, »Was fraget Ihr? Euch ist doch kund, Was ich hie werbe und begehr.« – »Ihr Herren alle, höret her, Der König, mein Herr, und seine Mann!« Sprach aber der weisliche Tristan: »Mein Herr Morold, Ihr redet wahr, Ich weiß und kenne es ganz und gar: Wie schmählich es uns entehre, Es ist doch eine Märe, Die Niemand unterdrücken mag: Wir haben den Zins nun manchen Tag Von hinnen und von Engelland Gen Irland ohne Recht gesandt; Und solches brachte man lange Mit großem Zwang und Drange, Mit viel Gewalt zuhanden, Nachdem man fällte den Landen Beides Burgen und Städte, Und auch den Leuten thäte So großen und manchen Schaden, Bis sie wurden überladen Mit Gewalt und bösem Rechte, So daß die guten Knechte, Die noch entgangen waren dem Streit, Mußten unterthänig bleiben seit In allem, was man ihnen gebot, Weil sie sich fürchteten vor dem Tod, Und mochten so, wie es war bewandt, Zeither nicht bessern ihren Stand. Und ward das Unrecht solcher Art, Wie dieser Tag noch offenbart, An ihnen immer begangen seit: Und wäre es zwar schon lange Zeit, Daß sie der großen Schmach und Pein Mit Kriege konnten zuwider sein; Denn sie sind sehr vorangekommen, Die Lande haben zugenommen An Heimischen und an Gästen, An Städten und an Festen, Am Gut und an den Ehren. Man muß es widerkehren, Was uns verkehrt war bis daher; Denn nur von Gewalt und Gegenwehr Geneset unser Wesen: Sollen wir je genesen, So müssen wir's mit der Klingen Erstreiten und erzwingen. Wir stehen uns an Leuten wohl: Die Lande sind beide von Leuten voll. Man muß es uns alles wieder geben, Was man uns unser ganzes Leben Mit Gewalt hat hinweggenommen. Wir müssen selber zu ihnen kommen, So schier uns Gott vergönnt den Tag: So man mir hierin folgen mag Und meines Rathes pflegen, Müssen sie uns darwägen Wieder alles, was man ihnen gab, Bis auf den letzten Ring herab, Ob es nun viel oder wenig sei Da möcht unser Messing noch dabei Zu rothem Golde werden. Es sind viel auf der Erden Seltsamer Dinge schon geschehn, Der man sich nimmer hat versehn. Und dieser Herren edle Kind, Die da zu Schälken worden sind, Die möchten noch wohl werden frei, Wie ungedacht es ihnen sei. Gott walte, daß er mir's gewähr, In dessen Namen ich's begehr, Daß ich mit dieser meiner Hand Die Heerfahne im Irenland Mit diesen Landgenossen Möge also aufstoßen, Daß das Land und die Erde Durch mich erniedrigt werde!« Morold sprach aber: »Herr Tristan, Nähmet Ihr Euch minder an Dieses Dings und dieser Märe, Ich wähne, es Euch gut wäre; Denn was Ihr hie redet und was Ihr sprecht, Wir lassen doch nicht von unsrem Recht Und behalten, was unser ist und war.« – Damit trat er vor Marken dar: »König Marke,« sprach er, »sprechet hie, Laßt hören Ihr und alle Die, Die jetzt gegenwärtig sind, Mit mir zu reden um ihre Kind, Bescheidet mich der Märe baß: Ist euer Aller Wille das, Und steht auch euer Muth daran, Weß euer Vogt da, Herr Tristan, Mit Worten mich beschieden hat?« – »Ja, Herre, es ist unser Aller Rath, Unser Wille und unser Muth, Was er redet und was er thut.« – Sprach aber Morold: »So brechet ihr Gurmunen, meinem Herrn, und mir Eure Treue und euren Eid Und den Vertrag und die Sicherheit, Die zwischen uns ist aufgethan.« Sprach aber der höfische Tristan: »Nein, Herre, Ihr misseredet hier; Es lautet übel, wenn man, wie Ihr, Dem Mann gegen seine Treue spricht. Von diesen allen Keiner bricht Seine Treue noch seinen Eid. Ein Gelübde und eine Sicherheit War weiland unter euch gemacht Und soll auch bleiben in ganzer Macht: Daß man gen Irland alle Jahr Sende mit gutem Willen dar Von Kornewall und von Engelland Den Zins, der ihnen ward benannt, Oder aber setze man sich zur Wehr Mit Zweikampf oder mit vollem Heer. Sind sie zu solchem noch bereit Und lösen den Vertrag und Eid Mit Zins oder mit Gefechte, So thun sie nach allem Rechte. Herre, hierauf nun denket Ihr: Berathet Euch und saget mir, Welches Euch lieber sei gethan, Welches von beiden Ihr nehmet an, Den Zweikampf oder den Heeresstreit. Deß seid Ihr nun und allezeit Von uns gewiß und auch gewährt. Es müssen doch nun Speer und Schwert Unter uns und Euch entscheiden: Nun kieset unter den beiden Eines und gebt uns bald Bericht. Mit dem Zinse geht's nun anders nicht.« Morold sprach aber: »Herr Tristan, Mit dieser Wahl ist's bald gethan, Ich weiß wohl, was ich von beiden will. Mein ist hie nun nicht also viel, Daß ich zu Heeresstreite Irgend gerüstet reite. Ich fuhr vom Lande über Meer Mit einer Dienerschaar daher Und kam in allem Frieden In diese Reiche hienieden, Wie auch ehmals von mir geschehn, Nicht wähnend, es sollte also gehn. Ich versah mich solcher Geschicht Zu diesen Landesherren nicht: Ich hoffte zu gehn von hinnen Mit Rechte und auch mit Minnen. Nun aber bringt Ihr mir Krieg und Streit: Dazu bin ich noch unbereit.« Tristan sprach: »Herre, wenn Euer Sinn Sich neigt zu einem Landstreit hin, So kehret zurücke vorderhand, Fahrt wieder heim in Euer Land, Besendet Eure Ritterschaft, Versammelt alle Eure Kraft Und kommt dann wieder und laßt uns sehn, Wie und was uns solle geschehn; Und wenn ich Euch nicht gewahre In diesem halben Jahre, Da mögt Ihr Euch zu uns versehn, Da werden wir sicher in Irland stehn. Es ist doch ein Wort, das von jeher galt: Gewalt gehöre wider Gewalt, Kraft müsse sich regen wider Kraft. Wenn man mit Streit und Ritterschaft Kann Land und Recht mißhandeln, Herren zu Schälken wandeln, Und wenn's noch Billigkeit geben soll, So getrauen wir uns zu Gotte wohl, Daß unsre Schmach und Beschwerde Euch wieder vergolten werde.« »Gott weiß,« sprach Morold, »Herr Tristan, Ich höre da Dinge, daß ein Mann, Der nie zu solchem Lärmen kam Und solches Drohen noch nie vernahm, Ob dieser neuen Märe In Sorgen und Aengsten wäre: Doch trau ich ihrer zu genesen. Ich bin auch mehr dabei gewesen, Wo Lärm und Hoffahrt mancher Art Mit solcher Rede getrieben ward. Es ist noch wohl der Glaube mein, Gurmun mög ohne Sorge sein Um seine Leute und sein Land Vor Eurer Fahne und Eurer Hand. Auch wird diese Uebermüthigkeit, Man breche uns denn Treu und Eid, In Irland nimmer übersehn. Wir wollen es allhie, wir Zween, Mit Handen unter uns Beiden In einem Ring entscheiden, Ob Ihr Recht habet oder ich.« Tristan sprach aber: »Dies muß ich Mit Gottes Hülfe verrichten, Und möge ich Den vernichten, Der Unrecht unter uns Beiden thut.« – Da zog er aus mit gutem Muth Den Handschuh, bot ihn Morolden dar: »Ihr Herren,« sprach er, »nehmet wahr, Der König mein Herr, und alle Die, So hier sind, sollen hören, wie Ich diesen Kampf bespreche, Daß ich das Recht nicht breche: Daß weder mein Herr Morold zur Statt, Noch, der ihn hergesendet hat, Noch irgend je ein andrer Mann Den Zins mit Gewalt zu Recht gewann In Kornwall, noch in Engelland, Das will ich hie mit meiner Hand Vor Gott und Welt erklären, Wahr machen und bewähren An diesem Herren, der hier ist, Von dem uns bis zu dieser Frist Alle Beschwerde, Schmach und Scham Für diese beiden Lande kam.« Da rief zur selben Stunde Mit Herzen und mit Munde Manch edle Zunge zu Gotte hin, Daß Gott nach seinem gerechten Sinn Bedächte ihr Aller Schmach und Leid Und löste sie aus Leibeigenheit. Doch wie auch ihre Schwere Groß war ob dieser Märe, So ging's Morolden wenig ein Zum Herzen oder zum Gebein; Er wußte von keinem Schrecke. Der vielversuchte Recke, Der legte den Span nicht nieder: Er bot auch ihm hinwieder Den Handschuh dar, des Kampfes Pfand, Mit harter Gebärde in seine Hand, Mit fierer Contenanze. Ihm däuchte diese Schanze Gar wohl nach seinem Sinn zu sein, Und hoffte dabei wohl zu gedeihn. Nun abgemacht dies alles war, Da ward der Kampf dem Herrenpaar Bis auf den dritten Tag gespart. Nun daß der dritte Tag da ward, Da kamen die Landesherren all, Dazu des Volks ein großer Schwall, Daß das Gestade bei dem Meer Umfangen war mit starkem Heer. Da waffnete sich Morold zur Stund, Mit deß Gewaffen ich jetzund, Noch auch mit seiner Stärke und Macht Meines Herzens Merke und Acht, Meines Sinnes scharfes Sehen Mit nahe merkendem Spähen Nicht stumpfen will, noch beschweren, Nachdem man zu höchsten Ehren Von seiner gänzlichen Mannheit sprach; Die Rede von ihm ist mannigfach, So daß er an Muth, an Größe, an Kraft Zu ganz vollkommener Ritterschaft Das Lob in allen Landen trug. Nun sei des Lobes von ihm genug. Ich weiß wohl, daß er konnte dort Und sonst an jedem andern Ort In Kampf und in Gefechte Nach ritterlichem Rechte Seinen Leib wohl zieren auf dem Plan. Er hatte es eh so viel gethan. Dem guten König Marke, Dem war die Noth eine starke, Dem ging der Kampf an seinen Leib Mit Herzeleid, daß auch kein Weib So zagete um einen Mann. Ihn kam da gar kein Trost mehr an, Er sah nichts als Tristandes Tod Und hätte gerne jene Noth Mit Zins und Zinsrecht mögen leiden, Wofern der Kampf nur wär zu meiden. Nun aber ist's doch noch nach Verlangen Mit diesem und mit dem gegangen, So mit dem Zins als mit dem Mann. Der unerfahrene Tristan In solch nothhaften Dingen Begann auch sich mit Ringen Wider alle Gefahren Aufs beste zu verwahren. Seinen Leib und seine Bein Hüllte er wohl zusammen ein; Darüber legte er, schön und fremd, Zwo Hosen und ein Panzerhemd, Die waren licht und waren weiß, Nachdem der Meister seinen Fleiß, Seine Weisheit und Verstand Gänzlich hatte an sie gewandt. Zween edle Sporen, starke, Die legte ihm sein Freund Marke, Zu seinem Dienst der getreue Mann, Traurig mit weinendem Herzen an. Die Waffenriemen er ihm band Alle mit seiner eignen Hand. Ein Waffenrock ward dargetragen, Der war, so wie ich hörte sagen, Mit Drihen in den Spelten, An Gewirke reich und selten An allen seinen Enden, Von künstlichen Frauenhänden Zu Preis und Wunder ausgedacht Und noch viel preislicher vollbracht. Hei, da er diesen an sich nahm, Wie lustig und wie lobesam Er ihn verstand zu tragen, Davon wär viel zu sagen, Nur daß ich's nicht lang machen will. Der Rede würde allzuviel, Wenn ich's berichten wollte Von Grund aus, wie ich sollte; Doch dessen geb ich euch Bescheid: Der Mann stand besser seinem Kleid, Das viel mehr Lob von ihm gewann Und Ehre, denn vom Kleid der Mann: Wie gut, wie auserlesen Der Waffenrock gewesen, Er war doch seiner Würdigkeit, Der ihn da machte zu seinem Kleid, Viel kaum geziemend und ebenwerth. Darüber so gürtet ihm Marke ein Schwert, Das sein Herz und sein Leben war, Durch das er zu allermeist der Gefahr Damals und seither oft entging, Das also recht darniederhing Und lag in seiner Straße In so gefügem Maße, Daß es nicht auf noch nieder ging, Vielmehr in rechter Richte hing. Ein Helm ward auch besendet dar, Der wie ein Krystall zu schauen war So lauter und so feste, Der schönste und der beste, Den je ein Ritter auf sich nahm; Ich wähne, daß kein beßrer kam Gen Kornwall je seit oder vor. Darüber stand der Pfeil empor, Der da weissaget Minne Und auch seither darinne Gar wohl an ihm bewähret ward, So lange es blieb auch aufgespart. Den setzt ihm aufs Haupt der König da: »Ach Neffe, daß ich dich jemals sah,« Sprach er, »Gott will ich es klagen Und allem widersagen, Was sich ein Mann zu Freuden kehrt, Wenn mir an dir Leid widerfährt.« – Ein Schild ward gleichfalls darbesandt, An welchen eine gefüge Hand Gewendet hatte all ihren Fleiß; Derselbe war ganz silberweiß, Um überein zu klingen Mit Helm und Panzerringen. Er war aber poliret, Mit Licht und Glanz gezieret, Recht wie ein neues Spiegelglas; Und auf dem Schild ein Eber saß, Gemacht gar meisterlich und wohl Von Zobel, schwarz wie eine Kohl. Den legte ihm sein Oheim an. Der stund dem kaiserlichen Mann Und lag ihm an der Seiten Da und zu allen Zeiten, Als ob er angeleimet wär. Der da geschaffen zu Lob und Ehr, Der genehme, jugendliche Mann, Da der den Schild an sich gewann, Da leuchteten die vier Dinge: Der Helm und die Panzerringe, Der Schild und die Hosen, einander an So schön, als hätte der Waffenmann, Der Meister, sie also geordnet ganz, Daß jegliches mit seinem Glanz Dem andern schön bekäme Und Schönheit von ihm nähme; So konnte ihr vierfacher Schein Einhelliger nicht noch lichter sein. Und aber das neue Wunderbild, Das unter Panzer, Helm und Schild Zu Schaden und zu Sorgen Den Feinden war verborgen, Hatte das aber keine Kraft Gegen der seltenen Meisterschaft, Die außen daran gebildet lag? Ich weiß, nicht wahrer ist der Tag, Wie groß der äußere Bildner schien, Der innere, der war gegen ihn Mit größerer Meisterschaft bedacht Und ward durch ihn noch mehr vollbracht An Ritters Schöne und Stärke, Denn durch die äußern Werke. Das Werk, das war darinnen Nach Schaffen und Ersinnen Gethan mit lobenswerther Hand. Des Meisters Weisheit und Verstand, Hei, wie die gaben vollen Schein! Seine Brust und so Arm als Bein, Die waren herrlich und waren reich, Wohlgestaltet und rittergleich. Ihm stund das Eisen drauf und drob Wohl und zu wunderbarem Lob. Sein Roß, das hielt ein Knappe da: In Spanienland, noch fern, noch nah, Ward nie kein schöneres gezogen, War nirgends knapp, noch eingebogen, War offen und frei im Nacken, An Brust und Hinterbacken, Stark an beiden Lenden, Erwünscht an allen Enden. Seine Füße und seine Bein, Die kamen auch ganz überein In ihrer Gestalt und ihrem Recht: Die Beine waren grad und schlecht, Die Füße rund, und alle vier Aufrecht, als wär's ein wildes Thier. Auch war es anzusehn mit Lust Vom Sattel hin und vor der Brust: Da hielt es sich also recht und wohl, Wie ein Roß aufs allerbeste soll. Drauf eine weiße Decke lag, So licht und lauter wie der Tag, Den andern Werken in Farbe gleich, Und war die lang und also reich, Daß sie von oben niederhing, Dem Roß bis über die Kniee ging. Nun Tristan zum Gefechte Nach ritterlichem Rechte, Nach allem Brauch in Kampf und Streit Wohl und zu Preise war bereit, Wer beide, Mann und Eisen, Wohl konnte prüfen und preisen, Der sah, und Alle sahen's an, Daß beide, das Eisen und der Mann, Ein schöner Bild ergaben nie. Wie wohl dies aber erschien allhie, Dennoch erschien es gar viel baß, So wie er auf dem Rosse saß Und seinen Speer zu Handen nahm: Da war das Bild erst wonnesam, Da war der Ritter an Zierde reich Ueber und unter dem Sattel gleich. Die Arme hatten Weite, Die Schultern gute Breite; In den Sattel konnte er wohl, Wie man im Sattel schweben soll, Sich setzen und sich fügen. Neben des Rosses Bügen Schwebten die schönen Beine her, So strack und schlecht als wie ein Speer. Da stund das Roß, da stund der Mann So recht wohl eins dem andern an, Als ob sie, nicht zu scheiden, Mit einander wären, die Beiden, Gewachsen und geboren. Die Gestalt war auserkoren Und fremd zu allen Zeiten, Die Tristan hatte im Reiten. Und doch, wie auserlesen Er von Gestalt gewesen, So war doch innerhalb der Muth So rein geartet und so gut, Daß edlerer Muth und reinere Art Vom Helme nie bedecket ward. Nun war den Kämpfern beiden Ein Ort zum Kampf bescheiden, Eine kleine Insel in dem Meer, So nah dem Ufer und dem Heer, Daß man wohl in der Nähe sah, Was auf der Insel dort geschah. Und war auch der Befehl geschehn, Daß Niemand ohne diese Zween Dar auf die Insel käme, Bis der Kampf ein Ende nähme; Das nahmen auch Alle wohl in Acht. Und also wurden dargebracht Zwei Schifflein, waren eng und klein, Daß jegliches mochte genügend sein, Daß es ein Roß und einen Mann Gewaffnet trüge meerhinan. Nun, diese Schiffe, die hielten dort. Morold fuhr in dem einen fort: Das Ruder nahm er an die Hand, Schiffete jenseits an das Land, Und als er auf den Werder kam, Sein Schifflein er zur Stunde nahm, An das Gestade band er das, Auf sein Roß er balde saß, An seine Hand nahm er den Speer, All über den Werder hin und her Begann er zu puniren, Prächtig zu laisiren, Und waren seine Puneiße In dem ernstlichen Kreise So spielend und so ringe, Als ob es zu Schimpf erginge. Nun Tristan auch zu Schiffe kam, Sein Ding darein er zu ihm nahm, Beide sein Roß und seinen Speer; Vorn in dem Schiffe da stund er: »König«, begann er, »Herre Mark, Nun sorget mir nicht allzu stark Um meinen Leib und mein Leben: Wir müssen es Gott ergeben. Unsere Angst, die nützt hier klein. Noch mag es uns besser beschieden sein, Als man es uns hat zugedacht. Unser Sieg und Glück und unsre Macht, Die steht auf keiner Ritterschaft Denn auf der Einen Gotteskraft. Laßt alle Furcht und Aengste sein: Ich mag ja noch gar wohl gedeihn. Mir ist zu diesem Dinge Mein Muth gar leicht und ringe. So thut auch Ihr und gehabt Euch wohl: Es geht doch nicht anders, als es soll; Und aber, wie mein Ding stehe Und wie es zu Ende gehe, So befehlet Ihr doch heute Euer Land und Eure Leute Dem, auf dem meine Sachen stehn: Gott selbst, der mit mir möge gehn Zu Ring und zu Gefechte, Der bringe Recht zu Rechte. Ja, Gott muß mit mir siegen Oder sieglos mit erliegen. Der möge walten und wägen.« Er bot ihm seinen Segen, Sein Schifflein stieß er ab von Ort Und fuhr in Gottes Namen fort. Da ward sein Leib und auch sein Leben Von manchem Munde Gott ergeben, Ihm ward von mancher edlen Hand Manch süßer Segen nachgesandt. Und als er ans Gestade stieß, Sein Schifflein er hinschweben ließ Und setzte sich auf sein Roß zur Stund. Gleich war auch Morold auf dem Grund: »Sag an«, sprach er, »was soll mir das? Aus welchem Anschlag und um was Hast du das Schiff so lassen gehn?« – »Das ist darum von mir geschehn: Hie ist ein Schiff und sind zween Mann, Und ist auch da kein Zweifel dran, Wofern nicht Beide bleiben hie, Daß traun doch ihrer Einer nie Von diesem Werder wiederkehrt: So hat doch, der von dannen fährt, An diesem Einen Schiffe gnug, Das dich daher zum Werder trug.« – Morold sprach aber: »Ich höre wohl, Daß dies unwendig verbleiben soll, Und muß der Streit denn für sich gehn. Gedächtest du davon abzustehn, Und schieden wir mit Minnen Auf solchen Vertrag von hinnen, Daß mir von beiden Landen Mein Zinsrecht bliebe zuhanden, Das däuchte mir dein Glück zu sein; Denn wahrlich, mir thut's im Herzen mein Gar leid, daß ich dich schlagen soll; Mir gefiel kein Ritter noch so wohl, Den ich mit Augen jemals sah.« Sprach der gemuthe Tristan da: »Der Zins muß ab sein und vorbei, Willt du, daß Sühne besprochen sei.« – »In Treuen«, sprach der Kühne, »So wird nichts aus der Sühne, So kommen wir nicht zu Minnen: Der Zins muß mit mir von hinnen.« – »So fangen wir aber«, sprach Tristan, »Gar sehr unnütze Teiding an. Morold, seit daß du mein Gebein Zu schlagen so gewiß willt sein, So wehr dich, willt du genesen: Hier gilt kein andres Wesen.« – Das Roß warf er im Bogen Und kam dahergeflogen Aus einer Wendung grade Auf pfeilgeradem Pfade Nach seines Herzens Begehre Und mit gesenktem Speere; Mit fliegenden Schenkeln kam er her, Zu beiden Seiten das Roß nahm er Mit Knöcheln und mit Sporen. Hat Morold Zeit verloren? Dem ging es um das Leben nun: Der that recht, wie sie Alle thun, Die zu rechter Mannhaftigkeit Mit allen Sinnen sind bereit. Er nahm auch eine Kehre Nach seines Herzens Begehre Wohl bald hin und bald wieder. Sein Speer flog auf und nieder. So kam er im Flug dahergerührt Wie Einer, den der Teufel führt. Beide das Roß und auch der Mann Kamen Tristanden fliegend an Wohl schneller, als ein Falke thut: So begehrte seiner auch Tristans Muth. Sie kamen mit gleichem Muth und Begehr Und kamen im gleichen Fluge her, Daß sie die Speere zerstachen, Daß die an den Schilden brachen Wohl zu tausend Stücken. Da ging es an ein Zücken Der Schwerter von den Seiten. Zu Rosse war dies Streiten: Gott selber mochte es gerne sehn. Nun höre ich's allwärts so verstehn, Und heißt's auch in der Märe, Als ob's ein Zweikampf wäre, Und Alle hören oder lesen, Hier seien nur zween Mann gewesen. Ich weise euch aber zu dieser Zeit, Daß es vielmehr ein offener Streit Von zweien ganzen Rotten was; Obgleich ich solches niemals las In der Märe von Tristanden, Bewähre ich's doch zuhanden. Morold, wie uns die Wahrheit doch Gesagt hat stets und heute noch, Der hatte für vier Männer Kraft: Dies war vierfache Ritterschaft. Das war die Streitkraft einerseit. Auf der andern Seite stand so der Streit: Das Eine war Gott, das Zweite Recht, Das Dritte war ihr Beider Knecht Und ihr bewährter Lehensmann, Der wohlgemuthe Held Tristan: Das Vierte, das war williger Muth, Der Wunder in den Nöthen thut. Auf dieser Seite, auf jener vier: Aus diesen bilde ich dort und hier Zwo ganze Rotten, das sind acht Mann, So übel, als ich doch bilden kann. Sonst hättet ihr wohl die Märe Gehalten für eine schwere, Daß auf zwein Rossen zwo Schaaren Zum Schlagen möchten fahren: Nun habt ihr für wahr vernommen, Daß hie zu Hauf gekommen Unter Einem Helme jedwederseit Vier Ritter oder Vierritterstreit. Die ritten von jeder Seite Stark auf einander zum Streite. Also kam eine Ritterschaft, Morold mit seiner Viermannskraft Tristanden wie ein Donner an. Derselbe leidige Teufelsmann, Der schlug so kräftiglich auf ihn zu, Daß er ihm Sinn und Kraft im Nu Mit seinen Schlägen hätte benommen, Wär ihm der Schild nicht zu gut gekommen, Worunter er sich mit Listen Konnte schirmen und fristen. Nicht Helm, noch Halsberg war sein Glück, Und auch kein anderes Waffenstück Hätte ihm irgend Schutz getragen: Er hätte ihn durch die Ringe erschlagen; Er wollte ihm nicht so viel Athem gönnen, Daß er vor Schlägen aufsehn können. So ging er ihn mit Schlägen an, Bis er's mit Schlägen von ihm gewann, Daß Tristan ob der Schläge Noth Den Schild zu ferne von sich bot Und allzuhoch die Schirmung trug, Bis er ihm durch die Hüfte schlug Und einen häßlichen Schlag da schwang, Der ihm hart an das Leben drang, Daß ihm das Fleisch und Gebeine da Durch Panzerhosen und Halsberg sah, Und daß das Blut aufblitzte Und über den Werder spritzte. »Wie nun?« sprach Morold, »willt du gestehn? Hieran magst du wohl selber sehn, Daß Niemand Unrecht führen soll; Nun erweist sich dein Unrecht wohl. Nun denk noch drauf, willt du gedeihn, In welcher Weise es möge sein; Denn wahrlich, Tristan, diese Noth, Die führt dich letztlich in den Tod, Wofern ich es nicht wende; Durch Weibs noch Mannes Hände Wird dein Leib nimmermehr gesund; Du bist von einem Schwerte wund, Das tödtlich und gelüppet ist. Nicht Arzt, noch Arztes Kunst und List Errettet dich aus dieser Noth, Nur meine Schwester kann's, Isot, Die Königin von Irenland: Die kennet viel und mancherhand Wurzeln und aller Kräuter Kraft, Dazu auch ärztliche Meisterschaft; Die kennt das Gift, die weiß die Kunst, Der Andern Rath ist Wind und Dunst. Ohne die hast du kein Gedeihn. Willt du mir nun gehorsam sein Und zugestehn den Zins forthin, Meine Schwester, die Königin, Sie selber muß dich heilen, Und ich will mit dir theilen Geselliglich, was ich habe, Und weigern keine Gabe, Die du begehrst mit Herz und Mund.« Da sprach Tristan: »Zu keiner Stund Geb ich mein Recht und meine Ehr Um dich, noch deine Schwester her. In meiner freien Hand hab ich Zwei freie Lande gebracht vor dich: Die fahren mit mir von hinnen, Oder ich muß gewinnen Noch größern Schaden, ja gar den Tod. Auch bin ich noch nicht zu solcher Noth Getrieben mit diesem Einen Schlag, Daß ich nichts andres erwählen mag. Der Kampf ist für uns Beide Noch lange nicht am Entscheide. Der Zins ist dein Tod oder der mein: Da kann kein anderer Ausweg sein.« Hiermit schoß er ihn wieder an. Nun redet aber vielleicht ein Mann (Ich selber muß die Rede thun): Gott und Recht, wo sind sie nun, Tristandes Streitgesellen? Daß sie ihm nicht Hilfe stellen, Das will mich Wunder nehmen. Gut wär es, wenn sie kämen: Ihre Rotte und Genossenschaft, Die ist worden sehr schadehaft; Und kommen sie nicht alsogleich, So kommen sie zu spät zum Streich; Darum so mögen sie kommen schier! Hie reiten Zweene gegen Vier Und streiten ums bloße Leben. Das ist gar hingegeben An Zweifel und Gefährden. Sollen sie erlöset werden, So muß es in kurzer Stunde sein. Gott und Recht, nun reiten sie ein Mit richtigem Urtheile, Ihrer Rotte zum Heile, Ihren Feinden zum Falle. Nun begannen sich alle Gleichmäßig zu rottiren, Die Viere gegen den Vieren, Und rückten aus, Schaar wider Schaar. Und Tristan, da er ward gewahr Der guten Kampfgesellen, Begann sein Muth zu schwellen: Ihm brachte seine Genossenschaft So frisches Herze wie neue Kraft. Das Roß er mit den Sporen nahm Und also hergesauset kam, Daß er nach ganzer Herzenslust Stoßend mit seines Rosses Brust So hart an den Gegner prellte, Daß er ihn zur Erden fällte Zusammt dem Roß mit Schalle; Und als er von dem Falle Ein wenig zu sich gekommen war Und wieder wollte zum Rosse dar, Da war auch Tristan munter Und schlug ihm den Helm herunter, Daß er hinflog all über den Plan. Hiemit so lief ihn Morold an: Durch die Covertüre er schlug Tristandes Rosse ab den Bug, Daß es unter ihm darnieder saß; Er that nicht übler und that nicht baß, Sondern sprang jenseits weiter. Morold, der gewitzte Streiter, Den Schild zum Rücken kehrte, Wie ihn sein Witz es lehrte; Er griff mit der Hand darnieder, Den Helm, den nahm er wieder; Er dachte in seiner Weislichkeit Und machte sich dazu bereit, So er wieder zu Rosse käme, Daß er den Helm aufnähme Und ritte aber Tristanden an. Nun er den Helm zu sich gewann Und eilte zu dem Rosse dar Und diesem schon so nahe war, Daß er griff nach dem Zügel Und auch bereits im Bügel Mit seinem linken Fuße stand Und faßte den Sattel mit der Hand, Da hatte ihn Tristan auch erflogen Und traf ihm auf dem Sattelbogen Das Schwert zusammt der rechten Hand, Daß beide flogen in den Sand Mit Ring zumal und Schnalle: Und unter diesem Falle Gab er ihm aber einen Schlag Da, wo des Helmes Kuppe lag; Der fuhr so mächtig nieder, Daß er die Waffe wieder Mit einer Scharte zog zurück Und von dem Schwert ein Splitterstück In seines Feindes Schädel blieb, Das auch seither Tristanden trieb In Sorgen und in große Noth: Es brachte ihm nahezu den Tod. Da Morold, das trostlose Heer, So ohne Kraft, so ohne Wehr Taumelnd hin und wieder ging Und schon sein Leib zum Falle hing: »Wie nun, wie nun?« sprach da Tristan, »So Gott dir helfe, Morold, sag an, Ist dir nun diese Märe kund? Mich dünket, du seiest schmerzlich wund; Ich wähne, daß dein Ding übel steh. Wie's auch mit meiner Wunde geh, Dir thäten gute Wurzeln Noth: Was deine Schwester, Frau Isot, Von Arzeneien hat gelesen, Deß wird dir Noth, willt du genesen. Gott, der wahre, gerechte, Und sein Gebot, das echte, Die haben dein Unrecht wohl bedacht Und Recht an mir zu Recht gebracht. Der möge mein auch fürbaß pflegen! Diese Hoffahrt, die ist erlegen.« Da trat er gegen ihn fürbaß, Das Schwert nahm er und faßte das In seine beiden Hände Und schlug dem Feind zum Ende Das Haupt zusammt der Kuppen ab. Darauf er sich zur Bucht begab, Wo er Moroldens Schifflein fund; Da saß er ein und fuhr zur Stund Nach dem Gestade und zu dem Heer; Allda vernahm er an dem Meer Große Freude und Klage, Beide, wie ich euch sage: Deß Glück an seinem Siege lag, Dem Heer war ein glückseliger Tag Und große Freude erstanden dort; Sie klatschten mit Händen fort und fort, Lobten Gott mit dem Munde Und sangen zu der Stunde Gen Himmel Siegeslieder. Dem fremden Volk hinwieder, Den leiden Gästen vom Irenland, Die da waren auf den Zins gesandt, Hatte es sehr zu Leide getagt: Von diesen ward so viel geklagt, Als die von Kornwall sangen. Sie wanden und sie rangen Den Jammer zwischen den Händen gar. Die jammernde heimathlose Schaar, Die klagenden Irlandsmannen, Dieweil sie wollten von dannen Zu Schiffe gehn mit Leid und Schmach, Da eilete Tristan ihnen nach Und trat sie am Gestade an: »Kehrt hin, ihr Herren,« sprach Tristan, »Empfahet jenes Zinsrecht dort Auf dem Werder und bringt es fort Und richtet eurem Herrn zu Haus Von meinem Ohm dem König aus Und von Kornwall und Engelland, Daß sie ihm senden den Prisant Und entbieten ihm auch dabei: Wofern es je sein Wille sei Und er gedenke und begehr Seine Boten wieder her Nach solchem Zins zu senden, Wahrlich, mit leeren Händen Sollen sie uns nicht kehren, Vielmehr mit gleichen Ehren Senden wir sie von hinnen, Wie schwer wir's auch gewinnen«. – Während er aber sprach und stand, Deckte er mit dem Schildesrand Weislich so Blut als Wunde, Daß Keiner empfing die Kunde. Das gerieth ihm auch hernach zum Glück, Denn Jene kehrten so zurück, Daß ihrer Keiner es inne ward: Sie machten sich alsbald auf die Fahrt Und fuhren nach dem Werder fort Und fanden statt ihres Herren dort Einen zerstückten Mannen; Den führten sie auch von dannen. Nun sie zu Lande kamen, Alsbald sie zu Handen nahmen Den Zins und kläglichen Prisant, Der da durch sie ward dargesandt. Die Stücke meine ich alle drei: Daß ihrer keins verloren sei, Legten sie die auf Einen Hauf, Trugen sie ihrem Herrn hinauf Und thäten ihm kund und offenbar Alles, was ihm entboten war. Ich wähne und versehe mich wohl, Deß ich mich wohl versehen soll: Dem König Gurmun Wohlgemuth Dem war es gar nicht wohl zu Muth, Und stand ihm auch das Leid wohl an; Er hatte an diesem Einen Mann Verloren Herz, Sinn, Trost und Kraft Und manches Mannes Ritterschaft. Die Scheibe, die seine Ehre trug Und die Morold so freisam schlug In den Nachbarlanden allen, Die war in Staub gefallen. Seiner Schwester, der Königin, Ging aber sein Tod noch mehr zu Sinn Mit Jammer und mit Klagenoth: Sie und ihre Tochter Isot, Die quälten so und so den Leib, Wie ihr wohl wisset, daß ein Weib Sich quält mit herben Schmerzen, Geht ihr ein Leid zu Herzen. Sie sahen diesen todten Mann Nur um des Jammers willen an, Daß ihre Herzensschwere All desto größer wäre. Das Haupt sie küßten und die Hand, Die ihnen vordem Leut und Land In ihre Macht und Herrschaft gab, Wie ich euch schon berichtet hab; Darauf sie des Hauptes Wunden Besahen und befunden Mit Jammer ringsum und genau. Da ersah die nahesehende Frau, Der Iren weise Königin, Den Splitter in dem Schädel drin. Ein Zänglein ließ sie holen, klein, Womit sie alsbald griff hinein Und jenes Stück vom Schwert gewann. Sie und die Tochter sahen's an Mit Jammer und mit Leide Und nahmen es da Beide Und legten es in einen Schrein, Und brachte dasselbe Splitterlein Tristanden seit in große Noth. Tristan Tantris Tristan Tantris. Wohlan, Herr Morold, der ist todt. Sagt ich nun lange Märe Von ihrer Aller Schwere Und Klage, was wäre damit gethan? Wir wären um nichts besser dran. Wer möchte all das Leid beklagen? Morold, der ward zu Grab getragen, Begraben wie ein andrer Mann. Da hub Gurmun zu trauern an Und hieß gebieten allzuhand Ueber das ganze Irenland, Daß man drauf achte und nehme wahr, Was Lebendes auf Erden dar Von Kornwall käme gefahren, Das solle man nicht sparen, Es wäre nun Weib oder Mann. Und dies Gebot und dieser Bann, Die wurden gehalten also sehr, Daß Niemand zu keiner Stunde mehr Auf keine Weise und keine Art Gen Irland wagte eine Fahrt Von Kornwall, Niemand in der Welt, Der da mit einem Lösegeld, Mit Bieten oder mit Geben Sich fristete das Leben, So daß auch mancher Mutter Sohn Unschuldig Schaden gewann davon; Und war das ohne Recht und Noth, Denn Morold, der lag billig todt: Der baute nur auf seine Kraft Und nicht auf Gottes Ritterschaft, Und hatte zu allen Zeiten In allen seinen Streiten Gewalt und Hochmuth offenbart, Darin er auch gefället ward. Nun kehre ich wieder, da ich's ließ. Da Tristan aus Gestade stieß So ohne Roß, so ohne Speer, Da kamen tausend Schaaren her Gedrungen mit ihrem Gruße Zu Rosse und zu Fuße, Die grüßten ihn einem Engel gleich. Der König und sein Königreich Erlebten nie so lieben Tag, Was man ihnen wohl glauben mag, Weil ihnen an diesem Tag erstand Große Ehre aus seiner Hand: Er hatte ihr Aller Schmach und Leid Dahingelegt für alle Zeit. Und aber die Wunde, die er trug, Die beklageten sie genug, Und ging sie ihnen nahe; Da man sich aber versahe, Daß er von dieser Bürde Viel schier genesen würde, So nahmen sie es nicht in Sinn Und führten ihn geradehin, Die ganze Schaar, zu dem Palast, Entwaffneten ihn mit großer Hast Und schufen ihm alles das Gemach, Das er oder Jemand sonst ansprach. Da wurden Aerzte darbesandt Von Burgen und vom ganzen Land, Die allerbesten fern und nah. Und als die waren beisammen da, Legten sie alle ihren Sinn An ihn mit ärztlichen Künsten hin. Was half's? was war damit gethan? Er war doch um nichts besser dran. Was sie auch alle zu Handen Von ärztlicher Kunst verstanden, Das konnte ihn nicht entraffen: Das Gelüppe war so beschaffen, Daß sie es von der leiden Wunde nicht konnten scheiden, Bis es den ganzen Leib einnahm, Der eine Farbe davon bekam So jämmerlich und verwunderbar, Daß er kaum noch zu kennen war; Und dann gesellte sich im Nu Ein gräulicher Geruch dazu, Daß ihm das Leben schwer und hart, Sein eigner Leib zum Ekel ward. Auch war sein größtes Ungemach, Daß er beschwerte nach und nach (Das mußte er oft erfahren), Die seine Freunde waren. Und so erkannte er baß und baß Moroldens Rede. Auch hatte er das Ehmals wohl oft vernommen, Wie schön und wie vollkommen Moroldens Schwester wäre: Von ihr flog eine Märe Durch alle Lande und Gauen; Da hieß es von der Frauen: Die weise Isot, die schöne Isot, Die leuchtet wie das Morgenroth. Tristan, der sorgenhafte Mann, Der dachte zu allen Zeiten dran Und wußte wohl, sollt er genesen, So könne er andres nicht erlesen, Als ihre Kunst und Arzteshand, Die diese Kunst allein verstand, Der hochbegabten Königin. Doch wußte er nicht in seinem Sinn, Wie er sollte darnach trachten. Nun begann er aber zu achten, Da es sein Tod doch wäre, So wäre es Eine Märe: Des Leibes Gefahr oder auch sein Tod Und diese lebendige Todesnoth. Und also setzte er drauf den Sinn, Er wollte fürwahr nach Irland hin, Es ginge ihm, wie Gott wollte, Ob er durchkommen sollte. Seinen Oheim, den besandte er Und sagte ihm ganz von Anfang her Sein Geheimniß und seinen Muth, Wie ein Freund seinem Freunde thut, Was nach Moroldens Märe Sein Sinn und Wille wäre. Dies gefiel ihm übel und auch wohl; Nur daß man freilich in Nöthen soll Schaden dulden, so gut man kann. Unter zwein Uebeln wähle man Was noch am mindesten übel thut: Dieselbe Kunst ist zu vielem gut. Da kamen sie ob Tristans Pein Unter einander überein (Wie es auch alles vollendet ward), Wie er vollbrächte seine Fahrt, Wie man's verschweigen sollte, Daß er nach Irland wollte Und sollte sagen Märe, Daß er in Salerne wäre, Damit er würde des Uebels baar. Nun dieses alles beredet war, Da ward auch Kurvenal besandt; Demselben machten sie gleich bekannt Ihren Willen und ihren Muth. Dies däuchte Kurvenalen gut; Er sprach, er wolle mit ihm sein, Mit ihm ersterben oder gedeihn. Und als es gegen Abend ward, Bereitete man zu ihrer Fahrt Ein Schifflein und eine Barke, Darein schuf ihnen Marke An Speise, und was sonsten Fug Auf Schiffen ist, des Vorraths gnug. Da ward mit manchen Klagen Tristan dahingetragen, Der Arme, still und so ganz geheim, Daß von der Einschiffung daheim Kaum Jemand ward etwas gewahr, Als wen man eben besandte dar. Seinem Oheim er da befahl Zu einem und zu manchem Mal Sein Gesinde und all sein Ding, Daß seines Dinges auch nicht ein Ring Je von einander käme, Bis man von ihm vernähme Eine gewißliche Märe, Wie ihm's ergangen wäre. Seine Harfe ließ er kommen: Die wurde mitgenommen, Und sonst von seinem Geräth nichts mehr. Hiemit so stießen sie in das Meer Und fuhren auch von dannen Mit mehr nicht als acht Mannen; Dieselben hatten ihr Leben Zu Pfand und Bürgschaft geben Und auch geschworen mit Eiden, Aus dem Gebot der Beiden Mit keinem Fuß zu treten. Nun daß die Segel wehten Und Marke sah Tristanden nach, Sein Ergötzen und sein Gemach, Das weiß ich wohl, die waren klein; Zu Herzen und durch Mark und Bein Ging ihm dasselbe Scheiden, Das aber doch den Beiden Zu Freuden und zu Heile kam. Nun daß das Landesvolk vernahm, Wie Tristan wäre ferne Gefahren gen Salerne, Um seiner Schwere zu genesen, – Ja, wär er ihr Aller Kind gewesen, Sein Leid wär ihnen Allen Nicht schwerer aufs Herz gefallen; Und da ihm dieses Uebel gar In ihrem Dienst geschehen war, Beschwerte es ihnen so mehr den Sinn. Nun, Tristan, der fuhr immer hin Ueber Vermögen und über Macht Ohne Ruhe so Tag als Nacht Die Straße wider Irenland, So gut ihn seines Schiffers Hand Brachte von Ort und Stelle. Nun daß das Schifflein schnelle Irland begann zu nahen, Daß sie das Land wohl sahen, Tristan dem Steuermeister hieß, Daß er mit seinem Kiele stieß Gegen der Hauptstadt Develin, Allwo die weise Königin, Wie er wohl glaubte und wußte, Ihr Wesen haben mußte. Des Weges fuhr der Steuermann, Und wie er kam so nah heran, Daß er sie erblickte und völlig sah, »Seht, Herre!« rief er Tristanden da, »Ich sehe die Stadt: was rathet Ihr?« – Tristan, der sprach: »Da wollen wir Hie ankern und verbleiben, Den Abend hie vertreiben, Dazu auch einen Theil der Nacht.« Da warfen sie Anker mit Bedacht Und hielten Rast den Abend dort; Und in der Nacht hieß er sie fort Und gegen das Ufer fahren: Nun daß sie gefahren waren Und auch so nahe kamen, Daß sie ihren Standort nahmen Von der Stadt eine halbe Meile, Da nahm Tristan in Eile Das allerärmeste Gewand, Das man da in der Barken fand; Das gebot er ihm anzuthun, Und hieß sich aus der Barke nun Ins Schifflein legen ganz allein Und ließ sich auch die Harfe drein Und so viel Speise geben, Daß er davon zu leben Drei Tage vermöchte oder vier. Nun war das alles verrichtet schier, Wie er begehrte und befahl. Da rief er seinen Kurvenal Und auch die Schiffer mit ihm her: »Nun nimm, Freund Kurvenal,« sprach er, »Diese Barke und diese Leute hie, Um meinetwillen pflege sie Freundlich allstund und allezeit; Und wenn ihr nach Hause kommen seid, Gib ihnen Lohn so reicher Art, Daß sie das Geheimniß unsrer Fahrt Getreulich mit uns tragen Und hier herum nicht sagen. Und kehre bald der Heimath zu: Meinen Oheim grüße du Und sag ihm, daß ich noch lebe Und möge, wenn Gott es gebe, Wohl fürbaß leben und gedeihn; Er soll nicht leidig um mich sein. Auch thu ihm kund und offenbar, Ich komme noch in diesem Jahr Im Fall, daß ich genesen soll: Geht es mit meinen Dingen wohl, So wird ihm das viel bald bekannt. Sag an den Hof und in das Land, Ich sei unterwegs in dieser Noth Geblieben auf dem Meere todt. Mein Gesinde, das ich noch habe dort, Das laß mir ja nicht kommen fort; Sieh, daß sie meiner warten still, Bis daß die Stunde kommen will, Die ich dir habe gekündigt an. Und ist es aber so gethan, Daß mir in dieser Jahresfrist Kein Glücke widerfahren ist, So mögt ihr mich zu den Todten legen Und lasset Gott der Seele pflegen Und nehmet ihr euer selber wahr: Nimm du meine Leute dann und fahr Heim nach Parmenien wieder Und laß bei Rual dich nieder; Meinem lieben Vater sage von mir, Er möge mir meine Treu in dir Durch seine Treue lohnen Und lasse dich bei ihm wohnen Und biete dir's schön, wie er wohl kann; Und sag ihm auch noch dieses an: Die mir haben gedient bisher, Eine Bitte soll er, und keine mehr, Mir erfüllen an ihnen: Jedem, nach seinem Dienen, Lohne und danke er schön und reich. Nun, lieben Leute,« sprach er gleich, »Hiemit will ich euch Gott ergeben, Fahrt eure Straße und laßt mich schweben; Ich muß der Gottesgnade Heut harren auf diesem Pfade; So habt auch ihr Zeit, daß ihr fahrt, Euern Leib und euer Leben wahrt: Es nahet fast dem Tage.« – Sie mußten mit mancher Klage, Mit manchem Jammer von hinnen ziehn, Mit mancher Thräne ließen sie ihn Schweben auf der wilden See. Kein Scheiden that ihnen je so weh. Ein jeglicher getreuer Mann, Der einen getreuen Freund gewann Und weiß, wie man den minnen soll, In Treuen, der versteht sich wohl Auf Kurvenalens Schwere; Wie schwer ihm aber die Märe Im Herzen lag und im ganzen Sinn, So schiffete er doch immer hin. Tristan verblieb alleine dort. Der schwebete allda fort und fort Mit Jammer und mit Sorgen Bis an den lichten Morgen: Und als nun Die von Develin Das Schifflein in dem Meere drin, Das steuerlose, gesehen, Da hießen sie Leute gehen Und solches Schiffleins nehmen wahr. Die Boten eilten alsbald dar. Nun sie begannen zu nahen Und doch noch Niemand sahen, Nun hörten sie immer von dorten her Süß und nach ihres Herzens Begehr Eine süße Harfen klingen Und zu der Harfen singen Einen Mann mit solcher Süße, Daß sie es nahmen für Grüße Und für ein Abenteuer Und regten auch nicht das Steuer, Dieweil er harfte und weil er sang. Die Freude war aber nicht gar lang, Die er ihnen zur Stelle da verhieß, Denn welches Spiel er sie hören ließ Mit Händen oder Munde, Das ging nicht aus dem Grunde: Das Herze, das war dabei gespart. So ist es auch nicht Spielens Art, Daß man es je und irgend thu, Es stehe denn das Herz dazu; Geschähe es auch noch so viel, Es heißet doch kein rechtes Spiel, Wenn Einer außen und obenhin Klimpert so ohne Herz und Sinn. Die Jugend that's alleine hier, Die ihn mit Mund und Händen ihr Eine Kurzweil zu bereiten zwang, Daß er ihr harfete und ihr sang; Doch war's dem Märterer dazumal Eine Marter und eine Qual. Wie er nun ab vom Spiele ließ, Das andre Schiff gleich näher stieß: Sie legten an seinem Schifflein bei Und sahn in die Wette, was drinnen sei. Wie sie nun seiner nahmen wahr Und sahen ihn so jammerbar Von Farbe und so mißgethan, Da sahen sie es geringe an, Daß er mit Hand und Munde Verstand so preisliche Kunde; Doch grüßten sie ihn als einen Mann, Der guten Gruß verdienen kann Mit Mund und auch mit Händen, Und baten den Elenden, Ihnen zu sagen Märe, Wie ihm's ergangen wäre. Sprach Tristan: »Ich will's euch sagen; Ich war in meinen Tagen Ein höfischer Spielmann, der genug Künste konnte und höfischen Fug, Sprechen und wieder schweigen, Leiern und auch geigen, Harfen spielen und Rotten, Heut schimpfen, morgen spotten, Das konnte ich alles also wohl, Als solches Volk mit Rechte soll. Damit gewann ich so genug, Daß mich das Gut zu ferne trug Und ich mehr haben wollte, Als ich mit Rechte sollte. Da wollt ich an Kaufrath werden satt, Was mir den Leib verrathen hat, Und hatte mir auch beigesellt Einen Kaufmann, reich an Gut und Geld; Und luden wir Zween einen Kiel Mit allem dem, so uns gefiel, Daheime zu Hispanien Und wollten gen Britanien. Da aber bestund uns auf dem Meer In einem Schiff ein Räuberheer, Die nahmen uns alles, groß und klein, Und schlugen den Kaufgenossen mein Und alle lebende Kreatur. Daß aber ich alleine nur Mit dieser Wunden entkommen bin, Da war die Harfe mein Gewinn, Daran sie Alle sahen klar, Wie ich auch selber geständig war, Daß ich eine Art von Spielmann sei. Da erhielt ich auch kaum und mit viel Geschrei, Daß sie mir dies Schifflein schlecht und klein Und so viel Speise gaben drein, Daß ich bis heute konnte leben. So mußt ich seit alleine schweben Mit Marter und mit mancher Klage Wohl vierzig Nächte und vierzig Tage, Wohin mich die Winde verschlugen, Die wilden Wellen trugen; Die trugen mich bald her, bald hin, Und kann nicht wissen, wo ich bin, Und weiß noch minder, wohin ich soll. Nun thut, ihr Herren, also wohl, Daß Gott der Herr euch möge lohnen, Und weiset mich hin, wo Leute wohnen.« »Geselle,« sprachen aber die Boten, »Deiner süßen Stimme und deiner Noten Sollst du allhie genießen. Du sollt in den Wellen fließen Nicht länger ohne Trost und Rath. Was dich auch hergeführet hat, Gott oder Wasser oder Wind, Wir weisen dich hin, wo Leute sind.« – Das thaten sie auch: sie führten ihn Mit seinem Schisse zusammen hin Gegen der Stadt, wie er sie bat. Das Schiff sie banden ans Gestad Und sprachen aber: »Spielmann, sieh, Nimm wahr und sieh die Burg allhie Und diese schöne Stadt dabei. Weißt du wohl, welche Stadt es sei?« – »Nein, Herre, ich weiß nicht, was es ist.« – »So sagen wir dir, daß du bist Zu Develin in Irenland.« – »Den Heiland lob ich mit Mund und Hand, Daß ich doch unter Leuten bin. Es ist doch gewiß Jemand hier drin, Der seine Güte an mir beweist Und mich mit ärztlichem Rathe speist.« Da kehrten die Boten gen Develin Und begannen auf dem Wege hin Zu reden von seinen Sachen Und großes Wunder zu machen. Sie sagten wieder die Märe, Daß ihnen begegnet wäre Ein Abenteuer mit einem Mann, Dem man es sehe schwerlich an Und könnte sich's nicht zu ihm versehn. Sie sagten, was ihnen war geschehn, Wie sie dorther vernommen, Eh daß sie näher gekommen, Einen also süßen Harfenklang Und zu der Harfen einen Sang, Den Gott selbst möchte hören In seinen Himmelschören; Und sagten, daß in dem Schiffe drein Ein armer Märterer saß allein, Ein todeswunder Harfenmann: »Wohl hin, ihr seht es ihm wohl an, Er stirbt wohl morgen, ja heute noch: Und in der Marter hat er doch Einen Muth so frisch und lebensreich, Daß auch in keinem Königreich Ein Herz zu finden wäre, Das also leidiger Märe Möchte nehmen so wenig wahr.« Von Burg und Stadt sie kamen dar Und trieben allzuhanden Viel Märe mit Tristanden Und frageten dies und jenes Wort; Und aber, wie die Boten dort, Und mit denselben Reden Beschied er ihrer Jeden. Zu harfen baten sie ihn alsdann; Da wandte er allen Sinn daran, Zu thun, was man ihn hieß und bat, Weil er's von ganzem Herzen that: Mit Mund und Händen allen Zu dienen und zu gefallen, Das war all sein Begehr und Ziel, Das that er, so gut ihm's möglich fiel. Und als der arme Harfenmann So wider Kraft als Lust begann, Sein Harfenspiel und Singen So gar süß vorzubringen, Da hatten Alle Erbarmen, Da hießen sie den Armen Aus seinem Schifflein tragen Und einem Arzte sagen, Daß er ihn zu sich nähme, Und was ihm zu Statten käme, Deß sollte er sich befleißen Und sollte ihm Hilfe erweisen Und Pflege um ihr Gut und Geld. Nun, dies geschah, dies ward bestellt. Doch als er ihn heim brachte, Auf seine Pflege dachte Und alles an ihn kehrte, Was seine Kunst ihn lehrte, Da war all seine Hilfe klein. Die Märe, die ward allgemein Ueber die Stadt zu Develin: Ein Haufe ging her, der andre hin Und hatten um ihn großes Leid. Da begab sich's zu derselben Zeit, Daß auch zu ihm ein Pfaffe kam Und allda seine Kunst vernahm, Die er übte mit Hand und Mund, Dergleichen er selber viel verstund Und hatte Kunst und guten Fug, Konnte mit Händen auch genug In jeglicher Art von Saitenspiel Und sprach auch fremder Zungen viel. An höfische Künste, Fug und Art Hatte er gewendet und nicht gespart Seine Tage und seinen Sinn. Derselbe war der Königin Meister und Ingesinde Und hatte sie von Kinde Gewitzigt nach Begehre In mancher guten Lehre: In mancher fremden Kunde, Die er ihr wies von Grunde. Auch lehrte er sehr die holde, Ihre Tochter Isolde, Die nach Wunsch gethane Magd, Von der die Welt, die ganze, sagt, Von der auch diese Mären sind; Dieselbe war ihr einigs Kind, Und hatte sie von Anbeginn Auf sie gewendet Fleiß und Sinn, Auf daß sie lernte eine Kunde Mit Händen oder mit dem Munde. Die hatte er auch in seiner Pflege Und lehrte sie da und allewege Beides, Bücher und Saitenspiel. Nun der an Tristan also viel Höfischer Art und Künste sah, Erbarmte ihn seines Leidens da Gar inniglich und von Herzen sehr Und verzog auch nicht länger mehr: Er trat alsbald die Königin an Und sagte ihr, daß ein Harfenmann Da in der Hauptstadt wäre, Ein Märtrer in großer Schwere Und todt mit lebendem Leibe, Und wäre kein Mann vom Weibe An Kunst so auserkoren Und baßgemuth geboren. »Ach, edle Königin,« sprach er, »Wenn es nur irgend möglich wär, Daß wir darauf gedächten, Daß wir ihn wohin brächten, Dahin Ihr füglich kämet Und das Wunder vernähmet, Daß ein kranker, sterbender Mann So herzinniglich süße kann Die Harfen spielen und singen, Und will doch nichts gelingen, Was man ihm Raths erlesen: Denn er kann nie genesen. Sein Meister und sein Arzt, der sein Gepflegt hat, ob er möchte gedeihn, Der hat ihn aus der Pflege gethan: Er kann nicht helfen, und schlägt nichts an, Worauf er hat gewandt den Sinn.« – »Sieh,« sprach die weise Königin, »Ich will's den Kämmerern sagen (Wenn er's je kann vertragen, Daß Hände ihn berühren Und von der Stelle führen), Sie sollen ihn zu uns bringen, Ob ihm bei seinen Dingen Etwas zu Statten käme Oder sein Weh benähme.« Dies ward gethan, und dies geschah. Nun daß die Königin ersah, Wie diese Wunde beschaffen war, Dazu die Farbe grauenbar, Erkannte sie das Gift daran. »Ach, armer Spielmann,« hob sie an, »Du bist ja von Gelüppe wund.« – »Ich weiß nicht,« sprach des Kranken Mund: »Ich kann nicht wissen, was es sei, Mir mag kein Arzt, noch Arzenei Genesung bringen oder Ruh: Nun weiß ich nicht mehr, was ich thu, Als daß ich mich Gott ergebe Und meine Frist verlebe. Wer aber Gnade an mir begeht, Da es so kümmerlich um mich steht, Dem lohne Gott. Mir ist Hilfe noth, Ich bin mit lebendem Leibe todt.« – Die Weise rief ihm aber zu: »Spielmann, sag an, wie heißest du?« – »Fraue, Tantris bin ich genannt.« – »Wohlan, Tantris, dir sei bekannt, Daß meine Hand dir helfen soll; Sei getrost und gehabe dich wohl, Dein Rath und Arzt ich selber bin.« – »Dank dir, viel süße Königin! Deine Zunge, die grüne immer, Dein Herz ersterbe nimmer, Deine Weisheit möge immer leben, Den Hilfelosen Hilfe geben, Dein Name, der möge werden Hoch an Würden auf Erden!« – »Tantris,« fiel die Königin ein, »Wofern es dir möglich sollte sein, Nur daß du freilich von Kräften bist, Was auch kein Wunder an dir ist, So hörte ich gerne Harfenspiel: Deß kannst du, höre ich sagen, viel.« – »Nein, Fraue, laßt die Rede sein: Mein Uebel irrt und hindert klein, Daß ich nicht thäte und gern dazu, Womit ich Euch einen Gefallen thu.« So ward seine Harfe darbesandt. Auch besandte man allzuhand Die junge Königinne, Das wahre Insiegel der Minne, Mit dem auch seit versiegelt Sein Herz ward und verriegelt Vor aller Welt und ihrem Schein Und gehörte nur ihr allein. Die schöne Isolde kam auch dar Und nahm mit allem Fleiße wahr, Wie Tristan über der Harfen saß. Nun harfete er auch noch viel baß, Als er es vormals je vollbracht, Weil ihm nun Hoffnung war gemacht, Sein Unglück sei zu Ende. Er harfte und sang behende, Nicht wie ein lebensmüder Mann; Er fing es frische lebendig an Und wie der Wohlgemuthe thut. Er machte es ihnen also gut Mit Händen und mit Munde, Daß er in der kurzen Stunde All ihre Huld also empfing, Daß ihm's nach ganzem Willen ging. Doch über seinem süßen Schall, So hier zur Stelle wie überall, Erwies die Wunde ihren Fluch Und machte einen solchen Ruch, Daß Niemand konnte die Plagen Eine Stunde ertragen. Aber begann die Königin: »Tantris, wenn es sich fügt dahin, Und daß es also um dich steht, Daß dieser Geruch an dir vergeht Und Jemand kann bei dir gedeihn, So laß dir wohl befohlen sein Isolden hier, die junge Magd. Die hat gelernet unverzagt Beides, Bücher und Saitenspiel, Und kann auch dessen billig viel, Nach den Tagen und nach der Frist, Als sie dabei gewesen ist. Hast du nun irgend größere Kraft In einer Kunst oder Wissenschaft, Denn ich und auch ihr Meister hie, Um meinetwillen das lehre sie. Dafür will ich dir Leib und Leben Zum Lohn und Ehrensolde geben Gesund und wieder wohlgethan, Nachdem ich sie geben und nehmen kann, Denn beide sind in meiner Hand.« »Ja, ist es denn also bewandt,« Sprach aber der sieche Harfenmann, »Daß ich dadurch aufkommen kann Und so mit Spiele genesen soll, Ob Gott will, so genese ich wohl. Fraue, selige Königin, Und ist es denn, daß Euer Sinn Euch also, wie Ihr mir da sagt, Um Eure Tochter steht, die Magd, So hoffe ich sehr wohl zu genesen: Denn der Bücher hab ich gelesen In solchem Maß und also viel, Daß ich mir wohl getrauen will, Ich diene Euch zu Dank an ihr. Dazu so weiß ich wohl an mir, Daß meines Alters kein einiger Mann So viel der edlen Spiele kann. Was Ihr nun drüber geruhet Und mir zu wissen thuet, Das nehmet alles für gethan, So weit ich es vermag und kann.« So beschied man ihm ein Kämmerlein Und gab ihm alle Tage drein All die Pflege und Gemächlichkeit, Die er sich wünschte zu jeder Zeit. Nun erst war ihm gekommen Zu Statten und zu Frommen Die Weisheit, die er im Schiff beging, Da er den Schild zur Seiten hing Und deckte seine Wunde Und brachte sie nicht zur Kunde, Daß das Irenvolk sie nicht errieth, Da es vom Lande Kornwall schied. Daher war ihnen gar nichts kund, Und wußten sie nicht, daß er war wund. Denn hätten sie dort befunden Etwas von seiner Wunden, So wohl, als ihnen war bekannt, Wie's mit den Wunden war bewandt, Die Morold mit dem Schwerte schlug, Das er in allen Nöthen trug, Es wäre fürwahr Tristanden nie Ergangen, wie es ihm ging allhie. Nun aber half's ihm aus der Gefahr, Daß er so vorbedächtig war. Hie mag ein Mann erkennen dran Und lernen wohl, wie oft ein Mann Das, was er vorbedächte, Zu gutem Ende brächte, Wenn er auf seiner Stätte Scharfsinn und Fürsicht hätte. Die weise Irenkönigin, Die wandte allen ihren Sinn Und allen ihren Witz daran, Wie sie errette einen Mann, Um dessen Leib und Leben Sie hätte so gern gegeben Ihr Leben und ihre ganze Ehr. Ja, ihn zu hassen war sie noch mehr Bedacht, als sich zu minnen; Und was sie doch konnte ersinnen, Das ihm zu Lindrung, Frommen Und mochte zum Heile kommen, Auf solches wandte sie spät und früh Alle Bedachtsamkeit und Müh. Da war nun eben kein Wunder dran: Ihr Feind war ihr ein fremder Mann. Ja, wär ihr gethan zu wissen, Für wen sie war beflissen, Und wem sie half aus Todesnoth, Es wäre ihr ärger denn der Tod, Den sie ihm hätte gegeben Viel lieber, denn das Leben; Nun wußte sie aber nichts als Guts Und war ihm guten und holden Muths. Wollte ich euch nun sagen viel Und Reden machen ohne Ziel Von meiner Frauen Meisterschaft, Wie wunderbare gute Kraft In ihren Arzeneien war Und ihren Siechen neu gebar, Was hülfe es und was sollte das? In edlen Ohren lautet baß Ein Wort, das ziemt und lieblich stimmt, Denn was man aus der Büchsen nimmt. So weit ich's kann bedenken und fassen, Will ich das immer unterlassen, Daß ich euch Worte sollte sagen, Die euren Ohren mißbehagen Und eurem Herzen widerstehn. Eh rede ich, will's nicht anders gehn, Desto minder von einer Sache, Eh daß ich euch die Märe mache Unleidlich zu irgend einer Frist Mit Rede, die nicht des Hofes ist. Von meiner Frauen Kunde, Und wie da genas der Wunde, Will ich euch kürzlich sagen: Sie half ihm in zwanzig Tagen, Daß man sein allerwärts war froh Und Niemand ihn ob der Wunde floh, Der irgend wollte zu ihm hin. Seit ging die junge Königin Allzeit bei ihm in seine Lehr; An diese wandte er gar sehr Seinen Fleiß und seine Stunden; Das Beste von seinen Kunden, So Bücherlehre als Saitenspiel, Was ich nicht alles erzählen will, Das legte er ihr besonders für, Daß sie nach ihrer eignen Kür Zur Lehre daraus nähme, Was ihr zu Fuge käme. Auch war die schöne Isold zur Hand: Das Beste, das sie allda fand Unter seinen Künsten mannigfalt, Dem unterzog sie sich alsbald Und wandte auch Fleiß bei allem an, Was sie je in der Welt begann. Auch half ihr nach Begehre Ihre frühere Lehre: Sie hatte Kunst und Art und Fug Und höfische Sitten eh genug, Und was man kann mit Mund und Hand; Die schöne Jungfrau, sie verstand Ihre Develiner Sprache fein, Konnte franzois und auch latein, Konnte fiedeln zu Preise In welscher Art und Weise. Ihre Finger, die konnten, So wie sie es begonnten, Viel wohl die Leier rühren Und auf der Harfen führen Die Saitentöne mit Gewalt; Bald stieg sie auf und nieder bald Mit den Noten kunstreich und geschwind. Auch sang das selige Mutterkind Süß und wohl mit dem Munde: Und doch bei aller Kunde Sollte ihr stets zum Frommen Ihr Meister, der Spielmann, kommen; Der besserte sie gewaltig da. Zu diesen Lehren es geschah, Daß er ihr eine neue las, Die nennen wir Moralitas: Die Kunst, die lehret schöne Sitten; Da sollte man jede Fraue bitten, Daß sie dran ihre Jugend kehre. Moralität, die süße Lehre, Die ist glückselig und ist rein. Ihre Gebote sind gemein So mit Gott als auch mit der Welt; Denn sie sind also dargestellt, Daß wir Gott und der Welt gefallen; Sie ist den edlen Herzen allen Zu einer Amme mitgegeben, Daß sie ihre Nahrung und ihr Leben Suchen in ihrer Lehre: Sie haben nicht Gut noch Ehre, Wenn nicht Moralität sie weist. Das war ihre Unmuße meist, Ich meine die junge Königin: Damit ergötzte sie ihren Sinn Und ihre Gedanken oft und viel. Ihre Sitte ward in diesem Spiel Löblich, und schön und rein ihr Muth, Ihre Gebärden süß und gut. So kam die süße junge Maid Zu Besserung und Vollkommenheit An Lernen und Sitte wunderbar In jenem einzigen halben Jahr, Daß von ihrer herrlichen Art Das ganze Land erfüllet ward; Auch gewann ihr Vater auf seinem Thron, Der König, große Lust davon, Und ihre Mutter ward sehr froh. Nun fügte es sich oftmals so, Wenn ihr Vater war freudehaft, Oder wenn fremde Ritterschaft Bei dem Könige war zu Gast, Daß Isolde in den Palast Für ihren Vater ward besandt, Und was der Holden war bekannt Von schönen Sitten und höfischen Kunden, Damit verkürzte sie ihm die Stunden Und mit ihm Manchem, den er lud. Und ward der Vater frohgemuth Von ihr, das freute alle gleich: Denn Hoch und Nieder, Arm und Reich, Sie hatten an ihr beide Eine selige Augenweide, Der Ohren und des Herzens Lust; Außer und innerhalb der Brust War ihre Lust die Holde. Die süße reine Isolde, Sie sang, sie spielte, sie las, sie schrieb, Und was Allen war werth und lieb, Das war ihre Lust, das freute sie. Sie fiedelte ihre Stampenie, Leiche und fremde Nötelein, Die nimmer fremder konnten sein, Darin sie Monjoye Saint Denis In der Weise von Frankreich pries; Da konnte sie aus der Maßen viel. Ihre Leier und ihr Harfenspiel Schlug sie zu beiden Seiten hin Mit Händen, weiß wie Hermelin, Zu seltnem Lob und Preise gut. Nicht in Thamise, noch in Lut Schlugen der Frauen Hände nie Die Saiten süßer an, denn hie. La duze Isot, la bele, Sang ihre Pasturele, Rotruwange, Rundate, Schanzune, Refloit, Folate, Wohl, wohl, ja wohl und allzu wohl; Denn von ihr ward manch Herze voll Mit sehniglichem Trachten, Mit Denken und mit Achten: Gedanken wurden fürgebracht Und viel und wundersam gedacht, Wie ihr wohl wisset, daß geschieht, Da man ein solches Wunder sieht Von Schönheit und von höfischer Art, Wie an Isolden geoffenbart. Wen soll ich ihr vergleichen, Der schönen, freudenreichen, Als der Sirenen eine, Die mit dem Magnetensteine Die Kiele ziehen her zu sich. So zog Isolde, dünket mich, Viel Herzen und Gedanken ein, Die doch wähnten bewahrt zu sein Vor dem sehnenden Leide. Es sind auch diese beide, Kiel ohne Anker und sehnender Muth, Eins in des andern Maße gut. Sie sind so selten beide Auf richtiger Wegescheide, So oft auf ungewissem Meer; Da wanken sie beide hin und her Und treiben vor der Fluthen Stoß. So schwebet der Wille steuerlos, Der ungewisse Minnenmuth, Recht wie das Schiff ohn Anker thut, In ebengleicher Weise. Die gefüge Isold, die weise, Die junge süße Königin, So zog sie die Gedanken hin Aus manches Herzens Schiffe, Wie der Magnet zum Riffe Die Barken mit Sirenensang. Ihr Sang in manches Herze drang So laut und offen durch das Ohr, Als heimlich durch der Augen Thor. Der offene Sang, der laute, Der alle Welt erbaute, Das war ihr süßes Singen, Ihr liebliches Saitenklingen, Das laut zu offnen Thoren Durchs Königreich der Ohren Hernieder in die Herzen klang. Dagegen war der geheime Sang Ihre wundersame Schöne, Die da mit Lustgetöne Gar leise und gar sänftiglich Durch die Fenster der Augen schlich In manches edlen Herzens Schrein Und brachte den Zauber mit hinein, Der den Gedanken Netze spann Und fing und fesselte sie an Mit Sehnsucht und mit sehnender Noth. So hatte sich die schöne Isot Durch Tristans Fleiß in Kunst und Lehr Gebessert und gewitzigt sehr. Sie war geworden süßgemuth, Von Sitte und Gebärde gut, Konnte manch schönes Saitenspiel, Schöner Geschicklichkeiten viel, Briefe und Schanzune dichten, Ihre Dichtung sichten und schlichten, Sie konnte schreiben und lesen. Auch war Tristan genesen Und war geheilet ganz und gar, So daß ihm Haut und Farbe klar Und wieder rein zu werden begann. Nun lag ihm die Furcht allstündlich an, Daß einer den Feind erfinde Vom Landvolk oder Gesinde, Und war er in stetem Sinnen, Mit welcherlei Beginnen Er seinen Urlaub nähme Und aus den Sorgen käme, Da er wohl wußte in seinem Sinn, Die alte noch junge Königin Würden ihm nicht leicht Urlaub geben. Nun bedachte er aber, daß sein Leben Zu jeder Zeit und allestund In großer Ungewißheit stund. Er ging zur Königin Isold Und begann allda gar schön und hold Seine Rede zu stellen, Wort für Wort, Wie er auch thät an jedem Ort; Er kniete für sie hin und sprach: »Fraue, die Gnade und das Gemach Und die Hilfe, so Ihr mir habt gethan, Die lasse Euch wiederum Gott empfahn Zu Lohn in seinem ewigen Reich! Fraue, Ihr habt so wundergleich An mir gehandelt und also wohl, Daß Euch's Gott immer lohnen soll, Und daß ich's immer verdienen will Bis hin an meines Lebens Ziel, Wie ich und wo ich armer Mann Eur Lob und Ehre fördern kann. Selige Königin, wollt verzeihn, Es möge mit Euren Hulden sein, Daß ich heimfahre in mein Land, Denn meine Sachen sind so bewandt, Daß ich nicht länger bleiben kann.« Die Königin, die lachte ihn an: »Dein Schmeicheln,« sprach sie, »hat kein Gewicht, Ich gebe dir den Urlaub nicht, Und kommst du von hinnen nicht fürwahr, Ehe daß um ist dies ganze Jahr.« – »Nicht also, edle Königin! Fraue, nehmet in Euren Sinn, Wie's um die Gottesehe Und Herzensliebe stehe. Ich habe daheim ein ehlich Weib, Die minn ich wie meinen eignen Leib Und weiß, die glaubt mit Zuversicht Und hat auch keinen Zweifel nicht, Ihr Mann, der sei gewißlich todt; Das ist meine stete Angst und Noth: Wird sie einem andern Mann gegeben, So ist mein Trost und ist mein Leben Und alle meine Freude hin, Darauf ich harrend und hoffend bin, Und werde ich nimmer wieder froh.« – »In Treuen,« sprach sie, »und steht es so, Tantris, die Noth ist ehehaft. Also gethane Genossenschaft, Die darf kein Guter scheiden. Gott, der gnade euch Beiden, Deinem Weib und so auch dir. Wie ungern ich dich lasse von mir, Doch will ich dein um Gott entbehren. Den Urlaub muß ich dir gewähren Und bin dir willig und bin dir hold. Ich und mein Töchterlein Isold, Wir geben dir auf die Reise Zu deines Leibes Speise Zwo Mark von rothem Golde: Die nimm dir von Isolde.« – Da hielt er ohne Ende Gefalten seine Hände (Des Leibes und der Sinnen) Den beiden Königinnen, Der Mutter und der jungen Magd: »Euch Beiden,« sprach er, »sei gesagt Viel Gottesdank und Huld und Ehr.« – Und blieb auch da nicht länger mehr: Er fuhr von dannen nach Engelland, Von wannen er alsbald gewandt Gen Kornwall seine Barke. Nun daß sein Oheim Marke Und all das Landvolk da vernahm, Daß er genesen wiederkam, Da waren sie männiglich also Recht und von ganzem Herzen froh, Daß Freude war im ganzen Reich. Der König, sein Freund, der fragte ihn gleich, Wie ihm's ergangen wäre; Da sagte er ihm die Märe, So gut er konnte, zur selben Stund Von oben hin bis auf den Grund. Das nahm sie auch Alle Wunder Und begannen jetzunder Zu scherzen und zu lachen, Groß Gelächter zu machen Von seiner Fahrt gen Irenland, Und wie ihn seiner Feindin Hand So lustig hieß genesen, Und von allem dem Wesen, Wie er sich gehabte und gedieh. Sie sagten, sie hätten vernommen nie Ein Ding so fremd und wunderbar. Nun dies alles geschehen war, Daß seine Genesung und Reise Belacht war laut und leise, Da begannen Mann und Magen Nach der Magd Isold zu fragen. »Isolde,« sprach er, »ist eine Magd: Was alle Welt von Schönheit sagt, Das ist dawider wie ein Wind. Die lichte Isolde, die ist ein Kind Von Gebärden und von Leibe, Daß Kind, noch Magd vom Weibe So herrlich und auserkoren Nie ward, noch wird geboren. Die lautere, die lichte Isold Ist lauter wie arabisch Gold. Was ich zu wähnen mich je vermaß, Wie ich es in den Büchern las, Die ihr zu Lobe geschrieben sind, – Aurorens Tochter und ihr Kind, Tyndarides die werthe, Die ich bis dahin ehrte, Daß sie die Schönheit aller Frauen In Einer Blume gab zu schauen, Von solchem Wahne bin ich kommen: Isold hat mir den Wahn benommen. Ich muß ab von dem Glauben stehn, Die Sonne komme von Myzen; Gänzliche Schöne ertagete nie Zu Griechenland: sie taget hie. Jeder Gedanke und jeder Mann, Die schauen alle nur Irland an; Da schöpfen die Augen Wonne, Sehn, wie die neue Sonne Nach ihrem Morgenrothe, Isolde nach Isote, Aufging daher von Develin Und morgenlich in die Herzen schien. Die Wonnige, Sonnengleiche Erleuchtet alle Reiche. Was sie da Lob von Weibern sagen, Was sie mit Lobe zu Mären tragen, Das gilt dawider alles nicht. Wer Isolden schaut ins Angesicht, Dem läutert das Schauen Herz und Muth, Recht wie die Gluth dem Golde thut, Und macht ihm heimisch Seel und Leib. Doch ist durch sie kein ander Weib Gedämpfet, noch vernichtet, Wie Mancher Mären dichtet: Ihre Schöne verschönet, Sie zieret und sie krönet Frauen und Frauenwürde: Drum sei sie keiner zur Bürde!« – Nun Tristan hatte angesagt Von seiner Frauen, der schönen Magd, Der wonniglichen von Irenland, Nach dem, wie es ihm war bekannt, Versüßte Jedem, der da saß Und sie recht in sein Herze las, Die Märe das Gemüthe, Wie Maienthau die Blüthe: Sie gewannen Alle sanften Muth. Die Brautfahrt Die Brautfahrt. Tristan, das frische junge Blut, Der hub da wieder an sein Leben; Ihm war ein ander Leben gegeben, Er war ein neugeborner Mann. Da fing's erst wieder bei ihm an, Und wurde er froh von Herzensgrund. König und Hof, die waren allstund Zu seinem Willen und Dienst bereit, Bis sich die schnöde Unmüßigkeit, Der verworfene Neid begann, Der nimmer ruhen, noch rasten kann, An vielen der Herrn zu üben, Ihnen zu wirren und trüben Den Muth und auch die Sitten, Daß sie nicht gerne litten Die Ehre und die Würdigkeit, Die ihm der Hof erwies zur Zeit Und all das Landgesinde. Sie begannen gar geschwinde Zu reden von seinen Dingen, Ihn ins Geschrei zu bringen, Daß er ein Zaubrer wäre; Und jene ganze Märe, Wie er ihren Feind Morolden schlug, In Irland sich sein Ding zutrug, Das gaben sie also zu verstehn, Daß alles aus Zauber wäre geschehn. »Seht,« sprachen sie Alle, »merket hie Und sprechet, wie er doch gedieh Vor dem Starken, vor Morolden, Und wie er betrog Isolden, Die wunderweise Königin (Die ihm doch trug so tödtlichen Sinn), Daß sie ihm so zur Seiten stand, Bis daß er genas von ihrer Hand? Merket Wunder und höret her: Dieser Gaukler, wie kann doch er Sehende Augen blenden Und alles das vollenden, Was er zu thun und zu enden hat!« Da fielen sie auf einen Rath, Die Marken Rathes pflagen, Daß sie dem Herrn anlagen Beides so fruh als spate Mit fleißiglichem Rathe, Daß er ein Weib doch nähme, Von der er zu Erben käme, Sei es nun Tochter oder Sohn. Marke sprach: »Gott, der hat uns schon Einen guten Erben gegeben: Er friste dem das Leben! Tristan, dieweil der leben soll, Das wisset ihr seit lange wohl, Kommt weder Frau noch Königin An diesen Hof. Das ist mein Sinn.« – Hiemit ward aber des Hasses mehr Und mehr des Neides denn vorher, Den sie Tristanden trugen, Daß auch die Flammen schlugen Heraus bei Vielen also sehr, Daß sie es da nicht länger mehr Verhehlen konnten im Herzensgrund, Und boten ihm zu mancher Stund Solche Gebärde und solches Wort, Daß er erbangte vor dem Mord, Und lag ihm die Sorge beständig an, Daß sie irgendwie und irgendwann Sich möchten gar vertragen, Ihn mordlich zu erschlagen. Seinen Oheim Marke, den bat er sehr, Daß er der Landesherrn Begehr Zu einem Ziele brächte Und doch um Gott bedächte Seine Sorgen und seine Noth. Er wisse nicht, wann es sein Tod Und wann es sein Ende wäre. Da sprach auf diese Märe Sein Oheim: »Neffe mein, Tristan, Schweig still, da gehe ich nimmer dran: Ich begehre zum Erben dich allein. Auch sollt du ohne Sorgen sein Um deinen Leib und um dein Leben: Ich will dir guten Frieden geben. All ihr Beneiden und all ihr Haß, Nun, so dir Gott, was schadt dir das? Das Hassen und das Neiden, Das muß der Biderbe leiden: Des Mannes Werth steigt all die Frist, Dieweil und er beneidet ist. Würde und Neid, die zwei, die sind Recht wie eine Mutter und ihr Kind. Die Würde gebieret alle Zeit Und führet mit sich Haß und Neid. Wen kommt auch der Haß und wen fällt er an So oft, als einen gesegneten Mann? Das Glück ist arm und schwacher Hand, Das nimmer Haß um sich erfand. Leb immer so, wirb immer um das, Daß du einen Tag seist ohne Haß: So erwirbst du doch nimmer das, Daß du jemals lebest ohne Haß. Hättest du aber gerne Fried Vor bösen Leuten, so sing ihr Lied Und sei mit ihnen ein schlechter Wicht, So hassen sie dich fürder nicht. Mein Tristan, was auch Jemand thu, So richte du dich je darzu, Daß du stets hohes Muthes seist: Sei allweg vorbedacht im Geist Auf deinen Frommen und deine Ehr Und rathe du mir das nicht mehr, Wovon dir Schade muß geschehn. Was Reden hierüber auch ergehn, Ich folge nicht ihnen und auch nicht dir.