Christian Dietrich Grabbe Herzog Theodor von Gothland Eine Tragödie in fünf Akten Personen Personen. Olaf, König von Schweden. Der alte Herzog von Gothland. Theodor, Herzog von Gothland, Kronfeldherr, Friedrich, Herzog von Gothland, Reichskanzler, Söhne desselben. Graf Skiold. Cäcilia, seine Tochter, Gemahlin Theodors von Gothland. Gustav, ihr Sohn. Graf Holm, Graf Arboga, schwedische Große. Biörn, ein schwedischer Hauptmann. Erik, Burgvogt Theodors von Gothland. Rolf, Diener Friedrichs von Gothland. Tocke, ein Verbrecher. Berdoa, ein Neger, Oberfeldherr und Oberpriester der Finnen. Usbek, Feldherr der finnischen Reiterei. Rossan, Irnak, Feldherrn der finnischen Infantrie. Volk; schwedische Große; schwedische und finnische Hauptleute und Soldaten; russische, norwegische und deutsche Krieger usw. 1. Akt 1. Szene Erste Szene Die Ostseeküste bei Nyköping. tritt auf. Wie? Seh ich recht? Die Küstenwachen fliehn! Ein Soldat kommt voller Eile. Wohin Soldat? Ich suche Euch. Was gibts Am Ostseestrand? Der Finne landet! Landet? Hoho, hörst du das sturmgeschlagne Meer An jenen Felsenufern branden? Den möcht ich sehn, der jetzo wagt zu landen! Der Finne wagts! Blickt nordwärts! Ja, fürwahr! Dort steurt die Finnenflotte! – ha, sie scheitert! Der Wind treibt sie zur Küste! ihre Masten, Die sturmzerfetzten Segel schwingend, wanken Hoch zwischen Meer und Himmel! hinter der Szene. Zieht Die Segel ein! Hört, hört! Was war das? Die Finnenfeldherrn kommandieren! hinter der Szene. Werft über Bord die Masten! Ist Das nicht der Ruf des blutbefleckten Negers? Er ist es; bebend hab ich oftmals in Den Schlachten ihn vernommen! Horch! schon wieder! hinter der Szene. Ihr Finnen! Blöcke Eises, welche sich Vom Eismeer losgerissen, wirft die Flut An unsrer Schiffe Bretterseiten; drum Verlaßt die Schiffe, eh sie euch verlassen; Nehmt eure Degen zwischen eure Zähne, Stürzt euch ins wütge Meer, erringt Der See zum Trotz die Schwedenküste, wagt Wie ich den Tanz im Wasser! Folgt Mir nach! hinter der Szene. Wir folgen dir! Weh euch, ihr Städte Schwedens! Weh! eure hohen Türme werden fallen! Kein strandbewachend Heer ist aufgestellt, Nichts dämmt den Einbruch dieser Mörderhorden! Zu dem Soldaten. Wirf dich aufs Pferd und nach Upsala flieg Und meld dem Kön'ge, was du hier gesehen! Leb wohl! – Ich rufe zur Verteidigung Des Landes schnell die Strandbewohner auf! Auf! laßt die Feuerglocken tosen, laßt Die Notsignale weithin lodern, greift Die Waffen! Bauer, Städter! zu den Waffen! Die Finnen sind gelandet! Von den Bergen Und von den Türmen ruft es durch das Land! Er geht ab; Stimmen in der Ferne rufen. Die Finnen sind gelandet! die Finnen sind gelandet! Usbek tritt sehr rasch auf, in der Hand ein finnisches Feldzeichen; Finnen folgen ihm. Da stehe ich, zuerst von allen Finnen, Auf Schwedens Küste, seiner Felsenschwelle, Und pflanze meines Volkes Schlachtpanier Der Christenheit zum Hohn in schwedschen Boden! Er tut es. – Zu einem Krieger. Bewach es mit gezücktem Schwert. – Hier standen Zwei Schweden; sendet Reiter aus, sie zu Verfolgen! Zu den Finnen, die sich im Hintergrunde sammeln. Steht! Hinter der Szene wird gerufen. Den Mohren rettet! Rettet ihn! tritt auf. Herr – Was bedeutet jener Auflauf? Unheil! Dem Oberfeldherrn schleuderten die Wogen, Als er zum Ufer schwamm, 'nen Balken Aus einem Schiffswrack knochenbrechend an Die Brust! Ist er gerettet?? Glücklich ward er Dem Meer entrissen, doch – Welches Doch? Jetzt droht ein Blutsturz seinem Leben. Fällt Der Mohr, so ist auch Finnlands Fall nicht fern. Die Götter hassen uns! – Wo find ich ihn? Seht, Dort kommt er selbst, von Irnak hergeführt. »Im Angesicht des Heers«, so sprach er, »will Ich leben oder sterben!« Berdoa kommt, langsam, gestützt auf Irnak – Usbek – Finnen. Jetzt steht Ihr vor Der weitgedehnten Fronte unsres Heers. Was sagst du, Irnak? Jetzt steht Ihr, sag ich, vor Der weitgedehnten Fronte Eures Heers. zu Usbek. Euch Reitern ist wohl manches Pferd ertrunken? Auch nicht ein einziges, mein Feldherr; schaut, dort Am Meere halten meine mutigen Schwadrone. Seh es nicht; ein dunkler Flor Umhüllt mein Auge und raubt mir die Sonne. Das kommt vom Blut; es stieg Euch ins Gesicht. Schweig! mahn mich nicht daran; es meldet sich schon Von selbst! – Ho, faßt mich! – Da erneuet sich Der Blutsturz! Luft! Luft, Luft! Zerrissen sind Mir alle Adern in der Brust! Sehr heftig. O, welch Erbärmlich Flickwerk ist der Menschenleib! Jetzt fühl ichs recht, daß mich ein Weib gebar! Sprecht leis! Ihr röchelt! Auf dem Boden, Feldherr, dampft Dein Blut, – es brennt mir schmerzlich durch das Aug Bis in die Seele! Schwatzt nicht! Helfet! Helft, Wenn ihr es könnt! Setzt diesem Blutsturz Grenzen, – Er schwemmt mich weg, – das Eingeweide löst Sich los, – er höhlt mir Brust und Leib aus, – In höchster Angst, lautschreiend. Es ist vorbei mit mir, – wer kann mich retten? Weh, Wehe, Wehe! tieferschüttert. Weh, nur Töten, nichts Als Töten habe ich gelernt! So klag nicht; auch Mit deinem Töten, Freund, kannst du mir dienen! Wie könnt ich das? Ihr weint um mich, ihr Finnen, So rächt mich auch! – Ein Held liebt Tränen; doch Nicht solche wie ein Weib sie weint; die Tränen, Die roten Wunden, das Geseufz der Feinde Erfreuen sein Gemüt! – – Hexerei Der schwedschen Christenpriester – quäl sie Gott! – Hat mir dies Unglück angetan. Warum Traf jener Balken grade meine Brust? Die Pfaffen hatten ihn auf meinen Leib Gehetzt! Rächt mich an ihnen, Finnen! Ich, euer Oberfeldherr und eur Oberpriester, Gebiet es euch als heilge Pflicht; zerschmettert Mit ihrer Kirchen Einsturz ihre Häupter! Sie sollen blutge Buße tun, zertreten Von meiner Pferde mordgewohnten Hufen! Sie sollen winseln unter diesem Säbel! tritt auf. Ein schwedischer Gesandter will Gehör. Wie? ein Gesandter? Laßt den Schweden kommen. Rossan geht ab. Der Blutsturz hat mir Leib und Seel empört; Der Europäer mag sich hüten, mich Zu reizen. – Graf Holm und Rossan treten auf. Führt euch der Neger