Luise Adelgunde Victorie Gottsched Der Witzling Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzuge Personen Personen. Herr Reinhart, ein reicher Kaufmann in Leipzig. Jungfer Lottchen, seine Unmündige. Der Junge Reinhart, sein Sohn, ein junger Advocat. Herr Vielwitz, ein junger Mensch, der nur unlängst Studierens wegen nach Leipzig gekommen, und bey dem Herrn Reinhart im Hause wohnet. Herr Sinnreich, ein junger Gelehrter. Herr Jambus, ein junger Dichter. Paul, ein Diener. 1. Auftritt Erster Auftritt Jungfer Lottchen sitzt auf einem Stuhle und macht Knötchen. Bald darauf kömmt Herr Reinhart. Nun, wie stehts, Jungfer Lottchen? Ich habe heute zu Mittage unmöglich zu Hause speisen können. Ich fand auf der Börse einen guten Freund aus Siebenbürgen, den ich mit in den blauen Engel nahm: denn ich bin meiner Frauen nicht gern mit unerwarteten Gästen beschwerlich. Ist Ihnen auch bey Tische die Zeit sehr lang geworden? lacht. Ach nein! mir zum mindesten nicht! So lange wir ein so abgeschmacktes Thier am Tische haben, als der junge Vielwitz ist; so wird mir die Zeit wohl nicht leicht lang werden. Ey, was sagt Sie, Jungfer Lottchen! der junge Vielwitz sollte abgeschmackt seyn? Sein Vater ist ein so reicher Mann! ich wollte ihm wohl mein ganzes Vermögen creditiren. lacht sehr. Der Reichthum hilft so wenig für Thorheit, als das Alter. Sein Vater sey so reich als er wolle: sein Herr Sohn ist ein Geck. sich verwundernd. Ich weis doch nicht! mir kömmt es vor, daß der junge Mensch recht sehr klug thut. Eben darinn besteht seine Thorheit. Glauben Sie mirs nur, Herr Reinhart, nichts steht einem jungen Menschen närrischer, als wenn er klüger thun will, als alle andere. Er ist ein rechter großer Verehrer von seiner Wenigkeit; sie lacht, er ist aber, meines Wissens, auch der einzige. Es ist wohl wahr, er redet immer von sich selbst, und von seiner Gelehrsamkeit; und vergißt bey Tische fast das Essen darüber, daß er uns immer seine Verse herbethet, die er auf Schulen gemacht hat. Allein es ist die liebe Jugend; solche Fehler geben sich mit den Jahren. Nein, mein Herr Reinhart; dieser Fehler nimmt gewiß mit den Jahren nur noch mehr zu. Die Fehler, an denen die Jugend schuld ist, und die mit den Jahren vergehen, die bestehen gemeiniglich nur in einem gar zu großen Feuer der Leidenschaften. Bey ihm aber ist es ein Mangel der Vernunft, ein innerer Hochmuth des Herzens, eine närrische Selbstliebe: und die nimmt mit den Jahren immer mehr zu. Glaube Sie das nicht, Jungfer Lottchen. Das glaube ich gewiß. Wer in seinem 20sten Jahre noch nicht so viel Urtheilskraft hat, daß er seine Selbstliebe verbergen kann: der bleibt sein Lebenlang ein Thor. schüttelt den Kopf. Es ist mir sehr leid, Jungfer Lottchen, daß Sie wider den jungen Menschen so sehr aufgebracht ist. Daran hat er selbst Schuld. Hätte er mir einen bessern Begriff von sich beygebracht: so würde ich ihn auch haben. Der Mensch denket und saget doch aber alles Gutes von sich. lachend. Eben darum glaube ich es nicht, weil er es selbst sagt. Nun, nun, er ist nur erst vierzehn Tage hier: wenn Sie ihn länger kennen wird; so wird er Ihr schon noch gefallen. lächelnd. Ich versichere Sie, daß er mir je länger je abgeschmackter vorkommen wird. Gewisse Leute haben nun einmal das Schicksal, je länger man sie sieht, desto verdrießlicher werden sie einem: und Herr Vielwitz ist gewiß von der Art. Das sollte mir sehr leid seyn! Die Wahrheit zu sagen, Jungfer Lottchen, des Vielwitzes Vater, ist mein sehr guter Freund: es ist nunmehr länger als 20 Jahre, daß wir mit einander im Handel zu thun haben. Das kann wohl seyn. Muß denn deswegen sein Sohn klug seyn? Höre Sie mich doch nur erst aus. Mit Ihr meyne ich es auch herzlich gut, mein liebes Lottchen. Das bin ich versichert, und werde es Lebenslang mit allem Danke erkennen. Ihr Vater war ein braver ehrlicher, reicher Mann; und wußte, daß ich wohl mein Leben für ihn gelassen hätte: darum hat er mich auch zum Vormunde über Sie gesetzt, und zwar mit einer Bedingung, die sehr selten ist: daß nämlich, wofern Sie in Ihren unmündigen Jahren wider meinen Willen heirathet, ich Ihr von Ihrem Vermögen keinen Häller auszahlen darf. Weis Sie das, Jungfer Lottchen? O ja! und ich werde mein Vermögen gewiß ganz behalen. Das soll mir sehr lieb seyn. Auf die Art aber muß der junge Vielwitz Ihr nicht so albern vorkommen. Wie so? Was geht den jungen Witzling meines Vaters letzte Verordnung an? schüttelt den Kopf. Sie ist sonst so klug, und kann oder will mich nun nicht verstehen! Nein, ich verstehe Sie nicht. Ich habe aber im Sinne, aus Ihnen beyden ein Paar zu machen. erschrickt. Aus uns? aus mir und aus dem Vielwitz? Ja, ja. Er ist brav reich, und Sie ist auch brav reich. Sie liest und hört und redt gern was Kluges: und er sagt auch, daß er sehr klug ist. So dünkt mich, Ihr schicktet Euch gut zusammen. Nichts minder, als das. Von allem Unglücke in der Welt, stelle ich mir das als das größte vor, einen solchen Mann zu haben, als der junge Vielwitz ist. Was? einen so reichen Menschen? Ich habe Geld genug, auch einen Armen glücklich zu machen. Den klügsten Menschen von der Welt? Der Himmel bewahre mich vor dem klügsten Menschen von der Welt; zumal, wenn er ein eingebildeter Thor ist. Bedenke Sie nur die Macht, die mir Ihres Vaters Testament gegeben hat! Diese Vollmacht sieht einem vernünftigen Vater ähnlich. Er hat nur einer unbedachtsamen Thorheit der Jugend vorbeugen wollen. Er hat mich aber nicht zu einer Sklavinn eines fremden Eigensinnes auf Lebenslang gemacht. Wenn ich mündig, und hoffentlich vernünftig genug seyn werde: so kann ich mich nach eigenem Gefallen verheirathen. Mich dünkt dieß ist der Sinn des väterlichen Willens. besinnt sich ein wenig. Es ist endlich wohl wahr! Aber wird Sie wohl noch fünf Jahre Geduld haben? Ehe ich den Vielwitz nähme; so hätte ich gewiß noch funfzig Jahre Geduld. Kränke Sie mich doch nicht so! Ich bin Ihr so gut, als wenn Sie mein eigenes Kind wäre! darum sollte Sie mir auch wohl wieder was zu Gefallen thun. Von Herzen gern, alles was Sie wollen. Nur daß ich den Vielwitz nicht für klug halten darf. Der Mensch hat doch aber was