« »Herre, nun so gebietet mir! So will ich von dem Hofe fahren: Ich kann mich vor ihnen nicht bewahren. Soll ich bei diesem Hasse sein, So kann ich nimmermehr gedeihn. Eh ich mit solchen Gefährden Alle Königreiche auf Erden Wollte haben in meiner Hand, Eh blieb ich ewiglich ohne Land.« – Da Marke seinen Ernst sah an, Hieß er ihn schweigen und begann: »Neffe, wie gern ich allezeit Dir hielte Treu und Beständigkeit, So lässest du es ja nicht geschehn. Was nun auch mag hieraus entstehn, Da bin ich gar unschuldig dran. Wie ich dir nun willfahren kann, Da bin ich aber bereit dazu. Sag an, wie willt du, daß ich thu?« – »Da besendet Euren Herrenrath, Der Euch dies angerichtet hat, Und erfahret eines Jeden Muth: Fraget, wie es sie dünke gut, Daß Ihr verfahren sollt hierin, Und erforschet also ihren Sinn, Daß es mit Ehren mög ergehn.« Nun, dies war alsobald geschehn Und waren sie alle darbesandt; Die riethen auch Marken allzuhand, Und dies allein zu Tristans Noth, Wenn's möglich wär, die schöne Isot, Die ziemte ihm wohl zum Weibe Nach Tugend, Geburt und Leibe, Und stellten auch darauf den Rath. Sie kamen Alle, und Einer trat, Der da zu reden wohl verstund, Hervor und sprach aus Einem Mund Ihr Aller Willen, Sinn und Muth: »Herre,« sprach er, »uns dünket gut, Die schöne Isot von Irenland, Wie all den Landen ist bekannt, Die hier und dort gelegen sind, Die ist eine Magd und ist ein Kind Von weiblicher Vollkommenheit, Mit jedem weiblichen Ehrenkleid Gezieret aus dem Grunde, Wie Ihr zu mancher Stunde Selbst von ihr habt vernommen: Die ist fürwahr vollkommen Von Leben und von Leibe: Mag Euch nun die zum Weibe Und uns zur Frauen werden, So kann uns auf der Erden An keinem Weibe baß geschehn.« – Der König sprach: »Laßt, Herre, sehn, Wenn ich Die haben wollte, Wie es dann gehen sollte? So nehmet nun doch zu Sinne, Wie es mit unsrer Minne Seit lange gegen Jene stand: Bedenkt, uns hassen Leut und Land. Herr Gurmun mir von Herzen grollt: Mit Recht! ich bin ihm auch nicht hold. Wer brächte jemals unter uns Zwein So große Freundschaft überein?« – »Herre,« sprachen sie allzumal, »Es füget sich gar manches Mal, Daß Lande einander schädigen: Da sollen sie beide tedigen, Daß sie Rath suchen und finden, Und sollen's mit ihren Kinden Wieder zur Sühne bringen: Denn aus feindseligen Dingen Ward große Freundschaft schon gemacht. Seid Ihr auf solches nun bedacht, So erlebet Ihr noch wohl den Tag, Daß Irland Euer werden mag. Irland hängt an den Dreien allein, Da Beide außer dem Mägdelein Ohne andere Erben sind. Isolde ist ihr einiges Kind.« Auf diese Reden erwiderte er: »Tristan, der hat mich schon gar sehr In Gedanken an sie gebracht; Ich habe viel von ihr gedacht, Als er sie lobete wider mich. Durch die Gedanken bin auch ich Vor den Anderen allen So sehr auf sie gefallen, Daß, soll sie nicht mein werden, So wird auf dieser Erden Eine Andre nimmermehr mein Weib, So mir Gott und mein eigner Leib.« – Den Eid, den that er nicht um das, Daß ihm sein Gemüthe irgend baß Gestanden wäre hin, denn her: Aus Schlauheit und aus List schwur er, Darin ihm war ganz ungedacht, Daß solches würde je vollbracht. Der Rath sprach aber schadenfroh: »Herre, verfüget Ihr es so, Daß mein Herr Tristan hier zu Statt, Der da des Hofes Kunde hat, Eure Botschaft übernehmen will, So ist es alles an ein Ziel Und an ein stetes End gebracht. Der ist weise und wohlbedacht Und glücklich in allen Dingen: Der kann es zu Ende bringen. Er kann auch ihre Sprache wohl; Er endet, was er enden soll.« – »Ihr rathet übel,« sprach aber er: »Ihr fleißet Euch ja viel zu sehr Zu Tristans Schaden und seiner Noth. Er ist ja doch nun einmal todt Für euch und eure Erben. Nun soll er zweimal sterben, Wenn's euren Willen gelten soll. Nein, ihr von Kornwall, merket wohl, Ihr müsset selbst nach Irland hin. Rathet mir nimmermehr auf ihn.« »Herre,« sprach aber da Tristan, »Sie missereden nicht hieran. Es wäre wohl gefüge; Wenn es auch Euch zuschlüge, So griffe ich es kühner an Und bereiter denn ein andrer Mann: Und ist auch recht, daß ich es thu. Herre, ich bin ganz gut dazu: Niemand kann Euch baß dienen. Nun so gebietet ihnen, Daß sie selbst mit mir fahren, So hin als her bewahren All Euer Ding und Eure Ehr.« – »Nein, Neffe, du kommst mir nimmermehr In ihre Gewalt und in ihre Hand, Seit dich Gott wieder hat gesandt.« – »Herre, fürwahr, und dies muß sein: Mögen sie da sterben oder gedeihn, So muß es mit ihnen auch mir geschehn. Ich will sie selber lassen sehn, Wenn dies Land bleibet erbenfrei, Ob das von meinen Schulden sei. Heißet sie sich bereiten: Den Kiel, den will ich leiten Und führen mit meiner eignen Hand In das glückselige Irenland, Wieder gen Develin hinein Gegen dem schönen Sonnenschein, Der manchen Herzen Freude bringt. Gewiß, daß uns die Fahrt gelingt! Herre, würd Euch die schöne Isot, Und lägen wir dann auch Alle todt, Es würde wenig Schaden thun.« Als aber Marke's Räthe nun Vernahmen, wohin die Rede kam, Da wurden sie voll Reu und Scham, Daß sie in all ihren Jahren Niemals so traurig waren. Nun mußte es aber und sollte sein. Tristan las aus des Hofes Reihn Des Königes vertraute Herrn, Zwanzig Ritter von echtem Kern Und in der Noth die besten. Vom Lande und von Gästen Gewann er sechzig um den Sold. Des Rathes hatte er ohne Gold Zwanzig der Landbarone. So waren's der Companione Gerade hundert und Keiner mehr. Mit denen fuhr Tristan über Meer, Die waren seine Genossenschaft; Auch war viel Vorraths beigeschafft Von Kleidung und von Speise Und Schiffgeräth zur Reise, Daß so viel Leuten zu ihrer Fahrt Ein Kiel nie baß berathen ward. Hie sagt nun eine Märe, Eine Schwalbe von Kornwall wäre Gen Irland hinüberkommen Und hätte da genommen Zu ihrem Bau ein Frauenhaar (Weiß nicht, wo sie deß kundig war) Und es getragen über die See. Nistete auch eine Schwalbe je Mit solchem Ungemache, Die doch so viel Bausache Bei ihr in ihrem Lande fand, Daß sie meerüber in fremdes Land Nach ihrem Baugeräthe strich? Weiß Gott, hie spaltet die Märe sich, Hie stammelt ja fürwahr der Leich. Auch klingt es albern und thorengleich, Wer sagt, daß Tristan ging aufs Meer Blindlings nach Wahne mit einem Heer Und hätte nicht genommen wahr, Wie lange und wohin er fahr, Gesucht, und nicht gewußt, nach wem? Was thaten die Bücher zu Leide Dem, Der dies hieß schreiben und lesen? Ja, wären sie Narren gewesen, Ein König, der seine Räthe Ins Blaue zu fahren bäte Und auch die Boten zu solchem Amt, Gauche und Narren allesammt. Nun, auf der Meerfahrt war Tristan Und schiffete immer so fortan, Er und seine Genossenschaft; Da war ein Theil viel sorgenhaft, Ich meine die Barone, Die zwanzig Companione, Den Rath vom Lande Kornewall: Die hatten alle in diesem Fall Viel schwere Angst und große Noth: Sie wähnten schon, sie seien todt. Nun fluchten sie der Stunde Mit Herzen und mit Munde, Da jener Reise und jener Fahrt Gen Irland gedacht und erwähnet ward. Sie wußten für ihr eigen Leben Sich selber keinen Rath zu geben; Sie riethen her, sie riethen hin Und fielen doch auf keinen Sinn, Der irgendwie zu preisen Und ein Rath war zu heißen; Und war das auch kein Wunder zwar: Nicht drauf, noch dran, noch drunter war Ein Rath, als zweier Dinge allein, Und mußte eines von den zwein Ihnen verheißen Rath und Frist: Ein Abenteuer oder List. List war da aber theuer, Und um ein Abenteuer Gab Keiner eine Bohne: Sie waren beider ohne. Doch sprachen ihrer da genug: »Weisheit und feiner Sinn und Fug Ist wahrlich viel an diesem Mann. So uns Gott Glück vergönnt, wohlan, Wir mögen viel wohl mit ihm genesen, Wollt er nur sein blind freches Wesen In etwas bringen zu Maß und Ziel; Denn dessen hat er nur allzu viel. Er ist zu frech und hochgemuth, Er weiß noch heut nicht, was er thut; Er gäbe nicht ein halbes Brod Um unsern und um seinen Tod; Und doch auf seinem Wohlergehn Bleibt unsre beste Hoffnung stehn, Und muß sein Witz und Lehre geben, Wie daß wir fristen unser Leben.« Nun sie gen Irland kamen, Ihr Angelände nahmen, Da wo sie hörten Märe, Daß jetzt der König wäre Gegen der Stadt zu Weisefort, Warf Tristan den Anker über Bord So ferne von dem Hafen, Daß Die von dort nicht trafen Mit keinem Bogen zu ihnen hin. Die Landbarone baten ihn, Daß er um Gott sie weise, Mit welcher Art und Weise Er wollte werben um das Weib; Es ginge sehr um ihren Leib, Und däuchte sie und wär auch gut, Daß er ihnen sagte seinen Muth. Tristan sprach: »Still, ihr Herrn! nur stet! Hütet euch, daß euer Keiner geht Den Leuten unter das Angesicht; Bleibt drinnen Alle und zeigt euch nicht, Bis auf die Schiffer und Knechte allein. Die sollen fragen aus und ein Auf der Brücke vor der Hafenthür: Doch euer komme Keiner dafür. Schweiget und macht euch bald hinein: Ich will selber am Thore sein, Weil ich die Landessprache kann. Man wird uns alsbald kommen an Und von der Stadt beschweren Mit übelklingenden Mären: Da muß ich lügen diesen Tag, So viel ich ihnen lügen mag. Verberget euch hierinnen, Denn wird man eurer innen, So haben wir Lärm und Streit zur Hand Und besteht uns das ganze Land. Dieweil ich morgen außen sei (Denn ich will reiten nahebei Auf Abenteuer im Morgenlicht, Ob mir's gelinge oder nicht), So halte Kurvenal davor Und Andre mit ihm an dem Thor, Denen die Sprache kundig ist; Und Eins vernehmt zur letzten Frist: Sei's, daß ich unterwegen sei Vier Tage oder auch nur drei, Zur Stunde harret mein nicht mehr, Entrinnet wieder über Meer, Auf daß ihr errettet Leben und Leib; So hab ich ganz allein das Weib Verzinset mit dem Leibe; Und rathet zu einem Weibe Eurem Herren, wie euch dünke gut. Dies ist mein Rath und auch mein Muth.« Des Königs Marschall von Irenland, In dessen Gewalt und in dessen Hand So Stadt als Hafen gegeben war, Der kam gerannt zum Meere dar, Gewaffnet, in vollem Trotte Mit einer starken Rotte Der Bürger und ihrer Boten, Wie ihnen war geboten Vom Hofe, und wie die Märe sagt (Wer darnach weiter oben fragt), Daß man frei Keinen ließe, Der ans Gestade stieße, Bis daß man hätte recht erkannt, Ob er von König Marke's Land Und seinem Landgesinde wär. Dieselben Gewaltigen nunmehr, Die leidigen Mörderhände, Die englisch Blut ohn Ende Unschuldig vergossen hatten, Ihrem Herren zu Statten, Die kamen angezogen Mit Armbrust und mit Bogen, Dazu mit andrer ihrer Wehr, Gerade wie ein Räuberheer. Des Kieles Meister, Herr Tristan, Der legte einen Reisrock an, Aus keinem Grund auf Erden, Als, nicht erkannt zu werden. Auch hieß er einen Pokal hertragen, Der war aus rothem Gold geschlagen Und war zu fremdem Preise Gemacht nach Englands Weise. Nach diesem allem trat Tristan Mit Kurvenal in einen Kahn Und fuhr so gegen die Hafenthür Und grüßte aus seinem Schiff herfür Mit Gebärden und mit dem Mund, So süß und schön er's nur verstund. So viel aber da des Grüßens war, So viel auch von den Bürgern dar Zu ihren Booten liefen Und vom Gestade riefen: »Stoße ans Land, stoße ans Land!« Tristan alsbald im Hafen stand: »Ihr Herren,« sprach er, »saget mir, Wie kommt ihr so? was wollet ihr Mit solchem Ungehaben und Braus? Eure Gebärden, die sehen mißlich aus. Ich weiß nicht, weß mich versehen soll. Um Gottes Willen, thut so wohl, Wenn Jemand bei euch ist zur Statt, Der Gewalt von dem Lande hat, Der höre und vernehme mich.« – »Ja,« sprach der Marschall, »hie bin ich: Mein Gehaben und meine Gebärden, Die sollen euch mißlich werden! Euer Gehaben will ich zur Stund Vernehmen, und das aus dem Grund.« – »In Treuen, Herre,« sprach Tristan, »Da findet Ihr einen bereiten Mann: Wer Die da schweigen hieße Und mich zur Sprache ließe, Dem wäre ich gern gewärtig, Auf daß man hie friedfertig Und so mein Wort vernähme, Wie es dem Land zukäme.« Ein Stillstand ward ihm da gegeben. »Herre,« sprach Tristan, »unser Leben, Unsre Geburt und unser Land, Mit diesem allem ist's so bewandt, Wie ich euch hie bedeute: Wir sind handelnde Leute Und mögen uns deß nicht schämen, Kaufleute, mit Wohlnehmen, Ich und meine Companie, Und sind wir aus der Normandie. Unsre Weiber und Kinder, die sind dort. Wir selber ziehen von Ort zu Ort, Kaufen in allen Landen ein Und gewinnen dann hintendrein, Daß wir uns so durchschlagen. Etwa vor dreißig Tagen Da fuhren wir aus unsrem Land, Ich und zween Andre von meinem Stand. Wir Drei, wir wollten im Verein Zusammen in Hibernien sein; Und sind es wohl acht Tage seit, Daß uns zu früher Morgenzeit Ein Wind bestund von hinnen fern, Wie uns die Winde thun so gern; Derselbe thät uns scheiden, Mich Einen von den Beiden; Weiß nicht, wie sie gefahren, Gott möge sie bewahren, Sie seien lebend oder todt. Ich selber ward mit vieler Noth Manch übeln Weg verschlagen In diesen schweren acht Tagen, Und so bis gestern um Mittag, Da Sturm und Wind darnieder lag; Da gewahrte ich Berg und Land vor mir, Warf, um zu ruhen, den Anker hier Und ruhete auch bis heute da. Heut Morgen aber, da ich sah, Daß es tagte und helle ward, Da strich ich wieder auf meine Fahrt Und fuhr hieher gen Weisefort. Nun geht es schlimmer hie, denn dort. Ich wähne, ich sei noch ungeborgen; Und kam doch hieher ohne Sorgen, Da mir die Stadt nicht unkund ist, Und bin auch schon zu andrer Frist Mit Handelsleuten hie gewesen. Desto eher wähnt ich zu genesen Und Gnade hie zu finden; Nun bin ich aber Winden Und Stürmen erst in die Hand gefahren; Doch mag mich Gott noch wohl bewahren: Wenn ich bei diesem Gesinde Nicht Ruh noch Frieden finde, So kehre ich wieder auf das Meer; Da hab ich genügliche Gegenwehr Und alle Streitkraft in der Flucht. Wofern Ihr aber Eure Zucht Und Ehre an mir erzeigen wollt, So viel ich habe Gut und Gold, Das theile ich Euch viel gerne mit Um eine einzige kurze Bitt, Daß Ihr so meiner Habe als mir Frieden schafft in dem Hafen hier, Bis ich erforsche und sehe, Ob mir das Glück geschehe, Daß ich mein Landgesinde Entdecke und erfinde. Und laßt Ihr mich das erleben, So heißt mir auch Frieden geben; Sie eilen fast von dorten her, Ich weiß nicht, welche oder wer, In ihren kleinen Schifflein dort; Sonst fahr ich zu den Meinen fort Und fürcht euch Alle nicht ein Stroh.« Der Marschall rief die Seinen so Und hieß sie kehren an das Land. Zum Gaste sprach er: »Welches Pfand Wollt Ihr dem König geben, Daß ich Euch Gut und Leben Bewahre in diesem Königreich?« – Und aber sprach der Fremde gleich: »Herre, ich gebe ihm alle Tage, Wo ich's gewinne oder erjage, Eine Mark von rothem Golde; Und biete ich Euch zum Solde Und Danke diesen Becher an, So ich auf Euch vertrauen kann.« – »Ja,« sprachen die Leute allzuhand, »Er ist hie Marschall über das Land.« – Der Marschall seine Gabe nahm, Die däuchte ihm reich und lobesam, Und hieß ihn ankern um die Gabe. Seinem Leib und seiner Habe Fried und Gnade er da entbot. Da waren sie reich und waren roth, Ich meine den Zins und meine den Sold: Reich und roth des Königs Gold, Des Boten Gabe roth und reich: Sie waren preislich beide gleich. Das half auch ihm, daß ihm allda Gnad und Gemächlichkeit geschah. Der Drachenkampf Der Drachenkampf. Nun, Tristan ist zu Frieden kommen. Doch hat Niemand bis jetzt vernommen, Was er wolle beginnen nun. Das soll man euch zu wissen thun, Eh daß euch's an der Geduld gebricht. Dieselbe Märe sagt und spricht Von einem gräulichen Serpant, Der zu den Zeiten war im Land. Die leide Teufelsschlange, Die hatte schon seit lange Land und Leute mit Schaden So schädlich überladen, Daß der König schwur einen Eid Bei königlicher Wahrhaftigkeit, Wer diesem Drachen nähme das Leben, Dem wollte er seine Tochter geben, So er edel und Ritter wäre. Und diese gemeine Märe Und das viel wonnigliche Weib Verdarben Tausenden den Leib, Die zu dem Kampfe kamen Und da ihr Ende nahmen. Der Märe war die Insel voll. Die Märe kannte auch Tristan wohl: Dies Eine stärkte und trieb ihn an, Daß er die Reise je begann; Dies war seine meiste Zuversicht, Denn andern Trost, den hatte er nicht. Nun ist es Zeit, nun kehre zu! Des andern Tages in der Fruh, Da waffnet' er sich also wohl, Als sich ein Mann zu Nöthen soll. Dann auf ein starkes Roß saß er Und hieß ihm reichen einen Speer, Der war groß und war feste, Der stärkste und der beste, Den man da in dem Kiele fand. Nun ritt er seinen Weg durchs Land Ueber Feld und über Gefilde Und machte in der Wilde Manche Kehre und manche Fahrt. Und als es aber Mittag ward, Da ritt er wacker drauf und dran Wider das Thal von Anfergynan: Dort war des Drachen Hof und Haus, Das weiset die Historie aus. Nun sah er fern von dannen Vier gewaffnete Mannen All über Stock und Stein fürbaß Ein wenig schneller denn im Paß Fliehen und galoppiren; Und Einer von den Vieren, Der war Truchsäße der Königin; Derselbe war auch in seinem Sinn Der jungen Königin Amis Zu ihrem Aerger und Verdrieß; Und wenn Jemand zu Felde zog, Das Glück versuchte, der Mannheit pflog, So war auch der Truchseß bei der Hand Zu jeder Zeit und auf jedem Sand, Nur daß man von ihm sage, Daß er sich auch hinwage, Wo Ritter auf Abenteuer gehn; Und war's auch nicht anders zu verstehn, Denn er erblickte nie den Drachen, Ohne sich tapfer davon zu machen. Nun ward Tristan gar wohl gewahr An dieser flüchtigen Ritterschaar, Der Drache wäre nicht weit vom Ort; Da ritt er in gutem Passe fort Und ritt nicht lange, bis er da Seiner Augen Ungemach ersah, Den scheusäligen Drachen; Der warf aus seinem Rachen Rauch und Flammen und Brausewind, Recht wie des schlimmen Teufels Kind, Und kehrte gegen ihn alldorther. Tristan, der senkte seinen Speer, Das Roß er mit den Sporen nahm, So schnell er dar gerühret kam Und nach dem Maul mit dem Speere stach, Daß der ihm durch den Rachen brach Und innen bis aufs Herze schoß, So daß er selber mit dem Roß So heftig auf den Drachen stieß, Daß er das Roß todt liegen ließ Und er davon mit Noth entrann. Der Drache ging es aber an Mit Schnauben und mit Feuer, So daß es vom Ungeheuer Bis an den Sattel verzehret ward. Nun fiel dem Drachen aber hart Der Speer, der ihn versehrte, So daß er vom Rosse kehrte Und wider ein Steingeklüft entwich. Tristan, sein Kampfgeselle, strich Ihm sachte nach in seiner Spur, Indeß voraus das Unthier fuhr Und so im Unmuth brüllte, Daß es den Wald erfüllte Mit grausenvoller Stimme, Und Büsche viel im Grimme Verbrannte und aus dem Boden schlug. Das trieb der Drache so viel und gnug, Bis daß der Schmerz ihn überwand, Und unter eine Felsenwand Gar nahe dort sich drückte. Tristan das Schwert da zückte Und meint', er fände ihn ohne Streit. Nein, es ward ängstlicher zur Zeit, Als es je vor gewesen. Doch sollte er noch genesen. Tristan fiel aber den Drachen an, Der Drache wiederum den Mann Und brachte den in solche Noth, Daß er schon wähnte, er wäre todt. Er ließ ihn zur Wehr nicht kommen Und hätte ihm schier benommen Des Schwertes Schlag und des Schildes Wehr. Auch hatte er ein starkes Heer: Er führte mit ihm in den Kampf Häßlichen Rauch und heißen Dampf Und andere Kriegessteuer An Schlägen und an Feuer, An Zähnen und an Griffen, Die waren wohl geschliffen, Ja wohl schärfer und besser Denn irgend ein scharfes Messer. Damit trieb er ihn um und um Manch ängstliche Wendung grad und krumm, Und mußt er von Baum zu Busche Sehn, wie er sich vertusche Und friste seine Tage Baß denn mit Schirm und Schlage; Und hatte es doch versucht so sehr Mit Widerstreben und Wiederkehr, Daß ihm der Schild vor seiner Hand Beinahe zu Kohlen war verbrannt; Denn er ging ihn mit Feuer an: Daß er mit Noth vor ihm entrann. Doch währte es nicht viel lange: Die mörderische Schlange, Die kam der Tod so mächtig an, Daß sie zu taumeln da begann Und so versehret war vom Spieß, Daß sie sich aber niederließ Und wand sich schwer und bange. Nicht harrte Tristan lange, Er kam gesauset schnell daher, Das Schwert, das stach er zu dem Speer Tief in das Herz, als wie im Sturm. Da erhub der leidige Teufelswurm Einen Schall und eine Stimme So gräulich und so grimme Aus seinem schnöden Rachen, Als sollte die Welt erkrachen, Daß der Mordschrei den Wald durchdrang Und weit hinein ins Land erklang Und Tristan sehr erschrocken war. Und wie er nahm des Drachen wahr, Daß der todt vor ihm lag zu Hauf, Da brach er ihm den Rachen auf Mit großer Arbeit, Noth und Graus Und schnitt ihm von der Zungen aus Ein Stück mit seinem Schwerte, So viel er davon begehrte; In seinen Busen er sie stieß, Den Rachen wieder zusammen ließ. So kehrte er gegen die Wildniß hin. Da hatte er aber dies im Sinn, Er wollte sich verbergen dort, Den Tag ausruhen an einem Ort Und wieder kommen zu Kraft und Macht Und wollte alsdann auf die Nacht Zu seinen Landgesellen wieder. Nun zog ihn aber die Hitze nieder, Die er vom Jäst, mit dem er stritt, Dazu auch von dem Drachen litt; Und die ermüdete ihn so sehr, Daß er sich kaum hielt aufrecht mehr Und kaum noch konnte leben. Nun sah er ein Seelein schweben, Dasselbe war schmal und mäßig groß, Darein von einem Felsen floß Ein kühles klares Brünnelein. Da fiel er in voller Wehr hinein Und senkte sich bis auf den Grund; Er ließ nichts außen als den Mund. Da lag er den Tag und auch die Nacht; Denn ihm benahm all seine Macht Die leide Zunge, die er trug: Der Rauch, der von ihr an ihn schlug, Der machte ihn so ganz und gar Der Kräfte und der Farbe baar, Daß er auch nicht von dannen kam, Bis ihn die Königin entnahm. Der Truchseß, der, wie ich gesagt, Der auserwählten Königsmagd Ein Freund und Ritter wollte sein, Dem begannen die Gedanken sein Aufzuschwellen in Fülle Von des Drachen Gebrülle, Das also stark und grauenvoll Ueber Wald und über Feld erscholl. Er nahm in seinem Herzen wahr Recht, wie auch alles ergangen war, Und dachte: Er ist wahrlich todt, Oder aber in so großer Noth, Daß ich ihn mag gewinnen Mit etlichem Beginnen. Von jenen Dreien er sich entstahl Ritt eine Halden im Paß zu Thal Und sprengte nach der Seite dar, Von wo der Schrei geschehen war; Und als er zu dem Rosse kam, Er ihm dort eine Ruhe nahm. Bei dem hielt er sich lange Kleinmüthig auf und bange: Er sah auf die kurze Reise Mit Angst und bittrem Schweiße. Doch endlich stärkte er seinen Sinn Und ritt halb wider Willen hin Erschrocken und in großer Noth, Wo es sich seinen Augen bot, Daß Laub und Gras viel grauenbar Vor ihm her abgesenget war. Nun traf er aber in kurzer Stund, Eh daß er seiner wurde kund, Recht auf den Drachen, da er lag: Das war dem Truchseß wie ein Schlag, Der war erschrocken im Ueberfluß Und hätte beinahe einen Schuß Zu Boden hin genommen, Daß er so dran gekommen Und ihm so nahe geritten war. Nun aber besann er sich nicht so gar: So schnell warf er herum das Roß, Daß er mit ihm zur Erde schoß Auf Einen Haufen nicht gar sacht. Nun er sich wieder aufgemacht (Ich meine von dem Boden), Gewann er nicht den Oden, Vor Schrecken, der ihn plagte, Daß er nur so viel wagte, Daß er zu Pferde säße: Der häßliche Truchsäße, Der ließ es stehen und entsprang. Doch da ihm nichts auf die Fersen drang, So stund er still und schlich herwieder, Nach seinem Speere griff er nieder, Das Roß er bei dem Zügel nahm, Zu einem Strunk gezogen kam, Viel kecklich auf sein Rößlein saß, Der Niederlage bald vergaß: Er sprengte ferne dort hinan Und sah herwieder den Drachen an, Was der machte für ein Gesicht, Und ob er lebte oder nicht. Nun daß er ihn verendet sah, »Heil, so Gott will!« begann er da: »Hie ist ein Glück gefunden: Ich bin zu guten Stunden Und mir zum Heile kommen her.« – Hiemit so senkte er den Speer, Den Zügel er verhängte, Er hieb aufs Roß und sprengte, Begann scharf zu puniren, Punirend zu croijiren: »Scheveliers, Damoisele, Ma blunde Isot, ma bele!« – Er stach auf ihn mit solcher Kraft, Daß auch der starke eschene Schaft Ihm durch die Hand herwieder glitt. Daß er aber nicht weiter stritt, Das that er bloß aus dieser List: Er dachte: »Wenn Der am Leben ist, Der diesen Drachen hat erschlagen, So kann's mir keinen Nutzen tragen, Was ich hie unternehmen will.« – Da kehrte er von dannen still Und ritt und suchte her und hin Mit dieser Hoffnung, wenn er ihn Erfinden sollte irgendwo, So müde oder verwundet so, Daß ihm's seine Schwäche gönnte, Daß er ihn bestehen könnte, So wollte er ihn erschlagen Und dann zu Grabe tragen. Doch als er ihn nicht fand umher, »Laß fahren dahin!« so dachte er: »Er lebe oder sei abgethan, So bin ich der Erste auf diesem Plan; Mich weist Niemand von dannen: Ich habe Freunde und Mannen, Bin also werth und gern gesehn, Daß, wer sich's sollte unterstehn, Der hätte es doch verloren.« – Er gab dem Roß die Sporen, Ritt zu dem Drachen wieder Und sprang zur Erde nieder. Er fing den Streit da wieder an Recht, wie er es zuvor gethan: Er griff zum Schwerte, das er trug, Mit solchem spickte er und schlug Den Feind, jetzt dort und da jetzund, Bis er ihn da und dort verschund. Genug versuchte er's am Kragen: Den hätt er ihm gerne durchgeschlagen; Da war er aber so hart und groß, Daß ihn die Mühe bald verdroß. An einem Strunk brach er den Speer; Das vordre Stück, das steckte er Dem Drachen zu dem Schlund hinein, Als hätt's getjostet sollen sein. Da saß er auf sein spanisch Roß; Fröhlich kam er in Stadt und Schloß Eingeritten zu Weisefort Und schickte zur Stunde nach dem Ort Vier Pferde mit einem Wagen, Der das Haupt sollte tragen, Und lief und sagte Allen, Welch Glück ihm zugefallen, Und was er Todesangst damit Und kümmerliche Noth erlitt. »Ja, Herre, alle Welt,« sprach er, »Die biete nur die Ohren her, Betrachte und sehe das Wunder an! Da sieht man, was der beherzte Mann Und was der feste Mannesmuth Um liebes Weibes willen thut! Daß ich den Nöthen ohne Maß Entrann und in dem Streit genas, Das wundert und das wundert mich; Und weiß auch wohl fürwahr, wär ich Sanft, wie ein andrer Mann, gewesen, Ich wäre nimmermehr genesen. Ich weiß nicht, wer es mochte sein, Ein Abenteurer, ganz allein, Der auch auf Abenteuer ritt, Der war, noch eh ich mit ihm stritt, Zu seinem Unglück hingekommen Und hatte sein Ende da genommen. Gott hatte sein vergessen, Sie sind Beide gefressen, Roß und Mann, ist alles mort. Das Roß, das liegt noch halb am Ort, Versenget und zerrissen. Was braucht ihr mehr zu wissen? Genug, daß ich mehr Noth gewann, Denn jemals um ein Weib ein Mann.« – Seine Freunde er alle zu ihm nahm, Zu dem Serpant er wieder kam Und zeigte seine Wunderthat, Darauf er Jeden besonders bat, Zu zeugen und zu sagen, Wie sich's hier zugetragen. Er führte das Haupt von dannen; Seine Magen und seine Mannen Die lud er und die besandte er; Zu dem Könige rannte er Und mahnte ihn an den Vertrag. Um diese Rede ward ein Tag Zu Weisefort gesetzt dem Land. Hiemit so ward das Land besandt, Die Landbarone meine ich. Nun, die bereiteten alle sich, Wie ihnen vom Hofe war getagt. Nun ward den Frauen auch gesagt Am Hof die neue Märe. Die Marter und die Schwere, Die sie da hatten auszustehn, Die ward an Frauen nie gesehn. Die süße Magd, die schöne Isot War recht in ihrem Herzen todt; So leiden Tag sie nimmer sah. Zu ihr sprach ihre Mutter da: »Nein, schöne Tochter, nein, laß stehn, Laß dir dies nicht so nahe gehn; Denn mag es nun mit Wahrheit rein Oder mit Lügen bestellet sein, So wollen wir doch dazwischenfahren; Auch soll uns Gott davor bewahren. Nicht weine, Tochter meine: Die klaren Augen deine, Die sollen nimmer werden roth Um eine also nichtige Noth.« – »Ach Mutter,« sprach die Schöne, »Fraue, nimmer verhöhne, Noch schände deine Geburt und dich. Eh ich gehorche, so steche ich Recht in mein Herz ein Messer eh. Eh daß sein Wille an mir ergeh, Nehm ich mir selber eh den Leib. Er gewinnet nimmermehr ein Weib, Noch eine Frauen an Isot, Er wollte mich denn haben todt.« – »Nein, schöne Tochter, fürchte nicht: Was er oder irgend Jemand spricht, Da ist jedwedes Wort verloren; Und hätte es alle Welt geschworen, Der Truchseß, der wird nie dein Mann.« Wie es zu nachten nun begann, Da fragte die Weise und besprach Um ihrer Tochter Ungemach In solcher stillen Stunde Ihre geheime Kunde Und sah im Traume wunderbar, Daß es nicht also geschehen war, Wie die Landmäre sagte. Und alsbald, wie es tagte, Rief sie Isolden und sprach ihr zu: »Ach, süße Tochter, wachest du?« – »Ja,« sprach sie, »Fraue Mutter mein.« – »Nun laß all deine Aengste sein! Ich will dir liebe Märe sagen: Er hat den Drachen nicht erschlagen. Was diesen Mann auch zu uns trug, Es ist ein Fremder, der ihn schlug. Wohlauf, wir wollen balde dar, Der Märe selber nehmen wahr: Brangäne, steh auf leise Und sage zu Paraneise, Daß er uns sattle schiere; Wir müssen aus, wir Viere, Ich und Isolde, du und er; Er bringe uns die Pferde her Aufs schierste und warte dorten An der geheimen Pforten, Wo der Baumgarten endet Und nach dem Feld sich wendet.« Nun, dies geschah nach ihrem Sinn. Sie saßen auf und ritten hin, Allwo sie hörten sagen, Daß der Wurm sei erschlagen. Nun man das Roß erspähte, Da ward das Reitgeräthe Besehen und betrachtet, Dabei sie gleich geachtet, Sie hätten Geräthe solcher Art Daheim zu Lande nie gewahrt; Und kamen alle überein, Wer es auch möge gewesen sein, Den das Roß dargetragen, Der habe den Wurm erschlagen. Sie ritten fürder durch den Wald Und stießen auf den Drachen bald. Nun war des bösen Feinds Genoß So ungeheuer und also groß, Daß die viel lichte Frauenschaar Recht todtenfarb zu schauen war Vor Aengsten, da sie ihn ersah. Die Mutter sprach aber zur Tochter da: »Wie bin ich gewiß! Wer glaubt es hier, Daß der Truchsäße das Ungethier Je zu bestehen sich unterfing? Unsre Sorge ist nun gering; Und wahrlich, Tochter mein, Isot, Der Mann sei lebend oder todt, Mir ahnet sehr, daß er hiebei In der Nähe verborgen sei; Davon weissaget mir mein Muth. Wohlauf, und dünket es dich gut, So wollen wir ans Suchen gehn, Ob uns Gott möge zur Seiten stehn, Daß wir den Mann wo finden Und mit ihm überwinden Die grundlos tiefe Herzensnoth, Die uns beschweret wie der Tod.« – Das ward viel schier beschlossen, Und die vier Reisgenossen Die ritten von einander fort. Die suchte da, die Andre dort. Nun ging es, wie es sollte Und das Verhängniß wollte; Die junge Königin Isot, Daß sie ihr Leben und ihren Tod, Ihre Wonne und ihre Gallen Zuerst ersah vor Allen. Von seinem Helme ging ein Glast, Der meldete ihr den fremden Gast. Nun sie des Helmes ward gewahr, Da kehrte sie, rief die Mutter dar: »Fraue, eile, reit her näher baß! Ich seh dort glasten, ich weiß nicht, was: Es ist recht wie ein Helm von Art; Ich wähne, ich habe ihn recht gewahrt.« – »In Treuen,« sprach die Mutter froh, »Mich selber dünket auch also. Gott, der will auf uns achten: Ich wähne, nach dem wir trachten, Daß wir ihn haben funden.« – So riefen sie zur Stunden Die Andern zwei zu ihnen dort Und ritten alle nach dem Ort. Nun sie begannen zu nahen Und ihn so liegen sahen, Da wähnten sie Alle, er wäre todt. »Er ist todt,« sprach jegliche Isot: »Um unsre Hoffnung ist's gethan. Der Truchsäße, der hat den Mann Mordlich ermordet und erschlagen Und hat ihn in den Sumpf getragen.« – Sie stiegen ab, die Viere, Und hatten ihn viel schiere Herausgezogen an das Land, Darauf man ihm den Helm entband Und auch die Kuppen abgewann. Die weise Isot, die sah ihn an Und sah wohl, daß er lebete, Und aber sein Leben schwebete Kaum wie an einem dünnen Haar. »Er lebt,« sprach sie, »er lebt fürwahr! Nun bald her und entwaffnet ihn! Ist's, daß ich also gesegnet bin, Daß er nicht Todeswunden hat, So mag deß alles werden Rath.« Die Schönen alle drei zumal, Die lichte Schaar im grünen Thal, Da sie mit Händen, wie Schnee so weiß, Den fremden Mann mit allem Fleiß Entwaffneten und entbanden, Die Zunge sie da fanden. »Sieh,« sprach die Königin, »Herre mein, Was ist dies oder was mag das sein? Brangäne, Herzensniftel, sprich.« – »Es ist eine Zunge, dünket mich.« – »Du redest wahr, Brangäne; Mich dünkt auch, und ich wähne, Dieselbe sei des Drachen: Das Glück will bei uns wachen, Herzenstochter, schöne Isot, Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod, Wir sind zur rechten Fährte kommen! Und diese Zunge hat ihm benommen Beide die Kraft und auch den Sinn.« – Sie nahmen schnelle die Waffen hin, Und da sie an ihm nicht funden Weder Schläge noch Wunden, Da waren sie aus aller Noth. Theriak nahm die weise Isot, Der alle Künste waren kund, Und flößte ihm dessen in den Mund So viel, bis er zu schwitzen begann. »Er will genesen,« sprach sie, »der Mann, Der Dampf beginnt schon auszuziehn, Der von der Zungen ging an ihn; So vermag er zu sprechen und aufzusehn.« – Das war auch alsobald geschehn. Er lag unlange, bis es geschah, Daß er beides auf und um sich sah. Nun er der wonnevollen Schaar Bei ihm und um ihn ward gewahr, Gedacht er in seinem Muthe: »Ah Herre Gott, der gute, Du hast in Treuen mein gedacht: Drei Lichter hab ich hier zur Wacht, Die besten, so die Erde hat, Manch Herzens Freude, Trost und Rath Und manches Auges Wonne, Isot, die lichte Sonne, Und ihre Mutter auch, Isot, Das freudigliche Morgenroth, Dazu die stolze Brangäne, Den Vollmond gegen jene.« – Hiemit so faßte er Muth und sprach Kaum und mit schwacher Stimme: »Ach, Wer seid ihr denn, und wo bin ich?« – »Ah, Ritter, kannst du sprechen? sprich! Wir helfen dir in deiner Noth,« Sprach aber die weise Frau Isot. – »Ja, selige Fraue, süßes Weib: Ich weiß nicht, wie mir so der Leib Und alle Kraft in kurzer Frist Geschwachet und geschwunden ist.« – Die junge Isot, die sah ihn an: »Dies ist Tantris, der Harfenmann,« Sprach sie, »wenn ich ihn jemals sah.« – Der andern Jede, die sprach da: »Mich dünket auch so, meiner Treu.« – Da sprach die Königin aufs Neu: »Bist du es, Tantris?« – »Fraue, ja.« – »Sag an,« sprach aber die Weise da, »Wo bist du herkommen oder wie, Oder was wirbest du allhie?« – »Aller Weiber seligstes Weib, Ich habe es noch an meinem Leib Und leider an der Kraft noch nicht, Daß ich Euch meine ganze Geschicht Recht und in Ordnung möge sagen. Heißet mich führen oder tragen Um Gottes Willen an einen Ort, Daß meiner Jemand pflege dort Nur diesen Tag und diese Nacht. Und komme ich wieder zu Kraft und Macht, Ist's Pflicht, daß ich thu und sage, Was Euch belieb und behage.« So nahmen sie Tristanden, Sie Viere, da zu Handen; Auf ein Pferd sie huben ihn Und führten ihn allzusammen hin Und brachten ihn also still hinein Wieder durch ihr Geheimthürlein, Daß von der Reise und von der Fahrt Niemand niemals nichts inne ward. Sie schufen ihm Hilfe und Gemach. Die Zunge, von der ich oben sprach, Sein Eisen und all sein ander Ding, Davon blieb Faden nicht, noch Ring; Sie führten alles zur Burg hinan, Beide die Rüstung und den Mann. Nun daß der andre Tag da kam, Die Weise ihn aber zu Handen nahm: »Nun, Tantris,« sprach sie, »sage mir Bei all den Gnaden, so ich dir Nun und zum vordern Mal erwies, Daß ich dich zwier genesen ließ, Und bin dir willig und bin dir hold, Und wie du deinem Weibe sollt, – Wann kamest du gen Irenland, Und wie erschlugst du den Serpant?« – »Fraue, das will ich Euch sagen: Ich brachte vor kurzen Tagen, Es sind drei Tage von heute, Ich und mehr Handelsleute, Ein Schiff in diesen Hafen; Ein Raubheer wir da trafen, Weiß nicht, durch welches Ungefähr; Die hätten uns, wenn ich nicht wär Mit meinem Gut zuvorgekommen, Den Leib zu unsrem Gut genommen. Nun ist es so mit uns bewandt: Wir müssen manches fremde Land Heimisch hegen und bauen Und wissen nicht, wem vertrauen, Weil man uns viel Gewalt anthut. So wußte ich wohl, mir wäre gut, Wenn ich's mit rechten Dingen Vermöchte dahin zu bringen, Daß ich den Landen würde bekannt. Kund sein in manchem fremden Land, Das fördert einen Handelsmann. Seht, Fraue, das ist's, worauf ich sann; Denn es ist mir von dem Serpant Die Landmäre schon lang bekannt; Und ich erschlug ihn nur um das: Ich wähne, daß ich desto baß Friede und Gnade finde Bei diesem Landgesinde.« »Friede und Gnade,« sprach Isot, »Die müssen dich bis an deinen Tod Geleiten mit währenden Ehren. Du bist zu guten Mären Dir selber und uns gekommen her. Nun trachte, weß dein Herz begehr: Das ist gethan, das schaff ich dir Von meinem Herren und von mir.« – »Dank, Fraue, so ergebe ich Meinen Kiel, mein Kielgesind und mich Gänzlich an Eure Treue. Seht, daß mich nicht gereue, Daß ich habe so Gut als Leben An Eure Treue gegeben.« – »Nein, Tantris, da habe du guten Muth: Um dein Leben und um dein Gut Sorge du mir nicht weiter mehr. Meine Treue und meine Ehr Sieh hier, die nimm in deine Hand, Daß dir nimmer in Irenland Bei meinem Leben ein Leid geschicht. Versage mir eine Bitte nicht Und beut mir Rath und Lehre In etwas, dran meine Ehre Und all mein Glücke gebunden ist.« Nun sagte sie alles, was ihr wißt, Weß sich da der Truchsäße Um diese That vermäße, Wie er Anspruch machte auf Isot Und dränge sehr auf des Herrn Gebot, Und wie er mit seiner Lüge Auf offnen Kampf antrüge, Ob Jemand über ihn käme, Der sich des Streits annähme. »Selige Fraue,« sprach Tristan, »Euch komme keine Sorge an: Ihr habt mir zweimal Leib und Leben Mit Gottes Hilfe wieder geben; Die sollen für Eure Rechte Zu diesem Kampf und Gefechte, Auch sonst in Nöthen willig sein, Dieweil sie blühen und gedeihn.« – »Gott lohne dir, lieber Freund Tantris, Deß bin ich gerne an dir gewiß Und will dir auch so viel gestehn: Wenn dieser Gräuel sollte geschehn, So sind wir Beide, ich und Isot, Immer mit lebendem Leibe todt.« – »Nein, Fraue, thut die Rede hin! Seit ich in Eurem Frieden bin Und meinen Leib und Gut und Hab An Eure Ehre verlassen hab Und daran sicher verbleiben soll, Traut Fraue, so gehabt Euch wohl. Helfet mir nur zum Leibe wieder, Ich lege es alles alleine nieder. Und sagt mir, Fraue, ist Euch's bekannt? Die Zunge, die man bei mir fand, Ließ man die, oder wohin kam die?« – »In Treuen, nein, die hab ich hie Mit allem, was du haben sollt: Meine schöne Tochter selbst, Isold, Und ich, wir brachten's alles her.« – »Das kommt uns recht,« sprach aber er: »Wohlan, glückselige Königin, Thut alle Sorgen und Aengsten hin Und helfet mir wieder zu Kraft und Macht, So ist es alles bald vollbracht.« Nun pflegten ihn die Beiden Ohn alles Unterscheiden, Die beiden Königinnen, Und was sie konnten ersinnen, Das ihm zu Heil und Frommen Am Leibe mochte kommen, Das war ihre meiste Unmüßigkeit. Inzwischen hatte großes Leid Sein Kiel und Kielgenossenschaft: Da waren viele so sorgenhaft, Daß sie wähnten ungediehn zu sein Und hoffte auch keiner zu gedeihn, Da sie in zweien Tagen Nichts von ihm hörten sagen. Auch hatten sie den Schall vernommen, Der von dem Drachen war ausgekommen; Und ward des Geredes viel getrieben, Ein Ritter wäre todt geblieben, Deß Roß noch läge zur Hälfte dort. Nun dachten die Seinen alsofort: Wer möchte das sein, als nur Tristan? Da ist fürwahr kein Zweifel dran: Denn hätt ihm's nicht der Tod benommen, Er wäre seither wiederkommen. Da fielen sie auf Einen Sinn Und sandten Kurvenalen hin, Daß er des Rosses nähme wahr. Das that er: Kurvenal ritt dar. Er fand und erkannte das Roß alsbald. Nun ritt er fürbaß durch den Wald: Den Drachen fand er auch zuhand; Und als er da nicht weiter fand Und nichts von seinen Dingen, An Gewande noch Panzerringen, Da kam ihn große Sorge an: »Ach«, rief er, »Herre mein, Tristan, Lebst du nun, oder bist du todt? O weh, o weh,« sprach er, »Isot, O weh, daß dein Lob und dein Nam Je hin zum Lande Kornwall kam! Daß deine Schöne und Edelkeit Zu solchem Schaden, zu solchem Leid Einem der edelsten Ritter ward, Der Speer gewann und Ritterart, Dem du gefielest allzu gut!« So kehrte er wieder nach der Fluth, Kam weinend aufs Schiff und klagend, Die Märe wieder sagend, Wie er sie hatte funden. Die Märe begann zur Stunden Gar Vielen zu mißfallen, Und aber doch nicht Allen: Es war die schwere Märe Nicht ihrer Aller Schwere, Kam Mancher nicht ins Weinen. Doch sah man auch mehr als Einen, Der da voll Reu und Trauer war, Und war auch deren die meiste Schaar. So war ihr Wille und ihr Muth, Der Einen übel, der Andern gut, Daß also der zwiespältige Kiel Gerieth in Reden und Raunen viel; Das ward getrieben früh und spat. Die zwanzig Barone von Marke's Rath, Die trauerten nicht von Herzensgrund, Daß es so sorglich um Tristan stund: Sie wähnten, das bringe sie wieder fort; Drum, daß man nicht harre sein im Port, Das baten sie alle insgemein, Die Zwanzig meine ich allein: Die riethen und wollten's gewinnen, Daß man Nachts fahre von hinnen. Doch Andre riethen anders dort, Man solle bleiben am selben Ort Und baß erforschen die Märe, Wie ihm's ergangen wäre. Also gab's da verschiednen Sinn: Die Einen, die wollten gerne hin, Die Andern, die blieben lieber da, Bis endlich ein Vergleich geschah, Da noch sein Tod zu dieser Stund Gewiß nicht sei noch offen kund, So wollten sie länger bleiben, Ihr Forschen und Fragen treiben Zum mindesten noch zween Tage. Das war der Barone Klage. Nun war der Tag auch angebrochen, Den man gen Weisefort gesprochen, Den Gurmun seinem Lande bot, Um seine Tochter, die Magd Isot, Und den Truchsäßen zu handeln da. Gurmuns Beisaßen fern und nah, Seine Mannen und Magen, Wie er, um Rath zu schlagen, Sie hatte zu seinem Tag befandt, Die waren alle da zur Hand. Die zog er zu Rathe Mann für Mann Und ging da jeden besonders an So stark und dringlich, wie Einer thut, Bei dem es um kein kleiner Gut Sich handelt als um seine Ehr. Zu dem Rath auch besandte er Sein liebes Weib, die Königin. Der mochte er tragen wohl lieben Sinn: Er sah an ihr, der Einen, Zwo herrliche Gaben scheinen, Die allerbesten, die der Mann An liebem Weibe finden kann: Schöne und Weisheit, die besaß Die edle Fraue in solchem Maß, Daß er ihr freundlich war und hold. Die gesegnete Königin Isold, Die schöne, weise, war auch am Ort. Ihr Freund, der König, nahm sie dort Vom Rathe mit sich und begann Beiseit: »Wie rathest du? sag an; Mir ist es wie der Tod so schwer.« – Sprach sie: »Gehabt Euch wohl vielmehr! Wir sind des Unheils ledig blieben, Ich hab es alles hintertrieben.« – »Wie? Herzensfraue, sag's auch mir, So freu ich mich des Glücks mit dir.« – »Unser Truchsäße, wie er da spricht, Seht, der erschlug den Drachen nicht, Und wer ihn schlug, den weiß ich wohl: Das bewähre ich, sobald ich soll. All Eure Angst, die leget nieder, Geht bald zu Eurem Rathe wieder, Sagt ihnen Allen und verkündet, So wie Ihr seht, hört und ergründet Des Truchsäßen Glaubhaftigkeit, So löset Ihr gerne Euren Eid, Der gegen dem Lande sei geschehn. Heißet sie Alle mit Euch gehn Und sitzet zu Gerichte. Nicht fürchtet Euch vor dem Wichte: Laßt den Truchsäßen klagen Und sagen, was er mag sagen; Und wird es dann um die Stunde sein, So trete ich und Isold herein: So gebietet mir's, so rede ich Für Euch, für Isolden und für mich. Bei diesem laßt es nun bestehn: Ich will nach meiner Tochter gehn Und bin bald wieder mit ihr hier.« – Nach ihrer Tochter ging sie schier. Der König kam zum Palaste wieder, Zu dem Gerichte saß er nieder Und mit ihm viel Barone, Des Landes Companione. Da war wohl schöne Ritterschaft, Von Rittern große Heereskraft: Die waren aber nicht so sehr Gekommen zu des Königs Ehr, Als daß sie wollten sehen, Was allda sollte geschehen In so landkundigem Falle: Das wunderte sie Alle. Die seligen Isolden zwo, Nun daß sie mit einander so Zu dem Palast eingingen, Die Herren, die empfingen Und grüßten sie alle hier und da. Dieweil daß solcher Empfang geschah, Ward viel gesprochen und gedacht, Gedanken und Reden fürgebracht Von ihrer Beider Vollkommenheit: Doch ward noch mehr, und das mit Leid, Von des Truchsäßen Glück gesagt, Denn von der Mutter und von der Magd. Da sprach und dachte die ganze Schaar: »Nun schauet Alle, nehmet wahr! Und wird nun dem heillosen Mann, Der nimmer Glück, noch Heil gewann, Die heilbegabte Magd zu Theil, So ist ihm ertaget all das Heil, Das ihm oder irgend einem Mann An einer Magd ertagen kann.« Nun waren sie am Thron erschienen. Der König, der stund auf vor ihnen: Lieblich setzte er sie zu sich. »Nun,« sprach der König, »Truchseß, sprich, Was ist deine Bitte und dein Begehr?« – »Viel gerne, Herr König,« sagte Der. »Herr, ich begehre und ich bitte, Daß Ihr dem Lande Königssitte Nicht übertreten wollt an mir. Wollt Ihr's bekennen, so sprachet Ihr Und gelobtet es auch, beide, Mit Rede und mit dem Eide, Daß, wenn ein Ritter den Serpant Erschlüge allein mit seiner Hand, Ihr gäbet ihm zum Solde Eure Tochter Isolde. Der Eid verdarb gar manchen Mann: Das sah aber ich gar wenig an, Dieweil ich minnete das Weib Und wagte also meinen Leib Viel fährlicher, denn je ein Mann, Bis ich zuletzt den Sieg gewann Und kecklich diesen Drachen schlug. Wofern es hiemit ist genug, Da liegt das Haupt, seht selber an, Das ich als Urkund weisen kann. Nun löset, wozu Ihr verpflichtet seid: Ein Königswort, ein Königseid, Die sollen wahr und bewähret sein.« »Truchsäße,« fiel die Königin ein, »Wenn Einer also reichen Sold, Wie meine Tochter ist, Isold, Ohne Verdienst begehren will, In Treuen, das ist allzu viel.« – »Ei,« sprach der Truchseß, nicht gar froh: »Fraue, Ihr thut übel, wie redet Ihr so? Mein Herre, der es enden soll, Der kann doch selber sprechen wohl: Der spreche und antworte mir.« – Der König sprach: »Fraue, sprechet Ihr Für Euch, für Isolden und für mich.« – »In Gnaden, Herre, das thu ich.« – Da sprach sie mit scharfem Sinne: »Truchsäße, deine Minne, Die ist lauter und die ist gut, Und hast auch also mannlichen Muth: Du bist wohl gutes Weibes werth. Wer aber so hohen Lohn begehrt, Den er doch nicht verdienet hat, Traun, der thut eine Missethat. Das bist du, der dir selber leiht Eine That und eine Mannhaftigkeit, Daran du gar unschuldig bist, Wie es mir zugeraunet ist.« – »Fraue, Ihr redet, ich weiß nicht wie: So hab ich doch mein Wahrzeichen hie.« – »Du hast ein Haupt davongebracht: Das hätte ein Andrer auch erdacht, Wär ihm das gut erschienen, Isolden zu verdienen. Doch sie ist nicht zu erringen Mit also kleinen Dingen.« – »Nein, wahrlich,« sprach die junge Isot, »Um eine also geringe Noth Ich nimmer feil, noch zu haben bin.« »Ahi, Frau junge Königin,« Sprach der Truchseß, noch minder froh, »Daß Ihr in diesen Sachen so Hohn sprechen mögt mit argem Mund Der Noth, die ich zu mancher Stund Durch Eure Minne hab genommen, Das soll mir noch zu Statten kommen!« – »Ihr mögt mich minnen,« sprach Isold: »Ich war Euch nie getreu, noch hold, Und will's auch wahrlich nimmer sein.« – »Ja,« sprach der Andre, »das seh ich ein: Ihr thut da gänzlich wie ein Weib; Ihr seid ja Alle so von Leib, Seid so von Art und so von Muth: Euch dünket stets das Arge gut, Das Gute dünkt euch dawider arg: Die Art ist an euch Allen stark. Ihr seid verkehrt auf alle Weis: Euch sind die Dummen alle weis, Euch sind die Weisen alle dumm. Ihr machet aus dem Graden Krumm Und aus dem Krummen wieder Grad: Ihr habet allen verkehrten Rath An euer Seil gefasset: Ihr minnet, was euch hasset, Und hasset, was euch minnet. Wie seid ihr so gesinnet, Wie minnet ihr so sehr und viel Der Dinge stetes Widerspiel, Daß euch's an solchem nie gebricht! Wer euch da will, den wollt ihr nicht, Wer euch nicht will, den wollt ihr gar. Ihr seid das tollste Spiel fürwahr, Das Jemand auf dem Brette kann. Der ist ein sinnenloser Mann, Der ohne Bürgen für ein Weib Jemals zu Markte trägt den Leib. Doch sei das nicht ob dem geklagt, Was Ihr oder meine Fraue sagt; Da hoff ich anderen Bescheid, Außer man breche mir den Eid.« Und aber sprach die Königin: »Truchsäße, du hast wohl feinen Sinn, Der ist so scharf und spitzig; Wer dich da sieht so witzig, Dem dünket gleich von deinem Sinn, Er sei wohl in der Kammer drin In der Frauen Heimlichkeit erdacht. Dazu hast du ihn fürgebracht, Recht wie ein Frauenritter soll. Du weißt der Frauen Art zu wohl, Du bist darin zu weit gekommen: Das hat dir Mannes Art benommen. Du minnest auch zu sehr und viel Das Gegentheil und Widerspiel, Und dünkt mich, dir sei auch wohl dabei. Du hast der Frauen Narrethei Sehr an dein Seil gefasset: Du minnest, was dich hasset, Und willst, was dich nicht haben will. Dies ist doch unser Frauenspiel: Was maßest du dir solches an? So dir Gott, du bist doch ein Mann: So laß uns unsre Frauenart, Du bist nicht wohl damit bewahrt. Bleib du als Mann gesinnet Und minne, was dich minnet, Begehr, was dein begehret: Dies Spiel ist unverkehret. Du sagst uns da und grollest, Daß du Isolden wollest, Sie aber wolle dich nicht. Du Thor, Das ist ihre Art: wer kann davor? Sie läßt der Dinge viel hingehn, Die ihr leicht würden zu Willen stehn. Ihr ist gar Mancher unbegehrt, Dem sie doch wäre lieb und werth, Darunter du der Erste bist. Dasselbe ihr angeartet ist: Denn sieh, ich war dir auch niemals hold. Ich weiß wohl, also thut auch Isold: Es ist ihr angeerbt von mir. Du vergeudest der Minne viel bei ihr. Die schöne Magd, das edle Blut, Wäre ein zu gemeines Gut, Wenn sie Jedweden sollte Gleich wollen, der sie wollte. Doch was du sprichst von dem Bescheid, Da wird mein Herre seinen Eid Viel gerne an dir bewähren. Sieh, daß du deiner Mären Und deiner Rede so mögest pflegen, Daß du nichts lassest unterwegen. Verfolge deine Sachen. Ich höre von dem Drachen, Ihn habe ein andrer Mann erschlagen: Sieh, was du dazu wollest sagen.« – »Wer wäre der?« – »Ich weiß ihn wohl Und will ihn bringen, sobald ich soll.« – »Fraue, und wer der Mann auch ist, Der solcher Märe sich vermißt Und mich von meinen Ehren Mit Falschheit wähnt zu kehren, – Wird mir das Recht gegeben, So sei mein Leib und Leben Gewaget an das Kampfgericht, Wie mir der Hof das Urtheil spricht, Stirn wider Stirn, Hand wider Hand, Eh daß ich weiche von meinem Stand.« »Dies gelob ich,« sprach die Königin, »Und auch desselben Bürge bin, Daß ich dir leiste die Gewähr Und bring ihn dir zum Kampfe her Von heute bis auf den dritten Tag, Da ich's zur Stunde nicht kann, noch mag, Denselben, der den Drachen schlug.« – Der König sprach: »Es ist genug.« – Auch sprachen die Herren insgemein: »Truchsäße, deß sollt du zufrieden sein, Dies ist ein Verzug von kurzer Zeit; Geh dar, bestätige den Streit, Und meine Fraue mög auch so thun.« – Der König nahm von den Beiden nun Treue und sichere Geiselschaft, Daß dieser Kampf entscheidungshaft Am dritten Tage wäre. Damit zerging die Märe. Der Splitter Der Splitter. Die Frauen gingen beide hin Und nahmen ihren Spielmann drin In Beider Fleiß und Pflege. Ihr Fleiß war allewege Mit viel süßer Bedächtigkeit Zu keinem andern Ding bereit, Als was ihm Hilfe zu tragen schien. Auch war er jetzo wohl gediehn, Von Farbe schön, am Leibe licht. Nun nahm ihn Isot oft zu Gesicht Und nahm sein über die Maßen gar Am Aussehn und am Leibe wahr: Sie ließ die Augen oft ungesehn Ihm über Hände und Antlitz gehn, Sah auf die Arme und Beine, Die zeigten mit offnem Scheine, Was er verbarg mit heimlichem Sinn. Sie spähte von oben bis unten hin, Was die Magd am Manne spähen soll, Und gefiel ihr alles an ihm wohl Und lobt' es in ihrem Muthe. Nun daß die Schöne, Gute Sein Wesen und Gestalt so reich Und seine Sitten so herrengleich Besonders erspähte und ersah, Gar heimlich sprach ihr Herze da: »Gott Herre mit deiner Wunderkraft, Ist irgend etwas mangelhaft, Das du je thust und thatest, Wie du uns schaffst und berathest, So ist ein Mangel fürwahr hieran, Daß dieser fürstengleiche Mann, Den du mit solcher Herrlichkeit Am Leibe hast gebenedeit, Daß der mit Irren und Wandern Von einem Reich zum andern Sich seine Nothdurft suchen soll. Ja, sollte billig Dem und wohl Eine Herrschaft dienen oder ein Land, Um den es also ist bewandt. Wunderlich steht es in der Welt, Wo so manch Reich ist schlecht bestellt Und ist besetzt mit schwacher Art, Daß ihm nicht deren eines ward. Eine sogestalte Jugend, Geziert mit solcher Tugend, Die sollte haben Gut und Ehr. An ihm ist mißgethan gar sehr. Gott Herre, du hast ihm das Leben Dem Leib ungleich gegeben.« – So redete sie oft, die Magd. Nun hatte ihre Mutter auch gesagt Dem König von des Kaufmanns Ding, Wie es von Anfang her erging, Wie ihr selbst habt vernommen, Daß alles war gekommen, Und wie er nichts begehre, Als daß man ihm gewähre So mehr Frieden nach dieser That, Wenn er mit Kauf und Handelsrath Nach diesem Lande reise. Das hatte sie ihm leise Von Anfang bis zu End gesagt. Inzwischen hieß ihm auch die Magd Ihren Knappen Paraneisen Sein Geräthe und sein Eisen Weiß und glänzend machen, Nach allen seinen Sachen Wohl und mit Fleiße sehen. Nun, dies war alles geschehen, War schön und wohl bereitet Und über einander gespreitet. Nun ging die Schöne heimlich dar Und nahm es alles besonders wahr. Nun aber widerfuhr's Isot, Wie ihr Unstern wollte und gebot, Daß sie aber ihre Herzensqual Zum andern wie zum ersten Mal Vor den Andern allen fand. Ihr Herze, das war dargewandt, Ihr Auge trug sich immer dar, Wo seine Rüstung gespreitet war; Und weiß nicht, wie sie dazu kam, Daß sie das Schwert zu Handen nahm, Wie eben die Mägdlein und die Kind Gelüstig und verlangend sind Und, weiß Gott, auch so mancher Mann. Sie zog es aus und sah es an Und beschaute es hie und da, Bis sie den Gebresten dran ersah. Auf die unselige Scharte Sie lange und sehr hinstarrte Und gedachte in ihrem Muthe: »So mir Gott der gute, Der Gebresten, wähne ich, ist bei mir, Der stehen sollte im Schwerte hier, Und zwar will ich es nehmen wahr.« – Sie brachte ihn und setzte ihn dar: Nun fügte sich die Lücke Und das verwünschte Stücke Zusammen ohne Schwere, Als ob es Ein Ding wäre, Wie sie auch gewesen waren Innerhalb zweien Jahren. Da begann ihr Herz zu erkalten Um ihren Schaden, den alten. Ihre Farbe, die ward beide, Von Zorn und auch von Leide Todtbleich und wieder feuerroth: »Ach,« sprach sie, »jammervolle Isot! O weh mir und o Waffen! Wer hat dies leide Gewaffen Von Kornwall hergetragen? Das hat meinen Ohm erschlagen. Und der ihn schlug, der hieß Tristan. Wer gab es diesem Harfenmann? Der heißt ja Tantris. Tantris? Ja!« Die beiden Namen begann sie da Im Herzen zu betrachten, Auf beider Laut zu achten. »Ah, Herre,« sprach sie da zu sich, »Diese Namen, die beschweren mich; Ich weiß nicht, was soll es mit ihnen sein, Sie lauten nahe überein. Tantris,« sprach sie, »dazu Tristan: Da ist fürwahr ein Geheimniß dran.« Nun sie bei den Namen stehen blieb, Im Munde sie hin und wider trieb, Da fiel sie auf die Buchstaben, Die beide gebildet haben: Und fand in diesem allzuhand Dieselben, die sie in jenem fand. Nun begann sie in beiden Die Silben abzuscheiden, Die wechselte sie mit Acht und Fleiß Und kam recht auf des Namens Gleis. Was sie suchte, das fand sie dran: Für sich so sagte sie »Tristan,« Herwieder so sagte sie »Tantris.« Hiemit war sie des Namens gewiß. »Ja, ja,« sprach aber die Schöne, »ja! So steht es um diese Mären da? Diese Falschheit und diesen Trug Verrieth mein Herze mir laut genug. Wie ward mir alles geoffenbart, Seit ich sein näher achtend ward, Seit ich an ihm Leib und Gestalt, Sein Thun und Lassen mannigfalt So fleißig ersah und befand dabei, Daß er von Geburt ein Herre sei! Wer hätte auch dies gethan, als er, Daß er von Kornewall daher Sich seinen tödtlichsten Feinden bot Und zwier errettet ward vom Tod. Vom Tod? Er ist nun viel ungenesen: Dies Schwert, das muß sein Ende wesen. Nun eile, räch dein Leid, Isot! Liegt er von diesem Schwerte todt, Damit er deinen Oheim schlug, So ist der Rache voll genug.« Sie nahm das Schwert zu Handen. Nun ging sie über Tristanden, Da er in einem Bade saß. »Ja,« sprach sie, »Tristan, bist du das?« – »Nein, Fraue, ich bin es, Tantris.« – »So bist du, deß bin ich gewiß, Beides, so Tantris als Tristan: Die Zween, die sind ein verlorner Mann: Was von Tristanden mir geschehn, Das muß jetzt auf Tantrisen gehn: Mein Ohm soll dir vergolten sein.« – »Nein, süßeste Jungfraue, nein! Um Gotteswillen, was thut Ihr? Eures Namens gedenkt an mir! Ihr seid eine Fraue und eine Magd: Wo man die Mordthat von Euch sagt, Da ist die wonnereiche Isot Ewiglich an den Ehren todt. Die Sonne, die von Irland scheint, Die manches Herze minnt und meint, Ah, die hat dann ein Ende. O weh der lichten Hände! Wie ziemet sich das Schwert darin!« Inzwischen trat die Königin, Ihre Mutter, zu den Thüren ein: »Wie nun?« sprach sie, »was soll dies sein? Tochter, was zeigst du damit an? Wie, hast du deinen Sinn verthan? Sind's schöne Frauensitten, das? Und ist es Ernst, oder ist es Spaß? Dies Schwert in deiner Hand, was soll's?« – »Ach, Fraue Mutter, unsres Grolls, Des alten Jammers mahn ich dich! Dies ist der Mörder, der uns beschlich, Tristan, der deinen Bruder schlug. Nun haben wir Macht und Statt genug, Daß wir uns an ihm rächen, Dies Schwert in sein Herze stechen: Es kommt uns Beiden so gut nicht mehr.« – »Tristan? wie weißt du das? woher?« – »Ich weiß es wohl, es ist Tristan. Dies Schwert ist sein, nun sieh es an: Die Scharte sieh, den Splitter dabei, Und merke alsdann, ob er's sei. Ich setzte, weh, dies Splitterlein Dieser unseligen Scharten ein: Da fügte es mit der Lücke Sich recht wie zu Einem Stücke.« »Ach,« sprach die Mutter, »welche Noth! Weß hast du mich gemahnt, Isot! Weh, daß ich mein Leben je gewann! Und ist er Tristan, dieser Mann, Wie bin ich da betrogen!« – Nun schwang auch Isold im Bogen Das Schwert und trat hin über ihn. Ihre Mutter kehrte zu ihr hin: »Laß ab, Isot,« sprach sie, »laß ab! Weißt nicht, was ich geschworen hab?« – »Was kümmert's mich! es ist sein Tod.« – Tristan sprach: »Merzi, bele Isot!« – »Ih, übler Mann,« sprach Isolde, »ih! Frecher, und forderst du Merzi? Merzi gehöret nicht zu dir, Dein Leben, das mußt du lassen mir.« – »Nein, Tochter,« sprach die Königin, »Leider steht's nicht nach unsrem Sinn, Daß wir uns mögen rächen, Außer wir wollten brechen So unsre Treu als unsre Ehr. Uebereile dich nicht zu sehr: Der Mann hier ist in meiner Hut, Mit Leib und Leben, mit Hab und Gut. Ich hab ihn, wie es auch sei gekommen, Gänzlich in meinen Schutz genommen.« – »Gnade, Fraue,« sprach Tristan: »Fraue, gedenket wohl daran, Daß ich Euch Gut und Leib und Leben An Eure Ehre hab ergeben Und Ihr mich empfingt auf solches hin.« – »Du leugst,« sprach die junge Königin: »Ich weiß wohl, wie es gesprochen ist: Sie gelobte Tristanden zu keiner Frist Ihren Frieden und ihre Hut Weder am Leben, noch auch am Gut.« Hiemit so lief sie ihn aber an, Und aber und aber rief Tristan: »Ah, bele Isot, Merzi, Merzi!« – Auch trat die Mutter zwischen sie, Die Königin so treu und rein: Er mochte sonder Sorgen sein. Und wäre er zu der Stunden Auch in das Bad gebunden Und bloß Isolde da gewesen, Er wäre doch vor ihr genesen. Die süße Magd, die gute, Die nie zu Weibes Muthe Herbe, noch Herzensgalle gewann, Wie konnte die schlagen einen Mann? Nur daß sie aber beide, Von Zorn und auch von Leide, Hatte solche Gebärden, Als wollte sie ihn gefährden; Und hätt es auch gethan im Nu, Hätte sie das Herz gehabt dazu; Das war ihr aber theuer Zu so herbem Abenteuer. Doch war ihr Herze nicht so gut, Daß sie nicht hatte schlimmen Muth, Als sie den hörte und ward gewahr, Von dem ihr Leid geschehen war. Sie hörte den Feind, sie mußt ihn sehn Und konnt ihm doch nicht zu Leibe gehn; Die süße Weiblichkeit zu ihr trat Und zog sie weg von solcher That. In ihr bekämpften härtiglich Die beiden Widerspiele sich, Zwei Dinge, die da sind im Streit: Der Zorn und die milde Weiblichkeit, Die übel zusammen leben, Wo sie die Hand sich geben. War nun der Schönen Zorn erwacht Und hätte den Feind gern umgebracht, So trat die Weiblichkeit herein: »Nein,« sprach sie süße, »laß es sein!« So war ihr Herze zwiegemuth, Das Eine Herz war bös und gut. Die Schöne warf das Schwert darnieder Und nahm es aber alsbald wieder: Sie wußte nicht in ihrem Muth, Zwischen Uebel und zwischen Gut Was sie erwählen sollte: Sie wollte und widerwollte, Sie wollte thun und lassen Und ließ sich vom Zweifel fassen, Bis doch die süße Weiblichkeit Dem Zorne abgewann den Streit, So daß der Feind entging dem Schlag Und Morold ungerochen lag. Hiemit warf sie das Schwert von ihr, Weinend sprach sie: »O wehe mir, Daß ich den Tag jemals ersah!« – Sprach ihre Mutter, die Weise, da: »Liebe Herzenstochter mein, Die großen Herzensschmerzen dein Sind wahrlich und leider doch für mich Größer und schwerer, denn für dich. Durch Gottes Gnade gehn sie dir So nahe nimmermehr, wie mir. Mein Bruder, leider, der ist todt: Das war bisher meine größte Noth. Noch fürchte ich eine Noth von dir: In Treuen, Tochter, und die geht mir Viel näher und nimmt mir alle Ruh: Mir ward so Liebes nichts, wie du: Eh mir an dir geschehe, Was ich ungerne sähe, Eh will ich lassen diesen Haß: Ich mag doch sanfter und mag baß Erleiden Eine Noth, denn zwo. Mein Ding, das steht mir nunmehr so Mit diesem unheilvollen Wicht, Der uns da fordert zum Kampfgericht: Wenn wir nicht eifrig sehn dazu, Dein Vater der König, ich und du, So sind wir jetzt und immerdar Alle Drei unsrer Ehre bar Und werden nimmer fröhlich sein. Jener im Bade, der sprach darein: Selige Frauen beide, Ich hab euch wohl viel zu Leide, Und aber mit großer Noth, gethan. Seht ihr es, wie ihr doch müsset, an, So wisset ihr wohl, daß diese Noth Nichts andres war als der bittre Tod. Den leidet ungern Jedermann, So lang er sich erwehren kann. Doch, wie das auch ergangen ist, Darauf, wie es zu dieser Frist Mit dem Truchsäßen sich verhält, Sei euer ganzer Sinn gestellt. Dem will ich ein gut Ende geben, Das heißt, wenn ihr mich lasset leben Und mich nicht hindert dran der Tod. Fraue Isot und aber Isot, Ich weiß wohl, daß ihr allezeit Verständig, getreu und vollkommen seid Und könnt wohl unterscheiden: Könnt ich es mit euch Beiden Auf eine Sühne wagen, Und wolltet ihr euch entschlagen Uebler Gebärde gegen mir Und auch des Hasses, welchen ihr Tristanden lange habt getragen, Ich wollt euch gute Mären sagen.« Isoldens Mutter, Frau Isot, Sah ihn lang an und wurde roth; Ihre lichten Augen wurden voll; »O weh,« sprach sie, »nun höre ich wohl Und weiß für wahr, daß Ihr es seid. Ich zweifelte bis auf diese Zeit. Nun habt Ihr aber ungefragt Mir die Wahrheit herausgesagt. O weh, o weh, mein Herr Tristan, Daß ich Euer je Gewalt gewann, So gute, als zu dieser Stund, Und stehe doch nicht auf so festem Grund, Daß ich sie üben könnte so, Damit ich ihrer würde froh! Gewalt ist aber so mannigfalt: Ich wähne, ich mag wohl diese Gewalt An meinem Todfeind üben Und in so ferne trüben Das Recht an einem üblen Mann. Ja Herre, will ich also dran? Ja, meiner Treu, ich wähne.« Inmittelst kam Brangäne, Die stattliche, die weise, Lächelnd dort und leise, Schön und wohl aufgestrichen, Zur Thür herein geschlichen, Sah das Schwert ohne Scheide, Verstört die Frauen beide: »Wie nun?« sprach die Gefüge drein, »Was sollen das für Gebärden sein? Was treibt ihr Drei für Märe hie? Diese Fauenaugen, warum sind die Also trübe und also naß? Dies Schwert am Boden, was deutet das?« – Die gute Königin, die sprach: »Brangäne, Herzensniftel, ach! Sieh, wie wir Alle sind betrogen Und für die Nachtigall erzogen Blindlings die Schlange haben Und vorgemalen dem Raben Kernen, der sollte der Taube sein! Wie haben wir, o Herre mein, Den Todfeind für den Freund ernährt, Zwier vor dem übeln Tod erwehrt Mit unsern eignen Handen, Ach, unsern Feind Tristanden! Da sitzt er, sieh, das ist Tristan. Nun hab ich einen Zweifel dran: Soll ich mich rächen? Sage du, Niftel, was rathest du dazu?« »Nein, Fraue, thut die Rede hin! Euer gesegneter Muth und Sinn, Der ist zu solchem viel zu gut, Daß Ihr je solltet einen Muth Zu solcher That gewinnen Und handeln so ohne Sinnen, Daß Ihr auf Morden und Schlachten Je stellet Euer Trachten, Und noch dazu an einem Mann, Deß Ihr Euch habt genommen an Mit Eurem Frieden und Eurer Hut. Es war Euch ernstlich nie zu Muth, Wie ich zu Gott wohl hoffen mag. Und denket auch an den Vertrag, Dran Eure Hoffnung, sehr bedrängt, Und Eure ganze Ehre hängt. Wollet Ihr Eure Ehre geben, Zu nehmen eines Feindes Leben?« – »Was willst du aber, daß ich thu?« – »Fraue, da sehet selber zu: Geht hin und laßt ihn gleichfalls gehn; Derweil mögt Ihr zu Rathe stehn, Was Euch wohl das Genehmste sei.« Hiemit so gingen sie alle Drei Zum Rathschlag in ihr Fraungemach. Isold, die sinnenreiche, sprach: »Seht,« sprach sie, »ihr Beide, saget an, Was mag er meinen, dieser Mann? Er sagte zu uns Beiden das: Würden wir lassen diesen Haß, Den wir ihm haben so lang getragen, Wollt er uns gute Mären sagen. Was mag dies sein? das wundert mich.« – Brangäne sprach: »Da rathe ich, Daß ihm ja Niemand komme für Mit irgend einer Ungebühr, Bis wir befinden seinen Muth. Sein Muth und Sinn ist leichtlich gut Und dient zu euren Ehren. Man muß den Mantel kehren, Wie je die Winde sind gewandt. Vielleicht daß er gen Irenland Euch Beiden zu Ehren kommen ist. So hütet sein zu dieser Frist Und lobet auch von Herzen Gott, Daß dieser ungefüge Spott Und des Truchsäßen falsches Spiel Durch ihn soll kommen zu seinem Ziel. Gott hat recht über uns gewacht Und unser Suchen wohl bedacht; Denn hätten wir ihn zur Stunden Nicht alsobald gefunden, Weiß Gott, so wäre er jetzo todt. Wisse Christ, Jungfraue Isot, Dann könnte es ja nicht ärger stehn! Laßt keine Ungebärde sehn; Denn wird er etwas innen Und mag er dann entrinnen, So hat er recht, daß er das thu. Darum so sehet Beide zu Und bietet es ihm also wohl, Wie man mit allem Rechte soll. Das rathe ich euch, da folget mir: Tristan ist edel, gleich wie ihr, Ist höfisch und ist weise, Vollkommen auf alle Weise. Wie es euch auch zu Muthe sei, Gesellt euch ihm doch höfisch bei. Fürwahr, weß er auch sei bedacht, Ihn hat ein Ernst hieher gebracht. Sein Werben und sein Ringen, Das steht nach ernstlichen Dingen.« Da stunden sie auf und gingen fort Und kamen hin, da Tristan dort Heimlich an seinem Bette saß. Tristan sein selber nicht vergaß: Er fuhr empor mit schnellem Sinn Und fiel vor ihnen Allen hin Und lag den Höf'schen, Süßen Flehentlich zu den Füßen Und sprach bei seinem Falle: »Gnade, ihr Süßen alle! Habet Gnade gegen mich, Laßt mich genießen den Dienst, daß ich Zu eurer Ehre und eurem Frommen Her bin in euer Reich gekommen.« – Die lichte Frauenreihe, Die lichten alle Dreie Kehrten die Augen von dem Mann Und sahen alle einander an. Sie stunden, und er lag alldort. »Fraue!« – Brangäne sprach das Wort – »Der Ritter liegt zu lange.« – Die Königin, die sprach bange: »Was willt du nun, daß ich ihm thu? Mein Herze steht mir nicht dazu, Daß ich mit ihm zur Freundschaft komme: Ich weiß nicht, was ich thu, das fromme.« – Brangäne sprach aber da zu ihr: »Nun, liebe Fraue, folget mir, Ihr und meine Jungfraue Isot: Ich weiß, es ist wahr wie der Tod, Daß ihr in euren Sinnen Ihn mögt ungerne minnen Vor eurem alten Leide. So gelobet ihm das doch Beide, Daß er des Leibes sicher sei. Es mag leicht sein, daß er dabei Zu seinem Frommen etwas sagt.« – Die Frauen sprachen: »Das sei gewagt.« – Hiemit gebot sie ihm aufzustehn. Nun dies Gelübde war geschehn, So saßen sie Alle nieder. Tristan begann da wieder: »Seht,« sprach er, »Fraue Königin, Und tragt Ihr mir nun holden Sinn, So sollt Ihr das genießen, Noch eh zween Tage verfließen, Und zwar ohn argen Trug und List: Eure Tochter, die Euer Liebstes ist, Soll einen König haben zum Mann, Der ihr wohl steht zum Herren an; Denn er ist schön und milde, Zum Speere und zum Schilde Ein Ritter edel und auserkorn, Von altem Königsstamm geborn, Und ist zu diesem allem, wißt, Viel reicher, denn ihr Vater ist.« »In Treuen,« fiel die Königin ein, »Möcht ich der Rede sicher sein, Ich folgete und ich thäte, Was mich da Jemand bäte.« – »Fraue,« sprach Tristan da zu ihr, »Ich will Euch vergewissern schier. Bewähr ich's Euch nicht an der Stund, Da diese Sühne hat festen Grund, So laßt mich aus dem Frieden sein Und laßt mich nimmermehr gedeihn.