an? Der Pöbel schimpft Ihn Oberfeldherr. Dort siehst du ihn stehn. Als er nach Finnland kam, da trug er Fetzen, Doch jetzt umhüllen Purpurmäntel ihn. Ein Blutsturz will ihn an den Boden schmeißen. Beliebts, so red ihn an. Sie treten vor. zu Berdoa. Der Gesandte. – Wer sendet dich? Der Schwedenkönig. Reiten Des Königs Boten auf dem Winde? Kaum Gelandet, so sind auch Gesandte da! Auch ich dacht euch in Finnland erst zu treffen, Nicht unterwegs. Ha, ich verstehe dich: Wir haben dir die Reise übers Meer Erspart. Im Namen meines großen Königs, Des Herrn und Fürsten dieses Bodens, frag Ich dich, das Oberhaupt Der Finnenrepublik, was führet euch Gerüstet, drohend und mit Heeresmacht Zu diesen Küsten? Gott hat uns geführt! Er ging den Schiffen gnadenvoll vorauf, Und ebnete des Meeres rauhe Wege; Es war Sein Wind, der unsre Segel schwellte, Und als die Schiffe brachen – Hei, da rührt Sich mein empörtes Blut! Es straft dich für Die Gotteslästerung! Der Gotteslästrung, Schwede, zeihst Du mich? Ha, dafür brennen Noch heute abend vierzehn schwedsche Dörfer! Usbek, du zündest sie mir an! ruft aus der Szene. Versehet euch Mit Feuerbränden, Reiter! Mohr, du stehst Am Grabesrand; der rohste Heide denkt In seiner letzten Stunde, wo dies Leben Zu Nichts, die Ewigkeit zu Allem wird, An die Vergeltung, sucht voll heißer Reue Durch Tränen und Gebet die Fürchterliche Mit seinem Leben zu versöhnen; Neger, Du hast genug zu büßen; Neger, tritt nicht Von frischem Mordbrand dampfend vor sie hin! Nichtsdestowen'ger bleibts bei vierzehn Dörfern. – Du redest da, als wär mein Lebenslicht Schon ausgeblasen; Schwede, sieh dich vor! Berechne nicht auf Europäerart Die Nähe meines Todes; denn so schnell Und kläglich, wie ihr Europäer, denen Das dürre Fleisch auf dürren Knochen hängt, Als hinge es am Pranger! deren Haut Ein Sonnenstrahl zerschindet; die im Gesicht Die Blässe der Verwesung tragen, daß ich Aas wittre, wo ich einen eurer Art Erblicke, – stirbt kein Neger, welcher in Den Wäldern Afrikas mit Löwen und Mit turmbeladnen Elefanten Zur Kraft aufwuchs! Tor, du schmähst das Volk, Das dir gehorcht, denn auch der Finne ist Ein Europäer. Gott behüte! Das ist Der Finne nicht; er ist verwandten Stamms Mit mir. Mit steigender Stimme. Der Finne weiß, daß seine Väter In grauer Urzeit ausgezogen sind Aus Asiens Steppen; jahrelang sind sie Gereist; – sie bauten endlich ihre Hütten an Der Ostsee ewig donnernden Gestaden. Ihr gönntet ihnen jene Felsenfluren Nicht: rastlos jagen schwedsche Jäger Wild Auf finnischen Revieren; schwedische Korsaren steigen aus an unsren Küsten Um unsre Dörfer auszuplündern; – arm ist Der Finn wie Finnlands schneebedeckter Boden – Der Schwede jagt sein Wild, raubt seine Habe, – Dafür verheeren jene Sechzigtausend, Die dort am Strand des Meers die Lanzen schwingen, Das weite schwedische Gefild! – Finnland Und Schweden können beide nicht bestehn, So soll denn eins von beiden untergehn! ihre Waffen aneinanderschlagend. Das Schwedenreich soll untergehn! Ich hoff Es zu erleben! Hoffe nicht so töricht! Du wenigstens erlebst es nie! Das Meer Erbarmte sich der Menschheit und zerbrach Dir deine Rippen; – du hast ausgemordet; – Dein Haupt hängt lahm auf deiner Brust Und diese, welche sich so oft dem Feind Entgegenwarf, ist nun zerschmettert; – bald hat Sie ausgeatmet; fortan riechst du nicht mehr Den Dampf des Europäerblutes, den du So gern mit aufgerißnen Nüstern Einschnobst; – in wenig Stunden freuen sich Die Guten über deinem Grabe! Wohl Geziemte Freude euch, säht ihr als Leiche mich Am Strande liegen; gerne möchtet ihr Mich töten; doch kein Schwede mag es wagen Mit mir im Schlachtgefild, Mann gegen Mann, Auf Leben oder Tod zu kämpfen; drum Stellt ihr mir nach mit höllischen, Geheimen Künsten; behext Von euren Priestern war der Balken, der Mich traf; durch Hexereien wollt ihr mich Bewältigen, da eure feigen Krieger Die Furcht entnervt, sobald sie mich erblicken. Hochmütger Neger! feig sind unsre Krieger Und Furcht entnervt sie, wenn sie dich erblicken? Vergaßest du den Herzog Gothland? Schweig! Erinnre dich, wie Herzog Theodor von Gothland Dich in der Schlacht ergriff – Hör auf! – er ließ Dich peitschen! Wen? Dich ließ er peitschen! Rache! Und wie ein Dieb entsprangest du der Haft! Ha, Gothland? Wehe ihm! Du sagst Mir Dinge, die ich nie vergaß! Pest, Tod und Rache! – Hört ihr es Finnen, wie der Schwede da Mich höhnt? Fort in den Krieg; halloh, verheert Die Fluren seines Volks! hält ihn zurück. Herr, mäßigt Euch; Ihr seid sehr krank; rote Ringe zirkeln sich Um Eure Augen; Eure Wang ist angeschwellt Vom Blut; o laßt fürerst den Krieg! Wie kann Der Finne siegen, wenn Ihr krank seid? Nein, Vertragt Euch mit den Schweden, wärs auch nur Auf Wochen – in wildem Zorn. Panther und Hyänen! Wer sagte das? Vertragen? Weil ich krank bin? Ha laßt mich los, – Er reißt sich von Irnak und Usbek, auf die er sich bisher stützte, los. ich bin genesen! Zu dem Finnenheere. Auf auf, Soldaten! stoßt in die Trompeten Und feiert laut – – Vertrag? Tod und Verwesung! – – Auf, feiert meine glückliche Genesung! Jubelnde Trompetenstöße hinter der Szene. Wer sich mit einem Europä'r verträgt, Der ist mein Feind! Und auch der meinige, Mein großer General! Das sprach ein Finne! beiseite. Und das ein schmutzger Neger! auf Rossan losgehend. Reißt sie ihm aus, Die glatte Schlange, eh sie in ihr Loch Zurückkriecht und von neuem Gift heckt! für sich. Gepeitscht? gepeitscht!? Laut. Was gibts? Der Neidhart da, Der nichts als Galle weinet, schmeichelte Euch ins Gesicht, doch als Ihr wegsaht, streckte Er seine Zunge vor Euch aus! Zu Rossan. Aus deinem Halse reiße ich sie dir Neidgelbe Katze du! zieht erbost sein Schwert. Bin ich 'ne Katz, So krallet hier sich meine Eisentatz, Womit ich dir den Kopf abkratz! Meinst du vielleicht, wärst mehr als ich? Irnak und Rossan wollen einander anfallen. Halt! Haltet! Weg mit den Schwertern! Welche Wonne wärs Dem Schweden, wenn ihr euch erschlüget! – Für