gelernet! Das spreche ich ihm nicht ganz ab. Für einen jungen Menschen weis er schon etwas. Aber darum muß er so stolz und klug nicht thun, als wenn er allen großen Gelehrten in Deutschland die Wage halten könnte. Das wird sich schon noch geben! Ich glaube gewiß, wenn er minder von sich hielte, so würde man ihn für einen geschickten jungen Menschen halten können: nun er aber sein Bißchen Vollkommenheiten durch ein Vergrößerungsglas ansieht, so wird er zu einem Gecken. Nun, verspreche Sie mir zum mindesten, Jungfer Lottchen, daß Sie ihm einen freyen Zutritt des Nachmittags zum Caffee, wenn Sie doch ohnedem andere gute Freunde bey sich auf dieser Stube hat, verstatten will. Thue Sie mirs zu Liebe! zuckt die Achseln. Was will ich machen? Ich will meinem Sohne sagen, daß er ihm seinen Hochmuth ein wenig verweisen soll. Sie sind ja gute Freunde. Ihr Herr Sohn ist sein guter Freund, aus Ehrfurcht gegen Sie; weil Sie es ihm befohlen haben: sonst ist er viel zu vernünftig, als daß er ihn eine Stunde um sich leiden könnte. Nun, nun! es wird sich schon noch geben. Mein Sohn liebt ja auch die schönen Wissenschaften: so kann er ihm desto dreister zureden. Wird Sie heute Besuch haben, zum Caffee? So viel ich weis, wird sonst niemand kommen, als der junge Vielwitz und Ihr Herr Sohn. Sie fiengen heute bey Tische einen Streit an, den sie hier auf meiner Stube enden wollen. Wie? was? einen Streit? Ja, sie redeten von der Gottschedischen Schaubühne. Da machte nun der Vielwitz alle Stücke darinnen herunter. schüttelt den Kopf. Nun! das wüßte ich doch nicht. Ich lese manchmal des Abends darinnen. Alle Stücke gefallen mir zwar auch nicht; aber einige sind doch recht hübsch, und ich denke immer: was mir nicht gefällt, das kann doch wohl einem andern gefallen. Das macht, Sie denken wie ein vernünftiger Mann; aber nicht wie ein junger Witzling. Nein! so überhaupt muß man kein Buch verachten: so lange noch keines für einen Menschen allein geschrieben ist. Er geht zum Tische und sieht einen versiegelten Brief liegen. Das ist aber die Art dieser jungen Herren. Sie glauben, alle Schriftsteller sollen nur streben, die Ehre ihres Beyfalls allein zu erhalten. Ungeachtet dieser Lohn ein wenig klein wäre! Was hat Sie denn da für einen Brief, Jungfer Lottchen? Ach! es sind Verse von dem jungen Vielwitz. Er hat sie mir heute früh herunter geschickt. erfreut. Ey! das ist mir lieb! Es wird wohl gar eine Liebeserklärung seyn. Warum hat Sie sie denn noch nicht aufgemacht? Weil ich heute keine Lust zu Kopfschmerzen habe. Zu Kopfschmerzen? Wie so? Ich kenne seine Verse schon. Das Rechnen wird mir nicht so sauer, als die Gedichte zu verstehen, die er macht. Sie sind des Koptbrechens schon bey Ihren Handelsbüchern gewohnet, Herr Reinhart, machen Sie den Brief nur auf, und lesen Sie ihn. Ey! wenn ich in meinem Handelsbuche lese: so bringt mir das Geld ein, und hiervon hätte ich nichts. Nein, nein! es ist billig, daß Sie Ihre Liebesbriefe selber erbreche. Er giebt ihr den Brief. Da! lese Sie es nur selbst. Ich habe ohnedem nothwendig ein Paar Briefe zu schreiben. Er geht ab. 2. Auftritt Zweyter Auftritt Jungfer Lottchen wirft den Brief verächtlich auf den Tisch, indem kömmt der junge Reinhart. Ihre Dienerinn, mein Herr Reinhart. Ergebenster Diener, ist der Herr Vielwitz noch nicht hier? Nein, aber Ihr Papa ist hier gewesen, und hat mich versichert, daß er Ihnen auftragen wollte, den jungen Vielwitz vernünftig zu machen. Was? meynt mein Vater, daß ich unmögliche Dinge möglich machen kann? lacht. So wie es scheint, traut er Ihnen das zu. Wenn mein Vater nicht mein Vater wäre, so würden wir, der junge Herr Vielwitz und ich, uns gar selten sprechen. lächelnd. Ey! seyn Sie immer so gut, und machen Sie ihn ein wenig gescheidt. Es ist zu meinem Besten. Wie? zu Ihrem Besten? lachend. Ja, Sie müssen wissen, daß ich im Sinne habe, einmal eine Frau Vielwitzinn zu werden. Sie? Sie? Ja, ja! ich! Es giebt gute christliche Herzen, die mir dieß Glück wünschen. Ich merke schon, was Sie damit meynen; darum mag ich meine Gedanken nicht sagen. Ich möchte auf eine Person treffen, der ich Ehrfurcht schuldig bin. Ach lieber Herr Reinhart, helfen Sie mir nur bey eben der Person, den Menschen verhaßt machen! Ach! das wollen wir ihm selbst überlassen. Glauben Sie nur, er wird sich schon selbst bey meinem Vater, und allen andern so verhaßt machen, daß wir alle Mühe dabey werden ersparen können. Dergleichen hochmüthige und kützelhärige Leute machen ihr Glück in der Welt niemals. Das habe ich schon oft erlebet. Nun! mit mir ist er fertig. Ich weis schon, was ich von ihm halten soll. Ich auch. Zum mindesten werde ich mich vor noch einer solchen schlaflosen Nacht hüten, als die vorige gewesen ist. Wie so? warum haben Sie nicht geschlafen? Gestern Abends bath er mich, ich möchte doch noch zu ihm auf sein Zimmer kommen, weil er nicht so früh zu Bette gehen könnte. Ich saß zwar schon selber bey einem Buche, darinn ich viel lieber gelesen hätte: indessen gieng ich, theils aus Höflichkeit, theils meinem Vater zu gefallen, zu ihm. Allein! ein Schelm der ihm wieder kömmt! vor drey Uhren des Morgens bin ich nicht von seiner Stube gekommen. Wie so? Sie werden doch nicht mit einander noch poculirt haben? lachend. Ach nein! Es gieng ganz trocken zu! Zum mindesten floß nichts als die Hippokrene bey uns. Denn er empfing mich mit Versen, und unterhielt mich mit Versen. Was er seit 5 oder 6 Jahren gemacht hat, das sagte er mir erst alles auswendig her, bis er ganz blau im Gesichte ward, und der Schaum ihm vor dem Munde stand. Nachmals kam er auf seine Jugendgedichte, und da holte er einen großen Ballen Papier hervor, daß ich vor Schrecken bald des Todes war. Daran mußte ich nun meine Pein hören, bis die Glocke drey schlug. lacht sehr. Warum schliefen Sie aber nicht ein dabey? Ja! wenn das vor dem Geschrey angienge. Es ist nicht anders, als wenn die jungen Dichter eine quackerische Begeisterung überfällt, wann sie jemanden ihre Gedichte vorlesen, oder vorsagen. Sie sind alsdann ärgere Schreyer, als der Stentor. lacht. Nun! das gefällt mir! Ich weis aber wohl, was ich thun werde. Ich will ihm den jungen