« – Die Weise sprach: »Brangäne, sprich, Wie rathest du, was dünket dich?« – »Mich dünket seine Rede gut Und rathe auch, daß Ihr es thut. Leget allen Zweifel hin Und steht auf Beide und küsset ihn. Ist auch keine Königskrone mein, Doch will ich mit in der Sühne sein: Er war mein Mage, wie arm ich sei.« – So küßten sie ihn da, alle Drei; Doch geschah es von der Jungen Mit langen Weigerungen. Nun diese Sühne geschah alldort, Sprach Tristan zu den Frauen fort: »Nun, das weiß Gott der gute, Ich ward in meinem Muthe So froh nie, als ich jetzo bin: Ich habe stets nach den Sorgen hin Gespähet und gesehen, Die mir möchten entstehen, Daß ich darauf gefaßt sein soll. Jetzt braucht es nicht, jetzt weiß ich wohl, Daß ich in euren Hulden bin. Nun leget alle Sorgen hin: Ich bin euch zu Ehren und zu Frommen Von Kornewall gen Irland kommen. Seit jener meiner ersten Fahrt, Da ich allhie geheilet ward, Seit sprach ich allestund mit Fleiß Zu eurer Ehre und eurem Preis Meinem Herren, dem König Mark, Bis ich mit Zuspruch also stark Euch seinen Sinn zuwandte, Daß er zuletzt entbrannte. Doch ging es schwer, und wißt, um was: Beides, er fürchtete den Haß Und wollte auch von wegen mein Ehlichen Weibes ohne sein, Daß ich nach seinem Sterben Seine Lande sollte erben. Doch brachte ich ihn hievon ab, Bis er mir endlich Folge gab. So kamen wir Zween unter uns Zwein Ob dieser Reise überein: Darum kam ich gen Irenland, Darum erschlug ich den Serpant; Und habt auch eure Mühe ihr Glückselig angewandt an mir; Und meine Jungfraue soll alsohin Fraue werden und Königin Zu Kornwall und zu Engelland. Nun ist euch mein Geschäft bekannt: Gesegnete schöne Masseney, Gesegnete Schönen alle drei, Nun laßt es auch verholen sein.« – »Nun sagt mir,« fiel die Königin ein, »Wenn ich's meinem Herren sage Und eine Sühne vertrage, Mißthu ich etwa nicht daran?« – »Nein, selige Fraue,« sprach Tristan: »Er soll's mit Rechte wissen. So seid nun Ihr beflissen, Daß mir kein Schade davon geschicht.« – »Nein, Herre, fürchtet Euch ferner nicht, Denn mit den Sorgen ist's vorbei.« Die Frauen gingen alle drei In ihr Gemach jetzunder, Betrachteten mit Wunder Sein Glück und sein Gelingen In allen seinen Dingen. Von seiner Weisheit jede Erhub da ihre Rede, Die Mutter erst, Brangäne dann: »Sieh, Mutter,« hub die Tochter an, »Wie ich so wunderlich befand, Daß Tristan ist dieser Gast genannt: Da ich dem Schwert auf die Fährte kam, Alsbald ich da zu Handen nahm Die Namen Tantris und Tristan, Zu treiben und wenden sie begann, Und bedünkte mich an den zwein, Sie hätten irgendwas gemein. Da begann ich zu trachten Und fleißiglich zu achten Und fand an den Buchstaben, Die man muß zu den Namen haben, Daß einer wie der andre war; Denn las ich her oder las ich dar, So fand ich nie was andres dran, Als Tantris nun, und nun Tristan, Und waren Ein Wort beide. Nun, Mutter, sieh, nun scheide Den Namen, den du kennst, Tantris, In ein Tan und in ein Tris, Das Tris, das setze vor das Tan, Siehe, so spricht dein Mund Tristan, Das Tan sprich wieder vor dem Tris, So spricht aber dein Mund Tantris.« – Da segnete die Mutter sich: »Gott, sprach sie, der gesegne mich! Von wannen kam dir je der Sinn?« Nun sandte aber die Königin, Nachdem die Dreie von Tristan Unter sich manche Rede gethan, Nach dem Könige: der kam dar. »Seht, Herre,« sprach sie, »nehmet wahr: Ihr sollt uns eine Bitte gewähren, Die wir Drei ernstlich an Euch begehren; Thut Ihr's, so kommt's uns Allen wohl.« – »Ich folge, worin ich Euch folgen soll: Was Ihr begehrt, das sei vollbracht.« – »So stellt Ihr's denn in meine Macht?« Sprach aber die gute Königin. – »Ja, es geschehe nach Eurem Sinn.« – »Dank, Herre, damit ist es genug; Herre, der meinen Bruder schlug, Tristanden hab ich drinne: Den sollt Ihr Eure Minne Und lassen Eure Huld empfahn; Sein Gewerbe, das ist so gethan, Daß guten Fug die Sühne hat.« – »Traun,« sprach der König, »diesen Rath, Den lege ich getrost auf dich: Er geht dich näher an denn mich. Morold, dein Bruder, der war dir Im Blute näher gesippt, als mir. Willt du, daß das vergessen sei, Wohlan, so bin auch ich dabei.« – Nun sagte sie ihm alsofort Tristandens Märe Wort für Wort, Wie er ihr selber sagte. Die Märe, die behagte Dem Könige wohl, und sprach ihr zu: »Nun sieh, daß er's mit Treuen thu.« Da sandte die weise Königin Brangänen nach Tristanden hin; Und als er eintrat, ließ er sich Vor dem König nieder züchtiglich: »Gnade, Herr König,« sagte er. – »Steht auf, Herr Tristan, und geht her,« Sagte Gurmun, »und küsset mich. Mit schwerem Herzen verzichte ich, Jedoch verzicht ich auf diesen Span, Seit ihn die Frauen haben verthan.« – »Herre,« fiel aber Tristan ein, »In dieser Sühne soll auch mit sein Mein Herr sammt Kornwall und Engelland?« – »Ja, Herre,« sprach Gurmun allzuhand. – Nun diese Sühne zu Ende kam, Die Königin Tristanden nahm Und satzt ihn zu ihrer Tochter nieder Und bat ihn auch die Märe wieder Ihrem Herrn von Anbeginn zu sagen, Wie es sich hätte zugetragen Mit allen diesen Sachen, Vom Kampfe mit dem Drachen Und Marke's, seines Herrn, Begehr: Das sagte er ihm von Anfang her. Der König sprach aber: »Herr Tristan, Nun wie bewahr ich mich hieran, Daß ich der Rede versichert sei?« – »Wohl, Herre! Ich habe nahebei Meines Herren Fürsten alle: Verlangt, was Euch gefalle, Zur Sicherheit: Euch geht nichts ab, Dieweil ich ihrer einen hab.« So schied Gurmun von hinnen, Und beide Königinnen Verblieben mit ihrem Gaste drin. Tristan nahm Paraneisen hin: »Geselle,« sprach er, »geh zum Port; Es steht ein Kiel im Hafen dort, Dahin geh heimlich und geschwind Und frage, wer von dem Gesind Der Kurvenal genennet sei. Demselben bringe heimlich bei, Er solle zu seinem Herren gehn; Laß Keinen die Märe sonst verstehn, So höfisch du bist! und bring ihn leis.« – Nun, Herre, das that Paraneis. Er brachte ihn so leise dar, Daß Niemand seiner ward gewahr. Nun sie zur Kemenaten Ein für die Frauen traten, Da neigte sich ihm die Königin, Doch weiter Niemand sonst darin. Sie nahmen darum sein nicht wahr: Er kam nicht als ein Ritter dar. Nun Kurvenal Tristanden Den Frauen unter Handen Also gesund und fröhlich sah, In der Zunge von Frankreich sprach er da: »A, bea duz Sir, Um Gottes willen, was thut Ihr, Daß Ihr in Freud und Herrlichkeit In diesem Himmelreich die Zeit Also hinbringt verborgen Und laßt uns in den Sorgen? Wir wähnten uns verloren: Bis jetzo hätt ich geschworen, Daß Ihr nicht lebend wäret. Wie habt Ihr uns beschweret! Euer Kiel und Eure Leute, Die schwuren wohl noch heute Und halten dafür, Ihr seiet todt; Und sind auch nur mit großer Noth Geblieben bis zu dieser Nacht Und hatten aber schon ausgemacht, Sie wollten heute Nacht dahin.« – »Nein,« sprach die gute Königin, »Er lebet fröhlich und gesund.« – Und Tristan, der begann zur Stund Brittisch zu reden wider ihn: »Kurvenal,« sprach er, »geh balde hin Und sage drunten, mein Ding steh wohl, Und daß ich es alles enden soll, Darnach man uns hat ausgesandt.« – Hiemit so gab er ihm allzuhand Fleißig und aus dem Grunde Von seinem Glück die Kunde. Nun daß ihm kund und offenbar Seine Noth und sein Gelingen war, »Nun,« sprach Tristan, »geh bald darnieder, Sag meinen Landesherren wieder Und auch der Ritterschaft dazu, Daß ihrer Jeder morgen fruh Mit seinen Dingen sei bereit, Schön aufgestrichen und wohl gekleidt Mit dem allerbesten Gewand, Das Jeder hat zu seinem Stand, Und daß sie nehmen des Boten wahr, Den ich euch werde senden dar, Daß ihr herreitet gen Hof zu mir. Auch schicke ich morgen hinab zu dir: Dann sende mir den kleinen Schrein, Da meine Kleinode sind darein, Und meine Kleider auch damit, Die von dem allerbesten Schnitt. Dich selbst auch kleide also wohl, Als ein höfischer Ritter soll.« – Er neigte sich und ging alsdann. Brangäne sprach: »Wer ist der Mann? Ihn dünket wahrlich, und das ist sein, Hierinnen ein Himmelreich zu sein: Ist er ein Ritter oder Knecht?« – »Fraue, wofür Ihr ihn ansprecht, Er ist ein Ritter und ein Mann, Da habet keinen Zweifel dran, Daß diese Sonne in keinem Land Ein tugendhafter Herze fand.« – »Gesegnet müsse er immer sein,« Fielen die Königinnen ein, Und meine Frau Brangäne sprach, Die sittige, höfische, solches nach. Nun Kurvenal zum Schiffe kam, Seine Rede er zu Handen nahm, Wie ihm war aufgetragen, Daß er ihnen sollte sagen, Und sagte auch, wie er Tristanden fand. Nun gebarten sie sich allzuhand Wie Einer, der ist todt gewesen Und wieder von dem Tod genesen: So freuten sie sich im Kiele. Das waren aber Viele Nicht zu Herrn Tristans Ehren so Als über den Landfrieden froh. Die Herrn mit neidischen Launen Begannen wieder zu raunen Und hin und her zu reden, wie eh. Sie ziehen Tristanden mehr denn je Ob diesem reichen Glücke Böslicher Zauberstücke, Und Einer um den Andern sprach: »Hie merket Wunder, denket nach, Was dieser Mann nicht Wunder kann. Ja, Herre, was kann dieser Mann, Daß er alles vollendet, Darauf er sein Trachten wendet.« Der Rechte Der Rechte. Hiemit war auch der Tag gekommen, Der zu dem Kampfe war genommen, Und war gar große Ritterschaft, Des Landvolks eine große Kraft Vor dem Könige in dem Saal. Auch war da keine kleine Zahl Unter den guten Knechten, Die fragten, wer denn zu fechten Für die junge Magd Isot Mit dem Truchsäßen sich erbot? Die Frage, die ging her und dar. Nun wußte Niemand in der Schaar, Wie diese Märe war gethan. Inzwischen hatte auch Tristan Die Kleider und den Schrein bekommen Und hatte gleich daraus genommen Drei Gürtel den drei Frauen: Kein beßrer war zu schauen Für Kaisrin nicht, noch Königin. Schapel und Fürspan lagen drin, Senkel und Ringe gaben Schein, Davon war eben voll der Schrein; Und war dies alles also gut, Daß nimmer eines Herzens Muth Nach etwas konnte trachten, Das besser war zu achten. Und kam auch nichts von allem fort, Als so viel Tristan selber dort Zu seinem eignen Schmucke nahm: Ein Gürtel, der ihm wohl bekam, Ein Schapel und ein Spänglein fein, Die ihm gebührlich mochten sein. »Ihr Schönen,« sprach er, »alle drei, Diesen Schrein und was darinne sei, Nehmt, schaffet damit alle, Und thut, was euch gefalle.« Mit diesen Reden ging Tristan; Seine Kleider legte er an Und wandte darauf allen Sinn Und war beflissen, daß er drin Sich figurirte also wohl, Als ein vollmüthiger Ritter soll. Die standen ihm auch wundersam. Nun er wieder zu den Frauen kam Und ließ sich vor ihnen schauen, Da ließen ihn die drei Frauen Durch Herzen und Gedanken gehn; Er däuchte sie herrlich anzusehn Nach allen seinen Zeichen, Und die drei Tugendreichen Gedachten alle zu Einer Frist: »In Treuen, dieser Mann, der ist Zum Vorbild eines Manns gemacht: Seine Gestalt und seine Tracht, Die schaffen wohl an ihm den Mann; Sie stehen so wohl einander an. Sein Ding ist alles wohl bewandt.« Nun hatte auch Tristan besandt Sein Gesinde, das war gekommen Und hatte seinen Sitz genommen Nach einander in dem Saal. Da ging die ganze Welt zumal Und beschaueten an der Schaar, Was sie da Wunders nahmen wahr An dieser Herrn Gewanden, Und Manche da gestanden, Sie hätten an so Vielen nie So gute Kleider gesehn, wie hie. Doch daß sie standen so stille dort Und gönnten dem Landvolk nicht ein Wort, Das war nicht Mangel an höf'scher Pflicht: Sie konnten ihre Sprache nicht. Da sandte auch der König hin Einen Boten nach der Königin, Daß sie ihre Tochter nähme Und mit ihr zu Hofe käme. »Isot,« sprach sie, »wohlauf, gehn wir. Herr Tristan, indessen bleibet Ihr: Es wird alsbald nach Euch gesandt; Dann nehm Euch Brangäne an ihre Hand, Und geht ihr Zwei nach uns dahin.« – »Gerne, Fraue Königin.« So kam die Königin Isot, Das wonnigliche Morgenroth, Mit ihrer Sonne an der Hand, Dem Wunderbilde von Irenland, Der lichten Magd Isolde, Die ihrem Morgengolde Schwebte leise und stetig mit, In Einer Spur, in Einem Tritt, Süß gebildet und wohl gemacht, Schlank, hochgewachsen und in der Tracht, Der fest umschließenden, schmal und stet, Als hätte die Minne sie gedreht Ihr selber zu einem Federspiel, Dem Wunsche zu einem Endeziel, Das er nicht überholen kann. Sie hatte von braunem Sammet an Rock und Mantel, in dem Schnitt Von Frankreich, und war der Rock damit Da, wo die beiden Seiten Gegen die Hüfte gleiten, Gefranzet und geenget, Nah an den Leib gedränget Mit einer Borte, die lag wohl, Wo Borte und Gürtel liegen soll. Der Rock, der war so heimisch hier, Er that sich nahe hin zu ihr, Er stand nicht ab, an keiner Statt, Er schmiegte sich an die Glieder glatt Von oben bis unten überall; Er nahm den Faltenwurf und Fall Unter den Füßen also viel, Als euer Jeder gerne will. Der Mantel, der war ganz durchhin Fleißig mit weißem Hermelin Innen und außen gezieret, In Streifen gefloitiret, War nicht zu kurz und nicht zu lang Und schwebte in seinem Niederhang Weder zur Erden, noch empor. Da stund ein höfischer Zobel vor Dermaßen, als das Maß befahl, Weder zu breit noch auch zu schmal, Und war gesprenkelt schwarz und grau; Schwarz und grau, die kamen genau In solcher Mischung überein, Daß jedes gab seinen eignen Schein. Der schmiegte auch im rechten Bug Sich an den Hermelin mit Fug, Recht wie der Zobel liegen soll, Da eins dem andern steht so wohl. Die Heftel, wo die sollten sein, Da war ein Schnürlein, schmal und klein, Von weißen Perlen durchgetragen; Da hatte die Schöne eingeschlagen Den Daumen von der linken Hand; Die rechte hatte sie gewandt Hernieder baß, ihr wisset wohl, Da man den Mantel schließen soll, Und schloß ihn so nach höfischer Art Mit zweien Fingern, süß und zart; Fürbaß da fiel er selbst herwider Und warf die Falten bis unten nieder, Daß man da wahrnahm beide: Das Rauchwerk und die Seide; Man sah es innen und außen, Und innerhalben hausen Das Bildniß, das die Minne Am Leibe und an dem Sinne Hatte so schön und wohl gedreht: Ja, was man drechselt und was man näht, Die beiden Künste schufen nie Ein lebend Bildniß baß, denn hie. Gefiederte Schachblicke, Die kamen da schneedicke Schachbietend geflogen fern und nah: Ich wähne, daß die Schöne da Manchen sein selbst beraubte. Sie trug auf ihrem Haupte, Die Königsmagd Isolde, Einen schmalen Reif von Golde, Gemacht mit feinem Sinne. Da lagen Gemmen drinne, Erwünschte Edelsteine, Viel licht und dabei kleine, Die besten von dem Lande, Smaragde und Jachande, Sapphire und Chalcedone; Die waren in der Krone, Der kleinen, so schön eingefügt, Daß alle Kunst, die euch vergnügt, Ja, die auch dem Meister genügte, Nie Steine schöner fügte. Da leuchtete das Gold und Gold, Der goldne Zirkel und Isold, Im Widerstreit einander an. Da war kein noch so weiser Mann, Der ohne der Steine bunten Glast Ins Auge hätte je gefaßt, Daß da ein Zirkel möchte sein: So gleich kam und so überein Ihr blondes Haar dem Golde. Isolden ging so Isolde, Die Tochter gesellt der Mutter bei, Fröhlich und aller Sorgen frei. Ihre Tritte, die waren in Gang und Schwang Gemessen, weder kurz noch lang, Und doch in beider Maße. So kam sie ihre Straße Aufrecht, mit offnen Sitten, Dem Sperber gleich, geschritten, Und wie ein Sittich glatt zu sehn. Sie ließ die Augen rings um gehn, So wie der Falke auf seinem Ast, Nicht zu linde und nicht zu fast Hatten sie ihre Weide. Ihre Augen weideten beide So eben und so leise Und in so süßer Weise, Daß kaum ein Auge war allda, Das nicht in die zween Spiegel sah Mit Wunder und mit Wonne. Die wonnebringende Sonne Verbreitete ihren Schein im Saal, Sie erfreute die Herren allzumal, Schwebend neben der Mutter hin. So trieben's die Zwo im Saale drin Mit zweier Art Unmuße, Zweierlei süßem Gruße, Grüßend hie, dort neigend, Sprechend hie, dort schweigend. Ihr Recht ist ihnen Beiden Gesetzt und zubescheiden: Die Eine grüßt, die Andre sich neigt, Die Mutter spricht, die Tochter schweigt. Dies trieben die wohlgezognen zwo, Die Mutter so, und die Tochter so. Nun daß Isolde und Isot, Die Sonne und ihr Morgenroth, Sich hatten niedergelassen jetzt Und zu dem Könige sich gesetzt, Nun nahm der Truchseß alles wahr, Fragte und forschte her und dar, Wo denn mit Schwert und Speere Der Frauen Kämpfer wäre. Das konnte ihm Niemand sagen. Da nahm er seine Magen, Das war eine große Schaar um ihn; Vor den König so ging er hin, Dem Gerichte stellte er sich: »Nun, Herre,« sprach er, »hie bin ich Und fordere mein Kampfesrecht. Herre, wo ist nun der gute Knecht, Der mich von meinen Ehren Hie wähnet abzukehren? Ich hab noch Freunde und Mannen, seht! Auch ist mein Recht so gut und stet: Thut mir das Landrecht, wie es soll, So führe ich meine Sache wohl. Gewalt erschreckt mich keine, Ihr thätet es denn alleine.« »Truchsäße,« fiel die Königin ein, »Soll dieser Kampf unwendbar sein, So weiß ich nicht recht, was zu thun: Ich bin noch unbereitet nun; Und doch, in Treuen, gäbest du Mit dem Beding den Frieden zu, Daß Isot dieser Märe Ledig und ohne wäre, Truchseß, in Treuen, es käme dir Zu Statten gleich so gut als ihr.« – »Ledig?« sprach der Andre nun: »Ja, Fraue, Ihr würdet auch also thun, Ihr ließet auch gewonnen Spiel. Was Ihr da redet, das hat kein Ziel: Ich will mit Frommen und Ehren Von diesem Spiele kehren. Ich hätte ja ganz im Unverstand So große Mühsal aufgewandt, Wenn ich es also ließe sein: Fraue, Eure Tochter, die ist mein, Das ist das Ende, sehet an. Ihr kennt ihn ja so wohl, den Mann, Der diesen Drachen da erschlug. Den bringet, so ist der Rede gnug.« »Truchsäße,« sprach sie, »du redest fein: Ich höre wohl, es muß ja sein; Ich muß mein selber nehmen wahr.« – Sie winkte Paraneisen dar: »Geh hin,« sprach sie, »und bring den Mann.« Nun schauten sie Alle einander an, Barone und Ritter, staunend, Und fragten einander raunend Und trieben viele Märe, Wer dieser Kämpfer wäre. Nun war es ihrer Keinem kund. Inmittelst schwebte auch zur Stund Die stolze Brangäne, mit lichtem Strahl Der schöne Vollmond, in den Saal, An ihrer Hand den werthen Tristan, ihren Gefährten. Die Stolze, Wohlgesittete schritt Neben ihm her mit sittigem Tritt, In ihrem ganzen Wesen Holdselig und auserlesen, In ihrem Gemüthe stolz und frei. Auch ging ihr ihr Gefährte bei In stolzer Ritterweise; Und war auch er zu Preise Und seltnem Wunder überkleidt Mit jeglicher Vollkommenheit, Die da den Ritter machen soll; Es stund ihm alles schön und wohl, Was einem Ritter löblich steht. Seine Gestalt und sein Geräth, Die stimmten wonniglich überein Und machten ihn so im Verein Zu einem ritterlichen Mann. Er hatte Ciclatgewande an, Die waren aus der Maßen reich, Fremd, auserlesen und fürstengleich. Er hatte sie nicht vom Hof erhoben: Das Gold, das war darein gewoben Nicht in des Hofes Maße; Da wurde man die Straße Der seidnen Fäden kaum gewahr: Sie waren alle so ganz und gar Mit dem Golde ertränket Und in das Gold versenket, Daß man die Arbeit kaum ersah. Von kleinen Perlen ein Netz war da Außen darauf getragen, Die Maschen so weit geschlagen, Als eine Hand an Breite hat. Dadurch so brannte der Ciclat, Recht wie man Kohlen glühen sieht. Das Unterfutter war Timit, Brauner denn Veilchen anzuschaun, Recht wie ein Agleiblatt so braun. Derselbe Pfelle, der legte sich In seine Falten und in seinen Strich Also schmiegsam und also wohl, Als wie ein Pfelle sich legen soll. Er stund dem lobenswerthen Mann Gar wohl und lobenswürdig an Und alleweise nach Begehr. Auf seinem Haupte, da trug er Von feinem Werke feinen Schein: Ein Schapel, wonniglich und klein, Das recht wie eine Kerze brann; Da leuchteten wie Sterne dran Topase, Sardine, Chrysolithe, Rubine. Dies Schapel, das war licht und klar, Es hatte ihm sein Haupt und Haar Mit klarem Schein umfangen. So kam er eingegangen, Reichlich gethan und hochgemuth. Sein Wesen war herrlich und war gut, Sein ganzer Aufzug, der war reich, Er selber reichlich und herrengleich In allen seinen Sachen. Sie begannen ihm Raum zu machen, Da er in den Palast ging ein. Da wurden unterdessen sein Auch Die von Kornewall gewahr: Sie sprangen alle fröhlich dar, Sie grüßten und empfingen, Da sie her näher gingen, Brangänen und Tristanden; Sie nahmen sie zu Handen, Die Gefährten beide, sie und ihn, Und conduirten sie also hin Gar höfisch, zweien Fürsten gleich, Zusammen vor das Königreich. Der König und die beiden Fraun Ließen ihn ihre Tugend schaun: Sie stunden auf und grüßten fein; Tristan, der neigte sich allen Drein. Darnach begrüßten die Dreie Die fremde Ritterreihe Also herrlich und also wohl, Als man wohl Herren begrüßen soll. Die Ritterschaft indeß vom Land Kam schaarenweise zugerannt, Boten den Fremden Gruß und Ehr, Nicht wissend, was ihr Gewerbe wär. Doch die als Zins seit Jahren Von Kornwall kommen waren, Alsbald erkannten die im Saal Ihre Väter und Magen allzumal. Da lief vor Freuden mancher Mann Vater und Magen weinend an; Freude und Klage gab's da viel, Die ich nicht sonderlich rechnen will. Der König da Tristanden nahm Selbander, wie er gegangen kam, Ihn und Brangänen meine ich, Und setzte sie Beide da zu sich Und fügte aber mit ihnen das, Daß Tristan in der Mitte saß; Zu seiner Seite saßen so Die seligen Königinnen zwo. Die Ritter und Barone, Seine Companione, Auf den Estrich setzten sich die, Und aber so, daß Jeder hie Dem Gerichte in die Augen sah Und sahen alles, was da geschah. Das Landgesinde, das erhob Inmittelst zu Tristandens Lob Manch Raunen und Reden allzumal. Ich weiß es wohl, daß in dem Saal Auf manches Mannes Zungen Erquollen und entsprungen Viel Lobesbrunnen waren Von seinem Ding und Gebaren: Sie sagten ihm alle Lob und Preis Auf manche Art und manche Weis. Da waren genug, die hoben an: »Wo schuf Gott besser einen Mann Zu ritterlicher Würdigkeit? Hei, wie ist er zu jedem Streit Und jeder Kampfesweise Gestaltet so zu Preise! Die Kleider, die er trägt, gebt Acht! Wie reichlich sind sie nicht gemacht! Niemand sah noch im Irenland Ein so recht kaiserlich Gewand. Und seine Gesellen, die sind gekleidt Mit königlicher Herrlichkeit. Ja wahrlich, wer der Mann auch sei, Sein Muth und Gut sind hoch und frei.« – Solcher Reden gab's da genug. Der Truchseß aber, fürwahr, der trug Den Essig in den Augen dort: Das ist ein ungelognes Wort. Nun hieß man rufen und befahl Eine Stille im ganzen Saal. Nun daß auch Niemand sprach hinfort Ein ganzes, noch ein halbes Wort, Da sprach der König: »Truchseß, sprich, Was ist's, deß du vermissest dich?« – »Nun, Herre, ich schlug den Serpant.« – Der Gast stund auf und sprach zuhand: »Herre, Ihr nicht.« – »Ja, Herre, ich! Ich bewähr's zur Stelle festiglich.« – »Mit welchem Pfande?« sprach Tristan. – »Seht, mit dem Haupt, das ich gewann.« – »Herr König,« sprach Tristan, »gebt Acht: Wenn er das Haupt, das er gebracht, Als Pfand und Zeugniß will verstehn, So heißet ihn das Haupt besehn, Und findet man die Zunge drin, So lege ich all mein Recht dahin Und will abstehn vom Streit fortan.« Das Haupt ward hiemit aufgethan Und nichts darin gefunden. Tristan hieß zu der Stunden Die Zunge bringen: die kam dar. »Ihr Herren,« sprach er, »nehmet wahr Und seht, ob sie des Drachen sei.« – Nun fielen sie ihm Alle bei Und bekannten es allgemein; Nur der Truchsäße schwieg allein: Der hätte gern widerredet hie, Und wußte aber nicht recht, wie? Der Schnöde, der begann zur Stund Mit der Zunge und mit dem Mund, Mit Rede und mit Gedanken, Zu taumeln und zu wanken, Konnte nicht reden, noch schweigen, Wußte nicht, wie sich bezeigen. »Ihr Herren alle,« sprach Tristan, »Hie merket Wunder, sehet an, Wie sich dies zugetragen: Da ich den Drachen erschlagen Und ihm mit leichtem Kampf und Strauß Aus seinem todten Rachen aus Die Zunge schnitt und von dannen trug, Da kam, der ihn zu Tode schlug.« – Die Herren sprachen alle: »An diesem Geschrei und Schalle Ist wenig Ehre fürwahr erjagt; Und was auch Jemand spricht und sagt, Unser Jeder, der weiß das wohl, Wenn man nach Rechte reden soll, Der da zuerst zur Stelle kam, Die Drachenzunge mit sich nahm, Derselbe schlug auch den Serpant.« So stimmten Alle allzuhand. Nun der Falsche zu kurz gekommen Und dem Truglosen, Frommen Der Hof beistimmte, Mann für Mann, »Herr König,« hob Tristan wieder an, »Gedenket nun an Eid und Pfand: Eure Tochter steht in meiner Hand.« – Der König sprach: »Das bekenn ich hier, Als hättet Ihr es geschworen mir.« – »Nein, Herre,« sprach der falsche Wicht, »Um Gotteswillen, sprecht also nicht! Wie's auch damit ergangen sei, Da ist Untreue fürwahr dabei, Und ist er fälschlich dazu gekommen. Doch eh mir also wird benommen Die Ehre mit Unrechte, Soll sie mir mit Gefechte Und Kampfe lieber zu Schanden gehn: Herre, ich will den Kampf bestehn.« – »Truchsäße,« sprach die weise Isot, »Du sprichst und teidigest ohne Noth: Mit wem willst du kampfrechten? Dieser Herre will nicht fechten: Er hat ja an der jungen Magd Seines Herzens Begehr erjagt. Er wäre alberner denn ein Kind, Mit dir zu fechten um den Wind.« – »Warum, Frau Königin?« sprach Tristan: »Eh daß er von Ränken sagen kann, Gewaltigen, ungerechten, Eh will ich mit ihm fechten. Herre und Fraue, sprechet dar, Gebietet ihm, daß er hinfahr, Wohl bald die Waffen anzuthun: Desgleichen bereite auch ich mich nun.« Nun der Truchseß erkannte, Daß sich's zum Kampfe wandte, Nahm er Magen und Mannen Alle und ging von dannen, Mit ihnen da zu tagen Und heimlich Rath zu schlagen: Nun däuchte sie die Märe So gänzlich ohne Ehre, Daß er da wenig Rathes fand. Sie sprachen Alle dazuhand: »Truchsäße, deine Teidig, Die war von Ursprung leidig, Ist auch bös ausgegangen. Weß hast du dich unterfangen? Willt du dich mit Unrechte Erbieten zum Gefechte, So steht es übel um dein Leben: Was Rathes mögen wir dir geben? Hie bist du Raths und Ehren bar: Verlierst du nun das Leben gar Noch über die verlorne Ehr, So ist aber noch des Schadens mehr. Wir wähnen alle und sehen wohl, Der wider dich da fechten soll, Der ist ein beherzter Mann zur Noth: Bestehst du ihn, so ist's dein Tod. Nun dich einmal des Teufels Rath Verrathen an den Ehren hat, So behalte dein Leben doch. Versuche und besieh doch noch, Ob diese Lüge und diesen Schimpf Nicht könne wandeln Jemand in Glimpf Mit irgend einem guten Wort.« – Der Lügner sprach zu ihnen dort: »Wie wollt ihr, daß ich solches thu?« – »Da rathen wir dir kürzlich zu: Geh wieder in den Saal und sprich, Deine Freunde, die heißen dich Diese Forderung lassen gehn; Nun wollest du zurückestehn.« Der Truchseß folgte ihnen nach: Er ging wieder in den Saal und sprach, Seine Magen und seine Mannen Hätten beschlossen, ihn abzuspannen, Und hätte er nun auch andern Sinn. – »Truchsäße,« sprach die Königin, »Das wähnte ich nimmer zu erleben, Daß du gedächtest je aufzugeben Ein also gar gewonnen Spiel.« – Da wurde solches Spottes viel Im Schlosse getrieben fort und fort. Der arme Truchseß, der war dort Ihre Geige und Rotte; Sie trieben ihn mit Spotte All um und um wie einen Ball: Des Spottes ward ein großer Schall. So nahm der Trug behende Mit offner Schande ein Ende. Nun dies war alles abgethan, Da sagte im Schloß der König an Seines Landes Companionen, Den Rittern und Baronen, Daß Dieser Tristan wäre, Und sagte auch die Märe, Wie er sie hatte vernommen, Warum er wäre kommen, Und wie er gelobte in seine Hand, Er wollt ihm ein stetes und festes Band Mit Marke's Fürsten machen Ueber alle die Sachen, Von denen zuvor die Rede war. Das Gesinde von Irland, all die Schaar, Zu dieser Märe gar fröhlich sah. Die Landesherren sprachen da: Diese Sühne, die wäre Eine genehme Märe, Denn langer Haß und Rachesinn Treibe die Zeit mit Schaden hin. Der König gebot und begehrte, Daß Tristan ihm bewährte Das Wort an dieser Stätte, Wie er's gelobet hätte. Er that auch also zu der Stund: Tristan, der schwur mit Hand und Mund, Und seines Herren Mannen all, Sie schwuren das Land zu Kornewall Zur Morgengabe Isolden dort, Und daß sie sollte sein hinfort Fraue über ganz Engelland. Hiemit befahl Gurmun zuhand Isolden von Hand zu Handen Ihrem Feinde Tristanden. Ihrem Feinde sage ich um das: Sie trug ihm immer noch einen Haß. Tristan, der nahm sie an seine Hand: »Herr König,« sprach er, »von Irenland, Wir bitten Euch, meine Fraue und ich, Daß Ihr sie beschenket und auch mich: Es seien Ritter oder Kind, Die her zu Zinse gegeben sind, Von Kornwall und von Engelland, Die gehören in meiner Frauen Hand Billig und ganz mit Rechte hin, Denn sie ist der Lande Königin: Wir bitten, daß Ihr sie lasset frei.« – »Viel gerne,« sprach Gurmun: »das sei. Es geschieht mit meinen Minnen, Daß sie fahren mit Euch von hinnen.« Der Märe ward manch Herze froh. Tristan, der hieß gewinnen so Einen Kiel zu seinem Kiele hin, Der ihm und seiner Königin Zur Meerfahrt dienen sollte, Und wem er sonst noch wollte. Und als auch derselbe fertig ward, Bereitete Tristan sich zur Fahrt. Die Verzinsten, die Elenden, Wo man sie an allen Enden, Am Hofe und im Lande fand, Die wurden alle darbesandt. Der Minnetrank Der Minnetrank. Indeß Tristan die Reise Betrieb mit allem Fleiße, Die Zubereitung leitete, Indessen so bereitete Isot, die weise Königin, In einem Glasgefäße drin Einen Trank der Minnen: Mit also feinen Sinnen War der erdichtet und vollbracht, Mit solcher Wunderkraft bedacht, Daß, wer davon mit Jemand trank, Der mußte Den ohne seinen Dank Vor Allen minnen und meinen, Der wieder Den, den Einen: Ihnen war Ein Tod und Ein Leben, Eine Trauer und Eine Freude gegeben. Den Trank, den nahm die Weise Und sprach zu Brangänen leise: »Brangäne,« sprach sie, »Niftel mein, Laß dir nicht schwer die Rede sein: Du sollt mit meiner Tochter hin, Darnach, so stelle deinen Sinn; Was ich dir sage, das vernimm: Das Glas mit diesem Tranke nimm, Das habe du in deiner Hut Und hüte es über alles Gut. Sieh, daß es auf der Erde Kein Auge innen werde. Bewahre fleißig zu jeder Stund, Daß Niemand es bringe an seinen Mund. Wende Fleiß an und achte stark: Wenn Isolde und König Mark Mit Minne sind kommen überein, So schenke ihnen den Trank für Wein Und laß sie Beide trinken da. Bewahre, das versteht sich ja, Daß Keinen sonst der Fürwitz sticht. Du selbst auch trinke mit ihnen nicht. Es ist ein Trank der Minnen, Das habe in deinen Sinnen. Isolden ich dir befehle Viel theuer auf deine Seele. Sie ist mein bestes Leben: Wir seien dir Beide ergeben Auf alle deine Seligkeit: Hiemit genug für allezeit.« – »Traut Fraue,« sprach Brangäne froh, »Steht euer Beider Wille so, So will ich gerne mit ihr fahren, Ihre Ehre und all ihr Ding bewahren, So ich aufs Allerbeste kann.« Urlaub und Abschied nahm Tristan Und seine Leute hie und dort. Sie schieden ab von Weisefort Mit großer Freude und Herrlichkeit. Da gaben ihnen das Geleit Um Isoldens willen zum Hafen hin Der König und die Königin Und all ihre Massenie. Seine unverhoffte Amie, Seine unerkannte Herzensnoth, Die lichte wonnigliche Isot, War weinend zu allen Zeiten Tristanden an der Seiten; Ihr Vater und Mutter beide Die brachten mit manchem Leide Dieselben kurzen Stunden hin. Manch Auge begann aus treuem Sinn Zu strömen und zu werden roth. Isold war manches Herzens Noth: Sie brachte viel manchem Herzen Heimliche Wehen und Schmerzen. Die weinten um die Holde, Ihrer Augen Wonne, Isolde. Da ward vereint geweinet, Sie beweinten vereinet Viel Augen und viel Herzen Mit offnen und stillen Schmerzen. Und aber Isot und aber Isot, Die Sonne und ihr Morgenroth, Und auch die stolze Brangäne, Der Vollmond gegen jene, Da sie sich mußten scheiden, Die eine von den Beiden, Da wurden Jammer und Leid erkannt: Das getreuliche feste Band Schied sich mit manchem Leide. Isolde küßte sie Beide Und hielt sie lang umschlossen. Nun daß Tristans Genossen Und auch von irischer Seite Der jungen Frau Geleite Waren zu Schiff gekommen, Hatten Urlaub genommen, Da fuhr zuletzt auch Tristan hin; Die lichte junge Königin, Die schöne Blume von Irenland, Isolde, die ging an seiner Hand, Gar unfroh und mit traurigem Sinn. Sie neigten sich nach dem Lande hin Und baten Gott, mit Segen So Leut als Land zu pflegen; Worauf der Kiel das Meer gewann. Mit hoher Stimme sie huben an Und sungen einmal oder zwier: »In Gottes Namen fahren wir!« Und strichen hin ihre Gleise. Nun war zu ihrer Reise Den Frauen nach Tristans Rathe Eine Schiffskemenate Zu Wohnung und Gemächlichkeit In ihrem Kiele da bereit. Da hielt sich die Königinne Mit ihren Jungfrauen inne Und selten mit ihnen sonst ein Mann, Als unterweilen Herr Tristan. Derselbe ging je und je dahin Und tröstete die Königin, Da sie in ihren Thränen saß. Sie weinte und klagte ohn Unterlaß, Daß sie also von ihrem Land, Da ihr die Leute wären bekannt, Und all ihren Freunden fliehe, Mit fremdem Volk hinziehe Und wisse nicht, wohin, noch wie. Da tröstete je Tristan sie Aus ganzem Herzensgrunde Zu jeder Zeit und Stunde, So er zu ihrer Trauer kam. Zwischen die Arme er sie nahm Gar süße und gar leise, Und aber nur in der Weise, Wie ein Mann seine Herrin soll. Der Getreue, der versah sich wohl, Daß er der Schönen wäre Ein Trost zu ihrer Schwere. Und aber so oft, als es erging, Daß er mit Armen sie umfing, So gedachte je die schöne Isot An ihres Ohms Moroldens Tod Und sprach je alsdann wider ihn: »Laßt gehen, Meister, hebt Euch hin! Thut Eure Arme weg von mir! Ihr seid mir sehr beschwerlich, Ihr! Warum denn rühret Ihr mich an?« – »Ei, Schöne, hab ich da mißgethan?« – »Ja, Ihr, denn ich bin Euch gehaß.« – »Selige,« sprach er, »und um was?« – »Ihr habt meinen Ohm erschlagen.« – »Das ist ja doch vertragen.« – »Das ist all Eins: ich haß Euch doch: Denn ich wäre ohne Schwere noch Und ohne Sorgen, wärt nicht Ihr: Ihr mutterseelenallein habt mir All diesen Kummer zugefügt Mit Eurer List, die da trügt und lügt. Was hat Euch mir zu Schaden gesandt Von Kornewall in Irenland? Die mich von Kind an haben erzogen, Denen habt Ihr mich abbetrogen Und führet mich, weiß nicht, wohin. Ich weiß nicht, wie ich verkaufet bin, Noch weiß ich, was aus mir werden soll.« – »Nein, schöne Isold, gehabt Euch wohl. Ja mögt Ihr doch lieber in fremdem Land Eine reiche Königin sein genannt, Denn in der Heimath arm und schwach. In fremdem Land Ehr und Gemach Und Niedrigkeit im Vaterreich, Die zwei, die schmecken ja nicht gleich.« »Ja, Meister Tristan,« sprach die Magd, »Ich nähme eh, was Ihr auch sagt, Eine mäßige Sache Mit Liebe und mit Gemache, Denn Mühsal, Ungemach und Leid Bei großem Reichthum und Herrlichkeit.« – »Ihr redet wahr,« Herr Tristan sprach: »Wo man aber zu dem Gemach Die Herrlichkeit kann haben, Die seligen zwo Gaben, Die laufen zusammen baß gemein, Denn ihrer jegliche so allein. Nun sprechet: wär es dazu gekommen, Daß Ihr hättet mit Zwang genommen Den Truchsäßen zu Eurem Mann, Fraue, wie führe es aber dann? Ich weiß, da wäret Ihr meiner froh. Und danket Ihr mir jetzund so, Daß ich Euch trat zur Seite Und Euch von ihm befreite?« – »Deß wird Euch spate,« sprach die Magd, »Von mir je Dank und Lohn gesagt: Denn habt Ihr mich von ihm befreit, So habt Ihr mich überschüttet seit So sehr mit Leid und Schwere, Daß mir's noch lieber wäre, Ich hätte ihn genommen, Als mit Euch fortzukommen: Denn wie auch tugendlos er sei, Wohnte er mir eine Weile bei, So ließe er jeden bösen Brauch. Weiß Gott, daran erkennt ich auch, Wie lieb, daß ich ihm wäre.« – Tristan sprach: »Solche Märe Geht abenteuerliche Spur. Daß jemals wider die Natur Ein Herze Tugendwerke thu, Da gehört viel Müh und Noth dazu: Die Welt glaubt nimmermehr daran, Daß Unart jemals arten kann. Schöne, seid ohne Sorg und Leid: Ich will Euch fürwahr in kurzer Zeit Einen König zum Herren geben, An dem Ihr Freude und schönes Leben Gut, Tugend zu allen Stunden Und Ehre sollt haben funden.« Inmittelst strichen die Kiele hin. Sie hatten auch gleich von Anbeginn Guten Wind und gute Fahrt. Nun war die Frauerschaar so zart, Isolde und ihr Gesinde, Im Wasser und im Winde Gar ungewohnt der Mühesal. Nicht lange, so kamen sie allzumal In eine ungewohnte Noth. Tristan, ihr Meister, da gebot, Daß man zu Lande schalte Und eine Ruhe halte. In eine Bucht nun fuhren sie ein; Da ging die Mannschaft insgemein, Sich zu ergötzen, an das Land; Nun ging auch Tristan allzuhand, Seine lichten Frauen Zu grüßen und zu schauen; Und als er zu ihr nieder saß Und sie da redeten dies und das Von ihrer Beider Dingen, Bat er einen Trunk zu bringen. Nun aber war Niemand darin, Ohne seine Königin, Als etliche kleine Jungfräulein. Und eine sprach: »Seht, hier steht Wein In diesem Gefäß, ich meine.« Nein, da war nichts von Weine, Obgleich man wähnte, es wäre; Es war die währende Schwere, Die endelose Herzenoth, Von der sie endlich lagen todt. Nun war ihr aber das nicht kund: Sie stund auf und ging hin zur Stund, Wo Glas und Trank, nicht wohl fürwahr, Verborgen und aufgehoben war. Ihrem Meister Tristan bot sie es hin, Er aber bot es der Königin. Sie trank mit Zaudern, ihr war so schwer, Und gab es ihm, da trank auch er, Und wähnten Beide, es wäre Wein. Inmittelst trat auch Brangäne ein, Das Glas erkannte sie zur Stund, Da ward ihr die ganze Märe kund, Darüber sie sich so sehr vernahm, Daß sie von allen Kräften kam Und recht wie todt zu schauen war. Mit todtem Herzen ging sie dar: Sie nahm das leide unselige Glas Und ging von dannen und warf das Hinab in die tobende wilde See: »O weh mir Armen!« sprach sie, »o weh, Daß ich zur Welt je ward geboren! Ich Arme, wie hab ich nun verloren Meine Ehre und meine Treu. Trage Gott ewiglich Leid und Reu, Daß ich zu dieser Reise kam, Daß mich der Tod nicht von hinnen nahm, Da ich zu dieser argen Fahrt Mit Isolden beschieden ward! O weh, Tristan, und o weh, Isot, Der Trank ist euer Beider Tod!« Nun daß die Jungfrau und der Mann, Die Beiden, Isolde und Tristan, Den Trank getrunken, was geschah? Da war auch der Welt Unmuße da, Minne, die Herzensjägerin, Und schlich in ihre Herzen hin, Eh sie es wurden je gewahr. Sie stieß die Siegesfahne dar Und zog die Beiden ohne Streit In ihre Gewalt und Herrlichkeit. Sie wurden Eins und Einerlei, Die vor gewesen waren Zwei: Sie trugen nicht mehr gespaltnen Sinn: Isoldens Haß, der war dahin. Die starke Sühnerin Minne, Die hatte ihre Sinne Von Haß also gereinet, Mit Liebe also vereinet: Daß Jegliches dem Andern war Vollkommen wie ein Spiegel klar. Sie hatten beide Ein Herze, Sein Schmerze war ihr Schmerze, Ihr Schmerze war der seine, Sie waren Eine Gemeine An Liebe und an Leide Und bargen sich's doch Beide; Das that der Zweifel und die Scham: Sie schämte sich, er war sich gram, Sie zweifelt' an ihm, und er an ihr. Wie blind auch ihre Herzensgier Zusammenfloß in Einer Gluth, So hatten sie doch keinen Muth Zum ersten Wort und zum Beginn Das heimlichte ihnen ihren Sinn. Tristan, da er die Minne empfand, Da gedachte er allzuhand Der Treuen und der Ehren Und wollte von dannen kehren. »Nein,« dachte er fort und fort bei sich, »Laß sein, Tristan, besinne dich Und vor der Sünde dich bewahr.« – Da wollte doch immer das Herze dar. Wider seinen Willen kriegte er, Begehrte wider sein Begehr: Es zog ihn ab, es zog ihn an. Der verirrte, verfangne Mann Versuchte es in den Schlingen Mit währendem vielem Ringen Und hielt auch lange aus im Streit. Der Getreue hatte ein doppelt Leid, Davon ihm großes Weh geschah: Wenn er ihr in die Augen sah Und ihm die süße Minne Sein Herz und seine Sinne Begunnte zu versehren, Gedachte er je der Ehren; Die zog ihn ab von solchem Bann. Nun trat ihn aber alsbald an Minne, seine Erbkönigin, Die zwang und nahm ihn wieder hin. Ihn müheten stets aufs Neue Seine Ehre und seine Treue: Noch näher ihm aber die Minne trat, Die ihm weher als wehe that; Sie fügte ihm mehr zu Leide, Denn Treue und Ehre beide. Sie sah sein Herze lachend an Und nahm sein Auge in ihren Bann Wenn er sie aber nicht ersah, So war das Leid noch größer da. Gar oft bestellte er seinen Muth Nach Art, wie der Gefangne thut, Wie er möchte ledig sein der Qual, Und dachte oft und manches Mal: »Lenke dein Herz hin oder her, Verwandle und wechsle dein Begehr, Minne und meine anderswo,« – Da hielt die Schlinge, vor der er floh. Er nahm sein Herze und seinen Sinn Und suchte Aenderung darin: Da war je nichts darinne, Denn Isolde und die Minne. Isolde auf gleiche Weise Versuchte es auch mit Fleiße, In zornigem Weh entbrannte, Da sie den Leim erkannte Der verlockenden Minne Und sah, daß ihre Sinne Darein versenket waren. Sie wollte sich bewahren, Sie strebte fort aus ihrem Bann: Da klebte aber der Leim ihr an, Der zog sie immer nieder. Die Schöne strebte wider Und sträubte sich bei jedem Tritt; Sie folgte gar nicht gerne mit, Versucht' es an manchen Enden; Mit Füßen und mit Händen Kehrte und wehrte sie sich sehr Und versenkte je mehr und mehr Ihre Hände und Füße In die viel blinde Süße Des Mannes und der Minne. Ihre verstrickten Sinne Konnten sich nicht entwinden, Nicht Weg noch Brücke finden Auf halben Fuß, auf halben Tritt, Da nicht die Minne folgte mit. Wohin sie auch gedachte Und sich Gedanken machte, So war nicht dies, noch das daran, Als Minne stets und stets Tristan. Und blieb all das verschwiegen: Das war ein stetes Kriegen Zwischen den Augen und dem Sinn: Die Scham, die jagte die Augen hin, Die Minne zog Sinn und Herze dar. Und diese widerstreitende Schaar, Magd und Mann, Minne und Scham, Die war an ihr sehr irresam: Die Magd den Mann begehrte Und ab die Augen kehrte, Die Scham, die wollte minnen Und that es Niemand innen. Was mochte das helfen? Scham und Magd, Wie alle Welt zusammen sagt, Die sind ein so hinfällig Ding, Haben eine Dauer so gering, Daß sie nicht lange widerstehn. Isolde ließ sich den Krieg vergehn Und that so, wie es um sie stand: Die Sieglose ergab zuhand Ihren Leib und ihre Sinne Dem Manne und der Minne. Sie blickte unterweilen dar Und nahm verstohlen seiner wahr: Ihre klaren Augen und ihr Sinn Sie lebten nun in Frieden hin. Ihr Herz und Augen, die stahlen Gar heimlich zu vielen Malen Und minnevoll sich zu dem Mann. Der Mann, der sah sie wieder an Mit innigen Gebärden. Er begann auch laß zu werden, Da Minne sich seiner nicht verzieh. Mann und Magd, so gaben die Zu jeder Zeit und jeder Stund, Wenn ihnen nichts im Wege stund, Einander Augenweide. Die Minnenden däuchten beide Einander schöner denn je zuvor: Das bringt der Minne Recht hervor. Es herrschet heuer und herrschte fernd Und wird Jahraus, Jahrein erlernt Von den Minnenden allen, Daß sie sich baß gefallen, So Minne an ihnen sich bekleibt, Die Blumen und den Wucher treibt Lieblicher Süßigkeiten, Denn in den Erstlingszeiten. Die wucherhafte Minne, Die wächst nach dem Beginne. Das ist der Same, den sie sät, Von dem sie nimmermehr vergeht. Sie dünket schöner seit denn vor: So kommt der Minne Recht in Flor, Däuchte Minne je seit wie vor, Verginge bald der Minne Flor. Der Minne Recht Der Minne Recht. Die Kiele stießen vom Gestad Und fuhren fröhlich ihren Pfad, Nur daß die blinde Minne Hatte zwei Herzen drinne Von ihrer Straßen abgelenkt, Die in Gedanken tief versenkt Waren bekümmert beide Von jenem lieben Leide, Das solche Wunder stellet, Den Honigschmack vergället, Die Süßigkeiten säuert, Was da will thauen, feuert, Das Sänftende durchschmerzet, Alle Herzen entherzet Und alle die Welt verkehret, – Das hatte sie versehret, Tristanden und Isolden, Mit Einer Noth, die Holden, Und in seltsamer Weise: Sie hatten auf der Reise Nicht Ruhe, weder hie noch da, Bis Eines je das Andre sah. Wenn aber das geschahe, Ging's ihnen aber nahe: Sie konnten unter sich, die Zwei, Den Willen nicht vereinen frei; Das schuf die Fremde und die Scham, Die ihnen ihre Lust benahm, So sie mit stillen Blicken, Mit Blicken in Minnestricken, Einander sollten nehmen wahr: Da ward ihre Farbe wunderbar Dem Herzen gleich und gleich dem Sinn. Minne, die werthe Färberin, Die däuchte es nicht damit genug, Daß man's in edlen Herzen trug Verborgen und verstohlen: Sie wollte unverhohlen Vor Augen zeigen ihre Gewalt: Die war an den Zweien mannigfalt. Ihre Farbe sich nicht lange glich, Nicht lange glich ihre Farbe sich: Sie wechselten oft und allzugleich Bleich wider Roth, Roth wider Bleich, Sie wurden bleich, sie wurden roth, Wie ihnen Minne die Farben bot. Daran erkannte Jedwedes wohl, Wie man an solchem muß und soll, Daß etwas wohl von Minne In seinem Herz und Sinne Auf das Andre gewendet war, Und begannen auch wonnebar Einander zu betrachten, Nach Zeit und Fug zu trachten, Daß sie sich raunend gesellten. Der Minne Jäger stellten Einander mit manchem Blicke Ihre Netze und Stricke, Ihre Warte und Lage Mit Antwort und mit Frage, Sie trieben viel Redens zusammen hin. Isoldens Rede und ihr Beginn War recht nach magdlicher Weise: Sie kam ihren Trauten leise All rings herum von Weitem an: Von Anfang mahnte sie ihn dran, Wie er zuerst gen Develin In einem kleinen Schifflein hin Geflossen wund und alleine kam, Wie ihre Mutter ihn zu sich nahm, Und wie er auch genas durch sie; An alles, was sich zutrug hie, Und wie sie selbst in seiner Hut Alle Wege lernte schreiben gut Latein und lernte Saitenspiel. Des Umschweifs war und der Rede viel, Die sie ihm sagte weit und breit Von seiner Kraft und Mannhaftigkeit, Auch vom Serpant in jenem Thal, Und wie sie ihn erkannte beide Mal, So in dem Bad als in dem Teich. Die Rede war unter ihnen gleich: Sie sprach zu ihm, und er sprach zu ihr. »Ah,« sprach Isolde, »da sich's mir Doch darbot mit so gutem Fug, Daß ich Euch da nicht im Bade schlug, Gott Herre, wie konnt ich also thun! Hätt ich gewußt, was mir kund ist nun, Das wäre gewesen Euer Tod.« – »Warum denn?« sprach er, »schöne Isot? Was wirret Euch, was wisset Ihr?« – »Was ich weiß, ja, das wirret mir, Was ich sehe, das thut mir weh: Mich mühet der Himmel und die See, Leib und Leben beschweren mich.« – Da stützte sie und lehnte sich Mit dem Ellbogen an ihn hin: Das war der Kühnheit ein Beginn. Die Augen licht und spiegelklar, Die füllten sich verhohlen gar, Ihr Herz begann zu quellen, Ihr süßer Mund zu schwellen, Ihr Haupt, das sank darnieder. Ihr Freund begann herwieder Mit Armen sie zu umfahen, Doch ihr nicht dreist zu nahen, Nicht mehr als in Gastes Weise. Er sprach gar süß und leise: »Ei, Schöne, Süße, saget mir, Was wirret Euch, was klaget Ihr?« Der Minne Federspiel, Isot, »Lameir,« sprach sie, »das ist meine Noth, Lameir beschweret mir den Muth, Lameir ist, was mir wehe thut.« – Nun sie so ofte sprach das Wort, Da bedachte er fort und fort, Besah nach allen Seiten hin Desselben Wortes Laut und Sinn. Er begann sich zu entsinnen, Ameir das hieße minnen, Ameir bitter, la meir das Meer: Der Sinn, der däucht ihn ein ganzes Heer. Er ließ eins von den dreien Und fragte nach den zweien: Die Minne, die verschwieg er gar, Die doch ihr Beider Herrin war, Ihr Beider Trost, Ziel und Begehr, Und sprach von Nebelluft und Meer. »Ich wähne,« sprach er, »schöne Isot, Meer und Nebel sind Eure Noth: Euch widern Meer und Nebelwind, Ich wähne, die zwei Euch bitter sind.« – »Nein, Herre, nein! was saget Ihr? Keines von Beiden wirret mir, Mir dunstet weder Luft, noch See: Lameir alleine thut mir weh.« – Nun er auf den Grund dem Worte kam Lameir, und Minne drin vernahm, Gar heimlich sprach er da zu ihr: »In Treuen, Schöne, so ist auch mir: Lameir und Ihr, Ihr seid meine Noth. Herzefraue, liebe Isot, Ihr Eine und Eure Minne, Ihr habt mir meine Sinne Verkehret und benommen, Ich bin vom Weg gekommen So ganz und gar, so irr und blind, Daß ich mich nimmer zurechte find. Mich mühet und mich irret, Mir ekelt und mir wirret Alles, worauf mein Auge fällt: Ja, ist in dieser ganzen Welt Nichts meinem Herzen lieb denn Ihr.« – Isold sprach: »Herre, so seid Ihr mir.« Nun Tristan und die Königin In ihnen erkannten Einen Sinn, Ein Herze und Einen Willen, Begann das ihnen zu stillen Und auch zu eröffnen ihr Ungemach. Jedwedes sah, Jedwedes sprach Das Andere freier und kühner an, Der Mann die Magd, die Magd den Mann. Die Fremde war unter ihnen hin: Er küßte sie, und sie küßte ihn Mit süßem Herzensgruße. Das war der Minnenbuße Ein Anfang und ein seliger Schank. Jedwedes schenkte, Jedwedes trank Die Herzenssüße mit geizigem Zug. So sie gewannen Statt und Fug, So ging der Tausch und der Handel an, Schleichwaaren wurden aufgethan, So heimlich und so wohlbestellt, Daß Niemand in der ganzen Welt Ihren Willen und Muth erfand, Als sie, der er doch war bekannt. Das war Brangäne, die weise, Die warf ihre Blicke leise Und warf sie ofte heimlich dar Und nahm ihre Heimlichkeiten wahr Und dachte oftmals bei sich still: »O weh, nun seh ich, was werden will! Die Minne hebt bei Diesen an.« – Viel balde ward, daß sie begann Den Ernst an Beiden zu verstehn Und außen an ihrem Leib zu sehn Ihrer Seelen und Herzen Innere herbe Schmerzen. Solch Ungemach, das that ihr leid, Da sie sie sah zu jeder Zeit Amuren und ameiren, Seufzen, trauren und feiren, In Gedanken sich mühen, Erblassen und erglühen. In so verlorner Weise Gedachten sie keiner Speise, Bis sie der Mangel und der Gram An dem Leibe ganz übernahm, Daß es Angst ward Brangänen, Und sie begann zu wähnen, Es wäre ihr Beider Ende. »Nun nimm das Herz in die Hände,« Sprach sie, »erforsche, was es sei!« Sie saß eines Tages ihnen bei Gar heimlich und gar leise, Die Stattliche, die Weise: »Hie ist Niemand,« sprach sie, »denn wir Drei. Sagt mir, was wirret euch, ihr Zwei? Ich seh euch zu allen Stunden Mit Gedanken gebunden Seufzen, trauern und klagen.« – »Höfische, dürft ich's Euch sagen, Ich sagt's Euch gerne,« sprach Tristan. – »Ja, Herre, viel wohl: hebet an: Sei's, was es wolle, das saget mir.« – »Gesegnete, Gute,« sprach er zu ihr, »Ich wage nicht zu sagen mehr, Ihr versichert uns denn vorher Mit Treuen und mit Eiden, Daß Ihr uns Armen beiden Gütig wollet und gnädig sein: Anders so ist unsre Hoffnung klein.« Brangäne bot ihre Treue hin: Sie gelobte ihren getreuen Sinn Und schwur nach Gottes Willen Ihr Begehren zu stillen. »Getreue, Gute,« sprach Tristan, »Nun sehet Gott zuvörderst an Und darnach Eure Glückseligkeit: Bedenket unser Beider Leid, Unsre Gefahr und unsre Noth. Ich Armer und die arme Isot, Ich weiß nicht, wie es gegangen ist, Wir Zwei, wir sind in kurzer Frist Unsinnig geworden Beide In wunderlichem Leide: Wir müssen vor Minne sterben Und können nicht erwerben Noch Stunde, noch Gelegenheit: Ihr irret und störet uns allezeit, Und seid versichert, sterben wir, So ist Niemand schuldig dran, als Ihr. Nun ist unser Tod und Leben In Eure Hand gegeben. Hiemit sei Euch genug gesagt. Wohlan, Brangäne, selige Magd, Nun helfet und nun gnadet Ihr Eurer Frauen Isold und mir.« Brangäne zu Isolden sprach: »Fraue, ist Euer Ungemach, Wie er da spricht, von solcher Noth?« – »Ja, Herzeniftel,« sprach Isot. – Brangäne sprach: »Das reue Gott, Daß so der Teufel seinen Spott Mit uns Dreien gemachet hat! Nun seh ich wohl, da ist kein Rath, Und muß ich durch euch Beide Mir selber so zu Leide Und euch zur Schande werben; Eh ich euch lasse sterben, Will ich euch lieber den Willen thun. Was ihr wollet beginnen nun, Das laßt um meinetwillen nicht, Wenn ihr's um eure Ehr und Pflicht Nicht gerne wollet lassen. Wo ihr euch aber fassen Und wahren könntet vor dieser That, So wahret euch, das ist mein Rath. Laßt diese Schande unter uns Drein Verschwiegen und verblieben sein. Verbreitet ihr die Märe, So geht's an eure Ehre; Erfährt sie Jemand, ohne uns Drei, Seid ihr verloren und ich dabei. Herzefraue, schöne Isot, Euer Leben und Euer Tod Die sind an Euch ergeben: Nun lenket Tod und Leben Nach Eurem Willen und Begehr. Von dieser Stunde habt nimmermehr Zweifel, noch Furcht vor meiner Hut: Was Euch gefalle, wohlan, das thut.« Nachts, da die Schöne alleine lag, Ihr Trauern und ihr Trachten pflag Nach ihrem trauten Freund so heiß, Da kam geschlichen leise leis Ihr Freund zur Kemenaten, Begleitet und berathen Von ihrer Aerztin Minne: Minne, die Aerztin, drinne Führte sie ihr zu Handen Ihren Kranken, Tristanden. Auch fand sie ihre kranke Isot. Den beiden Kranken die Hand sie bot Und gab ihm sie und gab ihr ihn Einander zur Arzenei dahin. Wer konnte auch diese Beide Mit ihrem gleichen Leide Vereinen und bescheiden, Als Einung ihrer Beiden, Verstrickung ihrer Sinne? Die Verstrickerin Minne, Die strickte mit süßen Flammen Zwei Herzen da zusammen Mit also großer Meisterschaft, Mit also wunderbarer Kraft, Daß sie ungelöset waren In allen ihren Jahren. Eine lange Rede von Minne Beschweret höfische Sinne: Eine kurze Rede von Minne Ist gut für gute Sinne. Wie wenig ich in meinen Tagen Habe das liebe Leid getragen, Den sänftlichen Herzensschmerzen, Der immer in dem Herzen So recht sänftlich unsanfte thut, So weissaget mir doch mein Muth, Was ich wohl halten muß für wahr, Daß es den Minnenden sanfte war Und waren wohl auf Beide, Da sie die Hut, die leide, Die Qual minnender Sinne, Die Feindin aller Minne, Hatten von ihrem Pfad gebracht. Viel hab ich über die Zwei gedacht Und denke noch heut und alle Tage: Wenn ich Liebe und sehnende Klage Beginne ins Auge zu fassen Und all ihr Thun und Lassen Im Herzen zu betrachten, So wächst mein ganzes Trachten Und Muth, mein Heergeselle, Als ob er zum Himmel schwelle. Wenn ich mich drein versenke, Das Wunder und Wunder bedenke, Daß man an Liebe fände, Wer sich recht drauf verstände, Was Freude läge in Liebe, Wer sie getreulich triebe, So wird mein Herze hochgeschwellt Und größer denn die weite Welt, Und erbarmet mich der Minne In meinem ganzen Sinne, Daß Alle, die da leben, An Minne hangen und kleben, Und ihr doch Niemand ihr Recht anthut. Wir wollen Alle haben Muth Und wandeln auf der Minne Bahn. Nein, Minne ist nicht also gethan, Wie wir's einander machen Mit trügerischen Sachen. Wir nehmen der Dinge fälschlich wahr, Wir säen Bilsensamen dar Und wollen mit Einem Schlage, Daß er Liljen und Rosen trage. In Treuen, das mag ja nicht sein! Wir müssen das wieder nehmen ein, Das da zuvor war ausgelegt, Und ernten, was uns der Same trägt. Dasselbe, das wir säen, Müssen wir schneiden und mähen. Wir bauen aber die Minne Mit verbittertem Sinne, Mit Trug und Falschheit in der Brust Und suchen dann in ihr die Lust Des Leibes und der Herzen: So bringt sie uns nur Schmerzen, Ungute Frucht und böse Art, Wie es an ihr gebauet ward. Wenn es uns dann mit Gifte nährt Und innen in dem Herzen schwärt Und tödtet uns darinne, So zeihen wir's die Minne Und klagen, sie sei schuldig dran, Die nimmer Schuld daran gewann. Wir säen lauter Lug und Trug Und ernten Leid und Schande gnug. Thut uns das Leid nun schmerzlich weh, So sollen wir's bedenken eh Und sollen säen besser: Das frommt auch dem Erntemesser. Wir, denen zur Welt hin steht der Muth, Mag er nun bös sein oder gut, Wie thun wir unsern Tagen, Die wir hintreiben und jagen In dem Namen der Minne Und finden nichts darinne, Als wieder dieselben Saaten, Womit wir sie berathen, Mißlingen, Unheil, Wankelmuth: Wir finden da nichts von dem Gut, Das unser Jeglicher begehrt, Das unser Keinem wird gewährt. Das ist der stete Freundesmuth, Der allstund wohl und sänftlich thut, Der die Rosen bei dem Dorne trägt, Zu der Mühsal den Frieden legt, Bei dem je liegt verborgen Die Minne in den Sorgen, Der je am Ende Freude bringt, So oft er mit der Trübsal ringt; Den findet man so wenig nun: Das ist die Frucht von unsrem Thun. Es ist viel wahr, was man da sagt: Minne ist getrieben und gejagt Bis ans endloseste Ende fort. Wir haben von ihr nur noch das Wort, Uns ist nur noch der Name blieben Und haben auch den zu Tod getrieben, Ihn abgenutzt und abgelähmt, Daß sich die Müde seiner schämt Und ist ihr zur Beschwerde; Sie ist auf dieser Erde Ihr selbst zuwider und zur Last, Ein ehrenloser, unwerther Gast; Sie gehet heischen und bitten Und trägt von schnöden Sitten Buntscheckig einen Sack herum Mit gestohlnem Gut und mit Bettelthum, Das sie dem eignen Mund entschlägt Und in den Straßen zu Markte trägt. O weh, den Markt, den schaffen wir, Das Wunder, das treiben wir mit ihr Und haben gar rechtfertigen Sinn. Minne, aller Herzen Königin; Die Eine, die da immer rein Und frei war, ist um Kauf gemein. Wie haben wir unser königlich Theil An ihr zinsbar gemacht und feil! Im Ring der Treue tragen wir Ein schnödes Conterfei von ihr Und machen uns selber Wind und Rauch. Es ist ein armer Lügenbrauch, Wer Freunden also leuget, Daß er sich selber treuget. Wir Minner mit falschem Sinne, Falschmünzer wir der Minne, Wie tödten wir unsre Tage, Daß wir unsrer Klage So selten liebes Ende geben! Wie vergeuden wir unser Leben So ohne Lieb, so ohne Gut! Nun gibt uns doch das guten Muth, Was ferne liegt von unsrem Gleis: Was Jemand schöner Mären weiß Von minnehaften Dingen, Was wir zur Rede bringen Von Menschen, die weiland waren Vor manchen hundert Jahren, Das thut uns in dem Herzen wohl, Und sind derselben Lust so voll, Daß, wo nur Jemand wäre Voll Treue und voll Ehre Und wider den Freund ohn Lug und Trug, Er könnte sich solcher Lust genug Aus seinen eignen Sachen In seinem Herzen machen: Denn uns dasselbe zu aller Frist Mit Jammer unter den Füßen ist, Davon es emporwill, seufzt und fleht: Das ist Treue, die von Herzen geht; Die trägt sich uns an, will unser sein, Wir aber achten ihrer klein Und treten so die Süße Gleichgiltig unter die Füße; Wir haben mit Mißgebärde Sie getreten in die Erde; Und wollten wir sie auch suchen dort, Wir wüßten nicht gleich, an welchem Ort. So gut, so lohnend allermeist Sich unter Freunden Treu erweist, Warum denn lieben wir sie nicht? Ein Blick, ein inniglich Gesicht, Vom Herzelieb entboten, Das löset alle Knoten, Das löschet alle Schmerzen Am Leibe und im Herzen. Ein Kuß in Liebes Munde, Der von des Herzens Grunde Emporgeschwebet käme, Ah, was euch der benähme Viel sehnender Sorge und Herzensnoth! Ich weiß wohl, Tristan und Isot, Die Raschgesinnten beide, Benahmen auch vom Leide Und von der Klage einander viel, Da sie an Eines Willens Ziel Gekommen waren mit Einem Sinn. Jenes Verlangen war dahin, Das da hanget und banget. Weß Minnende verlanget, Deß hatten sie unter sich genug: Wenn sie gewannen Zeit und Fug, Daß sie zusammen kamen, So gaben sie und nahmen Mit getreulichem Sinne Ihnen selbst und der Minne Willigen Zins und guten Zoll. Nun war es ihnen gar innig wohl Auf der Reise und auf der Fahrt, Seit die Fremde zunichte ward, Da fanden sie eine Heimath gleich, An schönen Heimlichkeiten reich. Und war das weis und wohl gethan; Denn die sich hehlen noch fortan, Nachdem sie sich offenbaren, Und wollen die Scham bewahren Und fremden sich in Liebe, Die sind sich selber Diebe. Je mehr sie sich verhehlen, Je mehr sie sich selber stehlen Und mischen Lieb mit Leide. Diese Minnenden beide Verhehlten sich einander nicht: Mit Rede und mit Angesicht Waren sie heimisch Du und Du. So brachten sie die Reise zu Mit wonniglichem Leben; Doch war's nicht umsonst gegeben: Furcht trübte ihnen manchen Tag, Sie fürchteten voraus den Schlag, Zu dem es auch am Ende kam, Der ihnen seit viel Lust benahm Und brachte sie in manche Noth: Das Unheil, daß die schöne Isot Dem Manne werden sollte, Dem sie nicht werden wollte. Auch drängte sie Beide noch ein Leid: Das war Isoldens Magdlichkeit; Um diese mußten die Beiden Viel Kummer und Sorge leiden. Doch waren diese Klagen Ihnen nicht schwer zu tragen, Dieweil sie ihren Willen Durften so freisam stillen Gar oft und ohne Widerstand. Nun daß sie Kornewall dem Land Segelten also nahe, Daß man das Land wohl sahe, Da freuten sie sich mit Schalle; Sie waren fröhlich Alle, Nur Tristan nicht und nicht Isot, Die waren da in Angst und Noth; Ihr Wille, wäre der geschehn, Sie hätten nimmer Land gesehn. Furcht um ihr Beider Ehren Wollte ihr Herz verzehren; Sie kamen zu keinem Schlusse nie, Was sie thun sollten oder wie, Auf daß das Werk der Liebe Dem König verborgen bliebe. Und doch, wie auch ohn Rath und Sinn Kindische Liebende von Beginn In ihrer blinden Kindheit sind, Der Rath, der fiel doch an das Kind. So Minne an blinden Kinden Ihr Spiel vermag zu finden, So mögen wir an den Kinden Witze und Liste finden. Der Minne Schuld Der Minne Schuld. Langer Umschweif sei verbannt: Isolde in ihrer Kindheit fand Einen Witz und eine List, Die allerbesten zu der Frist: Daß sie nichts weiter thäten, Als daß sie Brangänen bäten, Daß sie in der ersten Nacht Ohne Rede still und sacht Bei König Marke läge, Gesellschaft mit ihm pfläge. Das konnte er leiden ungeklagt, Denn sie war schön und war auch Magd. So machet nun die Minne Lautere treue Sinne Auf Arg und Falsch beflissen, Die doch nicht sollten wissen Von Falschheit, noch von Lügen, Noch böslichem Betrügen. Die Liebenden also thaten: Brangänen sie da baten Also lange und also viel, Bis sie es brachten an das Ziel, Daß sie sich zu der That verstand Und gelobte es auch mit Mund und Hand, Doch aber auch mit mancher Noth: Sie ward da mehr als einmal roth Und wieder bleich bei diesem Sang; Auch that's ihr Noth: das Liedlein klang Auch seltsam, wie ich wähne. »Traut Fraue,« sprach Brangäne, »Eure Mutter, der ich dienstbar bin, Die gesegnete Königin, Befahl Euch in meine Pflege, Und sollt ich auf diesem Wege Und dieser leiden verfluchten Fahrt Euch haben vor solchem Leid bewahrt; Und nun mit der Wahrlosigkeit Hab ich Euch gebracht in Schmach und Leid. Darum so darf ich wenig klagen, Muß ich mit Euch die Schande tragen: Es wär auch wohl gefüge, Daß ich sie alleine trüge, Wenn nur Ihr ledig möchtet sein. Gnädiger Gott und Herre mein, Wie konntest du mein vergessen, ach!« – Isolde zu Brangänen sprach: »Stolze Niftel, sage mir, Was meinest du, was wirret dir? Mich wundert, was du klagst. So sag's.« – »Fraue, da warf ich eines Tags Aus dem Schiffe ins Meer ein Glas.« – »So thatest du: was wirret das?« – »O weh, dasselbe Glas fürwahr Und der Trank, der darinne war,« Sprach sie, »der ist euer Beider Tod.« – »Warum doch, Niftel?« sprach Isot: »Was soll das heißen?« – Das heißt so viel: Nun berichtete sie das leide Spiel Den Beiden ganz von Anfang an. – »Nun walte Gott!« sprach da Tristan: »Es sei nun Tod oder Leben, Es hat mir sanft vergeben. Ich weiß nicht, wie jener werden soll: Dieser Tod, der thut mir wohl. Sollte die wonnigliche Isot Immer also sein mein Tod, So wollte ich gerne werben Um ein ewigliches Sterben.« Laßt alle Rede bleiben: Wollen wir Liebe treiben, So kann's ja nicht immer bleiben, Wir müssen Leid auch treiben. Wie sanft uns in der Liebe sei, So müssen wir doch je dabei Gedenken auch der Ehren. Wer sich an nichts will kehren Denn an des Leibes Freud und Lust, Der kommt an Ehre zu Verlust. Wie wohl Tristanden mochte thun Das Leben, das er hatte nun, Doch zog ihn seine Ehre ab. Seine Treue ihm Warnung gab, Daß er ihrer gedächte Und Marken sein Weib heimbrächte. Die beiden, Ehr und Treue, Bezwangen ihm aufs Neue Sein Herz und seine Sinne, Die da gegen die Minne Hatten zuvor den Sieg verloren, Da er die Minne für sie erkoren: Die zwo Sieglosen im ersten Streit, Die siegten über die Minne seit. Tristan hieß Boten gehen ans Land yIn zwei Fahrzeugen wohlbemannt Und entbot dem Herrn die Märe, Wie es ergangen wäre Mit der Schönen vom Irenland. Marke besandte allzuhand Die Seinen in der Runde: Da rannten zu der Stunde Tausend Boten nach Ritterschaft: Man empfing mit großer Heereskraft Die Heimischen und die Gäste. Das Aergste und das Beste, Das Marke an diesen Zwein empfing, Mit denen sein Leben auch unterging, Dasselbe empfing er also wohl, Als ein Mann das empfahen soll, Was ihm werth vor allen Dingen ist. Marke, der hieß zur selben Frist Den Landbaronen sagen, Daß sie in achtzehn Tagen Bei Hofe sich einfänden, So daß sie ihm wohl anständen Zum Fest und zur Brautleite. Die waren ihm bald zur Seite: Sie kamen reich und herrlich dar. Da kam manch wonnigliche Schaar Von Rittern und von Frauen, Ihre Wonne zu schauen, Die lichte Fraue Isolde. Da ward beschaut die Holde, Da ward ein Wundern fort und fort, Da hörte man nur das Eine Wort: »Isot, Isot la blunde, Marveil de tu le munde! Isold, Isold die blonde, Das Wunder unter dem Monde! Es ist alles wahr, was man da sagt Von der süßen, seligen Magd: Sie gibt den Landen Wonne Gleichwie die lichte Sonne. Es wird nach so wonniglicher Magd In allen Reichen umsonst gefragt.« Nun daß die Ehe vollzogen ward Und sie in ihrem Rechte bewahrt Und Kornewall und Engelland Also gesetzt in ihre Hand, Daß, wenn sie keinen gebäre, Der Erbe Tristan wäre, Und auch die Huldigung vollbracht, Und nun sie sollte auf die Nacht Mit ihrem Herren schlafen gehn, Da hatten sie sich vorgesehn, Sie und Brangäne mit Tristan Und hatten alles zuvor gethan, Auf daß Ort und Gelegenheit Zu ihren Statten wär bereit Und alles wohl berathen. In Marke's Kemenaten Waren die Vier in guter Ruh, Der König und die Drei dazu. Nun war auch Marke herabgekommen. Brangäne hatte an sich genommen Isoldens Brautgewande hier: Die Kleider waren zwischen ihr Verwechselt und der Königin. Tristan führte Brangänen hin, Die Marter zu leiden und die Noth. Die Lichter löschte Frau Isot. Marke Brangänen zu ihm zwang: Ich weiß nicht, wie ihr der erste Klang Gefiel der neuen Weise: Sie duldete so leise, Daß es gar ohne Geräusche blieb: Was ihr Gespiele mit ihr trieb, Sie leistete und gewährte, Was er an sie begehrte, Mit Messing oder auch mit Gold, So wohl, als er es je gewollt. Ich will mich deß auch wohl versehn, Daß es eh selten sei geschehn, Daß je Messing, so schön und reich, Für einen güldenen Vergleich Als Bettgeld ward gegeben. Ich setze gern mein Leben, Daß nimmer ward seit Adams Tagen So edles Trugmetall geschlagen, Noch falsche Münze von echtrem Schlag Zu eines Mannes Seite lag. Dieweil die beiden Guten So ohne Ruhe ruhten, Die ganze Weile hatte Isot Gar große Angst und starke Noth; Sie dachte immerfort bei sich: »Gott Herre, nun bewahre mich Und hilf mir, daß mein Niftelein Mir möge treu und redlich sein. Ich fürchte, treibt sie dieses Spiel Allzu lange und allzu viel, Daß es ihr so behage, Daß es gar drüber tage; So werden dann wir alle Zu Spotte und zu Schalle.« – Nein, ihre Gedanken und ihr Muth, Die waren lauter und waren gut. Nachdem sie für Isolden Das Messing machte golden Und leistete ihre Teiding dort, Da ging sie von dem Bette fort. Bald auch zur Hand Isolde war: Vor das Bette saß sie dar, Als sollte sie Dieselbe sein. Da heischte der König auch den Wein, Wie es die Sitte ihm befahl: Denn es war Sitte dazumal, Daß man in allweg dessen pflag, Wenn Einer bei einer Jungfrau lag Und ihr die Blume abgewann, Daß Jemand kam mit Wein alsdann Und bot den Trank da Beiden Zusammen ohn Unterscheiden. Dieselbe Sitte auch da geschah: Tristan sein Neffe brachte da Beide so Licht als Wein dahin. Der König trank und die Königin. Auch kann man in Mären lesen, Es sei des Tranks gewesen, Von welchem Tristan und Isot Verfielen in ihre Herzensnoth. Nein, der that Keinem fürder weh: Brangäne warf ihn in die See. Nun sie die Sitte gehalten auch, Beide getrunken nach dem Brauch, Die junge Königin Isot, Da legte sie sich mit mancher Noth, Mit verborgenen Schmerzen In ihrem Muth und Herzen Zu ihrem Herrn dem König nieder. Der begann seine Freude wieder: Er zwang sie nahe an seinen Leib. Ich wähne, ihm däuchte Weib wie Weib: Ihm war auch Diese füglich, Und fand's mit ihr vergnüglich. Ihm war Diese wie Jene, Isolde wie Brangäne: An jeder war Messing und war Gold. Auch leisteten sie ihren Sold Also her und also hin, Daß er nichts merkte in seinem Sinn. Fraue Isolde war da stark Von ihrem Herrn und König Mark Geminnet und gehehret, Gepreiset und geehret Beides von Land und Leuten, Die sich der Gaben freuten, So man an ihr so reichlich sah. Wer loben konnte, der sprach da Zu ihrem Lob und Heile. Unter all dieser Weile Die Fraue mit ihrem trauten Lieb Gar manche Stunde süß vertrieb Und hatten allzeit ihre Lust; Denn Keinem war davon bewußt; Da ahnte weder Weib, noch Mann, Es wäre was Unrechtes dran. Sie war in seiner Pflege Allstund und allewege Und lebte, wie ihr däuchte gut. Hiemit so nahm sie in ihren Muth Und bedachte, wie es um sie stand: Da nur Brangänen war bekannt Von ihren geheimen Ränken, Mußte sie immer denken, Wenn die Eine nicht wäre, Alsdann um ihre Ehre Dürfte sie wenig in Sorgen sein. Ihre Sorge, die war nicht klein; Sie fürchtete sehr zu aller Zeit, Brangäne möchte zu Marken seit Etliche Liebe tragen Und ihm am Ende sagen Die Schmach und die ganze Märe klar, Alles, wie es ergangen war. Die sorgenhafte Königin, Die wies damit auf die Wahrheit hin, Daß man auf Erden Schmach und Spott Mehr fürchtet als den gerechten Gott. Zween Knechte sie besandte, Von England Unbekannte; Dieselben hieß sie Beide Eide schwören auf Eide, Treu über Treue geben Und gebot auf Leib und Leben, Was sie sie hieße untergehn, Das sollte, beides, rasch geschehn Und auch verhohlen bleiben. Sie begann sie anzutreiben: Also sprach die Mordstifterin: »Nun merket Beide meinen Sinn: Ich geb euch eine Jungfrau mit, Die nehmt mit euch auf einen Ritt Wohl heimlich und wohl balde Zu irgend einem Walde, Er sei fern oder nahe bei, Der euch dazu gefällig sei, Da Niemand hause, nicht Mann, noch Weib, Und schlaget ihr das Haupt vom Leib, Und all ihr Reden, das merket ihr, Und was sie sage, das saget mir. Ihre Zunge bringt mir dann herein; Und sollt auch deß versichert sein, Wie ich's nur füglich machen mag, Daß ich euch morgen an dem Tag Mit ritterlicher Sache Beide zu Rittern mache, Und will euch beleihen und begaben, Dieweil ich mag das Leben haben.