sich, jedoch vernehmbar. Ja, Der Herzog Gothland war es! Ja, der war es! Denk An ihn und zittre! Ich soll an ihn denken? Das will ich! Sein Weib, sein Kind, sein Vater, seine Brüder, Ein jeder, der ihn liebt, und er vor allen, Sie sollen dich, der mich an ihn erinnerte, Und diesen Augenblick, in dems geschah, Verfluchen, sollen wünschen, du wärst nie Geboren, weil dein Mund Schmach, Unglück und Verderben herrief über Gothlands Haus! Den Herzog Gothland, der mir furchtbar sein soll, Will ich zum Kinderspott erniedrigen! Mein Leben setz ich an das seinige; das Herz Reiß ich ihm aus und werfs den Hunden vor Es zu zerfleischen, und vermag ichs nicht, so Zersprenge Zornwut meine Brust! So platz denn! Schweig, oder niederhauen laß ich dich! Völkerrecht! Das kenn ich schlecht! Aus der Szene rufend. Zeit ists! das Finnenheer bricht auf! Trompeten. Fort Schwede! Du weilst schon viel zu lang, – Antwort gab ich dir: Krieg! – Eile deinem Kön'ge das zu melden, Sonst meld ichs selbst! Mach fort! Wir sind Für immer miteinander fertig! Neger, nein! Das, hoff ich, sind wir nicht, – auf Wiedersehn Im Schlachtgefild! Er geht ab. Usbek, der Abend dämmert, – Laß mir die ersten zwanzig Dörfer brennen Als zwanzig Leuchten in der Nordlandsnacht! – Sind deine Reiterscharen in Bereitschaft? Ich gehe, um darnach zu sehen. Er geht ab. Gebt Mir meinen Damaszener! Man überreicht ihm den Säbel. Europa Verehret diesen Herzog Gothland als Den ersten ihrer Söhne; – wollen sehn, Ob nicht ein Neger auch den Größten Der Europäer überwältgen wird! Usbek kommt zurück, eine brennende Fackel in der Hand. Usbek, ein Feuermeer sollst du mir brauen! Laß Städt und Dörfer lodern, daß die Gluten Ins Aug mir glänzen, wie die sandgen Flammen Der Athioperwüste! – Pfui, da steht Ein Pfuhl vom Abschaum meines Blutes – bringt Die Hunde her, daß sie es schlecken; jede Spur Von Krankheit sei vertilgt! – Wetzt meine Dolche! Wo mag denn dieser Gothland hausen? Seht Ihr Nicht jene drei gewaltgen Türme, die Vom blassen Abendrot beschienen, Hoch an dem fernen Himmelsrande blinken? Es sind die Zinnen von der Gothlandsburg, Die sich auf dunklen, tannumrauschten Höhen, Nicht weit von Nyköping, erhebt. Dort wohnt Eur Feind! Ich biete Fehde dir, du stolze Burg! Die Rache soll an deinen Pfeilern rütteln, Daß deine Türme schwanken wie Des Kornfelds Halme, wenn der Sturmwind sie durchweht! – Irnak, Hat Theodor von Gothland Brüder? Ja, Er ist der älteste von dreien; Manfred, Den zweiten, kennt Ihr als den kühnen Führer Der schwedschen Reiterei; der jüngste, Friedrich Dient seinem Herrn, dem Schwedenkönige Als Kanzler; – Skandinavien bewundert Die Liebe, welche die drei Brüder stets Umschlungen hielt. Sie lieben sich? Das lieb Ich nicht! Doch – große Liebe, großer Haß! – Er reißt das von Usbek hineingepflanzte Panier aus der Erde und übergibt es Rossan. Eröffnet ist der Rachekrieg! Schwingt eure Feuerbrände, Reiter! Brav! Es ist kalt, – an der Feuersbrunst will ich Mich sonnen! Gehn wir auf der graden Heerstraß Nach Upsala vor? Nein, die Straße, welche An Gothlands Burg vorbeiführt, schlagt ihr ein! Ihr seid ermattet; stützt Euch auf mich. mit dem Schwerte auf den Boden stoßend. Nein; Das Schwert ist meine Stütze! Er tritt vor. Gothland, Verderben schwur ich dir; um Mitternacht Hab ich mein Wort gelöst! – Du, mächtge Rachsucht, Bezwing die Krankheit und mach mich gesund! Ihr Arme! schwellet an zu Riesenschlangen; Wie die den Tiger, will ich ihn umfangen! Die Hand an die Stirn schlagend. Kopf! sei ein Krokodilei; so wie dieses, Gekocht in Nubias Sonnenfeuer, Blutdürstge Krokodile ausgebiert, So seien giftger Ränke Ungeheuer, Zu Gothlands Qual erdacht, durch Zornesglut Gezeitigt, deine fürchterliche Brut! Die Hand auf die Brust schlagend. Und du mein Herz! peitsch mich mit wilden Schlägen Dem, welcher mich einst peitschen ließ, entgegen! Er winkt dem Finnenheere zum Aufbruche und eilt ab; sofort beginnt eine orientalische Kriegsmusik. kommandierend; aus der Szene rufend. Der Vortrab rücke vor! ebenso. Soldaten, marsch! ebenso. Bringt mir mein Pferd! Galopp, ihr Reiter! Nach Der Gothlandsburg! Brandstätten und zerstampfte Saaten – Sie zeugen unsrer Rache, unsren Taten! Irnak, Rossan und Usbek eilen mit Soldaten ab; die Kriegsmusik währt noch eine kurze Zeit fort. 2. Szene Zweite Szene Ein Saal in der Burg des Herzogs Theodor von Gothland. Der Herzog Theodor von Gothland und der Burgvogt Erik treten auf. Herzog, der Finne naht und vor ihm stürmt Das Schrecken; flüchtges Landvolk sammelt sich Im Schloßhof, Dörfer gehn im Feuer auf Und blutrot flammt der Horizont! Daran Erkenne ich die Finnen; doch noch heut Will ich mit ihrem schwarzen Häuptlinge Mich messen. Ich erwarte jede Stunde Die Ankunft Manfreds, meines zweiten Bruders. Wir brechen auf, sobald er kommt. Sag das Dem Kriegsvolk. Herr, es ist ein Bote da; Vielleicht, daß er von Manfred – Bring ihn mir. Erik geht ab. Pause; dann fährt Gothland sehr heiter fort. Es schwebt Ein holder Genius über meinem Leben; In meinen Brüdern gab er Freunde mir! – Dich Manfred! liebe ich vor allem! Schon in Der ersten Morgendämmerung des Lebens, Zusammen spielend auf dem Schoß der Mutter, Umschlangen wir uns mit der Freundschaft Banden, Die in den Schlachten uns umfingen, die von Den Jahren, die den Erdkreis ändern, nicht Zerrissen wurden! Begeistert. Selig, selig, wer Den Freund gefunden; nie wallt er einsam auf Des Lebens Pfaden; zwiefach Leben ward Sein schönes Los! Die Liebe welkt dahin; Sie ist auf Irdisches gegründet, Gemeines ists, wofür sie flammt; Nur Freundschaft, die die Geister bindet, Ist ewig wie der Geist, aus dem sie stammt; Drum strahlt hoch auf des Himmels nächtgem Feld Der Freundschaft Bild und leuchtet durch die Welt! Ich meine euch, ihre hellen Dioskuren; Zugleich, vereinend eure Strahlengluten, Enttauchet ihr des Meeres dunklen Fluten Und wandelt durch der Sterne goldne Fluren, Bis euch das ferne Westgewölk begräbt; Ihr sterbt vereint, wie