Sinnreich und Jambus einmal des Abends auf die Stube schicken. Das sind auch solche Herren, die sich auf ihre Gedichte was rechts einbilden, und sie gern alle Menschen auswendig lehren möchten. Da wird nun eine rechte Hetze angehen! Entweder sie werden alle drey zugleich schreyen; oder einer wird dem andern das Maul zuhalten müssen. Er lacht. O! da müssen Sie mir sagen, wenn Sie das thun wollen. Da will ich doch die schöne Comödie zum mindesten vor der Thüre anhören. Ey, Sie sollen jetzo gleich einen schönen Vorschmack davon haben; denn die Wahrheit zu sagen, ich habe sie herbestellt. Sie werden mir das nicht übel nehmen. Ey was haben Sie gemacht? Sollt ich die poetische Cordegarde hier in meinem Zimmer haben? Sie wird Ihnen tausend Lust machen! Und wer weis, wozu es gut seyn kann? Ich wollte mein Gehör gern bis an mein Ende behalten, und die – – – 3. Auftritt Dritter Auftritt. Jungfer Lottchen; Herr Reinhart; Herr Vielwitz kömmt mit dem Hute auf dem Kopfe herein, und nimmt ihn erst ab, nachdem er die Thüre zugemacht hat. sehr gravitätisch. Ihr gehorsamer Diener meine liebe Demoiselle! Ihr ergebner Diener, Herr Reinhart! Ihre Dienerinn, Herr Vielwitz. Regnet es etwa draußen im Vorsaale? sich verwundernd und lächelnd. Im Vorsaale? nein! Ich glaube es wohl. Aber ich vermuthete etwas dergleichen; weil Sie mit dem Hute auf dem Kopfe herein kamen. Sein Herr Vater kömmt allezeit so auf seine Schreibstube. lächelnd. Ja, da sitzen auch seine Kaufmannsdiener; aber hier nicht. Ländlich, sittlich. Bey mich kömmt niemand anders in einer Stube, als mit den Hut auf den Kopf. Ja, ja! grobe Moden, sind auch Moden. Setzen Sie sich doch. Sie setzen sich, Jungfer Lottchen klingelt. Sind Sie etwa ausgegangen gewesen, mein Herr Vielwitz? Ja, heute Vormittage bin ich in etliche Collegia gewesen. Nun, wie haben Ihnen unsere Lehrer gefallen? zuckt die Achseln. Was das für schlechte Leute sind! Wie werde ich noch meine Präceptores zu Hause bedauren! Nein! so was elendes hätte ich mich nicht vermuthet. erstaunt. Wie? bey wem sind Sie denn gewesen? verächtlich. Ach! ich mag die lieben Leute nicht nennen! Sie stehn einmal in einem gewissen Ansehn bey der Welt. Lächelnd. Sie mögen ihren Ruhm genießen! ich will sie nicht zu Boden schlagen. Ihr Urtheil würde sie vielleicht auch wohl nicht gleich zu elenden Leuten machen: wenn es gleich Männer sind, die, wie Sie sagen, schon ein Ansehen in der Welt erhalten haben. Die Vorigen. Paul. zu Jungfer Lottchen. Was befehlen Sie? Bringt Caffee! Der Diener gebt ab. lächelnd. Sie werden also Ihren Zweck hier sehr schlecht erreichen, da Sie studierens wegen hergekommen sind? Studierenswegen bin ich eben nicht hiergekommen . Ich habe nur im Sinne gehabt, das was ich zu Hause gehöret, nicht ganz und gar zu vergessen! Allein ehe ich das elende Zeug anhören wollte, ehe wollte ich in ein Jahr nicht aus meine Stube gehen. Ey: wenn ich an Ihrer Stelle wäre, so reisete ich gleich wieder nach Hause, und wiese den Leipzigern, auf was für Lehrer sie sich erst geschickt machen müßten, wenn ich bey ihnen studieren sollte. Es ist nun in meiner Vaterstadt der Schlendrian, daß wir erst drey oder vier Jahre auf die hohen Schulen das vergessen müssen, was wir zu Hause gelernet haben. Das ist ja erbärmlich! Schade, um so viel treffliche Gelehrsamkeit! Zum mindesten aber könnten Sie doch in dieser Zeit der Welt mit Schriften dienen. Es giebt ja mehr große Geister, die kaum von der Schule kommen, und auf der Akademie nichts zu thun wissen, als daß sie gleich Scribenten wer den. Ich habe freylich an Leibnitzens seiner Infinitesimalrechnung und an des Aristoteles Poetik verschiedene wichtige Puncte auszusetzen gefunden. Vielleicht mache ich mir einmal darüber. Allein wie viel gute Namen wird das nicht kosten. Wie viel Stümper werden da nicht zum Vorscheine kommen! die man bisher für große Leute gehalten, und die doch diesen zween Leuten alles nur so treuherzig nachgebethet haben. lächelnd. Ey! mit denen wollte ich gar kein Mitleiden haben. Wenn sie solche blinde Affen gewesen sind: so mögen sie sichs auch gefallen lassen, daß sie mit zu Schanden werden. Hier kömmt der Diener und bringt einen Caffeetisch mit dem Geräthe, Jungfer Lottchen schenkt ein. Es taugt hernach, wenn ich meine Anmerkungen über dem Aristoteles fertig habe, darinn ich seine Regeln widerlege, keine Poetik, weder bey die Franzosen, noch bei die Deutschen was. Haben wir denn dieß Werk bald zu hoffen? Das kann ich nicht sagen. Es liegt zwar schon fertig: denn ich habe es, die Wahrheit zu sagen, gemacht, wie ich noch in die Schule auf Secunda war: allein wenn man doch schon eine gewisse Reputation für sich hat ... Freylich! die darf man so nicht ins Gelag hinein wagen. Zumal wenn sie noch so frisch ist. Sie giebt ihm ein Schälchen Caffee, dem Reinhart auch. trinkt. Das ist ein schöner Caffee! Mademoiselle, was geben Sie davor. Ey! solche große Gelehrten, die müssen nicht wissen, was solche Kleinigkeiten in der Haushaltung kosten! Ja, das ist nun einmal meine Schwachheit, daß ich das alles wissen muß. Da kann ich nicht vor . Ich will es Ihnen sagen. Vor den Caffee haben Sie höchstens 20 Gr. gegeben: denn bey uns kostet er 16 Gr. schwer Geld. Nun das ist wahr! Ich schmecke wohl, daß der Caffee sehr gut ist: aber zu schmecken: was er kostet, dazu ist meine Zunge zu dumm. nimmt ein Stück Zucker vom Schälchen. Und vor den Zucker? Er besieht ihn. Wo Sie vor den Zucker mehr als 22 Rthlr. vor den Centner gegeben haben! so sind Sie betrogen. Sie haben von Ihrem Herrn Vater die Preise besser gelernet, als ich von mei nem. Nein, Herr Vielwitz, ich verliere alle Hochachtung gegen Ihre zukünftige gelehrte Schriften; wo Sie die Preise von mehrern Eßwaaren wissen. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Die Vorigen. Herr Sinnreich. Herr Jambus. Sie kommen mit ungezogenen wilden Minen ins Zimmer. Reinhart empfängt sie. Ihr Diener meine Herren. Hier sehen Sie den Herrn Vielwitz, einen jungen Menschen aus Niedersachsen, der unserer Universität die Ehre thun, und hier studieren will. Ihr Diener, mein Herr, ich bin erfreut, Ihnen zu sehen. Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen kennen zu lernen. Es ist mich herzlich angenehm, ein Paar solche Männer hier zu sehen, von die der Herr Reinhart mich so viel Gutes gesagt hat. Setzen Sie sich doch. Sie laufen beide in eine Ecke des Zimmers und legen die Hüte und die Degen ab. Jungfer Lottchen will sich darüber aufhalten. Reinhart aber winkt ihr, sie soll es nur lassen gut seyn. Sie setzen sich zum Caffeetische. Jungfer Lottchen schenkt einem jeden Caffee ein. der allemal sehr schreyet. Ist es schon lange mein Herr Vielwitz, daß wir die Ehre haben, Ihnen hier zu sehen? Es ist erst vierzehn Tage. Wo logieren Sie denn? Ich bin hier bey dem Herrn Reinhart ins Haus. Haben Sie in Willens lange hier zu bleiben? Ey, was? meine Herren, Sie müssen mit dem Herrn Vielwitz solche gleichgültige Dinge, nicht reden. Er ist ein großer Poet. Ein Poet? Zu dienen. Und ein Mathematicus dazu! Ein Mathematicus? Wie haben Sie sich denn bis zum Dichter erniedrigen können? Ey, mein lieber Herr Sinnreich, es hat eher gescheide Poeten gegeben, als gescheide Mathematicos. Ey, Herr Jambus, wir sind gute Freunde: aber in das Alter der Mathematik müssen Sie nicht pfuschen. Sie möchten sonst eine Sau machen. Es ist wahr, die Mathematik ist das Edelste, was ein denkendes Wesen lernen und wissen kann. Sie ist die einzige Wissenschaft, die Wahrheiten aufzuweisen hat: mit allen andern ist es lauter Ungewißheit. O Meßkunst! Zaum der Phantasie, Wer dir nur folget, irret nie! Wer ohne dich will gehn, der gleitet! spöttisch. Es ist wohl wahr; daß 2 mal 2 4 ist, das ist eine viel gewissere Wahrheit, als daß die Sonne hell scheint! lachend. Ich möchte gleichwohl lieber ein Capitel von Leibnitzens Theodicee gemacht haben, als der Erfinder des Einmal Eins seyn: was für ewige Wahrheiten auch immer darinnen stehen. Zu Jungfer Lottchen. Ich bleibe mit Fleiß bey dem Gleichnisse, was Sie aus der Arithmetik genommen haben: ungeachtet sie nur ein Theil der Mathematik ist. Ich streite Ihnen nicht, daß Leibnitz ein großer Mann gewesen! das macht aber, er war ein großer Mathematicus. zeigt auf Vielwitzen. Da sitzt aber ein Mann, der an der Leibnitzischen Infinitesimalrechnung sehr viel auszusetzen hat. sieht ihn von oben bis unten an. Sie? an Leibnitzens Infinitesimalrechnung? sieht ihn wieder so an. Ja, mein Herr. Ich bin nicht gern ein blinder Verehrer von die großen Leute. Ich untersuche gern alles, und da finde ich, daß sie alle irrende Menschen gewesen. voll Verwunderung. Nun? z.B.: was haben Sie denn daran auszusetzen? hochmüthig. Das wird sich zeigen, wenn mein Werk herauskommen wird. Sie müssen wissen, daß der Herr Vielwitz sein Werk schon auf der Schule, als ein Secundaner, geschrieben hat. Es ist also schon fertig. sich verwundernd. Auf der Schule? Sind Sie auf einer Schule gewesen? Ja, mein Herr. Meines wissens bringt man das Latein nicht mit auf die Welt. Sind Sie etwa auf keiner Schule gewesen? Es wäre eben so gut, wann es unterblieben wäre! Ich habe doch von keinem Lehrer was gelernet, als von dem Mathematico: das ist noch der einzige, von dem ich was gelernet habe! lachend. Haben Sie denn das Lesen und Schreiben schon die ersten acht Tage Ihres Lebens gekonnt? Nun, das könnte wohl seyn! Wenigstens kann ich ihm das Zeugniß geben, daß er so schreibt, als ich in meinem ersten Jahre auch hätte schreiben wollen. lachend. Ja, Herr Sinnreich, Ihre Liebste wird sich erst einmal an D: Fausts Zauberzeichen üben müssen, ehe sie Ihre Hand wird lesen können. stolz. Docti male pingunt! Indessen, um wieder auf die Schulen zu kommen; so wird man da nur mit lauter Ungewißheiten gequälet. Mit der philosophischen Ungewißheit, mit der juristischen, medicinischen, oratorischen, historischen, poetischen und tausend andern Ungewißheiten: so daß noch das einzige Wahre, was man höret, die Mathematik ist. lachend. Also, mein Herr Sinnreich, alles was Sie außer der Mathematik gelernet haben, das ist erlogen? Es giebt wohl einige Arten von halben Gewißheiten, oder Wahrscheinlichkeiten, in den andern Wissenschaften; allein auf die kann ein Kopf, der zu den ewigen Wahrheiten gebohren ist, allenfalls von sich selbst kommen. Dazu hätte ich keine Lehrer nöthig gehabt! Nun es ist mir lieb, daß ich keiner von Ihren Lehrern gewesen bin. Das würde mir ein wenig undankbar vorkommen! Wenn Sie mir die Ehre thun, und meine Lehrmeisterinn werden wollen; so will ich Ihnen gern alle meine Wissenschaften verdanken. Sie werden also wohl schon etwas mathematisches geschrieben haben? Darf ich mich wohl etwas davon zu sehen ausbitten? In etwa vierzehn Tagen, werde ich Sie mit einer Dissertation aufwarten können. Wovon wird sie handeln? Von dem Maaße des Winkels der Abweichung derer Gesichtsstralen, womit ein Schielender einen Gegenstand ansieht. Das ist eine neue Materie! Was ich davon sagen werde, das wird auch alles ganz neu seyn. Die Erfindungen gehören alle meine : und ich habe deswegen kein optisches Werk, ja nicht einmal den Newton nachgeschlagen: ungeachtet dieser noch das einzige Buch ist, das man sich nicht schämen darf, gelesen zu haben. Ich bin recht neugierig, das zu lesen. Die Beweise schließe ich allemal mit einer oder zwey Zeilen aus einem mathematischen Poeten, als Pope, Gebhardi, oder dergleichen. Nun, da sehen wirs! vorhin wollten Sie die Poesie herunter machen, und jetzt spicken Sie Ihre mathematischen Abhandlungen damit aus. Ey Poesie und Poesie ist sehr unterschieden: Ich meyne nicht die Wiegenliederpoeten, wie Opitz, Canitz, Besser, Neukirch, Günther, und andere Dichter; sondern diejenigen, darinn man, das Wahre, das Schöne, das Hohe, das Tiefe, das Dunkele, das Gedachte, das Schalkhafte ... kurz, alles, was man nur abstract nennen kann, antrifft. lachend. Abstract? könnte man das nicht das Abgezogene nennen? lacht. Ja ja! das Abgezoge ne in Gedichten. Das ist sehr schön und abge zogen gesagt! Nun Herr Sinnreich, Sie haben anjetzt den Herren Vielwitz lange genug unterhalten; nunmehr lassen Sie mich auch einmal mit der Dichtkunst daran kommen. Es ist ganz unnatürlich, daß ein Poet so lange schweigen und zuhören soll. Meinethalben! Ich werde zum mindesten von der Poesie auch mit