« Die Rede ward da fest bestallt. Isolde nahm Brangänen bald: »Brangäne,« sprach sie, »schau doch her: Wie seh ich aus? mißfarbig sehr! Ich weiß nicht, wie es um mich steh: Mein Haupt, das thut mir schmerzlich weh. Du mußt uns Wurzeln bringen: Wir müssen diesen Dingen Versuchen Rath zu geben, Sonst geht's mir an das Leben.« – Die getreue Brangäne sprach: »Traut Fraue, Euer Ungemach, Das macht mir Angst und schmerzt mich sehr. Nun redet auch nichts weiter mehr: Heißet mich weisen an einen Ort, Auf daß ich möge erforschen dort, Was Euren Dingen behilflich sei.« – »Nun sieh, zween Knappen sind hie bei: Mit denen reite, die weisen dich.« – »Gerne, Fraue, und das thu ich.« – So ritt sie in Gottes Namen. Nun sie zum Walde kamen, Da Wurz und Kraut und Gras zuhand In Fülle nach ihrem Willen stand, Da wollte Brangäne vom Rosse sein. Nun führten sie sie baß hinein In die Wüste und Wilde. Nun sie von dem Gefilde Ferne ins Dickicht kamen, Die Getreue sie nahmen, Die Höfische, vom Pferde Und setzten sie auf die Erde Mit Trauer und mit Leide Und zuckten die Schwerter beide. Das war Brangänen solch ein Schlag, Daß sie still an der Erde lag Und lag so lang darnieder; Ihr bebten Herz und Glieder. Erschrocken sah sie auf und sprach: »Gnade, Herre,« sprach sie, »ach! Um Gott, was stellt ihr mit mir an?« – »Um Euer Leben ist's gethan.« – »O weh! warum? das saget mir!« – Und Einer sprach: »Was habet Ihr Begangen wider die Königin? Die hieß Euch schlagen: nun kommt's dahin: Eure und unsre Fraue Isot, Die hat geschaffet Euren Tod.« Sie schlug die Hände zusammen: »Nein,« Sprach sie mit Weinen, »Herre mein, Bei Gott und Eurer Güte, nicht! Fristet mir Beide dies Gericht Und laßt mich also lange leben, Daß ich euch Antwort möge geben. Darnach habt ihr mich bald erschlagen. Ihr möget wissen und sollt ihr sagen, Daß ich nicht habe die kleinste Schuld Begangen wider ihre Huld, Daran ich mich hätte je versehn, Daß ihr sollte ein Leid geschehn, Es wäre denn nur also viel, Was ich doch nicht verhoffen will: Da wir Zwo fuhren von Irenland, Da hatten wir Zwo zwei Gewand, Die hatten wir uns Beiden Erwählt und ausgescheiden Von anderem Gewande; Die führten wir von Lande, Zwei Hemden, weiß wie lauter Schnee. Da wir nun kamen auf die See Und waren auf der Ueberfahrt, Isolden heiß von der Sonne ward, So daß sie in den Tagen Kaum etwas mochte tragen Als nur ihr Hemd alleine, Das weiße und das reine. Also ward ihr das Hemde lieb, Daß sie's trug und das so lange trieb, Bis daß es übertragen gar Und seine Weiße getrübet war. Nun hatte ich aber das meine Heimlich in meinem Schreine In reinen weißen Falten Verborgen und behalten, Und als meine Fraue gen Kornwall kam, Den König ihren Herren nahm Und mit ihm schlafen sollte gehn, Da war das Hemde nicht anzusehn So reinlich, als es sollte Und als sie gerne wollte: Daß ich ihr lieh das meine nun, Und wollt's vielleicht nicht willig thun Und mich so gegen sie vergaß, Das müßte ihr wirren, und ist's nicht das, So weiß Gott, daß ich nimmermehr Noch ihr Gebot, noch ihr Begehr Gering geachtet habe. Nun gönnt mir die Gottesgabe Und sagt ihr, ich grüße sie also wohl, Als eine Magd ihre Frauen soll. Und Gott nach seiner Güte, Der bewahr und behüte Ihr Ehre, Leib und Leben! Auch sei ihr mein Tod vergeben. Die Seele befehl ich in Gottes Wacht, Den Leib in eure Hand und Macht.« Nun aber begannen diese Zween Erbärmlich einander anzusehn: Sie erbarmte an der Reinen Ihr innigliches Weinen; Es reuete sie Beide Und nahmen sich's zu Leide, Daß sie um güldne Sporen Hatten den Mord geschworen, Da sie an ihr nichts funden, Und konnten auch nichts erkunden, Das solchen Mord zuließe Und todeswürdig hieße. Nun riethen sie und sannen, Bis sie den Rath gewannen, Was sich auch möge begeben, Sie wollten sie lassen leben. Die Getreue banden sie alsobald Auf einen hohen Baum im Wald, Daß sie die Wölfe nicht nähmen, Bis daß sie wieder kämen, Und schnitten an der Stunde Einem der Vogelhunde Die Zungen aus und ritten hin. Da sagten sie der Königin, Der grimmen mörderischen Isot, Sie hätten sie geführt zum Tod Mit Jammer und mit Leide, Und sagten ihr da Beide, Dieselbe Zunge, die sei von ihr. Isolde sprach: »Nun saget mir, Was Märe sagte euch die Magd?« – Sie meldeten, was sie gesagt, Von Anfang bis zu Ende fort Und verschwiegen auch nicht Ein Wort. »Mehr nicht?« sprach sie und ward wie Schnee. »Nein, Fraue.« – Isolde rief: »O weh Und Waffen über dieses Leid! Unselige Mörder, die ihr seid, Was habt ihr angefangen! Ihr müsset Beide hangen.« – »Herre,« sprachen aber sie, »Wie lauten diese Mären hie? Viel wunderliche Frau Isot, Ihr habt uns doch mit mancher Noth Erflehet und genöthet, Daß wir sie haben ertödtet.« – »Ich weiß nicht, was ihr von Flehen sagt: Ich hab euch befohlen meine Magd In eure Hut und Pflege, Sie zu hüten auf dem Wege, Daß sie mir sollte bringen Etwas zu meinen Dingen. Die müßt ihr mir wieder geben, Oder es geht euch ans Leben. Unselige Mordschlangen, Ihr werdet Beide erhangen Oder auf einer Hurt verbrannt.« – »In Treuen!« sprachen sie zuhand, »Fraue, Euer Herz und Euer Muth, Die sind nicht lauter und sind nicht gut; Eure Zunge, die ist sehr mannigfalt. Nun, Fraue, fristet diese Gewalt: Eh man uns soll begraben, Eh sollt Ihr sie wieder haben, Um die Ihr klagt, schön und gesund.« – Die Königin, die sprach zur Stund Und weinte hart und weinte sehr: »Nun lüget mir nicht fürder mehr: Lebt Brangäne, oder ist sie todt?« – »Sie lebt noch, wunderliche Isot.« – »O weh, so bringet mir sie her, Und was ich habe gelobt vorher, Das sollt ihr auch fürwahr empfahn.« – »Fraue Isot, das sei gethan.« – Isolde behielt den Einen dort; Der Andre, der ritt zur Stunde fort Und kehrte hin, wo Brangäne war, Und brachte sie ihrer Frauen dar. Und da sie für Isolden kam, Isolde sie in die Arme nahm Und küßte sie auf Wang und Mund Zu einer und zu mancher Stund. Den Zweien gab sie zu Solde Wohl zwanzig Mark von Golde Mit Beding, daß die Märe Von ihnen verhohlen wäre. Nun daß die Königin Isot Brangänen in der Todesnoth Hatte getreu und stet und gut Und auch an ihrem Sinn und Muth Untadlig in alleweg erkannt Und in dem Tiegel rein gebrannt Und geläutert wie klares Gold, Seit waren Brangäne und Isold Im Herzen und im Sinne So voll Treue und Minne, Daß sie nicht mehr auf Erden Konnten geschieden werden. Sie waren da, die seligen Zwo, Ihres Muthes und Herzens froh. Brangäne stand am Hofe wohl, Der Hof war ihres Lobes voll, Sie war da werth bei Allen Und trug Niemanden Gallen, Im Herzen nicht, noch mit der That. Sie war da wohlbetrauter Rath Des Königs und der Königin. Auch geschah nichts in der Kammer drin, Das sie nicht mußte wissen; Auch war sie stets beflissen, Isolden wohl zu dienen: So dienete sie ihnen, Ihr und Tristanden, mit Fleiße. Dies trieben sie also leise, Daß Niemand über ihrem Spiel Auf einen Argwohn je verfiel. Rede, Gebärde, Märe, Und was dergleichen wäre, Nahm ihnen selten Jemand wahr, Und Keinem träumte, was es war. Ihnen war sanft und also wohl, Als zweien Liebenden werden soll, Denen alles zu jeder Frist Zu Statten und zu Willen ist. Da waren allzeit, siehe, Amis und seine Amie In der Minne Gejage, Begannen oft am Tage Die Augen zu verstricken Mit inniglichen Blicken Am Hof und unter Leuten, Da Blicke sollen deuten Und Wechselmäre meinen, Wodurch man sich vereinen In aller lieben Liebe mag. Das trieben die Beiden Nacht und Tag, Und war das ohne Gefährde: Mit Rede und Gebärde Waren sie, mochten sie stehen, Sitzen oder gehen, Frei, offen und ohne Zagen. Ihr offenes Betragen, Und das verstanden sie wundersam, Begannen sie oft, nachdem es kam, Mit Klebeworten zu durchweben: Oft sah man in ihren Mären kleben Der Minne Werk, aus Worten Gewirkt, wie Gold in Borten. Doch Keinem kam's zu Sinne, Daß da von andrer Minne In ihnen wirke eine Kraft, Als einzig von der Magenschaft, Die da so groß und offenbar An Marken und Tristanden war. Mit der verkauften sie da viel Und brachten hinaus ihr Minnespiel; Ob solchem Spiel der Minne Täuschten sie manche Sinne, Von denen keiner je befand, Wie es um ihre Liebe stand. Die war an ihnen rein und gut: Ihr Beider Sinn, ihr Beider Muth War Eins in Allem, Ein und Ein, War Ja und Ja, war Nein und Nein: Von Ja und Nein, von Nein und Ja, In Treuen, war nichts zu hören da. An ihnen war nichts zu scheiden: Da war nur Eins in Beiden. Tristan und seine Königin, So trieben sie lieblich die Stunden hin, Zuweilen so, zuweilen so: Sie waren unterweilen froh Und unterweilen ungemuth, Wie Liebe zweien Liebenden thut: Die brauet in ihren Herzen Das Wohlsein bei dem Schmerzen, Bei Freude Kummer, bei Wonne Noth. So Tristan und seine Frau Isot Ihr Ziel in ihren Dingen Nicht konnten stets erringen, Das war ihre Noth: also und so Waren sie traurig und waren froh. Auch dieses blieb nicht aus dem Spiel, Daß Zorn zu ihrer Liebe fiel, Ich meine Zorn ohn Hassen. Kann das Jemand nicht fassen, Daß Zorn je sollte stammen Aus solchen Herzensflammen, Fürwahr, da bin ich sicher dran, Daß Der nie rechte Lieb gewann. Denn solches ist die Art der Minne: Damit entflammt sie minnende Sinne, Damit befeuert sie den Muth: Denn wie der Zorn viel wehe thut, So sühnt die Herzen je die Treu, Da ist die Liebe wieder neu Und Treue größer denn zuvor. Doch wie sie wallen im Zorn empor, Wie sie von selbst zur Sühne kommen, Das habt ihr wohl schon oft vernommen. Minnenden dünket gerne, Die sich nicht wohnen ferne Und sind sich immer nahe bei, Daß Jemand anders lieber sei Und näher liege dem Herzen an, Und machen aus einem kleinen Wahn Ein mächtiges Zornfeuer, Eine Sühne, reich und theuer, Aus einem kleinen Leide; Und ist auch gut für Beide Und soll man's nicht verwehren: Hievon soll Liebe sich nähren, Verjüngen und erneuen, Entzünden an den Treuen. Die Liebe armet und altet, Verkühlet und erkaltet, Wo sie gar nicht im Feuer steht; Denn so der Zorn an ihr zergeht, Zuhand so grünet sie auch nicht. Wenn unter Freunden je ausbricht Ein Zörnlein irgend, sehet hin, So ist Treue je die Sühnerin Aufs Frische und aufs Neue. Dies erneuet die Treue, Dies läutert die Liebe gleichwie Gold. So trieben Tristan und Isold Mit Lieb und Leid die Stunden hin: Lieb und Leid hielt ihren Sinn Frisch und in steter Unmüßigkeit: Lieb mein ich ohne Herzeleid. Noch wußten sie nichts Beide Von solchem Herzeleide Und nichts von solcher Jammernoth, Die da mit Tod dem Herzen droht. Auch bargen sie so Lieb als Leid Und verhahlen ihre Heimlichkeit Mit Augen und mit Munde Und trieben das manche Stunde. Sie waren Beide hochgemuth, Ihr Muth war frei und immer gut. Die Königin Isolde, Die war so werth und holde Bei den Leuten und in den Landen; Auch sagten von Tristanden Alle zusammen, Leut und Land: Er war bekannt und viel genannt, Gefürchtet ohne Gleichen In beiden Königreichen. Rotte und Harfe Rotte und Harfe. Tristan erfreute sich seiner Kraft: Mit ernstlichem Kampf und Ritterschaft Verthat er seiner Stunden viel. Er dienete mit Federspiel Seinen müßigen Tagen; Er ritt birschen und jagen, Wenn's eben auf die Stunde fiel. In diesen Zeiten kam ein Kiel Zu Kornwall in Markes Hafen an, Draus ritt ein Ritter wohlgethan, Ein edler Baron von Irenland: Derselbe war Gandin genannt, War höfisch, schön und reich und hehr, Von Leibe männlich also sehr, Daß seine Mannheit weit erscholl Und war davon ganz Irland voll. Der kam allein, gar schön gekleidt, Mit ritterlicher Herrlichkeit Und adeligen Sitten Auf Marke's Hof geritten. Er hatte weder Schild, noch Speer: Ueber dem Rücken führte er Eine Rotten, die war kleine, Mit Gold und mit Gesteine Geschönet und gezieret, Zu Wunsche gecordiret. Und als er vom Roß gestiegen war, Da ging er zum Palaste dar Und grüßte dort mit höf'schem Sinn Den König und die Königin, Deren Ritter und Amis Er in vorigen Tagen hieß Und hatte ihr gedient mit Schall Und kam auch heut gen Kornewall Um ihretwillen von Irenland. Nun erkannte sie ihn auch zuhand: »De us sal, Messire Gandin!« Sprach die gefüge Königin. – »Merzi,« sprach Gandin, »bele Isold, Schöner und schöner denn jedes Gold In Gandins Augen, Holde!« – Nun sagte heimlich Isolde Dem Könige, wer er wäre. Dem däuchte es alberne Märe Und wunderte ihn auch genug, Daß er die Rotten auf ihm trug. Das nahm sie alle Wunder da, Ein Jeder kam, ein Jeder sah, Und war der Hof des Wunders voll. Jedoch befliß sich Marke wohl, Sein ehrenvoll zu pflegen, Der eignen Ehre wegen Und durch Isoldens Bitte, Die bat ihn, daß er ihm Sitte Möchte erzeigen und Ehre, Weil er ihr Landsmann wäre. Das that der König williglich: Er hieß ihn sitzen neben sich Und fragte ihn allerhanden Von Leuten und von Landen, Von Frauen und höf'scher Kunde. Nun um die Essensstunde, Da das Gesinde Wasser nahm Und auch zu ihm das Wasser kam, Da ward er viel und aber viel Gebeten, daß er sein Rottenspiel Nun möchte von sich legen; Da war er nicht zu bewegen. Der König und die Königin, Die sahen stille drüber hin. Da däuchte es aber ihrer gnug Unhöfische Art und schlechter Fug; Auch blieb er nicht ungeschlagen: Es gab ein Reden und Sagen, Ein Lachen und ein Spotten. Der Ritter mit der Rotten, Der Herre mit der Harenschar, Der nahm das alles wenig wahr: Er war niedergesessen Neben Marke zum Essen, Er aß und trank, was an ihn kam. Nun man die Tische von hinnen nahm, Stund er auf und ging von dannen Sitzen zu Marke's Mannen; Die leisteten ihm Genossenschaft, Die waren sehr mit ihm behaft Mit höfischen Reden her und hin. Der König von tugendreichem Sinn, Marke mit höf'schen Sitten, Begann ihn offen zu bitten, So er wohl rotten könnte, Daß er es Allen gönnte, Daß sie vernähmen sein Saitenspiel. Der Gast sprach: »Herre, eh ich will, Eh muß ich wissen von Euch, um was?« – Der König sprach: »Herre, wie meint Ihr das? Begehret Ihr eine Gabe? Ich geb Euch, was ich habe: Laßt uns vernehmen, was Ihr könnt: Was Euch lieb ist, sei Euch vergönnt.« – »Das sei!« sprach der von Irenland Und spielte einen Leich zuhand, Der ihnen Allen sanfte that. Der König ihn da zur Stelle bat, Daß er aber einen machete. Der trügliche Spielmann lachete Viel inniglich hinein in sich: »Die Gabe,« sprach er, »lehret mich, Daß ich Euch rotte, was ich soll,« – Und spielte den zweimal so wohl. Nun daß der andre war gethan, Da trat Gandin den König an, Die Rotten an der Hand er trug: »Nun, Herre, seid gemahnt mit Fug, Was ihr gelobtet wider mich.« – Der König sprach: »Gerne, das thu ich. Saget mir an: was wollet Ihr?« – »Isolden, Herre, gebet mir.« – »Freund,« sprach er, »was Ihr, ohne Die, Gebietet, das ist alles hie. Davon thut aber die Rede hin!« – »In Treuen, Herre,« sprach Gandin, »Ich will nicht Groß, noch Kleine, Denn nur Isold alleine.« Der König sprach: »Das geschiehet nicht.« – »Herre, so wollt Ihr Euch Eurer Pflicht Und Eures Eids entschlagen? Kann man das von Euch sagen, Daß Ihr eid- und wortbrüchig seid, So sollt Ihr nach derselben Zeit In keinem Lande mehr König sein. Das Königsrecht heißt lesen fein: Findet Ihr's nicht geschrieben dort, So geh ich von meinem Rechte fort. Und sprecht Ihr, oder wer es spricht, Ihr hättet mir's gelobet nicht, So folge ich meinem Rechte hin Wider Euch und wider Ihn, Wie mir der Hof das Urtheil fällt: Mein Leben, das ist feil gestellt Mit Kampf und mit Gefechte, Bis ich komme zu meinem Rechte. Wer da will, Ihr oder Ihr, Der reite in einen Ring mit mir: Ich will behaupten zu dieser Frist, Daß mein die schöne Isolde ist.« Der König, der sah her und dar Und nahm auf allen Seiten wahr, Ob er nicht Jemand möchte sehn, Der diesen wagte zu bestehn. Nun war da Niemand, der sein Leben An solches Wagniß wollte geben: Auch Marke selber wagte nicht Um seine Frauen ein Kampfgericht: Denn dieser Ire war so herzhaft, So mannlich und von solcher Kraft, Daß ihrer Keiner wollte dran. Nun war inzwischen mein Herr Tristan Birschen geritten zu Walde Und war auch nicht so balde Vom Walde wieder zu Hofe kommen, Daß er nicht unterwegs vernommen Die leide neue Märe, Daß sie des Iren wäre. Es war auch so, sie war's: Gandin, Der hatte die schöne Königin, Die manche Thräne fallen ließ Und manche Klage erschallen ließ, Vom Hofe an den Strand gebracht, Und dorten war ihm aufgemacht Ein Pavelon, und der war reich, War wohlgethan und herrengleich; Da ging er mit der Königin Alldieweile zu sitzen drin, Bis das Meer wieder käme, Auf daß der Kiel dann nähme Den Fluß und Schuß vom Strande; Denn er lag auf dem Sande. Nun Tristan wieder zu Hofe kam Und von der Rotten da vernahm Die Märe baß und aber baß, Zuhand er auf seinen Renner saß, Die Harfen nahm er an die Hand, Er kam wohl balde hingerannt Zum Hafen, und davon nicht weit Ritt er zu einem Busch beiseit Mit List und band da feste Sein Roß an ein Geäste; Das Schwert, das hängte er daran; Fort lief er mit der Harfe dann Und kam zum Pavelone Und fand auch dem Barone Sitzend dort in dem Arme Die freudelose Arme, Die weinende Königin Isot: Die tröstete er mit vieler Noth. Nun half es aber kleine, Bis daß sie den alleine, Den Harfner sah, den rechten Mann. Den grüßte der Ritter und begann: »De te saut, beas Harpiers.« – »Merzi, gentil Schevaliers. Herre, ich bin,« sprach aber er, »Daher geeilet mächtig sehr: Man sagte mir an dieser Zeit, Daß Ihr vom irischen Lande seid; Herre, von dannen bin auch ich: Durch Eure Ehre führet mich Hin wieder heim gen Irenland.« Der irische Ritter sprach zuhand: »Geselle, das gelob ich dir. Nun sitze nieder, harfe mir: Getröstest du die Frauen mein, Daß sie ihr Weinen lässet sein, So geb ich dir Gewand zum Lohn, Das beste in diesem Pavelon.« – »Das gelob ich, Herre,« sprach Tristan, »Auch hab ich guten Trost daran, Wenn Spielen wirkt nur also viel, Daß sie durch eines Mannes Spiel Ihr Weinen wolle mindern, Gebt Acht, es wird sich lindern.« – Da begann er seine Kunde Und harfete an der Stunde Einen Leich, so süß und inniglich, Der Isolden in ihr Herze schlich Und nahm ihr alle Gedanken ein, So daß sie ließ ihr Weinen sein Und war auf ihren Freund bedacht. Nun daß der Leich da war vollbracht, Da war dem Kiele Wasser kommen Und hatte er seinen Fluß genommen. Hiemit so rief die Schiffsmannschaft Vom Kiel herab mit aller Kraft: »Herre, Herre, geht heran, Wohl balde! Und kommt mein Herr Tristan, Dieweil Ihr an dem Lande seid, So haben wir eine üble Zeit. Es steht gar alles in seiner Hand, Beides, die Leute und das Land. Auch ist er selber, wie man sagt, So kühnlich und so unverzagt, So wohlbeherzt und hochgemuth, Daß er Euch leichtlich Schaden thut.« – Die Rede gab ihm Ungemach; Gandin aus großem Unwerth sprach: »Nun müsse ich haben Gottes Haß, So ich von hinnen sollte um das Ein Stündlein eher zu Schiffe hin. Geselle, noch einen Leich beginn! Der von Didone soll es sein: Du harfest also schön und fein, Daß ich es an dich minnen soll. Nun harfe meiner Frauen wohl. Ich führe dich in Minnen Mit mir und ihr von hinnen Und gebe dir auch allhie zuhand Deinen Verheiß und dein Gewand, Das beste, das ich geben kann.« – Tristan sprach: »Herre, das sei gethan.« Anhub der Spielmann alsogleich Und rührte die Harfe zum zweiten Leich Mit Tönen, also schönen, Daß seinen schönen Tönen Gandin das Ohr viel fleißig bot. Auch konnte er sehen, daß Isot Die Harfe nahm gar sehr in Acht. Nun, dieser Leich, der war vollbracht. Gandin, der nahm die Königin Und wollte nach dem Schiffe hin. Nun war da Fluth und Wellentos Vor der Schiffbrücken also groß, Daß zu derselben Zeit vom Land Ohn ein viel hohes Roß Niemand Der Brücke konnte kommen nah. Gandin, der sprach: »Was thun wir da, Daß meine Fraue hinkommen kann?« – »Seht, Herre,« sprach der Harfenmann, »Seit daß ich dessen versichert bin, Daß Ihr mich mit Euch führet hin, Soll auch von meinen Dingen all Wenig verbleiben in Kornewall. Ich hab ein hohes Roß hie bei Und wähne, daß es so hoch wohl sei, Daß ich durch dieses Grauen Eure Freundin, meine Frauen, So schön zur Brücken führe, Daß sie das Meer nicht rühre.« – Gandin sprach: »Lieber Spielmann, gut! Bald eile, bring dein Roß zur Fluth Und bring auch alsbald dein Gewand!« Tristan, der brachte das Roß zuhand; Und alsbald, da er wieder kam, Die Harfen er auf den Rücken nahm: »Nun, Herre von Irland,« sagte er, »Bietet mir meine Frauen her: Ich führe sie vor mir dahin.« – »Nein, Spielmann,« sagte Herr Gandin, »Du sollt sie nicht anrühren, Ich will sie selber führen.« – »Weh, Herre,« sprach die schöne Isot, »Dies Wesen ist alles ohne Noth, Daß er mich nicht berühren soll: Nun wisset nur und glaubet wohl, Ihr seht mich nimmer im Schiffe drin, Es führe mich denn der Spielmann hin.« Gandin bot ihm Isolden dar: »Geselle,« sprach er, »nimm ihrer wahr, Und führ so wohl sie durch den Fluß, Daß ich dir's immer lohnen muß.« Nun ihm Gandin Isolden gab, Da sprengte er ein wenig ab. Dies ward Gandin gewahr und sprach Dem Harfner mit großem Unwerth nach: »Heda, du Gauch, was soll das sein?« – »Nein, Gauch Gandin!« sprach Tristan: »nein! Freund, Ihr steht an des Gauches Ziel: Was Ihr ertrogt mit dem Rottenspiel, Denselben trüglichen Gewinn, Seht, führe ich mit der Harfen hin. Ihr trogt: nun seid auch Ihr geprellt: Tristan, der hat Euch nachgestellt, Bis daß Ihr überlistet wart. Freund, Ihr gebt Lohn von reicher Art: Ich habe das allerbeste Gewand, Das ich in Eurem Zelte fand.« Tristan ritt seine Straßen. Gandin sah über die Maßen Betrübt und traurig hinten nach. Ihm that der Schade und die Schmach Gar inniglich und schmerzlich weh. Er kehrte wieder über die See Mit Scham und auch mit Leide. Jene Gefährten beide, Die kehrten hin von Herzen froh. Ob sie unterwegen irgendwo Vielleicht zu Freuden kamen, In den Blumen Ruhe nahmen, Sei ohne Wähnen dahingestellt: Wahn und Wähnen, so euch's gefällt, So leg ich's meinethalben nieder. Tristan, der brachte Isolden wieder Seinem Oheim König Marke dort Und strafte ihn mit strengem Wort: »Herre,« sprach er, »das wisse Christ, So lieb, als Euch die Königin ist, So ist es Thorheit und ist Unsinn, Daß Ihr sie gebet so leichte hin Um Harfen oder um Rotten. Es mag die Welt wohl spotten: Wer hat eine Königin je gesehn Um Rottenspiel zu Kaufe stehn? Von Stund an so bewahret das Und hütet meiner Frauen baß.« Tristandens Lob, Tristandens Ehr, Die blühten aber mehr und mehr Am Hof und in den Landen. Sie lobten an Tristanden Den guten Fug, den schnellen Sinn. Herr Tristan und die Königin, Sie waren frei, sie waren froh, Erhöhten den Muth einander so, Eins zu des andern Seiten. Verrathenes Spiel Verrathenes Spiel. In diesen selben Zeiten Hatte Tristan einen Gesellen gut, Der war ein Baron von edlem Blut, Des Königes Landsäße, Sein oberster Truchsäße Und war geheißen Mariodo. Derselbe war Tristandens froh, Trug ihm Freundschaft und Minne Um die süße Königinne: Der trug er heimlichen Liebesmuth, Wie mancher Mann mancher Frauen thut, Da sie sich wenig kehrt daran. Derselbe Truchseß und Tristan, Die Zween hatten unter ihnen zwein Herberge und Schlafgemach gemein Und waren gerne so gepaart; Und war es des Truchsäßen Art, Weil Tristan schöner Mären pflag, Daß er ihm Nachts so nahe lag, Daß er bequem hin zu ihm sprach. Nun geschah es einst im Schlafgemach, Da hatte er mit Tristanden Viel und mancher Handen Rede und Märe getrieben Und war dann schlafen blieben. Tristan, der Knecht der Minnen, Stahl heimlich sich von hinnen Auf seine Fahrt und Weide, Zu manchem Herzeleide Ihm selber und der Königin. Da er hinging mit sichrem Sinn Und fürchtete keine Tücke, Da hatte das falsche Glücke Seine Schlingen, Mühsal und Verrath Geleget an denselben Pfad, Den er zu Isolden freudiglich So manche liebe Stunde schlich: Der war in jener Nacht beschneit. Auch schien der Mond zu jener Zeit Viel licht und leider viel zu klar. Tristan sah keinerlei Gefahr, Ging achtlos und in blinder Ruh Seinem heimlichen Ziele zu, Das ihm von seiner Königin Gesetzt war und beschieden drin. Nun er zur Kemenaten kam, Brangäne ein Schachzabel nahm Und lehnte solches vor das Licht. Da vergaß sie, wie, das weiß ich nicht, Daß sie die Thür am Gemache schloß, Und kehrte zu Bette sorgenlos. Dieweil und aber das geschah, So lag der Truchseß und ersah In seinem Traume, da er schlief, Einen Eber, der aus dem Walde lief Gar gräulich und gar grauensam; Auf des Königes Hof er kam, Schäumend, die Hauer wetzend Und sich zu Streite setzend Wider alles, das er allda fand. Nun kam gelaufen allzuhand Von Hofgesind eine große Kraft; Da lief gewaltige Ritterschaft Um diesen Eber hin und her, Und war doch Niemand in dem Heer, Der ihn zu bestehen wagte. So schoß er fort und jagte Durch den Palast mit Grunzen dar, Da Markes Kemenate war: Da brach er zu der Thüren ein, Und das sein Bette sollte sein, Dasselbe zerwarf er hin und her, Mit seinem Schaum besudelte er Bett, Tücher und all das Geräth, Das man an Königsbetten späht. Dies sahen alle die Mannen, Und trieb ihn keiner von dannen. Nun Mariodoc erwachet war, Nahm er im Herzen des Traumes wahr Und war ihm wunderlich zu Sinn. Da rief er nach Tristanden hin Und wollte ihm sagen Märe, Was ihm begegnet wäre. Doch ihm antwortete Niemand dort. Nun rief er fort und immerfort Und reichte auch mit Händen dar; Und als er da nichts ward gewahr Und auch Niemand im Bette fand, Argwöhnte Mariodoc zuhand, Er hätte heimliche Nachtarbeit; Aber von seiner Heimlichkeit Mit Isolden, der Königin, Davon kam ihm nichts in den Sinn; Der Wahn, der blieb ihm noch gespart; Doch faßte er ob der verstohlnen Art Ein Zörnlein, wie man's bei Freunden findt: »Ich wähnte, er wäre mir baß gesinnt, Als daß er mich ließe zur Seiten Bei seinen Heimlichkeiten.« Mariodoc stund auf zuhand Und legte an sich sein Gewand. Er schlich viel leise hin zur Thür Und lugete mit Fleiß herfür Und sah davor Tristandens Tritt. Da folgte er den Spuren mit Hin durch ein kleines Baumgärtlein. Auch leitete ihn der Mondenschein All über Schnee und Wiese dar, Da Tristan hingegangen war, Bis an der Kemenaten Thür. Da stund er mit bangem Sinn dafür Und mißfiel ihm auch allzuhand, Daß er die Thür so offen fand. So trachtete er da lange Nach seines Freundes Gange, Bedachte Bös und Gutes: Jetzo war er des Muthes, Tristan, der wäre geschlichen ein Aus Liebe zu einem Jungfräulein; War aber sein Wahn also gethan, So kam ihm allzuhand der Wahn, Tristan, der wäre drinne Aus Liebe zur Königinne. Der Wahn, der ging ihm her und hin. Zuletzt ermannte er seinen Sinn Und schlich gar leis und still hinein, Fand weder Licht, noch Mondenschein, Als von der Kerze, die da brann, Kam ihn ein kleiner Schimmer an: Da lehnte ein Schachzabel vor. So ging er immerfort empor, Tastend mit den Händen An Mauern und an Wänden, Bis er zu ihrem Bette kam, Sie beidesammt darin vernahm Und hörte all ihre Gelegenheit. Dasselbe war ihm innig leid Und that ihm in dem Herzen weh: Er hatte stets zu Isolden eh Liebe und holden Muth gehegt: Nun war das alles unterlegt Mit Hasse und mit Leide. Er hatte um sie da Beide, Haß und Leid, Leid und Haß: Ihn mühte dies, ihn mühte das: Er konnte sich nicht berichten, Wie er bei diesen Geschichten Sich hielte und benähme, Daß er zurechte käme. Ihn reizte Haß, ihn reizte Leid Ob der großen Ungebührlichkeit, Daß er ihr Ding lautbarte, Der Beiden nimmer sparte. So zog ihn aber Tristan ab, Dazu die Furcht, die ihm Warnung gab, Würd er sich gegen ihn wenden, Es möchte bitter enden. So machte er, daß er die Thür gewann, Und legte sich als ein verstörter Mann Wieder zu Bette nieder. Bald kam auch Tristan wieder: Viel leise er in sein Bette stieg. Der Eine schwieg, und der Andere schwieg, Sprach ihrer Keiner kein Wörtlein da, Was ihnen doch selten eh geschah Und wahrlich kaum zu einer Zeit. An dieser Fremde und Schweigsamkeit Ward Tristan gar wohl inne, Daß er etwas von Minne Argwöhnen müsse in seinem Muth, Und war nun mehr auf seiner Hut Und wachte über jede Gebärde und jede Rede Mehr, denn er je vor diesem that. Nun war es aber schon zu spat: Nun redten die stillen Thaten: Das Spiel, das war verrathen. Der neidische Mariodoc, der kam, Den König leise bei Seite nahm Und sagte ihm, daß eine Märe Am Hof entsprungen wäre Von Isolden und Tristanden, Die da Leuten und Landen Schlecht zu Gesichte stehe Und seiner Ehre und Ehe Schmerzlich zu nahe trete, Und daß er wohl dran thäte, Auf einen Rath zu denken, Um solches abzulenken. Doch daß ihm die wahre Geschichte kund Von Anfang war bis auf den Grund, Von solchem sagte er ihm nichts an. Der treue Marke, der beste Mann, Der faltenlose König, Der wunderte sich nicht wenig Und folgte dem Rathe gar nicht gern, Daß er seiner Freuden Leitestern, Der ihm an Isolden funkelte, Je trübte und verdunkelte Mit Argwohn einer bösen That. Doch trug er's im Muthe früh und spat Mit Sorge und mit Trauer Und war stets auf der Lauer Allzeit und alle Stunden, Ob etwas zu erkunden Und zu beweisen wäre. Ihre Gebärde und Märe Bemerkte er mit Fleiße Und konnte auf keine Weise Sie schuldig sehen noch umgarnt; Denn Tristan hatte sie gewarnt Und kund gethan Isolden Den Argwohn des Unholden. Jedoch versuchte es Marke sehr, Legte die Schlingen hin und her Und lauerte so Nacht als Tag. In einer Nacht, da er bei ihr lag Und unter sich die Gatten Ihre Wechselrede hatten, Da richtete er einen Strick Schlang ihn mit List und mit Geschick Und legt ihn der Königinne Und fing sie auch darinne. »Nun, Fraue,« sprach er, »saget mir, Wie dünket Euch, wie rathet Ihr? Ich will in kurzen Zeiten Auf eine Wallfahrt reiten Und bin vielleicht lang unterwege: In wessen Hut und wessen Pflege Geb ich Euch all die Weile hin?« – »Gott segne,« sprach die Königin, »Aus was für Sorge fragt Ihr das? In wessen Pflege wär ich baß Mit Euren Leuten und Eurem Land Als wie in Eures Neffen Hand, Der unser so wohl pflegen kann? Das ist Euer Schwestersohn Tristan: Der ist ja mannhaft und ist weis Und wohlbedächtig alleweis.« Die Rede ließ in Marken Den Argwohn wachsen und starken; Es klang ihm übel und that ihm weh. Er hütete ihrer mehr denn je Und mehrte von Tag zu Tage Seine Warte und Lage Und that auch seinen leiden Fund Dem leidigen Truchsäßen kund. Zur Stund antwortete Mariodo: »Nun wahrlich, Herre, ihm ist also: Ihr mögt hie merken selbst daran, Daß sie sich nicht verhehlen kann Mit ihrer großen Minne: Ihr seid ja ohne Sinne, Wenn Ihr ihn leidet noch eine Frist. So lieb Euch Weib und Ehre ist, So leidet ihn nicht länger mehr.« Dies quälte und mühte Marken sehr: Der Argwohn, der den Neffen Sollte so feindlich treffen, Schlug ihm stets neue Wunden, Da er ihm unerfunden Und unbetroffen zu jeder Zeit Auf Untreu war und Betrüglichkeit. Trug wider Trug Trug wider Trug. Die überlistete Königin, Die ging in großen Freuden hin Und sagte Brangänen lachend, Freudengebärden machend, Von ihres Herren Pilgerfahrt Und auch, wie sie gefraget ward, In wessen Pflege sie wollte sein. Brangäne sprach da: »Fraue mein, Lüget mir nicht und saget mir, So helfe Euch Gott, wen begehrtet Ihr?« Isolde sagte ihr jedes Wort, Recht wie es war gesprochen dort. – »Ach,« sprach Brangäne, gar nicht froh, »Thörige, warum spracht Ihr so? Alles, was da geredet ist, Das höre ich wohl, das ist eine List, Und weiß für wahr, daß diesen Rath Der Truchsäß angezettelt hat. So will man Euren Sinn erfahren. Ihr müßt Euch fürder baß bewahren. Wird er's nochmals erwähnen, So folget nur Brangänen: Thut, wie ich lehre, und also sprecht.« Da lehrte sie ihre Frauen recht, Was Antwort und was Märe Gut wider die Liste wäre. Da war nun Marke indessen Beschweret und besessen Von zweier Arten Leide: Ihn leideten da beide, Der Argwohn, den er wußte Und den er haben mußte: Er wußte von der Frauen, Er dürfe ihr nicht vertrauen; Er zweifelte an dem Neffen, Den er nicht konnte betreffen Auf irgend einer Lüge, Die seine Treue schlüge. Sein Freund Tristan, seine Frau Isot, Die Zwei, die waren seine größte Noth, Sie nahmen ihm Herz und Sinn dahin. Er sah auf sie, er sah auf ihn Und bezweifelte Beide. Dem zwiefältigen Leide Ging er nun so in vollem Schritt Recht nach der Art der Zweifler mit: Denn so er an der Schönen Wollte der Liebe fröhnen, Gebot ihm der Argwohn abzustehn; Dann wollte er nach der Wahrheit gehn Und folgen dem Zweifel auf seiner Jagd: Da war ihm die Wahrheit auch versagt; So that ihm aber der Zweifel weh: Nun stand es wieder recht wie eh. Was mag auch der Liebe näher gehn, Denn Zweifel und Argwohn, diese zween? Was ängstigt liebegehrenden Muth So schmerzlich, wie der Zweifel thut? Damit weiß er nicht, wohin er soll: Denn jetzo möchte er schwören wohl, Von einem Fehl bethöret, Den er sieht oder höret, Er wäre auf dem Grunde; Da vergeht keine Stunde, So wird all das zunichte, Und kommt ihm zu Gesichte Etwas, das neuen Zweifel bringt, Darin er sich aber verwirrt und ringt. Es ist ein gar unweiser Muth (Nur daß die ganze Welt es thut) Und eine Sitte sehr verkehrt, Daß man bei Liebe Zweifel nährt; Denn Keinem ist wohl mit einem Lieb, Dessen er niemals sicher blieb. Noch mehr ist aber mißgethan, Wenn Einer den Zweifel und den Wahn Bis zur Gewißheit bringet; Denn wenn er das erringet, Daß er bewährt den Zweifel weiß, So ist ihm all sein vordrer Fleiß, Zu birschen auf die Grundwahrheit, Der ist ihm dann ein Herzeleid Vor allem Herzeleide. Die vördern Uebel beide, Die ihm beschwerten eh den Muth, Die däuchten ihm dann wieder gut: Möcht er sie haben, er nähm sie an, Nähm wieder den Zweifel und den Wahn, Daß er der wahren Märe Für immer entledigt wäre. So kommt's, daß Uebel Uebel bringt, Bis daß das Aergere draus entspringt: So dieses dann noch weher thut, So däuchte übel wieder gut. Wie schwer an Liebe Zweifel sei, Er wohnt ihr doch so schwer nicht bei, Daß man ihn nicht um vieles baß Erlitte, denn den bewährten Haß. Auch mag's Niemand vermeiden: Liebe muß Zweifel leiden. Zweifel muß bei der Liebe sein: Er ist's, von dem sie muß gedeihn. Dieweil und sie den Zweifel hat, Dieweil mag ihrer werden Rath. So aber die Wahrheit ihr wird kund, Zuhand so geht ihr Kiel zu Grund. Auch hat die Liebe einen Brauch, Damit sie sich oft und meistens auch Verirret und verwirret. Seht, Wenn alles nach ihrem Willen steht, So will sie nicht Ruh noch Stete wahren, So läßt sie gar zu gerne fahren; Und wo sie den Zweifel wird gewahr, Da ist ihr Noth, da eilt sie dar Und will nicht aus dem Spiele sein; Dem irrt sie lauernd hintendrein; Und strebt ihm viel mehr darum nach, Daß sie erfahre Leid und Schmach, Denn um die Lust, die sie daran Erfinden und genießen kann. Und diesem sinnenlosen Brauch, Dem diente Marke gänzlich auch: Er wandte früh, er wandte spat All seinen Sinn an solchen Rath, Damit er den Zweifel und den Wahn So gerne hätte hingethan, Und hätte mit der Grundwahrheit Auf seine Schmach und sein Herzeleid So gerne hingegraben: Das wollte er gänzlich haben. Aber in einer Nacht kam's so, Wie er es und Mariodo Zusammen hatten ausgedacht, Daß er Isolden mit schlauer Acht Begann wieder nachzutrachten Und sie mit ausgedachten Listen wollte erforschen baß. Da verkehrte sich aber das: Den Strick, den er ihr machte, Zu ihrem Schaden erdachte, Denselben nahm die Königin Und fing ihren Herrn den König drin Mit ihrer Brangänen Lehren. Da half Brangäne wehren, Da frommte den Beiden zumal, daß List Je wider List gesetzet ist. Der König, der nahm die Königin Gar nahe an sein Herze hin Und küßte sie zu mancher Stund Auf die Augen und auf den Mund: »Schöne,« begann er, »nun ist mir Nichts herzlich auf Erden lieb, denn Ihr: Daß ich von Euch nun scheiden soll, Das wisse Gott im Himmel wohl, Das nimmt mir allen meinen Sinn.« Da ließ die gewitzte Königin Witz gegen Witz zu Felde ziehn; Mit Seufzen sprach sie wider ihn: »O weh mir, inniglich o weh! O weh! nun wähnte ich doch eh, Daß diese verwünschte Märe Scherzlich gesprochen wäre: Nun höre ich und weiß es wohl, Daß es zum Ernste kommen soll.« – Da hub sie an zur Stunde Und ließ mit Augen und Munde Schmerzliche Klage erscheinen, Begann so kläglich zu weinen, Daß sie dem herzensguten Mann All seinen Zweifel abgewann, So daß er an der Stätte Ihren Ernst beschworen hätte. Denn an den Frauen allen Ist weiter nichts von Gallen (Wenn man nach ihrem Munde spricht), Und haben keine Falschheit nicht, Noch Trug, noch Uebelmeinen, Als daß sie können weinen Ohne Gedanken und Sinn und Muth So oft, als ihnen dünket gut. Sie weinte da stark vor Marke. Marke, der glaubensstarke, »Schöne,« sprach er, »saget mir, Was wirret Euch, was weinet Ihr?« – »Ich mag wohl weinen,« sprach Isot: »Klag ich, so thut es mir wohl Noth. Ich bin ein arm verlassen Weib Und habe nichts als diesen Leib Und Sinne, so viel mir gegeben sind, Und hab all das gesetzt so blind An Euch und Eure Minne, Daß ich in meinem Sinne Nichts kann auf Erden meinen, Noch minnen, denn Euch Einen. Mir ist nichts herzlich lieb, denn Ihr, Und muß nun sehen, daß Ihr mir So holdes Herz nicht traget, Als Ihr gebaret und saget. Daß Ihr den Muth gewannet je, Dahin zu fahren und mich in Weh In dieser Fremde zu lassen, Daraus kann ich wohl fassen, Daß ich meinem Herrn viel unwerth bin: Deß soll mein Herze und mein Sinn Viel selten fröhlich werden mehr.« »Warum doch, Schöne, warum?« sprach er: »Nun habet Ihr doch zu Eurer Hand Beide, die Leute und das Land: Das alles ist Euer und ist mein, Darüber sollt Ihr Gebietrin sein, Das soll zu Eurem Gebote stehn: Was Ihr gebietet, das ist geschehn. Und bin ich unterwegen, Dieweil muß Euer pflegen, Der Euer so wohl pflegen kann, Mein Neffe, der höfische Tristan; Der ist bedächtig, weise Und fleißet sich alle Weise, Wie er Euch Freude und Ehre Mache und immer mehre. Demselben vertraue ich also wohl, Als ich von ganzem Rechte soll. Dem seid Ihr lieb: so bin auch ich: Der thut es um Euch und auch um mich.« »Herr Tristan?« sprach die schöne Isot: »Fürwahr, da wollte ich gerner todt Und wollte lieber begraben sein, Eh daß ich mit dem Willen mein In dieses Mannes Pflege wär! Der Schleicher und der Schmeichler der! Der ist mir zu allen Zeiten Gleißnerisch an den Seiten Und geht mir immer schmeichelnd bei Und schwört, wie lieb daß ich ihm sei. Jedoch weiß Gott wohl seinen Muth, In welchen Treuen er es thut; Auch weiß ich's selber wohl genug: Weil er mir meinen Oheim schlug Und fürchtet nun den Haß an mir. Aus dieser Furcht, das glaubet mir, Folgt er mir immer streichelnd Und heuchelnd nach und schmeichelnd Mit trügerischen Sinnen Und wähnt, daß solch Beginnen Ihm bei mir gutes Wetter schafft. Nun hat es aber arme Kraft: Sein Schmeicheln hilft ihm klein, dem Dieb, Und weiß Gott, wär's nicht Euch zu Lieb, Daß ich um Euretwillen mehr Als wegen meiner eignen Ehr Ihm zeige ein freundliches Gesicht, Herre, ich sähe ihn wahrlich nicht Und nimmer mit Freundesaugen an; Und seit ich nicht vermeiden kann, Daß ich ihn hören muß und sehn, So soll es aber so geschehn, Daß meiner Lauterkeit dabei Und meines Herzens wenig sei. Ich hab ihn, das ist ungelogen, Mit herzelosem Aug betrogen Und habe mit falschem Lügenmund Gar oft und zu viel mancher Stund An ihn gewendet meinen Fleiß Zum Hohn und nur in Spottesweis. Man sagt wohl von den Frauen das, Sie tragen des Mannes Freunden Haß: Darum hab ich ihn manches Mal Mit manchem trüglichen Augenstrahl, Mit herzelosem Munde Gebracht um manche Stunde, Daß er wohl an der Stätte Meinen Ernst beschworen hätte. Herre, begebt Euch nicht daran. Euer Neffe, mein Herr Tristan, Der pfleget mein nicht einen Tag: So ich's von Euch erbitten mag, So müsset Ihr meiner unterwegen, Mit Euren Hulden, selber pflegen. Wohin Ihr wollet, dahin will ich, Ihr wäret denn selber wider mich, Oder mich hinderte der Tod.« So spielte nun die lose Isot Mit ihrem Herren und ihrem Mann, Bis sie ihm spielend abgewann Zweifel und Zorn, die beiden, Daß er mit tausend Eiden Geschworen hätte, sie rede treu. Marke, der Zweifler, der war aufs Neu Auf sichern Grund und Weg gekommen, Die Schöne hatte ihm benommen Beide, den Zweifel und den Wahn. Nun war es alles wohlgethan, Was sie dort that und sagte. Der König, so wie es tagte, Gab Jenem aus dem Grunde Von ihrer Antwort Kunde Und aller ihrer Märe, Und daß an ihr nicht wäre Kein Falsch, noch keine Trüglichkeit. Und war dies dem Truchsäßen leid Und quälte ihn im Herzen sehr; Doch unterwies er ihn aber mehr Und fand eine neue Schlinge, Darin er Isolden finge. Zu Nacht, da Marke aber lag, Der Bettgesellschaft mit ihr pflag, Legt er mit neuer Frage Seine Stricke und seine Lage Und fing sie abermals darin. »Seht,« sprach er, »Fraue Königin, Ich wähne, wir müssen zu Rathe gehn: Nun laßt mich wissen und laßt mich sehn, Wie Frauen können Lande wahren: Fraue, ich muß vom Lande fahren, Ihr aber müßt verbleiben hier Bei meinen Freunden, die kennet Ihr. Es sei ein Mann, es sei ein Mag, Der irgend mir Gutes gönnen mag, Er muß Euch frommen und muß Euch ehren, Wie Ihr es wollt an ihn begehren. Und wer Euch nicht dazu mag taugen Und ist nicht lieb in Euren Augen Unter Frauen und Mannen, Die scheidet alle von dannen. Ihr sollt mir wider Euren Muth So an den Leuten als am Gut Nichts hören oder jemals sehn, Daran Euch möge Leid geschehn. Ich will auch Den nicht minnen Von Herzen noch von Sinnen, Dem Ihr unholdes Herze tragt: Das sei Euch hie für wahr gesagt. Bleibet froh und wohlgemuth Und lebet, wie Euch dünke gut. Nun wißt Ihr meinen Willen schon. Und seit Tristan mein Schwestersohn Eurem Herzen beschwerlich ist, So scheide ich in kurzer Frist Vom Hof und vom Gesinde: So wie ich's füglich finde, So soll er gen Parmenien fahren Und dort sein Eigenthum bewahren. Das thut ihm und dem Lande Noth.« »Dank, Herre,« sprach die blinde Isot, »Ihr redet getreulich und redet gut: Seit ich nun weiß an Eurem Muth, Daß Ihr das gern entbehret, Was mir das Herz beschweret, So dünket auch mich recht dabei, Was Euren Augen tröstlich sei Und Euren Muth vergnüge, Daß ich mich solchem füge, Wie ich vermag aufs beste, Und was Eure Ehr befeste, Daß ich zu solchem früh und spat Meine Hilfe biete und meinen Rath. Und seht nun, Herre, was Ihr thut: Nach meinem Rath und meinem Muth Wird's weder heute, noch je gethan, Daß Ihr Euren Neffen, Herrn Tristan, Von Eurem Hofe sendet: Denn damit wär ich geschändet. Damit so sagte man allzuhand So an dem Hofe, so über Land, Ich hätte Euch gerathen das Von wegen der Schuld und durch den Haß, Daß er mir meinen Oheim schlug. Da gäbe es Rede und Märe gnug, Die mir zur Schande wäre Und Euch zu keiner Ehre. Ich heiß es nun und nimmer gut, Daß Ihr's um meinetwillen thut Und Euren Freund entehret Oder Jemand beschweret Und hasset durch den Willen mein, Dem Ihr doch gnädig solltet sein. Auch sollt Ihr Euch besinnen: So Ihr nun kehrt von hinnen, Wer schirmet Kornwall und Engelland? Die stehen in eines Weibes Hand Gar bloß vor jedem Streiche. Wer zweier Königreiche Wohl und nach Ehren pflegen soll, Bedarf des Sinnes und Herzens wohl; Nun ist in beiden Landen Ohn meinen Herrn Tristanden Keiner, der, laßt Ihr ihn dabei, Euren Landen zum Frommen sei. Ohn ihn bringt's Keiner mehr dazu, Daß man was lasse oder thu. Ist's, daß ein Krieg uns überzieht, Deß man sich jeden Tag versieht Und stündlich muß versehen, So mag es leicht geschehen, Daß uns mißlinget auf dem Plan: So wird mir dann mein Herr Tristan Unter die Augen schadenfroh Gelegt und gerieben so und so; Dann wird der Märe viel getrieben: Ja, wäre Tristan hie geblieben, Uns wäre nicht zu dieser Frist So gar mißlungen, als es ist. Und werden mir dann Alle Mit Geschrei und mit Schalle Beilegen insgemein die Schuld, Ich hab ihn gestoßen aus Eurer Huld Zu Eurem Schaden und meiner Pein. Herre, besser, wir lassen's sein. Besinnet Euch der Dinge baß, Bedenket dies, bedenket das: Entweder laßt mich mit Euch fahren Oder heißt ihn die Lande wahren. Wie ich ihm auch gesinnet sei, Er bleibt mir doch noch lieber bei, Denn daß uns hernach ein andrer Mann Versäume und schädige daran.« Der König versah sich allzuhand, Daß all ihr Herze war gewandt Zu seines Neffen Ehren, Und begann auch gleich zu kehren Zum Wahn und Zweifel, wie vorher. Nun war er aber auch noch mehr Versunken und verfallen In seines Zornes Gallen. Isolde that auch Brangänen kund Ihrer Beider Rede bis auf den Grund Und sagte ihr wieder dies und das, So daß sie auch kein Wort vergaß. Brangäne war in Weh und Ach, Daß sie so wider sich selber sprach Und daß die Rede so verlief. Sie las ihr einen neuen Brief, Wie ihre Rede sollte sein. – Nachts, da sie wiederum hinein Zu ihrem Herrn dem König kam, Sie ihn in ihre Arme nahm: Sie halste und küßte ihn mit Lust, An ihre sanfte linde Brust Zog sie ihn lieblich nieder Und legte ihm aber wieder Ihr Wortnetz, Strick und Lage Mit Antwort und mit Frage: »Herre,« sprach sie, »saget mir Um meinetwillen, habet Ihr Mit rechtem Ernst das ausgedacht, Was Ihr mir sagtet gestern Nacht Von meinem Herrn Tristanden, Daß Ihr ihn allzuhanden Heimschicken wollt von wegen mein? Möcht ich der Rede versichert sein, Ich wollt Euch Dank und Gnade sagen Heut und in allen meinen Tagen. Mein Herre, ich vertrau Euch wohl, Als ich wohl mag und als ich soll: Doch ist es meine Furcht dabei, Daß es nur eine Versuchung sei; Doch wenn Ihr mich glauben ließet, Wie Ihr es mir verhießet, Daß Ihr mir wolltet fremden das Und bannen, dem ich wär gehaß, So erkennt ich an der Märe, Daß ich Euch herzlieb wäre. Ich hätte meine Bitte lang, Nur daß ich's ungern that und bang, In dieser Sache an Euch gewandt: Denn mir ist gar zu wohl bekannt, Was mir von ihm mag auferstehn, Sollt er mir lange zur Seiten gehn. Nun, Herre, nun bedenket das, Und aber nicht durch meinen Haß: Soll er nun dieser Lande pflegen, Dieweil und Ihr seid unterwegen, Und kommt nun Euch ein Unfall an, Was leicht auf Fahrten geschehen kann, So bringt er mich um Ehr und Land. Nun habt Ihr es gar wohl erkannt, Ob er mich könne kränken. Nun sollt Ihr auch dran denken Im Guten, wie der Freund es soll, Und löset mich, so thut Ihr wohl, Von meinem Herrn Tristanden: Schicket ihn aus den Landen Oder schaffet, daß er mit Euch fahr Und unter der Weile mich bewahr Der Truchsäße Mariodo. Stünde aber Euer Muth also, Daß Ihr mich mit Euch ließet fahren, Ich ließe die Lande hie bewahren, Wer da die Herrschaft nähme, Nur daß ich mit Euch käme. Ueber das alles so machet Ihr Mit Euren Landen und mit mir Recht, was Euch selber dünke gut; Das ist mein Wille und mein Muth. Ich steure auf nichts andres zu, Als daß ich Euren Willen thu: Was kümmern mich Land und Leute? Ich lasse sie noch heute.« So trog sie ihren Herrn und Mann, Bis sie ihm's aber abgewann, Daß er den Zweifel aber ließ Und aber den Argwohn von sich stieß, Als hätte sie ungetreuen Sinn, Und aber seine Königin Alles Frevels und aller Schmach Von ganzem Herzen ledig sprach. Der Truchsäße Mariodoc, Der war nun aber der Sündenbock, Der mußte der Lügner heißen Und hatte die rechten Weisen Doch und die wahren Noten Gesungen von Isoten. Melot der Zwerg Melot der Zwerg. Nun daß Mariodoc ersah, Daß ihm sein Wille nicht geschah, Versuchte er es anderswie: Ein Zwerg war an dem Hofe hie, Desselben Name war gethan Melot petit von Aquitan, Und konnte derselbe kleine Wicht Verborgne Dinge, wie man spricht, Nachts im Gestirne sehen. Das laß ich bei Seite stehen Und folge meinem Buche hier. Nun gibt die wahre Märe mir Sonst nichts von ihm zu lesen, Als daß er sei gewesen Klug, listig, kunst- und redereich. Der war vertraut dem König gleich Als wie der Kemenate. Mit dem ging er zu Rathe, Wenn er zu den Frauen käme, Daß er allda wahr nähme Tristandens und der Königin: Brächt er's mit guter Art dahin, Daß man die wahren Gründe Der Minne an ihnen fünde, So sollt er in allen seinen Tagen Vom Könige Lohn und Ehre tragen. Darauf sich auch der Zwerg Melot In Ränken und Schwänken überbot: Er lauerte mit Stricken Den Reden auf und Blicken; Das that er zu allen Stunden Und hatte auch bald erfunden Die Liebe bei den Beiden: Sie pflegten sich zu weiden Mit Gebärden so süße, Daß er die Zeichen und Grüße Der Minne allzuhand da fand, Und sagte auch Marken allzuhand, Daß wahrlich da Minne wäre. So trieben die Drei die Märe, Marke, Melot und Mariodo, Und beriethen sich zusammen so, Bis daß sie den Rath erfanden, Wofern man Herrn Tristanden Würde vom Hofe scheiden, So möchte man an den Beiden Die Wahrheit offenbarlich sehn. Nun, dies war alsobald geschehn, Recht wie ergangen war der Rath: Der König seinen Neffen bat, Daß er hinfort seine eigne Ehr Bedächte und seinen Gang nicht mehr Zur Kemenaten nähme, Noch irgendwohin käme, Da der Frauen eine wäre; Am Hofe sei eine Märe, Man hüte sie, lausche, schleiche nach, Und davon könnte Leid und Schmach Der Königin und ihm entstehn. Nun, dies war allzuhand geschehn Und alles gethan nach seinem Wort. Tristan, der mied jedweden Ort, Dahin die Frauen traten. Palast und Kemenaten, Da kam er nimmermehr hinein. Das Ingesinde, das nahm sein Und seiner Fremde mächtig wahr: Sie redeten ihm zu Leide dar Viel übel und anders viel denn wohl. Seine Ohren wurden täglich voll Mit immer neuem Leide. Er und Isold, sie Beide, Sie brachten die Zeit mit Sorgen zu. Unter ihnen war keine Ruh, War Trauern und Klagen allezeit. Sie hatten Leid und hatten Leid, Leid über Markes Argwohn hie, Dort Leid, daß es hinfort für sie Um jeden Zugang war geschehn, Sich zu besprechen und zu sehn. Von Tage so zu Tage Hieß ihnen sehnende Klage So Herz als Kraft entweichen; Zu schwinden und zu bleichen Begann ihre Farbe und ihr Leib: Der Mann erbleichte durch das Weib, Das Weib erbleichte durch den Mann, So durch Isolden erblich Tristan, So durch Tristanden erblich Isot. Dazu zwang Beide die große Noth. Und wundert auch mich wenig zwar, Wenn ihre Noth gemeinsam war Und ihr Leid nicht zu scheiden: Es war auch an den Beiden Ein Herze nur und nur Ein Muth: Ihr Beider Uebel, ihr Beider Gut, Ihr Beider Tod, ihr Beider Leben War nur Ein Werk aus zwei Geweben. Was ihrer Einem zuwider war, Das nahm zuhand das Andre wahr, Und was dem Einen sänftlich kam, Das Andre in sein Herze nahm. Sie waren Beide in ihrem Muth Ein Wesen mit Uebel und mit Gut: So offenbar erschienen In ihrer Beider Mienen Die schweren Herzenssorgen, Daß man gar unverborgen Die Minne in ihrer Farbe fand. Und Marke versah sich allzuhand Und fand wohl an den Beiden, Daß ihnen ihr Scheiden und Meiden Ans Herze ging mit großen Wehn, Daß sie sich hätten gern gesehn, Wüßten sie nur, wo oder wie. Zu versuchen beschloß er sie Und hieß zur selben Stunden Die Jäger mit den Hunden Zu Walde sich bereiten Und sagte bei dem Reiten Und hieß auch nach dem Hofe sagen, Er wollte zwanzig Tage jagen: Wer Jagens hätte Kunde, Oder wer Zeit und Stunde Damit vertreiben wollte, Daß der sich rüsten sollte. Von Isolden nahm er Urlaub so Und hieß sie nach ihrem Willen froh Und fröhlich sein daheime; Und aber insgeheime Befahl er dem Zwerg Meloten, Tristanden und Isoten Auf ihren heimlichen Wegen Schlingen und Stricke zu legen; Das brächte ihm währenden Gewinn. Er selber fuhr zu Walde hin Mit Hornschall und Gebelle. Tristan, sein Waidgeselle, Der blieb daheim vom Jagen Und ließ dem Oheim sagen, Er läge krank zu Bette. Der kranke Waidmann hätte Gern sein Revier bestrichen. Die beiden Armen schlichen Mit ihrer Waidewunde, Suchten nach Statt und Stunde Mit ängstiglichem Fleiße, Auf welche Art und Weise Es möchte doch geschehen, Daß sie sich möchten sehen, Und konnten's nicht erringen. Unter diesen Dingen Brangäne zu Tristanden kam, Da sie erkannte und wohl vernahm, Daß seine Herzensschwäre Gar hilfbedürftig wäre. Sie klagte ihm, und er klagte ihr: »Ach Süße,« sprach er, »saget mir, Sagt, welcher Rath wird dieser Noth? Was thu ich und die arme Isot, Daß wir so nicht verderben? Ich weiß nicht, wie wir werben, Daß wir behalten das Leben.« »Was Raths mag ich Euch geben?« Sprach aber die Getreue: »Daß es Gott ewig reue, Daß wir je wurden geboren! Wir Drei, wir haben verloren All unsre Freud und unsre Ehr: Wir kommen nimmer nimmermehr Zu freiem frohem Muth, wie eh. Isold, o weh, Tristan, o weh, Daß ich euch je mit Augen sah, Daß alles, was euch Leids geschah, Von mir euch auferstanden ist! Und weiß nun weder Rath noch List, Damit ich euch zu Hilfe komme, Ich kann nichts finden, das euch fromme. Ich weiß es so wahr als meinen Tod, Ihr kommet darüber in große Noth, Bleibet ihr je noch lange In Hut und solchem Zwange. Seit es nun nicht kann besser sein, So folget doch dem Rathe mein: Nun meine ich über diese Zeit, Dieweil Ihr uns so fremde seid, So Ihr gewahret in Eurem Muth, Daß es sich fügt und es sich thut, So nehmet ein Olivenreis Und schneidet Späne in langer Weis, Solch einen Span, den zeichnet je Und machet einerseits ein T Und machet anderseits ein I, Daß nur der erste Buchstab hie Von euer Beider Namen sei, Thut weder zu, noch ab dabei Und geht zu dem Baumgarten ein, Ihr wisset wohl das Wässerlein, Das von dem Brunnen niedergeht, Dahin, da die Kemenate steht, Darein so werfet einen Span Und laßt ihn fließen seine Bahn Hin für der Kemenaten Thür: Da gehn wir allezeit herfür, Ich und die freudelose Isot, Beweinend unsre Herzenoth. Gewahren wir allda den Span, So sehen wir zuhand daran, Daß Ihr dort an dem Brunnen seid, Da, wo der Oelbaum schattet weit. Da schauet denn und nehmet wahr: Die Sehnende geht je zu Euch dar, Meine Fraue, Eure Freundin traut, Und ich auch, wenn es Euch erbaut Und so es anders füglich ist. Herre, dieselbe kurze Frist, Die ich nun noch am Leben bin, Soll mit euch Zweien fließen hin, Daß ich euch Beiden lebe Und Rath zum Leben gebe. Müßt ich um eine Stunde gleich, Darin ich euch Zwei machte reich Und könnte zu euren Freuden leben, Meiner Stunden wohl tausend geben, Ich verkaufte alle meine Tage, Könnt ich nur sänften eure Klage.« »Dank, Schöne, Treue!« sprach Tristan: »Ich habe keinen Zweifel dran, Daß Treue in Euch und Ehre sei: Nie reicher waren diese zwei In einem Herzen begraben. Sollt ich noch Segen haben, Den wollt ich Euch wohl kehren Zu Freuden und zu Ehren. Wie kümmerlich es nun aber steht, Wie schwach als meine Scheibe geht, Doch, wüßt ich, wie ich die Plage Meiner Stunden und meiner Tage Zu Euren Freuden könnte geben, Ich wollte auch desto kürzer leben: Das getrauet und glaubet mir.« – Weinend sprach er aber zu ihr: »Getreue Brangäne, seliges Weib!« – Da hielt er sie an seinem Leib Mit Armen eng umfangen, Ihre Augen und ihre Wangen Küßt' er mit manchen Qualen Oft und zu vielen Malen. »Schöne,« sprach er, »nun thut so wohl, Als der Freund, der getreue, soll, Und heget in Eurem lautern Sinn Mich und die sehnende Sorgerin, Die wonnevolle Isolde: Bedenket fleißig, Holde, Uns Beide zusammen, sie und mich.« – »Gerne, mein Herre, das thu ich. Gebietet mir, nun will ich ab. Thut, wie ich Euch gerathen hab, Und sorget Euch nicht allzu sehr.« – »Gott sei mit Euch, der Eure Ehre Und Euren schönen Leib bewahr.« – Brangäne neigte sich weinend dar Und ging mit Trauern von ihm fort. Tristan der trauervolle dort, Der schnitt und warf die Späne, Wie ihm sein Rath, Brangäne, Lehre und Unterweisung bot. So kam er und seine Fraue Isot Zum Brunnen in des Oelbaums Hut Gar heimlich und mit sichrem Muth Wohl achtmal in acht Tagen hin, So daß es Niemand wurde inn, Noch es kein Auge jemals sah; Bis daß es in einer Nacht geschah, Da Tristan kam und suchte sie, Daß seiner Melot, ich weiß nicht wie, Der verwünschte Zwerg, der Höllenbrand, Das Werkzeug in des Teufels Hand, Zur bösen Stunde ward gewahr Und schlich ihm nach und huschte dar Und sah ihn zu dem Baume gehn Und nicht viel lange dorten stehn, Bis eine Fraue zu ihm ging Und er dieselbe fest umfing. Wer aber diese Fraue war, Das ward dem Zwerge nicht offenbar. Da nun der andre Tag anbrach, Ging er aber seinen Schlichen nach, Ein wenig vor Mittage, Und hatte mit falscher Klage Und mit viel arger Trüglichkeit Seine Brust verpolstert weit und breit Und kam so zu Tristanden hin: »In Treuen,« sprach er, »Herre, ich bin Mit Sorgen hergegangen, Denn Ihr seid so umfangen Mit tausend Augen und Ohren, Daß ich, Gott sei's geschworen, Mich zu Euch stahl mit mancher Noth, Und weil mich die getreue Isot, Die tugendhafte Königin, So gar erbarmet in meinem Sinn, Die leider nun zu dieser Frist Um Euch in großen Sorgen ist: Die schickt mich zu Euch und bat mich sehr, Weil sie sonst Niemand hätte mehr, Der ihr zu solcher Märe Also gefällig wäre. Sie bat mich und gebot auch mir, Daß ich Euch grüßete von ihr Und das von Herzen thäte Und Euch gar dringlich bäte, Daß Ihr sie sprächet heute noch, Ich weiß nicht, wo, Ihr wisset's doch, Da Ihr jüngst bei ihr waret, Und auch viel recht gewahret Derselben Stunde und der Zeit, Da Ihr gewohnt zu kommen seid. Weiß nicht, was sie Euch will vertraun. Auch dürft Ihr gänzlich darauf baun: Ihr Ungemach und Euer Leid, Das thut mir weher, auf meinen Eid, Als mir je etwas hat gethan. Und nun, mein Herre, Herr Tristan, Ich will von hinnen, gebietet mir. Was Ihr befehlt, das sag ich ihr. Ich darf nicht länger bei Euch sein. Das Hofgesinde, würd es mein Auf dieser Fährte innen, Ich möchte Schaden gewinnen. Sie sagen doch alle, und ist ihr Wahn, Was unter euch Zweien ist gethan, Sei alles mit meinem Rath geschehn. Deß will ich mich doch zu Gott versehn Und zu euch Beiden, daß es nie Mit meinem Rathe dahin gedieh.« »Freund, träumet Euch etwa?« sprach Tristan: »Mit was für Mären kommt Ihr mich an? Was ist des Hofgesindes Wahn? Was hat meine Fraue und ich gethan? Aus! streichet bald, in Gottes Haß! Und wisset zuversichtlich, daß, Was man nun wähnet oder spricht, Ließ ich's durch meine Ehre nicht, Ihr nimmer und mit nichten Dem Hofe solltet berichten, Was Euch allhie zur Stätte Bei mir geträumet hätte.« Melot ging hin und ritt zuhand Zum Walde, da er Marken fand. Er sagte ihm die Märe, Daß er der Wahrheit wäre Endlich gekommen auf den Grund, Und sagte, wie und zu welcher Stund Es an dem Brunnen sei geschehn: »Ihr mögt die Wahrheit selber sehn,« Sprach Melot, »Herre, wollet Ihr, Zu Nacht so reitet dar mit mir; Ich kann mich gar nicht trügen: So wie sie es können fügen, Daß sie heut Abend kommen dar, So mögt Ihr selber nehmen wahr, Was sie zusammen beginnen dort.« Die Lauscher am Brunnen Die Lauscher am Brunnen. Der König ritt mit dem Zwerge fort Nach seinem Herzeleide. Nun geschah es, da sie Beide Bei nächtlicher Stunde nahten, In den Baumgarten traten Und wollten da sich bergen, Da zeigte sich dem Zwergen, Noch Marken eine Stätte, Die getaugt zur Lauer hätte. Nun stund da, wo der Brunnen floß, Ein Oelbaum, der war ziemlich groß, Niedrig, und doch breit genung. Nun thaten sie manchen Ruck und Schwung. Bis sie den Baum bestiegen: Da saßen sie und schwiegen. Tristan, da es dunkel ward, So schlich er aber auf seine Fahrt. Nun daß er in den Garten kam, Seine Boten er zu Handen nahm Und legte sie in die Rinnen Und ließ sie fließen von hinnen. Die brachten Botschaft holde Der sehnenden Isolde, Daß ihr Geselle wäre am Ort. Tristan ging über den Brunnen dort, Da, wo des Baumes Schatten Lag auf den grünen Matten. Nun stund er in Sehneschmerzen, Betrachtend in seinem Herzen Sein heimliches Ungemach allda. So kam es, daß er den Schatten sah Vom König und dem Zwergen: Denn der Mond ob den Bergen Sah durch die Blätter mit vollem Schein. Nun er den Schatten von den Zwein Deutlich vor seinen Augen sah, Stand er in großen Aengsten da Und erkannte mit Schreck und Schauer Die Warte und die Lauer. »Gott Herre,« dachte er bei sich, »Beschirme die Königin und mich: Wofern sie diese Schlinge nicht Am Schatten noch bei Zeit ersicht, So kommt sie gerade her zu mir. Geschiehet das, so werden wir Zu Jammer und zu Leide. Gott Herre, habe uns Beide Gnädig in deiner Pflege! Bewahr sie auf diesem Wege! Leite all ihre Schritte! Warne die Reine, ich bitte, Vor dieser Schlinge und Schändlichkeit, Die man uns Beiden hält bereit, Eh sie etwas redet oder thut, So man deuten könnte mit argem Muth! Ja, Herre Gott, erbarme dich Ueber Isolden und über mich! Unsre Ehr und unser Leben Sei dir heut Nacht ergeben.« Seine Fraue Isolde Und ihrer Beider holde Freundin, die treue, reine Brangäne, gingen alleine, Seiner Boten zu warten, In ihrem Jammergarten, In dem sie zu allen Stunden, So sie nichts Fährlichs funden, Ihren Jammer klagten mit gleichem Sinn. Da gingen sie nun her und hin, Trauernd Beide und klagend, Ihre Sehnemäre sagend. Viel schiere ward Brangäne Der Boten und der Späne In jenem Wässerlein gewahr Und winkte ihre Fraue dar. Isolde fing sie und sah sie an: Sie las Isolde, sie las Tristan: Sie nahm ihren Mantel allzuhand, Um ihr Haupt sie solchen wand Und schlich durch Gras und Blumen dar, Wo der Oelbaum und der Brunnen war. Nun daß sie kam so nahe, Daß Jedes das Andre sahe, Ganz stet und stille stund Tristan, Das er doch nie zuvor gethan: Sie kam sonst nie zu ihm gegangen, Daß sie nicht eilends ward empfangen. Nun wunderte sich die Königin Gar hoch und sehr in ihrem Sinn, Was diese Märe sollte sein: Ihr Herz ward schwer, ihre Freude klein, Ihr Haupt auf die Brust gesunken war, Und furchtsam schritt sie zu ihm dar. Nun sie den Gang so ängstlich nahm Und also leise gegangen kam Dem Baum ein wenig näher bei, Da sah sie Mannesschatten drei, Und wußte doch nur Einen da. Zur Stunde sie daran ersah Die Lauer und Gefährde, Und auch an der Gebärde, Die Tristan hatte gegen ihr. »Was will das werden? Verrath allhier?« Dachte die Königin alsobald: »Woher kommt dieser Hinterhalt? Gewiß, mein Herre, der ist hie bei, Wo er auch hie verborgen sei. Ich wähne, wir müssen verrathen sein: Beschirm uns, Gott und Herre mein! Hilf uns, daß wir mit Ehren Mögen von hinnen kehren. Herre, bewahre ihn und mich.« Nun aber dachte sie bei sich: »Weiß Tristan, was allhie geschicht, Oder weiß er es aber nicht?« – Doch ward ihr Glaube bald bestärkt, Er habe den Hinterhalt gemerkt: Sie sah es seinen Gebärden an. Sie stund von ferne und begann: »Herr Tristan, ich bin gar nicht froh, Daß Ihr meines Unverstandes so Gewiß und also sicher seid, Und daß Ihr von mir zu dieser Zeit Gespräche mögt begehren. Nähmet Ihr Eurer Ehren Wider Euren Oheim wahr und mich, Wahrlich, Herre, das fügte sich Und stünde Euren Treuen baß Und meinen Ehren auch, denn das, Daß Ihr in so späten Zeiten Teiding und Heimlichkeiten Bestellen und suchen wollt bei mir. Nun saget an, was wollet Ihr? Ich stehe mit Furcht und Aengsten hie, Nur daß mich's Brangäne nicht verzieh, Die mich es bat und mir es rieth, Da sie heut am Tage von Euch schied, Daß ich her zu Euch käme Und Eure Klage vernähme. Daß aber ich's über mich gewann, Das ist fürwahr sehr mißgethan. Sie sitzet aber hie nahe bei: Und doch, wie sicher ich auch hie sei, Ich gebe doch wahrlich eher, Von wegen der bösen Späher, Ein ganzes Glied von meiner Hand, Eh einem Auge würde bekannt, Daß ich hie bei Euch wäre. Man hat so manche Märe Von Euch getrieben und von mir: Sie schwüren Alle wohl, daß wir Verschuldet wären schwer und scharf Mit Freundschaft, wie sie nicht sein darf: Der Hof ist solches Wahnes voll. Nun weiß es aber Gott selber wohl, Wie ich im Herzen Euch getragen; Und will noch ein wenig weiter sagen, Dessen soll Gott mein Zeuge sein: Ich will nicht anders werden rein Und mich thun meiner Sünde ab, Als so , wie ich Euch gemeinet hab, Mit welchem Herzen, ja, und wie ; Und vor Gott sag ich, daß ich nie Zu einem Manne ein Herz gewann Und immer jedem andern Mann Mein Herz versperrt ist und verwahrt, Als nur dem Einen, dem da ward Die erste Rosenblume Von meinem Jungfrauthume. Daß mich mein Herre, der König Mark, In seinem Argwohn hat so stark Um Euretwillen, Herr Tristan, Weiß Gott, da missethut er dran, Nachdem er erfand in meinem Sinn, Wie daß ich Euch gesinnet bin. Und die mich ins Geschrei gebracht, Weiß Gott, die sind viel unbedacht, Mein Herze ist ihnen viel unkund. Ich hab Euch hunderttausend Stund Mit Freundesgebärden wohl und traut Um der Liebe willen angeschaut Zu Dem, den ich da lieben soll, Und ohne Arg, das weiß Gott wohl. Er sei ein Ritter oder Knecht, So däuchte mich gut, und wär auch recht Und brächte mir große Ehre, Wenn ich Dem freundlich wäre Und ehrte Den, der meinem Herrn Gesippt wär oder gesehen gern. Nun aber verkehret man mir das. Und will ich Euch doch nimmer Haß Um all der Lügner willen tragen. Herre, was Ihr mir wollet sagen, Das saget mir, denn ich will gehn: Ich kann nicht länger bei Euch stehn.« »Selige Fraue,« sprach Tristan, »Ich habe da keinen Zweifel dran, Daß, so Ihr sicher trätet, Ihr redetet und thätet, Was Tugend und Ehr Euch hieße: Nun hindern Euch aber diese Verleumder und haben uns gebracht Durch ihren fälschlichen Verdacht Ohne Noth und ohne Schulden Aus meines Herren Hulden, Das Gott viel wohl erkennen soll. Selige, nun bedenket wohl, Viel reine Königinne, Und nehmet in Eure Sinne, Daß ich so recht unschuldig bin So wider Euch als wider ihn, Und rathet meinem Herren das, Daß er seinen Zorn und seinen Haß, Den er mir trägt ohn alle Schuld, Aus höfischer Sitte mir mit Huld Verhehle und höfisch trage Nicht länger denn acht Tage. So lang mög er und mögt auch Ihr Die Gebärde haben gegen mir, Als ob Ihr mir hold und gnädig sei't; So bereite auch ich mich in der Zeit, Daß ich von hinnen kehre. Wir verlieren unsre Ehre, Der König mein Herre und Ihr und ich, Wofern ihr also wider mich Gebaret und ich von hinnen fahr, So sprechen unsre Feinde dar: In Treuen, hie war doch etwas dran: Betrachtet, wie mein Herr Tristan Mit unsres Herrn Unminnen Geschieden ist von hinnen.« »Mein Herr Tristan,« sprach aber Isot, »Ich litte sanfter den bittern Tod, Eh ich meinen Herren bäte, Daß er mir zu Liebe thäte Ein Ding, das wär auf Euch gewandt. Nun ist Euch doch das wohl bekannt, Daß er mir schon eine lange Frist Um Euretwillen gar unhold ist; Und wüßte er gar und wär ihm kund, Daß ich bei Euch zu dieser Stund Nachts und alleine wäre, Ich käm in eine Märe, Daß er mir nimmer nimmermehr Erböte weder Lieb, noch Ehr. Ob das auch so noch je geschicht, In Treuen, Herre, das weiß ich nicht, Und wundert mich auch nicht wenig, Wovon mein Herr und König Auf diesen Wahn gekommen, Von wem er den Rath genommen, Da ich doch habe nie gesehn, Was doch die Weiber gleich verstehn, Daß Ihr mich zu Fälschlichkeiten Mit Gebärden wolltet verleiten, Noch daß Ihr mich selber saht bereit Zu Falschheit und Leichtfertigkeit. Ich weiß nicht, was unser Verderben ist: Denn um uns Beide zu dieser Frist Steht's übel und erbärmlich sehr, Daß Gott der reiche vom Himmel her Es möge wohl bedenken Und zu bessern Dingen lenken. Nun, Herre, nun gebietet mir: Ich will von hinnen, so thut auch Ihr. Eure Noth und Eure Traurigkeit, Das wisse Gott, die sind mir leid. Ich hätte an Euch der Schulden viel, Die ich nun doch nicht finden will, Daß ich Euch sollte gehässig sein: Mich aber erbarmt's im Herzen mein, Daß Ihr durch mich zu dieser Zeit Ohne Schuld so beschweret seid. Darum will ich es übersehn. Und wenn der Tag denn soll aufgehn, Daß Ihr von hinnen müsset fahren, Herre, so müsse Euch Gott bewahren. Der Himmelskönigin, Herre mein, Der müsset Ihr befohlen sein Mit Eurer Bitte und Werbung hie. Und wüßte ich, daß ich Heil für die Mit meinem Wort erbäte, Ich riethe und ich thäte, Weß ich mich auch versähe, So, daß Euch wohl geschähe. Nun ist mir aber bange, Daß er mich übel empfange. Doch wie es auch mag werden, Wie hart es mich mag gefährden, Ihr sollt genießen, Herr Tristan, Daß Ihr nichts Falsches habt gethan Wider mich, noch wider meinen Herrn: Eure Bitte will ich werben gern, Wie es auch mag ergehn hernach.