ihr vereint gelebt! Rolf, der Bote des Kanzlers, tritt ein. Hat Manfred dich vorausgesendet? Nein; Mich schickt der Kanzler, Euer dritter Bruder. Bei dem verweilte Manfred, wie er mir Geschrieben; kommt er bald? mit ihm nur will Ich siegen! Manfred siegt nicht mehr. Was soll Das heißen, Bote? Dieser Brief, den Euch Der Kanzler schreibt, erkläre meine Worte. liest. »Mein Bruder! Eine Stunde lehret mich, daß auch Das Edle und das Herrliche vergeht; Die Erde ist für beides keine Heimat. Der Bund, den wir drei Brüder schlossen, ist Zerrissen, und mir fiel das traurge Los Zu sehn, wie Manfred in der Jahre Blüte Starb –« – Starb! Ha, ich verstehe euch! Ich bin Verwaiset! Auf den Brief blickend. Nein, das sind nicht Worte, das Sind Donnerschläge! Er tritt an das Fenster. Sieh, es ist Herbst, und an Der Gelbsucht krankt die sterbende Natur; Auf öden Feldern heult der rauhe Nord; Laut rauscht das falbe Laub – es winselt nach Vergänglichkeit! – Erstorben ist der Lenz Und seine grüne Blätterpracht verwelkte, – Das ist zwar traurig, aber auch natürlich, Weil es die allgemeine Plage ist; Doch wenn des Nordlands königlicher Hochbaum, Der Adler Haus und Zuflucht in den Stürmen, In einer einzgen Nacht von dem Orkan Zerschmettert wird, das zeugt Entsetzen, macht Verzweifeln an dem Leben! Manfred tot, Und Auf Rolf zeigend. eine Kreatur wie die da lebt! Zu Rolf. Entschuldige dein Dasein! – – – Tot! dahin! Noch fasse ich es nicht! Wann starb er? Vor Acht Tagen. Weshalb bringst du mir so spät Die düstre Nachricht? Jeder fürchtete Sie Euch zu bringen. Fürchtete? – Sahst du Ihn sterben? Leider sah ichs. Ich und Der Kanzler waren nur zugegen. – Manfred Kam abends auf der Burg zu Northal An; beide Brüder feierten bis in Die Nacht das Wiedersehen. Manfred ging Gesund zu Bett; am Morgen fanden wir Im Todeskrampf ihn auf dem Lager liegen. Ein Schlagfluß hatte ihn gerührt. heftig auffahrend. Schlagfluß? Banditenstreich des Todes sag vielmehr! – Auch Der Himmel mordet! – Doch, sei ruhig Zunge; Gott schuf mein Herz, – dafür hat er das Recht, Es zu zerreißen, wann es ihm beliebt. Ob meine Seele blute, ich gebe mich In seinen Willen. Klagen darf der Mensch, Nicht rechten. – Wo ward mein Bruder beigesetzt? Im Dom zu Northal ruhet seine Leiche. So eile schnell nach Northal; sag dem Kanzler, In dieser Nacht noch würd ich ihn besuchen Auf seiner Burg, um an des Bruders Sarge Mit ihm gemeinschaftlich zu trauern! Den Kanzler trefft Ihr dort nicht mehr; er ist Dem Ruf des Königes gefolgt und an Den Hof gereist. Wie? an den Hof gereist? Hoffeste sollen seinen Gram zerstreuen? – Bei der Bestattung Manfreds war er doch Zugegen? Nein; er ist am Todestag Noch abgereist. Das tadl ich! Manfred war Sein Bruder wie der meine! Handelt so Ein Bruder? Ihn entschuldigt seine Pflicht Als Kanzler nicht; die höchsten Pflichten sind Die Pflichten der Natur! Sehr ehrenwert, Sehr ehrenwert sind mir die Toten! Wen ich geachtet habe, da er lebte, Den ehr ich auch, wenn er gestorben ist! – – Sag deinem Herrn, Er möchte lernen von den alten Heiden, Wie man Verlorene betrauert: als Der Erste der Hellenen Vernommen, daß sein Freund gefallen, Durchdrang sein Klaggeschrei die Götterhallen, Sein sonst so grauses Auge schwamm in Tränen, – Vergebens kam Die hehre Mutter aus dem Meer gestiegen, Um zu besänftigen seinen Gram, Vergebens suchten liebliche Najaden Mit schönverschlungnem Tanz ihn zu vergnügen; – Untröstlich, seufzend, schluchzend lag er an Des Pontus tiefaufrauschenden Gestaden, Denn sein Patroklus war dahin! Er stürzt fort. Berdoa und Irnak treten auf. Wir beide wären glücklich bis hieher Gekommen. Ja, hineingeschlichen in Das Herz der Burg. Still! Er erblickt den Rolf und redet ihn an, indem er mit Hülfe der immer mehr zunehmenden Dämmerung das Gesicht verbirgt. Guten Abend, Freund. Ich dank Euch. Freund – Was noch? Führ uns zum Herzog. Den Herzog könnt ihr jetzt nicht sprechen. Was gibt es denn? Im ganzen Schlosse sehen wir Geheimnisvolle Mienen. Pack dich fort; Was kümmerts dich? Freund, hier ist Geld. Geld? – Fragt! Was wollt Ihr wissen? Was hier passiert ist. Nu, eben habe ich dem Herzoge Die Trauerpost von seines Bruders Tode Gebracht. Der Herzog hatte Zwei Brüder, – welcher ist gestorben? Manfred. Der Reitergeneral? Derselbe. Sehr, Sehr jählings hat der Tod ihn weggerafft! In der Gesundheit Blüte schied er hin! Warst du dabei? Der Kanzler nur und ich. Was? Du nur und der Kanzler? Ja; Wir fanden ihn in seinem Todeskrampfe Und hingeschieden war er, als Das Burggesinde kam. Ihr beide ganz Allein? So war es. Du nur und der Kanzler? Was soll das wilde Fragen? Schurk, dich fangen! Canaille! ihr habt ihn erwürgt! Das Wort Sollst du bereun! Wärs erstemal, daß der Berdoa was bereute! erkennt ihn. O ich bin In fürchterliche Hand gefallen! Laßt Mich gehn, ich rufe Hülfe! vertritt ihm den Weg. Soll ich mit Dem Dolche dir das Maul versiegeln? Laß Dich handeln; diese einzge Nacht sei mir Zu Diensten, und mit Säcken Golds beschütt Ich dich! Du willst nicht? Gut, so lauf, doch sei Gewiß, dem Herzog meld ich, daß du Geld Von mir genommen und geplaudert hast; dann Magst du mit Weib und Kind im Schnee verhungern! nach einer Pause. Nun, wenn Ihr mich so gut bezahlen werdet, Wie Ihr versprecht, so bin ich diese Nacht Der Eurige. Sei unbekümmert. Ich geize nicht; du sollst mit mir zufrieden sein. Leise zu Irnak, mit Verachtung auf Rolf deutend. Das ist so'n Schurk, der gerne mordete Und raubte, wären nur die bösen Galgen, und Die Hölle nicht; aus Feigheit fromm! Zu Rolf. Zuerst sag an, Wer hat den Toten in den Sarg gelegt? Die Leichenfrau zu Northal. Irnak, Schick gleich hernach zwei Finnen hin, Die im Geheim das Weib erdrosseln! Zu Rolf. Und nun Erzähle mir, wie sich der Herzog bei Der Trauerpost benahm? Wild brauste er Empor, doch bald bezwang er seinen Schmerz Mit christlicher Ergebung, – aber als Er hörte, daß der Kanzler an den Hof Gereist, bei der Bestattung Manfreds nicht Gewesen sei, da