reden können. Dahingegen Sie von der Mathematik schweigen, und uns allein reden lassen mußten. zum Vielwitze. Sie haben unfehlbar schon viel schönes drucken lassen? Nein, das eben nicht. Aber ich denke dennoch, daß meine Arbeiten hier nicht unbekannt seyn können. Ich besinne mich nicht; etwas von Sie gelesen zu haben. erstaunt. Haben Sie nicht vergangenen August die Cantate auf dem Schellhaferischen Saale gehört? Nein. Haben Sie die etwa gemacht? Ja. Der Componist schrieb an mir und ersuchte mir , ich möchte ihm die Ehre thun und ihm eine Cantate machen. zu den andern. Ey! meine Herren, das sollten Sie dem Manne nicht für ungenossen ausgehen lassen! Was? Zween solche körnichte Dichter in der Stadt zu haben, und noch nach Niedersachsen zu gehen, wenn man was schönes haben will? Das litte ich nicht! Sie schütteln die Köpfe. Lottchen lacht. Ich mochte es ihm auch nicht abschlagen: denn ich dachte, es könnte des ehrlichen Mannes Glück seyn. Wenn er aber so dumm gewesen ist, und hat meinen Namen nicht darzu drucken lassen: Da habe ich nicht schuld an ! Da kann ich nicht vor . Nein, wir haben hier nichts davon gewußt. Das ist ein dummes Beest ! Bey mich hat sich ein Componist Haus und Hof mit einer von meinen Cantaten verdient: sie war mich aber auch schön gerathen. O! daran ist kein Zweifel. Indessen, die ich nach hier machte, war auch schön: denn ich dachte, du mußt doch die Leipziger was hermachen, das eine Art hat! In eine Arie hatte ich aus der Algebra was angebracht. Das war recht schön. Ich hatte mich aber auch viel Mühe gegeben ... kann ich mir nicht noch darauf besinnen? Er sinnt nach. Bedienen Sie sich auch der Participiorum, Herr Vielwitz? Ey! die sind meine beste Zierde! Die Cantate war recht voll davon. Was sind das für Dinger, Herr Reinhart? lächelnd. Das ist eben das, als wenn ich Ihnen sagte: zu kalt zum Trin ken , wird der Caffee wohl weggeräumt werden müssen. lacht. So so! und: Nicht gebohren zum aufwarten , werde ich wohl den Diener rufen müssen. Sie steht auf; die andern lachen und Jambus aus vollem Halse: so daß sich Lottchen die Ohren zuhält und abgeht. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Herr Reinhart. Herr Vielwitz. Herr Jambus. Herr Sinnreich. Das ist mir eine herzliche Freude, daß ich höre, daß Sie die Participia lieben. Mir ebenfalls. Ohne Participia kann man gar nichts denken. Und für einem Verse, der nicht gedacht ist, da stehe ich nicht vor auf. lachend. O freylich! Und gedacht, das heißt wacker undeutsch geredet. Ey, das macht, Sie haben sich in der deutschen Schaubühne verliebt, drum finden Sie keinen Geschmack an klugen Versen. So? das heißt, in der deutschen Schaubühne steht lauter dummes Zeug? Nun, wer poetische Wassersuppen lesen will, der kann sie gewiß da finden. Ey meine Herren, es ist mich eine rechte Freude, daß Sie auch hierinnen meiner Meynung sind. Ein einzig Stück nehme ich aus; davon ist der Verfasser mein guter Freund. Aber die andern taugen alle nichts. Sie meynen etwa das erste Stück in einem gewissen Bande? Ja, ja! Es heißt doch aber auch zuweilen: bonus dormitat Homerus. Alle Zeilen sind freylich nicht gedacht. Indessen ubi plura nitent in carmine etc. diese Regel brauche ich zwar sonst bey keinem Gedichte: aber weil dieß mein guter Freund ist! Die andern sind alle unend lich unter dem! Das Matte , das Kalte , das Unwahrscheinliche ... lächelnd. Das sich nicht Lesenlassende ? Nicht wahr? Freylich, ich weis nichts ungeschickters, als der Jean de France, der sich auf dem Theater das Kleid abzieht. Er lacht hönisch. Und der dumme Schöps, der im Menschenfeinde die Participia lächerlich machen will! Nein! ich hätte mich in einem solchen Werke doch bessere Sachen vermuthet. Da wird unsere Zeit keine Ehre von haben. Sollen das Meisterstücke seyn? Wo hat denn der Herausgeber welche versprochen? heftig. Aber wir fordern welche! lacht sehr. Ganz gut. Wenn er einmal für Sie ganz allein eine Schaubühne herausgeben wird: so wird er sich vielleicht auf welche befleißigen, oder sich Ihre eigene Arbeiten ausbitten, die Sie doch wohl für Meisterstücke werden gelten lassen. Es kömmt ein Diener und nimmt den Caffeetisch weg. Anjetzt aber ist seine Absicht nur gewesen, Stücke zu liefern, die nicht so sehr wider die Regeln verstießen, und den Comödianten Sachen zu liefern, die viel gesitteter und gescheidter wären, als das elende Zeug, was sie bisher fast überall gespielt haben. Das werden Sie doch den Stücken in der Schaubühne nicht absprechen können. sie lachen alle drey spöttisch. Sie meynen doch auch die Banise? Ja, ja, auch die! denn sie ist doch unendlich besser, als die alte prosaische Banise, die man gleichwohl noch immer spielt, so dumm als sie ist. Setzen Sie sich aber nur hin, und machen Sie eine bessere, wenn Ihnen diese nicht gefällt. Das wird den Herausgeber nicht verdrießen, sondern ihm eine wahre Freude seyn. Herr Jambus lacht sehr. O das ist eine kluge Antwort! mich dünkt doch, es giebt keine bessere Art zu beweisen, daß eine Sache schlecht sey, als wenn man sich geschwinde hinsetzt, und was bessers macht. Wir verstehn das Theater auch ein wenig, mein Herr Reinhart. Nun gut. Wo sind denn die Meisterstücke, die Sie gemacht haben? Ich sehe sie doch noch nicht. So müssen Sie gewiß noch nicht das Päckchen gelesen haben, was ich Ihnen gestern Abends mit gab. Ich habe freylich einige gemacht. Nein, ich bin heute Vormittags sehr beschäfftigt gewesen. Und von meinen Sachen haben Sie genug gelesen? Ja. Nur daß ich daran gewiß eben so viel auszusetzen hätte, als Sie an der deutschen Schaubühne auszusetzen finden. Und was wollten Sie wohl an meinen Stücken aussetzen? Fürs erste dieses, daß sie undeutsch sind. Ha! ha! ha! sind Sie auch einer von die Mückensäuger, die der Grammatik zu gefallen, einen schönen Gedanken ersticken? Ich schreibe nicht für die Leute, die erst decliniren und conjugiren lernen wollen. Sie schreiben aber für Ihre Leser, und denen gefällt man eben nicht mit Sprachschnitzern. O ja, ich lese allemal lieber einen schönen Gedanken, als einen richtigen Ausdruck. Und mir dünkt, ein Gedanken kömmt mich noch einmal so schön vor, wenn der Ausdruck