« »Dank, selige Fraue,« Tristan sprach: »Und was Ihr höret aus seinem Mund, Dasselbe entbietet mir zur Stund. Sollte mich's aber drängen gar, Daß ich vielleicht von hinnen fahr, Ohne Euch noch zu sehen, Was mir auch mag geschehen, Viel tugendhafte Königin, So seid gesegnet immerhin Und bewahrt vom ganzen himmlischen Heer! Denn Gott, der weiß wohl, Erd und Meer, Die trugen nie so reines Weib. Fraue, Eure Seele und Euer Leib, Eure Ehre und Euer Leben, Sie seien immer Gott ergeben.« So schieden sie in großer Noth. Da ging die Königin Isot Seufzend und mit traurigem Sinn, Ameirend und amurend hin, Mit verborgenen Schmerzen Am Leibe und im Herzen. Tristan, der so mit Rechte hieß, In Trauer auch den Ort verließ Und weinte fort und immerfort. Marke, der traurige Mann alldort, Der auf dem Baume droben saß, Der betrauerte aber das, Und ging ihm recht an seinen Leib, Daß er den Neffen und das Weib Hatte mit leerem Wahn verdacht; Und die ihn hatten dazu gebracht, Verflucht er mit Herz und Munde Wohl tausendmal zur Stunde. Auch verwies er es dichte Melot, dem kleinen Wichte, Daß er ihn hätte betrogen, Sein reines Weib belogen. Sie stiegen vom Baume nieder Und ritten zu Walde wieder Mit Jammer und mit Leide, Der Zwerg und der König beide. Sie hatten zwiegeschaffen Leid: Melot von wegen der Trüglichkeit, Die ihm da Schuld gegeben ward, Marke von wegen der schnöden Art, Wie er den Neffen und das Weib Und allermeist seinen eignen Leib Mit Argwohn hatte beschweret, Beschreit und übel vermäret Am Hof und über das ganze Land. Des andern Morgens allzuhand Ließ er den Jägern allen sagen, Daß sie da blieben und führen jagen: Er selbst fuhr wieder nach Hofe hin. »Sagt an,« sprach er, »Frau Königin, Wie habet Ihr vertrieben seit Eure Stunden und Eure Zeit?« – »Herre, meine Unmüßigkeit, Die war zumeist unnöthiges Leid: Meine Muße und meine Feier War die Harfe und die Leier.« – »Unnöthiges Leid?« hub Marke an: »Was war das, und wie war's gethan?« – Mit Lächeln sprach Isolde da: »Weiß nicht, wie's zugeht, es geschah Und geschieht noch heut und alle Tage: Nichtiges Trauern und eitle Klage Ist mir und allen Frauen eigen: Wir läutern die Augen mit solchem Seigen Und reinigen die Herzen Wir machen uns große Schmerzen Aus Nichts, das geht gar heimlich zu, Und haben auch gleich wieder Ruh.« – So trieb sie es mit Scherzen. Doch Marke nahm's zu Herzen Und hörte all zusammen hin Auf ihre Worte und ihren Sinn. »Nun, Fraue,« sprach er, »saget mir, Weiß Jemand hier oder wisset Ihr, Wie es um Tristan stehe? Ich hörte, ihm wäre wehe, Da ich jüngst ausritt auf die Jagd.« – »Herre, da ward Euch wahr gesagt,« Sprach aber die Königinne. Das meinte sie von der Minne: Sie wußte wohl seine Schwere, Daß die von Minne wäre. Der König sprach aber da fürbaß: »Was wisset Ihr, wer sagte Euch das?« – »Ich weiß nur, was ich wähne, Und weiß, wie auch Brangäne Mir gab vor kurzer Stunde Von seiner Krankheit Kunde; Die sah ihn gestern an dem Tage Und entbot mir, daß ich seine Klage Und sein Wort Euch zu wissen thäte Und Euch um Gotteswillen bäte, Daß Ihr ihn nicht so hart und schwer Verdächtigtet an seiner Ehr Und möchtet ein wenig sparen Euer übles Gebaren Nur noch acht Tage wider ihn, Bis er sich bereitet hinzuziehn, Und lasset ihn mit Ehren Von Eurem Hofe kehren Und aus dem Lande scheiden: Das begehrt er von uns Beiden.« – So sagte sie seine Bitte grad, Wie er sie an dem Brunnen that, Wo er, der König, selbst vernahm, Wie es mit ihren Reden kam. Der König sprach aber: »Fraue mein, Unselig möge er immer sein, Der mich je dazu brachte, Daß ich so von ihm dachte; Es ist mir innig im Herzen leid: Ich habe seine Schuldlosigkeit Vor kurzer Frist gar wohl vernommen: Ich bin dem Ding auf den Grund gekommen. Und nun, gesegnete Fraue mein, Wofern ich Euch irgend lieb soll sein, So sei Euch heimgestellt der Span: Was Ihr nun thuet, das sei gethan. Nehmet uns Beide, mich und ihn, Und leget es unter Beiden hin.« – »Ich will,« sprach Isolde, »Herre mein, Hiemit nicht sehr unmüßig sein: Denn legte ich es heute nieder, Ihr kämet aber morgen wieder Auf Euren Argwohn wie vorher.« – »Nein, wahrlich, Fraue, nimmermehr. Ich will ihn an den Ehren Und Treuen nimmer versehren, Noch Euch, Frau Königinne, Ob ungetreuer Minne Je wieder quälen mit bösem Wahn.« Nun, dies Gelübde ward gethan. Hiemit so ward Tristan besandt Und ward der Argwohn allzuhand Gar hingelegt zu Gute Mit lauterlichem Muthe. Isolde ward Tristanden Aber von Hand zu Handen Befohlen wieder in seine Pflege. Der pflag ihrer aber allewege Mit Hut und auch mit Rathe. Sie und die Kemenate, Die waren ganz, wie er gebot. Tristan und seine Fraue Isot, Die lebten wieder lieb und wohl: Ihr Beider Wonne, die war voll. Ihnen war ein erwünschtes Leben Wieder nach Wetter und Sturm gegeben; Doch war der Tag ohne Schauer Leider von kurzer Dauer. Das Gottesgericht Das Gottesgericht. Ich sage das wohl überlaut, Daß keine Art von Nesselkraut So herb und bitter zu keiner Frist Als wie der herbe Nachbar ist, Und kein Gefährde also groß, Als wie der falsche Hausgenoß: Ich meine solchen falschen Muth, Wenn Einer dem Freunde freundlich thut Und innen feindlich ist gesinnt: Das ist ein gräulich Hausgesind: Ein Solcher trägt allstunde Den Honig in dem Munde Und an der Angel im Herzen Gift; Da haucht der giftige Neid und trifft Den Freund je mit Mißlingen In allen und jeden Dingen, Die er da höret und gewahrt, Und ist Niemand vor ihm bewahrt. Wer aber offen am Tage Dem Feind seine Warte und Lage Zu Schaden breitet und zu Leid, Den zeihe ich keiner Fälschlichkeit. So lang er offen befehden will, So lange schadet er nicht zu viel: Doch will er sich heimlich gesellen dar, So nehme der Mann sein selber wahr. So thaten Melot und Mariodo: Sie waren Tristanden gesellt also Und waren zu manchen Zeiten Fälschlich an seiner Seiten Und trugen ihm Beide zu jeder Zeit Mit Trug und mit Treulosigkeit Ihren Dienst und ihre Gesellschaft an. Nun aber hatte davor Tristan Seine Hut und Warnung immerhin Und warnete auch die Königin. »Seht,« sprach er, »Herzensfraue mein, Nun hütet mein und Euer fein In Reden und Gebärden: Wir sind gar mit Gefährden Besetzet und umfangen: Uns gehn zwo giftige Schlangen In Taubengestalt, gar süß von Mund, Schmeichelnd zur Seiten allestund: Vor denen wahret Euren Sinn, Gesegnete reine Königin: Denn wo die Hausgenossen sind Von Antlitz wie der Tauben Kind Und wie der Schlange Kind am Zagel, Da soll man sich kreuzen vor dem Hagel Und segnen vor dem gähen Tod. Selige Fraue, schöne Isot, Nun hütet Euch lebenslange Vor Meloten, der Schlange, Und vor dem Hunde Mariodo.« Die Beiden waren also auch also, Der eine Schlange und Der ein Hund: Denn sie legten zu jeder Stund Den Gelieben ihre Schlingen In allen ihren Dingen, Bei jedem Blick und Gange, Recht als wie Hund und Schlange. Sie spannen alle Tage Mit Rathschlag und mit Klage Ihr arges Werk bei Marken an, Bis daß er abermals begann Argwöhnischer Gedanken In seiner Liebe zu wanken, Der Minnenden Heimlichkeiten Fangnetze zu bereiten. Eines Tages er zur Ader ließ, So wie sein falscher Rath ihm's hieß, Mit ihm Tristan und die Königin. Die wähnten nimmer, daß hierin Irgend eine Gefährde Ihnen bereitet werde. Und waren deß nicht sorgenhaft. So lag die vertraute Genossenschaft, Daß sie sich's gemächlich mache, Den Tag in ihrem Gemache Ohne Geräusche, still und sacht. Des andern Tages in der Nacht, Da sich zerstreute die höfische Schaar Und Marke schlafen gangen war, Da lag in der Kemenaten, Wie man zuvor gerathen, Niemand als Marke und Isot Und Tristan und der Zwerg Melot, Brangäne und ein Jungfräulein. Auch waren die Lichter und ihr Schein Mit Teppichen verhangen Und so ihr Glast befangen. Nun daß die Glocke läutete, Die Mettenstunde bedeutete, Da legte Marke, der zweifelnde Mann, Ganz stille seine Kleider an, Gebot Meloten, aufzustehn Und zur Metten mit ihm zu gehn. Nun Marke von dem Bette kam, Melot sein Mehl zu Handen nahm, Den Estrich er besäte, Auf daß, so Jemand träte Hin oder her dem Bette nah, Man seine Spuren fände da. Hiemit so gingen die Zween dahin; Gar klein aufs Beten war ihr Sinn Und ihre Andacht hingewandt. Nun ward auch Brangäne allzuhand Des Fallstricks an dem Mehl gewahr. Da schlich sie zu Tristanden dar, Warnte ihn, kehrte wieder Und legte sich wieder nieder. Tristanden war die Falle Schlimmer als Gift und Galle. Sein Herz in seinem Leibe, Das war da nach dem Weibe Vollmüthig und entglommen Und trachtete, darzukommen: Da folgte er dem Spruche wohl, Daß Minne kein Auge haben soll Und Liebe nicht Furcht, noch Bangen kennt, So sie mit rechtem Ernst entbrennt. »O weh,« gedachte er bei sich, »Gott Herre, wie überwinde ich Diese Falle und Tücke? Nun steht mir dies Wagestücke Auf einer hohen Wette.« – Er stund auf von dem Bette Und nahm auf allen Seiten wahr, Mit welcher List er käme dar. Nun war auch so viel Helle da, Daß er das Mehl alsbald ersah. Nun däuchte ihn die Gelegenheit Zu einem Sprunge gar zu breit; So wagte er auch nicht hinzugehn. Nun mußte er sich zu dem verstehn, Was unter den zweien das Beste war: Er setzte die Füße zusammen dar Und mächtig hart auf den Boden trat: Tristan, der Minnenblinde, that Den Anlauf und die Ritterschaft Zu hart und über seine Kraft: Er sprang hin an das Bette Und verspielte seine Wette, Denn seine Ader ihm aufbrach, Was ihm seit großes Ungemach Und Leid begann zu machen. Das Bett und die Leilachen, Die wurden mißgefärbt vom Blut, Wie Blut nach seiner Weise thut: Es färbte hie und färbte da. Er lag nicht lange, bis es geschah, Daß Bett und Bettzeug allzuhand, Der Purpur da, dort der Bliant Mißfarbe von dem Blut gewann. Und aber setzte er wieder an, Sprang an sein Bette hin und lag In Gedanken bis an den lichten Tag. Nun Marke, der kam alsbald wieder Und spähte auf den Estrich nieder Und nahm da seines Anschlags wahr: Da ward er aber nichts gewahr. Und aber da er weiter kam, Das Bette zu Gesichte nahm, Da sah er allenthalben Blut. Dasselbe beschwerte ihm den Muth. »Wie nun,« sprach er, »Frau Königin, Was hat die Märe für einen Sinn? Von wannen kam dies Blut daher?« – »Meine Ader barst, da floß es sehr Und ist jetzt kaum gestanden.« – Nun kam er auch zu Tristanden Und ließ ihn durch seine Hände gehn, Als sollte es zum Scherz geschehn: »Wohlauf, Herr Tristan! munter!« – Zog ihm die Decke herunter Und fand da Blut, gleich als wie dort. Nun schwieg er still und sprach kein Wort. Er ließ ihn liegen und kehrte hin. Seine Gedanken und sein Sinn, Die wurden schwer davon: er sann Und dachte wie ein solcher Mann, Dem es zu kleiner Freude taget. Er hatte auch da viel nachgejaget, Bis daß er fand sein Herzeleid. Jedoch ihr Beider Heimlichkeit, Und wie es um die Märe stand, Das war ihm anders nicht bekannt, Denn wie er's an dem Blute sah. Das war ein schwaches Merkmal da. Seinen Zweifel und seinen Wahn, Die er erst hatte hingethan, Trug er nun aber an der Kette: Daß er den Estrich vor dem Bette Erfunden hatte mit dem Mehl, Das ließ den Neffen ohne Fehl Und nahm ihm diesen Zweifel hin; Und aber daß er die Königin Und Tristans Bette blutig fand, Davon bestund ihn allzuhand Sein Unmuth und sein übler Wahn, Gleichwie das kommt die Zweifler an. Mit diesem Zweifel wankte er, Er wähnte hin, er wähnte her, Er wußte nicht, was er wollte, Noch, was er wähnen sollte. Er hatte zu den Stunden In seinem Bette funden Der schuldigen Minne Spur und Mal, Und doch nichts vor dem Bett im Saal, So daß ihm die Wahrheit auf solche Art Geboten und auch entzogen ward. So war er hier wie da betrogen: Diese beiden, Wahr und Gelogen, Die hatte er beide Eines Scheins, Und hatte auch wieder von beiden keins: Er wollte sie nicht schuldig kennen Und auch der Schuld nicht ledig nennen: So war dem Zweifler die Märe Eine nahe gehende Schwere. Nun kam es den verirrten Mann Zu guter Letzt gewaltig an Und trachtete mit Fleiße, Mit welcher Art und Weise Er sich zurechte richte Und diesen Argwohn schlichte, Wie er der Zweifelbürde Ledig und ohne würde, Den Hof und seine Knechte Von diesem Wahne brächte, Den sie da ließen schauen Ob Isolden seiner Frauen Und seinem Neffen Tristanden. Die Fürsten aus seinen Landen, Deren Treue er sicher war, Dieselben besandte er alle dar Und sagte, wie diese Märe Am Hof entsprungen wäre, Und wie er in Sorgen stehe Um seine Ehre und Ehe; Und sagte, ihn dünke wahrlich nicht, Seit dieser Argwohn und Bezicht So wäre in aller Munde Und so in des Landes Kunde, Daß er der Königin Isold Wieder heimlich wollte sein und hold, Eh daß sie thäte offenbar Ihre ehliche Treu und Unschuld dar. Drum suchte er ihrer Aller Rath, Wie er ob dieser Missethat Den Zweifel so bedächte, Daß es ihm Ehre brächte, Er stünde ab, er griffe es an. Seine Freunde und seine Mann, Die sprachen und riethen allzuhand: Daß er zu Lunders in Engelland Bestellte ein Concilium Von seinem ganzen Pfaffenthum Und thäte von diesen Zwisten Den witzigen Antisten, Die Gottes Recht wohl wüßten, kund. Das Concilium ward zur Stund Gen Lunders festgesprochen Nach Pfingsten in der Wochen, Die da beschließt den Maien. Die Pfaffen und die Laien Kamen in großen Schaaren Auf diesen Tag gefahren, Wie der König bat und auch gebot. Nun kam auch Marke und kam Isot, Gar schwer beladen Beide Mit Aengsten und mit Leide: Isolde war in Aengsten sehr, Daß sie verlöre Leib und Ehr; So hatte Marke schweres Leid, Daß er seine Freude und Würdigkeit Sollte schwächen und legen hin An Isolden, seiner Königin. Nun Marke an das Concilium saß, Klagt' er den Landesfürsten das, Wie er beschweret wäre Mit dieser schändlichen Märe, Und bat sie hoch und bat sie sehr Und gemahnte sie Gottes und ihrer Ehr, So sie etwas verständen, Daß sie ihm doch erfänden Einen Anschlag oder einen Rath, Damit er diese Missethat Zu Gericht und Rache nähme Und ihr auf den Grund auch käme, Entweder ab, oder aber an. Hierüber bekannte mancher Mann In mancher Weise seinen Muth, Der eine übel, der andre gut, Mit diesem und mit jenem Wort. Aufstund der Fürsten einer dort, Die bei dem Rathe waren, Rathsinnig von Witz und Jahren, Des Leibes edel und greise, Des Muthes alt und weise, Der Bischof von Thamise, Und seine Stimme war diese. Ueber seine Krücken lehnt' er sich: »König Herre,« sprach er, »höret mich. Ihr habt uns her für Euch besandt, Uns Fürsten hie von Engelland, Und begehret Treu und Rath zur Frist, Wie Euch deß Noth geworden ist: Der Fürsten ich auch einer bin, Herre, ich sitze auch hier drin; Auch bin ich in den Tagen wohl, Daß ich für mich selbst wohl kann und soll Beides, so thun als stehen ab Und reden, was ich zu reden hab. Ihrer Jeder, der rede für sich: Herre, ich will Euch sagen für mich Von Grund aus meinen Sinn und Muth: Mein Sinn, und dünkt er Euch dann gut Und gefällt er Euch, so folget Ihr Und thut nach meinem Rath und mir. Meine Fraue und meinen Herrn Tristan, Die klaget man auf Argwohn an Und hat sie keiner Ungebühren Noch gänzlich können überführen, Wie ich die Rede vernahm allhier. Wie mögt nun diesen Argwohn Ihr Mit Argheit aber schlichten? Wie mögt Ihr aber richten Ueber Euren Neffen und Euer Weib, Ueber ihre Ehre und ihren Leib, Da man sie nicht erfunden hat An keiner Art von Missethat, Noch je vielleicht erfinden kann? So klagt leicht Einer Tristanden an Auf diesen Argwohn und Bezicht, Und behauptet's gegen ihn doch nicht, Wie er mit Rechte sollte. So brächte auch, wer nur wollte, Isolden leicht zu Mären, Und könnt's doch nicht bewähren. Seit aber ihre Missethat Der Hof so hart im Argwohn hat, So sollt Ihr auch der Königin Zu Bett, noch Tische fürohin Gesellig sein bis an den Tag, Da sie ihre Unschuld zeigen mag Wider Euch und wider die Lande, Die da wissen von dieser Schande Und treiben den Leumund alle Tage: Denn leider sind sothaner Sage Die Ohren offen und viel bereit, Der Lüge wie der Wahrhaftigkeit: Es sei nun wahr oder sei gelogen, Was in den Leumund wird gezogen, Wo sich's um solche Inzicht handelt, Das reizt und treibt, das wächst und wandelt Vom Funken sich zum ärgsten Brand. Wie es nun hiemit sei bewandt, Ob es nun wahr sei oder nicht, Dieselbe Märe und Bezicht, Die sind so ins Geschrei gekommen, Daß Ihr's zu Leide habt genommen Und es der Hof für übel hat. Nun rathe ich, Herre, und ist mein Rath, Soll meine Fraue, die Königin, Bezichtigt werden geradehin Einer Missethat so groß und schwer, So soll man sie besenden her Vor unser Aller Angesicht, Daß man noch Hofes Recht und Pflicht Von Euch vernehme, was sie verbrach, Und ihre Verantwortung darnach.« Der König sprach: »Herre, das heiß ich gut, Mich dünkt Euer Rath und Euer Muth Gefällig zu sein und fördersam.« – Man besandte Isolden, und sie kam Zum Palast in das Concilium. Da saß sie, und alles saß herum: Der Bischof aber, der greise, Von Thamise der weise, That nach des Königes Gebot. Auf stund er und redete: »Fraue Isot, Viel tugendhafte Königin, Meine Rede beschwere nicht Euren Sinn: Der König, mein Herre, heißet mich Sein Wort hie sprechen: nun muß ich An Euch erfüllen sein Geheiß. Gott aber im Himmel droben weiß, Was übel ansteht Eurer Würde Und Eurer Reinheit wird zur Bürde, Daß ich das viel ungerne trage Beides zu Licht und auch zu Tage, Könnt ich es irgend weisen hin. Selige gute Königin, Euer Herre und Euer Mann, Der heißet mich Euch sprechen an Mit einer offenen Bezicht. Ich weiß nicht, und auch er weiß nicht, Wovon es kam zur Klage, Als daß Ihr seid in der Sage Bei Hof und in den Landen Mit dem Neffen sein, Tristanden. So Gott will, Fraue Königin, Sollt Ihr der Unthat immerhin Unschuldig sein und ohne. Doch hat er's im Argwohne Davon, daß man's bei Hofe spricht. Mein Herre selber, der hat Euch nicht Erfunden anders denn rein und gut. Von Mären, die man bei Hofe thut, Von nichts Erwiesnem, das Ihr gethan, Hat er auf Euch gelegt den Wahn. Darum so spricht er Euch hier an, Daß es seine Freunde und seine Mann Vernehmen und alle hören, Ob er hiedurch zerstören Diesen Leumund könne und diese Lüge Mit unser Aller Rath und Rüge. Nun dünket mich das gut gethan, Daß Ihr ihm über solchen Wahn Vor unser Aller Angesicht Zu Rede stehet und zu Gericht.« Isolde mit dem klugen Sinn, Die kluggesinnte Königin, Da ihr zu reden Statt geschah, Aufstund sie selbst zu reden da: »Herre,« sprach sie, »mein Herr Bischof, Diese Landbarone und all der Hof, Ihr sollt das Alle wissen wohl, Wofern ich zu Rechte reden soll Ueber meines Herren Schmach und mich, In Treuen, solches verrede ich, Beides, nun und zu jeder Stund. Ihr Herren alle, mir ist wohl kund, Daß ich um diese Schnödigkeit Seit einem Jahre bin verschreit So an dem Hof als über Land. Euch ist aber Allen wohlbekannt, Daß Niemand so glückselig ist, Der dieser Welt zu jeder Frist So wohl zu Willen möge leben, Daß ihm nicht werde Schmach gegeben: Darum so wundert es mich nicht, Wenn mir das Gleiche nun geschicht. Mich könnten die Leute ohnehin, Weil ich aus fremden Landen bin, Nicht rasten lassen und nicht ruhn, Ohne mir Schande anzuthun: Ich darf ja hie nirgends fragen Nach Freunden, noch nach Magen; Mir wohnt ja leider Niemand bei, Der meines Leides leidig sei. Ihr Alle und Jeder insgemein, Ihr möget hoch oder niedrig sein, Ihr laßt's euch ungern rauben, An meine Schmach zu glauben. Wüßt ich nun, was beginnen Und welchen Rath gewinnen, Daß ich mein Unverschulden Zu euer Aller Hulden Mit meines Herren Ehren Wohl möchte bringen und kehren, Da hätt ich guten Willen zu. Was rathet ihr nun, daß ich thu? Was man mir auflegt für Gericht, Deß bin ich bereit und weigr' es nicht, Daß euer Aller Verdacht und Wahn Genommen werde und hingethan; Und aber thu ich es noch viel mehr, Zu behaupten meines Herren Ehr Und die meine, daran ich geschädigt bin.« Der König sprach: »Frau Königin, Dabei laß ich es gern bestehn; Und mag mir das von Euch geschehn, Daß Ihr Euch stellet zu Gericht, So gebt uns darauf Pfand und Pflicht: Vor meinem Angesichte Gelobet das Gerichte Mit dem glühenden Eisen, Wie wir's allhie Euch weisen.« – Die Königin that nach seinem Wort: Sie gelobte ihr Gerichte dort, Wie ihr da ward gesprochen Nach den nächsten sechs Wochen Und gesetzt in die Stadt zu Karliun. König und Fürsten schieden nun Von dem Concilium insgemein. Isolde blieb zurück allein Mit Sorgen und mit Leide: Sorge und Leid, alle beide, Waren ihr Eine Schwere: Sie sorgte um ihre Ehre; So beschwerte sie das verhohlne Leid, Daß sie nun ihre Unwahrheit Offen sollte bewähren. Mit diesen zweien Schweren Wußte sie nicht, wo aus, noch ein: Da legte sie beide, Furcht und Pein, Zu Handen des viel gnädigen Christ, Der da hilfreich in den Nöthen ist; Dem vertraute sie ihre Lasten Mit Beten und mit Fasten Und befahl ihm ihre Angst und Noth. In diesen Dingen hatte Isot Ihrem Herzen eine List gesucht, Im Vertrauen auf Gottes höf'sche Zucht: Sie schrieb einen Brief zuhanden Und entbot darin Tristanden, Wie ihm's nur wäre füglich, Daß er käme unverzüglich Des Tages früh gen Karliun Und, wenn sie sollte landen nun, Am Gestade ihrer nähme wahr. – Nun, dies geschah. Tristan kam dar Und harrte am Strand in Pilgertracht, Sein Antlitz unkennbar gemacht, Gefärbt und aufgeschwellet, Leib und Gewand verstellet. Nun Isolde und Marke kamen, Ihr Angelände nahmen, Da ersah ihn Isolde auf dem Strand Und hatte ihn auch sobald erkannt; Und als das Schiff ans Gestade stieß, Gebot die Königin und hieß, So der Waller zur Stätte Genügliche Kräfte hätte Und es mit Willen thäte, Daß man um Gott ihn bäte, Daß er sie trüge auf seiner Hand Von der Schiffbrücken hinab ans Land; Sie wollte sich nicht in diesen Tagen Von einem Ritter lassen tragen. So riefen sie ihn Alle an: »He, geht her näher, guter Mann! Tragt meine Frauen ans Gestad!« – Er leistete, was man ihn da bat: Seine Frauen, die Königin, Die nahm er an seinen Arm dahin Und trug sie hinüber an das Land. Isolde raunt ihm ins Ohr zuhand: Wenn er ans Ufer käme, Daß er einen Fall da nähme Und fiele mit ihr zur Erden. Was auch draus sollte werden, Er that so: wie er ans Gestad Und auf das Land vom Brette trat, Der Waller nieder zur Erden sank Und fiel, als wär's ohn seinen Dank, Und war also dahingerollt, Daß er der Königin Isold In den Armen und zur Seiten lag. Da hieß es: laufe, wer laufen mag! Des Gesindes kam eine große Schaar Mit Stecken und mit Stäben dar, Daß nahe zu übler Märe Der Waller gekommen wäre. »Nein, nein, laßt stehn!« sprach aber Isot: »Der Waller that es nur aus Noth: Er ist unmächtig, schwach und krank Und strauchelte ohne seinen Dank.« Nun sagten sie ihr Alle Huld und Ehre mit Schalle Und lobten's im Gemüthe, Daß sie sich mit Ungüte Nicht rächte an dem Armen da. Isolde lächelnd sprach: »Nun ja, Welch Wunder wäre auch daran, Wenn dieser arme Wallersmann Mit mir Scherz wollte treiben?« – Dies begannen sie ihr zu schreiben Zur Tugend und zu höfischem Sinn. Da ward geehrt die Königin Und ward gelobt von manchem Mann; Und Marke, der sah alles an Und hörte dies und hörte das. Isold sprach aber da fürbaß: »Nun weiß ich nicht, wie es werden soll: Euer Jeder, der sieht nun wohl, Daß ich das nicht verreden kann, Daß ohne Marken nie kein Mann Mir sei in den Arm gekommen, Noch einer habe genommen Sein Lager an meiner Seiten.« – So trieben sie's im Reiten, Und war der arme Waller Der Spott und die Märe Aller Bis Karliun: da gab's ein Ziel. Da waren der Barone viel, Waren Pfaffen und Ritterschaft, Gemeines Volks eine große Kraft, Bischöfe und Prälaten, Die da die Handlung thaten Und segneten das Gerichte, Die waren versammelt dichte Und harrten da der Festlichkeit. Das Eisen, das war auch bereit. Die gute Königin Isold, Die hatte ihr Silber und ihr Gold, Und was ihr war zuhanden An Pferden, Schmuck, Gewanden, Dahin gegeben um Gottes Huld, Daß Gott an ihr der wahren Schuld Zur Stunde nicht gedächte Und sie zu Ehren brächte. So war sie zu dem Münster kommen Und hatte ihr Amt allda vernommen Mit inniglichem Muthe, Die Weise, Schöne, Gute. In tiefer Andacht lag das Weib. Sie trug zunächst auf bloßem Leib Ein hären Hemde, rauh und schwer, Ein wollen Röcklein drüber her, Das nahezu zwo Hände Ob den Knöcheln ging zu Ende; Die Ermel aufgezogen Bis an den Ellenbogen; Arme und Füße waren baar. Manch Aug und Herz nahm ihrer wahr Und erbarmte sich des Weibes. Des Gewandes und bloßen Leibes Ward da viel wahrgenommen. Nun war auch das Heilthum kommen, Auf das sie den Eidschwur sollte thun. Also hieß man die Schöne nun Ihre Schuld an diesen Sünden Gott und der Welt verkünden. Nun hatte Isolde Ehr und Leben An Gottes Güte ganz ergeben: Sie bot ihr Herze und ihre Hand Furchtsam, so wie es um sie stand, Dem Heilthum und dem Eide. Hand und Herze, beide Ergab sie Gottes Segen Zu bewahren und zu pflegen. Nun waren vom Gesinde Viele so ungelinde, Daß sie der Königin ihren Eid Gern hätten auferlegt zu Leid, Ja zu Schaden und zu Falle. Die bittere Neidgalle, Der Truchsäße Mariodo, Derselbe versuchte es so und so, Wie er's lege zu ihrem Schaden an. Dawider war aber mancher Mann, Der sich selbst an ihr ehrte Und ihr's zu Gute kehrte. So ging um den Eid der Königin Der Streit und das Kriegen her und hin: Der war ihr bös und Jener gut, Wie man bei solchen Dingen thut. »König Herre,« fiel die Königin ein, »Mein Eid muß doch gestellet sein, Was man auch redet und was man sagt, Wie Euch gefället und behagt: Darum so seht nun selber zu, Was ich hie spreche oder thu, Ob ich Euch mit dem Eide Zu Eurem Dank bescheide: Ihr Aller Reden, das ist zu viel. Vernehmet, wie ich Euch schwören will: Daß meines Leibes nie kein Mann Keine Gemeinschaft nie gewann, Noch daß mir zu keinen Zeiten Im Arme, noch zur Seiten, Ohn Euch, kein Mann, kein lebendiger, lag Als der, um den ich weder mag Den Eid thun, noch verleugnen (Ihr saht es sich ereignen), Der mir da lag im Arme, Der Pilgersmann, der arme: So helfe mir der Jungfrau Kind Und all die Heiligen, die da sind Zu unsrem Glück und Heile, Bei diesem Gottesurtheile. Ist's nicht genug, gebietet nur, Herre, ich beßre Euch den Schwur, So oder so, wie Ihr es wollt.« »Nein,« sprach der König, »Frau Isold, Es dünket mich genug hieran, So weit ich mich besinnen kann. Nun nehmet das Eisen auf die Hand, Und wie Ihr uns habt vorbenannt, So helfe Euch Gott in dieser Noth.« – »Amen,« sprach die schöne Isot. – In Gottes Namen sie griff es an Und trug es, daß sie's nicht verbrann. Da war wohl offen erkläret Und all der Welt bewähret, Daß der viel tugendhafte Christ Wendschaffen wie ein Ermel ist: Er fügt sich bei und schmiegt sich an, So man es mit ihm fügen kann, Also gefüge und also wohl, Als er mit allem Rechte soll. Er ist allen Herzen gleich bereit Zum Trug wie zur Wahrhaftigkeit. Ist es Ernst, oder ist es Spiel, Er ist je so, wie man ihn will. Das war hie wohl zu schauen An der gefügen Frauen: Die ernährte ihre Trüglichkeit Und ihr gelüppeter falscher Eid, Den sie zu Gott gethan, daß sie An ihren Ehren wohl gedieh Und ward von Stund an abermal Von ihrem Herren und Gemahl Geminnet und geehret, Gepreiset und gehehret Von Land und Leuten beiden. Weß er sich konnte bescheiden, Daran ihr Herze war gewandt, Das war sein Wille allzuhand. Er bot ihr Ehre und bot ihr Gut: All sein Herze und all sein Muth, Die waren auf sie gewandt allein Ohn alle Falschheit treu und rein. Sein Zweifel und sein böser Wahn, Die waren aber hingethan. Das Hündlein Peticriu Das Hündlein Peticriu. Tristan, ihr Herzgespiele, Da er sie von dem Kiele Hatte getragen ans Gestad Und geleistet da, was sie ihn bat, Da fuhr er desselben Males Von Engelland gen Swales Zu einem Herzoge Gilan, Der da gar jung und wohlgethan, Reich, frei und fröhlich immerdar Und ehlichen Weibes ohne war. Dem war er groß willkommen; Der hatte auch schon vernommen Von ihm viel mannliche Stücke Und sein seltsames Glücke Und war ganz nach Begehre Bedacht auf seine Ehre, Auf seine Freude und sein Gemach Und trachtete jedem Dinge nach, Davon er sah oder dachte, Daß er ihm Freude machte, Und wandte seinen Fleiß daran; Denn Tristan, der trauervolle Mann, Der war zu allen Stunden Mit Gedanken gebunden, Mit Trauern und mit Sinnen Ueber das Leid der Minnen. Eines Tages fügte sich das, Daß Tristan bei dem Herzog saß Mit Trauer und Trachten in seiner Brust, Da erseufzte er unbewußt. Nun dessen ward Gilan gewahr, Gebot er, daß man ihm brächte dar Sein zartes Hündlein Peticriu, Seines Herzens Spiel von Avelu Und seiner Augen Gemach. Wohlan, Was er gebot, das ward gethan: Ein Purpur, edel, schön und reich, Von fremder Pracht und wundergleich, All nach des Tisches Maß gebreitet, Ward vor ihn auf den Tisch gespreitet, Ein Hündelein darauf getragen, Das war gefeiet, hört ich sagen, Und ward dem Herzoge gesandt Aus Avelun, der Feien Land, Von einer Göttin drinne Aus Liebe und aus Minne, Und also weise und wunderbar An den zwei Dingen geschaffen war, An der Farbe und an der Kraft, Daß keine Zunge so redehaft, Noch je ein Herz so weise ward, Das seine Schöne und seine Art Konnte beschreiben oder sagen. Seine Farbe war überein getragen Mit fremder Kunst so wundersam, Daß Niemand recht ins Klare kam, Wie seine rechte Farbe war: Es schillerte so bunt sein Haar, Wenn man es gegen der Brust ansah, Daß Jeder hätte geschworen da, Es wäre weiß und mehr denn Schnee, An den Weichen grün und mehr denn Klee, Eine Seite röther denn Scharlachgran, Die andre gelber denn Safran, Unten lasurblau ganz und gar, Oben eine Mischung wunderbar, Da war die Farbe nur Eine, So daß von allen keine Sich stärker vor der andern bot: Da sah man weder grün noch roth Noch gelb noch blau noch schwarz noch weiß, Und doch von allen einen Gleiß, Das war ein brauner Purpurschein. Das fremde Wunderwerk der Fei'n, Sah man es wider die Haare an, So war kein noch so weiser Mann, Der seine Farbe hätte erkannt, Die da so bunt und mancherhand, So irrebar und schillernd sah, Als wäre gar keine Farbe da. Ums Hälslein ging dem Holden Eine Kette, die war golden; Daran hing eine Schelle, Die war so süß und helle, Daß, wie sie hob zu klingen an, Tristan, der trauervolle Mann, Der Trauer und der Schwere Ueber all seine Märe Gar ledig und ohne dorten saß Und seines Leides gar vergaß, Das ihn um Isoldens willen drang. So süß war dieser Schellen Klang, Daß Niemand sie klingen hörte, Dem sie nicht sein Leid zerstörte Und nahm all seine Sorgen fort. Tristan, der sah und hörte dort Das wunderliche Wunder an: So Hund als Schellen er begann Zu merken und zu achten, Jedwedes zu betrachten, Den Hund und seine fremde Haut, Die Schellen und ihren süßen Laut: Ihn wunderte der beiden hoch Und däuchte ihn unter beiden doch Das Wunder mit dem Hündelein Viel wunderlicher noch zu sein, Denn mit dem süßen Schellenklang, Der ihm in seine Ohren sang Und nahm ihm seine Trauer all. Dies däuchte ihn ein fremder Fall, Daß er mit sehenden Augen hie, Was seine Augen der Lügen zieh, An allen diesen Farben fand, Davon ihm keine war bekannt, Wie viel er auch mochte nehmen wahr. Er griff sacht und gefüge dar Und streichelte es mit Handen. Da däuchte es Tristanden, Wie er's zu streicheln da begann, Er griffe Palmatseiden an, So linde war es überall. Es greinte nicht, gab keinen Schall, Noch ließ es Ungebärde sehn, Was ihm auch mochte für Scherz geschehn; Und aß es und auch trank es nicht, Wie uns die Märe von ihm spricht. Nun es von dannen ward getragen, War Tristans Trauern und sein Klagen Zur Stunde so frisch wie je vorher, Und aber so viel der Trauer mehr, Daß er sein ganzes Denken Begann darauf zu lenken Und zu trachten mit Fleiße, Mit welcher Art und Weise Oder mit welchen Sinnen Er möchte doch gewinnen Und senden seiner Frauen zu Das zarte Hündlein Peticriu, Um daß ihre sehnende Schwere All desto minder wäre. Nun konnte er aber nicht ersehn, Wie solches möchte je geschehn Durch Bitten oder auch durch List, Da er wohl wußte zu dieser Frist, Daß es Gilan nicht würde geben, Es wäre denn um sein eignes Leben, Um kein Gut unter der Sonne hie. Dies Trachten und Sehnen wollte nie Aus seinem Herzen weichen; Doch that er nicht desgleichen. Wie uns die wahre Historie sagt Von Tristans Mannheit unverzagt, So war desselben Males Demselben Lande Swales Ein Riese nah gesessen, Hoffährtig und vermessen, Der hauste auf dem Meeresstrand, War Urgan li Filus genannt. Demselben Riesen war Gilan Und sein Land Swales unterthan Und sollten ihm Zins geben, Auf daß er ließe leben Das Landvolk ruhig und ungeplagt. Hiemit wird an den Hof gesagt, Urgan der Riese wäre kommen Und hätte für sich weggenommen, Was ihm zu Zinse sollte sein, Rinder und Kälber, Schaf und Schwein, Und hieße das vor ihm hin jagen. Da hub der Herzog an zu sagen Seinem Freund Tristan die Märe, Wie diese Schatzung wäre Mit Arg und mit Gewalt gesetzt Vom ersten Anfang an bis jetzt. »Nun sagt mir, Herre,« sprach Tristan, »Wenn ich Euch das benehmen kann Und ich Euch helfe in kurzer Zeit, Daß Ihr des Zinses ledig seid, Dieweil Ihr ferner möget leben, Was wollt Ihr mir zu Lohne geben?« – »In Treuen, Herre,« siel Jener ein, »Was ich habe, soll Euer sein.« – Tristan sprach aber da fürbaß: »Herre, gelobet Ihr mir das, So helfe ich Euch auch dazu, Mit welcher Noth ich's immer thu, Daß Ihr fürwahr in kurzer Zeit Urgans auf immer ledig seid, Oder ich büße es mit dem Leben.« – »In Treuen, Herre, ich will Euch geben, Was Ihr begehret,« sprach Gilan: »Was Ihr gebietet, das ist gethan.« – Er bot ihm seine Treu und Hand. Tristanden ward zuhand besandt Sein Roß und auch sein Eisen. Hiemit ließ er sich weisen Zur Stelle, da des Teufels Sohn Mit seinem Raube fuhr davon. Tristan zuhand gewiesen ward Den graden Weg auf Urgans Fahrt In einen wilden öden Wald, Der stieß an des Riesen Bann und Gewalt, Wo über eine Brücke Der Raub je ging zurücke. Raub und Riese, die kamen an. Nun war vor ihnen dort Tristan Und hielt den Raub mit Schwert und Spieße. Nun daß Urgan, der schnöde Riese, Wehr an der Brücke ward gewahr, Da kehrte er ohne Säumen dar Mit einer mächtig langen Stählernen schweren Stangen, Die trug und hielt er hoch empor. Nun er den Rittersmann davor So wohlgewaffnet halten sah, Unwerthlich sprach er zu ihm da: »Freund auf dem Rosse, wer seid Ihr? Was wollt Ihr, warum laßt Ihr mir Meine Habe nicht hinübergehn? Daß mir das ist von Euch geschehn, Weiß Gott, das geht Euch rein ans Leben, Oder aber müßt Ihr Euch ergeben.« Der auf dem Rosse sprach zuhand: »Freund Riese, ich bin Tristan genannt, Weißt du viel wohl, nun fürchte ich Deinen Stecken da und dich Nicht eine halbe Bohne. Drum fahr du Schwatzens ohne Und wisse aber wahrlich das: Dein Raub, der kommt dir nicht fürbaß, Wofern ich dies verwehren kann.« – »Ja,« sprach der Riese, »Herr Tristan, Ihr wähnt, Ihr habt bestanden Morolden von Irlanden, Mit dem Ihr Euren Span und Streit Mit großer Ungerechtigkeit Um nichts zu Kampfe truget Und ihn aus Hoffahrt schluget. Auch ist es nicht um mich bewandt Als wie um Jenen vom Irenland, Den Ihr mit Lärm ankamet Und ihm die Schöne nahmet, Die blühende Isolde, Die ihm gebührte zum Solde. Nein, nein, die Rivage gehört mir zu, Und heiß ich Urgan li Filu: Wohl balde von der Straßen!« Da begann er aus der Maßen Mit beiden seinen Handen Zu zielen wider Tristanden Auf einen Wurf und einen Schwung, Der war wohl groß und lang genung, Dem hatte er seine Richte Im Fall und im Gewichte Recht mit dem Merk gegeben, Daß er sollte ans Leben Dem Feind sein gegangen. Wie er nun so die Stangen Auf ihn begann zu lenken, Begann Tristan zu schwenken; Doch schwenkte er nicht schnell genug: Sie traf ihm vor dem Hinterbug Das Roß und warf es gar entzwei. Der Ungeheure that einen Schrei Und rief Tristanden lachend an: »So helfe Euch Gott, mein Herr Tristan! Eilet nicht mit dem Reiten, Bleibet mir fein zur Seiten, Ob ich Euch mag erflehen, Daß Ihr mich mein Landlehen Mit Ehren und mit Minnen Lasset bringen von hinnen.« Tristan sprang auf den Rasen dar, Da ihm sein Roß erschlagen war; Mit dem Speere so kehrt er her Und stach Urganen mit dem Speer Zum Auge eine Wunden: Da war der Unhold funden. Der ungeheure Riese, Er lief wohl über die Wiese, Nach seiner Stange lief er schier. Nun daß er niedergriff nach ihr, Da hatte auch Tristan seinen Speer Von ihm geworfen und kam her Gerühret mit dem Schwerte: Er traf ihn, wie er begehrte, Denn er schlug ihm dieselbe Hand, Die nach der Stange war gewandt, So daß sie an der Erde lag, Und gab ihm aber einen Schlag An seinen Schenkel und entrann. Urgan, der schadenhafte Mann, Griff mit der linken Hand darnieder, Die Stange zuckte er aber wieder Und lief dem Feind zuhanden: Er jagete Tristanden Manch ängstliche Wendung grad und krumm Unter den Bäumen um und um. Nun war der Blutstrom also groß, Der aus des Riesen Wunden floß, Daß auch derselbe Teufelsmann Viel sehr zu fürchten da begann, Ihm sollte von dem Blute An Kräften und am Muthe In kurzen Zeiten viel entgehn. Da ließ er Raub und Ritter stehn Und nahm die Hand, da er sie fand, Und kehrte wieder heim zuhand In seine Feste balde. Tristan stund in dem Walde Bei seinem Raub alleine. Seine Angst war keine kleine, Daß Urgan lebend entronnen war. Da saß er auf den Rasen dar, Bedenkend und betrachtend, In seinen Sinnen achtend, Da er kein Pfand zur Stätte, Seine That zu bewähren, hätte, Als einzig nur den Zins und Raub, So helfe es ihm auch nicht ein Laub, Was er für Angst und Mühseligkeit Hätte gewendet an diesen Streit; Und sorgte, Gilan gedächte nun Seines Gelübdes sich abzuthun, Das unter ihnen Zwein bestand. Er kehrte auf seinen Weg zuhand Und lief der Spur nach immerdar, Die Urgan vorgelaufen war, Und da er das Gras und den grünen Grund Mit Blute hin gefärbet fund. Nun er zu dem Castele kam, Er alles zu Gesichte nahm Und fleißig nach Urganen sah. Nun fand er weder den Riesen da, Noch Jemand, der je Leben gewann; Denn der versehrte Teufelsmann Der hatte, so sagt uns die Märe an, Seine verlorne Hand gethan Auf einen Tisch in seinem Saal, Und war er von der Burg zu Thal Gelaufen Wurzeln graben, Die er da sollte haben, Mit denen er auch wohl wußte Wie er sich heilen mußte. Und hätt er die Hand so wohlbedacht Mit Künsten an den Arm gebracht, Davon er hatte Kunde, Zur Zeit und vor der Stunde, Da sie ihm gänzlich wurde todt, Er wär auch genesen von dieser Noth, Nicht mit dem Auge, doch mit der Hand. Nun aber ward das abgewandt: Tristan, der kam gegangen da Und auf dem Tische die Hand ersah, Und wie er sie unverwehrt erfand, So nahm er sie und ging zuhand, Recht wie er auch gekommen war. Urgan kam wieder und ward gewahr, Daß er verloren seine Hand; Er war in Leid und Zorn entbrannt, Warf seine Arzenei darnieder Und kehrte nach Tristanden wieder. Der war hin über die Brücke kommen Und hatte viel wohl wahrgenommen, Daß er ihm nachgerühret kam. Des Riesen Hand er balde nahm, Unter einem Strunke barg er sie. Nun stand er in großen Aengsten hie Vor diesem ungeheuren Mann, Denn da war kein Zweifel dran, Es müsse Einer von den Zwein, Er oder der Riese, verloren sein. Er kehrte gegen der Brücke her Und lief ihm entgegen mit dem Speer, Den stach er auf ihn, daß er zerbrach, Und unterwährend daß er stach, So kam auch der verwünschte Mann Urgan mit seiner Stangen an; In solcher Hast er auf ihn schlug, Daß der Schlag weit hinter ihm über trug; Sonst, wär er auch von Erz gewesen, Er wäre nicht vor ihm genesen. Nun half ihm das aus der Gefahr, Daß Urgan sein so gierig war; Denn er war ihm zu nah gekommen Und hatte seinen Schwung genommen Zu ferne hinten über ihn; Eh daß er konnte widerziehn Die Stange, der ungeheure Mann, Da hatte ihm unversehns Tristan Einen Stich ins Auge beigebracht; Er stach dem Riesen wohlbedacht Ins andre Auge einen Stich. Hiemit so schlug Urgan um sich Toll und recht wie ein blinder Mann. Er fing also zu hauen an, Daß Tristan eilte, fernab zu stehn, Und ließ ihn rings im Kreise gehn Schlagend mit seiner linken Hand. So kam es, daß er an den Rand Zu nahe seine Tritte nahm, Daß Tristan dargerühret kam Und legte an diese Ritterschaft All seine Macht und seine Kraft: Er kam gerühret schnell daher, Mit beiden Händen kehrte er Und stieß ihn von der Brücken, So daß zu tausend Stücken Am Fels der Ungeschlachte Mit seiner Last zerkrachte. Hiemit nahm aber mein Herr Tristan, Der reiche siegbegabte Mann, Die Riesenhand und kehrte hin Und kam viel schier, da gegen ihn Gilan der Herzog geritten kam. Dem war es innig leid und gram, Daß sich Tristan je unterfing Und je zu diesem Kampfe ging, Da er sich nimmermehr versah, Daß er genäse, wie doch geschah. Und als er ihn sah, wie er dort her lief, Gar fröhlich er ihm entgegen rief: »A, bien venianz, gentil Tristan! Seliger Mann, nun saget an, Wie stets um Euch, seid Ihr gesund?« – Nun ließ ihn Tristan an der Stund Die todte Hand des Riesen sehn Und sagt' ihm, wie da war geschehn, Sein Glück und sein Gelingen In allen diesen Dingen. Deß ward Gilan von Herzen froh. Sie ritten wieder zur Brücke so Und fanden, wie sie wußten, dort Nach Tristans ungelognem Wort Einen todten, zerschellten Mann Und sahen den mit Wunder an. Hiemit so kehrten sie freudiglich; Den Raub, den trieben sie her vor sich Mit Freuden wieder in das Land. Hievon erhob sich allzuhand Zu Swales im Lande großer Schall, Und sagte man allüberall Tristanden Lob und Preis und Ehr; Zu keiner Zeit ward deren mehr Gesagt im Lande weit und breit Von eines Mannes Mannlichkeit. Nun daß der Herzog und Tristan, Der reiche siegbegabte Mann, Hin wieder zu Hause kamen, Ihr Glück zu Handen nahmen Mit manchem Wort jetzunder, Da sprach der Mann der Wunder, Tristan, zum Herzog allzuhand: »Herre, ich mahn Euch an Euer Pfand, An Eure Treu und Eure Pflicht, Wie unter uns ward aufgericht, Und wie Ihr gelobtet wider mich.« – »Gerne, Herr Tristan, das thu ich,« Sprach Herzog Gilan: »Saget mir, Was ist Euer Muth? was begehret Ihr?« – »Herre Gilan, Euch muth ich zu, Daß Ihr mir gebet Peticriu.« – Gilan sprach aber: »So rath ich baß.« – Tristan sprach: »Herre, laßt hören, was. – Da lasset Ihr mir das Hündelein Und nehmet die schöne Schwester mein Und zu ihr die Hälfte von meinem Gut.« – »Nein, Herr Gilan, das ist nicht mein Muth. Nun seid gemahnt an Treu und Pfand: Denn alle Reiche und alle Land, Die nähme ich wahrlich nicht dafür, So man es ließe in meiner Kür: Ich schlug Urganen li Filu Um andres nicht, als um Peticriu.« – »In Treuen denn, mein Herr Tristan, Liegt Euer Wille baß hieran, Denn an dem, was ich Euch genannt, So will ich lösen Treu und Pfand Und leisten, was Euer Begehren ist: Ich will auch nimmer Falsch, noch List Gebrauchen, wie Mancher sonst, hiezu. Wie recht ungerne, daß ich's thu, Was Ihr gebietet, das soll sein.« Hiemit ließ er das Hündelein Vor sich und vor Tristanden tragen: »Seht,« sprach er, »Herre, ich will Euch sagen Und will Euch schwören einen Eid Auf alle meine Seligkeit, Daß ich gar nichts erfinden kann, Auch nichts so Liebes je gewann (Ohne meine Ehre und mein Leben), Das ich nicht lieber Euch wollte geben, Denn dies mein Hündlein Peticriu. Nun nehmet's hin und habt's in Ruh, Gott lasse es Euch zu Freuden kommen. Ihr habt mir zwar an ihm benommen Das beste meiner Augen Spiel Und meines Herzens Wonne viel.« Tristan, da er das Hündelein Gewonnen in die Hände sein, Er hätte dawider der Römer Reich Und alle Reiche der Welt zugleich Und alle Lande und Meere Geachtet nicht eine Beere. Nie war er so froh mit Herz und Sinn, Außer bei seiner Königin. Zu seinem Geheimniß er gewann Von Gales einen Saitenmann, Einen gefügen, weisen; Den er begann zu unterweisen In allen klugen Dingen, Wie er es sollte bringen, Das Wundergeschöpf, das holde, Der Königin Isolde. Er barg es dem Galeotten Weislich in seiner Rotten. Auch schrieb er Briefe und sandte ihr die Und ließ sie wissen, wo und wie Er's hätte ihrethalb erjagt. Der Spielmann, wie ihm ward gesagt Und wie er unterweiset ward, Also ging er auf seine Fahrt Und kam also gen Tintayol In König Marke's Schloß, so wohl, Daß ihm auf seiner Straßen nie In seinen Dingen mißgedieh. Brangänen zuvörderst, die sprach er, Hündlein und Briefe gab er der, Die gab sie ihrer Königin. Die Königin mit fleißigem Sinn Sah erst gesammt und besonders dann Das wunderliche Wunder an, Das sie an diesem Hündlein fand. Dem Galeotten allzuhand Gab sie zehn Mark von Golde Zu Lohne und zu Solde. Briefe sie schrieb zuhanden Und entbot darin Tristanden Mit fleißigem Begehren, Er sollte wiederkehren, Er fände Huld und starke Gnade bei Herren Marke, Der gegen ihn jener Märe Nimmer gedenkend wäre; Sie hätte es alles hingethan. Nach diesen Worten that Tristan: Er kehrte wieder heim zuhand. König und Hof und Leut und Land Die boten ihm Ehre, wie vorher. Der Ehren ward ihm nimmer mehr Am Hof erboten, denn zur Stund; Nur daß ihm Mariodoc, der Hund, Ehr außerhalb des Herzens bot Und sein Gespann, die Schlange Melot, Die ihn schon vor bedrohten, Was die ihm Ehren boten, Da war viel wenig Ehre bei. Hie sprechen Alle, wie dem sei, Da solch ein äußrer Schein geschicht: Weder ist es Ehre oder nicht? Ich spreche Nein und spreche Ja; Nein und Ja, die sind beide da: Nein an Dem, dem sie ist feil, Ja an Dem, dem sie wird zu Theil. Die Zwei sind beide an diesen Zwein: Man findet da Ja und findet Nein. Was ist nun an der Märe? Es ist Ehr ohne Ehre. Nun sagte Isolde, die Königin, Zu ihrem Herren mit schnellem Sinn: Das Hündlein wäre ihr gesandt Von ihrer Mutter in Irenland. Auch ließ sie alsbald machen Von köstlichen reichen Sachen, Von Gold und von Geschmeide, Die da waren der Augen Weide, Ein Häuslein wonniglich und fein, Und war ihm da gespreitet drein Ein reicher Pfelle, auf dem es lag. So war es Isolden Nacht und Tag Geheim und in offnem Lichte Vor ihrem Angesichte. Sie hatte die Sitte immerdar: Wo sie nur ritt, wo sie nur war, Da kam es ihr aus den Augen nicht; Man führt's oder trug es vor ihr dicht, Daß sie es konnte mit Augen sehn, Und wie uns die Märe läßt verstehn, Nicht wegen seiner Tröstlichkeit, Sie that's zu erneuen ihr sehnend Leid Und auch zu Liebe Tristanden, Der ihr's aus Lieb erstanden. Ihr Gemach lag nicht an Peticriu, Sie hatte von ihm nicht Trost, noch Ruh. Denn die getreue Isolde, Da ihr das Zarte, Holde, Zu allererst vor Augen kam Und sie der Schellen Klang vernahm Und der ihr Trauern nahm dahin, Da gedachte sie gleich in ihrem Sinn, Daß ihr Freund Tristan wäre Um sie bedrängt mit Schwere, Und gedachte auch alsbald bei sich: »O weh, o weh, und freu ich mich, Wie thu ich Ungetreue so? Wie mag ich irgend werden froh Zu einer Stunde, zu einer Frist, Dieweil er um mich traurig ist, Der seine Freude und sein Leben Um mich der Trauer hat ergeben? Weß mag ich mich freuen ohne ihn, Deß Leid und dessen Freud ich bin? Wie kann ich lachen ein einzig Mal, Seit daß sein Herze fühlt die Qual Und weiß nicht mehr, was Ruhe sei, Mein Herze wäre denn dabei? Er hat kein Leben als in mir: Sollt ich ohn ihn nun leben hier In Freuden und froher Märe, Und daß er traurig wäre? Nicht wolle Gott, der gute, Daß ich in meinem Muthe Jemals ohn ihn eine Freude hab!« – Hiemit brach sie die Schelle ab Und ließ die Kette hängen dran. Nun war der Schelle auch abgethan Ihre Kraft und ihre Tugend all. Seit gab sie nimmer einen Schall, Der also wirkte wie vorher. Man sagte, daß sie nimmermehr Verlöschte, noch zerstörte, Wie viel man sie auch hörte, Betrübter Herzen Traurigkeit. Das war Isolden wenig leid: Sie wollte doch nicht fröhlich sein. Die treue Sehnerin, stet und rein, Hatte ihre Freude und ihr Leben Dem Sehnen und ihrem Freund ergeben. Die Minnengrotte Die Minnengrotte. Aber war Tristan und Isot Sieghaft der Sorgen und der Noth Und waren aber des Hofes wohl; Der war aber ihrer Ehren voll, Und nie war ihres Lobes mehr. Sie waren aber, wie vorher, Vertraulich und gesehen gern Bei Marke, ihrer Beider Herrn. Auch bargen sie sich wohl genug: Denn so sie nicht fanden Statt noch Fug, So däuchte sie der Wille gut, Der Gelieben oftmals sanfte thut; Der Trost und das Vertrauen, Daß man noch werde schauen, Woran dem Herzen gelegen ist, Die geben dem Herzen zu jeder Frist Lebende Lust und blühende Kraft. Dies ist die rechte Herzfreundschaft, Dies sind die besten Sinne In der Liebe und in der Minne: Wo man die That nicht haben kann, Wie es der Minne wohl stünde an, Soll man der That gern haben Rath Und nehmen den Willen für die That. Wo der gewisse Wille ist, Da ist Erfüllung auch zur Frist. Man soll das Verlangen stillen Mit dem gewissen Willen. Gesellen und Gespielen, Die sollen nach nichts zielen Zuwider der Gelegenheit, Oder sie zielen nach ihrem Leid. So man nicht mag und dennoch will, Das ist ein gar undienlich Spiel. So du wohl magst, dann wolle du: Bei diesem Spiel geht's reichlich zu; Da ist kein Herzeleid daran. Die Gespielen Isolde und Tristan, So es nicht wollte nach Wunsch gedeihn, So gaben sie das Zusammensein Für ihren einigen Willen hin. Der wirkte in ihrer Beider Sinn Gar süß und lieblich allezeit Und aber in großer Unmüßigkeit: Einige Liebe, einiger Muth, Die däuchten sie gar süß und gut. Die Gelieben, die verhahlen Ihre Liebe zu allen Malen Vor Marke und dem Gesinde, So gut es ihnen die blinde Liebe wollte gestatten, Die sie stets um sich hatten. Nun aber ist eifersüchtiger Wahn Und dessen Same so gethan: Wo er wird hingetragen, Daß er mag Wurzeln schlagen, Da ist er also wucherisch Und treibt und saftet immer frisch, Dieweil er in der Feuchte steht, Daß er da nicht so leicht vergeht Und nie vergehen wird fortan. Derselbe unmüßige leide Wahn Begann aber allzuhanden An Isolden und Tristanden Seine Frucht zu treiben und sein Spiel. Da war der Feuchte gar zu viel, Der Grüße süß und leise, Daran man die Beweise Der Minne sah zu jeder Stund. Das Wort, das kam aus wahrem Mund: Wie man auch ihrer hütend sei, Sie sind doch gerne einander bei, Das Auge bei dem Herzen, Der Finger bei dem Schmerzen. Des Herzens Leitesterne, Die stehlen sich viel gerne Hin, da das Herz ist hingewandt. Auch geht der Finger und die Hand Gar oft und zu gar mancher Frist Dahin, wo der Schmerz verborgen ist. So thaten die Beiden immer: Sie mochten's und konnten's nimmer Um keine Noth sich wehren, Den Argwohn fort zu nähren Mit süßen Augenstrahlen Zu allzu vielen Malen: Denn leider, wie ich las zur Stund, Des Herzens Freund, das Auge, stund Aufs Herz gewendet fort und fort, Die Hand lag stets am Schmerzensort. Oft begannen sie unter sich Augen und Herzen so festiglich Mit Blicken zu verstricken, Daß sie aus ihren Blicken Oft und zu manchen Stunden Nicht also den Ausweg funden, Daß Marke nicht darinne Den Balsam fand der Minne. Drum nahm er ihrer immer wahr, Sein Auge, das stund immer dar: Oft las er heimlich ihnen Die Wahrheit in den Mienen; Sonst aber sah er sie an nichts Als an den Gebärden des Angesichts; Die entboten so sehnlich süße, So innigliche Grüße, Daß es ihm an sein Herze ging Und ihn mit solchem Zorn befing, Mit solchem Neid und solchem Haß, Daß er mit einmal dies und das, Ob's Zweifel oder Argwohn hieß, Alles zusammen fahren ließ: Ihn hatte Leid und Zorn entfacht Und ganz um Sinn und Maß gebracht. Es war all seiner Sinne Tod, Daß seines Herzens Weib Isot Einen Andern als ihn, den Einen, In Treuen sollte meinen; Denn es ging ihm nichts über sie Von allen Schätzen auf Erden hie, Und hatte darin steten Muth: Wie auch entbrannte seine Wuth, So war ihm je sein liebes Weib Doch lieb und lieber denn sein Leib. Wie lieb sie ihm aber mochte sein, Doch brachte ihn diese stete Pein Und dieses tobende schwere Leid In also große Tobenheit, Daß er die Liebe von sich trieb Und nur auf seinem Zorn verblieb. Er hätte nicht gegeben ein Haar, Wär es gelogen oder wahr. In diesem blinden Leide Besandte er sie Beide Vor seinen Hof zum Palaste dar, Wo all das Hofgesinde war. Zu Isolden sprach er offen da, Daß all der Hof es hört' und sah: »Meine Frau Isolde von Irenland, Land und Leuten ist wohlbekannt, Wie sehr Ihr im Verdachte seid Nun lange und seit mancher Zeit Mit meinem Neffen Tristanden. Nun hab ich mancher Handen Warte und Hut an Euch gewandt, Ob Ihr möchtet diesen blinden Brand Um meinetwillen lassen: Nun wollt Ihr Euch nicht fassen; Ich bin doch kein so blinder Mann, Ich weiß und schau es Euch wohl an, Offen und in der Stille: Eure Augen und Euer Wille, Die sind zu allen Stunden An meinen Neffen gebunden. Dem bietet und erzeiget Ihr Gebärden, süßere denn mir. An den Gebärden verseh ich mich, Daß er Euch lieber ist denn ich. Was ich erdenken mag für Hut So wider Euren als seinen Muth, Das schlägt zu keinem Frommen an, Das alles ist für nichts gethan, Wie viel ich es auch treibe. Ich schied Euch doch am Leibe Wohl hundertmal und hundert, So daß mich's immer wundert, Daß Ihr so lange und allezeit Im Herzen also einig seid. Eure Blicke, zu meinem Frieden Hab ich sie oft geschieden, Und kann doch an euch Beiden Die Liebe nimmer scheiden, Und hab euch das zu viel ertragen. Nun will ich euch das Ende sagen: Ich will die Schande und das Leid, Das ihr mir nun so lange Zeit Zu meiner Noth habt angethan, Nicht länger treiben mit euch fortan. Ich will die Schmach von euch Beiden Von Stund an nicht mehr leiden. Auch will ich dies Verbrechen An euch so sehr nicht rächen, Als ich mit Rechte sollte, So ich mich rächen wollte. Neffe Tristan, meine Frau Isot, Daß ich euch Beiden dafür den Tod Oder ein Herzeleid anthu, Da seid ihr mir zu lieb dazu, Was ich doch viel ungern gestehe: Seit ich nun an euch Beiden sehe, Daß ihr einander allezeit Wider all meinen Willen seid Lieber, denn ich euch Beiden bin, So lebet auch mit einander hin Nach eurem Willen und Begehr Und kümmert euch um mich nichts mehr. Seit eure Liebe so mächtig ist, So will ich euch von dieser Frist In keinem von euren Dingen Beschweren oder zwingen. Nehmet einander an die Hand Und räumet mir so Hof als Land. Denn soll mir Leid von euch geschehn, So will ich's nicht hören und auch nicht sehn. Die Gemeinschaft unter uns Dreien, Die kann nicht fort gedeihen; Ich lasse sie euch Beiden Und will mich davon scheiden. Wie ich mich auch draus löse, Die Gemeinschaft, die ist böse: Ich will sie gerne missen. Ein König, und zu wissen Um Gemeinschaft in der Minne, Das zeugt von niedrem Sinne. Fahrt Beide Gott ergeben, Heget so Lieb als Leben, Wie euch fortan zu Muthe sei: Mit der Gemeinschaft ist's vorbei.« Nun, dies erging, und dies geschah, Recht wie es Marke sagte da: Tristan und seine Fraue Isot, Sie neigten sich mit mäßiger Noth, Mit kühlem Herzeleide Ihrem Herrn dem König Beide, Darnach dem Hofgesinde dar. Das innige getreue Paar Sich an den Händen faßte Und ging aus dem Palaste. Ihre treue Brangäne mit Herz und Mund Hießen sie wohl sein und gesund Und baten, daß sie bliebe, Am Hofe die Zeit vertriebe, Bis daß sie Kunde empfinge, Wie es ihnen Beiden ginge: Das befahlen sie ihr hoch und stark. Tristan, der nahm da zwanzig Mark Von seiner Isolde Golde, Für ihn und seine Isolde Zur Nothdurft und zur Speise. Auch ließ man ihn auf die Reise Und auf die Fahrt, wie er begehrt, Seine Harfe nehmen und sein Schwert, Seine Birscharmbrust und dazu sein Horn. Dazu so hatte er ihm erkorn Aus seinen Bracken einen, Einen schönen und kleinen, Derselbe war Heudan genannt; Den nahm er selber an seine Hand. Sein Gesinde bat er Gott bewahren Und hieß sie wieder zu Lande fahren Zu Herrn Rualen, dem Vater sein, Ohne den Kurvenal allein; Denselben behielt er in seiner Schaar. Dem bot er auch die Harfen dar; Die Armbrust nahm er selbst zur Stund, Dazu das Horn und auch den Hund, Heudanen, nicht den Peticriu. So schieden die Drei und ritten zu. Brangäne, die treue, reine, Die blieb nun seelenalleine In Trauer und in Schwere. Die schwere Trauermäre Und das viel leide Scheiden Von ihren Gefreundten beiden, Das ging ihr so mit Schmerzen Und also gar zu Herzen, Daß es ein großes Wunder war, Daß sie nicht starb vor Leide gar. Auch schieden jene Beide Von ihr mit manchem Leide, Nur daß sie aus gutem Grunde Sie eine kurze Stunde Harren und bleiben hießen Und sie bei Marke ließen, Daß sie die Sühne nachderhand Bei Marke brächte für sie zu Stand. So kehrten die Drei in guter Ruh Immer und immer der Wildniß zu, Durch Wald und Haide, und ritten so Beinahe der Tagereisen zwo. Da war Tristanden ein hohler Schlund In einem wilden Berge kund, Den er zu einer Stunden Von Aventüre funden; Da hatte ihn einst beim Jagen Sein Weg dahin getragen. Dieselbe Höhle, die war weiland, Unter der heidnischen Zeit im Land, Vor Korineïs Jahren, Da Riesen noch Herren da waren, Gehauen in den wilden Berg; Da hatten sie Obdach und Geberg, So sie sich mit Heimlichkeiten Der Göttin Minne weihten. Wo so eine Höhle funden ward, Dieselbe war mit Erz verwahrt Und wurde der Minne nach benannt La fossure a la gent amant, Der Minnenden Grotte, sagen wir. Der Name war auch gebührlich ihr. Auch nennt uns der Aventüre Mund Die Grotte ein gewölbtes Rund, Weit, hoch, mit aufrecht graden Streben, Schneeweiß und ringsum gleich und eben. Das Gewölbe, das schloß sich oben, So daß es war zu loben, Und auf dem Schluß eine Krone war, Die war gezieret wunderbar Mit Geschmeide und edlen Steinen, Das gab ein Leuchten und Scheinen. Der Estrich unten war glatt und gleich, Blank wie ein Spiegel, schön und reich, Von Marmor, grün wie Auen Im Frühling anzuschauen. Ein Bette stand inmitten, Rein aus Krystall geschnitten, Hoch, weit, wohl auferhaben, Mit Schriften rings ergraben; Und sagt uns auch die Märe, Daß es gewesen wäre Geweiht der Göttin Minne. An der Grotten oben inne Da waren kleine Fensterlein Des Lichtes wegen gehauen ein, Die gaben Helle im Felsenhaus. Und da man einging oder aus, Da war eine eherne Thür dafür, Und außen stunden ob der Thür Vielästiger großer Linden drei, Und oben keine mehr dabei, Aber überall hin zuthal Da stunden Bäume ohne Zahl, Mit Laub und Aesten strebend, Dem Berge Schatten gebend. Und einthalb war eine Pläne, Da floß eine Fontäne, Ein frischer kühler Bronne, Durchlauter wie die Sonne. Da stunden auch drei Linden drob, Die waren schön und ganz zu Lob Und schirmeten den Bronnen Vor dem Regen und vor der Sonnen. Auch waren auf der Auen Lichte Blumen zu schauen Und grünes Gras bei ihnen, Die kriegten gar süß und schienen Eins gegen das andre widerstreit. Auch fand man da zu seiner Zeit Das schöne Vogelgetöne. Das Getöne, das war so schöne Und schöner denn an jedem Ort. Augen und Ohren hatten dort Weide und Wonne beide, Die Augen ihre Weide, Die Ohren ihre Wonne. Da war Schatte und Sonne, Da waren Luft und Winde So sanft und so gelinde. Von diesem Berg im Kreise Wohl eine Tagereise War alles wüste und wilde, Felsen ohne Gefilde. Da war keine Gelegenheit Von Wegen, noch Stegen weit und breit. Doch wie auch unwegsam und rauh, So kehrte Tristan und die Frau, Seine traute Begleiterin, Dennoch in diese Oede hin Und nahmen sich Herberge In dem Felsen und in dem Berge. Nun sie sich niederließen dort, Sandten sie Kurvenalen fort, Am Hofe zu sagen Märe, Und wo es noch nöthig wäre, Daß Tristan und die schöne Isot Mit Jammer und mit mancher Noth Gen Irland seien gefahren, Allda zu offenbaren Ihre Unschuld wider Leut und Land; Und befahlen, daß er sich allzuhand Bei Hofe niederließe, Wie ihn's Brangäne hieße, Und entböte mit treuem Sinne Ihre Freundschaft und ihre Minne An die Reine, die Getreue, Ihre Freundin ohne Scheue Und erforschete auch im Stillen, Wie es stünde mit Marke's Willen; Ob er nicht einen argen Rath Zu irgend einer argen That Wider ihr Leben richtete; Daß er das gleich berichtete, Und daß er auch allzuhanden Isolden und Tristanden In seine Gedanken nähme Und je zurücke käme Mit so gethanen Mären, Die da entscheidend wären, Je einmal inner zwanzig Tagen. – Was brauche ich euch nun mehr zu sagen? Er leistete, was man ihm gebot. Hiemit war Tristan und Isot Eingezogen zu Hause In dieser wilden Klause. Viel Manchen treibt jetzunder Der Fürwitz und das Wunder Und hat mit Fragen große Noth, Wie sich Tristan und seine Isot, Die armen zween Gefährten, In dieser Wüste ernährten. Deß will ich ihn berichten Und seinen Fürwitz schlichten: Sie sahen Beide einander an, Und Jedes Speise davon gewann: Der Wucher, den das Auge trug, Bot ihnen Leibesnahrung gnug: Sie aßen nichts darinne Als hohen Muth und Minne. Ums Essen und ums Trinken war Das minnende wohlgemuthe Paar In gar geringen Sorgen. Sie hatten ja verborgen Innen in den Gewanden Die beste Speise zuhanden, Die man auf Erden haben kann. Die trug sich ihnen von selber an, Je frisch und je aufs Neue: Das war die reine Treue, Die gebalsamte Minne, Die dem Leib und dem Sinne So inniglich wohl, so sanfte thut, Die da befeuert Herz und Muth; Die war ihre beste Nahrung hie. Fürwahr, und selten nahmen sie Sonst einer Speise wahr, als der, Von der das Herze sein Begehr, Das Auge seine Wonne nahm Und die auch recht dem Leibe kam; Hiemit so hatten sie genug: Liebe zog ihnen ihren Pflug, Ging ihnen so auf jedem Schritt Und zu jeglicher Stunde mit Und spendete, was man haben muß, Zu leben in Fülle und Ueberfluß. Auch machte es ihnen wenig Pein, Daß sie in der Wüste so allein Und ohne Leute lebten hin. Nun, weß bedurften sie auch darin? Was sollte Jemand zu ihnen dar? Sie hatten eine gerade Schaar: Sie waren Eins und Eines Und bedurften weiter Keines. Hätten sie Einen dazu erlesen, So wären sie ungerad gewesen Und mit dem Ungeraden Ueberlastet und beladen. Ihrer Beider Genossenschaft, Die war den Beiden so schaarenhaft, Daß der gesegnete Artus nie Daheime bei seiner Massenie Ein Fest gewann um seinen Thron, Daß ihnen größere Lust davon Und Wonne wär entstanden. Man hätte in allen Landen Nicht Eine Freude funden, Die sie Zwei zu den Stunden Zum Haushalt unter ihnen Zwein Hätten gekauft um ein Glasringlein. Was Jemand konnte ertrachten, Fürs höchste Leben achten, In jeglichem Land und Himmelsstrich, Das hatten sie alles da bei sich. Sie hätten um ein besser Leben Nicht eine Bohne hergegeben, Wenn's nicht um die Ehre gewesen wär. Und weß bedurften sie auch da mehr? Sie hielten Hof, sie hatten Gut, Darauf die Freude all beruht. Ihr stetes Ingesinde, Das war die grüne Linde, Der Schatte und die Sonne, Die Aue und der Bronne, Blumen und Gras, Laub und Blüth, Was tröstet Augen und Gemüth. Ihr Dienst, das war der Vogelschall: Die kleine reine Nachtigall, Drossel und Amsel obendrein Und andere Waldvögelein, Der Zeisig und Galander, Die dienten wider einander In die Wette und in Widerstreit. Dies Gesinde diente zu aller Zeit Ihrem Ohr und ihrem Sinne. Ihre Hochzeit war die Minne, Die übergoldete ihre Lust Und brachte ihnen in Aug und Brust Des Tags wohl manche Stunde Artusens Tafelrunde Mit aller ihrer Massenie. Was bedurften sie bessere Nahrung hie Dem Muthe und dem Leibe? Da war doch Mann bei Weibe, So war auch Weib bei Manne: Da fehlte keine Spanne. Sie hatten, was sie sollten, Und waren, da sie wollten. Nun treiben aber ihrer gnug Ihr Wesen mit Lärm und wenig Fug, Dazu ich doch nicht stimmen will: Sie sagen, zu sothanem Spiel Da gehöre noch andre Speisung bei. Da weiß ich nicht recht, ob's so sei. Mich dünket es genug hieran. Ist aber hie ein andrer Mann, Der Nahrung, die da baß macht satt, An diesem Leben erforschet hat, Der rede, wie es ihm bewußt: Ich ging auch je und je mit Lust Also gethane Lebensbahn: Da däuchte es mich genug daran. Nun soll euch nicht verdrießen, Wenn ich euch will erschließen, Mit welchem Sinn ich meine, Daß die Grotte im Gesteine Bereitet war in ihrem Maß. Sie war, wie ich zur Stunde las, Gewölbt, weit, hoch, mit graden Streben, Schneeweiß und ringsum gleich und eben. Die runde Wölbung drinne, Das ist Einfalt in Minne: Einfalt, die ziemt der Minne wohl, Die keinen Winkel haben soll; Der Winkel, der an der Minnen ist, Das ist Argheit, falsche Kunst und List. Die Weite, das ist der Minnen Kraft, Denn ihre Kraft ist unendehaft. Die Höhe, das ist der hohe Muth, Der sich auf in die Wolken thut: Demselben ist auch nichts zu viel, Dieweil er hinauf sich heben will, Wo sich der Tugenden Fug und Guß Zusammen wölbt in einen Schluß. Und der zerfällt auch nimmer: Die Tugenden, die sind immer Mit Lobe so vereinet, Gekrönet und gesteinet, Daß wir, die nieder sind gemuth, Wir, deren Muth sich niederthut Und an dem Estrich schwebet, Ja, weder schwebt noch klebet, – Wir schauen immer auf gen Berg Und schauen oben an das Werk, Das da aus ihrem Lob besteht, Von ihren Tugenden niedergeht, Die ob uns in den Wolken schweben Und ihren Schein hernieder geben: Da schaun wir nach den Wunderdingen, Und hievon wachsen uns die Schwingen, Mit denen der Muth in die Höhe fleugt, Fliegend aus Tugenden Lob erzeugt. Die Wand war weiß und eben ganz: Das ist der Wahrheit Art und Glanz, Deren Weiße und gleicher Schein Soll nimmermehr gesprenkelt sein; Auch soll ihr kein Argwohn böser Sachen Weder Bühel, noch Grube machen. Der Estrich, der von Marmor war, Der gleicht der Stete ganz und gar An Grüne und an Feste: Der Sinn ist ihm der beste An Glätte und Farbenscheine: Die Stete sei, die reine, Mit Rechte saftgrün als wie Gras, Glatt und durchlauter als wie Glas. Das Bett inmitten drinne War der krystallenen Minne Nach ihrem Namen recht benannt: Er hatte ihr Recht viel recht erkannt, Der ihr machte aus Krystall bereit Ihr Lager und ihre Gelegenheit: Die Minne soll auch krystallen, rein, Durchsichtig und durchlauter sein. Innen an der ehernen Thür, Da gingen auch zween Riegel für. Eine Klinke war auch innen Mit kundiglichen Sinnen Hinausgeleitet durch die Wand, Allda sie auch Tristan erfand; Die meisterte ein Heftelein, Das da von außen ging hinein Und sie handhabte hin und dar. Nicht Schloß daran, noch Schlüssel war, Und will euch sagen, warum: Das Schloß, das fehlte darum: Was man Gerüstes für die Thür, Ich meine außerhalb dafür, Zum Hemmen oder Verschließen thut, Das deutet alles auf falschen Muth; Eingehn zur Thür der Minnen, Wen man nicht einläßt drinnen, Das ist nicht Minnen Art, noch Fug, Das ist Gewalt oder ist Betrug. Darum so steht dem Minnenthor Dieselbe eherne Thüre vor, Die Niemand kann gewinnen, Er gewinne sie denn mit Minnen. Auch ist sie ehern, merket hie, Daß kein Gerüste gegen sie, Weder von Gewalt, noch Kraft, Weder von List, noch Meisterschaft, Von Falschheit, noch von Lüge Zum Sprengen oder Brechen gnüge. Und innen die zween Riegel, Der Minne zwei Insiegel, War jeder dem andern zugewandt An einem Ende je der Wand, Von Cedernholz der eine, Der andre von Helfenbeine. Vernehmet die Deutung beeder: Der eine von der Ceder, Der meinet an der Minne Die Weisheit und die Sinne; Der Riegel von Helfenbeine Die Keuschheit und die Reine. Mit diesen zwein Insiegeln, Mit diesen reinen Riegeln Ist zugethan der Minnen Haus, Falsch und Gewalt geschlossen aus. Die heimliche Handhabe, Von der ich gesprochen habe, Die von außen ging zur Klinken hin, Das war eine Spille, nur von Zinn, Dagegen mit Recht die Klinke war Von lautrem Golde ganz und gar. Heft und Klinke, diese und das, Die konnten beide nimmer baß In ihrer Weise sein vollbracht. Das Zinn, das ist die Willensmacht Zu heimlich stillen Dingen; Das Gold ist das Gelingen. Zinn und Gold stehn wohl hier an: Seinen Sinn, den mag ein jeder Mann Nach seinem