tadelte er ihn Voll Zorn, so daß ich fürchte, er gerät Mit ihm in Zwist! In Zwist? So ist er mein! Ist er in Zwist? Dann, Himmel, halt ihn nur Zurück, – ich reiße dir ihn aus den Zähnen Und schleudre ihn dem Abgrund in den Rachen! Noch – Rede nicht; ich weiß genug; du hast Mir Hanf in Überfluß gegeben, um Ein Schicksalsstrick für ihn daraus zu flechten! – Horch! er kommt! – Fort und lauscht! – Ich bin sein Schicksal und Sein Gott! Sie ziehen sich in eine Seitenhalle zurück. Gothland und seine Gemahlin Cäcilia treten auf. O, laß das Trösten, laß Das Trösten, du geliebtes Weib! Verwüstet Ist meine Brust, wüst ist dies Schloß, wüst Sind jene Fluren, eine Wüste ist Die Erde, Wüste, Wüste ist die Welt, denn Mein Bruder ist nicht mehr! Geschehen ist Das längst Gefürchtete; fast vierzig Jahre Hast du gelebt und glücklich warst du stets; Des Unglücks Schuldner warest du geworden; Du wußtest, daß es seine Rechte fodert! Ja, Glück ist Sünde – Wehe euch, die ihr Es wagtet, Glückliche zu sein! O blick umher! Es sind noch viele, die dich lieben: noch steht Ein andrer Bruder dir im Kanzler Friedrich Zur Seite; auch der Vater lebt dir noch, Der edle Greis; ein Sohn blüht dir am Hof Des Königs auf, und ewig liebend hängt An deiner Brust dein Weib! Verzweifle nicht! Wir alle trauern jetzt mit dir und mit Uns allen wirst du einst dich wieder freuen! Mich freuen? Niemals, bei dem ewgen Licht! Der Frühling kehrt zurück und seine Lieder, Doch Manfred ging, er kehret nicht, Und nimmer kehret meine Freude wieder. Sie kehret! glaube mir! hast du gedacht Ans Wiedersehen? An das Wiedersehen? Dank dir! Ein Funke aus den Sternenhöhen Fällt dieses Wort in meiner Seele Nacht! – Ja, manches Auge, feucht von Zähren, blickt aus Der Winternacht des Lebens hoffend zu Den Sternen – und die Träne rollt nicht mehr! Betrügt ihr uns um unsre Tränen, oder Seid ihr es, Sterne! was die Ahnung sagt? Die lichten Ufer eines beßren Landes? Und finden über euch sich die Getrennten wieder? O, Dann selig all ihr Millionen, die Ihr unterm Sternenzelte wandelt, selig ihr Betrübten, welche ihr an Grabeshügeln um Verlorne weinet! Preis sie selig und Auch dich! Es lebt in jeder edlen Brust Ein Bürge der Unsterblichkeit: die Tugend! Sie ist ewig, und wäre sie es nicht, So geht sie unter mit dem Hochgefühle, Daß sie verdienet es zu sein. Ja, so Gewiß in Manfreds Brust die Tugend wohnte, So sicher werde ich ihn wiedersehn! – Sieh! es wird Nacht; das Abendrot Verlischt; die Nebelsäulen steigen auf Wie Traumgestalten; schwermutsvoll und dumpf Wie Geisterlispel, singt der Abendwind Der Flur und dem entlaubten Wald das Schlaflied; Mich dünket, Manfreds Geist umschwebet mich. Laß mich allein, o laß mich träumen! Das Träumen ist ja süßer als das Leben! beiseit. Du Geist des Bruders, steig hernieder aus Des Himmels selgen Höhen; schirm die Deinen; Schweb schützend über diesem Hause, wehr Dem Unglück, das ich ahne, senke Ruh Auf den Herzog deutend. In jene schmerzbewegte Brust! Sie geht ab, noch einmal mit der Miene des Mitgefühls auf den Herzog blickend. So muß Ich denn verdorren in der Väter Hallen, Wie eine Pflanze, der die Sonne fehlt. Ich werde keine Taten mehr Vollenden, in der Brust nur kochet mir Ein gärend Leben. tritt hervor; für sich. Jetzt wirds Zeit, Den Feuerbrand in seine Seel zu schleudern. Laut. Ein irrgegangner Wandrer flehet um Eur gastlich Dach. Wie? täusch ich mich? Der Neger? – Fort, eil, daß du zu deinen Finnen kommst, Du bist in deines Feindes Burg. Das Recht Des Gastes, welches man im Nordland, wie In Lybias Palmenhainen ehret, schirmt mich. Die Schurken haben keins. Drum fort von hier Du Schandfleck deines schnöden Stammes! wie gereizt. Freund, An Schande haben unsre Stämme sich Nichts vorzuwerfen – Kühner Lästerer! – in meinem Stamm ist noch Halblaut und unverständlich. kein Brudermord Geschehn. Was murmelst du? Ja, Herzog, ich Beklage Euch. Schlimm, wenn Berdoa mich Beklagt. Der Pöbel lästert Gothlands Namen. Das kann der Pöbel nicht. Es gehn von Ohr Zu Ohr gar fürchterliche Worte. Sprich sie aus! Eur Bruder Manfred, heißt es, sei erschlagen! Erschlagen? Hui, meine Faust rollt sich zusammen! Arme, Wonach zuckt ihr? nach einem Messer! Seele, Freu dich! nun kann ich wenigstens ihn rächen! Süß ist die Rach, – hinaus, den Mörder mit Der Hände Schlingen einzufangen und ihn Zu opfern Bruder dir! – O wohin irrt Mein Geist? Ich Tor! ich blinder Tor! Der Neger Lügt! Manfred starb in Friedrichs Armen! In? Durch! Weltempörung! Was sagst du? Durch!! Sprichst du von Friedrich, meinem Bruder? Der Kanzler Friedrich, Euer jüngster Bruder Hat Euren andren Bruder Manfred Ermordet auf der Burg zu Northal! Entsetzlich! das wär Brudermord! – – Hoho, Ich lache! Brudermord ist ja unmöglich! Mohr, Du lügst! Die Hölle hat dich schwarz gebrannt! – – Und doch! – Wär es geschehen? – Erik! Erik! Erik tritt herein. Wo ist des Kanzlers Bote? Nirgend find Ich ihn; er muß das Schloß verlassen haben. Verdächtig ist mir diese Eile. Sucht ihn auf; Schickt Reiter aus, ihn einzuholen! Erik geht ab. Wär es geschehen? – Manfred Stirbt plötzlich; abends ist er noch gesund – Der Kanzler ist mit einem Diener nur Zugegen, – reist dann ab, als trieben ihn Die Furien! – – seit er Kanzler ward Vergaß er oft der Bruderpflicht, – kalt schlug Sein Herz von Jugend auf, – er liebt das Geld – Und Manfred war sehr reich, besaß Auch viele Schlösser, viele Dörfer; – wir Zwei hinterbliebnen Brüder Sind seine einzgen Erben – sollte Friedrich, wahn- Betört, liebäugelnd mit des Goldes Stücken, ihn – Begreift Ihrs nun? Hyänenwitz mag es Begreifen, ich begreif es nicht! Bei dir Zu Haus, am Strand des Senegal, Dort mag das Brudermorden 'Ne Sitte sein, doch nicht in diesem Norden, Wo schon der Mensch zum Menschen ist geworden! – Eil fort von hier! Obwohl ich dich nicht Gast Kann nennen, so will ich doch selbst den Schatten Des Gastrechts ehren und dir Zeit gestatten, Daß du entfliehst, eh ich gerechte Rache Für