wider die Grammatik läuft. Ich will Ihnen noch mehr sagen, der ganze Gedanke besteht oftmals nur im Schnitzer: wenn Sie die Worte recht zusammen setzen; so ist gewiß kein Gedanke mehr da. Ach! das ist nur eine Erfindung der seichten Köpfe, die nicht die Fähigkeit haben zu denken. lachend. Je, meynen Sie denn, daß eine so große Kunst dazu gehöre, Sprachschnitzer zu machen? Das kann ich alle Augenblicke auch; wenn das anders Witz und Hexerey heißen soll. Aber warum machen Sie es in den lateinischen Versen nicht auch so? Warum binden Sie sich da an die Grammatik? O das ist was anders! Deutsch ist nicht lateinisch! Ja, das höre ich heute nicht zum erstenmale. Die lateinische Sprache hat nun einmal ihre Regeln. Allein man müßte sehr verblendet seyn, wenn man das auch von der deutschen sagen wollte. Was? die deutsche Sprache hat also keine Regeln? Nein. Man kann im Deutschen alles sagen, was man will. Das bestreite ich nicht; aber man kann und muß es auch mit guten deutschen Ausdrücken sagen. Nein, über dem Zwange geht mancher schöne Gedanke verloren. Ich wollte wohl wetten, daß sich dieß unter hundertmalen nicht zweymal zutrifft. Z: E: Ich las neulich in einem Gedichte, da ein Verliebter seine Schöne um Gegenliebe ersuchet, den Ausdruck; uns wird nicht immer Frühling seyn . Ist das nicht ein bloßer Latinismus? Latinismus oder nicht! der Gedanken ist doch schön. Ja, er ist all artig. Würde er aber nicht bleiben, was er ist, wenn ich ihn nun gleich so verdeutschete: Wir werden nicht immer jung seyn? Sie schreyen alle drey. Nein! nein! nein! das ist kalt, matt, frostig! zuckt die Achseln und lacht. Da sehen Sies ja nun, daß Ihnen bloß der Sprachschnitzer gefällt; der Gedanke ist ja eben derselbe. Bey Leibe nicht. Uns wird nicht immer Frühling seyn! das ist so malerisch, so körnicht geredet. Das andere ist lauter Wasser dagegen. Wahrhaftig! Mir ist Frühling ; das kömmt mir eben so vor, als wenn ich mit den Epistolis obscurorum virorum sagen sollte: Habemus valde calidam Aestatem. Sie lachen alle. Nun es ist mir lieb, daß wir den Herrn Vielwitz hieher bekommen haben. Wissen Sie was, Herr Jambus, wir müssen eine Gesellschaft mit einander aufrichten. Von Herzen gern, da bin ich mit bey . Und zwar eine Antigramma tikalische . Ja, ja! daß wir die Leute einmal das Vorurtheil aus den Kopf bringen, daß man denken und doch rein Deutsch schreiben müsse. Sie haben es getroffen. lachend. O du arme deutsche Sprache! erzittere! dir wird nicht immer Schönheit seyn! Nun, nun, spotten Sie nur nicht! Ihre Gedichte sollen brav herhalten, wenn Sie welche machen werden, die rein Deutsch sind. O das Märtyrthum würde mir eine Ehre seyn! allein es hat keine Noth. Ich treibe jetzt mein Advocatenhandwerk; weil mir ein witziger Kopf, der kein Brod hat, ein sehr elendes Geschöpf zu seyn scheint. Ich werde deswegen doch wohl wegen alter Bekanntschaft den Musen gewogen bleiben. Allein meiner Muttersprache auch. Wenn ich schlechtes und verstümmeltes Deutsch lesen will: so lese ich meine Acten und die Zeitungen! und wenn ich mir über einem Gedichte den Kopf zerbrechen will, so lese ich den Pindar und Persius selbst: und nicht ihre neuern Nachäffer. zu den andern. Lassen Sie ihm gehen. Den bekehren wir schon nicht! wie soll denn aber unsere neue Gesellschaft heißen? Ja, einen Namen müssen wir doch haben. Wie wäre es, wenn wir uns die par ticipialische Gesellschaft nennten? Nein, nein! das würde nur eine einzige Eigenschaft ausdrücken: wir müssen aber auch zugleich andeuten, daß wir auf das Körnichte , und auf die Gedanken gehen. lachend. Ey! so nennen Sie sich die denkende Undeutsche Gesell schaft , oder die undeutschdenkende Gesellschaft . Die Denkende ? das gienge wohl hin; aber die Undeutsche, das ist nichts: denn damit gäben wir selbst zu, daß unsere Gedichte undeutsch wären. Freylich. Er besinnt sich. Wissen Sie was, meine Herren? wir wollen uns die denkende Sprachschnitzer-Gesell schaft nennen. Ja, ja: der grammatikalischen Zunft zu Trotze! Gut, gut! das drückt auch zugleich aus, daß wir nicht allein die Participia; sondern auch alle andere Schnitzer in der Sprache dulden. Ja: nur daß der Poet auch denke ! denn denken muß er! sonst ist alles nichts. Nun also heißen wir: die den kende Sprachschnitzer-Gesell schaft . Sie sagen alle. Ja! ja! Und geben sich die Hände, umarmen sich auch. Ein jeder sagt. Ihr Diener, Herr College. macht einen Reverenz an sie. Ich gratulire von Herzen zu dieser neuen Societät, die den menschlichen Verstand wieder zu seiner alten Würde verhelfen wird; und empfehle mich Dero herzinniglichem Mitleiden, meine hochzuehrenden denkenden Herren Sprachschnitzler! Sie schütteln die Köpfe. Bey wem versammlen wir uns denn künftig meine Herren? Wollen Sie zu mich auf mei ner Stube kommen; so steht Ihnen allemal ein Glas Wein und ein Stück Hamburger Rauchfleisch zu Diensten. Ey! die Anerbiethung nehmen Sie ja an, meine Herren. Es denkt sich noch einmal so gut, wenn man was zum Besten darbey hat. Wenn es Sie so beliebt, so lasse ich mirs gefallen. Wenn es Sie nur nicht zu beschwerlich fällt, mein Herr Vielwitz. Im geringsten nicht; es soll mich eine Freude seyn. Und da wollen wir alles, was Neues herauskömmt, vornehmen, und das Seichte, das Matte, das Niedrige, das Kriechende, das unendlich drunter seyende, u.s.w. untersuchen. Ja, ja. Damit wir uns aber nicht mit allem dem schlechten Zeuge, was die andern Scribenten schmieren, den Geschmack zu sehr verderben: so wollen wir jedesmal uns auch von unsern Arbeiten was vorlesen; und uns sonderlich bemühen, unsre Sprache mit den abgebrochenen Redensarten der Engländer zu bereichern; die von den wässerichten Dichtern insgemein Anglicismi und Barbarismi genennet werden. Ja, und mit der Zeit können wir das, was wir uns denn vorgelesen und so gemustert und geändert haben, daß gar nichts mehr daran auszusetzen ist, als Muster der deutschen Dichtkunst in einem Bändchen drucken lassen. Noch zur Zeit sehe ich nicht, daß die Welt es werth wäre, etwas von mir zu lesen. Die Zeiten müßten sich noch sehr ändern! Nun? wenn kommen wir zum erstenmale zusammen, meine Herren? Wenn es Sie beliebt, Herr Vielwitz, so