Willen leiten, Schmälern oder breiten, Kürzen oder längen, Weiten oder engen, So oder so, her oder hin, Mit leichter Mühe, gleichwie Zinn; Und ist da wenig Schaden dran: Wer aber mit rechter Güte kann Auf Minne wenden seinen Sinn, Fürwahr, den trägt dies Heft von Zinn, Das arme schlechte Stücke Trägt ihn zu goldnem Glücke Und lieber Aventüre. Oben in die Fossüre, Da waren nur drei Fensterlein, Dadurch die Sonne mit ihrem Schein Gar heimlich konnte schauen, Durch den ganzen Stein gehauen. Dieselben hießen Güte, Demüthiges Gemüthe Und Zucht. Zu diesen Dreien ein, Da geht und lacht der süße Schein, Der selige Gast, der hehre, Der Lichter bestes, Ehre, Und erleuchtet die Fossüre Köstlicher Aventüre. Auch hat es Sinn und klinget fein, Daß die Fossüre so allein In dieser wüsten Wildniß lag, Was man dem wohl vergleichen mag, Daß Minne und ihre Gelegenheit Nicht liegen an der Straße breit, Noch nahe beim Gefilde: Sie lauschet in der Wilde. Zu ihrer Klause ist die Fahrt Mit Noth und Mühsal wohl verwahrt. Die Berge liegen um sie her In manchem Bogen kreuz und quer Verschoben hin und wieder; Die Steige sind auf und nieder Uns armen Märtyrern allen Mit Felsen so zerfallen, Daß, gehn wir nicht recht dem Pfade mit, Versehen wir's an einem Tritt, Wir aus den Irrgewinden Uns nimmer zurechte finden. Wer aber mag so selig sein, Daß er zur Wildniß kommt hinein, Was er auch Müh und Arbeit fand, Die ist glückselig aufgewandt: Er findet da des Herzens Spiel, Und was das Ohr vernehmen will, Und was dem Auge lachen soll, Deß alles ist die Wildniß voll: So wäre er ungern von dem Ort. Dies weiß ich wohl, denn ich war dort: Ich hab auch in der Wilde Dem Vogel und dem Wilde, Dem Hirsche und dem Thiere Durch manche Waldreviere Mit Pfeilen nachgejagt und Hunden Und aber so getäuscht die Stunden, Daß ich noch niemals kam zum Bast. Meine Mühsal und all meine Last Blieb ohne Aventüre. Ich fand an der Fossüre Das Heft und sah die Klinken, Sah auch zu Stunden blinken Jenen Kristall inmitten. Den Reihen bin ich geschritten Gar ofte her und ofte hin, Hab aber nie geruht darin. Und aber den blanken Estrich gar, Wie marmorhart er immer war, Den hab ich mit Tritten so beschwert, Hätt ihn die Grüne nicht ernährt, An der seine meiste Tugend ist, Von der er wächst zu jeder Frist, Man spürte wohl der Minne Leibhaftige Spuren drinne. Auch hab ich an die lichte Wand Meine Augen zu ihrer Lust gewandt Und oben am Zusammenfug, An dem Gewölb und Schluß genug Mit Blicken mich geflissen, Meine Augen viel verschlissen An der Gezierde und Krone drob, Die so gestirnet ist mit Lob. Die sonnespendenden Fensterlein, Die haben mir oft ins Herze mein Ihr Licht und ihren Glast gesandt. Mir ist die Grotte wohl bekannt Und schon seit meinem eilften Jahr, Der ich doch nie in Kornwall war. Das Paar, das treue, holde, Tristan und seine Isolde, Sie hatten in der Wilde Zu Wald und zu Gefilde Ihre Muße und Unmüßigkeit Gar süß bestellet und bereit: Sie waren zu allen Zeiten Einander an der Seiten. Des Morgens in dem Thaue So schwebten sie zur Aue, Da Blumen und Gras zuhanden Vom Thau erkühlet standen. Die kühle Prärie im Morgenschein, Die mußte dann ihr Vergnügen sein. Da wandelten sie her und hin, Sprachen zusammen mit holdem Sinn Und lauschten unterm Gange Dem süßen Vogelsange. Und alsdann nahmen sie einen Schwang Hin, da der kühle Bronne klang, Und lauschten seinem Klange, Seinem Gleiten und seinem Gange Zur Pläne mit stillen Fluthen; Da saßen sie und ruhten Und lauscheten dem Gießen Und schauten auf das Fließen, Und war das ihre Wonne. Als aber die lichte Sonne Begann sich zu erheben, Die Hitze herab zu schweben, So gingen sie zur Linden Nach den linden Winden; Die spendete ihnen aber Lust Außen und innerhalb der Brust. Sie erfreuten Sinn und Augen hie. Die Linde süßete für sie Luft und Schatten mit ihrem Blatte. Die Winde machte ihr süßer Schatte Gar süß, kühl und gelinde. Die Ruhebank der Linde, Das war von Blumen und Grase Der bestgemalte Rase, Der je um eine Linde war. Da saßen sie zu einander dar, Die sehnenden Getreuen, Ihre Mären zu erneuen Von Sehnenden, die vor Jahren Durch Liebe verdorben waren. Sie beredeten und besagten, Sie betrauerten und beklagten Die thracische Phyllis und ihr Weh, Und was die arme Kanace Durch Minne ward Schmerzen inne, Und Byblis, der aus Minne Zu ihrem Bruder das Herze brach. Sie sprachen von dem Ungemach Der Königin von Sidone, Der sehnenden Didone, Der ihre Liebe zu Leid gedieh. Mit solchen Mären waren sie Unmüßig unter Stunden. So sie aber solcher Kunden Vergessen wollten und fröhlich sein, So schlichen sie zur Klausen ein Und nahmen aber zu Handen, Dran sie ihre Freude fanden, Und ließen dann erklingen Ihr Harfen und ihr Singen Mit sehnlichem süßem Gruße. Da wechselten sie Unmuße Mit Händen und mit Zungen: Sie harfeten und sie sungen Leiche und Noten der Minne. Sie wandelten darinne Ihr Wonnespiel, wie's ihnen kam. Welches von ihnen die Harfe nahm, So war es je des Andern Art, Daß es ihm je gar süß und zart Und sehnlich dazu die Noten sang. Auch lautete jedweder Klang Der Harfen mit der Zungen, So sie in einander klungen, So süß und lieblich überein, Daß ihre Klause wohl und fein Zur süßen Minne ward benannt La fossure a la gent amant. Was aber von der Fossüre Von alter Aventüre Vorhin je war bemäret, Das ward erst hie bewähret. Die wahre Wirthin, Minne, Die hatte sich darinne Nun erst recht an ihr Spiel gemacht: Was eh darinne ward vollbracht Von Kurzweil oder Minnenspiel, Das lief nicht hin zu diesem Ziel: Es war nicht in des Herzens Schrein So lauter, noch so herzensrein, Wie das Spiel dieser Beiden hie. Mit Minne die Zeit verbrachten sie, Daß Minnende lebten nimmer baß: Sie thaten nichts denn alles das, Wozu sie ihr Herz und Wille trug. Der Kurzweil gab's am Tag genug, Die sie da suchten und funden: Sie ritten unter Stunden, Wenn das war ihr Behagen, Mit der Armbrust auf das Jagen Und birschten in der Wilde Nach Vögeln und nach Wilde. Auch gingen sie zu Zeiten Dem Rothwild nachzureiten Mit Heudan ihrem Hunde, Der sonst mit stummem Munde Nicht war gewohnt zu jagen, Nun aber in kurzen Tagen Von Tristan hatte gelernt die Birsch So auf das Thier als auf den Hirsch, Nach jeder Art von Wilde, Durch Wald und durch Gefilde, So daß er auf der Fährte lief Und doch nicht anschlug oder rief. Mit dem vertrieben sie manchen Tag, Nicht etwa, wie man glauben mag, Aus Nothdurft und zum Unterhalt: Der Kurzweil ihr Gebirsche galt, Die ihnen aus dem Jagen floß. Sie übten Bracken und Geschoß, Das weiß ich und ist mir wohl bewußt, Viel mehr zu ihres Herzens Lust Und ihren Muth zu stillen, Als um der Nahrung willen. Ihr Geschäft und ihre Unmüßigkeit War allewege und allezeit Nichts, als was ihnen Lust gebar Und ihrem Muth geziemlich war. Unter währender dieser Zeit Hatte groß Ungemach und Leid Der trauervolle Marke; Deß Trauer war eine starke. Er trauerte um Ehr und Weib, Und ward ihm täglich Seel und Leib Je mehr und mehr beschwerlich, Ehre und Gut entbehrlich. So ritt er in selben Tagen Zum selben Walde jagen, Mehr um sein Leid zu stillen, Denn Abenteuers willen. Nun sie zum Walde kamen, Die Jäger die Hunde nahmen Und fanden da ein Rudel stehn; Da ließen sie die Hunde gehn, Und an derselben Stunde Schieden des Königs Hunde Einen seltnen Hirsch ab von dem Troß, Der hatte die Mähne wie ein Roß, War weiß, groß, wuchtig ungemein, Die Stangen unansehnlich, klein, Kaum wieder aufgesprossen, Als ob er sie abgestossen Erst hätte vor gar kurzer Zeit; Den jagten sie in Widerstreit Und mit Gewalt nachtrabend Bis tief hin in den Abend. Zuletzt verfehlten sie die Spur, Also daß ihnen der Hirsch entfuhr Und seine Flucht hin wieder nahm, Von dannen er auch zur Grotte kam Hinsetzend über Gestein und Gras: Alldahin floh er und genas. Nunmehr verdroß es Marken sehr, Dazu die Jäger noch viel mehr, Daß ihnen so am Hirsch geschah, Da man ihn doch so fremde sah An der Farbe und am Mähnenhaar, Und war unmuthig die ganze Schaar. Sie koppelten die Hunde wieder Und ließen sich die Nacht da nieder, Denn ihnen war Allen Ruhe Noth. Nun hatte auch Tristan und Isot Den ganzen Tag lang wohl vernommen, Den Schall, der in den Wald war kommen Von Hörnern und von Hunden, Und dachten an den Stunden, Es könne Niemand als Marke sein. Da hatten sie große Noth und Pein: Mit schwerem Herzen sorgten sie, Sie wären ihm verrathen hie. Des andern Tages in der Fruh, Da fuhr der Jägermeister zu, Eh daß er sähe das Morgenroth; Seinen Unterthanen er gebot, Daß man warte, bis es tage, Und ihm alsdann nachjage. An seine Leine nahm er dar Einen Bracken, der ihm gefällig war, Und brachte ihn auf die Fährte. Der leitete ihn und kehrte Manch unwegsame Pfade Ueber Felsen krumm und grade, Ueber Gras und über Gestein empor Und hinunter, da ihm der Hirsch zuvor Gestrichen und geflohen war; Dem folgte er auf der Fährte dar, Bis daß die Schlucht ein Ende nahm, Die Sonne in die Höhe kam: Da war er auf Tristans Pläne Und stand bei der Fontäne. Desselben Morgens war Tristan dort Und sein Gespiel geschlichen fort, Bei Händen traut befangen, Und kamen hingegangen Gar früh und in dem Thaue Auf die geblümte Aue Und in das wonnigliche Thal: Galander und Nachtigall zumal Begannen zu organiren, Ihr Gesinde zu saluiren; Sie grüßten fleißig die Holden, Tristanden und Isolden. Die wilden Waldesvögelein, Die hießen sie willkommen sein Gar süß in ihrem Lateine. Manch süßem Vöglein kleine, Dem waren sie da hoch willkommen. Sie hatten sich alle angenommen Gar wonniger Unmuße: Den Gelieben zwein zum Gruße Sangen sie von dem Reise Ihre wonnebringende Weise In manchen Wandelungen, Mit mancher süßen Zungen, Die da schantoit und discantoit Ihre Schanzune und Refloit Den Liebenden zur Wonne. Sie empfing der kühle Bronne, Der gegen ihre Augen schön entsprang Und schöner in ihre Ohren klang, Raunend ihnen entgegen ging, Mit seinem Raunen sie empfing: Er raunete gar süße Gegen sie seine Grüße. So grüßten sie auch die Linden Mit den viel süßen Winden, Erfreuten außen und innen Ihre Ohren und ihre Sinnen. Die Bäume mit ihrer Blüthe, Die Aue, die licht erglühte, Die Blumen, das ingrüne Gras, Und alles, das da blühte, das Sah ihnen lachend ins Angesicht. Auch grüßte sie, funkelnd im Morgenlicht, Der Thau mit seiner Süße: Er kühlte ihre Füße Und sänftete ihre Herzen gar. Als dessen genug geschehen war, So schwebten sie wieder ins Gestein Und kamen unter sich überein, Was sie thäten zu dieser Stunde, Da sie sorgten von Herzensgrunde Und fürchteten, wie es auch geschah, Daß irgend Jemand ihnen nah Durch diese Hunde käme, Ihre Heimlichkeit vernähme. Da fand nun Tristan einen Sinn, Und wurden sie Beide einig drin: Sie gingen zu ihrem Bette wieder Und legten sich da wieder nieder, Von einander wohl manche Spanne, Recht so wie Mann bei Manne, Nicht wie man siehet Mann und Weib. Da lag einander Leib und Leib Zuwider, wie man selten pflegt. Auch hatte Tristan noch gelegt Sein bloßes Schwert hin zwischen sie. Hinwärts lag er, herwärts lag sie. Sie lagen sonder, Eins und Ein: So schliefen sie zusammen ein. Der Jäger, von dem ich sprach zur Stund, Der zum Brunnen kam mit seinem Hund, Der spürte in dem Thaue, Da Tristan und seine Fraue Vor ihm gegangen waren hin. Hiemit so fiel er auf den Sinn, Es wäre des Hirschen Wechsel nur: Er stieg vom Roß und nahm die Spur Und ging demselben Pfade mit Recht in der Zweie Schritt und Tritt Bis hin vor der Fossüre Thür. Da gingen zween Riegel aber für: Er konnte da nicht fürbaß kommen. Nun ihm der Weg da war benommen, Versuchte er's im Bogen krumm Und ging um die Grotte rings herum Und fand von Aventüre Oben an der Fossüre Ein verborgenes Fensterlein; Da lugte er mit Furcht hinein Und sah zuhand darinne Das Gesinde der Minne, Nichts als ein Weib und einen Mann. Die sah er auch mit Wunder an: Ihn däuchte von dem Weibe, Daß nie von Weibes Leibe Ein Geschöpf so auserkoren Wurde zur Welt geboren. Jedoch sah er unlange dar, Denn alsbald da er ward gewahr Das Schwert, das da lag also bloß, Da war sein Schrecken aber groß, Und machte sich von hinnen; Ihm däuchte, es sei da drinnen Etwas von wilden Dingen: Das begann ihm Furcht zu bringen. Er kehrte den Felsen wieder nieder Und ritt hin zu den Hunden wieder. Nun war auch der König balde Seinen Jägern im Walde Auf seiner Fährte zuvor geritten Und traf ihn auf dem Wege mitten. »Seht!« sprach der Jäger athemlos: »Herr König, ich sag Euch Märe groß: Ich habe zu diesen Stunden Schön Abenteuer funden.« – »Sag an, was Aventüre?« – »Eine Minnenfossüre.« – »Wo fandest du die oder wie?« – »Herre, in dieser Wildniß hie.« – »In dieser wüsten Wilde?« – »Ja.« – »Ist aber Jemand Lebendes da?« – »Ja, Herre König, es ist allhier Eine Göttin und ein Mann bei ihr; Die liegen auf einem Bette Und schlafen in die Wette. Der Mann ist wie ein andrer Mann: Nur hab ich meinen Zweifel dran, Ob sein Geschlafe nebenbei, Ob das ein menschlich Wesen sei. Die ist schöner denn eine Feine: Vom Fleische, noch Gebeine Konnte auf dieser Erden Nichts also Schönes werden. Und aber ein Schwert, schön, blank und bar, Das liegt da zwischen ihnen dar, Ich weiß nicht, Herre, mit welchem Sinn.« Der König sprach: »Weise mich hin.« Der Jägermeister führte ihn fort Hin durch die Wilde bis an den Ort, Da er vom Rosse gesprungen war. Der König sprang auf den Rasen dar Und schritt empor zur Pforte; Der Jäger hielt am Orte. Nun Marke, der kam hin zum Thor, Das ließ er, wandte sich davor Nach außen am Steingewende: Und an des Gesteines Ende, Da nahm er manche Kehre All nach des Jägers Lehre. Da fand er auch ein Fensterlein Und sandte die Augen auch hinein Zu Liebe und zu Leide. Die sah er auch da Beide Liegend auf dem Krystall empor Und immer noch schlafend wie zuvor. Er fand sie, wie sie auch Jener fand, Wohl von einander abgewandt, Das dahin, Das dorthin gekehrt, Und zwischen ihnen das bloße Schwert. Er erkannte den Neffen und sein Weib: Sein Herz in ihm und all sein Leib Die erkalteten, beide, Vor Liebe und auch vor Leide. Diese fremde Gelegenheit, Die war ihm lieb und war ihm leid; Lieb meine ich ob dem guten Schein, Als wären sie von Schulden rein, Leid, daß er sie doch beisammen sah. In seinem Herzen sprach er da: »Gnädiger Gott und Herre mein, Was mag an diesen Dingen sein? Wenn unter ihnen geschehen ist, Was ich argwöhnte so lange Frist, Wie können sie also liegen dann? Ein Weib soll doch dem lieben Mann In den Armen zu allen Zeiten Kleben an seiner Seiten: Wie liegen diese Gelieben so?« Und aber sprach er, halb schon froh: »Ist denn etwas an der Geschicht, Ist hie Schuld, oder ist sie nicht?« – Hiemit war aber der Zweifel da: »Schuld?« sprach er, »meiner Treuen, ja.« »Schuld?« sprach er, »meiner Treuen, nein.« Dies trieb er so mit diesen zwein, Bis aber der pfadlose Mann Marke zu zweifeln neu begann An ihrer Beider Minne. Minne, die Sühnerinne, Die kam dazu geschlichen, Schön und wohl aufgestrichen Mit wundersamem Fleiße; Da trug sie auf das Weiße Gemalt in ihren Zügen Das goldne Wort der Lügen; Mit ihrer besten Farbe, Nein! Das leuchtete mit goldnem Schein Dem König in sein Herze. Von seinem andern Schmerze, Dem ungenehmen Worte Ja, Sah Marke keine Spur mehr da; Das war mit einmal hingethan, Da war kein Zweifel mehr, noch Wahn: Der Minne Uebergolderin, Die goldne Unschuld, zog ihn hin, Sie zog ihm Augen und Sinne Mit lockendem Gewinne Hin, da der österliche Tag All seiner Herzensfreuden lag. Er schauete auf die holde Seines Herzens Wonne Isolde; Auch sah er an ihr in voriger Zeit Nie solche Schöne und Lieblichkeit. Die Märe spricht von Glühen, Weiß nicht von welchen Mühen, Daß sie erhitzet sollte sein: Ihre Farbe leuchtete und ihr Schein So süße und so lose Wie eine gemischte Rose All in die Höhe zu dem Mann; Ihr Mund, der glühete und brann, Wie feurige Kohlen brennen. Ja, nun kann ich erkennen, Was diese Mühe gewesen: Sie war, wie ich gelesen, Des Morgens in dem Thaue Geschwebet zu der Aue Und war davon entbronnen. So kam auch von der Sonnen Ein kleiner Strahl gegangen, Der schien ihr auf die Wangen Und leuchtete ihr auf Kinn und Mund. Zwei Wunder hatten sich an der Stund Zu einem Spiel verbündet, Sich Licht an Licht entzündet. Die Sonne und die Sonne, Die hatten eine Wonne Und eine Hochzeit angericht Isolden zu einem Wunderlicht. Ihr Kinn, ihr Mund, ihre weiße Haut War so recht wonniglich, so traut, So lieblich und so anmuthvoll, Daß Marken Muth und Herze schwoll: Ihm kam ein Verlangen und ein Gelüst, Er hätte sie gar zu gern geküßt. Minne, die warf ihre Flammen an, Minne entflammete den Mann Mit der Schöne ihres Leibes: Die Schöne dieses Weibes, Die lockte ihm seine Sinne Zu ihrer Lieb und Minne. Sein Auge, das stund immer dar, Er nahm mit ganzem Herzen wahr, Wie schön aus den Gewanden Ihr Hals und Busen standen, Ihre Arme und ihre Hände. Sie hatten ohne Gebände Ein Schapel auf, das war von Klee. Sie däuchte ihren Herren mehr denn je Lustsam gethan und wonnebar. Nun er der Sonnen ward gewahr, Die ihr von oben durch den Stein Aufs Antlitz fiel mit lichtem Schein, Da sorgte er von Herzen, Es möcht ihre Farbe schwärzen, Nahm Gras, Laub, Blumen, was er fand, Verstopfte das Fenster mit eigner Hand Und bot ihr seinen Segen, Bat ihrer Gott zu pflegen, Und weinend schied er, dies gethan. Er kehrte als ein betrübter Mann Zu seinen Hunden wieder, Legte sein Jagen nieder Und hieß zur selben Stunden Die Jäger mit den Hunden Wieder zu Hause kehren hin. Das that er aber mit diesem Sinn, Daß Niemand anders käme dar, Der ihrer würde allda gewahr. Kaum war der König gegangen hin, Erwachten Die in der Grotte drin. Nun sie sich begannen umzusehn Und nach dem Sonnenschein zu spähn, Da schien die Sonne nicht herein Durch drei, nur durch zwei Fensterlein. Nun nahmen sie des dritten wahr, Und als sie es fanden des Lichtes bar, Da waren sie verwundert sehr. Nun warteten sie auch nicht mehr: Sie hoben sich vom Bett empor Und gingen vor der Grotte Thor. Blumen und Kräuter, Laub und Moos, Und was das Fensterlein verschloß, Dasselbe fanden sie zuhand. Auch spürten sie zwei durch den Sand Ob der Fossüre und davor Beides hinab und auch empor Mannes Tritte und Spuren, So daß sie zusammenfuhren Und fürchteten sich nicht wenig: Sie dachten da, der König Wär irgendwie gekommen dar Und hätte ihrer genommen wahr. Das war ihr Wahn zur Stunde; Aber gewisse Kunde, Die hatten sie der Sache nicht. Doch war ihre beste Zuversicht, Wer sie auch funden hätte, Daß er sie an der Stätte So von einander abgewandt Und in der Weise liegend fand. Der König berief zuhanden Am Hof und in den Landen Seinen Rath und seine Magen, Zu rathen und Rath zu fragen. Er sagte und that ihnen kund, Wie ich euch sagte zu dieser Stund, Wie er sie hätte gesehen, Und daß er kein Vergehen Wollte glauben von den Holden, Tristanden und Isolden. Sein Rath, der merkte allzuhand, Wie es um seinen Willen stand Und wie seine Rede war gethan: Daß er gern sie nähme wieder an. Sie riethen, wie die Weisen thun, Darnach ihm stand das Herze nun Und wie er selber wollte, Daß er besenden sollte Sein Weib und seinen Neffen, Seit sie nicht zu betreffen Auf argen Dingen wären, Auch er sich böser Mären Zu ihnen nicht versähe mehr. Man besandte Kurvenalen her, Und ward der zu ihnen Beiden Als Bote hin bescheiden, Der sie da wußte zu treffen. Der König entbot dem Neffen Und auch der Königinne Seine Huld und seine Minne, Und daß sie kommen sollten Und auch hinfort nicht wollten Sich eines Args zu ihm versehn. Dies ward gethan, dies war geschehn. Er sagte ihnen Marke's Muth: Dies däuchte den Gelieben gut, Und wurden in ihren Herzen froh. Die Freude hatten sie aber so Viel mehr um Gottes Segen Und ihrer Ehre wegen, Als was sonst irgend auf Erden ward. Sie kehrten wieder auf ihre Fahrt Zu ihren Ehren wie vorher. Sie wurden aber nimmermehr In allen ihren Jahren So heimlich, wie sie waren, Noch fanden sie ihrem Willen seit So guten Fug wie vor der Zeit. Jedoch war Marke Schritt für Schritt Und Hof und Hofgesinde mit Auf ihre Ehre stark bedacht. Sie waren aber auf ihrer Acht Und wurden nicht frei und offen mehr. Marke, der Zweifler, hatte sehr Gebeten und geboten Tristanden und Isoten, Daß sie um Gott und seinetwegen Sollten hinfort des Maßes pflegen Und die viel süßen Stricke Der inniglichen Blicke Vermeiden und entbehren, Und nicht so heimlich wären, Noch so vertraulich wie sonst je. Dies Gebot that den Gelieben weh. Frauenhut Frauenhut. Marke war aber in Freuden sehr: Zu seinen Freuden hatte er An seinem Weibe, der Königin, Was nur begehrte sein Herz und Sinn; Aber allein am Leibe: Er hatte von seinem Weibe Minne und Liebe keine, Noch all der Ehren eine, Die Gott der Herr je werden ließ, Nur daß sie in seinem Namen hieß Eine Fraue und Königin hochgeboren, Dazu er als König sie erkoren. Dies nahm er alles hin für gut Und trug ihr allen holden Muth, Als ob er ihr viel lieb wäre. Dies war die dumpfe schwere Blindheit, die herzelose Nacht, Auf die ein Sprichwort ist erdacht, Das heißt: Blindheit der Minnen, Die blendet außen und innen; Sie blendet die Augen und den Sinn, Daß die nicht wollen sehen hin, Wenn sie auch noch so deutlich sehn. So war dem König auch geschehen: Er wußte es wahr wie seinen Tod Und sah wohl, daß sein Weib Isot Mit ihrem Herzen und Sinne Auf seines Neffen Minne So gänzlich war beflissen, Und wollte es doch nicht wissen. Wem mag man die Schuld nun geben Um das ehrlose Leben, Das er so mit ihr führte? Denn wahrlich, nicht gebührte Sich's, falscher Trügereien Die Königin zu zeihen: Weder sie betrog ihn noch Tristan; Er sah es doch mit Augen an Und wußte es ungesehn genug, Daß sie ihm keine Liebe trug, Und war sie ihm doch lieb ohne das. – Warum doch, Herre, und um was Trug er ihr inniglichen Muth? Warum es heut noch Mancher thut: Gelüsten und Verlangen Muß langen und muß bangen Und leiden, wie es ihm geschieht. Ahi, wie viel man heut noch sieht Und kennt sie an klaren Zeichen, Die diesen Beiden gleichen, Die blinder oder gleich so blind Von Herzen und von Augen sind! Da ist nicht nur nicht Keiner, Da ist fürwahr manch Einer Der Blindheit so beflissen, Daß er das nicht will wissen, Was ihm liegt vor den Augen feil; Und nimmt das für das Gegentheil, Was er wohl weiß und sehen mag. Wer hilft ihm da und macht ihm Tag? Wenn wir aufs Rechte schauen, So dürfen wir die Frauen Mit keiner Schuld hie klagen an: Sie sind unschuldig vor dem Mann, So sie ihn lassen mit Augen sehn, Was sie beginnen und begehn. Hat man die Schuld vorm Angesicht, So ist man von dem Weibe nicht Belistet, noch betrogen: Da hat die Lust gezogen Den Nacken vor die Augen gar: Gelüst und Verlangen, das ist der Staar, Den wir Alle zu allen Tagen In sehenden Augen tragen. Was man von Blindheit sagt und spricht, So gibt's doch keine Blindheit nicht, Die je so tief gegangen Als Gelüsten und Verlangen. Wie wir's auch möchten verschweigen gern, Es ist doch ein wahres Wort, ihr Herrn: »Schöne, das ist gehöhne.« Die wundersame Schöne Der blühenden Isolde, Die blendete so holde Den König außen und innen An Augen und an Sinnen, Daß er an ihr nichts konnte sehn, Daß er sich wollte zum Hohn verstehn, Und was er an ihr wußte, Das Beste heißen mußte. Daß aber die Rede beschlossen sei, Er war ihr also gerne bei, Daß er ihr alles übersah, Was ihm zu Leid und Hohn geschah. Was in dem Herzen zu jeder Frist Versiegelt und beschlossen ist, Wird schwer verborgen bleiben: Man will das gerne treiben, Was in den Gedanken webet. Das Auge, das hangt und klebet Viel gerne an seiner Weide. Herze und Auge beide, Sie weiden gerne auf der Spur, Da vormals ihre Freude fuhr, Und wer es ihnen verleiden will, Macht ihnen lieber noch das Spiel. Je mehr man sie von dannen zeucht, Je schöner sie das Spiel bedeucht Und kleben ihm je fester an. So thaten Isolde und Tristan: Zuhand als ihnen das geschah, Daß ihre Wonne und Freude da Ihnen so mit der Hut verwahrt, So mit Verbote benommen ward, Da kam's zu Leid und Bangen: Das lockende Verlangen That ihnen erst recht wehe Und weher noch denn ehe. Sie sehnten sich zusammen In bangeren Minneflammen, Denn je geschah vor diesem Tag. Die bergesschwere Bürde lag Der Hut, die sie verfluchten, Auf ihrem Muth mit Wuchten Wie ein Bleiberg so schwer und hart. Hut, die vom Teufel ersonnen ward, Die Feindin aller Minne, Nahm ihnen alle Sinne. Isolden in ihrem Drange War es viel weh und bange, Tristandens Fremde war ihr Tod. Je mehr ihr Herre ihr verbot, Heimlich zu blicken nach ihm hin, Je mehr ihr Gedanke und ihr Sinn An ihn vergraben waren. Das läßt die Hut erfahren: Die Hut, die führt und träget, So man sie führt und heget, Die Hagebutte und den Dorn: Das ist der wachsende stille Zorn, Der Lob und Ehre versehret Und manches Weib entehret, Die keine Ehr verspielte, So man sie ehrlich hielte. So man ihr aber Unrecht thut, So wird sie krank an Ehr und Muth: So wird sie die Hut verkehren Am Muth und an den Ehren. Und doch, wie man's auch treibe, Hut ist verloren am Weibe: Denn hier auf Erden lebt kein Mann, Der eine Schlimme hüten kann; Die Gute braucht's zu hüten nicht: Sie hütet sich selber, wie man spricht; Und wer sie hütet noch überdem, In Treuen, der ist ihr nicht angenehm: Der wird das Weib verkehren Am Leib und an den Ehren, Und dieses leichtlich also sehr, Daß sie ihre Sitte nimmermehr So gänzlich wieder bringt zurecht, Daß ihr nichts anklebt vom Geschlecht, Das da der Hagdorn hat getragen: Denn wenn der Wurzel hat geschlagen, Der herbe, zu einer Stunde In also süßem Grunde, Da rodet man ihn mit größrem Strauß Denn aus dem dürrsten Boden aus. Ich weiß wohl, daß dem guten Muth, Wenn man dem so lang Unrecht thut, Bis er in üble Saaten schießt, Daß dem noch ärgere Frucht entsprießt Als dem, der immer schlimm gewesen: So ist's, denn das hab ich gelesen. Darum so soll ein weiser Mann, Der ihre Ehre bedenken kann, Nie wider Weibes guten Muth In Heimlichkeiten andre Hut Versuchen oder kehren, Als Unterweisen und Lehren: Die Sanftheit sei und Güte Der Weg, wie er sie hüte; Und mag er wissen mit Zuversicht: Er hütet sie anders besser nicht; Denn sie sei übel oder gut, Wenn man ihr zu oft Unrecht thut, So faßt sie leicht ein Müthelein, Deß man gern möchte ledig sein. Ja soll ein jeglich biderber Mann Und der je Mannes Muth gewann, Vertrauen seinem Weibe Und auch seinem eignen Leibe, Daß sie jegliche Ungebärde Ihm zu lieb lassen werde. Wie viel man's auch beginne, Dem Weib kann ihre Minne Kein Mensch mit harten Dingen Aus ihrem Herzen zwingen: Er löscht die begehrte leichtlich auch. Hut ist ein übler Minnenbrauch: Sie wecket schädlichen Zorn zur Stund. Das Weib geht gar daran zu Grund. Auch wer Verbieten ließe sein, Ich wähne, es würde ihm wohlgedeihn. Das bringt bei Weibern manche Noth: Sie thun gar manches durchs Verbot, Dazu sie gar nichts triebe, Wenn's unverboten bliebe. Dieselbe Distel und der Dorn, Weiß Gott, ist ihnen angeborn; Die Frauen, die so geartet sind, Sind ihrer Mutter Even Kind: Die machte das erste Gebot zum Spott: Ihr erlaubete unser Herre Gott Obst, Blumen, Gras und alles gar, Was in dem Paradiese war, Daß sie damit begänne, Was nur ihr Herz ersänne; Nur Eins nicht, das er ihr verbot Auf ihr Leben und ihren Tod (Die Pfaffen wollen lesen, Die Feige sei's gewesen): Das übertrat sie mit Einem Schritt Und verlor sich selber und Gott damit. Es ist auch noch mein fester Wahn, Eve hätte es nie gethan, So sie nicht das Verbot empfing. Das erste Werk, das sie beging, Damit so baute sie ihre Art Und that, was ihr verboten ward. Und wenn man's recht betrachtet, So hätte sie leicht verachtet Das Eine Obst von allen: Sie konnte doch nach Gefallen Mit den anderen vielen Frei und genüglich spielen. Sie aber wollte keins als das, Daran sie auch all ihre Ehre aß. So sind sie, alle Even Kind, Die alle nach Even geevet sind. Ja, wem ein Verbot zustände, Wie viel man noch heute fände Der Even, die dem Verbot zum Spott Von sich selber ließen und von Gott! Nun ihre Art das mit sich bringt Und ihnen aus der Natur entspringt, So liegt, wenn's eine sich abthun kann, Da liegt viel Lob und Ehre dran. Denn welch Weib artet wider Art Und gern wider ihre Art bewahrt Ihr Lob, ihre Ehre und ihren Leib, Die ist von Namen nur ein Weib Und ist ein Mann von Muthe: Der soll man auch zu Gute, Zu Lobe und zu Ehren All ihre Sachen kehren. Denn wo das Weib den Weibermuth Und das Weiberherze von sich thut Und artet sich dem Manne, Da honiget die Tanne, Balsamt das Kraut, das Schierling bringt, Die Wurzel, draus die Nessel springt, Trägt Rosen ob der Erden. Was mag auch immer werden So Reines an dem Weibe, Als daß sie gegen dem Leibe Mit ihrer Ehre fechte Und jedem thu nach Rechte, Dem Leibe so wie der Ehren? Sie soll den Kampf so kehren, Daß sie den beiden ihr Recht anthu Und sehe jedem also zu, Daß nie das andere dabei Versäumet oder verkümmert sei. Es ist wahrlich kein biderbes Weib, Die ihre Ehre um ihren Leib, Ihren Leib um ihre Ehr versäumt, So es ihr doch ist eingeräumt, Beides davonzutragen: Sie soll sich's keins entschlagen, Soll sie behaupten beide Mit Liebe und mit Leide, Wie je das Loos ihr falle. Weiß Gott, sie müssen alle In ihrer Würde steigen hie: Mit schwerer Arbeit sollen sie Ans goldne Maß ihr Leben Befehlen und ergeben, Die Sinne damit regieren Und Leib und Sitte zieren; Denn Maß, das goldne, hehre, Das hehret Leib und Ehre. Von allen Dingen auf dieser Welt, Die je der Sonne Licht erhellt, Ist keins so selig wie das Weib, Die stets ihr Leben und ihren Leib Und ihre Sitten dem Maß ergibt, Sich selber ehret und sich liebt; Und all die Weile und all die Frist, Daß sie ihr selber willkommen ist, So ist es billig auch dabei, Daß sie der Welt willkommen sei. Die ihrem Leib zuwider thut, Die so bestellet ihren Muth, Daß sie ihr selbst muß grollen, Wer wird die minnen wollen? Die da sich selbst entehret Und das der Welt bewähret, Was Liebe oder was Ehren Soll Jemand an die kehren? Man löschet das Verlangen, Das schon ist aufgegangen, Und will das wesenlose Leben An ein gehehrtes Wesen geben. Nein, nein, das ist nicht Minne, nein, Das muß der Minne Feindin sein, Die aller Ehren bloße, Die böse, zügellose: Die fördert Weibes Würde nicht, Nach dem Sprichwort, das da Wahrheit spricht: »Die Manchem Minne sinnet, Die ist Manchem ungeminnet.« Die darauf stellt die Sinne, Daß alle Welt sie minne, Die minne zuerst sich selber nur Und zeige der Welt der Minne Spur: Ist es der echte Minnentritt, Alle die Welt, die minnet mit. Ein Weib, die ihre Weiblichkeit, Sich selbst besiegend, dazu weiht, Daß sie der Welt gefalle, Die soll die Welt auch alle Zieren, würden und schönen, Täglich blümen und krönen Mit Lob und hohen Ehren, Ihre Ehre mit ihr mehren: Zu wem sie mag sich neigen, Wem sie gar wird zu eigen Mit Leib und Herz und Sinne, Mit Liebe und mit Minne, Der ward zum Heil geboren, Ja, der ist auserkoren Zu lebendem Heil je mehr und mehr. Das lebende Paradies hat Der In seinem Herzen begraben; Der darf keine Sorge haben, Daß ihn der Hagbusch fange, So er nach den Blumen lange, Daß ihn der Dorn je steche, So er die Rosen breche. Da ist kein Hagbusch und kein Dorn, Da ist dem Kind der Distel, Zorn, Kein Lehen zubeschieden; Da hat der rosige Frieden Alle, was Herbe und Zorn bedeutet, Dorn, Distel, Hagbusch, ausgereutet. In diesem Paradiese Ist nichts, was giftig sprieße, Da grünt, noch wächst kein ander Kraut, Als was das Auge gerne schaut. Es steht gar in der Blüthe Weiblicher Huld und Güte. Da ist kein Obst darinne, Als Treue nur und Minne, Ist Ehre nur und Würde da. In solchem Paradiese, ja, Das so voll Freud ohn Ende Und so gemaiet stände, Da könnte wohl ein seliger Mann Seines Herzens Freude schauen an Und seiner Augen Wonne sehn. Was wäre auch anders Dem geschehn Als Isolden und Tristanden? Und wer mir folgte zuhanden, Der dürfte sein Leben geben Um keines Tristans Leben: Denn wahrlich, ein rechtschaffen Weib, Wem die sich ergibt mit Ehr und Leib Und beides in seine Hände legt, Ah, wie sie ihn dann von Herzen pflegt! Wie hat sie ihn in so süßer Pflege! Wie hält sie alle seine Wege Von Distel frei und Dorne, Von allem sehnenden Zorne! Wie wahrt sie ihn vor Herzenoth, So gut als ihren Freund Isot! Und halt' ich wahrlich auch dafür: So Einer suchte mit Gebühr, Wie man wohl soll nach Golde, Es lebte noch manche Isolde, An der man gar alles fände, Was man zu suchen verstände. Scheiden und Meiden Scheiden und Meiden. Wir müssen zur Hut zurückekommen. Den Gelieben, wie ihr habt vernommen, Isolden und Tristanden, Die das Verbot empfanden, That diese Hut so innig weh, Daß sie noch fleißiger denn je Auf ihren Willen dachten, Bis sie ihn auch vollbrachten Zu ihrem ganzen Leide: Davon gewannen Beide Groß Leid und tödtliche Klage. Es war einst am Mittage, Die Sonne schien, und leider sehr, Daß auch verbrannte ihre Ehr. Da schien zwiefältiger Sonnenschein Der Königin in ihr Herz hinein Und verbrannte ihre Sinne, Die Sonne und die Minne: Der sehnende Muth, die heiße Zeit, Die quälten sie im Widerstreit. Nun wollte sie dem Kampfe, Dem Muth und dem Sommerdampfe, Mit einer Kunst entspringen Und fiel recht in die Schlingen. Sie ging zu dem Baumgarten hin, Nach ihrer Wonne zu trachten drin, Und suchte allda Schatten, Der ihr käme zu Statten Und hielte ihre Hilfe und Schirm bereit, Da Kühle wäre und Einsamkeit. Und allzuhand daß sie den fand, Hieß sie ein Bette dar zuhand Gar schön und reichlich machen Mit Decke und mit Leilachen: Da wurde Purpur und Bliant Und königliches Bettgewand Ueber das Bett gespreitet. Nun daß dies war bereitet Meisterlich aus dem Grunde, Da legte sich la blunde In ihrem Hemd, die Schöne, drein. Die Jungfraun hieß sie insgemein Entweichen aus dem Garten Und nur Brangänen warten. Tristanden ward entboten, Daß er käme zu Isoten Und wiche um nichts von seinem Pfad. Nun that er recht, wie Adam that: Das Obst, das ihm seine Eve bot, Das aß er und mit ihm den Tod. Er kam. Da ging Brangäne fort Und setzte sich zu den Frauen dort, So bang und schwer im Herzensgrund. Den Kämmerern sie gebot zur Stund, Die Thüren all zu schließen, Und daß sie Niemand ließen, Den sie nicht hieße lassen ein. Man schloß die Thüren insgemein; Und als Brangäne niedersaß Da bedachte sie aber das Und beklagt' es in ihrem Muth, Daß keine Furcht und keine Hut An ihrer Frauen was verfing. Unter diesen Gedanken ging Der Kämmerer einer für die Thür Und stand auch nicht so bald dafür, Da ging der König gegen ihm her Und fragte nach der Königin sehr Mit ungeduldiger Rede. Nun sprach der Fräulein jede: »Sie schläfet, Herr, ich wähne.« – Die versunkene Brangäne Fuhr auf und schwieg, im Herzen krank, Das Haupt ihr auf die Schulter sank, Hände und Herz entfielen ihr. Der König sprach aber: »Nun saget mir, Wo schläfet sie, die Königin?« – Sie wiesen ihn zum Garten hin, Und Marke kehrte hin zuhand, Da er sein Herzeleid erfand: Weib und Neffen, die fand er Mit Armen in einander Gestrickt, wie Schlang und Schlange, Ihre Wange an seiner Wange, Ihr Mund an seinem Munde. Was ihm da kam zur Kunde, Was ihn die Decke sehen ließ, Was sich außerhalb der Tücher wies Dort an dem obern Ende, Da sah er Arme und Hände, Sah Brust und Schulter beide So nahe zu seinem Leide Gedränget und geschlossen, Und wäre ein Werk gegossen Von festem Erz, von Golde schwer, Man fände nie und nimmermehr Einen bessern Fug und Schluß darin. Herr Tristan und die Königin Schliefen in süßem Glühen, Weiß nicht, nach welchen Mühen. Der König, da er sein Ungemach So offen sah und seine Schmach, Da kam ihm erst von Grunde Sein Herzeleid zur Kunde. Nun war das Aug ihm aufgethan, Hin war der Zweifel und der Wahn, Die er eh bekriegen mußte; Er wähnte nicht, er wußte: Ja, weß er je zuvor begehrt, Das war ihm alles nun gewährt. In Treuen aber, es ist mein Wahn, Ihm hätte da viel baß gethan Ein Wähnen, denn ein Wissen. Weß er je war beflissen, Zu kommen von der Zweifelnoth, Das war ihm nun sein lebender Tod. So ging er still von dannen: Seinen Rath und seine Mannen, Die nahm er zu sich an der Stund, Hub an und machte ihnen kund, Daß ihm verkündigt wäre Für eine wahre Märe, Herr Tristan und die Königin Die wären bei einander drin: Sie sollten Alle mit ihm dar Und sollten nehmen der Beiden wahr, Daß, so man's also fände dort, Man ihm die Beiden alsofort Zu Recht und Gerichte stellte, Wie's nach dem Landrecht gelte. Nun war das nicht so schier geschehn, Daß er sich wandte vom Bett zu gehn Und war davon noch gar nicht fern, Da erwachte Tristan, sah den Herrn Vom Bette gehn. Da sprach Tristan: »Ach, Gute, was habt Ihr gethan, Getreuliche Brangäne? Weiß Gott, Brangäne, ich wähne, Dies Schlafen geht uns an den Leib. Isolde, erwachet, armes Weib, Erwachet, Herzenskönigin mein! Ich wähne, wir müssen verrathen sein.« – »Verrathen,« sprach sie, »Herre, wie?« – »Mein Herre, der stund ob uns hie: Er sah uns Beide, und ich sah ihn. Er geht von uns jetzo dahin, Und zwar verseh ich mich so viel, Daß er mir an das Leben will: Er will zu diesen Dingen Helfer und Zeugen bringen: Sein Werben geht auf unsern Tod. Herzensfraue, schöne Isot, Nun müssen wir uns scheiden So jähe, daß uns Beiden So gut auf dieser Erden Nimmer wird, nimmer werden. Nun nehmet in Eure Sinne, Wie lauterliche Minne Wir haben gehalten bis zur Stund: Seht, daß die bleibe auf festem Grund; Laßt mich aus Eurem Herzen nicht, Denn, was dem meinen je geschicht, Daraus so kommt Ihr nimmer: Isolde, die muß immer In ihres Tristans Herzen sein. Nun sehet, Herzensfreundin mein, Wie mich verzehrt die Ferne, Die Fremde von meinem Sterne. Vergesset mein in keiner Noth! Süße Freundin, schöne Isot, Gebietet mir und küsset mich.« Sie trat ein wenig hinter sich. Mit Seufzen sprach sie zu ihm hin: »Ach, Herre, unser Herz und Sinn, Die waren ja viel zu lange Von Einem Erz und Klange, Als daß sie sollten lernen, Was Fremden und Entfernen, Und lernen, was Vergessen sei. Ihr sei't mir fern oder nahe bei, So soll doch in dem Herzen mein Kein Leben und nichts Lebendes sein, Denn Tristan, mein Leib und mein Leben. Herre, ich hab Euch nun lang ergeben Beide mein Leben und meinen Leib: Nun sehet, daß kein ander Weib Mich jemals von Euch scheide: Wir sollen uns immer Beide In der Liebe und in der Treuen Stetigen und erneuen, Die lange und also lange Frist So rein an uns gewesen ist. Und nehmet hin dies Ringelein: Das lasset Euch ein Denkmal sein Der Treuen und der Minne, So Ihr je Eure Sinne In der Ferne dazu gewinnet, Daß Ihr eine Andre minnet, Daß Ihr gedenket mein dabei, Wie meinem Herzen jetzo sei. Gedenket an dies Scheiden, Wie nah es geht uns Beiden An Leib und Herz mit bittrem Streit. Gedenket mancher schweren Zeit, Die ich um Euretwillen sah, Und laßt Euch Niemand mehr so nah Wie Eure Freundin Isolde sein. Um keine Seele vergesset mein: Wir Zwei, wir haben Lieb und Leid So herzlicher Geselligkeit Getragen bis auf diesen Tag, Daß es uns billig dünken mag, Wir tragen sie fort bis an den Tod. Herre, es wäre ohne Noth, So ich Euch weiter mahnen wollt: Wenn je mit ihrem Freund Isold Ein Herze war und Eine Treu, So ist es immer frisch und neu, Muß immer auf Einem Grunde ruhn. Doch will ich eine Bitte thun, Nach welchem End und Land Ihr fahrt, Daß Ihr Euch, meinen Leib, bewahrt: Denn wenn ich deß verlustig bin, So bin ich, Euer Leib, dahin. Mich aber, Euren Leib, will ich, Um Euretwillen, nicht um mich, In Fleiß und schöne Hut ergeben; Denn Euer Leib und Euer Leben, Das weiß ich wohl, das liegt an mir: Ein Leib und Leben sind ja wir. Nun gedenket treulich zu jeder Frist Isoldens, die Euer Leben ist. Laßt mich an Euch mein Leben sehn, So es aufs schierste kann geschehn, Und seht das Eure auch an mir: Unser Beider Leben, das führet Ihr. Nun gehet her und küsset mich: Tristan und Isolde, Ihr und ich, Wir Zwei sind immer Beide Ein Wesen in Lieb und Leide. Der Kuß soll ein Insiegel sein, Daß ich Euer sein soll und Ihr mein In Stete und Treue bis an den Tod, Nur Ein Tristan und Eine Isot.« Nun daß versiegelt war dies Wort, Da ging Tristan des Weges fort Mit Jammer und mit mancher Noth. Sein Leib, sein ander Leben, Isot, Verblieb mit manchem Leide: Die Spielgesellen beide Die waren noch geschieden nie Mit solcher Marter als wie hie. Hiemit war auch der König kommen, Der hatte ein Heer mit sich genommen Und eine Schaar Hofräthe. Sie kamen aber zu späte: Sie fanden nur die Königin, Die lag mit gedankenvollem Sinn Im Bette wieder wie vorher. Nun daß der König da Niemand mehr Als seine Isolde alleine fand, Da nahm sein Rath ihn allzuhand Und führte ihn auf die Seite hin: »Herre König,« sprachen sie, »hierin Mißthut Ihr aber gewaltig sehr, Daß Ihr Euer Weib und Eure Ehr Zu also manchen Stunden Wollet haben erfunden In Dingen schimpflichen Bezichts Gar ohne Noth und gar um nichts. Ihr hasset Ehre zumal und Weib Und allermeist Euren eignen Leib. Wie möget Ihr immer werden froh, Dieweil Ihr Eure Freude so An Eurem Weib verkehret, Sie verredet und vermäret Am Hof und über das ganze Land, Und habt an ihr doch nichts erkannt, Das wider ihre Ehren sei. Was messet Ihr der Königin bei? Was fälschet und machet Ihr Die gering, Die nie kein Falsch an Euch beging? Herre, bedenket Eure Ehr Und thut dergleichen nimmermehr: Vermeidet sogethanen Spott Um Euretwillen und um Gott.« So nahmen sie ihn mit Reden hin, Bis daß er folgte ihrem Sinn Und aber seinen Zorn verstieß Und alles ungerochen ließ. Tristan zur Herberg eilends kam, Sein Ingesind er alles nahm Und zog mit ihnen in vollem Trab Wohl gegen den Hafen bald hinab. Das erste Schiff, das er da fand, Das nahm er und stieß ab vom Land Und fuhr hinüber zur Normandie Mit seiner ganzen Massenie. Nun blieb er aber nicht lange dort, Denn sein Gemüthe trieb ihn fort, Auf daß er suchte nach einem Leben, Das Trost ihm könnte in Trauer geben Und frischen Lebenszunder. Hie merket aber Wunder: Tristan floh Widrigkeit und Leid Und suchte Leid und Widrigkeit: Er floh vor Marken und dem Tod Und suchte doch die Todesnoth, Die Herzenstod ihm drohte, Die Ferne von Isote. Was half's, daß er vorm Tode floh, Und zog dem Tod entgegen so? Was half's, daß er von Kornwall schied Und seine Herzensqual vermied, Da sie ihm dennoch Nacht und Tag Allstündlich auf dem Rücken lag? Das Weib erhielt er an dem Leben, Und seinem Leben war vergeben: Das war verwettet an das Weib. Ihm an dem Leben und an dem Leib Brachte nichts Lebendes den Tod, Als nur sein bestes Leben, Isot: So war er umrungen von Noth und Tod. Nun dachte er, sollt ihm diese Noth Jemals auf dieser Erden So weit erträglich werden, Daß er je möchte davon genesen, So müsse er Ritterschaft erlesen. Nun war eine Landesmäre, Daß großer Orlog wäre Hie in den deutschen Landen. Dies sagte man Tristanden. Alsbald zur Champagne kehrte er Und fuhr von dannen gen Deutschland her. Da diente er so zu Lohne Dem Scepter und der Krone, Daß nie das römische Reich gewann Zu seinem Banner einen Mann, Der je ward also sagenhaft Von seiner mannlichen Ritterschaft. Groß Glück und groß Gelingen In allen mannlichen Dingen Und Abenteuer erwarb er viel, Der ich nicht aller erwähnen will: Denn wollte ich seine Thaten all, Die man besungen hat mit Schall, Herzählen an den Händen, Die Märe würde nicht enden. Die Fabeln, die hierunter sind, Die muß ich werfen in den Wind. Es wird mit der Wahrheit schon allein Genug der Mühe und Arbeit sein. Tristandens Leben und sein Tod, Sein lebender Tod, die schöne Isot, Die war in Gram verblieben. Des Tags, da sie ihrem Lieben Und seinem Kiele schaute nach, Daß ihr das Herze da nicht brach, Das schuf sein Leben, das ihr lieb: Das half, daß sie am Leben blieb; Sie konnte Leben, noch Sterben Ohne ihn nicht erwerben. Beides war ihr mit Gift vergeben: Sie konnte nicht sterben und auch nicht leben. Ihrer viel lichten Augen Licht, Das machte sich selber gar zunicht Oft und zu mancher Stunde. Die Zunge in ihrem Munde, Die schwieg ihr oft zu ihrer Noth. Da war kein Leben und kein Tod, Und waren doch da beide. Sie waren aber von Leide So rechtlos, so des Wesens bar, Daß ihr eins wie das andre war. Da sie das Segel fliegen sah, Sprach bei sich selber ihr Herze da: »O weh, oh weh, mein Herr Tristan, Nun klebt Euch all mein Herze an, Nun ziehen Euch meine Augen nach, Und ist Euch doch von mir so jach. Was eilet Ihr so jach von mir? Nun weiß ich doch viel wohl, daß Ihr Von Eurem Leben ziehet, Wenn Ihr Isolden fliehet; Denn Euer Leben, das bin ich. Ihr vermögt nicht leichter ohne mich Zu leben einen einzigen Tag, Denn ich zu leben ohn Euch vermag. Unser Leib und Leben sind fürwahr Verschlungen also wunderbar, Sind so verstrickt mit Herz und Sinn, Daß Ihr mein Leben führet hin Und lasset mir das Eure hie. Zwei Leben waren auf Erden nie Gemischt, wie diese sich verweben. Wir Zwei, wir haben Tod und Leben, So ich an Euch, als Ihr an mir: Denn unser Keines, ich noch Ihr, Kann anders Leben oder Sterben Als von dem Andern je erwerben. Hiemit schwebt eure arme Isot Zwischen Leben und zwischen Tod. Ich kann nicht aus und kann nicht ein. Nun, Tristan, lieber Herre mein, Seit daß Ihr mit mir allezeit Ein Leib und auch Ein Leben seid, So sollt Ihr mir auch Lehre geben, Daß ich behalte Leib und Leben Zum Ersten Euch und darnach mir. Nun lehret an. Was schweiget Ihr? Uns wäre guter Lehre Noth. Was rede ich sinnenlose Isot? Tristandens Zunge und mein Sinn, Die fahren dort mit einander hin. Isoldens Leib, Isoldens Leben, Die sind befohlen und ergeben Den Segeln und den Winden. Wo mag ich mich nun finden? Wie mag ich mich nun suchen, wie? Nun bin ich dort und bin auch hie, Und bin doch weder hie noch dort. Wer war so ohne Ziel und Ort, Wer war auch so zertheilet je? Ich sehe mich dort auf jener See Und bin am Land zuhanden. Ich fahre dort mit Tristanden Und sitze hie bei Marke; Da kriegen an mir zween starke, Zween giftige Feinde, Tod und Leben: Mit diesen zwein ist mir vergeben. Ich stürbe gerne, könnte ich; Nun aber hält und bannt er mich, An dem mein Leben behalten ist. Nun kann ich auch zu dieser Frist Wohlleben weder ihm noch mir, Seit ich ohn ihn muß leben hier. Er läßt mich hie und fährt er hin, Und weiß wohl, daß ich ohn ihn bin Recht innerhalb des Herzens todt. Weiß Gott, dies rede ich ohne Noth: Mein Leid ist doch gemeinsam: Ich trage es ja nicht einsam; Es ist sein also viel, wie mein, Und wähne, es ist noch viel mehr sein. Sein Jammer und Schmerz, ich meine, Ist größer denn der meine. Das Scheiden, das er von mir thut, Beschweret mir das meinen Muth, Beschwert's ihm noch den seinen mehr. Thut mir das weh im Herzen sehr, Daß ich ihn bei mir misse hier, So thut's ihm weher noch denn mir; Klage ich ihn, so klagt er mich. Und klagt er doch nicht mit Recht wie ich: Ich will mir wohl zu Rechte sagen, Daß ich dem Trauern und dem Klagen Mich um Tristanden soll ergeben: Viel billig, denn er ist mein Leben; Dagegen ich, ich bin sein Tod: Darum so klagt er ohne Noth. Er mag wohl gerne von mir fahren, Seine Ehr und seinen Leib bewahren: Denn sollte er lange bei mir sein, So könnte er nimmermehr gedeihn. Drum soll ich sein entbehren: Mag es mich auch beschweren, Er soll mir zu Gefallen Nicht in Gefahren fallen. Mit welcher Noth ich sein entbehr, Mir ist doch lieber viel, daß er Gesunden Leibes von mir sei; Denn daß er mir also wäre bei, Daß ich mich deß versähe, Daß ihm Schade bei mir geschähe: Denn, weiß Gott, wer zu seinem Frommen Will mit des Freundes Schaden kommen, Der trägt ihm kleine Minne. Was Schaden ich drum gewinne, Ich will ja gern, ohn seine Pein Und Schaden, Tristans Freundin sein; Daß es ihm wohl und lieb ergeh, Will ich ruhig tragen all mein Weh; Ich will mich gerne zwingen In allen meinen Dingen, Daß ich mich mein und sein begebe, Damit er mir und ihm selber lebe.« Isolde Weißhand Isolde Weißhand. Da Tristan, wie uns ist bekannt, Gewesen war im deutschen Land Ein halb Jahr oder drüber, Da trieb es ihn hinüber Zur Heimath heiß und bange, Auf daß er Kunde erlange, Was da für Landesmäre Von seiner Frauen wäre. In seinem Muth er sich berieth, Daß er alsbald von Deutschland schied Und aber seine Reise nahm, Von wannen er herüber kam, Hin zu der Normandie, von dort Aufs schierste gen Parmenien fort Zu Ruals, des Marschalls, Kinden. Ihn wähnte er selbst zu finden Und wollte ihm künden seine Noth: Leider nun war er aber todt, Er und die treue, stete, Seine Marschallin Florete. Doch wisset, seine Söhne, Die freuten sich viel schöne Ueber Tristandens Kommen, Und ward er aufgenommen Mit Grüßen rein und süße: Seine Hände und seine Füße, Seine Augen und seinen Mund, Die küßten sie zu mancher Stund. »Herre,« sprachen sie allzuhand, »Gott hat uns wieder in Euch gesandt Vater und Mutter, alle Zwei! Getreuer Herre, guter, ei, Nun lasset Euch hie wieder nieder, Nehmet und habet alles wieder, Was Euer und unser sollte sein, Und laßt uns hie mit Euch gedeihn, Wie unser Vater mit Euch gedieh, Der Euer Gesinde war allhie, Wie wir's auch gerne sind forthin. Unsre Mutter, Eure Pflegerin, Und unser Vater, sind beide todt: Nun hat Gott unser Aller Noth Durch Euch viel gnädiglich bedacht, Der Euch uns wieder hat hergebracht.« Der trauernde Tristan zur Stund, Da er die Neuigkeit befund, An Leid und Trauer sich ergab. Er ließ sich weisen zu ihrem Grab: Da ging er trauernd zu dem Ort Und stund eine gute Weile dort Weinend ob ihnen, klagend, Seine Klagemäre sagend. Er sprach aus inniglichem Mund: »Nun sei es Gott, dem reichen, kund: Soll's je hienieden dazu kommen, Wie ich von Kind auf hab vernommen, Daß Treue und Ehre werde Begraben in der Erde, So liegen sie beide hie begraben: Und soll auch Treue und Ehre haben Mit Gott Gemeinschaft, wie man spricht, So hab ich keinen Zweifel nicht, Und ist fürwahr kein Trug noch Wind, Daß sie vor Gottes Augen sind: Rual und seine Florete, Die Gott der Welt mit Stete Geziert hat und geschönet, Die sind auch dort gekrönet, Wo die Gotteskind gekrönet sind.« Tristans getreuliches Ingesind, Des Marschalls Söhne, im Widerstreit Und mit viel lauterer Willigkeit Boten ihm Häuser, Leben, Gut, Lehnstreue und diensthaften Muth Aus ganzem Herzensgrunde. Sie waren zu jeder Stunde All seinem Willen unterthan: Was er gebot, das war gethan Getreulich in allen Dingen, Die sie mochten vollbringen. Sie fuhren mit ihm schauen Spiele, Ritter und Frauen; Er konnte zu allen Tagen Turnieren, birschen, jagen, Und was er wollte Kurzweil pflegen. Nun war ein Herzogthum gelegen Zwischen Britannien und Engelland Und war das Arundel genannt Und lag am Meeresstrande. Da war ein Herzog im Lande, Getrost und höfisch und wohl betagt, Dem hatten, wie die Historie sagt, Seine Nachbarn mit Streiten, Seine Gerichtsbarkeiten Verorlogt und genommen; Sie hatten ihn überkommen So auf dem Land als auf dem Meer. Gern hätt er sich gesetzt zur Wehr; Nun vermocht er nichts für seinen Thron. Eine Tochter und einen Sohn Hatt er von seinem Weibe; An Tugenden und an Leibe Waren sie Beide ganz vollkommen. Der Sohn, der hatte das Schwert genommen Und war darauf beflissen gar Und hatte schon ins dritte Jahr Viel Lobes und Ehren damit erjagt. Seine Schwester war schön und war noch Magd Und hieß Isot as blansche mains, Ihr Bruder Kaedin li frains, Ihr Vater der Herzog Jovelin, Ihre Mutter, die Herzogin, Die war genannt Karsie. Nun man zu Parmenie Verkündete Tristanden, Daß Orlog da zuhanden Zu Arundele wäre, Gedachte er seiner Schwere Aber ein Theil zu vergessen dort. Von Parmenien fuhr er fort Hin wieder Arundele Gegen einem Castele, Da er des Landes Herren fand, Dasselbe war Karke zubenannt; Da kehrte er fürs erste hin. Herr und Gesinde empfingen ihn, Wie man in Noth den Biderben soll. Sie kannten ihn von Sagen wohl: Tristan, wie uns die Märe sagt, Der war als Held so unverzagt In all den Inseln rings bekannt, Die wider Occene sind gewandt. Drum nahmen sie sein mit Freuden wahr. Der Herzog gab sich ganz und gar In Tristans Rath und Lehre. Sein Land und seine Ehre Bot er ihm in die Hände hin. Sein Sohn, der höf'sche Kaedin, Der war ihm sehr ergeben: Nach was er konnte streben, Dran seine Würde und Ehre lag, Desselben befliß er sich Nacht und Tag, Da stunden all seine Gedanken hin. Sie Zween, sie waren von Anbeginn Alle Stunden und alle Zeit In die Wette und in Widerstreit Gegen einander gar diensthaft: Treue und Genossenschaft Gelobten sie sich aufs beste Und hielten auch immer feste Bis an ihr Beider Ende dran. Tristan, der heimathlose Mann, Kaedinen er zu sich nahm Und zu dem Herzog gegangen kam: Er forschete und hieß ihm sagen, Wie sein Krieg sich hätte dargetragen Von seinen Feinden von Anfang an, Von wannen man ihm hätte gethan Den allergrößten Schaden, Mit dem man ihn überladen. Nun ihm das alles ward genannt, Wie's mit dem Orlog war bewandt, Und ihm berichtet lang und breit Der Feinde Stand und Gelegenheit, Und wohin sie ritten mit ihrem Zug, Da hatte der Herzog, den er frug, Ein gut Castel in seiner Pflege, Das lag den Feinden auf dem Wege; Da lagerte sich Tristan drin, Er und sein Geselle Kaedin Mit einer mäßigen Ritterschaft. Sie hatten keine so große Kraft, Daß sie zu irgend einer Zeit Ins Feld sich wagten mit offnem Streit: Sie mußten bleiben in ihrem Bann Und konnten höchstens dann und wann Mit Raube und mit Brande Schaden der Feinde Lande Ganz heimlich und verstohlen. Tristan, der sandte verhohlen Wieder heim gen Parmenie, Seiner lieben Massenie, Des Marschalls Kinden, er entbot: Ihm thäte Rüstung und Heerskraft Noth Wie nimmer, mit Begehre, Daß sie ihre Tugend und Ehre Gänzlich an ihm bedächten Und ihm ihre Hilfe brächten. Die brachten ihm in einer Schaar Alsbald fünfhundert Sättel dar, Gerüstet wohl zu Preise, Auch Vorrath gnug von Speise. Zuhand als Tristan das vernahm, Daß ihm aus der Heimath Hilfe kam, So fuhr er ihnen selbst entgegen Und führte sie Nachts auf geheimen Wegen Und brachte sie so still ins Land, Daß es nicht leicht Jemand befand Als seine eigene Freunde da, Mit deren Hilfe es geschah. Die Hälfte er zu Karke ließ, Allwo er ihnen gebot und hieß, Daß sie sich hielten still und sacht Und nähmen andres nichts in Acht, Wer auch zu streiten käme, Bis man für wahr vernähme, Daß Kaedin und er da stritten Und hätten die Feinde angeritten; Da sollten sie versuchen ihr Heil. Hiemit nahm er das andre Theil, Damit kehrt' er des Weges dar Zur Burg, die ihm befohlen war. In diese brachte er sie bei Nacht, Worauf er auch Die drin ihre Macht So gut verhehlen und bergen hieß, Wie Jene, die er in Karke ließ. Des Morgens unterm Tagen, Da hatte er zum Schlagen Sich Ritter ausgesundert Nicht weniger denn hundert; In dem Platz er die andern ließ. Kaedinen er bat und hieß, Er sollte den Seinen sagen, So man ihn würde jagen, Sollten sie sein Acht haben Und ihm zu Hilfe traben Von Karke und aus dem festen Haus. So ritt er auf die Mark hinaus: Mit offnem Raub und Brande Verheerte er die Lande, Wo ihm der Feinde Boden und Grund, Festen und Städte waren kund, Da flog noch vor der Nacht der Schall Durch Land und Burgen überall, Daß Kaedin, der stolze Held, Mit Rossen und Reitern sei ins Feld Gezogen offner Weise. Herrn Rugier von Doleise Und Nautenis von Hante Und Rigolin von Nante, Der Feinde Feldhauptleute, Die Märe nicht erfreute: All die Rüstung und all die Macht, Die sie noch konnten bei der Nacht Besenden, die ward gar besandt. Des andern Tages allzuhand Bei guter Zeit, wohl um Mittag, Da ihre Macht beisammen lag, Rückten sie wider Karke dar. Ritter waren in ihrer Schaar Vierhundert oder auch noch mehr. Sie meinten und versahn sich sehr, Sie sollten sich niederlassen da, Wie auch von ihnen sonst geschah Und hatten's vormals oft gethan. Nun kehrte auf ihrer Spur Tristan Und sein Geselle Kaedin, Da sie nicht träumten in ihrem Sinn, Daß Jemand zu den Zeiten Mit ihnen wage zu streiten; Da kamen die in vollem Flug, Und glaubte Keiner früh genug Der Feindeskraft zu nahen. Nun daß die Feinde sahen, Daß es zu Streite war gewandt, So kehrten sie an den Streit zuhand. Sie kamen mit einander her. Nun flog im Getümmel Speer und Speer, Flog Roß und Roß und Mann und Mann So feindlich gegen einander an, Daß es zu großem Schaden gedieh. Sie thaten Schaden dort und hie, Allhie Tristan und Kaedin, Alldort Rugier und Rigolin. Was Jemand mit dem Schwerte Oder dem Speer begehrte, Das hatte er da, das fand er. Sie riefen wider einander Hie: »Schevalier Hante, Doleise und Nante!« Dort: »Karke und Arundele!« Nun Jene in dem Castele Den Ernst ersahen an dem Strauß, Da brachen sie zu den Pforten aus Und fielen diesseits in die Schaar. Die warfen sie balde her und dar, Ritten herum mit grimmem Streit Und durchbrachen sie auch in kurzer Zeit. Sie hieben und sie trafen Wie Eber unter Schafen. Nach Bannern und nach Wappen, Die unterm Troß der Knappen Die Fürsten kenntlich machten, Begann Tristan zu trachten Und sein Geselle Kaedin. Da ward Rugier und Rigolin Und Nautenis gefangen Und großer Schade empfangen Von ihrer Massenie. Tristan von Parmenie Und seine Landgesellen, Die ritten, den Feind zu fällen, Zu schlagen und zu fahen. Nun daß die Feinde sahen, Der Kampf, der sei verschwendet, Da war das Blatt gewendet: Mit Flucht oder auch mit Listen Sich zu nähren und zu fristen, Das war da ihrer Jedem Noth: Fliehen, Flehen und auch der Tod, Die schieden einerseit den Streit. Nun daß der Streit so einerseit Mit Einem Schlage war vollbracht Und die Gefangenen verwacht Und geführt an ihre Orte hin, Brach Tristan auf und Kaedin Und nahmen all ihre Ritterschaft, All ihre Macht und ihre Kraft Und ritten nun erst recht in das Land: Wo man der Feinde einen fand Oder ihr Gut erspähte, So Land, so Burgen, so Städte, War alles verloren, wie es lag. Ihren Gewinn und ihren Erjag, Den sandten sie gen Karke dar. Nun sie der Feinde Marken gar Bezwungen und gebrochen, Wohl ihren Zorn gerochen Und hatten zu Handen alles Land, Da schickte Tristan allzuhand Seine Landmassenie Wieder gen Parmenie Und dankte höchlich ihnen Für ihr getreues Dienen, Das seinen Ruhm erhöht im Feld. Tristan, der wohlberathne Held, Da sein Gesinde von dannen schied, Von wegen der Gefangnen rieth, Daß sie zu Hulden kämen Und von dem Herzog nähmen, Womit er sie wiederum belieh, Dafern er ihnen ganz verzieh; Und mußten auch vergeiseln das, Daß diese Schuld und dieser Haß Dem Lande ohne Schwere Ihrthalben auf immer wäre; Und traten Alle der Sühne bei: Die Herren und ihre Massenei. Hiemit ward aber Herrn Tristan Viel Lobes und Ehren angethan Am Hof und im Lande weit und breit. Seine Sinne und seine Mannlichkeit, Die preisete so Hof als Land. Die waren beide auch gewandt, Nicht anders, denn wie er gebot. Die Schwester Kaedins, Isot, Die mit den weißen Handen, Die Blume von den Landen, Die war stattlich und weise Und hatte sich mit Preise Und Lobe so herfürgethan, Daß ihr das Land war unterthan Und sprach nichts anders weit und breit Denn nur von ihrer Vollkommenheit. Da die Tristan so schön ersah, Ward ihm sein Leid erneuet da, Seine alte Herzenstrauer Gewann da frische Dauer. Sie mahnte ihn gar zu holde Der anderen Isolde, Der lautern, die er in Kornwall ließ; Und weil sie auch Isolde hieß, So ward er von dem Namen hie, So oft sein Auge fiel auf sie, So traurig und so freudenlos, Daß auch sein Antlitz bald erschloß Den Schmerz in seinem Herzen. Doch liebte er den Schmerzen Und trug ihm inniglichen Muth: Er däucht' ihn süß, er däucht' ihn gut. Er minnete dieses Wehe ja: Darum, wenn er sie gerne sah, So sah er sie gerne, weil sein Herz Viel größere Freude fand am Schmerz, Den es trug um die Blonde, Denn am Schönsten unterm Monde. Isolde war sein Lieb und Leid, Ja, Isolde, seine Beworrenheit, Die that ihm wohl und weh zumal: Je mehr Isolde sein Herz in Qual Ihm mit dem Namen Isolde brach, Je lieber ging er Isolden nach. Viel ofte sprach er da zu sich: »A, De benie, wie bin doch ich Von diesem Namen verirret! Er irret und verwirret Mit seinem Klange das Ja und Nein In den Augen und in den Sinnen mein. Er bringt mir wunderliche Noth: Mir lachet und mir spielt Isot In meinen Ohren zu jeder Frist, Und weiß doch nicht, wo Isolde ist. Mein Auge, das Isolden sicht, Dasselbe sieht Isolden nicht. Sie ist mir ferne und wohnt mir bei: Ich fürchte, daß ich verzaubert sei Mit Isolden aufs Neue. Aus Kornwall, meiner Treue, Ist Arundel, so wähn ich wohl, Karke geworden aus Tintayol Und aus Isolden Isolde. Wie irret mich die Holde! Wenn Jemand was von dieser Magd Unter Isoldens Namen sagt, So wähn ich, Isolde sei bei mir, Und bin doch wieder verirrt von ihr. Wie wunderlich ist mir geschehn! Daß ich Isolden möge sehn, Begehr ich nun viel lange Frist: Nun bin ich, wo Isolde ist, Und bin Isolden doch nicht bei, Wie nah ich auch Isolden sei. Isolden sehe ich alle Zeit Und sehe sie nicht: das ist mein Leid. Isolden hab ich gefunden zwar, Doch nicht die mit dem blonden Haar, Die mir so sanft unsanfte thut: Es ist Isolde, die mir den Muth In diese Gedanken hat gebracht, Auf die mein Herz ist so bedacht. Es ist die von Arundele, Und nicht Isot la bele: Die sieht mein Auge leider nicht. Was aber immer mein Auge sicht, Das mit dem Namen besiegelt ist, Dem allem soll ich alle Frist Liebe und holdes Herze tragen, Dem lieben Namen Gnade sagen, Der mir so manchmal hat gegeben Wonne und wonnigliches Leben.« Dergleichen Mären hub Tristan Viel ofte bei sich selber an, Wenn er sein tröstliches Uebel da, Isote as blansche mains, ersah. Dieselbe entzündete ihm den Muth Frisch mit der immer glimmenden Gluth, Die ihm ja doch so Nacht als Tag Unter der Asche im Herzen lag. Er wollte nicht mehr streben Nach ritterlichem Leben: Sein Herze und seine Sinne Die waren nur der Minne Und Frohgemüthlichkeit geweiht. Er suchte Frohgemüthlichkeit In wundersamer Weise: Er trachtete mit Fleiße, Er wollte mit Liebe und liebem Wahn Der holden Magd Isolde nahn, Sein Herz und seine Triebe Wenden zu ihrer Liebe, Ob ihm seine sehnende Bürde Durch sie wohl ringer würde. Er übte an ihr mit süßem Spiel Seiner inniglichen Blicke viel Und sandte deren so manchen dar, Daß sie gar balde ward gewahr, Daß er ihr holdes Herze trug. Auch hatte sie zuvor genug Um ihn Gedanken sich gemacht: Sie hatte viel an ihn gedacht, Seit daß sie hörte und auch sah, Wie man ihn lobte fern und nah Am Hof und über das ganze Land: Seit war ihr Herze zu ihm gewandt; Und wenn Tristan zu Zeiten Seine Augen herübergleiten Und etwa ruhen ließ auf ihr, So widerließ sie die ihren schier Und schaute so innig auf den Mann, Daß der Mann hob zu gedenken an, Mit welchen guten Dingen Er es möchte vollbringen, Daß all seine Herzensschwere Gelöscht und geendet wäre, Und ward von Tag zu Tag mehr stät. Er sah sie früh, er sah sie spät Und kam, so viel er konnte, hin. Viel schier geschah, daß Kaedin Ihr Beider Blicke ward gewahr, Und führte ihn nun auch öfter dar, Denn er je vormals pflegte, Weil er die Hoffnung hegte, So sie ihm Wurzeln im Herzen triebe, Daß er sie nähme und allda bliebe; So hätte er auch mit seiner Hand Die Kriege zu End gebracht im Land. Da bat er seine Schwester sehr, Daß sie sich Tristanden mehr und mehr Mit Reden hold erwiese, Doch nur, wie er's ihr hieße, Und käme auch an keine That Ohn ihn und ihres Vaters Rath. Isolde that, was er sie bat, Weil sie es selber gerne that, Und bot's Tristanden baß und baß: Rede, Gebärden und alles das, Was die Gedanken bestricken kann, Was Minne facht im Herzen an, Begann sie an ihn mit Fleiße Zu wenden auf alle Weise, Bis daß er auch entzündet war Und ihm der Name wunderbar Isolde sanfte klang im Ohr, Der ihm unsanfte klang zuvor: Er hörte und sah die Werthe Viel lieber, als er begehrte. Recht also that auch ihm Isold: Sie sah ihn gerne und war ihm hold. Er minnete sie, sie minnete ihn, Bis ihnen war ein Band gediehn Von Liebe und Genossenschaft, Und übten das auch mit aller Kraft Und zu jeglichen Stunden, So sie es füglich funden. Eines Tages, da saß Tristan, Und kamen ihn Gedanken an Von seinem Erbeschmerzen: Er bedachte in seinem Herzen So manche Pein, so manche Noth, Die sein ander Leben Isot, Die blonde Königinne, Der Schlüssel seiner Minne, Erlitt um seinetwillen Und doch so steten Willen Bewies in allen Schmerzen. Er nahm es ihm zu Herzen, Und ging's ihm recht an seinen Leib, Daß er außer Isolden je ein Weib In seinen Muth mit Minne nahm Und je auf den Gedanken kam. Mit Leide sprach er da zu sich: »Ich Ungetreuer, was thu ich! Ich weiß doch wahr wie meinen Tod, Mein Leben und mein Herz Isot, Der ich so falsch gesinnet, Die meinet und die minnet Kein Wesen hie auf Erden, Und kann ihr auch nichts werden Lieb denn nur ich alleine: Und minne ich und meine Ein Leben, das ihr nicht gehört. Ich weiß nicht, was mich hat bethört. Was thu ich denn, was kommt mich an, Mich treuvergessenen Tristan? Ich minne zwo Isolden, ich, Bin Beiden hold und minniglich, Und aber mein ander Leben Isold Ist doch nur Einem Tristan hold. Die Eine, die will keinen Tristan denn nur mich Einen, Und werb ich nach Minnesolde Einer andern Isolde. Weh dir, du sinnenloser Mann, Du blind verirreter Tristan! Laß diese Blindheit ohne Sinn, Thu diesen Ungedanken hin!« So fand er sein altes Herze wieder: Muth und Minne, die legt' er nieder, Die er der Magd Isolde trug. Jedoch so ließ er zu ihr genug Süßer Gebärden schleichen, Daß sie seiner Minne Zeichen Zu haben wähnte voll und klar. Da war es aber anders gar: Es ging, wie es sollte, mit dem Muth: Isolde, die hatte Isoldens Gut, Tristanden, an dem Muth genommen; Sein Muth war aber zurückekommen Auf seine Erbeminne: Sein Herz und seine Sinne, Die trieben da nur ihr altes Leid. Doch war er höfisch und dienstbereit: Da er mußte an der Jungfrauen Ihr sehnend Leid erschauen, Wie sie zu üben das begann, Da kehrte er seinen Fleiß daran, Ihr Freude zu bescheren: Er sagte ihr schöne Mären, Er schrieb, er las ihr und er sang, Und was ihr irgend ergötzlich klang, Darauf war all sein Sinn gestellt; Er war ihr traulich zugesellt, Er kürzte ihr manche Stunde, Zuweilen mit dem Munde Und unterweilen mit der Hand. Tristan, der machte und erfand Zu jeglicher Art von Saitenspiel Leiche und guter Noten viel, Die seit geliebt sind weit und breit. Auch fand er zu derselben Zeit Den edlen Leich Tristanden, Den man in allen Landen So lieb und werth hat, der besteht, Bis diese Welt dereinst vergeht. Gar oft und viel erging auch das, Daß das Gesinde zusammensaß, Er und Isolde und Kaedin, Der Herzog und die Herzogin, Die Frauen und Barone, Da dichtete er Schanzone, Rondate und höfische Liedelein Und flocht je dies Refloit darein: »Isot ma drue, Isot ma mie, En vus ma mort, en vus ma vie!« Und weil er das so gerne sang, So trog sie Alle dieser Klang, Und kamen alsbald auf den Wahn, Er gehe ihre Isolde an, Und freuten sich darüber sehr; Und aber Keiner von Allen mehr, Denn sein Geselle Kaedin: Der machte ihn heimisch und setzte ihn Zu allen Stunden und Zeiten Der Schwester an die Seiten. Die war sein auch von Herzen froh, Nahm ihn zu Handen so und so Und gesellte sich fleißig zu ihm hin. Ihre klaren Augen und ihr Sinn Begannen auf ihm zu weilen; So warf auch unterweilen Das arme schwache Frauenbild Seiner Scham und seiner Keuschheit Schild Zum Nacken von den Augen hin: Sie legte mit unverhohlnem Sinn Ihre Hand oft in die seine, Als geschähe das alleine Ihrem Bruder Kaedin zu lieb. Wohin es aber der auch schrieb, Ihre eigne Freude lag daran. Die Magd sich wider den Mann begann So recht lieblich zu machen, Zu schwatzen und zu lachen, Zu kosen und zu streicheln, Zu necken und zu schmeicheln, Bis sie ihn entzündte zum andern Mal, Daß er aber begann in neuer Qual Mit Muth und mit Gedanken In seiner Liebe zu wanken. Er war an Isolden unbericht, Ob er sie wollte oder nicht. Auch that's ihm meiner Treuen Noth, Daß sie ihm's also süße bot. Oft sprach er zu sich selber hin: »Willst du, oder willst du nicht, mein Sinn? Ich wähne nein, ich wähne ja.