Friedrich, meinen Bruder nehme, Den du mit giftgem Mund verleumdet hast! Ob er ihn würgt', ob nicht, ist Eure Sache; Mir gilt es gleich! – Doch denket meiner, käme Es aus! – Wähnt Menschen edel, straft mich Lügen! Gern duld ichs! Möcht Eur Wahn Euch nie betrügen, Ihr würdet ewig glücklich sein! Lebt wohl! Er geht auf den Haupteingang zu; als er aber bemerkt, daß Gothland ihm nicht weiter nachblickt, schleicht er sich in die Seitenhalle zurück. Sein Lebewohl kommt mir zu spät! Ich war Ein Glücklicher, als ich noch seine Stimme nicht Gehört, er selber hat mich aus dem Wahn Geweckt! Was sprech ich da vom Wahn? Hoffnung auf Den Menschen und Vertrauen auf den Bruder Soll Wahn gewesen sein? Dann Himmel! fleh ich: Wahnwitzig laß mich bleiben immerdar! Wohl weiß ich es: Nichts steht auf Erden fest; Der Mensch lehnt sich auf seine Türme, Und seine Türme stürzen krachend ein – Doch wer am Busen seines Bruders liegt, Der fand die heilge Stätte auf, an der Er sicher ruhet im Gewühl des Lebens! – Ein Haus der Freundschaft wölbt sich meine Brust Und an mir selbst müßt ich verzweifeln, Wenn ich den Brudermord mir denken könnte! Ihn denken? Wehe! das vermag ich nur Zu wohl: 'nen Bruder rächend, kann Ich einen Bruder töten! – O, wer schafft Gewißheit mir in dieser Angst? Natur, Ich frage dich! Erschlug er ihn? – Gottlob, Er tat es nicht! Ich sehe, wie Die Wölfe ihre Häupter schütteln! – – – Und wärs doch Geschehen? O, dann brauset racheknirschend auf, Ihr Höllenpforten! werde schwarz vor Zorn Du sonnenhelle Ätherwölbung! Satan Bäum riesig dich empor vom Feuerpfuhl, Und wirf die Sternenkuppel aus den Angeln! Brecht los ihr Stürme, deckt die Gräber auf, Worin der Mord sein blutig Werk verscharrt hat! Das Weltgericht ist um Jahrtausende Gezeitigt und es kommt mit Blitzesschwingen, Denn » Brudermord « sein Stichwort ist erschollen! Die Erde ist von heilgem Blut gerötet Und ein geschminkter Tiger ist der Mensch! Weh! Weh! zu welchem Ziele wird dies führen? Ich bete! Hörer mich ihr obern Mächte! Hört mich, den Wurm, dem man sein einzig Gut Will rauben! Nehmt Gesundheit mir und Habe, – doch Den Glauben an die Menschheit, diesen Trost Des Menschen in den Nöten, ohne den Es keine Liebe, ewgen Haß nur gibt, Der mich vertrauen lehret auf mich selbst, Der mich beglückt, wenn ich mein Weib Umfasse, der den Menschen menschlich macht, Den Glauben an die Menschheit raubt mir nicht! – Gib meine Ruh mir wieder, Neger, und wenn Du mich in ehrne Banden schlagen müßtest; Nur meine Ruhe gib mir wieder! – – Ob es Geschah, ob nicht, kann ich in Northals Dom An Manfreds Sarg erfahren; also hin, Mit eignem Aug den Leichnam anzusehn! Er ruft zum Fenster hinaus. Auf, Erik, sattle mir mein schnellstes Roß! Die Zügel sind nicht nötig! Vom Fenster wegtretend. Tod und Qual Dem Neger, wenn er log! tritt auf. Herzog, Eure Gemahlin bittet Euch – wieder am Fenster. Ha, was erblicke ich? Sieh, drüben über Northals Bergen steht Blutäugig-funkelnd, flammenhaarumweht, Gleich dem Medusenhaupte ein Komet! Mit Grausen sehe ich die Nachterscheinung. Sie hat Bedeutung! weißt du ihre Meinung? Wer weiß nicht, was Kometen künden! Weh Dem Nordland, über dem er aufgegangen, Und Wehe uns, wir werden Schreckliches erleben! Du fürchtest dich vor Kindermärchen, Graukopf! O spottet nicht! So lang ich denke, ist Noch kein Komet erschienen, welcher nicht Der Welt Entsetzliches verkündet hätte; Bald großes Blutvergießen, bald geheim Verübte, unbestrafte Frevel, wie Vergiftung, Brudermord und – Brudermord! Schweig, Lügner, schweig! Ihr werdet es erfahren! Was werde ich erfahren, Schurke? Was? Herr, nie bin ich ein Schurk gewesen, Ich hab Euch dreißig Jahre treu gedient. sich mäßigend. Es war nicht bös gemeint. Was wollte meine Gemahlin doch? Sie bittet Euch, heut nacht Das Schloß nicht zu verlassen. Sag du ihr, Ich bäte sie, zu Bett zu gehen. Erik geht ab. Licht Muß ich in diesen nächtgen Zweifeln haben, Und sollt ich zu der Hölle wandern, um An ihrer Flamme es mir anzuzünden! Er tritt schnell an das Fenster und ruft in den Schloßhof. He! sind die Pferde aus dem Stall? Der Sättel Bedarf es nicht! Er will abgehn; Erik tritt aber wieder auf. Die Herzogin beschwöret nochmals Bei ihrer Liebe Euch, ihr warnend Wort Zu hören und die Burg heut nacht Nicht zu verlassen! Sag du ihr, ich hätte sie Gefreiet, um mir Kinder zu gebären, Nicht aber mich zu warnen, mich zu lehren! Erik geht ab. Nach Northals Dom, wo Manfreds Leiche liegt! Ob er erschlagen ward, das schau ich dort! Ist es, Mit heftigem Schauder. dann: Brudermord will Brudermord! Er eilt ab. Berdoa, Irnak und Rolf kommen aus der Seitenhalle. Hussah! begonnen hat die wilde Jagd! Nach Northals Dom durch Sturm und Nacht! Wir folgen ihm! – Liegt Northal auf Der Straße nach Upsala? Dicht daran. So eilt mit mir, daß wir dem Herzoge 'Nen tüchtgen Vorsprung abgewinnen, denn Viel früher muß ich drüben sein als er. – Was zögerst du? Ich folg Euch nicht! Was Soll ich in Northal? Ich hab Euch gedient, Nun gebt mir meinen Lohn! Du sollst ihn unterwegs Erhalten! Folg mir! Nimmer! Ho, daß du Mir folgst, des sei gewiß, folgst du nun auch Lebendig oder tot! O wie entrinn Ich ihm! Still, Schurk, sonst schleife ich dich hin! Sie gehen ab. 3. Szene Dritte Szene Das Innere des Domes zu Northal. Im Hintergrunde ist die Eingangstür; rechts führt eine andere Tür in das Stammbegräbnis der Herzoge von Gothland. Die Eingangstüre wird aufgeschlossen; Berdoa, welcher eine Axt in der Hand hält, Irnak und Rolf treten ein. Wir sind im Dome. Leise, wie die Schlangen! Horcht! horcht! Was bebst du? Greulich heult der Wolf Im Waldgebirge! Passende Musik Zum greulichen Geschäfte! – Zeige mir Das Grabgewölb. O bleibt davon! Es schlug Schon zwölf; die Toten steigen aus den Särgen Und wandern durch die Erde, eingehüllt In Mitternacht! In Mitternacht? So ist Die düstre Stunde wieder da, worin Ich mein Gelübd erneuere. – – Der Glanz Des Mondes und der Sterne ist erloschen Und Finsternis bedeckt die