können wir morgendes Tages anfangen. Ja, meine Herren. Ich werde die Ehre haben Sie zu erwarten. Darf denn ein so unwürdiger deutscher Michel, als ich bin, zuweilen auch das Glück haben, Ihren denkenden Versammlungen beyzuwohnen. Ja, ja; aber nur als ein Zuhörer. Ja, er muß weder richten, noch was wir verurtheilen, vertheidigen. Denn er versteht das nicht, was zu einem recht schweren Verse gehört. lächelnd. O das bescheide ich mich gar gerne! ich will mich nur ein wenig von der grammatikalischen Sucht, die mir anklebt, zu befreyen suchen. Wer soll denn zuerst lesen? Ich habe eine mathematische Abhandlung von der Chloris Strickzeuge unter Händen; sie ist aber noch nicht fertig. Denn sie wird sehr ironisch, und sticht im vorbeygehen mehr als zwanzig von meinen guten Freunden und Lehrern an. Auch auf meine eigene Aeltern kommen ein Paar Püffe drinnen vor. Ein feines Werkchen! eine mathematische Satire! Ja, ein Philosoph ist mit niemanden verwandt, und niemanden verbunden. Er geht gerade durch, und sagt allen die Wahrheit. Haben Sie indessen was fertig, Herr Jambus; so können Sie anfangen. Ja, ich habe eine Tragödie unter Händen, davon ist der erste Act fertig. Dergleichen muß noch nie gesehen seyn! sie besteht aus lauter epigrammatischen Gedanken, zwey und zwey Zeilen, oder selten vier Zeilen, machen allemal ein Sinngedicht aus. Jedes Stück davon hat mich wohl einen halben Tag Arbeit gekostet: und die trage ich nun zusammen, und schreibe nur die Namen drüber. Sie bringen mir da auf einen Einfall. Gienge es nicht an, daß man auf eben der Art, aus dem Martial oder Ovenus eine Comödie machte? An satirischen Einfällen würde es nicht da fehlen, wenn jede Person, so oft sie den Mund aufthäte, eine stachelichte Spitzfündigkeit vorbrächte. Warum nicht? Sie werden nur hören, daß sich mein Stück vortrefflich ausnimmt. Einige Stellen sind mir ganz besonders glücklich gerathen. Sophokles und Euripides sind lauter kaltes Wasser dagegen. Das glaube ich wohl! Aber welche Zuhörer werden ein so spitzfündiges Stück verstehen, wenn es aufgeführet wird? Ich überlasse es dem poetischen Pöbel für den Pöbel zu schreiben: ich schreibe nur für die Weltweisen und Mathematicos. Und ich versichere Sie, daß weder Wolf noch Bülfinger, noch Euler Ihre Tragödie lesen werden. Man weis, was man von den neuen Propheten zu halten hat. Haben Sie nicht auch was schönes fertig, Herr Vielwitz? Ich habe ein Schäferspiel verfertiget, davon ich dem Herrn Reinhart gestern eine Abschrift gegeben habe. Darinn herrscht durchgehends das Schalkhafte . Er lacht innerlich. Es ist ein heilloses Ding! Darf ich den Namen wissen? Es heißt die Nothzüchti gung . Ein vertraktes schalkhaftes Stück! sieht ihn von Haupt zu Füßen an. Die Nothzüchtigung? ein Schäferspiel? Das bin ich neugierig zu hören. Sie werden Ihre Lust dran hören. Es hat mich auch manche sauere Stunde gemacht. Aber, um unserer neuen Collegialischen Freundschaft willen! Herr Vielwitz, brauchen Sie doch das Mich und Mir nicht immer so falsch. Die Ohren thun mir schon ganz weh! Ja, es ist entsetzlich, Ihnen so reden zu hören. Und es ist eben so entsetzlich, meine Herren, Ihr beständiges falsches Sie und Ihnen zu hören. lacht spöttisch. So? wir werden endlich noch von den Niedersachsen Deutsch lernen sollen! Warum nicht? das Deutsche wäre eben nicht die einzige gescheide Sache, die der Herr und sein College von uns Niedersachsen zu erlernen nöthig hätte. Ey! meine Herren, wie ist es möglich, daß die Stifter der Sprachschnitzergesellschaft, sich über ihre Sprachschnitzer entzweyen können? Sie müssen ja zum besten der gemeinen Sache, ein jeder die Seinigen mit beytragen helfen. Ich nehme mich der obersächsischen Sprachschnitzer nur an: die sollen hier allein gelten; in Niedersachsen mögen die niedersächsischen schön seyn! Ja, aber die Niedersächsischen sind ja wider alle Vernunft. Ich habe obersächsische Leute gesehen, die eben so unvernünftig gewesen, als ihre Sprachschnitzer; und nöthig hätten, ein paar Jahre nach Niedersachsen zu ziehen, um gescheide Leute zu werden. Wen meynen Sie damit, Herr Vielwitz? Ich nenne niemanden, und meyne mehr als einen. Mein Herr Sie sind doch nicht etwa in die Hundstage gebohren? Nein: wahrhaftig nicht! denn es ist mich noch nie eingefallen, aus lauter Epigrammatibus ein Trauerspiel, oder eine Comödie zu machen. Ey! meine Herren, Sie fangen an zu denken , wie ich sehe. Sie haben ja wohl eine große mächtige Selbstliebe im Leibe! Ich habe aber noch nie auf mei nen Aeltern ein Pasquill gemachet. Mein Herr, Ihr Beyfall wäre gerade der schlechteste Lohn für meine Schriften. Ich bedanke mich vor Ihrer Schnitzergesellschaft! Ich mag dar nicht ein ! Das erste Gedicht so ich darinnen vorlese, soll eine Satire auf Ihnen seyn. Und ich will eine Critik über Ihrer Tragödie machen, daß keiner sie mit Füssen wird treten wollen. Herr! fangen Sie mit uns nicht an: wir sind fähig die größten Gelehrten lächerlich zu machen. Wir sind ohne dieß Willens, ein neues Wochenblatt anzufangen, das soll der Lustig macher heißen: da könnten Sie eine Stelle darinnen bekommen. Es müßten sehr lächerliche Leute seyn, die sich auf solche lächerliche Criticos verließen. Ey! warum sagen Sie nicht, auf solche Criticis, das wäre ja ein schöner Niedersaxonismus gewesen. Sinnreich und Jambus lachen überlaut. Um des Himmels Willen! meine Herren, hören Sie auf zu denken . Dort kömmt Jungfer Lottchen. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Die Vorigen. Jungfer Lottchen. Nun? Es geht fein burschikoos auf meiner Stube zu. Verzeihe Sie es Mademoiselle. Ich dachte ich wäre unter gelehrten Männern gekommen: so sehe ich wohl, daß es nichts mehr, als Studenten sind. Ja, wir geben Lection im Lateinischen conjugiren und decliniren. Wenn Sie etwa auf der Schule damit nicht fertig geworden sind, Herr Vielwitz: so dörfen Sie es nur sagen. Ey meine Herren! In meiner Gegenwart bitte ich, sich entweder nicht zu zanken; oder einen andern Ort dazu zu erwählen, als mein Zimmer. Herr Vielwitz hat mir heute früh etwas von seinen Versen geschickt, das wollen wir durchlesen. Der Herr Jambus und Sinnreich verstehen die Poesie so wohl, daß sie entweder die Arbeit bewundern, oder tadeln können werden. Sie nimmt den Brief vom Tische und erbricht ihn. schreyt sehr. Was? ich sollte mich dahin setzen, und eines andern Dichters Arbeit anhören? Das ist mir unmöglich! Daß andere Leute mir meine Gedichte 6 Stunden lang zuhören müssen, das ist wohl meine Gewohnheit: allein so, scheide ich davon. Er läuft in den Winkel, rafft seinen Degen und Stock auf, und läuft ungestüm ab. 8. Auftritt Achter Auftritt. Jungfer Lottchen. Herr Reinhart. Herr Sinnreich. Herr Vielwitz. Das ist ja ein ungezogener Mensch. Mich wundert, daß nicht alle seine gute Freunde taub sind. Sie setzt sich und die andern setzen sich auch. Er fühlt sich freylich, daß er ein sehr witziger Kopf ist. Er würde aber sehr wohl thun, wenn er nicht nur seine Stärke, sondern auch seine Schwäche fühlte. giebt Reinharten den Brief. Da Herr Reinhart, thun Sie uns den Gefallen, und lesen Sie dieß laut. Ich werde wohl genug zu thun haben, daß ichs nur verstehe. liest. »Werthgeschätzter liebster Herr Vater ...« springt erstaunt auf, und will ihm den Brief entreißen. Er aber versteckt ihn. Um des Himmels Willen! was haben Sie da? Geben Sie mich den Brief, wofern Sie es ein Bißchen gut mit mich meynen. Bey Leibe nicht, Herr Reinhart! sonst verlieren Sie alle meine Gunst. weigert sich gegen Vielwitzen. Da sehen Sie es! das ist ja der ärgste Fluch den eine Schöne nur thun kann. ängstlich. Es ist aber ein Brief an meinem Vater ... Es stehen da Domestiksachen innen.... Ich bitte Sie um alles, warum man in der Welt bitten kann. Nein, nein! ich muß durchaus wissen, was darinnen steht: es werden doch solche heimliche Sachen nicht seyn, die Sie ihm von hieraus schreiben könnten. Sie sind ja nicht verheirathet, Herr Vielwitz? fällt vor ihr auf die Knie. Ach! Ach! ich bitte Sie auf das inständigste, Mademoiselle, lassen Sie mich den Brief wiedergeben. Gelt! Sie haben eine Liebste zu Hause gelassen? Die muß ich erfahren! Lesen Sie nur Herr Reinhart. springt auf, und hält Reinharten, welcher lesen will, den Mund zu. Ach allerliebstes, englisches Reinhartchen, ließ nicht! Nun so geben Sie mir den Brief wieder her. Ich will ihn sachte für mich lesen. sehr ängstlich. Ach! ich bin des Todes, wo Sie ihn lesen, Mademoiselle. Er windet die Hände. Was habe ich in der Eile vor einen Irrthum begangen? Da habe ich die Verse an Sie, in meines Vaters Brief eingesiegelt, und den Brief an meinem Vater, bey Sie eingeschlagen. Er wirft sich ganz matt auf den Stuhl und windet die Hände. Wenn Sie nicht so ängstlich thäten: so wäre ich nicht halb so neugierig. Geben Sie mir nur den Brief, Herr Reinhart: ich will ihn zum mindesten für mich allein lesen. Sie liest und sieht den Vielwitz dann und wann ernstlich an, und macht erstaunte Geberden. Vielwitz sitzt ganz ängstlich auf dem Stuhle. Reinhart zieht einen versiegelten Brief aus der Tasche und macht ihn auf. Nun das hätte ich mir von Ihnen nicht vermuthet, Herr Vielwitz. Für alle Höflichkeit und Ehre, die Ihnen in unserm Hause wiederfahren ist; ja ich sage mehr: für alles das Gute, was der alte Herr Reinhart, wie ich gewisse Proben davon habe, mit Ihnen noch im Sinne gehabt hat, dafür schreiben Sie Ihrem Vater so verächtlich von ihm? Gesetzt, daß er auch so wenig Vernunft und Witz hätte, als Sie schreiben: so hat er doch ein redliches Herz, und dieß macht allemal ein besser Glück in der Welt, als der größte Witz; wenn er mit einem bösartigen, hochmüthigen und undankbaren Herzen verknüpft ist. Was meine Wenigkeit anlanget: so versichere ich Sie, daß, wenn ich Ihnen zu dumm bin, Sie mir hergegen so klug noch nicht sind, daß ichs nicht schon vor 14 Tagen gesehen hätte, daß Sie ein Geck sind. Was diesen jungen Herren Reinhart betrifft ... Wie? was? Stehe ich auch darinnen? O ja! der Herr Vater wird es Ihnen schon zu lesen geben. Zum Vielwitz. Was ihn belanget! so versichere ich Sie, daß seine empfindlichste Rache an Ihnen, der Verlust seiner Freundschaft ist, die er Ihnen bisher ohnedieß nur aus Ehrfurcht gegen seinen Vater bewiesen hat. Die witzigen Köpfe hier in der Stadt, von denen Sie, ehe Sie sie noch gekannt, so verächtlich geurtheilet haben, die werden sich unfehlbar selbst rächen, und Ihnen gleiches mit gleichem vergelten. hitzig. Was? was? hat er von den witzigen Köpfen allhier auch übels geredet? O ja! Er schildert sie so schön ab, daß er ihnen endlich keine bessre Benennung zu geben weis, als daß sie dumme Jungen sind. zum Vielwitz. Warten Sie, Sind Sie der Haare? das will ich dem Jambus sagen! Wir wollen eine Satire auf Ihnen machen, die sich gewaschen haben soll. Er läuft in die Ecke, nimmt seinen Hut und Degen und geht zornig ab. Ich will hinunter gehen, und dem alten Herrn Reinhart doch zeigen, was für einen schönen Gast er hier im Hause hat. Sie will gehen. Ey, warten Sie noch ein wenig. Hier ist noch ein andrer Misverstand vorgegangen. Die Verse die Sie haben kriegen sollen, die sind hier an mich eingesiegelt. Lesen Sie sie doch. Er giebt sie ihr. Ach! ich habe viel zu wenig Verstand dazu. Sie schmeißt sie dem Vielwitz vor die Füße, und geht zornig ab. 9. Szene Neunter Auftritt. Herr Vielwitz. Herr Reinhart. sehr erschrocken. Was? Sie haben die Verse an der Jungfer, in Ihrem Umschlage? Ja, da sind sie. Er giebt sie ihm. schlägt die Hände zusammen. Nun bin ich verlohren! das ist wieder ein neues Unglück vor mir . Wie so? Ach! so habe ich meinem Vater das verwünschte Schäferspiel eingesiegelt! Was wird der Mann von mir denken? Er enterbt mich gewiß: denn er ist ein sehr hitziger Mann. Ich bin des Todes! Ich wollte gern ein Mitleiden mit Ihnen haben: allein es ist mir allemal eine Freude, wenn die Thorheit und Bosheit in ihre eigene Falle fällt. Ich muß den Augenblick der Post eine Staffette nachschicken, und versuchen, ob ich meinen Brief wieder bekommen kann. Mein Diener aber soll mir noch heute die Post bestellen. Ich will stehendes Fußes von einer Akademie fort, wo mir alles so verkehrt geht. Er geht ab. Und ich will die schöne Lobschrift lesen, die Sie mir gemacht haben: damit ich Ihnen desto herzlicher zu Ihrer Abreise Glück wünschen könnte. Er geht ab.