« – So war aber die Stete da: »Nein,« sprach sie zu ihm, »Herr Tristan, Sieh deine Treu an Isolden an! Gedenke an die holde: An die getreue Isolde, Die keinen Fußbreit von dir wich.« So war er aber mächtiglich Von den Gedanken hingenommen Und aber in solchen Jammer kommen Durch Isoldens Minne, Seines Herzens Königinne, Daß er Gebärden und Art so sehr Damit verwandelte, daß er An jeder Stätte, zu jeder Zeit Nichts übte als Trauer nur und Leid, Selbst wenn er zu Isolden kam, Seine Rede mit ihr zu Handen nahm, Sein selber ganz und gar vergaß Und immer seufzend bei ihr saß: Seine heimliche Wunde Kam offen so zur Kunde, Daß all das Ingesinde sprach, Sein Trauern und sein Ungemach Das käme von Isolden gar. Sie sprachen auch meiner Treuen wahr: Tristandens Trauer und seine Noth Das war nichts anders denn Isot. Sie war sein tödtlich Uebel, sie, Und aber ganz und gar nicht Die, Von der sie es verstanden, Die mit den blanken Handen: Es war Isot la bele, Nicht die von Arundele. Sie wähnten es aber insgemein; Auch Isolde wähnte, es müsse sein, Und ward dadurch verirret gar: Denn Tristan sehnte sich fürwahr Zu keiner Zeit und nimmermehr Nach seiner Isolde also sehr, Wie sie nach ihm. So ohne Ruh Brachten sie Zwei die Stunden zu Mit zwiegespaltnem Leide. Sie sehneten sich Beide Und hatten zusammen ihren Gram, Der aber nicht ins Gleiche kam. Ihr Minnen und ihr Meinen, Das war nicht zu vereinen: Sie gingen da nicht in dem Tritt Vereinter Liebe einander mit, Weder Tristan, noch die Magd Isot. Tristan, der wollte in Leben und Tod Eine andre Isolde: So wollte aber die Holde, Die mit den weißen Handen, Keinen andern Tristanden. Sie minnete und sie meinte ihn, Ihr Herz und Sinn stand zu ihm hin, Sein Trauern war ihr meistes Leid; Und so sie ihn sah zu einer Zeit Im Antlitz sich verfärben, Und er, als ging's zum Sterben, So innig zu seufzen drauf begann, So sah sie ihn innigen Blickes an Und seufzte mit ihm leise. In viel geselliger Weise Trug sie die Trauer mit dem Mann, Und ging sie doch, weiß Gott, wenig an. Sein Leid bedrängte sie so sehr, Daß es an ihr Tristanden mehr Denn an ihm selber mühte. Der Liebe und der Güte, Die sie so stetiglich ihm trug, Deren erbarmte es ihn genug, Und daß sie ihre Sinne So ganz an seine Minne Um nichts gegeben hatte hin Und hatte ihr Herz gewandt an ihn Auf also gar verlornen Wahn. Doch blieb er ihr höfisch beigethan Und fliß sich allestunde Aus ganzem Herzensgrunde Mit Märe und Gebärde, Und hätt ihr die Beschwerde Viel gerne abgenommen. Sie aber war drein gekommen Zu tief und gründlich, und je mehr Mit Mären und Gebärden er Bemüht war und beflissen, Je mehr sie hingerissen Von seinem Fleiß ohn seinen Dank In die viel blinden Gluthen sank, Bis sie so weit aufs Ende kam, Daß Minne sie mit Sieg hinnahm, So daß sie ihm ihre Stricke, Gebärden, Reden, Blicke, So oft, so innig süß entbot, Daß er in seine Zweifelnoth Aber zum dritten Male fiel Und aber seines Herzens Kiel Begann in Ungedanken Zu fluthen und zu schwanken, Und war da wenig Wunder dran: Denn, weiß Gott, die Lust, die dem Mann Alle Stunden und alle Frist Lachend unter den Augen ist, Die blendet die Augen und den Sinn, Die ziehet je das Herze hin. All, die in Minne brennen, Die mögen hie erkennen, Daß man viel baß erträgt allzeit Von ferner Minne ein fernes Leid, Denn daß man der Minne nahe bei Und naher Minne ohne sei. Fürwahr, so weit ich's verstehen kann, Viel lieber Minne mag ein Mann Baß fern entbehren und fern begehren, Denn nah begehren und nah entbehren: Vor der fernen er leichter flieht, Dann er der nahen sich entzieht. Hierin verwirrte sich Tristan schwer: Ferner Minne begehrte er Und litt groß Ungemach um die, Die er nicht sah, noch hörte hie, Und entzog sich der immer nahen, Die seine Augen sahen. Er begehrte zu jeder Stunde Nach la bele, la blunde, Nach Isolden vom Irenlande, Und floh die weißgehande, Die stolze Magd von Arundel. Um Jene quälte er Leib und Seel Und wollte Diese meiden: So ging er irr an Beiden: Er wollte Isolden, sein Lebenslicht, Und aber wollt er Isolden nicht. Die floh er, und Jene suchte er. Die Magd Isold hatt ihr Begehr, Ihre Treue und ihren lautern Sinn Einfältig auf ihn gewendet hin: Sie begehrte einen Entziehenden, Sie jagte nach einem Fliehenden. Warum? sie war von ihm betrogen. Er hatte ihr so viel gelogen Mit zwein Bethätigungen: Der Augen und der Zungen, Daß sie seines Herzens wähnte und sein Sicher und ganz gewiß zu sein; Und aber von allem Lug und Trug, Womit er sie in die Fesseln schlug, Der größte Zauber dieser war, Der auch vor allen andern gar Ihr Herze zu Tristans Liebe zwang, Daß er das Lied so gerne sang: »Isot ma drue, Isot ma mie, En vus ma mort, en vus ma vie!« – Das war's, was ihr Herze ganz hinnahm, Das war's, wovon ihr die Liebe kam. Auch nahm sie sich gänzlich zu eigen an Dies Wort und ging dem fliehenden Mann So inniglich süß verfolgend mit, Bis daß sie ihn auf dem vierten Tritt Der Minne fing, da er sie floh, Und zog ihn wieder zurücke so, Daß er aber in ihren Ketten lag Und aber lag so Nacht als Tag Im Wanken und im Schwanken Angstmüthiger Gedanken Ueber sein Leben und über sich. »Ei,« dachte er, »Herre, wie bin ich Mit Liebe also verirret! Dies Lieb, das mir so wirret, Das mir benimmt so Leib als Sinn, Davon ich so beschweret bin, Soll mir von ihm auf Erden Jemals Genesung werden, Muß ich durch fremdes Lieb genesen. Ich habe doch schon oft gelesen Und weiß, daß eine Leidenschaft Benimmt der andern ihre Kraft. Des Rheines Fluß und Wasserschooß Der ist doch nirgends also groß, An keiner Statt, noch Stelle, Daß er nicht Well um Welle, Einzeln und Guß um Gieße Sich gar entschöpfen ließe: So wird der mächtig große Rhein Viel kaum ein kleines Rheinelein. Kein Feuer hat auch so große Kraft, So Jemand wäre drauf bedacht, An Bränden ihm abzubrechen, Daß er's nicht mochte schwächen, Bis daß es gar zerstiebet. So ist Dem, der da liebet, Der hat dem auch ein gleiches Spiel: Er mag sein Gemüthe so oft und viel, Bis daß versiegt die Quelle, Entschöpfen Well um Welle Und so mit einzeln Bränden Zertheilen und verschwenden, Bis er es also dämpft und zwingt, Daß es ihm wenig Schaden bringt. So mag auch ich's vollenden: Will ich zertheilen und spenden Mein Minnen und mein Meinen Mehr denn nur einer Einen Und wende ich meine Sinne An mehr denn Eine Minne, So werd ich noch vielleicht auf Erden Ein trauerloser Tristan werden. Nun muß ich die Probe machen: Will mir das Glücke lachen, So ist Zeit, daß ich's beginne; Denn die Treue und die Minne, Die ich zu meiner Frauen habe, Die bringt mir Frommen nicht, noch Labe. Ich vergeude an sie Leib und Leben Und weiß mir keinen Trost zu geben Des Leibes, noch des Lebens. Ich leide allzu vergebens Diesen Kummer und diese Noth. Ach, süße Freundin, liebe Isot, Dies Leben ist uns Beiden Zu sehr entzweit durchs Scheiden. Es steht nun anders gar als eh, Da wir Ein Wohl, da wir Ein Weh, Mit Liebe und mit Leide Ein Leben hatten Beide. Nun steht es leider nicht mehr so: Nun bin ich traurig, Ihr seid froh. Sich sehnen meine Sinne Nach Eurer süßen Minne, Und Eure sehnen sich nunmehr, Ich wähne, nach meiner nicht gar sehr. Die ich um Euch versage mir, O weh, o weh, die Lust habt Ihr So oft, als Euch gefället. Ihr seid dazu gesellet: Marke, Euer Herre, und Ihr, ihr seid Daheim und gesellet allezeit; So bin ich fremd und alleine. Ich werde wohl, ich meine, Nie mehr von Euch getröstet sehr, Und kann doch nimmer nimmermehr Mit meinem Herzen von Euch kommen. Warum habt Ihr mich mir benommen, Nun Ihr mein also klein begehrt Und mein auch immer wohl entbehrt? Ach, süße Königin Isot, Mit wie viel mancher Herzensnoth Geht mir mein Leben um Euch hin, Der ich Euch nicht so wichtig bin, Daß Ihr seit hättet nach mir gesandt Und Euer Forschen an mich gewandt. Nach mir gesandt? was rede ich? Wo sollte sie denn besenden mich Und forschen nach meinem Leben? Bin ich doch längst ergeben Den ungewissen Winden: Wie konnte man mich finden? Ich kann es nicht erdenken, wie: Man suche dort, so bin ich hie, Man suche hie, so bin ich dort: Wie findt man mich und an welchem Ort? Wo man mich finde? Wo ich bin: Die Lande entlaufen nirgends hin; Ich bin doch in den Landen, Da suche man Tristanden: Ja, wem das Herz drauf stände, Der suchte, bis er mich fände; Denn wer den Fahrenden suchen will, Dem ist ja kein gewisses Ziel Des Suchens fürgegeben; Er muß sein ganzes Streben, Gern oder nicht, dran wenden, Will er es wohl vollenden. Meine Fraue, an der mein Leben ist, Weiß Gott, die sollte seit all der Frist Viel heimlich haben nach mir durchsandt Ganz Kornewall und Engelland, Die Normandie und das Frankenreich, Mein Land Parmenien, alles gleich, Und wo sonst ging eine Märe, Daß ihr Freund Tristan wäre. Das sollte alles durchforschet sein, Wär sie bedacht gewesen mein. Nun kam's ihr nicht zu Sinne, Die ich meine und minne Mehr denn meine Seele und meinen Leib. Um sie meid ich jedwedes Weib Und muß sie selber auch entbehren. Ich kann von ihr ja nicht begehren, Was Freude und wonnigliches Leben Auf dieser Welt mir sollte geben.« * * * Bis hieher wob des Meisters Hand Des Leides und der Liebe Band. Es liegt verwaist: eine dunkle Hand Zerschnitt zu früh sein Lebensband. Die Tristanssänger Die Tristanssänger. »Wo nun reicher Künste Hort, Wo schöne Rede, wo blühende Wort, Wo Fünde, die wie Veilchen blühn, Wo Sprüche, die wie Rosen glühn, Wo sinniger Satz, wo fündiger Sinn? Der aller ich ein Waise bin: Gedichtes des gar reichen, Kunstvollen, ohnegleichen, Bin ich ein erbeloser Mann, Und hab mich doch genommen an, Zu vollbringen diese Mär, Die so blühend bis daher Mit schöner Rede bedichtend Und meisterlich berichtend Meister Gottfried von Straßburg schritt, Ihr Herre, der so manchen Schnitt, Künstlichen und reichen, Schönen und meistergleichen, Nach vollkommenen Meisters Sitten Aus blühendem Sinne hat geschnitten Und hat den Sinn zur selben Zeit Gehüllt in so reicher Rede Kleid, Diese Materien hat seine Hand Gesprenzet in so licht Gewand, Daß ich gar zweifeln muß daran, Ob ich irgend erfinden kann In meines Sinnes Gründen Reden, die zierlich stünden Zu diesem goldenen Gedicht. Nun mögen wir ihn behalten nicht: Gott, unser Schöpfer, das gebot, Daß ihn genommen hat der Tod Hin von dieser schnöden Werlt. Wohlgeblümet und wohlgeperlt Ist seiner blühenden Fünde Kranz, Viel reine, lauter viel und glanz Ist seiner reichen Künste Hort. Die Todten mit den Todten dort, Die Lebenden mit den Lebenden hie!« Von dem ich diese Worte lieh, Heinrich von Friberg heißt der Mann: Er nahm sich des Gedichtes an Und führte es auch ans Ziel hinaus Mit Spiel und Fest, mit Ernst und Strauß, Mit mancher höfischen Kunde Von Artus' Tafelrunde, Von Kosen in Waldes Grüne, Von aber neuer Sühne Und neuer Minnenheimlichkeit, Von neuem Trug und neuem Streit, Mit reichen Bildern, allzu reichen. Von Türheim Ulrich that desgleichen, Mit trocknem Muth und kurz genug, Den doch die schöne Sprache trug (Die, innerlichen Lebens voll, Im schwächsten Mund von Leben schwoll) Aufrecht auch über Stock und Stein; Er will mir fast noch lieber sein. Sie thaten Jeder nach seiner Macht; Auch schelt ich nicht, was sie vollbracht: Es brächte mich selber leicht in Schmach. Ich spreche nur dem Meister nach: »Sie thaten's aus edlem Muthe, Thaten's der Welt zu Gute.« Und aber, sagt auch Heinrich da, Was Thomas von Britannia Sprach in lampardischer Zungen, Das habe er nachgesungen, – Was er auch sagt und was er spricht, Der echte Thomas war es nicht. Suche den echten, wer da mag! Er kommt doch nimmermehr zu Tag. Der steckt in keiner alten Schrift, Die man in Staub und Moder trifft Und mag sie zurechte richten: Der ist nicht nachzudichten. Die echte Urschrift, mir ist's kund, Die lag im liedersüßen Mund, Im reichen Hort von Freud und Schmerzen, Die lag in Meister Gottfrieds Herzen. »Hier liegt ein Dichter.« Diesen Fund Sprach oftmals eines Hirten Mund Vor einem Hügel, in Sinnen tief, Darunter ein alter Sänger schlief, Allwo er weidete jeden Tag Und auch bei Nacht am liebsten lag Auf seinem wundergrünen Rand. Ein Zauber, den er kaum verstand, Hielt ihn gebannt an diesen Ort. Nun suchte er stammelnd Wort zu Wort, Er wußte selbst nicht, was ihn trieb, Er hätte gerne zu Lob und Lieb Ein Lied gesungen dem todten Mann. Und doch, so oft er den Fund begann: »Hier liegt ein Dichter« – so ward er stumm; Im Herzen trug er den Sinn herum, Auf den Lippen ging das Wort ihm aus. Da drang ins stille Schlummerhaus Ein Hauch von seinem treuen Sinn, Und geistig regte sich's darin: Denn Dichtung will nicht ruhen, Wie Schätze in Geizes Truhen. Und als er entschlief in einer Nacht, Nachdem er sich lange müd gedacht, Da kam aus dem Hügel hervorgewallt Von hohem Wuchs eine edle Gestalt; Ihre Augen schienen wie Sterne hell. Sie sprach: »Da liegst du nun, Gesell, Und möchtest wirken mein Loblied gern. Merk auf, wie die Schale sich fügt zum Kern: Entweder bist du zum Heil geboren, Oder ist all deine Müh verloren.« – Die Zunge rührt' er ihm und begann: »Hier liegt ein Dichter:« da ging's erst an, Und vor des Schläfers Sinn und Ohr Auf sprang der Rede goldnes Thor. Der Sänger, wie er sein Lied vollbracht, Versinkt in den Hügel. Der Hirt erwacht: Noch sieht er, schwindend im Dämmerlicht, Die Schulter, das glänzende Angesicht; Und wie sich der Hügel schließt, zur Stund Thut auf sich des Sehnenden stummer Mund, Und mit gelöster Zungen Nachsingt er, was Der gesungen: Da grüßt der Morgen mit junger Lust Eine erschlossene Dichterbrust. So vor des Meisters Denkmal still Steh ich: o könnt ich, wie ich will! Sein Denkmal ist des Liedes Fluth, Darin sein Geist, sein Herze ruht: Ich sprach das Lied ihm stammelnd nach, Harrend, ob nicht die Fessel brach, Die dreifach um mein Herz geschlagen In dunklen Nächten, trüben Tagen Die bleierne Zeit! doch still davon! Noch klingt mein Lied mit dumpfem Ton, Nicht, wie des Meisters Preis gebührt: Er hat mir die Zunge nicht berührt. Ich hab, ein Loblied ihm zu weihn, Nur meinen treuen Sinn allein; Doch mit der Treue sprengt ein Herz, Still wachsend, siegend, Stahl und Erz, Und Treue thut, in so öder Zeit, Mehr Noth als der Rede goldnes Kleid. Das hohe Lied der Leidenschaft, Starr, urgebirgisch, riesenhaft In dunkler Höhle von Basalt, Wo Trauer durch die Säulen hallt, Im alten Keltenland entsprungen, An Englands, Frankreichs Hof gesungen, – Das hehre Trauerspiel verwischt Als lüsterne Fabel aufgetischt, Urstein zu Modetand zerbrochen – Von Eilhart schläfrig nachgesprochen, Hier warm gehegt, dort halb gelitten, Ein leichter Spiegel leichter Sitten, So kam es in des Meisters Hand. Er mußt es nehmen, wie er's fand: Freiheit nach innen, nach außen Pflichten, Das war die Zeit, das war ihr Dichten. Gehorsam ging er Schritt für Schritt Der Märe und seiner Urschrift mit, Leichtsüßig, wie ein Vogel geht, Und dennoch, wo er geht und steht, Bei jedem Schritt versenkt' er sich Tiefinnerlich, herzinniglich In aller Dinge Kern und Wesen. Die Fabel, wie er sie gelesen, Die enge, von Welt- und Hofeslust, Die er nach außen lassen mußt, Nach innen wie hat er sie erweitet, Tief in des Herzens Grund geleitet Und dort aus einer losen Mär Erbaut einen Tempel hoch und hehr, Einen Tempel echter Minne! Seht, wie er hat darinne Alles zum Heiligthum geweiht, Die holde Lust, das liebe Leid, Das Zärtste, was ein Herze hegt Und unerkannt durchs Leben trägt, Des Weibes allerhöchstes Gut, Die Treue mit dem Löwenmuth, Die nicht sie selber nur verschönt, Die auch ihr ganz Geschlechte krönt, Die um ureigne Rechte ficht Mit Welten, weh, mit Recht und Pflicht! Die, in der Erde Qualm und Staub, Der Erdenoth, der Lüge Raub, Mit heiliger Gluth die Schuld vernichtend, Hilflos die blöde Lüge richtend, Gereinigt in des Staubes Schmerz, Dem Vater der Liebe fliegt ans Herz! Zu solchem Bild der Leidenschaft Was braucht's noch Zaubertrankes Kraft? Den Trank, den Tristan und Isold Getrunken, solch ein flüssig Gold, Ich wähne, trank auch Gottfrieds Mund; Vom süßen Gift im Herzen wund, Die brennende Wunde lächelnd Mit kühlen Scherzen fächelnd, Drängt er des Minnezaubers Hort, Den ganzen, in sein Zauberwort Und wird, verzaubert von Minne, Ein Zaubrer aller Sinne. Seit sich die Erde dreht im Ring, Und da sie noch im Mittel hing, Ist mir kein Meister offenbar, Dem so das Wort gehorsam war. Die größten aller Zeiten, Wenn sie zu Heimlichkeiten, Zu innersten Geweben Von Herz und Menschenleben, Zu Wundern, die im dunkeln Schooße der Erde funkeln, Mit Sange fahren nieder, So lassen sie ihre Lieder Aus dumpfer Ferne läuten, So wissen sie zu deuten Mit einem mächtigen Worte Auf die verschloßne Pforte, Dahinter das Geheimniß ruht, Daß wir's im ahnungsvollen Muth, Doch nicht mit Augen leiblich sehn. Er aber bleibt davor nicht stehn: Wo Andre enden, da hebt er an Und handhabt, wie kein andrer Mann, Mit seinen süßen, frischen, Gefügen, zauberischen Verslein, die schalkhaft blinken, Des Thores goldne Klinken, Daß es sich öffnet weit und groß. Da läßt er uns im Felsenschooß Auf nie gekannten Auen Krystallne Wunder schauen. Kein Schwanken hier, kein Stillestand! Er führt uns an der treuen Hand Weit weit hin durch den stillen Raum, Und nicht in sinnenhalbem Traum: Ja, nicht umsonst durchs Felsgestein Hieb er die heimlichen Fensterlein, Dadurch in die dunklen Hallen bricht Das holde, sichre Tageslicht, Das befangne Herz im Zaubersaal Anheimelnd mit lebenswarmem Strahl. Und hat er so im Wunderschacht Den fernsten Winkel hell gemacht, Da kommt er aus dem Felsenspalt, Ein klarer Fluß, hervorgewallt Und eilt mit perlendem Schaume munter Ueber Fels und Stein ins Thal hinunter, Gleitet mit sanftem Rieseln Hin über weißen Kieseln, Durch Waldesdämmerungen, Wo Stamm mit Stamm verschlungen, Vorbei an grünen Auen, Wo Ritter und zarte Frauen Sich schaaren zu Tjost und Tänzen Und bunte Zelte glänzen. Und jeglichem Gestade Auf seinem Schlängelpfade Schwemmt er von seinem Goldsand an, Den er im tiefen Fels gewann. Und hört ihr aus den leisen, Den froh gefügen Weisen, Aus den geschwätzig süßen, Frisch murmelnden Wellengrüßen, Hört ihr die Klage schallen, Den Seufzer, der die Hallen Der Felsen füllt mit Schauer, Die uralt alte Trauer, Daß Liebe je mit Leide lohnt, Daß Schmerz je bei der Freude wohnt? Wie klingt's in seinen Weisen nach, Wie schmerzlich süß, das leise Ach! Wohin nun rollt er seine Wogen? Er wendet sich in scharfem Bogen: Noch ahnt mir manche Wunderschau, Felswände schroff, Geklüfte grau, Zuletzt ein stiller blauer See, Da endet jede Trauer – Weh, Er schwindet hin! In voller Pracht Tückisch entrissen in die Nacht! Verschlungen ohne Wiederkehr! Da fuhr wohl böser Geister Heer, Die schönen Menschenloosen grollen, Der Dichtung Rosen vergiften wollen, Zur Stunde, da er dem Tag entschwand, Mit fesselloser Sklavenhand Frohlockend über die öde Stelle. Und ich, von seiner dunklen Schwelle, Soll seines Liedes goldne Fluth Zum Ziele führen? Was sagst du, Muth? Darf ich das Wagestück bestehn, Erbloser Erbe, wie jene Zween, Mit meinen nüchternen Loosen Zu rühren an die großen, Die Isolden und Tristanden Zu Lieb und Leid verbanden? Vorwärts! hier gilt kein Widerstand: Das Schicksal legt's in meine Hand. Was Tristan seinem Kurvenal An seiner Statt zu thun befahl, War's auch das Werk des Meisters nicht, Es war geadelt durch Treu und Pflicht. So hab auch ich zu manchen Tagen Dem Meister die Lanze nachgetragen Und mich in seinem Dienst erbaut: Da hat er mir seinen Sinn vertraut, Und was ich ihm in den Augen las, Das sprech ich aus nach meinem Maß. So lang ich lebe, soll nimmer, nein! Verwaist die schöne Märe sein, Und was Rual, der treue Mann, Am Kinde seines Herrn gethan, Will ich an des Meisters Waise thun: Ich will fürwahr nicht eher ruhn, Bis sie in vollem Gewand und Schnitt Hervor an der Welt Auge tritt, So reichlich und so wohl bedacht, Als nur vermag meine arme Macht. Dazu gib du mir Rath und Frist, Der du Trost verwaister Liebe bist, Auf den in des Lebens wirren Wehn Das einsame Herz allein mag sehn; Und laß mich verrichten meine Pflicht Mit bescheidnem Glück: mehr will ich nicht. Doch willst du mir ein volles geben, Gern nehm ich's hin, und gält's mein Leben! Denn über dieses Lied gebeut Ein seltsam düstrer Stern noch heut: Der Held, den in der Todesnoth Sein Vater zeugte, den im Tod Gebar der bange Mutterschooß, Verbreitet um sich ein Todesloos: Mit tödtlich süßem Weh entfacht Er auch des Sängers Herz und macht Das Dichten selbst zum Trauerspiel: Die kleinen brachten es ans Ziel, Die großen Sänger starben dran. So er , der immer war ein Mann , Ein Meister und ein Ritter auch, Erfüllt von deutschen Geistes Hauch, Ein Bannerträger in dem Streit, Dem heimlich sausenden, der Zeit. Wie schäumt sein Sang, ureigen klingend, Rasch über rauhe Blöcke springend! Das Lied war wieder halb entschlafen: Er weckt's mit Blitzen, welche trafen. Er sitzt »in stiller Mitternacht, Vom alten Schloßthor überdacht, Wo über Hügeln weht das Korn;« Und aus der Zeiten Gram und Zorn, Wo ihre Kronen Häupter tragen, »Die vor dem Blitz der Geister zagen,« In deren Machtspruch, deren List »Der Feigling auszuwittern ist,« Hoch überm Qualm zur lichten Wolke Erhebt und rettet er dem Volke, Dieweil es träumet bang und stumm, Der Dichtung goldnes Heiligthum. Wer griff so tief, wer sang so gut Von Hirschenjagd und Roggendrut , Vom Mittagszauber , wie er nur Brütet auf weithin ebner Flur In Korn und Wiesenniederungen Der Rothen Erde, die er besungen! (Uraltes Land von deutschem Kern, Nimm meinen Heimathgruß von fern, Land, das die Väterwiege war Der holden Frau, die mich gebar!) Wie hat er sein Herz an dich getauscht, Deine Heimlichkeiten abgelauscht, Du trutzige treue Sachsenart, Die altes Recht und Volksthum wahrt; Wie hat er die Sprossen, die echten, jungen Der Doppeläste schön verschlungen Von unsrer Eiche, groß und hehr, Auf dem Gehöfte dort, wo er Des deutschen Hochlands Sohn verband Der Tochter vom deutschen Niederland! Dort Mittags auf dem schwülen Plan, Beim Zauberschlaf des alten Pan, Aus all der webenden Schöpfungskraft Hat er den Feuerwein geschafft, Den Tristan und Isolde tranken. Da führt er sie auf dünnen Planken Ins Reich der Wellen und läßt die feuchten Im Widerschein der Liebe leuchten; Er öffnet ihren dunklen Schooß, Und Wunder läßt er, reich und groß, Am Blick der Liebe sich entzünden. Ja, er ist heimisch in den Gründen, Im Grund des Herzens wie der See, In der höchsten Lust, im tiefsten Weh, Im kochenden Gischt des Höllengrauses, Im Abgrund eines Hochzeithauses, Das er im Schaffnersrock am Morgen Durchwandelt in kummerschweren Sorgen, Daß Liebe liegt in Lügennetzen, Gesetze kämpfen mit Gesetzen! Ja freier, kühnlicher beschwingt, Gestählter im Schmerzensernst, erklingt Sein Lied, als Gottfrieds weiche Saiten, Die leicht hin über die Klippen gleiten. Doch kein Vergleich! Verschieden haben Die Geister ausgetheilt die Gaben; Und auch der Dichtung Lebenswellen, Jahrhunderte durchziehend, schwellen Und wachsen unterm Himmelsdom Zu einem immer stärkern Strom. Denn wie die Welt, doch umgekehrt, Die von den Schalen sich vermehrt Der unsichtbaren Schöpfungszwerge, Aus deren Tod sich thürmen Berge, Schädelstätten der Creatur, So wächst die Welt der Dichtung: nur Daß die ein Grab des Lebens bleibt, Und die aus Tode Leben treibt. Sie nährt sich von den Sängerherzen, Die in den Wonnen, in den Schmerzen Des schwindelnden Laufes dieser Erden Einst schlugen und noch schlagen werden; Und jedes gibt der heiligen Fluth Sein eigenstes gottgetränktes Blut, Den zärtesten innern Lebenskeim, Der aus den Schlacken strebte heim. So wächst der Strom der Dichtung, merkt, Daß sich der Götter Sache stärkt Mit Waffen, die, aus Geist und Leben Geschmiedet, tödten und Leben geben, Auf jenen großen Kampfesschlag, Den uns abspiegelt jeder Tag, Auf jene Weltendämmerung, Darin die Welt wird wieder jung Und wieder wird auf lichten Auen Goldtafeln, die verlornen, schauen. Du treues Herz, so deutsch, so groß, So fandest denn auch du dein Loos Und bist in heißer Sehnsucht Pochen, Im Kampf mit Welt und Zeit gebrochen! Wie rangst du redlich nach dem Kranz, Wie warst du hingegeben ganz Dem Glauben, Schauen und Gestalten, Wie hast du Stein und Fels gespalten, Wie nach dem Schwersten stets gegriffen, Wie scheitertest du oft an Riffen, Und gingst aus jedem Schiffbruch doch Leuchtend hervor und größer noch! Dich weihten in der Wiege Geister Zu unsres Sanges höchstem Meister, Der seines Volks tiefinnre Seele Aussprechen sollte ohne Fehle. Ihr Lied klang wie ein Traum dir nach: Da schrittst du durch der Zeiten Schmach, Vom Zweifel an deiner Kraft verdüstert, Von leisem Glaubenswort umflüstert, In Jugendblindheit viel bethört, Vom blöden Frost der Welt verstört, Hart strauchelnd auf dem steilsten Pfad, Gewaltig doch und immer grad Dem späten Ziel der Reife zu. Mit manchen Mühen ohne Ruh, Manch ungefügen Siegfriedshieben Hast du dein Erz zum Bild getrieben; Wie hemmten neidisch oft den Guß Dämonen! Doch der Feuerfluß Trieb Well auf Welle, nimmer schwach, Des edelsten Metalles nach. Und sieh, schon winkt der Siegeslohn! Das Bild erhebt sich aus dem Thon, Die Stirne glänzt, die Locken fliegen, Die Lippe lächelt tausend Siegen, Aus mächtigen Schultern drängen sich Die Heldenarme königlich, Es zuckt! der goldne Bogen rauscht, – Das Volk steht athemlos und lauscht Und sieht empor, von Lust geschwellt, Wie auch die letzte Verkleidung fällt, – Da, weh, aus blauem Himmel drauf Ein Strahl! ach, wider Sternenlauf Und Schicksal! Der so hoch und klar Ein Leuchtthurm deutscher Bildung war, Ein Glaubenspfand, ein Halt der Guten, Er stürzt, und über ihn die Fluthen! Stumpfsinnig in dem Wassergrausen Mag nun der Hai, der Roche hausen: Der Boden, der ein Herze trug, Das für der Menschheit Höchstes schlug, Steht nicht bloß öde mit seinem Staub, Er wird der Niedrigkeit zum Raub, Und auf dem Damm, der sie gebrochen, Spreizt sie sich mit zwiefachem Pochen. Hand und Herz Hand und Herz. Kehre zur Märe nun, mein Kiel! Du bringst doch nimmer sein Lob zum Ziel. Und wie du ihm so vieles danktest, Als du gelähmt in Zweifeln schwanktest Und dir zurief sein mächtig Werben: Es lebt das Lied und wird nicht sterben, Und Singen und Forschen geht Hand in Hand Mit Ringen und Kämpfen fürs Vaterland, – So laß dir von im die Brücke schlagen, Die dich soll zu der Märe tragen. Noch sind uns Blätter, rasch geschrieben, Von seiner edlen Hand geblieben, Nur wenige, ach, und unvollendet: Sie seien in dein Lied verwendet; Das halbe Wort laß im Gedicht Lebendig werden. Wohlan, er spricht: »Glückloses Frauenleben gleicht Des Jordans Lauf, der leise schleicht An Ufern hin, die öde stehn, Und ist doch Heiliges drauf geschehn. Da glimmt ein leises Lebenswort Im Herzen unter der Asche fort: Ich habe geliebt! Das arme leise Wort ist des Herzens Trank und Speise. Das Männerherz, des Glücks beraubt, Hat ausgelebt und ausgeglaubt: Es ist ein stummes Leichenfeld, Vom späten Monde trüb erhellt, Wo Schemen sich mitternächtlich treffen, Das Leben mit Schein des Lebens äffen.« So Tristan. Seit er Isolden ließ, War er, gestürzt vom Paradies, Auf nackter Erde bloßgestellt, Sich selbst verloren und der Welt; In seines Busens todter Wildniß Isoldens und Isoldens Bildniß, Ein Urbild, göttlich, reich in Harm, Ein Abbild, sterblich, reizend arm. Und Tristan log sich selber vor: »Ich bin gestürzt vom goldnen Thor, Hab einen Himmelstraum geträumt: Nun, da der Becher ausgeschäumt, Muß ich ein irdisch Loos erlesen; Und will nun dieses gute Wesen Ihr Glück mit innigem Vertraun Auf ein zerstücktes Herze baun, Wohlan, so soll sie glücklich sein. Die Fetzen, die ich nenne mein, Die will ich gern zur Steuer geben, Um aufzurichten ihr sehnend Leben. Also wird ein unheilig Gut Zum Gottespfennig, und die Gluth, Die meine Königin bedroht Mit ewiger Noth, mit bittrem Tod, Die meinen Ohm in Schande stürzt, Mich an den Treuen und Ehren kürzt, Die soll nun einen stillen Herd Als Feuer wärmen, das nicht verzehrt.« Das war der größte Lug und Trug, Den Tristan je zu Markte trug! Mit Lieb und Treu, mit dem höchsten Gott, Treibt so der Teufel seinen Spott. Und ob's meinen Brüdern nicht behagt, So bleibt es dennoch wahr gesagt: Mannesherz ist ein ärmlich Ding! Ihm ist keine Labung zu gering, Den Durst zu stillen, der ewig flammt, Die Sehnsucht, die vom Himmel stammt. Der Mann, der alles verloren hat, Ißt sich mit Lust am Staube satt: Wenn ihm Gott, Lieb und Freiheit fehlen, Kann er noch Steckenpferde quälen. Die enge Brust voll Eigensucht, Hascht er nach jeder kleinen Frucht, Die winkend ihm ins Auge sticht, Ein armes Stündchen Lust verspricht; Und hat er dran gekühlt den Sinn, Wirft er das Spielzeug wieder hin. Seine Unruh mag er in dem nicht'gen, Dem lauten Treiben leicht beschwicht'gen, Und nimmer thut er doch sein Ich, Auch in der Liebe nicht, von sich, Das freilich, so hat es Gott bestellt, Die Wurzel ist, die da sprengt die Welt. Kaum, wie sich auch die Loose schwärzen, Stirbt Einer am gebrochnen Herzen. Ein Weib, das liebet, ist nicht mehr Ein Ding von Staube, grob und schwer: Sie starb der Erde blöden Banden Und ist in Himmelsluft erstanden. Wie ist ihr Herz so still und rein: Ihr Du nimmt all ihr Wesen ein, Für das sie starb, ihr andres Ich, Und in ihm wohnt Gott sichtbarlich. Ihr Lieben, das nichts Eignes kennt, Ist Sterben, Opfer, Sacrament, Ein Gottesdienst, das ist ihr Lieben! Drum kann ihr Glück nie ganz zerstieben: Wenn ihre Sterne all erblassen, So ist sie nicht getäuscht, verlassen, Mit dürft'gem Ich arm, bloßgestellt: Im Herzen ihre wahre Welt Bleibt, wie sich auch das Auge feuchte, Ein Tempel mit der ewigen Leuchte, Drin für und für mit sanftem Wehn Die Gottheit waltet ungesehn, Wo ihr im Schein verloren Gut Im Wesen unverloren ruht, Unsterbliche Gluth vom Himmelsfunken, Den sie aus Staub und Nichts getrunken! Ja oder, bricht zu tief die Pein, Zu nächtlich über sie herein, Da quillt statt Thränen Blut, da schwellen Zurück zum Herzen seine Wellen, Der Liebe zart Gefäß zerspringt, Eh es unheilige Fluth durchdringt, Der Tempel stürzt und liegt begraben, Eh ihn Nachtgeister verwüstet haben. Die Frau, die spielt mit Herz und Treu, Die reinigt Beichte nicht, noch Reu. Sie nicht! Die ärmste Sünderin, Die ihren Leib der Lust gab hin, Die büßt und betet die Nächte lang, Vernimmt, wie Leben den Tod bezwang, Und liest im siegenden Morgenlicht Der Gnade Wort. Sie nicht! Sie nicht. In ihrem Busen nagt ein Wurm, Ein Flüsterwort, doch laut wie Sturm, Todkalt, und heiß wie Höllenpein, Ruft ihr ins Ohr und schläft nicht ein: »Du hast dein Kleinod fleckenlos, Das Welt und Himmel in sich schloß, Den höchsten, einzigen Hort verschwendet, Hast Herz und Treu und Gott geschändet!« – Der Mann geht manche Lebensspur, Das Weib lebt in der Liebe nur. Ihn laden Pilgerfahrten viel: Ob Schuld, ob Weh, ihm winkt ein Ziel, Zu bergen sich vor Rachepfeilen, Die schwerverletzte Brust zu heilen. Ob er stillsegnend wirkt und schafft, Ob er mit lauter Heldenkraft Des Geistes Nerv, des Herzens Blut Zum Opfer gibt mit treuem Muth Für seines Volkes Schmerz und Klagen, Für Sonnen, die der Menschheit tagen, Er kann in Thaten Ruhe finden, Kann büßen, kämpfen, überwinden. Und doch, so lang er hienieden lebt, Wie er auch wirkt und wie er strebt, Aufragend über Leut und Land Um einen Kopf, um eine Hand, In Reden und Thaten wundergroß, – Das Herz, das Herz bleibt heimathlos! Wie Mancher, der, ein Mann, ein Held, Nach außen leuchtet vor der Welt, Im Herzen gleicht er dem Waisenkind, Einsam, verwildert, irr und blind. Tristan, verbannt von seinem Stern, Lief in der Wildniß weit und fern, Wie damals, wo er am nackten Strand Vom Schiffe ward gesetzt ans Land Und sah um sich ein öd Gefild, Nichts Lebendes, alles wüst und wild, Wilde Felsen und wilde See: In dieser Angst, in diesem Weh Trat erstmals tröstend zu ihm hin Karsie, die gute Herzogin, Die ihm so mild, so mütterlich Das weinende, wunde Herz bestrich Mit Balsam, wie aus zarten Händen Ihn nur die Frauen können spenden. Das war der Fessel erster Ring, Der ihn, den Vogelfreien, fing, Das war der erste Reiz vom Leim: Er fand sich wieder einmal daheim Und hatte, was zum Lebensmuth Dem Stärksten Noth, dem Rohsten thut. Des Landes Retter, dort gelähmt Zu hoher That, verfolgt, verfehmt, Hier stand er hoch in Ehr und Macht, Was er begehrte, das war vollbracht, Die Lande dienten seiner Hand, Der Herzog war ihm zugewandt, Sein Sohn, bedacht auf des Landes Heil, Spann, ihn zu halten, manches Seil; Und – nun, ihr kennt sie ganz und gar – Die mit den weißen Händen war Bedacht und beflissen von ganzer Seelen, Ihn seiner Herzensfrau zu stehlen. Das ist der Mädchen größte Lust. Meint ihr, sie hab es nicht gewußt? Nein, nein! und was auch Gottfried spricht, Ich widersprech ihm ins Angesicht: Sie wußt' es! Solche Neuigkeit Tragen die Lüfte, die Vögel weit, Sie hätt' ihm, wär alles auch still gewesen, Aus dem Aug la blunde herausgelesen! Doch barg sie das Geheimniß fein Und dachte nur: »Er wird doch mein,« – Indeß sie ihn leis und los umging, Wie streicht ums Licht ein Schmetterling, Der an der Flamme sich ergetzt, Bis daß er sich verbrennt zuletzt. Dies Schmeicheln, wie es kost und dahlt, Das hat der Meister so wohl gemalt, Daß manche Maid ins Herz erschrickt, Wenn sie auf jene Worte blickt! Ich will Gewürz nicht würzen, Ich will die Märe kürzen, Will Tristans Leidenszeiten Weder längen, noch breiten; Ich kann sie doch nicht versüßen: Er hat noch genug zu büßen. Wohlan. Es war ein Wink, ein Nu, Da zogen sich die Schlingen zu, Und eines Tages stand Tristan, Mit Feierkleidern angethan, Neben Isolden in einem Ring, Wo sie Hand und Gelübde von ihm empfing. Der Herzog, Frau Karsie gut, Herr Kaedin, das junge Blut, Die Barone des Landes all, Dazu der Hof mit großem Schall Wünschten dem Paare Heil und Segen Und streuten Rosen allerwegen. Was ihm dabei aus dem Angesicht, Aus den Augen sprach? Ich weiß es nicht. Nun kam das Mahl, reich, prächtig, laut: Die Knappen, mit dem Amt betraut, Riefen, nicht eben leise: »Hola, hola, Küchenspeise! Hola, Trank! Hola, Futter!« Karsie, die frohe Mutter, Als die Tische weggenommen, Hieß Pfeifer und Fiedler kommen Fürs junge Volk. Da ward getanzt, Umgesprungen und umgeschwanzt, Und mitten in den Reigen trat Der Bischof stattlich im Ornat, Die Ehe zu segnen, die fürwahr Im Himmel nicht geschlossen war; – Dann gleich, um niet- und nagelfest Den Bund zu machen, fort ins Nest! Doch wie es ging in der Brautnacht zu, Heinrich von Friberg, sag es du, Mit Maß! denn wirst du mir zu frei, So bin ich mit der Scheere dabei. Karsie und die klaren Frauen, die dorten waren, Führten die glühende, holde, Wonnige Magd Isolde Zu ihrem Herrn Tristanden, Den sie zu Bette fanden, Hinein in die Kemenaten, Allwo sie den Segen thaten Und gingen und wünschten gute Ruh. Karsie machte die Thüre zu; Da stund Herr Tristan auf und schloß Dafür noch einen Riegel groß. Dieweile nun daß Herr Tristan Abzuschließen die Thür begann, So lag seines Herzens Fraue dort Und seiner neuen Freuden Hort, Die weißgehande schöne Isot, Und besorgte sich mancher Noth Für ihren jungfräulichen Ruhm Und für ihr blühendes Jungfrauthum. Das wollte sie ernähren, Sich eine Weile wehren. Sie dachte: »Ein erobert Gut, Das däucht ihm noch einmal so gut.« Zwo Kerzen brannen zu Häupten ihr Und gaben ihr wonnigliche Zier. Sie lag zusammen gedrücket Und minniglich geschmücket In jungfräulichem Ruhme: Sie hatte dem Jungfrauthume Erbauet eine Festen Aus Gezeuge dem besten, Das ihre Mutter gezogen, Aus Armen und Ellenbogen, Aus Händen und aus Beinen; Der Feste Dach, der reinen, Das war ein seiden Hemde: Mich jammert's und däucht mir fremde, Wie sie darein so minniglich Geschmieget und verschanzet sich, Daß es von ihm, wie sich gebührt, Nicht ward zerrissen noch zerführt. Herr Tristan ging zu Bette wieder: Er legte sich zu der Jungfrau nieder Und deckte lieblich sich zu ihr. Sein Herze und all seines Herzens Gier, Sein Wille, Sinn und all sein Muth Waren ihm gegen der Jungfrau gut. An sie gar nahe schmiegte er sich Und begann gar hold und minniglich Gegen ihr zu gebaren: Unter dem Hals, dem klaren, Ließ er den Arm durchschliefen, Seine Finger, die liefen Ueber Kinn und Wange aus und ein. »Ja,« gedachte Isold, »es muß nun sein.« Ihr Wille, ihr jungfräulicher Muth, Der war auch gegen dem Manne gut. Minne und Lust, die ging gleich sehr Unter den Beiden hin und her: Die Magd in seiner Minne brann, In ihrer Minne brann der Mann, Er begehrte sie, sie begehrte ihn. O weh, in diesen Freuden schien Ein Blitz von einem Golde, Vom Ringe seiner Isolde, Und schoß wie eine Schlange Ihm in das Aug, das bange. Sein Leib erbebte von einem Schlag, Sein Herz erseufzete, und er lag. Lag er? Ja. Wer? Nun, Herr Tristan Lag recht als wie ein todter Mann. Warum denn lag er lebend todt? Da kam ihm jene andre Isot, Von Kornwall seine Königin, Die ihm da gab das Ringlein hin Im Garten dort, der Treue Ring, Da er in Treuen von ihr ging, Da sie sich schieden mit bittrer Noth, – Die kam recht wie ein Morgenroth Und wie ein brennender Sonnenschein Tristanden in das Herze sein. Ihr Beider Fraue, die Minne, Die freche Stürmerinne, Die kam dort her, sturmbrausend, Mit ihren Flammen sausend, Und führte die Rechte aus Irenland Durch der Kemenaten ganze Wand Und legte sie gar schnelle Recht in die innere Zelle, Die in Tristandens Herzen stand; Da nahm sie Tristan allzuhand Und legte sie minniglich hinein In seines Herzens innern Schrein, Allda sein Geist seines Lebens pflag: Da lag seines Herzens Ostertag, Isot la blunde, la bele; Und die von Arundele, Die lag ihm an dem Arme hie, – Ihr könnt wohl selber denken, wie. Genug! Es ist zum Lachen toll Und ist des tiefsten Elends voll: Zwei junge Herzen, die zur Stund Besiegeln sollen ihren Bund, Und zwischen ihnen welche Kluft! Ein Brautbett eine Leichengruft! Wie höbe Meister Gottfried an? Da war nun freilich mein Herr Tristan Isolden fern, Isolden nah, Isolde hie, Isolde da – Du stammelst nur, so schweige gar! So plötzlich nun, so schmählich war Die Hülle, die im Menschenleben Täuschungen hold gesellig weben, Vorm goldnen Blitz der Treu zerronnen, Und nackt lag auf dem Pfühl der Wonnen Die Lüge, sein, zu ihm gebettet, Ihm unauflöslich angekettet; Und mit Entsetzen sah der Mann Die Gesellin seines Elends an: Sie däuchte ihm nicht mehr wie zuvor, Sie kam ihm kahl und widrig vor; Und war doch sein, sein ehlich Weib, Ihr eigen er mit Seel und Leib! Noch einmal sah er sie an mit Weh: Da war sie wieder schön wie je, Nur fremd, wildfremd, so daß ihm graute, Mehr noch, als da er entstellt sie schaute. »O Tod!« – mehr dachte Tristan nicht: Er barg im Kissen sein Gesicht, Und seiner Seele, wirr und wild, Vorüber sauste Bild um Bild, Nicht, was zu seinem Schmerz gehörte, Nur, was der Seele Spiegel störte, Bedeutungsloses, was erst da Ihn mahnte, daß er's einstens sah, Und deutlich, widerwärtig klar, So daß er dem Wahnsinn nahe war. Die Schöne indeß lag ihm am Arm Und sah ihm zu mit stillem Harm: Ihr Sehnen, Gegenwehr und Zagen War alles in den Wind geschlagen. Sie kehrte sich ab, ihr Herze schwoll, Sie sah nach der Decke gedankenvoll, Seufzte leise und endlich laut, Wandte sich schüchtern, schmiegte sich traut Ihrem liebsten Herren nahe bei Und fragt' ihn, ob er böse sei. Er wünschte sich in den härtsten Strauß, Stammelte dies und das heraus, Hob endlich von einem Gelübde an, Das er in Meeresnoth gethan, Und dachte: »Käme nur Jemand her, Daß ich nicht so alleine wär!« Und fühlte, getroffen wie vom Blitz, Des Wunsches ganzen Aberwitz, Daß zwischen ihn und zwischen sie, Die Eigensten, Nächsten auf Erden hie, Sich eine fremde Seele dränge. Er suchte Luft, ihm ward so enge, Und knirschend wieder ins Kissen tief Drückt er sein Auge, das rollt' und lief. Sie sprach, ihr sei alles recht und lieb, Wenn ihr nur seine Liebe blieb, Und weinte heimlich ein paar Thränen Gesparter Blüthe, getäuschtem Sehnen. Die Nacht schlich tödlich, bis der Tag Schauernd über der Kammer lag, Karsie mit der Frauenschaar In Freuden kam gegangen dar, Mit Imbiß und mit Morgensegen Des segenlosen Paars zu pflegen. Und nun, indeß in Hochzeitfreuden So Hof als Land die Zeit vergeuden, Wochen auf Wochen fliegen hin, So viel als Herzog Jovelin, Stolz auf des Eidams Trefflichkeit, Dem schönen Feste hat geweiht, Indeß die Tanzmusik erklingt, Im Buhurt Speer an Speer zerspringt, Willst du, o Lied, die Tücher heben, Die bunt gereiht an Lanzen schweben Des großen Festsaals Wand entlang? Wagst du zu lüften den Behang Der Pracht, die jubelnde Wogen schlägt, Zu zeigen, was sie im Grunde trägt? O laß, laß ab! dahinter lauert Ein Leid, das ist vom Tod durchschauert, Ein Elend ohne Ziel und Grund; Kein Mund auf Erden thut es kund: Stumm in den Herzen ruht solch Loos, Die stillen Sterne wissen's bloß, Die ein zerrüttet Haus bescheinen, Die Engel, die am Herde weinen, Auf dem kein häuslich Feuer brennt. Die Lust war aus, das Fest zertrennt, Die Teppiche ruhten in dem Schrein, Das Alltagsleben zog nun ein, Das Mann und Weib erst fest verknüpft, Den Schleier mancher Täuschung lüpft Und auch vermindert manchen Fehl: Doch ward's nicht anders in Arundel. Isolde schwieg von ihrem Leid, Sie war eine wohlerzogene Maid, Auch schied sie von der Hoffnung nicht Und zeigt' ihrem Herrn ein hold Gesicht, So lieb sie konnte. Tristan sah's, So daß es ihm am Herzen fraß. Was eine liebe Hand nur thut, Ist alles recht, ist alles gut: Die ungeliebte, was die hebt an, Das ist und bleibt verkehrt gethan. Mitleidig sprach er: »Armes Herz, Dein Mühen mehrt nur meinen Schmerz. Du hast, was auch dein Auge spricht, Den Schlüssel zu meinem Herzen nicht. Dein Lieben, ach, daß Gott erbarm, Deine Seele ist so arm, so arm. Es liegt mehr Herzenshuld darin, Wenn meine blonde Königin Freundlich mein Hündlein streichelt, Als wenn deine Hand mir schmeichelt. Mich trog dein Aug: ich trog dafür Dein Herz: nun büßen wir nach Gebühr.« – Den goldnen Ring von Tintayol Sah er zu hundert Malen wohl In einer Stunde seufzend an. »Weh,« rief er, »was hab ich gethan! Wie schnöd vergaß ich Ehr und Treu! Ich wähnte, ich könnte ohne Scheu, Straflos vertauschen mit leichtem Muth Den Himmel gegen ein irdisch Gut. Nun seh ich, daß ich besser bin, Als ich mich schätzte im blinden Sinn. Nun steht die Treue, die Minne Auf meines Herzens Zinne Und läßt nach schweren Kriegen Die Fahne wieder fliegen, Ach, aber nicht mehr roth, wie vor, Es ist ein dunkler Trauerflor, Ihr Siegerauge bewölkt, bethränt, Und unter ihren Füßen gähnt Ein Grab, vor dem auch sie erbleicht, Ein Abgrund, der zur Hölle reicht.« Solch Leben trug Tristan nicht lang: Er fühlte sein Unrecht still und bang. Des Herzogs froh Vertrauen, Karsiens fragend Schauen, Isoldens heimliche Thränen, Ihr ungekühltes Sehnen, Kaedins Lust und Uebermuth, Das fiel ihm alles schwer ins Blut. Sein Schwertgenoß, sein Siegsgesell, Mit seinen Augen jung und hell, Sein Herzenstrost, sein Kaedin, War jetzt nur eine Last für ihn. Wie Vorwurf klang, laut oder leis, Ihm jedes Wort aus ihrem Kreis. Er ward nicht heimisch mehr, wie eh: Nach außen Trotz, nach innen Weh, Macht' er sich ihnen theuer Und fuhr auf Abenteuer. Wer wird nach so drangvollen Geschicken sie hören wollen? Sie waren wirr, sie waren wild Von seinem Innern ein treues Bild. Den Andern schuf es Zorn und Gram, Daß er so achtlos ging und kam. Da sprach sein Weib für ihn: Ihm sei Zu eng, er dürste nach Thaten frei; Sie sagte: »Laßt ihm seinen Willen,« Und ging und seufzt' und weint' im Stillen. Die Bilderhalle Die Bilderhalle. Ein Brautfest legt, das ist euch kund, Zu einem andern oft den Grund. So war's in Karke jenes Mal Ergangen: in dem Hochzeitsaal War ein Baron, Herr Bonifas, Beim Reigen plötzlich ohne Maß Von eines Fräuleins Reiz entbrannt. Bald flog die Ladung durch das Land: Da machten sie sich auf den Ritt, Der Herzog, Frau Karsie mit, Herr Kaedin, das muntre Blut, Auch Frau Isolde, mit wehem Muth, Die Wittwe, die ihrer Gespielin traut Den Segen sollte thun, der Braut. Ihr Bruder ritt nicht weit von ihr. Sie sprengte dahin mit großer Zier, Lichtgrün und freundlich angethan: Wer sieht es einer Frauen an, Wenn sie in Festgewanden prangt, Wie ihr oft drunter das Herze bangt? Da kam aus einem Bronnen Ein Wässerlein geronnen, Und standen bei der Quelle Und schienen licht und helle Gelbe Blumen und grünes Gras. Nun sagt ein Buch, in dem ich las, Es sei ein Vöglein, flink und keck, Auf Isoldens Schulter, ihr zum Schreck, Geflogen und habe sie geküßt. Wann hatte ein Vogel solch Gelüst? Das müßten gar zahme Vögelein Dazumalen gewesen sein. Wenn's aber abgerichtet war, Kam's ihr nicht neu, noch wunderbar. Die schöne Märe decke du Mit keinem Feigenblatte zu, Mein Lied! Es war kein Vogel, nein, Es war ein keckes Wässerlein, Und was es that, sag's frei heraus: Isolde wollte sich einen Strauß, Ein Kränzlein von den Blumen pflücken, Ihr seidnes Gebände damit zu schmücken. Und wie sie dem Brunnen näher ritt, Da that ihr Zelter einen Tritt Ins Wasser, das nahm einen Schuß Und sprang der Schönen empor am Fuß. Doch wollt ihr wissen, wohin es sprang, Das mögt ihr ohne Müh und Drang Bei Heinrich oder Ulrich lesen: Die sind noch anders dran gewesen, Da war die Sprache ein lieblich Kind, Muthwillig auch, wie Kinder sind, Im Unschuldsreiz; doch diese nun, Mit ihren Runzeln, muß ehrbar thun. Genug, die erschrockene Schöne schrie, Und dann mit Lachen sagte sie: »Wässerlein, du bist kühn fürwahr, Kühner, denn je Herr Tristan war,« – Und sonst noch manches, was eine Magd Bei weitem besser denkt, als sagt. Auf dies verrätherische Wort War Kaedin sogleich am Ort: »Wie, Schwester!« rief er, wild verstört: »Was sagst du? hab ich recht gehört? Tristan verschmäht dich? Süße, sprich!« – Isolde begann herzinniglich Zu weinen, wie er sprach Verschmähn: Sie schwieg und ließ die Zügel gehn Und deckte die Augen beide Vor Scham und auch vor Leide. »Ich weiß genug!« rief Kaedin: »Reitet ihr nur zum Feste hin: Ich will derweile fasten, Ich kann nicht ruhn noch rasten, Bis ich ihn gezüchtigt habe. Wähnt er, so köstliche Gabe Die sei ihm dazu bloß geschenkt, Daß er sie durch Verschmähen kränkt Und schändet Vater, Mutter, mich? Gebiete mir, Schwester, ich räche dich.« – Und eh sie ein Wort noch konnte sagen, Sah sie ihn quer durchs Feld hin jagen. Indeß nun er, die Schmach zu wenden, Den Schwager sucht an allen Enden, Wollen auch wir nach Tristan gehn; Vielleicht daß wir ihn noch vor ihm sehn. Der hat inzwischen in den Landen Gar manche Fährlichkeit bestanden, Zuletzt noch einen Riesen gar. Hör auf! das kommt zu wunderbar! Mit Riesen und Drachen ist's genug, Seit er den Serpant und Urganen schlug. – Die Drachen nun, die schenk ich euch, Lebt gleich noch manche Vogelscheuch, Die giftig von Neid und Hasse brennt, Die man Drach oder Sadrach nennt. Doch Riesen gab's zu jeder Frist. – Riesen? – Nun ja, ein Riese ist Um einen Fuß oder einen Kopf Größer als mancher andre Tropf. Ich selbst bin, wie ich sagen kann, Ein großer, das heißt, ein langer Mann: Am Pfosten, dran sich in Jahresfrist Einmal die wachsende Sippschaft mißt, Prangt, wie sie sich dehnen und strecken länglich, Meine Kerbe hoch und unzugänglich; Doch darf ich mich eines Freundes rühmen, Der nähert sich fast den Ungethümen Und hat (versteht das doppelt hier!) Einen ganzen Kopf voraus vor mir. So ward ein Gerippe, wie ich las, Das seine neun Fuß vollkommen maß, Erst ganz vor Kurzem ausgegraben. Nun denkt man sich gern besondre Gaben In solchen Menschenthurm gegossen, Kraft, Weisheit, Zauber drein verschlossen. – Zauber? Auch Zaubrer? – Wißt ihr's nicht? Saht ihr noch Keinen bei glühem Licht Kessel schmieden und Räder fügen, Das Roß um seine Kraft betrügen? Keinen, der Wundergläser schliff, Womit er nach den Sternen griff? Hat euch nicht ein geheimes Bangen Bei solchem Anblick jäh befangen, Daß er, der nur sich selbst gehört, Die müßige Neugier, die ihn stört, Ansprühe, zauberisch umspanne, Ja gar in eine Flasche banne? Saht ihr noch Keinen, der in Bildern Die Sonne zwang das All zu schildern? Noch Keinen, der aus farbigen Klexen Gestalten konnte zusammen hexen Und eine Wand voll Leben log? Ein Solcher war denn Beliagog, Der zauberkundige Riesenmann. Die Aventüre nennt Morgan, Morold und Urgan seine Brüder Und meint vermuthlich Waffenbrüder, Die in der Jugend grünen Tagen Zum Bunde Hand in Hand geschlagen, Wie auch auf Schulen hinterm Glas Manch Kleeblatt schon zusammensaß, Um unter sich mit vollen Händen Vorläufige Kronen zu verspenden; Da sieht denn einer den andern Mann Für einen Drachentödter an, Der sich nur noch zu machen habe, Der noch die Welt mit Thaten labe Und stelle sie gar unverhohlen Erst auf den Kopf, dann auf die Sohlen. Das End vom Lied ist meistentheils Im Leben, daß solch ein Mann des Heils Der einst als Riese sich aufgetrumpft, Zum Mittelmaß zusammenschrumpft Und seinen Frieden wohlbedacht Mit dem Kaiser oder dem Pabste macht. Das war bei diesen nicht der Fall: Morgan stieg auf dem raschen Ball Des Glücks, ward Herzog, nahm und gab, Bis ihn der Stärkere warf ins Grab. Morold war Irlands rechter Arm, Sein Herz schlug für die Seinen warm; Der Krone Schirmer, kühn und groß, Bot er die Brust manch derbem Stoß (Ob das Recht immer seinen Degen Begleitet, ist ein Für und Gegen, Das die Historienschreiber nährt) Und fiel, ein Held, vom Heldenschwert. Urgan, der war und blieb Filu Und brachte sein Leben ruhmlos zu Mit Rauben auf dem Meeresstrand. Der Vierte, Beliagog genannt, War einer von den subtilen Geistern, Die Gott und Welt am Webstuhl meistern. Er saß auf seinem Zauberschloß, Sann, schnitzte, malte, braute, goß, Machte Risse, mit Zahlen dran, Und sah nicht auf, ein stiller Mann, Nur wenn's in der Nähe Lärmen gab, Da ward er böse, kam herab, Ueber die Störung zornesroth, Und schlug den Ruhestörer todt. Das wußte Tristan aus dem Grund, Gewarnt von seines Schwähers Mund, Und eben darum kam er her, Denn nach dem Riesen stand sein Begehr. Er stieß mit aller Macht ins Horn: Gleich kam der Riese, roth vor Zorn. »Wer da?« – »Tristan.« – »Deine Stunde schlug.« – »Vielleicht noch nicht.« – Der Riese trug Ein Rohr, das hub er zornig auf, Rannte daher in vollem Lauf, Da sprang aus dem Rohr mit Blitz und Knall Gegen den Helden ein Feuerball, Zeichnete eine lange Furch Und fuhr ihm unterm Arme durch. Dem konnte kein Feuer verderblich sein, Er war ja gehärtet in Feuerspein. Doch schien er nicht erbaut gar sehr Ueber die neu erfundne Wehr: »Nah,« dachte er, »ist hie baß gethan Denn ferne,« – lief den Riesen an Und zückte – doch genug hievon, Ihr kennt ja Tristans Hiebe schon – Die Märe sagt, er habe traun Ihm einen Fuß vom Leib gehaun, Vielleicht den Fuß (so rett' ich ihn,) Um den er sich größer als Andre schien: Der hagre Lange fand sein Maß, Als er vor Tristan fiel ins Gras, Das heißt, er fand den Sieger heute Und kam sich vor wie andre Leute. Nach dieser Niederlage Kam's alsbald zum Vertrage. Tristan sprach: »Schaff mir dies und das!« Der Riese that es ohne Haß: Er war mit Eisen weich geschlagen; Gold hätt's gethan in unsern Tagen. In Kurzem war das Werk vollbracht (Doch glaubt nur nicht, in Einer Nacht): Kunstsinnige Geister haben flink, Sagt uns die Märe, auf seinen Wink Geschafft, gerichtet und gebaut, Doch Keiner den Andern je geschaut, Noch Der gewußt, was Jener thu. Natürlich, so ging's immer zu, Seit diese Welt gegründet ist: Sie schaffen und wirken zu jeder Frist, Fragt Keiner nach dem Andern viel, Meint Jeder, er habe sein eigen Ziel, Und ist doch alles zu Einem Bau. Tristan ritt täglich auf die Schau, Wobei ihm am Sattel die Armbrust hing, Als ob es nur aufs Birschen ging. Der Schwager, abgewiesen oft, Wenn er mit ihm zu gehn gehofft, Eifersüchtig nach Jugendart, Hatte dies Treiben längst gewahrt Und Acht gegeben lauersam, Wohin er ging, woher er kam: So, als dort Tristan ritt vom Wald, Kam Kaedin herangeprallt. »Ich liebte dich!« rief er ihm zu: »Mein Leitstern und mein Held warst du. Mit dir, Tristan, dir nach zu leben, War meines Lebens höchstes Streben. Dir zu gehören durch das Blut, Das war mein Stolz, mein einzig Gut. Doch glaub nicht, daß wir dir zu Ehren Der eignen Ehre so leicht entbehren. Glaub nicht, wir seien schwache Binsen, Die feige deinem Hochmuth zinsen. Nein, Kaedin kriecht nicht vor dir: Eh wasche Blut die Schmach von mir! Mit unsrem Huldigen, unsrem Lieben Hast du nur kalten Hohn getrieben. Weß uns dein guter Arm verpflichtet, Das hat dein schlechtes Her vernichtet. Du hast dein Weib beschimpft, entehrt, Meineidiger! War sie dir nichts werth, Was nahmst du sie? Zu spät! zu spät! Sie ist betrogen, ist verschmäht! Doch wenn auch alles verloren ist, Zu Einem bleibt noch immer Frist: Dir den verdienten Lohn zu geben. Verräther, zieh! es gilt dein Leben.« Wehmüthig sah den Fant Tristan Und doch mit Wohlgefallen an; Erst, als er kam auf ihn gerannt, Erhob er bedräuend seine Hand, Und Kaedin, zum Halt gebracht Von dieser Augen Uebermacht, Blieb still, gefesselt, zwischen Groll Und alter Ehrfurcht zweifelvoll. »Du schiltst mich,« sprach Tristan, »mit Recht Und auch mit Unrecht: war ich schlecht, So ist die Schuld von gestern nicht. Mein Herz hat eine ältre Pflicht Und heiliger als solch Eheband. Daß ich davon mich abgewandt, Das ist mein Trug, das mein Vergehn, Und o – du kannst mich nicht verstehn, Mein Kaedin. So komm mit mir. Auf meinen Hochmuth scheltet ihr, Auch du, mein Bruder: nun sollst du schaun, Ob ich noch mag, wie sonst, vertraun; Lern, eh uns Todesschatten trennen, Mein altes Herz noch einmal kennen. Ich hab ein Geheimniß seltner Art, Ein Kleinod, tief im Wald verwahrt: Es ist mein Anker, ist mein Trost, Wenn Jammer, Wahnsinn mich umtost. Komm mit und schau. All meinen Schmerz Leg ich dir an dein Freundesherz, Dein junges Herz, das immer klar Und meinem immer nahe war: Dann magst du mir das Urtheil sprechen, Und willst du deine Schwester rächen, So biet ich dir den Nacken gern Und folge meinem finstern Stern. Doch kämpfen werden ich nie mit dir: Du kennst meine Klinge. Folge mir.« Er wandte sein Roß und ritt dahin. Verwundert folgt' ihm Kaedin (Gewohnt des Folgens, wenn einmal Kurz ab und rasch Tristan befahl), Indeß in seinem Innern stritten Neugier und Zorn. Die Beiden ritten Tiefschweigend nach dem Walde dort Und stundenlang im Walde fort Auf graden und auf krummen Wegen Dem unbekannten Ziel entgegen. Da that sich's auf, ein grünes Thor, Und aus dem Walde stieg empor Ein Bau von wundersamer Art, Wie keinen noch die Welt gewahrt: Er war von keiner Herrlichkeit Der alten noch der neuen Zeit, Von nichts Gewesenem eingetauscht, War der Natur selbst abgelauscht, Wie sie in heimlicher Bergeshaft Bauwerke von Krystallen schafft Und eine Baukunst dran verschwendet, Die, lernend, des Menschen Witz vollendet. Wie an Kristall Krystall anschießt, Sich ordnet und zusammenschließt, So schloß bei dieses Baues Plan Sich Stein an Stein krystallisch an; Da waltete die Meßkunst nur, Die eingeborne, der Natur. Kein Stockwerk, das mit querem Schritt Entzwei das schöne Wachsthum schnitt! Gewaltig, doch mit Maß und Ruh, Ununterbrochen nach oben zu Strebte und wuchs der stolze Bau Vom Wald bis in des Himmels Blau. Der runde Bogen, der unstet kreist, Die wandernden Blicke mit sich reißt, War hier krystallenhaft gebrochen, Das Aug an ihm zur Ruh gesprochen, Doch innen der Einsatz mannigfaltig, Kleinere Bogen vielgestaltig, Spitzbogen, und was man je erfand Zur Füllung eines Fensters, stand Vom runden Bogen hier umfaßt, Einträchtig einander angepaßt. Und von der Steinwelt eingeschlossen, Die todt um Todes angeschossen, War die lebendige Pflanzenwelt, Erst Bäume, in Säulen dargestellt Von jeder Ordnung und Gestalt, Die Zeiten frei, ob neu ob alt, Nur vom Verhältniß unter sich Bestimmt, daß keins dem andern glich Und doch Ein Werk, Ein Wachsthum hieß; Und dann, wo Stein zu Steine stieß Und in Krystallform haften blieb, Da quoll der kleinere Pflanzentrieb Hervor als üppig Ornament. Willkürlich nichts gefügt, getrennt, War alles wie gewachsen nur Nach Maß und Ordnung der Natur, Ein neues Werk von eignem Wesen, Das, nicht entlehnt, nicht ausgelesen, Lebendig schließend, wie Sehnenbänder Am Leib, die Baukunst aller Länder Und aller Zeiten in sich trug. Ihr denkt, der Worte sei genug; Auch lassen's Worte nicht verstehn: Ihr müßt's mit eignen Augen sehn. Es ist nicht mein. Ihr, die ihr staunt, Vernehmt, es ward mir zugeraunt. Des Riesen Riß ist nicht verloren, Ich sah ihn hinter geheimen Thoren. Vielleicht, daß ihn bald dies Jahrhundert (Es ist der schaffenden eins!) bewundert Und Bauten in die Lüfte ragen, Gerecht und eigen unsern Tagen. Der Schluß der wunderbaren Halle, Der Kulm, lief aus in zwölf Krystalle, Die waren im Gleichmaß aufgesetzt Und trugen – ahnt euch etwas jetzt? – Aus Einem Karfunkel eine Schale, Gebildet wie zum Trinkpokale, Daraus das Licht, hold eingesogen, Den Wald durchschlang mit farbigen Bogen. »Weß mag dies Wundergebäude sein?« Rief Kaedin verzaubert. – »Mein,« Sprach Tristan: »folge mir hinan,« Stieg ab, band seinen Renner an Und schritt alsbald auf die Halle dar, Obgleich kein Thor zu sehen war. Sie barg sich an den Ecken In dunklen Waldverstecken. Tristan erschloß durch Gebüsch und Hag Sich einen Pfad. Da, siehe, lag Ein Drach und ein Eber friedsamlich Und hielten ein Erzschild zwischen sich. Der Held schlug mit des Schwertes Knauf Den Drachen, da sprang der Eber auf, Das Schild treu zu bewahren; Der Drache ließ es fahren. Der Eber hielt es hoch empor Gewendet, da war's ein offen Thor, Das führte zu einem dunklen Gang. Der Held trat ein, und gar nicht bang Folgt' ihm sein Kläger, wohl bewußt Der Ehren und Treuen in Tristans Brust. Allmählich auf gewundner Bahn, Doch ohne Stufen, stets hinan Trug sie der Steig. Ein Schlag, da sprang Mit einem hellen Glockenklang Vor ihnen auf ein zweites Thor. Sie traten aus der Nacht hervor, Und was bei gedämpfter Lichter Spiel Dem Jüngling zuerst ins Auge fiel, Das war ein selig ruhend Kind. Er sah, und sah sich beinahe blind An diesem Engelknaben; Der schaute so erhaben, So löwenhaft und doch so mild, – Bis er entdeckte, es sei ein Bild. Nun sah er sich um, nun ward's ihm klar: Er stand in einem Saal, der war Ein Zwölfeck, nach der Art des Baus, Das füllten rings Gemälde aus Voll herrlichen Farbenscheines, In einem Feld je eines. Mit Staunen wandte Kaedin Sich wieder zu dem Kinde hin, Deß anmuthvolle Mienen Ihm süß bekannt erschienen. Recht wie ein Edelstein im Schild, So war es mitten hier im Bild. Nackt lags auf blauen Polstern da, Woran man Stickereien sah, Enthüllend Schmerzgeschicke, Vergangene, dem Blicke. Hier lag ein Mann, zum Tode wund, Auf blutigem Bett, und vor ihm stund, In Thränen glühend, ein hohes Weib, Das löste den weichen, weißen Leib Aus grauer Tücher Hülle In warmer Lebensfülle. Aus Tode Leben! Ihr wißt ja wohl, Was dies Bild bei dem Kinde soll; Es ruhte auf dunklen Loosen, Umflochten mit weißen Rosen. Rings eine Halle hoch und weit, Verloren in Waldes Einsamkeit, Daß fast wie eine Pflanz im Traum Das Kind lag zwischen Säul und Baum. Es lag noch eben in holdem Schlaf, Bis jener lichte Strahl es traf, Der wie ein Mutterkuß es weckt, Daß, lächelnd halb und halb erschreckt, Es in den bewegten Glorienschein Mit seinen Händchen greift hinein Und staunend mit großen Augen sieht Dem Strahle nach, der langsam zieht Mit immer schwächerem Gefunkel Hin nach des Waldes tiefem Dunkel Und durch der Aeste dicht Gewimmel, Zum Duft verschwebend, sucht den Himmel Von dem er kam. Nun schaut ihm nach! Was wölbt sich über dem Gemach? Ein riesenhaftes Deckenstück Zeigt euch des Lebens höchstes Glück. In grünen Sammt gehüllt ein Mann, Ein Weib, mit Lilien angethan, Von rosigen Schleiern die Gestalt, Als wie von Wolken, überwallt, Schiffen, versenkt in süßes Weh, Hin durch die tobende wilde See, Die Barke fast in Schaum gehüllt. Sie achten nicht, wie der Sturmwind brüllt, Sie hören nicht, wie die Woge rauscht. Ihr Herz, das seinem Gott nur lauscht, Quillt aus den Augen, fromm und groß, Die tauschen hier ein ewig Loos. Zwo Hände, fest verschlungen, sind Zum Knie herabgesunken lind, Die beiden andern hoch erhoben, Als wär's zum Schwur, und scheinen droben In dem durchbrochnen Dach die Schale Zu halten, die mit eignem Strahle Als Sonne diesen Räumen scheint Und alles zu Einer Welt vereint; Denn vom Karfunkel schwebet mild Ein Zauberlicht von Bild zu Bild, Tiefinnig, um all die Gestalten In Eines Schicksals Ring zu halten. Die Bilder seht ihr unter sich Verknüpft und getrennt verschiedentlich Mit bunten Randgebilden, Drachen und Riesen, wilden, Mit weißen und rothen Rosen, Mit Engeln, die sich kosen, Mit Bäumen, Blumen, Pflanzen, Mit Ketten, Schwertern, Lanzen, Mit Kämpfern, die ihre Klingen Zu Schimpf oder Ernste schwingen, Mit allem, was nur in sich hält Die Ritter- und die Frauenwelt, Je nach der Bilder Sinne: Jagd, Abenteuer, Minne. Die Königliche, Holde Im blonden Lockengolde Schaut ihren Freund verloren an; Ihr Auge spricht: »Das ist mein Mann! Sein ist die Rose, die mir im Herzen Aufbrach mit wundersüßen Schmerzen. Das er mit Gottes Hauch erfüllt, Mein Ich, ihm, ihm nur bleibt's enthüllt. Er, dem ich mein Kleinod gebe, Lehrt mich, daß ich nun lebe.