weiten Räume, Als hätte sich der Satan aufgerichtet Und würfe seinen Schatten durch das All! – Die Hand zum Schwur ausstreckend. Nie will ich mich erfreun, nie will ich lachen, Als wenn ich Europäer leiden sehe! Kein Schlaf soll mir am Abend jenes Tages nahn, An welchem ich nicht Einen dieser Brut Erwürgte! Auf jedes, jedes Glück Des Himmels und der Erde leiste ich Verzicht, Ermordung nur der Europäer Sei meine Seligkeit! Ihr Wimmern sei Mir Wonnelaut; ihr Blut mein Wein; ihr Tod Mein Leben, ihre Freude meine Hölle! Ein schreckenvoller Schwur; schwer müssen Euch Die Europä'r beleidigt haben! Ja, Das haben sie! – Um meine Wut zu stacheln Und sie von neuem anzufrischen, will ich Die schändliche Geschichte dir erzählen! Ich war von Afrika, dem Land der Sonne, Gen Asien geschifft; es griffen uns Italische Korsaren, – (es war grad Um Mitternacht, wie jetzt, nur schien damals Der Mond dazu;) sie schlugen uns in Ketten Und hießen mich 'nen Sklaven! – Da begann ich Mit meinen Zähnen Zorngesang zu singen; Mit meiner Kette schlug ich den zu Boden, Der sich zu meinem Herrn aufwarf, und mit ihm Seine Gesellen! – Leider ward ich nur Zu bald durch Vieler Übermacht bezwungen, – Nun marterten und geißelten Die weißen Teufel mich bis auf das Blut; Ich bat, ich schrie, ich wimmerte Um Menschlichkeit! Umsonst! Ich wand mich vor Dem Abschaum unseres Geschlechts im Staube, rief: Erbarmet euch! ich bin ein Mensch! » Du wärst Ein Mensch? « (hohnlachten sie mich an.) » du bist nur Ein Neger! « und wütger als zuvor Verdoppelten sie meine Qual! Vor Schmerz, Vor Angst, vor Zorn quoll feuersprühnd der Schaum Aus meinen Lippen, und Wie kochend Wasser sprudelte der Schweiß Aus meinen Poren! Als sie das bemerkten, Statt Mitleid zu empfinden, jauchzten sie Und trieben meine Qual ins Ungeheure, Damit ich nur noch mehr, noch wilder geifre! Und als ichs tat, da fingen sie den Geifer In ihren Schalen lechzend auf, um nun aus ihm, Den die Erbosung eines Menschen würzte, Das tödlichste von allen Giften, die Erfunden sind, Aqua Toffana zu Bereiten! – Wäre ich ein Teufel, So hätte diese Stunde mich dazu gemacht! – Die Weißen haben mich für keinen Menschen Erkannt, sie haben mich behandelt, wie Ein wildes Tier; wohlan, so sei's denn so! Ich will 'ne Bestie sein! die Schuld Auf ihre Häupter, wenn ich sie nun auch Nach meiner Bestienart behandle! – – – Kurz sag ich, wie's mir später ging. Ich ward Verkauft an einen Griechen, der mit mir Durch seine Heimat und nach Rußland zog – Er hatte seinen Tod gekauft! er erfuhrs Als wir bei Moskau einsam durch die Heide ritten! – Zu Irnak. – Jetzo hast du den Grund von meinem Haß Auf Europä'r gehört – Zu Rolf. Wer sträubt sich, wenn Ich diesen höchst gerechten Haß vollstrecken will? Zeig mir das Grabgewölb! auf die Tür rechter Hand deutend. Die Tür führt Euch Hinein. Schließ sie auf. Rolf tut es. zu Irnak. Wach indessen an Des Domes Eingang. Zu Rolf. Geh voraus und zeig Mir Manfreds Leichnam. Rolf, vor Furcht zitternd, geht mit Berdoa ins Grabgewölbe. Eine bedeutende Pause tritt ein; dann stürzt Rolf voller Schrecken wieder hervor. Totenschlächter! Grauser, Entsetzenvoller Totenschlächter! auf einen Augenblick an der Tür des Grabgewölbes erscheinend. Laß Den Buben nicht entwischen, Irnak! Hinweg! Die Leichen röcheln! Halt! zurück! Was gibts? Wahnsinn ergriffe mich, wenn ichs erzählte! – O zürnt nicht mir, entweihte Toten! ruft. Feldherr, Ich höre Rosseshufen! Gothland kommt! kommt aus dem Gewölbe. Er naht zur rechten Zeit! – Die Türen in Das Schloß geworfen! Wissen darf er nicht, Daß jemand vor ihm hier gewesen! Herauf, du Hölle! steh mir bei und hauch Ihn an! umneble ihn mit deinem Dampfe! Fort! Er geht mit Irnak und Rolf ab; die Eingangstür wirft er hinter sich ins Schloß. Pause. hinter der Szene, an die Eingangstür schlagend. Sprengt die widerspenstgen Pforten! Die Tür fliegt auf, Gothland tritt rasch ein; hinter ihm Diener mit Fackeln, unter denen man auch den Erik bemerkt. auf die Tür des Grabgewölbes zeigend. Dort ist Das Stammbegräbnis meines Hauses! Gebt mir 'Ne Fackel! – Sollt ichs finden, wie ich fürchte, Dann Blitze tötet mich noch jetzt, bevor Ich es gesehen habe! – Gothland geht in das Grabgewölbe; Erik folgt ihm; nach einer kurzen Pause kehren beide zurück; Gothland, ohne Fackel, hat ein bloßes Schwert in der Hand, sein Gesicht ist vor Schrecken und Zorn entstellt, seine Augen rollen. Flucht eurem Lose, daß ihr Brüder habt! Ihr habt sie, daß ihr Brudermord erlebt! Preist selig euch, ihr Blindgebornen! euch Verschonte eine gütge Gottheit mit Dem Anblick menschlicher Verruchtheit! Trompetenstöße hinter der Szene. Was Bedeutet diese Kriegsmusik? der an den Eingang des Domes getreten ist. Der Vortrab Der finn'schen Reiterei, begriffen auf Dem Marsche nach Upsala, sprengt in Northal Ein. Geh, frag ob der Mohr dabei ist; ist ers, So ruf ihn her zu mir! Wie, Herr? Fürcht dich nicht! Geh und ruf ihn! Erik geht. Das tat ein Bruder! Was mag Nun Einer, der kein Bruder ist, erst tun? Ich fange an mich vor mir selbst zu fürchten! Berdoa, Irnak, Rolf und Erik. beiseit; den Herzog betrachtend. Ha, dieses ist ein anderes Gesicht Als das, mit welchem er hineingegangen! Dies aufgerißne Auge lechzt nach Mord! Heimlich zu Irnak. Ist mein Befehl vollzogen? Ist das Leichenweib Erdrosselt? Ihre hagre Kehle ward Auf ewig zugeschnürt. Gut; das Soll späterhin noch seinen Nutzen stiften! Er tritt vor; Irnak bleibt mit Rolf im Hintergrunde. erblickt den Berdoa. Mohr, lach mich aus; ich war ein Dummkopf in Der Wissenschaft der Menschenbosheit. Herzog, Ich habe mich bedacht. Jetzt glaub ich selbst Nicht mehr die Sage, die ich Euch erzählte! Wie? Haben wir die Rollen umgetauscht? Nun Muß ich dich überzeugen? Auf die Tür des Grabgewölbes deutend. Geh hinein Und siehs mit eignen Augen! Berdoa geht hinein. Wäre ich Doch nie geboren! kommt zurück. Schauer-schauer-voll! Sah ich die Leiche Manfreds, Eures Bruders? Gothland bejaht es stumm. Ihr seid