« – Dies und das ganze Mysterium Der Liebe, vor dem auch der Dichter stumm Und dürftig steht, das war hier, schaut, Den treuen Farben anvertraut. Das sprachen des Mannes Augen auch, Verklärt vom gleichen Gotteshauch: Er sah so kühn, als wollt er's wagen, Das Glück und Leid einer Welt zu tragen, Und doch so fromm, so ganz mit Beben Dem hohen Verhängniß hingegeben. Wohl kannt ihn Kaedin. Er sah Ihn nicht zum ersten Male da, Und sah ihn doch erst recht. Die Kunst, Mit irdischer nicht, mit Himmelsgunst, Hat aus des Lebens wirrem Schein Sein Bild gerettet, wahr und rein. Scheu blieb der Jüngling, schweigend stehn: Er glaubte Götter hier zu sehn; Gebeugt vor einer höhern Macht, Versank sein Rachegroll zur Nacht. Da gab sich in seines Herzens Grund Ein stilles, sanftes Sausen kund, Gleich jenem, das die Halle Durchdrang mit dumpfem Schalle, Ein Orgeldröhnen, süß und bang, Das mächtig, aber ferne klang. Längst hatte es ihm ans Ohr geschlagen, Doch wagte er nicht, woher? zu fragen. Nun sah er zu dem Kinde nieder: Es war das gleiche Antlitz wieder, Nur in der Knospe verschlossen noch. Es waren dieselben Augen doch, Die großen braunen Wunderaugen; Wer hat erforscht, wo sie entsaugen Ihr dunkles Leuchten, welchem Schacht, Wo über Edelgestein die Nacht Brütet stumm und geheimnißvoll? Aus welchem Reich des Todes quoll Das Unnennbare, Unbekannte, Das jeden Blick, der dran entbrannte, Erfüllt mit süßem Schauer Und trunken macht vor Trauer? Aus Kindesaugen spricht's zumeist, Noch unvermischt, ein fremder Geist, Und schaut in die Welt der Lust und Pein Mit wilder Traurigkeit hinein. So dieses Kind. Es sieht, halbwach, Dem seltsam fliehenden Lichte nach. Träumt's von des Mannes Hochgeschick Vielleicht, von der Liebe Silberblick, Die einst verklären wird sein Leben Und ihm den Kelch des Todes geben? – Doch hat's noch eine weite Bahn Bis hin zu jenem Ocean Durch blumenvolle Auen Und auch durch Nacht und Grauen. Auch liegt's nicht ohne Schirmershand, Nicht einsam an des Lebens Strand: Im Park, dort hinter der Säule, seht, Umkreist von einem Falken, steht Ein edler Mann am Gartenpfad Und biegt ein junges Bäumchen grad. Er schaut so treulich auf das Kind, Und hinter ihm, wie hold und lind! Lauscht eine Frau und lächelt traut – Kaum daß ihr die Beiden im Schatten schaut – Wie nur eine Mutter auf ihr Kind. Ob das wohl seine Eltern sind? Sie tragen froh die holde Pflicht: Doch haben sie seine Augen nicht. Daneben seht ihr ein andres Bild: Gebirge rauh, Felsklippen wild; Ein Knabe, nah der Jünglingszeit, Kommt traurig durch die Einsamkeit Hoch vom Gebirg herabgestiegen. Seht, wie die braunen Locken fliegen Im Wind, der über die Klippen streicht. Sie sind das Einzige, was ihm weicht: Der Wald, der neben dem Knaben starrt, Ist ohne Blätter, hilflos harrt Und streckt er seine dürren, langen, Gespenstigen Arme mit Verlangen Dem Lenz entgegen, der das Thal Schon küßt mit lebenswarmem Strahl. Zur andern Seite, riesengroß, Felsklippen grau, mit dunklem Moos; Der Boden Geröll, Schlingpflanzen drauf Mit kümmerlichem Grün, den Lauf Des Wandrers hemmend. Er selbst, der Knab, Ein Lenz, erstanden vom Wintergrab, Belebt die graue Wildniß hold, Sein Mäntelein, leicht aufgerollt Und über die Schulter geworfen, sein Geschürzter Rock gibt ringsum Schein, Grün wie die Hoffnung und der Mai; Die Börtchen, der Hermelin dabei Deuten auf einen hohen Stand. Doch scheint's ein Findling, arm, verbannt; Er weiß nicht, woher, und nicht, wohin, Unstet sein Auge, verstört sein Sinn, Im blühenden Gesichte, roth Vom Wandern, herbergt Schreck und Noth. Er ist kein Fremder für Kaedin: An seinen Augen erkennt er ihn. Das Kind, das auf dem ersten Bild Sein Stern umfriedigte so mild, Ist aus dem Paradies gestoßen Und nähert sich des Mannes Loosen, Ein Gast am kargen Lebenstisch; Doch blickt sein großes Auge frisch, Wie ein verirrter Frühling fast, Der sich hervorgewagt in Hast Und muß nun mit dem Winterriesen, Dem neu erstarkten, Stillstand schließen; Indeß sich die jungen Glieder dehnen, Kämpft er noch zwischen Zorn und Thränen. Doch ist dem Wandrer in seiner Noth Die Welt nicht gänzlich leer und todt: Dort aus dem Thale zieht ein Weg Sanftsteigend hinter dem Walde weg, Darauf zween Waller gehen, Gottselig anzusehen, Betaget und bejahret, Bebartet und behaaret, In grauen Linnengewanden, Pilgerstäbe in Handen; Man glaubt, man sehe sie schreiten, Einander so zur Seiten, Barfuß den Weg hergehend, Mit geistlichen Palmen wehend. Dort säumt das frischbegraste Thal Ein Wald, worin mit grünem Strahl Das Laub schon aus den Bäumen springt; Und durch das junge Dickicht dringt Ein Spießer, der erschrocken zagt: Er scheint zu fliehen vor einer Jagd Und bei den Wallern Schutz zu flehn. Du armes Thierlein, bleibe stehn, Dir gilt's noch nicht. Als Edelhirsch Bist du erst reif zur heißen Birsch Und wirst bei heller Hörner Schallen Als Held im Trauerspiele fallen. Zuletzt, ganz hinterm Wald versteckt, Durch eine Lichtung sichtbar, streckt Ein Schloß – der Knabe sieht es nicht – Die Zinnen auf ins Abendlicht. Wie ruht so voll der Zauberschein Auf diesen Mauern! Was mag dort sein? Noch ahnt er nichts. Dahin, dahin! Dort wartet sein Geschick auf ihn. Ein Frühlingsbild, warm, sonnig ganz: Ein Garten in des Maien Glanz, Mit Blüthen und mit Grün geschmückt, Mit farbigen Lichtern fast erdrückt; Darin ein reiches Hofgewimmel, Wie die Erde bunt, hell wie der Himmel; Und, abgesondert vom Ingesind, Gelagert auf Blumenpolstern lind, Ein Mann von königlicher Art, In Fürstentracht, mit weißem Bart; Ihm gegenüber der Knabe wieder, Der sendet seelenvolle Lieder Aus Mund und Saiten allzugleich; Sein Instrument von Golde reich, Ruhend in Händen, klein und schlank, Weich, lind und wie Hermelin so blank, Ein schön gebogener Delphin. Der König schauet mild auf ihn Und scheint nicht karg, ihm Huld zu spenden; Ihr seht, er ist in guten Händen. Die Andern lauschen, Alt und Jung, Voll Lust und voll Bewunderung, Mit edlen und mit gemeinen Mienen, Dem jungen Zaubrer, der hie erschienen. Der holde Fant singt ohne Zagen, Die Augen gen Himmel aufgeschlagen; Er glaubt wohl, seine Himmelsgluth Sei heimisch in Jedem und Jeder gut. Eins fehlt dem Bild, so reich und warm: Es hat keine Frauen, drum bleibt es arm; Im ganzen Schwarm hat nur der Knabe Den Schein so holder Gottesgabe. Was glänzt dort hoch in der Lüfte Blau? Zwo Schwalben ziehen vorüber, schau, Und wie sie über das Bild hinschweifen, Schwebt hinter ihnen ein goldner Streifen, Der leuchtet! (Und wozu noch der? – Es ist ein Lichtchen im Bilde mehr. Daß uns die Schwalben hergehören, Den Meister wird's im Grab nicht stören.) Ein bewegtes Bild. Wo fang ich an? Im Vordergrund der hohe Mann, Der auf dem ersten Bilde, seht, Dort hinter dem Säulenschafte steht; Doch anders: sein Anzug schlecht, gemein, Ohne Mantel ein graues Leibröcklein, Kurz, schäbig und verschlissen Und hie und da zerrissen, Verworren an Bart und Haupt das Haar, Halbnackt die Beine, die Füße bar, Das Antlitz fahl und wetterfarb, Ein Bettler, der ganz und gar verdarb; Und stattlich doch! nicht jung noch alt, Eine gewaltige Gestalt, Von Gliedern groß und kühne, Gewachsen wie ein Hüne; Schön, ob von Lumpen auch umgeben, Ein Herr, gewöhnt, mit Herrn zu leben. Halb vom Beschauer abgewandt, Kühn schreitend, hält er die eine Hand, Die rechte, wie zum Schwur erhaben, Die andre deutet auf den Knaben – Halt ein, das ist kein Knabe mehr! Es ist ein Jüngling, hoch und hehr, Doch hold wie sonst, im Knappenkleide Von weißem Atlaß, blau mit Seide Geschlitzt; die Haare von lichtem Braun, Gar schön geringelt anzuschaun. Zwischen den Beiden, nach hinten mehr, Der König vom vorigen Bilde her; Das Vließ verräth sein hohes Amt, Der Königsmantel von braunem Sammt, Mit schwanenweißem Pelz verbrämt. Er schaut mitleidig und wie beschämt, Doch zärtlich, ganz voll Vatersinn, Mit verlangenden Armen zum Knaben hin. Der eilt mit Blicken, liebeswarmen, Dem Bettler zu, ihn zu umarmen, Und lacht und weint zugleich. Ein Nu, So schließen sich sechs Arme zu. Noch aber schaut der fremde Mann, Auf den Knaben deutend, den König an; Aus den treuen Falkenaugen spricht Stolz, Rührung, freudige Zuversicht. Im Hintergrund erst Pagen, reich Gekleidet, ganz dem Jüngling gleich, Hofleute, die Farben vom lichten Duft Zum Dunkel allmählich abgestuft. Gewaltig schließt ein Münsterbau Das Bild mit dunklem Braun und Grau. Man sieht, die Versammlung kam heraus: Noch drängt sich aus dem Gotteshaus Das Volk, und hinten wogt's wie Wellen, Indeß die Vordern fest sich stellen: Die, um zu jubeln, Die, zu staunen, Die, sich die Märe zuzuraunen. Am Thor des Münsters sehet ihr Zwischen der wunderleichten Zier Durchbrochner Gewebe, Feld an Feld, Josephs Geschichte dargestellt, Wie ihn die ägyptischen Handelsleute Entführen als leicht erworbne Beute, Und so fort bis zum Wiederschauen Des Vaters, schön in Stein gehauen. Nun führt das nächste Bild im Reihn Euch ins Innre des Münsters ein. Der Jüngling empfängt vor Hof und Land Schwert und Schild aus des Königs Hand. Der milde Greis spricht ernste Lehren Von Manneszucht und Ritterehren, Wobei des Jünglings Auge sprüht, Indeß erröthend sein Antlitz glüht: Bei ihm die jungen Schwertgesellen, Hinfort sein eigen in Sturm und Wellen. Zunächst am König der Bettler, schau, Fürstlich gehüllt in Gold und Blau. Die Großen des Landes, stolze Gestalten, Frauen, die Kleider in herrlichen Falten; In blauen Mänteln die Sänger im Kreis, Auf breiter Stirne das Lorbeerreis, Die Harfe zur Hand, des Jünglings Ruhm Voraus bedenkend, sein Heldenthum; Auch die sich im Leben herb entzweit, Eint, siegend über Haß und Zeit, In heiligem Frieden die Kunst nunmehr. Ein groß Gemälde, reich und schwer: So liebt's ein Volk in seinen Hallen, Das seine Geschichte ehrt vor allen. Seht, nicht zum Spiele ward das Schwert Dem flüggen Rittersmann beschert. Der ernste Holmgang zeigt ihn hier Vom Haupt zu Fuß in Waffenzier, Vor ihm der schwer erlegte Feind. Links in dem Schiffe klagt und weint Ein Volk, eins jauchzt am Strande rechts. Ihr seht das Ende des Gefechts: Stolz steht vor dem halbtodten Krieger, In Silber leuchtend, der junge Sieger, Den Fuß fest eingewühlt im Grund, Als wollt er wurzeln drin zur Stund; Das große braune Aug weit offen, Als spräch es: das ging über Hoffen! Doch wild umdunkelt, wie vom Tod. Die Hüfte zeigt euch seine Noth: Der reiche Waffenrock zerfetzt, Zerschellt der Panzer, schwer verletzt Blinkt draus der zarte Leib hervor. Noch trotzt der Sieger, hoch empor, Den Schmerzen, die ihn mit Nacht umketten: Bald wird er sich zum Feinde betten. Nun ist er ein Held, mit Blut getauft, Hat seine Mannheit hoch erkauft. Er stützt sich auf des Schildes Rund, Aus dessen spiegelhellem Grund Ein schwarzer Eber schaut, von Hieben Des Feindes kaum noch kenntlich blieben. Von dem krystallnen Helme winkt Ein Pfeil, der goldgetrieben blinkt. Die Rechte hält das Schwert noch matt, Das eine große Scharte hat; Man weiß nicht, ob sie's fiebernd fassen Zum Schlage will, ob finken lassen. Nun seht den sterbenden Gegner an. Euch sagt's Ein Blick: das war ein Mann! Die wuchtigen Glieder eng umschmiegt Von dunkler Eisenrüstung, liegt Er wie ein nackter Riese da, Ein Held, der seine Tage sah: Wer den zu Boden schlug, der hält In seiner Siegerfaust die Welt. Er weiß es und streckt, halb Fluch halb Segen, Sterbend die Hand dem Feind entgegen. Die andre deckt der Schild am Grund, Der ehrne mit dem Flammenrund. Nacht ruht auf dem strengen Angesicht; Sein wildes Heldenauge bricht, Sein großes Haupt, des Helmes bar, Zeigt zwischen dem schwarzen krausen Haar, Weitklaffend, einen Todesspalt, Von Blute dunkel überwallt; Drin etwas Blinkendes, ein Schein, Wie Silberadern im Felsgestein; Drauf weilt ein eigen seltsam Licht. Die Luft ist schwül, die Hitze sticht Versengend auf das matte Grün Der Insel, zerwühlt von den Kämpen kühn. Das Meer liegt still; ein Kahn am Strande, Der Einen tragen soll zum Lande. Links aber ballen sich zu Hauf Gewitterwolken am Himmel auf; Ein flüchtiger Strahl, gleich einem Blitze, Bricht röthlich, wie mit Pfeilesspitze, Recht aus dem schwarzen Wolkenkerne Und zuckt nach unbekannter Ferne. Das Schwert, erbarmungslos und wild, Herrscht hier auch, auf dem nächsten Bild; Doch anders ist's damit bewandt: Es schwebt in einer Jungfrau Hand, Die schlank und voll, großartig schön, Wie eine Walkyre aus Himmelshöhn, Dem Sieger, der noch eben todt Den Gegner schlug, mit dem Tode droht. Sie hat im Bad ihn überrascht, Wo eher der Mann die Jungfrau hascht; Doch scheinet ihr verstörter Sinn Den schönen nackten Leib da drin Zu übersehn, die gewölbte Brust, An der sich's doch ruhen muß mit Lust, Der Arme Kraft, der Schultern Glanz: Dem Drachenkopf und Drachenschwanz, Worin die Badegondel endet, Scheint mehr ihr Auge zugewendet. Ihr Blick zerbrach am seinen wohl: Er schaut so fest, vertrauensvoll, So still und eigen auf zu ihr, Als dächt er: »Süß ist der Tod von dir.« Auch ist wohl die Gefahr nicht groß, Die Feindin nicht so fessellos; Denn hinter ihr, zum Halt bereit, In dunkel violettem Kleid Kommt eine Greisin hergeschritten, Die Züge vom Alter scharf geschnitten, Und doch wie schön das bleiche Gesicht! Die Welt kennt solche Mienen nicht. Im Aug wohnt Weisheit, Huld und Würde, Das greise Haupt erträgt die Bürde Des goldnen Reifes anmuthvoll: Den Mund, aus dem das Halt erscholl, Umspielet Ruhe friedenswarm; Nicht eilt ihr ausgestreckter Arm: Sie traut dem frommen Weibesmuth, Der hemmend auf der Jungfrau ruht. Doch kämpft der Haß mit ihm. Seht ihr Den Reiz der Rachegöttin hier? Der Mund, geschaffen für den Kuß, Ist fest gepreßt; ein starrer Guß Das Antlitz, das mit holdem Flehn Der Anmuth Engel doch umwehn. Sie bitten: der du gleichest, schau, Schau auf die schöne alte Frau, Daß es auch dir einst sei beschieden, Zu ruhen in so reinem Frieden. – Wie wird das enden? Wuthberückt Hält sie auf ihn sein Schwert gezückt, Sein eigen Schwert: die Scharte macht Es kenntlich, und in Silberpracht Lehnt blankgeputzt seine Rüstung dort. Sie nahm es vom Gewaffen fort, Die Scheide liegt am Boden noch. Sie schwingt es über ihm, und doch Vorüber schon ist die Gefahr: In sich gebrochen ganz und gar Die herrliche Gestalt, das Gold Der blonden Locken herabgerollt, Das Diadem, das drauf geruht, Mitreißend in der goldnen Fluth, Das schwarz und dunkelrothe Kleid Bedeckend, wie Barmherzigkeit Die Rache; das erhobne Schwert, Mir bangt, es werde, rückgekehrt, Verletzend auf sie selber fallen; Doch in den Augen, seht, vor allen, Da steht der Zwiespalt, in den feuchten, Da weht ein irres Wetterleuchten Aus schwüler Herzensbangigkeit, Und zweier Lichter Widerstreit, Daran der Racheblitz zerbrach, Der erst aus diesen Augen sprach: Das erste ist des Jünglings Blick, Unabwendbar wie das Geschick; Das zweite, das von oben strahlt, Ihr kennt es wohl, ist nicht gemalt, Es ist ein dunkelglühend Licht, Das voll aus jener Schale bricht Und (sicher nach Farb und Ort bestellt) In die schönen zaudernden Augen fällt, Daß sie davon geblendet scheinen; Ein Weilchen, und sie werden weinen. Um abzunehmen dieses Joch Des Zweifels, fehlt nur Jemand noch, Der, was den Gekränkten nicht gebührt, Den Hohen, das Wort der Güte führt. Der Maler wußte, was hier frommt: Sieh, zwischen den beiden Frauen kommt Ein Fräulein im Hintergrunde, Leise mit lächelndem Munde, Stattlich im engen Kleide Von Sammt und brauner Seide, Schön und wohl aufgestrichen Zur Thür herein geschlichen. Dies kluge liebe Antlitz schau, Frisch wie gewaschen im Morgenthau. Sie legt den Finger an den Mund; Das heißt: ich kann schweigen zu rechter Stund Und kann auch reden zur guten Frist, Wo am Platz ein gutes Wörtchen ist. Gleichmäßig mit der Königin Schreitet sie gegen die Schöne hin. Ihr seht: das Schwert, so voll Beschwer, Sie darf's nicht lange halten mehr; Die Stund ist keine von den bösen, Dies wirre Wesen wird sich lösen. Auch scheint's gelöst im nächsten Feld: Ein Auftritt ist hier dargestellt, Der von Gestalten überquillt, Groß, reich, wie jenes Münsterbild. Es sieht einem ernsten Scheiden gleich: Die Jungfrau wird vor Hof und Reich Dem Jüngling, ihrem einstigen Feind, Gegeben. Sind sie nun vereint Mit Banden, die der Tod nur trennt? Sie sind einander werth. Doch brennt Die Jungfrau nicht: in trüber Ruh Und zögernd schreitet sie ihm zu, Nicht wie eine Braut, halb abgewandt; Den Mantel hält die eine Hand, Die andre ruht in zweien Händen, Die ihr den Abschiedssegen spenden. Das sind wohl ihre Eltern: schau, Vom vorigen Bild die gekrönte Frau, Dabei ein Mann im Hermelin, Die Königskrone schmücket ihn. Dem Jüngling fehlt der goldne Reifen: Darf er der Fürstin Hand ergreifen? Auch beut er schüchtern nur den Arm, Nicht wie ein Gatte kühn und warm, Nur ehrerbietig naht er ihr. Er steht wohl nur als Gesandter hier Und führt das Weib so minniglich, Die Fürstin heim, ach, nicht für sich. Das Fräulein, hinter ihr, gewandt Zum Mitgehn, trägt mit sachter Hand Etwas, in Tücher eingehüllt. Den Hintergrund zur Seite füllt Geschäftig Volk, das Geräthe trägt Und nieder zum Hafen sich bewegt. Dort liegt ein Schiff: das prangt in Gluthen! Steigt eine Sonne aus den Fluthen? Und auch das Meer, das leuchtet ganz In rosenrothem Wunderglanz. Und wie? das Schiff ist dasselbe, seht, Das oben so hoch auf den Wellen geht, Und die Liebenden auch mit der Zauberschale, Die alles besonnt mit dem rothen Strahle! Die sich hier unten ferne stehn, Dort sind sie vereint. Was ist geschehn? Welch Wunder hat sich da begeben? Wohl mag dies Schiff dort oben schweben Am Himmel, der sich zum Meere neigt, Im Meere, das auf zum Himmel steigt: Soll sich Getrenntes fassen und halten, Soll Jugend siegen und nimmer alten, So müssen die Elemente rein, So darf ihr Reich nicht auf Erden sein. Umrahmt von einer offnen Thür, Tritt hier ein Schlafgemach herfür, Ein Bett mit Kron und Wappenschild, Und drei Gestalten in dem Bild. Der Jüngling und die Fürstin wieder: Was zog sie zu der Erde nieder? Und eine Dritte: ihr Gesicht Ist abgewandt, man kennt sie nicht. Sie ringt die Hände in tiefem Gram. Wie sie in der Fürstin Kleider kam, Ins weiße Gewand, zum Diadem? Er führte sie zum Bette – Wem? Er rückt ihr das Krönlein, das hernieder Gestreifte, zurecht in die Locken wieder. Auf seinem Gesichte sind im Streit Mitleid, Scham, Kummer, Dankbarkeit; Halb von der Seite ist's zu sehn. Vorn, links, die Fürstin, gewandt zum Gehn; Die Lichter stehn erloschen hie, Das einzig brennende trägt sie Und ist allein vom Strahl erhellt, Der dunkler auf die Andern fällt. Ihr Haupt ist des goldnen Schmuckes bar; Nach hinten fliegt ihr blondes Haar; Sie faßt, ihn fortzuziehn, den Mann Am Arm, doch blickt sie ihn nicht an. Wie sie herwärts schreitet, der Thüre zu, Hastig, als hätte sie keine Ruh, Entschlossen, trotzig, beinahe wild, Doch schön! Ein kaum verständlich Bild. Dort, rechts von der mit Myrtenkränzen Reich überhängten Pforte, glänzen Tief hinten überm Hofe, sieh, Fackeln auf einer Galerie. Wer kommt dort in dem Flackerlicht? Er ist zu fern, man erkennt ihn nicht. Er schreitet zwischen Dienern still: Ein alter Mann, der zur Ruhe will. Ein Nachtstück wieder. Ein Garten, seht, In dem ein breiter Oelbaum steht. Der Mond ging hinter den Bergen auf Und zieht mit leisem Friedenslauf, Gestaltet als ein goldner Kahn, Hin durch den blauen Ocean. Er säumt die grünen Blätter dicht Mit unnennbarem Zauberlicht Und läßt die schlummernden Blumen leuchten In Farben, die fremd dem Tage deuchten. Dort hinterm Baum, im Schatten ganz, Erschimmert lichter Marmorglanz: Es ist, gar zierlich ausgesonnen, Ein Steinbild und zugleich ein Bronnen. Da hat nun der Riese still und sacht All seine Schalkheit angebracht: Kaum sieht man's; wenn ihr scharf hinschaut, So ist's Frau Minne, die hold und traut Ihren Knaben im Arme hält, Den Wildfang, der da beherrscht die Welt. Sie droht ihm mit dem Finger sehr; An ihre Kniee schmiegt sich er, Umschlingend mit dem einen Arm, Den andern hebt er sonder Harm, Drückt sich mit arger Schelmenlist Den Finger auf den Mund und – pßt! Vom Baume herwärts fließt der Quell, Lebendig perlend, frisch und hell; Ihn rühmt das frischere dunkle Grün, Die Blumen, die hier goldner blühn; Und o, wie spielt das Licht in hellen, In seligen Streifen auf den Wellen! Sie fließen nach einer Halle hin, Als wollten sie ein Geheimniß drin Erzählen. Wilde Rosen haben Die lichte Wand in Grün begraben, Die seitwärts blinkt, das Bild begrenzend. In dieser Landschaft, zaubrisch glänzend, Was braucht's belebender Menschen noch? Und Menschengestalten sind hier doch, Vielleicht mehr, als das Bild euch zeigt. In der prächtigen Nacht, wo alles schweigt, Schleicht sich ein Paar zum Olivenbaum, Zu feiern einen Wonnetraum, Die Beiden wieder, das hohe Paar: Das Mondlicht zeigt ihre Züge klar, Doch nicht verklärt: sie blicken trübe, Als ob was Fremdes sich erhübe Und stünde scheidend zwischen ihnen. Er weilt mit räthselhaften Mienen Am Baum; von der Halle her kommt sie Und steht im Nachtgewande hie Zaudernd, recht in des Bildes Mitte; Ihr Gang stockt mitten in dem Schritte, Als bangte sie vor dem eignen Schatten, Der leise mitschleicht auf den Matten. Doch nein, sie blickt den Liebsten an, Stumm fragend, was hab ich dir gethan, Daß du mir nicht entgegen fliegst, Nicht längst mir in den Armen liegst? Ruft diese Stunde nicht zum Lieben? Wo ist dein altes Herz geblieben? Wie scheint der Liebenden Freund so licht! Du stehst? du schweigst? was sprichst du nicht? – Was mag er haben? sein Arm ruht schief, Sieh, über der Brust, im Schatten tief; Den Rücken gegen Mond und Baum Gekehrt, streckt er – man sieht es kaum – Mit einer seltsamen Geberde Den Finger neben sich zur Erde. Wo deutet er hin? Was soll das sein? Zeigt er auf seinen Schatten? nein, Seht besser hin: es sind ja drei, Drei Schatten und nur Ein Mann dabei. Der seine, der fällt neben ihn Schief herwärts, scharf und deutlich hin, Und neben seinen eignen fallen Noch zween, wie aus des Baumes Hallen, Ein großer und ein kleiner; Mit langem Arm weist einer Grad auf die Frau, die dorther geht. Nun wißt ihr, warum er so stille steht, Der Jüngling, und nicht von Lust berauscht Entgegen fliegt. Sie sind belauscht. Gehören sie denn einander nicht Bei Nacht und im freien Sonnenlicht? Und was bedeuten die Drachen und Schlangen, Die züngelnd halten dies Bild umfangen? Und doch! das nächste Feld zeigt sie In freier Sonne beisammen hie. Nun folgten sie endlich der Minne Ruf Und liegen nackt, wie Gott sie schuf, Zwo Rosen gleich in süßem Glühn, Schlummernd, weiß nicht nach welchen Mühn, Auf einem Ruhebett im Grünen. Es beugt sich auf die Holden, Kühnen. Ein Zweig roth glühender Granaten, Die sich im Sonnenkuß aufthaten, Wetteifernd mit ihres Schlummers Gluth. Hier fehlt mir nun so Wort als Muth, Dies sonnenwarme Bild zu malen: Treu reden nur der Farbe Strahlen Von der geheimnißvollen Pracht Des Menschenleibs, den Gott gemacht. Wer gäbe sie in Worten wieder, Die zarte Keuschheit nackter Glieder? Wer schildert, Leib an Leib geschlossen, Dies Wunder, wie aus Erz gegossen, Und doch so weich! Wem wär's beschieden, Zu reden von der Lichter Frieden: Wie Fleisch und Blut und das Gewühl Der Farben auf dem schönen Pfühl, Der Blumen bunter Glanz vereint So innig in einander scheint? Dem Schönsten, was die Erde hat, Entblüht auf dieser Lagerstatt Der Schöpfung Krone, das Menschenbild, So schön, daß trunken niederquillt Das Licht darauf und kann nicht scheiden. Doch sah ein Andrer noch die Beiden: Dort im Gebüsch, von Haaren weiß, Seht ihr den König, den milden Greis, Der den Jüngling zum Ritter schlug, Von dem er Huld und Ehre trug – Ihr kennt ihn noch vom Münster her: Doch steht er halbgewendet, er Will gehen – Welch ein Kummer spricht Aus diesem gesenkten Angesicht, Das man kaum halb erblickt? Er hat Den Arm erhoben und läßt ihn matt In tiefem Grame sinken wieder. Was beugt ihn so zur Erde nieder? Droht seinem Liebling ernstes Leid Mitten im Traum der Seligkeit? Rechts in dem Randgemäld am Bild, Da weint ein Engel traurig mild; Ein grinsender Gnom am linken Rand Hat eine Viper in der Hand, Als wär's ein Bogen, und schießt zu den Drein Eine kleine Otter als Pfeil hinein. Das zwölfte Feld, das den Kreis beschloß, Zwischen dem Kind und dem Wonneloos Des Mannes, war noch leer zur Stund, Nur aufgetragen ein dunkler Grund, Auf dem sich sollt aus des Helden Leben Das letzte Bild, das letzte! heben. Mit ernstem Sinnen sah Tristan Das Werk, das unvollendet, an; Lang stand er vor der dunkeln Wand, Dann nahm er Kaedinens Hand, Ihn aus der Halle zu geleiten. Noch einmal sah nach allen Seiten Der Jüngling, dem das Herze schlug, Und folgte mit tiefem Athemzug. Aus mattem Gold getrieben, war Inmitten des Saales ein Altar, Fast ähnlicher einem Grabmal noch, Länger als breit, geräumig, hoch, Wie man es über Grüften mag In Kirchenhallen sehn. Nur lag Kein Bild drauf. Jede Seite bot Embleme vom Leben und vom Tod. Die Ecken stützten der Riesen vier, Die massigen Leiber beugend. Hier War nun der Eingang von zuvor. Sie gingen durch dies einz'ge Thor, Das Einlaß in die Halle gab, Und schritten ins Dunkel, doch nicht bergab: Nach kurzer Frist trug sie der Gang Ins Freie, auf einen Klippenhang, Um dessen Fuß mit Tosen her Schäumte und brandete das Meer. Das war der Klang, der in der Halle Sich brach zu tiefem Orgelschalle. Tristan saß auf ein Felsenstück Und wandte fragend sein Aug zurück Auf Kaedin. Der wußte kaum, Wie ihm geschehen. Halb im Traum Fragt' er: »Und lebt sie denn?« – und wandte Sein Antlitz ab, das glühend brannte. Wehmüthig nickte Tristan Ja. – »Nicht ganz versteh ich, was ich sah, Doch Eines hab ich wohl begriffen,« – Hier brach er ab, und auf den Riffen, Die unter ihm zerrissen klafften, Ließ er sein Auge schmerzlich haften. »Setz dich hier zu mir,« sprach Tristan: »Höre mir zu.« Und er begann. Euch ist Tristans Geschichte kund: Ihr hörtet sie von einem Mund, Dem sich kein andrer in der Welt An Süßigkeit zur Seite stellt. Auch Tristan trug ein Dichterherz Und sprach nicht kalt von seinem Schmerz, Indeß ein wildes Lied von Weh Zu seinen Füßen sang die See. »Ich bin,« sprach er, als er geendet, »Mit Leib und Leben Ihr verpfändet; Ich habe kein Recht mehr an mein Leben: Hab ich ihr Gut hinweggegeben, So hat der Käufer gestohlen Gut, Worauf ja nimmer Segen ruht. Die Möve, die dort hinüber streicht, Verklagt mich, daß ich wog so leicht: Sie zieht nach Kornwall. Ach, dorthin Zieht Wind und Wolke, Herz und Sinn. Nein, keine Andre kann ich lieben! Was hat mich zu der Schuld getrieben, Was zu dem Wahnsinn ohne Gleichen? Sie dort, in ihren öden Reichen, Schaut einsam klagend nach mir her. Und ich – o stürze, Fels, ins Meer! Von meiner Wurzel abgerissen, Muß ich Licht, Luft und Seele missen, Und was sich schlingen will um mich, Bleibt nahrungslos und kümmerlich. Sie dort, ich hier in Lügenketten! Ich aber will die Liebe retten, Das Recht der Wahrheit soll bestehn, Und mag die Welt zu Grunde gehn!« So sprach Tristan noch lange fort. Der Jüngling hörte nicht ein Wort. Er sah, wie sich die Welle brach Am Fels, er sah der Möve nach, Die sich in blauem Duft verlor, Und fuhr aus Träumerein empor. »Arm Schwesterherz!« sprach Kaedin: »Und dort liegt Kornwall? Wollen wir hin?« – »Nach Kornwall?« Wie von einem Blitz Getroffen sprang Tristan auf vom Sitz: »Und du willst mit? Du willst mit mir? Ja komm, und Wunder zeig ich dir! Komm, du sollst sehn, daß Rede, Leben, Der Augen Nehmen und süßes Geben Mehr Wunderherrlichkeit erschließt, Als alles, was aus Farben sprießt. Findst du nicht mehr als in der Hallen, Wohlan, dann sei mein Haupt verfallen.« – »Nach Kornwall!« jauchzte Kaedin: »Doch hör, laß uns mit Frieden ziehn; Wir wollen über Karke fort Und Urlaub nehmen mit gutem Wort.« – »Urlaub?« sprach Tristan und blieb stehn: »Das wird in Gutem schwerlich gehn, Sonst wär ich längst alleine hin.« – »Ich schaff ihn dir!« rief Kaedin: »Was folgen mag, noch weiß ich's nicht. Mir ist, ich seh ein dämmernd Licht. Viel fügt und ordnet sich auf Erden: Es muß und mag noch anders werden.« – »Mein Bruder!« sagte Tristan warm Und schloß den Jüngling in den Arm: »Mir ist ja das schon Himmelsgabe, Daß ich dich wieder funden habe! O du weißt nicht, wie öd und bar, Wie qualvoll mir dies Leben war. Heimlich zu fliehen, schien mir schlecht, Offen zu brechen, ungerecht: Ich liebt euch doch! mit Leid und Schmerz Verschloß ich euch mein armes Herz. Ich trieb kein Spiel! Ich selber war Ein Spiel. Dir ist es endlich klar. Wir kennen uns! Wir sind vereint, So lang uns Gottes Sonne scheint. Nun wohnt doch Friede bei uns Beiden, Und soll allein der Tod uns scheiden!« – »Nach Karke denn!« rief Kaedin. Sie eilten zu ihren Rossen hin Und jagten spornstreichs Karke zu. Dann nach Kornwall in guter Ruh Zu neuem Truggewinne Zwischen Verrath und Minne? O nein, o nein, das hat ein Ziel: Mir ist des Alten schon zu viel. Ich glaube auch wahrlich nimmermehr, Daß es nach des Meisters Sinne wär. Was er die Lieb in der Scheidestunde Aussprechen ließ mit bittrem Munde, Das sah nicht aus nach neuer Lust, Das klang so still, so todbewußt: Nach Reden, die so zu Leide stehn, Soll man sich niemals wieder sehn. Sie waren, echt und herzgebrochen, Auf Nimmerwiedersehn gesprochen. Kaedin Kaedin. Oft sinnt der Mensch auf einen Rath, Der nimmer doch dem Ziele naht. Oft stürmt die Jugend in Saus und Braus Nach einem fernen Ziel hinaus: Da lenkt ein Stäubchen sie ab im Nu Und führt sie dem nahen Ende zu. Herr Tristan und der junge Knab Ritten den nächsten Weg hinab Am Meeresstrand und kamen bald In einen großen wilden Wald. Da führte sie bergauf ein Pfad; Nun sahen sie oben von dem Grat Eine Jägerschaar mit Einem Mal Jenseits herreiten in dem Thal. »Hinweg!« rief Tristans Reitgesell: »Bergen wir uns im Gebüsche schnell!« – »Warum? Ich flieh nicht wie ein Dieb,« Sprach Tristan. – »O thu mir's zu Lieb, Du sollst gleich alles hören; fort!« – »Sie sehn uns nicht: sie ziehen dort Hinüber. Wer ist's? So rede doch!« – »Nampotenis von Gamaroch,« Gab ihm zur Antwort Kaedin, »Zieht dort mit jenen Jägern hin, Mit seinen Gästen. Kennst du ihn nicht?« – »Der mit dem rothen Angesicht, Der wunderliche dicke Mann, Der untersetzte?« sprach Tristan. – »Er führt ein wackres Schwert: er war Der Schlechtste nicht in der Feinde Schaar, Die uns bedrängten in jenem Krieg, Eh deine Hand erfocht den Sieg. Sein Schloß, das heißt Gamarke Und liegt nicht weit von Karke.« »So fürchtest du ihn?« – »Nimmermehr! Ihn fürchten? Zwar mein Feind ist er, Doch hat das einen andern Grund. Hier darf er mich nicht sehen.« – »Und?« – »Es käme seiner schönen Frau Zu Schaden. Er ist stolz wie ein Pfau Und eifersüchtig wie ein Hahn. Wir liebten uns von Kindheit an: Sie aber ward, indeß ich fern Auf Reisen weilte, gar nicht gern, Dem ungeliebten Mann vermählt, Der sie mit albernen Launen quält. Er hält meines Herzens Wonne Strenger denn eine Nonne. Seine starke Burg umgeben Hohe Mauern und tiefe Gräben; Auch hat sie nur einzig Thor, Und er behält sich den Schlüssel vor, Den trägt er bei sich und hält ihn fest, Wenn er eine Stunde das Schloß verläßt. Kein Vogel kommt und keine Maus Ohne seinen Willen in dieses Haus. Auch hat er zum Dienste seiner Frau Kein männlich Geschöpf, nicht grün noch grau, Nur Frauen dienen ihr allein. Seine Gäste führt er bei Nacht nicht ein: Sie lachen oder schelten, Sie müssen schlafen in Zelten. So trieb er den Unfug immerdar, Am ärgsten doch, seit ich bei ihm war: Ich gab mich ihm einst gefangen, Zu stillen mein Verlangen; Da ward ich auf sein Schloß geführt, Wo ich mir nahm, was mir gebührt. Gar schlecht bekam ihm die Frauenhut: Frau Gardeloye war mir gut, Und in den Armen, lind und weich, Ward meine Haft zum Himmelreich. Sie dauerte eine Woche nur: Da kam er uns leider auf die Spur, Und als er merkte, wie's bestellt, Entließ er mich ohne Lösegeld Und hält seitdem das süße Weib Gefangen, als wär's auf Leben und Leib. Ich habe sie seitdem nicht gesehn. Nun möcht ich, eh wir zu Schiffe gehn, Mit der Armen, Freudelosen Ein Stündchen reden und kosen. Drum wollt ich von ihm nicht gesehen sein: Es würde ihr nicht um Trost gedeihn, Und um das Kosen wär's gethan. Und nun, mein Bruder, mein Freund Tristan, Erweise mir deinen holden Sinn Und reit mit mir nach Gamarke hin!« – Wie wollte Tristan anders nun? Er mußte ihm seinen Willen thun: Da ritten sie, statt nach Karke, Zur Linken nach Gamarke. Sie sahen das Schloß und ritten dar, Und als er vor der Mauer war, Rief Kaedin ein Jungfräulein Und bat, ihn zu melden der Frauen sein. Frau Gardeloye mit Prangen Kam auf die Zinne gegangen, Die schöne Frau von Gamaroch, Ein stolzes Weib, vollwüchsig, hoch, Schwarzlockig im brennend rothen Kleid, Das liebe Gesicht voll Reiz und Leid. Ihr höf'scher Buhle dorten Mit wohlgestrichnen Worten, Die Arme hebend mit O und Ach, Begann von seinem Ungemach; Die Schöne erwidert's mit Ach und O Und brannte herunter lichterloh, Wie eine wilde Blume, die Aufschoß im grauen Gemäuer hie. Dazwischen fiel Tristanden Manch höfischer Gruß zuhanden Ob seinem Ruhme weit und breit, Seiner Treue und Biederkeit, Und wie die bedrängte Fraue Sich gänzlich ihm vertraue. Doch immer kehrte das Klagelied Dem Thore, das die Gelieben schied, Und dem verwünschten Schlüssel zu, Der ihnen raubte Trost und Ruh Sie sannen tausend Mittel aus, Wie zu eröffnen wär das Haus Und wie der Schlüssel zu umgehn; Und mußten doch alle nichtig sehn. Tristan, schnellsinnig wie von je Und ungeduldig nach der See, Verzweifelnd über die O's und Ach's, Rief aus: »So drückt ihn doch in Wachs!« – Frau Gardeloye, Herr Kaedin, Die priesen seinen feinen Sinn, Sagten ihm Dank und aber Dank Und wurden lachend Eins zum Schwank. Sie wollte, wenn ihr Herr zu Nacht Heimkehrte, wie er's stets gemacht, Ihm mit gefügen Händen Den Schlüssel im Schlaf entwenden; »Und kommst du morgen früh herbei,« Sprach sie, »so kannst du das Conterfei Dort an dem Graben holen. Nun, Herren, Gott befohlen.« – Die Herren schieden williglich Und wandten in ein Waldstädtchen sich, Das abgelegen und unbekannt Im tiefen Waldgebirge stand; Dort bargen sie sich die ganze Zeit Und fanden auch einen Schmid bereit, Zu ihren geheimen Sachen Den Schlüssel nachzumachen. Indeß nun Kaedin sacht und klug Das Wachs von der Burg herunter trug, Der Schmid, nicht so schnellfingrig als Die heutigen, über Kopf und Hals Sich mühte in tausend Nöthen Mit Feilen und mit Löthen, Indessen hatte zur Buße Herr Tristan gute Muße Und saß mit Qual und Trauer Auf seiner gezwungnen Lauer. »Bin ich zum Adam aufgestellt, Durch den die Sünde kam zur Welt?« Sprach er: »Wenn mich in Leid und Lieb Ein ungeheures Schicksal trieb, Muß ich darum zu losen Streichen Die Hand leichtfertigen Herzen reichen? Und doch, wie kann ich noch zurück? Der holde Fant ist all mein Glück: Seine Jugend, sorglos, unbedacht, Wer ist, dem sie nicht ins Herze lacht? Sein Vertrauen ruht in meinen Händen, Ich kann mich nimmer von ihm wenden.« – Dies und noch manches gab Tristan, Die Unbill zu beschönigen, an; Jedoch, was scheu vor Licht und Tag Den Reden allen zu Grunde lag, Was er mitdachte halbbewußt, Das wollen wir lesen in seiner Brust. Gar manch Gesetz ist in der Welt, Mit dem's im Grunde schwach bestellt, Und manch Recht könnte, beim Licht besehn, Vor besserem Rechte nicht bestehn; Nur daß die unmündigen Menschenkind, Die blöden, so leicht zu irren sind: Denn greifst du nach einem Eigenthum, Zu dem du trägst in der Brust herum Dein Gottesrecht, so machst du dich Zum Genossen von jedem Diebesschlich; Und sehen die Kleinen einen Mann, Einen Helden für Ihresgleichen an, So zerren sie ihn mit Gejauchz und Schrein Für immer in den Koth hinein, Und der der armen bedürftigen Welt Ein Pfeiler sollte sein, der fällt Und zieht in seinen Sturz mit Schmach Einer halben Welt Gedeihen nach. Voran! Der Schlüssel war gemacht, Die große Jagd noch nicht vollbracht, Nampotenis von Hause fern: Da ritten die beiden losen Herrn Nach Gamarke. Nun trug das junge Blut Ein Schapel, einen Schattenhut Von klaren Rosen. Und als er kam Auf die Brücke dargesprengt, so nahm Der Wind, sein luftiger Gesell, Das Schapel ihm vom Haupte schnell Und warf's in den Graben. Kaedin Ging achtlos zu dem Thore hin Und fand gar bald bewährt den Schmid: Die Pforte, die Lieb von Liebe schied, Sprang auf. Sie traten in das Schloß. Da war der Frauen Jubel groß, Die Herren gottwillkommen. Da ward nicht Zeit genommen Von den Gelieben beiden: Sie dachten voraus ans Scheiden, Sagten nicht lange Weh und Ach, Verfügten sich eilig in ein Gemach Und spielten Tristan und Isold, Weiß nicht, mit Messing oder Gold. Herr Tristan bei den Fräulein blieb Und höfisch ihnen die Zeit vertrieb. Es war ihm eine Kunst bekannt, Die Niemand zu der Zeit verstand, Darob sie sie allwärts hießen Herrn Tristans Reiserschießen. Er schoß in die Wand ein gespitztes Reis, Zielte danach mit Acht und Fleiß Und schoß ein Reis ins andre so. Der Kurzweil waren die Fräulein froh. Da rief recht mitten in der Lust Die Wächterin aus voller Brust: »Der Herr, der Herr kommt von der Jagd!« – Er war es auch fürwahr: geplagt Von seinem bösen Geist kam er Von ferne gegen das Schloß daher. Da gab's ein Scheuchen und Rennen, Ein Jammern, Küssen, Trennen; Da blieben in all dem Schrecken Herrn Tristans Reiser stecken. Die Herren gingen eilig fort Und ließen in dem Graben dort, Als sie auf die Rosse stiegen, Das leide Schapel liegen. Sie ritten jach dem Walde zu, Und in des Waldes dunkler Ruh Trottirten sie ohne Sorgen, Als wären sie geborgen. Doch eh eine Stunde halb verstrich, Vernahmen sie Hufschlag hinter sich Und sahen Nampotenisen Feindlich zu Roß herschießen. Der fand das Schapel im Graben, fand Auch Tristans Zeichen an der Wand; Da sah er aus den Reisern klar, Daß Tristan hier gewesen war: Das machte ihn Kaedins gewiß, Daß der nicht fehlte; Nampotenis Ging in der Frauen Kammer, schoß Gezückten Schwertes auf sie los Und schrie: »Nicht hintergehst du mich! Wer war bei dir? Stirb oder sprich!« – Das arme Weibergemüthe war Verzagt und gebrochen ganz und gar Und beichtete, von Angst verstört, Was ein Ehmann nicht gerne hört. Nampotenis fuhr wieder aus, Nahm ein paar Diener mit zum Strauß Und ritt, die ihm solch Leid gethan, Im Walde nach kurzem Jagen an. »Ihr Ehrenräuber, haltet Stand!« Rief er: »empfangt von meiner Hand Den Lohn für eure Lasterthat, Die Eure Amie verrathen hat, Herr Kaedin! Ja, schaut nur hoch. Das soll Euch den Tod versüßen noch: Wer dich verschwatzte, du schnöder Dieb, Frau Gardeloye war's, dein Lieb. Und ihr, Herr Tristan, habt Ihr nicht Genug gethan wider Recht und Pflicht, Da Ihr an Eurem Ohm und Herrn Die Treue stelltet, die Ehre fern, Und konntet zu Ungebühren, Pfui, seine Frau verführen? Müßt Ihr nun in den Landen auch Ausbreiten Euren Lasterbrauch, Und seid Ihr überall zur Stell Als Helfershelfer und Spießgesell, Zu allen bösen Stücken Die Jugend zu berücken? Laßt braver Leute Fraun in Ruh Und kehret Eurer Buhle zu! Die habt ihr nun schon verdorben genug Mit Euren Liedlein, Eurem Trug: Verderbt nun nicht auch Andre noch. Das sagt Euch Der von Gamaroch, Ein Ehrenmann von altem Schlag, Der die neuen Sitten nicht leiden mag, Dem wälsches Klimpern, höfische List Aerger denn Gift und Spitzgras ist. Heran, ich will Euch bezahlen Eure Leiche und Pastoralen.« Marke's Neffe zog. Doch hielt Tristan Noch still, sah ihn nur finster an; Er hätte gern den Streit geschlichtet. Auch waren sie nicht darauf gerichtet: Die beiden Ritter hatten bloß Das kurze Jagdschwert für den Stoß. Dagegen in voller Wehr war er, Die Reisigen auch in ihrer Wehr, Und ungleich beiderseits der Streit. Doch blieb zur Teiding keine Zeit: Nampotenis, des Grimmes voll, Kam angerannt wie blind und toll Und mit ihm seine Knechte; Da kam es zum Gefechte, Da scholl der Grund von Hufen, Das war ein Schrei'n und Rufen: »Hie Parmenie! Hie Karke!« – »Gamarke hie, Gamarke!« Tristan fuhr in die Reisigen ein, Er ließ sie wie ein Wetterschein Von ihren Rossen schießen Und schonte Nampotenisen. Der fand inzwischen leider Zeit Zu einem üblen Stück Arbeit: Er sprengte mit eingelegtem Speer Mordlich auf Kaedinen her, Der ohne Schutz noch Schirmung war; Da half kein Heldenthum fürwahr. Erstochen fiel der junge Knab Rücklings von seinem Pferd herab, Die Hand nach Tristan streckend, Den Rächer sich erweckend. Doch sah es Der noch nicht. Er schlug Den Letzten, den sein Roß noch trug, Zu seinen Brüdern in den Sand; Da kam Nampotenis gerannt. Er ließ in Kaedin den Spieß, Zog aus sein breites Schwert und stieß, Wie der sich wollte wenden, Den Helden durch die Lenden. Das Schwert ging ihm ans Leben tief; Er fühlte sein Verhängniß, rief: »Nun keine Schonung weiter!« Und traf den argen Streiter, Der ihm nach wenig Schlägen Wie mürbes Holz erlegen. Der grimmige Nampotenis Lag unter seinem Pferd und biß Den bittern Sand. Nun sah Tristan, Welch Herzleid er ihm angethan: Sein Freund, das frische junge Blut, Hatte gebüßt den Uebermuth Und schlief in stiller Todesruh; Seine klaren Augen, die waren zu, Die Lippen, ein Sitz für Scherz und Fest, Vom Todeskrampfe festgepreßt. Mühselig vom Rosse stieg Tristan, Der bleiche todeswunde Mann, Kniete zu seinem Kaedin Mit Jammer und mit Leide hin Und bedachte, mit wie bittrer Noth Mitten ins Leben greift der Tod. Und als er ein wenig zu Kräften kam, So lud er, wankend vor Schmerz und Gram, Den Freund vor sich auf sein spanisch Roß Und ritt, seine Eile war nicht groß, Auf die Leiche gebeugt, nach Karke fort. Wie er nun ward empfangen dort, Wie seine Unschuld ward erkannt, Nach kurzem Reden, von Hof und Land, Und wie des Jünglings todter Leib Von Eltern, Magen, Mann und Weib Begrüßt mit lauten Klagen, Das will ich nicht lange sagen. Der Herzog und die Herzogin Geleiteten ihren Kaedin Bei dumpfem Glockenschalle Im Dom zur Schlummerhalle, Indeß Isolde Tristans pflag, Der auf dem Sterbebette lag. Die Trauermäre ging weit und breit; Um die edlen Helden trug Mancher Leid; Ihr Lied, das ward gesungen Von gut und bösen Zungen. Die schöne Gardeloye Ging nun in schwarzem Boye Und suchte bald ein Kloster auf, Zu beschließen ihren Lebenslauf. Tristan und Isolde Tristan und Isolde. Tod, hast du deinen Mann zuletzt In des Lebens Rennbahn müd gehetzt, Und nimmst ihn nun mit Frieden hin, Der dein eigen war von Anbeginn, Dem du schrittst auf seinem Pfade vor, Durch Wonne und Graus, mit dem dunklen Flor, Dem du den sturmgepeitschten Kiel Ergriffst so nah beim Wonneziel? Führst du ihn in den Hafen ein Und läßt es um ihn stille sein? Noch nicht! Es gibt eine Lebenskraft, Die auch dem Starken, der alles rafft, Dem würgenden Riesen, die letzte Schlacht, Die unvermeidliche, sauer macht. Ein Geheimniß, das in der Seele ruht, Zieht sie zurück von der schwarzen Fluth; Eine Schuld, die auf dem Menschen lag Ein langes Leben Nacht und Tag, Mit wildem Ringen, dumpfem Zagen In schweigender Todesnoth getragen, Nach der erlösenden Beichte suchend Und dennoch der Entdeckung fluchend, Zehrt auf, was herbergt in der Brust, Furcht, Hoffnung, That- und Lebenslust, Und zieht des Menschen ganzes Sein In einen kleinen Punkt hinein, Der im verkrampften Herzen glimmt. Da wohnt sie, ewig murmelnd, nimmt An sich den Keim jedweden Strebens Und ist zuletzt der Sitz des Lebens, Das solche Kraft von ihr gewinnt, Daß schauernd der bleiche Würger sinnt, Wie er aus der Hüllen Blöße Die verfallene Seele löse. Umsonst! Schwer scheidend von dem Tag, Krümmt unter seinem Sensenschlag Sich das Gebein. Was innen wacht, Will nicht hinunter in die Nacht. Es zuckt der Mund und will noch sprechen, Es kämpft das Herz und kann nicht brechen. Doch, was ist stärker als jede Noth Der Welt, als Angst, Verzweiflung, Tod? Das ist die selige Gotteskraft, Die himmlisch Leben im Staube schafft, Die diese flüchtige Erdenwelt Im Ring der Ewigkeiten hält, Die Herzen speist in des Lebens Oeden, Die Augen wacker macht, die blöden, Daß Eins am Andern froh entbrennt Und Eins im Andern Gott erkennt, Daß Jedes Reichthum nimmt und gibt Und Wunder schaut und glaubt und liebt. Sie macht aus den Steinen der Wüste Brod: Sie zwingt das Leben und den Tod. Und soll ein Herz nun scheiden ab, Das einem Herzen sein Alles gab, Das nicht mehr in sich selber webt, Das im geliebten Herzen lebt, Von dem es ward gerissen In Lebensfinsternissen, Das wird in Liebe göttlich stark, Säß auch der Tod im tiefsten Mark, Daß es von Kraft und Fülle strotzt Und triumphierend dem Würger trotzt: Dem Tage fremd, dem lichtlos armen, Und fremd dem Dunkel ohn Erbarmen, Hängt es am eigenen Magnet, Wie jener Sarg, von dem da geht Die Sage, daß er ohne Strebe Fremd zwischen Erd und Himmel schwebe. Und Tristan sprach in Todesqual Zu seinem treuen Kurvenal: »Geh hin nach Kornwall, geh zur Stund, Sag Ihr, ich liege tödtlich wund. Ich will, ich muß sie noch einmal sehn, Vergebung von ihrem Munde flehn Für all ihr Leid und Ungemach, Für alles, was an ihr verbrach Meine Lieb und Treu, ihres Lebens Fluch, Und ach, noch mehr mein Treuebruch! Mein irrer Geist hat keine Ruh, Sie komme denn, sie selbst, herzu. Wie meinen Vater Riwalin Am dunklen Strande hieß verziehn Die Liebe, so nicht dort, noch hier Bin ich: mein Wesen ist in ihr. Sie nur hat über mich zu schalten: Sie soll mich lösen oder halten. Ich kann nicht leben, kann nicht sterben, Mag ich nicht Liebestrost erwerben. Nimm diesen Ring von meiner Hand Und bring ihr ihn, der Treue Pfand, Die von dem meinen, das ihr log, Ganz in ihr reines Herze zog. Nicht mahne, daß sie kommen solle, Auch sage nicht, daß ich es wolle: Sag ihr nur, wie es um mich steht, Sag's kurz, und wenn sie mit dir geht, So denke dran, was Warten heißt, Wenn Leib und Seel aus einander reißt. Spann alle Segel zum vollen Lauf Und setz ein weißes oben drauf, Daß ich auf meinen Ostertag Ein Stündchen früher mich freuen mag. Doch kommt sie nicht herüber, ist Sie krank oder todt zu dieser Frist, Was ich nicht glauben will, noch kann, Denn anders sagt's mein Herz mir an, Ja, oder zürnt sie mir so sehr, Daß sie mich nicht will sehen mehr, Dann laß ein schwarzes Segel wehn, Daß Angst und Hoffnung rasch vergehn. Nichts mehr. Ich muß den Odem sparen. Gott lasse dich zum Heile fahren.« Kurvenal beugte mit stillem Gram Sich nieder zu dem Meister, nahm Den Ring und wandte sich, zu gehn. – Wir haben ihn lange nicht gesehn: War Kurvenal so lange fort? Wie ist er nun auf einmal dort? Ich weiß es nicht, doch wißt ihr ja, In Nöthen ist je der Getreue da. Er flehte zu Gott, mit Segen Des kranken Herrn zu pflegen, Bestieg ein Schiff geschwinde, Fuhr hin mit gutem Winde Und stand auch bald auf Kornwalls Sand. Der König war ins blanke Land Geritten, die Königin allein, Da trat er mit dem Ring herein, Der Untreu mahnend, nicht weise zwar, Die durch die Lande erschollen war. Mit starren Augen, groß und wild, Sah sie ihn an, der Rache Bild; In ihrem Mordblick lag der Tod, Der auch Brangänen einst gedroht. Doch als er sprach das Eine Wort: »Er stirbt!« da schwand die Rache fort, Da brach sie aus in Thränen, Sprang auf, rief nach Brangänen; Als die nicht gleich zuhanden, Schied sie allein aus den Landen, Nicht achtend, wem da wäre Lieb oder leid die Märe, Und noch in derselben Stunde Fuhr sie hoch auf dem Sunde, Die Segel alle blähend, Und über ihnen wehend, Wie eine weiße Taube, Mit der ein Trost und Glaube In Sturm und Dunkel wiederkehrt, Die Lebensflagge! O beschert, Ihr Geister, die ihr in Erdenoth Die Liebe schirmt, noch eh der Tod Dies Band zerreißt mit ehrner Hand, Beschert dem schmerzgewobnen Band Den einzigen kurzen Augenblick, Ja, und besiegelt das Geschick, Das diesen Beiden auferlegt Das Höchste, was die Erde trägt Von Schmerzen und von Wonnen! Beim Lächeln der letzten Sonnen Das letzte, letzte Wiedersehn! Augen, die um Vergebung flehn; Ein Blick: Nun ist genug gebüßt! Ein Kuß, der Galle selbst versüßt, Den Kelch zum Freudenbecher macht Und rosig hell den Schooß der Nacht. Und so im Kuß zu sterben – nein, Nicht sterben, hingenommen sein In seligen Träumen, wie sie nur Auf reiner Paradiesesflur Die Seelen träumen, wo sie blinken Als Thau, eh sie heruntersinken In diese Welt voll Schuld und Weh! O dräue nicht, alte Feindin, See! O eile, eile, schwacher Kiel! Mit deiner Fracht! Du trägst so viel Des Leids und auch der Liebe. Du, Der ewig ohne Rast und Ruh Die Welt mit Feuerwehn durchbraust, Im Buche der Geschicke saust, Wühlend und blätternd fort und fort, Sanft fächelnd hier, wild stürmend dort, O Hauch der Dichtung, himmlisch Kind, Fasse die Segel, daß auch der Wind, Dein irdischer Bruder, wie er treibt, Weit, weit im Fluge zurückebleibt! Dir ist's ein Kleines, Aar und Pfeil Zu überholen, des Windes Eil; Du küssest, und wirst nimmer müd, In Einem Athem Nord und Süd; Die Zeit selbst, die dich will belügen, Sie muß sich deinem Gebote fügen. Dein ist, womit dies Schiff beladen: Nimm's hin und führ's zu den Gestaden, Wo Lieb in Liebe gnadenvoll Trost und Erlösung schöpfen soll. Du sausest nah, du sausest ferne, Ach, du auch stehst im Bann der Sterne! Auch du, o Königin der Gedanken, Auch du besiegst nicht alle Schranken. Du Hohe, die alle Welt gewinnt, Du bist oft nur ein weinend Kind. Sonst könnten, die dein Banner tragen, Auf Erden ja nimmer, nimmer klagen. Es hofft und harrt manch banges Herz In Täuschung und in düstrem Schmerz Am kahlen Strand der Lebenswogen. Viel Segel kommen angezogen, Sie führen, was den ird'schen Sinn Erfreut mit lockendem Gewinn, Gold, Gemmen, saftige Früchte, Wein, Auch manchen Zwietrachtsapfel, ein: Das weiße mit dem Wunderhort, Das weiße Segel flieht den Port. Manch Herze hofft und zagt und bricht, Das weiße kommt, das rechte, nicht. O Harren, bis der Morgen wacht! O dunkler Traum der Erdennacht, Der Menschenkinder banges Loos! So muß in deinem stillen Schooß Tristan, des Glückes Liebling, nun Am Abend seiner Tage ruhn. Der sich die höchsten Rosen, ach, Stolz in des Lebens Garten brach, Dem ist das Loos gefallen, Wie seinen Brüdern allen: Warten und Harren! Kommt sie nicht? Noch immer Nacht? Verzieht das Licht? Und auch die Sonne zog den Flor Des grauen Wittwenschleiers vor, Darunter sie, die hilflos scheint, So manches Weh der Welt beweint; Und trübe fiel des Tages Schimmer Ins stille dumpfe Krankenzimmer, Wo in der Pflege der weißen Hand Tristan, der ungeliebten, stand. Sie murrte nicht ob des Dienstes Bürde, Obgleich sie wußte, wer kommen würde, Weil Tristan Tags wohl hundertmal Ihr nach dem Meer zu sehn befahl. Sie pflegte sein nach Treu und Pflicht, Doch war's das rechte Herze nicht. Was sie in ihrem Amt begann, War ihm zu rasch, zu rauh gethan. Das Siechenbett zum Himmel macht Geliebter Hände Hut und Wacht: Doch unter einer Hand zu sein, Der man Dank sagt mit Seelenpein, In zweier Augen Hut zu stehn, In die man nicht mag gerne sehn, Das ist die bitterste Arzenei, Ein lebender Tod! Ich sag es frei: Besser im Hospital verderben, Ja, lieber an der Straße sterben! Und in das Krankenzimmer trat Eine Maid, sprach: »Frau, ein Segel naht.« Das leise Wort traf Tristans Ohr, Er fuhr vom Lager halb empor, Sein Auge nahm wieder Leben an: »Wie ist's gestaltet?« frug Tristan. Das Mädchen wußt es nicht zu sagen; Er scheute sich, seine Frau zu fragen, Und bat: »Thu mir das Fenster auf, Damit ich schaue des Schiffes Lauf.« – Die Weißhand that es ohne Worte, Sie schritt zur großen Fensterpforte, Die da hinaus sah auf das Meer, Zog weg des Vorhangs grüne Wehr, Riß auf die Flügel und trat zur Seite. Der Held saß auf und sah ins Weite. Grau sank der Himmel in die See. Tristan sah nichts: ihm war so weh, Bei seines Herzens wildem Zittern Begann's ihm vor dem Aug zu flittern. Er sank zurück mit erzwungner Ruh, Schloß seine müden Augen zu, Und leise sprach er: »Meine Frau, Geh du zum Fenster hin und schau, Ob schwarz, ob weiß dies Segel ist.« – Sie sah hinaus eine lange Frist. Das Schiff kam, wie ein Pfeil vom Bogen, Mit langer Spur daher geflogen; Sie hätte es gern gebannt ins Meer, Doch unaufhaltsam zog es her. Schon sah sie Segeltaue fast, Und oben von dem höchsten Mast Weiß schien der Minne Siegspanier. Sie stand und schaute stumm und stier: Ihr war's wohl schwer, das Wort zusagen; Doch Tristan ließ nicht ab mit Fragen. Sie sprach – Wie kam sie zu dem Wort? War's Tücke? vorbedachter Mord? Entschluß, nach ihrem Recht zu schalten, Die Fremde, Verhaßte fern zu halten, Die Buhlerin, und an ihrem Theil Zu sorgen für Tristans Seelenheil? Sprach kindischer Fürwitz nur aus ihr, Halb Mißgunst und halb Neubegier, Blödsinnige Neckerei, zu sehn, Wie dieses Spiel nun werde gehn? Ein köstlich Gefäß gerieth als Tand In unverständige Kindeshand Und ward elend im Spiel zerbrochen? Die Märe hat's nicht ausgesprochen. Und soll nun ich's? o fragt mich nicht: In diese Tiefen dringt kein Licht. Eins weiß ich: es gibt Weiberherzen, Da lauert der Teufel hinter Scherzen, Hüllt in gedankenloses Wort Die fressende Schärfe, den kalten Mord, Eidexen leiht er Gift vom Molche Und schafft die Nadel um zum Dolche. »Schwarz!« sprach sie. Und plötzlich, wie sie's sprach, Mit halber Stimme nur, da brach Die Sonne aus dem Nebelflor Mit ihrem vollsten Licht hervor, Wie Wahrheit durch die Nächte bricht, Und schaute ihr zornig ins Angesicht. Im Zimmer war es grabesstumm. Sie sah sich zögernd, ängstlich um, Was Tristan mache: der lag still Wie Einer, der wenig reden will. Sie sah und sprang in Todesnoth Zum Lager hin: Tristan war todt, Getödtet von dem Einen Wort. Sein Ostertag, seines Herzens Hort, Sein blondes Lieb, sein Tod und Leben, Hat ihm das Nein, den Tod, gegeben Zur Stunde, da sie bringt das Ja, Durch diese Lügenzunge da. Das Wort, das ihm zerschnitt sein Hoffen, Hat tiefer als das Schwert getroffen. Der Tod ließ ihm die Muße nicht, Wie Manchem, dem das Herze bricht, Zur Seite sich zu wenden Nach der Wand und so zu enden: Recht wie er zuvor gelegen war, So lag er todt, doch schön und klar, Die Augen freundlich aufgeschlagen Zur schönen Sonne, die seinen Tagen Mit Trost erschien manch holdes Mal Und ihn nun küßte mit goldnem Strahl. Sie sahen so mild, so ruhig hin, Als schauten sie was Freundlichs drin. Das arme, das unselige Weib, Das ihm die Seele schied vom Leib, Nun mochte sie ahnen und ermessen, Welch Gut sie unerkannt besessen, Welch Kleinod schmählich sie verlor: Sie rief ihm fort und fort ins Ohr: »Weiß ist das Segel, weiß, Tristan! Schau auf! Sie kommt! Dort fährt sie heran!« Umsonst, umsonst, wie sie auch rief: Er schlief den Schlaf des Friedens tief, Entnommen aus des Weltsturms Tosen Den schwarzen wie den weißen Loosen, Kein Heiliger, nein, und auch kein Held, Kein Solcher, der die lechzende Welt Aus ewigen Lebensbächen tränkt Und in ihr Heil sein Ich versenkt; Vielleicht geboren zum Heldenthum Und um sein Reich getäuscht. – Warum? – Fragt das Verhängniß – und wer nie Dem Erdgeist seine Seele lieh, Wer nur in sich den Gotteskeim, Des Menschen Mitgift von daheim, Die weltbeseelende, hat erbaut, Nicht rechts und auch nicht links geschaut, Nach Gütern nicht, die irdisch locken, Und auch auf Schmerzen nicht erschrocken, Ja, der kann Wunder thun, der kann Berge versetzen, der gewann Herrschaft im Himmel und auf Erden, Und was er will, das muß ihm werden – Wer so zu Gott empor gediehn, Der werfe den ersten Stein auf ihn! Warum? Ihr müßt das Schicksal fragen, Warum's nicht will auf Erden tagen. Sie sind doch alle Gottes Kinder, Die Starken, die Schwachen auch nicht minder: Was verlegt der Schwache dem Mann der That Mit armen Schlingen den Rettungspfad? Der Starke, statt in Hilfe stark, Was raubt er den Brüdern der Erde Mark? Die Flamme, die sich der Flamme paart, Den Gott im Sterblichen offenbart, Was ist es, daß sie so oft verdumpft, Den Tempel der Jugend trüb versumpft, Daß sie, die alles Große schafft, Zwei Herzen fügt in ihrer Kraft Zum Doppelstern, auf hellen Gleisen Mit Licht und Wärme die Welt zu speisen, Und dann das Gestirn im Flammenkuß Zu zwei Kometen zerschellen muß, Die, wirbelnd aus der schönen Bahn, Verwirrung richten und Elend an? Warum zerbricht ein Völkerleben Recht in der Blüthe, recht im Streben, Daß oft auf einen lichten Tag Ein langes Dunkel folgen mag? Muß da ein Herz zur Welt gerathen, An Liebe reich und reich an Thaten, Das sich in kranker Zeit verzehrt, Wo nicht zu bösem Thun verkehrt? Warum? Klagt nicht die Dichtung an, Die reine! Sie hat's nicht gethan: Sie rollt ein Bild vom Erdenlauf, Ein treues, mit Licht und Dunkel auf Und läßt euch deuten seinen Sinn. Geht, fragt die alte Hüterin, Die an dem ewigen Thor der Nacht Stumm über ihren Räthseln wacht, Wo blutend, eh sein Morgen tagte, Manch großes Her vergebens fragte. Das weiße Segel war am Land, Isolde betrat den fremden Strand, Die Fremde, mit keinem andern Schwert Als mit dem Liebesmuth bewehrt. Sie sann nicht, wie es werden sollte, Sie wußte, was sie schaffen wollte. Ach, treues Weib, zu spät kommst du Zum Kampfe, du triffst nur Fried und Ruh. Hörst du die Glocken läuten? Ahnst du, was sie bedeuten? Siehst du verstörte Haufen Des Volks zusammenlaufen? Vernimmst du die Klagen in Schloß und Stadt? Weißt du –? Ach wohl! und todesmatt Hing sie an Kurvenalens Arm, Hinschwebend durch den Menschenschwarm. Ihr Blut begann zu stocken, Ihre Augen waren trocken, Doch in dem Herzen saß die Noth Mit stummem Ruf: »Todt! Er ist todt!« So kamen sie zum Schloß hinan Und kamen ins Zimmer, wo Tristan Mit falscher Lüge ward erschlagen. Die Weißhand saß bei ihm mit Klagen. Da riß sich die blonde Isolde los, Gewaltig stand sie, hoch und groß Wie eine Todesgöttin, dort. Lautlos trieb sie den Schemen fort, Den hohlen, der zu seiner Hülle Ihr Namen, Liebe, Lebensfülle, Ja alles, alles ihr gestohlen, Was nichts dem Schemen war, dem hohlen! Ihr gnügte ein stummer Wink der Hand, Vor dem die Andre nicht bestand. Die Arme überlief's mit Graus, Sie schlich sich still und scheu hinaus. Sie konnt's im eignen Herzen lesen, Daß sie das Kebsweib war gewesen. Nun trat die blonde Königin Zu ihrem todten Freunde hin, Zu dessen Füßen Kurvenal Stillknieend lag mit mancher Qual. Sie sah ihm zärtlich ins Angesicht, Erwies ihm fromm die letzte Pflicht Und schloß die beiden Augen zu, Woran ihr Trost und ihre Ruh In lieben und leiden Jahren So lang gelegen waren. Dann setzte sie sich dem Todten nah, So daß sie ihm ins Antlitz sah, Und saß im weiten Faltengewand, Die Hand in ihres Liebsten Hand, Drei Tage und auch drei Nächte so. Ihre Lippe sprach nicht Ach, nicht O, Ihr Auge ward nicht Einmal naß, Ihr Herz schien still zu stehn. Sie saß, Auf Tristan heftend den starren Blick, Und überdachte sein ganz Geschick, Dem sie verwuchs im Rosenroth Des Lebens, verwuchs in Noth und Tod. So, auf Glückstrümmer hingestreckt, Mit Asche verstobnen Glücks bedeckt, Sitzt Hiob; lest um den Mund sein Leid, Dort steht geschrieben: »Bitterkeit!« Sich pressend vor des Kelches Neigen, Sagt dieser Mund: »der Rest ist Schweigen.« Das Weib ist Herz von Gottes Herzen, Und Gott wohnt in des Weibes Schmerzen. Die Mutter an des Kindes Grab, Die Freundin, die der Erde gab Den Freund, sie tragen Einen Schmerz, Ein Schwert durchfuhr ihr liebend Herz, Draus strömt in ungetrübter Fluth Das tiefste und das reinste Blut. Es ist ein inniges Erbarmen, Daß so das Leben kann verarmen; Ein Leid um Liebe, die der Tod Verkürzt hat um ihr Lebensbrod, Ein Mitleid mit dem Bau der Welt, Der ohne Halt in sich zerfällt, Ein Tragen an der Erde Weh, Auf der beim Honig die Galle je, Der Dorn je bei der Rose ist, Der Mehlthau an der Aehre frißt, Die Distel unter den Waizen dringt, Die Sonne den Hagelschauer bringt. Hier saß nun solch ein reines Weib, Das Treu und Ehre, Seel und Leib, Der Welt zuwider und ihrem Sinn, Getrost dem Freunde gab dahin, Den, eh die Welt war und ihr Wesen, Auf Himmelsauen sie erlesen, Für den sie froh und frei entbrannt, Als sie hienieden ihn erkannt, Die spätere, weltgebotne Pflicht Verwerfend vor Gottes Angesicht. Was scheltet ihr sie mit blödem Sinn Und nennt sie Ehebrecherin? O wären alle Herzen so, Erkennten sie sich so frei und froh, Der Pflicht und auch des Rechts bewußt, Des Gottes, ja, in der starken Brust, Dann gäb es keinen Bann für sie, Man dürfte sie auf Erden hie Der Fesseln all entledigen Und offen die Sünde predigen, Dann stiege der Welt verworrner Lauf Zu höhern, reinern Gesetzen auf, Ja, dann geschähe Gottes Wort Auf Erden, wie im Himmel dort. Getrost, ihr, die ihr hemmtet gern Die Bäume, daß sie nicht zu fern Gen Himmel wachsen! Solch ein Paar Wird nicht geboren mit jedem Jahr, Und kommt's einmal zur Welt, so ruht Der Fluch der Welt auf seiner Gluth, So hat's, zum Lohn der alten Schulden, Sein volles Erdenloos zu dulden. Denn also hat es Gott bestellt, Daß er will kämpfen mit seiner Welt: Er führt durchs Nein der Schranken Zum Siege seine Gedanken, Nacht muß er haben, wenn gnadenvoll Das Licht seiner Augen leuchten soll. So weckt er auch des Menschen Geist Mit Leiden und Kämpfen allermeist; Der wird nicht los, so lang er lebt, Grämt sich und zürnt und kämpft und strebt Und meint, er müsse sein Ziel erringen, Der Welt das Heil, den Frieden bringen. Die Engel lächeln zu dem Spiel: Er hat in Thaten nur sein Ziel, Ist Opfer, zu Gottes Ruhm verbrannt, Stoff in des großen Dichters Hand, Der stets sein Schauspiel hält im Fluß, Das weder Anfang hat noch Schluß. Drum prüft und preßt er die Liebe, drum Gibt er sie ins Martyrium, Daß sie, in Schuld von ihm entfernt, Ihn in der Buße kennen lernt. Drum bringt er auf der Lieb Altar Zwei Herzen sich zum Opfer dar, Schiebt zwischen sie die Welt, daß sie In sich seine Kraft erkennen hie; Stellt sie so bloß, daß all ihr Leid, Gemeinem Aug ohn Unterscheid, Vor menschlichem Gericht und Rath Gleich gilt mit jeder Missethat: Daß sie sich selbst, im Drang der Leiden, Kaum von den Schächern können scheiden, Mittragend an dem Weh der Welt, Das schwer auf der Erde Geburten fällt. Je mehr sie bluten in ihrer Pein, Je mehr sie werden von Staube rein, Und wenn sie im Leide brechen, Dann kann er sie selig sprechen. Nun geht die Leidenszeit vorbei, Die Schuld ist gebüßt, die Liebe frei. Der stille Tristan rief sein Lieb, Das noch ein wenig zurücke blieb, Doch nicht mehr lange. Sie gab ihr Herz Gehorsam hin dem hohen Schmerz, Indeß das Blut vom Herzen trug, Das stiller und immer stiller schlug, Die Todeskunde, das Siegeswort Durch alle Adern fort und fort, Und flüsterte jeder Fiber zu: »Die Marter ist aus, dein Dienst hat Ruh.« So löschen in einem Gotteshaus Die Lichter mählich, die Lampen aus, Bis einsam auf die verlaßnen Mauern Die Nacht sich lagert mit ihren Schauern. So trauert ein Stern, der sieht so fern Sein Zwillingslicht, den Bruderstern Verglimmend in die Nacht gesunken: Er stirbt und schwindet Funk um Funken, Bis eine Leiche zurücke bleibt, Die lichtlos durch die Himmel treibt. Und als die Sonne das dritte Mal Durchs Fenster sah mit erwachtem Strahl, Da saß die Stille, Bleiche Bei ihres Tristans Leiche; Sie saß noch immer, sie war nicht Aufs Bett, noch auf sein Angesicht Herabgesunken: regungslos, Fast übermenschlich hoch und groß In ihrem faltigen Gewand, Noch immer haltend des Freundes Hand, In die Linke, goldumflossen, Das edle Haupt gegossen, Saß sie in schmerzenloser Ruh. Die treuen Augen waren zu, Doch blieb das Antlitz still und traut Dem Stillen zugewandt. Nun schaut Des Todes hohe Schönheit hie! Sie schlummern. Mir ist so wohl für sie. Gehören sie nun einander nicht In Gottes freiem Sonnenlicht, Und auch im treuen Schooß der Nacht, Wo Liebe selig bei Liebe wacht? Rose und Rebe Rose und Rebe. Inzwischen trug eine Barke Den armen greisen Marke Meerüber mit Brangänen, Die ihm in Angst und Thränen, Bedräut vom Grimme seiner Hand, Der Minne ganzes Werk gestand: Wie sie auf der Fahrt gen Kornwall sich In die pflichtentzweiten Herzen schlich, Die Königin und den edlen Knecht Im Sturme zwang zu ihrem Recht, Zu spät, ein falsches Band zu sprengen, Zu stark, um sie zurückzudrängen; Und wie mit Einem Zauberzug Die Reihe von Wirren, Schuld und Trug, Kampf, Haß, endlose Herzensnoth Und gar vielleicht der bittre Tod Hervor aus jenem Becher brach. Des Königs Herz, indem sie sprach, Ging auf und nieder wie die See, Wogend von Groll und Mitleidsweh: Er wußte nicht, was er mit ihnen wollte, Ob er Tod, ob Leben sprechen sollte. Doch als er in den Hafen kam, Die Trauermäre vom Schloß vernahm, Den Herzog und Karsien da An Särgen weinen und beten sah, Da war ihm gänzlich Herz und Hand Zu seinen Lieben hingewandt, Da hätte er wohl sein altes Leben Gern für ihr junges hingegeben. Da ging es, wie es oft verkehrt Den Menschenkindern widerfährt: Die Jungen, Holden lagen todt, Die Alten standen in Leid und Noth. Der König nahm den Schmerzgewinn, Die Leichen seiner Kinder, hin Und führte sie über die blaue See, Ach, in dem Kiele, der sie eh Hochzeitlich mit zu raschem Flug Von Irlands Strand gen Kornwall trug! Ist nun erfüllt der Brautgesang, Den leuchtend ihnen die Woge klang? Sind sie vermählt? Ach wohl, ach wohl! Er brachte sie gen Tintayol; Im Garten unterm Olivenbaum, Wo sie träumten manchen Wonnetraum, Wo sie die stille Cynthia Oft lächeln und oft weinen sah, In der vertrauten Erde hie, Der heimischen, begrub er sie. Die Kirche segnete ihr Gebein, Bischöfe weihten den Hügel ein; Auch sollte drüber in künft'gen Tagen Nach des Königs Willen ein Münster ragen. Noch aber in frischer Gottesluft, In des Oelbaums Schatten, im Blumenduft Lag unter der Sonne die Stätte frei; Das klare Bächlein floß vorbei; Seine Welle, die den Süßen Einst diente mit Botengrüßen, Sang ihnen Schlummerlieder zu, Hingleitend an dem Ort der Ruh. Und als die Zeit erfüllet ward, Da kam ein Meister von rechter Art Und baute drüber ein Monument, Wie seine heimische Stadt eins kennt, Ein Meister, den sein Werk beweist, Von Erwins hohem und zartem Geist: Es gleicht dem Münster, so däucht es mir, In seinen Massen und seiner Zier, Es gleicht dem steingewordnen Strahl, Dran Thürme und Thürmchen ohne Zahl Mit leichten Steingeweben In die Lüfte des Himmels streben; Ein halbes Werk von großer Hand (Wie noch so manches im deutschen Land), Das fromme Treue sich nun erlas Zum Ausbau im verjüngten Maß. Noch hört, was die Märe so schön, so hold Erzählt von Tristan und Isold, Wie sie da noch Minne pflagen, Da sie in der Erde lagen! Brangäne pflanzte auf das Grab, Da man die Gelieben dem Grabe gab, Eine Rebe und eine Rose hin: Die Rebe, das Bild von Kraft und Sinn, Auf Tristans Haupt und, niederwärts, Die Rose auf Isoldens Herz. Die wurzelten zur Stunde Im hochzeitlichen Grunde Und trieben bald und neigten sich Zusammen, wie geschwisterlich, Und wuchsen in einander strebend, Mit Liebesarmen sich umwebend; Man konnte mit keinen Dingen Sie von einander bringen. Brangäne auf manchem stillen Gang Begoß sie mit Thränen, jedoch nicht lang: Ihr Herz ward schwerer mit jedem Tag, Bis sie auch im stillen Grunde lag. In Sanct Mariens Kloster drüben Konnt ihre Seele kein Leid mehr trüben. Und ganz verwaist trat oft ein Mann Zum Grab der Liebenden heran; Er floh vom Schwarm des Hofes fern Und setzte sich unter den Oelbaum gern Und sah der Rose und Rebe zu, Die standen so hold auf Du und Du, Die wuchsen empor, verstrickt so dicht, Gesegnet vom schönen Himmelslicht. Es war ein alter gebeugter Mann, Und also hub er oftmals an: »Weh, daß der Mensch, selbstisch empört, Auf Gottes Stimme so selten hört, Auf das Wort des Herzens, aus dem so schlicht, So vernehmlich der Geist Gottes spricht! Rief nicht, als das herrliche Zwillingspaar Aus dem Schiffe trat ans Gestade dar, Rief's nicht in meinem Herzen laut: ›Das ist der Bräutigam und die Braut!‹ Die sind von Gott erkoren, Sind für einander geboren! Wie? warnte nicht ein dumpfer Schmerz Mein armes, lebenssattes Herz? Gebot mir nicht die Gottespflicht? Ist mir, ein flehender Engel, nicht In ihren gehaltnen Mienen Der Minne Leid erschienen? Ich aber gab, o Scham und Schmach, Dem eklen Greisengelüste nach, Nahm, was nicht mein war, und was ich nahm, Trug mir mit Wucher Schmach und Scham. Der Krone wollt ich pflichtig sein, Ich, arm und falsch wie der Krone Schein! Ich that, gestützt auf Menschenwahn, Gewalt dem zartesten Herzen an, Dem treusten nahm ich seinen Stern, Ihm, meinem König, meinem Herrn! War er das nicht? Wer schlug den Ball Am höchsten stets? Wer hat Kornwall, Das auf so schwachen Füßen stand, Beschirmt mit königlicher Hand? Von meinem Herd die junge Flamme, Das schöne Reis von meinem Stamme! Hat's nicht Gott selber so gelenkt, Der ihn zum Erben mir geschenkt? Was hört ich auf des Zweifels Stimme? Was zagt ich vor des Neides Grimme? Blödsinniger Greis, was logst du dir? Ach wohl, du scheutest dich vor ihr, Die einzig Trost und Rettung schafft, Vor der gottumwitterten Jugendkraft. Die ist uns ein lieber Kampfgenoß! Doch fesseln wir listig das edle Roß, Um schnöd es, wenn die Aengste schwinden, Mit schmalem Futter abzufinden. Und doch, er sah es nicht so an, Er nicht! Demüthig war Tristan, Er war züchtig, getreu und mild, Adliger Sitten ein echtes Bild. Er war nicht träg, nach Preis zu jagen, Der Erste war er, ›Ich!‹ zu sagen, Wenn rings die feige Meute schwieg. Doch wie er freudig war zum Sieg, Er war's für seinen König nur. Wer schlug Morolden mir? Wer fuhr Nach Irland, der Gefahr vertraut, Dem Ohm zu holen die schöne Braut? Wie er sie pries vor allen Leuten, Konnt ich es nicht als Vater deuten? Erwies er sich, da er sie gewann, Nicht überall als den rechten Mann, Der ihre Treuen, ihre Ehren Frei durfte vor Gott und Welt begehren? Was mußte denn sein Edelstein Um der Krone willen verhandelt sein, Ans Alter ohne Freud und Dank Verzaubert durch den Höllentrank? Unselige Klugheit dieser Welt, Die Gott dem Herrn sein Werk vergällt! Wie wärest du vor ihm erbleicht, Wie wäre der junge Aar so leicht, In dessen Hand wir alle waren, Uns allen durch den Sinn gefahren! Was hättest du, schwacher Greis, gemacht, Hätt er sie als sein Weib gebracht? ›Herr Ohm, die schöne Braut ist mein, Ist Eure Nichte, nun gebt Euch drein!‹ – Was du als Vater mußtest thun, Du hättest's still geduldet nun. Er aber dachte der Ehr und Pflicht, Er dachte des Ohms und that es nicht. Ja, er war treu, er war voll Zucht, Griff lüstern nicht nach der schönen Frucht, Hegte sie still im Herzen drinnen, Wollte sie ehrlich dem Ohm gewinnen. Auch sie. Nein, zwischen ihnen war Nichts angezettelt: das war kein Paar, Wie man's in losen Gedichten trifft, Das willig greift nach dem süßen Gift. Des bessern Rechtes sich bewußt, Der Minne Stachel in der Brust, Ging schweigend Jedes seine Bahn, Keusch und kühl bis ans Herz hinan, Bis sie den Feuerbecher tranken Und kämpfend in die Gluthen sanken, Ach, rettungslos dahingerafft Vom Zauberrausch der Leidenschaft! Und weil nicht kann die Liebe fern Entfliehen auf einen lichten Stern, So brachte er mir, was die Pflicht gebot, Und schwieg, befangen in Schuld und Noth. Und ich, mit sehenden Augen blind, Zwang, die mich hätte geliebt als Kind, Zum Schwur, den sie nicht halten konnte. Wenn ich in ihrem Glück mich sonnte, Ich alter Mann, umspielt von ihnen, Wie glücklich wär ich mir erschienen! Wie hätte mich mein starker Sohn, In Liebe stützend meinen Thron, Demüthig und der Wünsche satt, Geehrt an Vaters und Gottes Statt! Auch so, auch sündigend haben sie Dies wesenlose Leben hie Mit Rosen, die sich schön erhoben Aus all den Dornen, mir umwoben. Was war ich mir mit meinen Jahren, Die einsam nun zur Grube fahren, Was war ich ohne sie? Wie hing Mein Leben in dem Einen Ring? Wie nährte mein Blut, das träge schlich, Von ihrem holden Dasein sich! Wie erfüllten sie meine Nichtigkeit Mit ihrer Liebe, mit ihrem Leid, Ja, selbst mit Noth und Grimm nicht minder. O meine Kinder, meine Kinder! Die mir die Treusten gewesen wären, Die stieß ich aus der Bahn der Ehren, Mit Lauer, Hinterhalt und Lug Trieb ich sie tief in Schuld und Trug, Tief, ja, bis in der Hölle Gründe. Herr Gott, vergib mir meine Sünde! Denn ihnen hast du schon vergeben: Sie büßten ihre Schuld im Leben. Was blöde Menschenaugen sahn, Das war ein Schein, das war ein Wahn. Du aber sahst den wahren Lauf, Zu dir stieg nur das Wesen auf. Die Opfer grausen Menschenspottes Stehn frei vor den Gerichten Gottes. Nun weiß ich, daß nicht, blöd erschlafft, Verzichten darf die echte Kraft, Daß Liebe nicht feig und jämmerlich Aufgeben kann den Gott in sich. Hier fühl ich's, von dem Sinn durchschauert Der Worte, die ich hier belauert, Die ich zur Arglist dir gewandt, Du hohes Weib, das ich mißkannt. Ich hielt's für Trug und loses Spiel, Sah nicht den Jammer, das tiefe Ziel Der Rede, die mir wollte sagen Dein heilig Recht und deine Klagen. O wie so selten verstehen wir Ein Menschenwort im Leben hier! Wie wir es oben hören tönen, Können wir's schelten, können's höhnen, Weil Keiner fragt nach dem stillen Grund, Von dem es aufsteigt zu dem Mund. Wenn klingend Wort an Wort sich fügt Zum Spiel der Rede, das genügt. Wenn man auf dem Hügel hier so traut Verschlungen Reb und Rose schaut, Das gnügt den Augen: welcher Sinn Folgt ihren Wurzeln zum Grunde hin, Wo ihr nun ruht mit euren Schmerzen, Ihr schönen, ihr gebrochnen Herzen? Friede mit euch! Wie mag euch nun Nach Stürmen so sanft die Ruhe thun! Wie ist nun eure Wohnung rein, Wie mag es bei euch stille sein! Hier oben aber in der Welt, Die ihr verworrnes Urtheil fällt, Seid frommen Dichtern anbefohlen, Die eure Sache unverhohlen Und reinigend, indem sie rühren, Vor allem Volke mögen führen. Dann schwebt ihr hoch und leuchtend hin, Nicht mehr Vasall und Königin, Nicht mehr, wie in des Hofes Schwarm, Getrennt durch Namen, hohl und arm: Nein, nein, wo über Grabesnacht Des Sängers Saitenspiel erwacht, Muß jeder Bann der Erde ruhn, Da gelten andre Namen nun, Da waltet anders das Gesetz; Und die einst schied ein Lügennetz, Sind Eins nun in der Wahrheit, sind, Eins wie das Andre Gottes Kind, Geläutert hier in Schmerzensgluthen, Gebadet in der Dichtung Fluthen, Rein, gleich der Treue Bild, dem Golde, Auf ewig Tristan und Isolde .«