der Unglückseligste der Brüder! Auch er, unmenschlich stets genannt, erzittert! Die Felsen selber würden hier erschüttert! Ein Bruder tats an einem Bruder! O, Das glaub ich nie! Es ist getan, allein Ein Bruder tat es nimmer! Wie? war er nicht Mit einem einzgen Knechte nur zugegen? – Mein jüngster Bruder hats getan! Des Jammers! Beiseit. Wie ich jetzo, so greint, im Schilf des Nils Versteckt, der Krokodil, und ahmet nach Des Kindes unschuldvolle Klagetöne, Um den arglosen Wandrer zu betören! – Nicht wahr? Die Löwen, welche als Charybden Der Wüste, alles was sich ihnen naht, Lautheulend niederschlingen, Verschlingen dennoch nie verwandtes Fleisch, – sie Zerreißen ihre Brüder nicht? Das tun Sie nicht! Mein Bruder tats! Der Eisbär wimmert! Sahst ihn auch? Wen? Dort den Erschlagnen! Sah ihn! Beiseit. Jetzt, Herzog, heiz ich dir so lange ein, bis daß Der Rache Flamm dir aus den Augen schlägt! Laut. Wohl sah ich ihn: aschfarb sein ganzer Leib Von dem Gewürme der Verwesung wimmelnd Sein Aug – O seine Augen! sie die mir So oft gelächelt, meines Lebens Sterne, Sie starren mich aus ihren tiefen Höhlen Blind, ohne Glanz und Regung an! – sein Haupt – Sei still davon! – sein Haupt! Bei deiner Zunge, Sprich Eins nicht aus! – an seinem nackten Haupte, Das seine Locken schon verlor, die Spur von – Hör auf mir zu erzählen was ich weiß! Ich sah ja selbst, wie ihm – – das stolze Haupt Zerschmettert ist vom Mörderbeil! aufschreiend. Du mächtger Rücken dieses Domes brich Zusammen und begrabend diesen Anblick Des Entsetzens, begrabe mich mit ihm! Berdoa scheint sehr bewegt. O seht den Mohren, seht! – Du weinst? schluchzend. Es ist Das erste Mal in meinem Leben; ich weiß, Es ist 'ne Schande für den tapfren Mann, Und dennoch laß ichs nicht! O schäme dich Des nassen Auges nicht! Es ist die Spur Von einem Menschenherzen, das empfindet; Du wirst verleumdet, wenn man dich verkündet Als einen Bösewicht, – du bist nur roh und wild, Ein kräftger Sohn der kräftigen Natur, Allein dein Herz fühlt kindlich und schlägt mild! O Mohr, ich habe dich verkannt; Zum Bunde reich ich dir die Hand, Wir wollen uns versöhnen! ihn wild umarmend. Wohlan denn, diese nächtge Stunde Vereine uns zum ewgen Bunde! Während der Umarmung einen Dolch zückend; beiseit. Ich könnt mein Werk jetzt krönen: An meines Dolches Spitze hängt sein Leben; Doch brauch ichs noch, drum sei ihm Frist gegeben! der alles von ferne mit angesehen hat, ruft ziemlich vernehmbar aus. So mögen giftge Schlangen sich umschlingen! sich umblickend. Wer redet da? Wer ists? ist in den Hintergrund gegangen und kommt mit Rolf zurück. Ich kenn ihn nicht. Ha, Ich kenne ihn! – Was hast du hier zu schaffen, Bote? Stehst du auf deines Herrn Befehl Schildwache hier? dem Rolf ins Ohr. Bejahe das, wenn du Dein Leben liebst! verlegen. Der Kanzler schickte mich Hieher, damit – Schon gut! – Du sagtest mir, Du wärst bei Manfreds Tod gewesen; Nicht? Ja, Herr. So bekenne, ob ihn Der Kanzler mordete! Bekenne! Oder, Gott sei dir gnädig, hast du selbst vielleicht Geholfen? zu Rolf, ihm zunickend. Sprich! Was du auch weißt, – kein Haar Wird dir gekrümmt! Zum Herzoge. Ich mache ihn nur kühn! zu Rolf. Hör auf zu zaudern, Schurk! gereizt. Ihr schimpft Mich einen Schurken? Ho! nehmt Euch in Acht! für sich, verwundert auf Rolf sehend. Ei, wie der Kerl gereizt tut! Ha, der ist So einer von den Wichten, welche sich Bloß dann beleidigt fühlen, Wenn sie sich rächen können; Von mir nahm er Geduldig jedes Schimpfwort an! boshaft. Wenn ich Ein Schurke bin, so sollens andre werden! Ja, Herzog! wißt, Eur Bruder Manfred ward Von Bruderhand, vom Kanzler Friedrich, auf Das grausamste ermordet! Ward ermordet! Nein, er ward nicht ermordet! froh. Nicht? mit Schadenfreude. Er ward geschlachtet! Ward geschlachtet! Soll ichs erzählen? Sprich; ich bin gefaßt. Der Kanzler hielt des Tags, als Manfred auf Dem Schloß zu Northal angekommen war, Bis in die Nacht 'nen königlichen Schmaus. In Strömen floß der heiße Wein, Die Becher schäumten rastlos über – Merkt Ihr auch, warum der Wein in Strömen floß? Erzähl ich weiter? Weiter! weiter! Herzog, Ich warne Euch! Laßt mich nicht weiter Erzählen! ungeduldig. Weiter! weiter! Oder Ich lasse dich foltern, bis daß dir Die Glieder brechen! Foltern bis Daß mir die Glieder brechen? Ei! dazu sind mir meine Knochen doch Zu lieb! Gut! gut! Ich wills Euch schon erzählen! Ihr sollt Eur Gnüge daran haben! Hört Nur zu! – Weinberauscht Sank mancher Gast von seinem Stuhl; bald wachte Im weiten Schlosse niemand mehr. Da, um Die zwölfte Stunde, weckte mich der Kanzler; In einen schwarzen Mantel eingehüllt Stand er am Eingang meiner Kammer; Er winkte mir, ich folgte ihm. Wir gingen Lautlos zu dem Rüstsaal; – hier mußt ich ihm Dreifach die Brust mit Erz umschnallen; darauf Ergriff er eine Axt und wetzte sie beim Licht Des Monds, und wetzte stundenlang; – Endlich, als schon die Nacht zerfloß, sah er Vom Werk empor und starrte finstren Blicks Den grau'nden Morgen an, als wollt er ihn Verscheuchen. Dann forteilend, in der Hand Die scharfgewetzte Axt, durchschritt er wie Ein Geist die öden Hallen; an der Schwelle Von Manfreds Schlafgemache angekommen, Befahl er mir zu harren, – er selber ging Hinein. Ich blickte schreckenahnend durch Den Ritz der Tür: nachdem der Kanzler scheu Umhergesehn, tritt er zu Manfreds Bett, – Prüft mit dem Daum des Beiles Schneide – Ein kurzes Lächeln überschattet sein Gesicht – und hochgeschwungen fliegt die Axt In seines Bruders Haupt! O hätte er doch mich Getroffen! leise und dringend zu Rolf. Bravo! fahr so fort! mit immer mehr erhobener Stimme. Manfred Erwacht, kreischt auf und fährt Schlaftrunken mit der Rechten Nach dem gespaltnen Haupt, – greift krampfhaft in Die eigne, offenstehnde Hirnschal Und reißt die Faust geballt, befleckt mit Blut, Voll von Gehirn daraus zurück! Halt ein, Halt ein! Mein Blut beginnt zu sieden Und alle meine Adern blähn sich wie Getretne Nattern! heimlich zu Rolf. Nun gilt es! Machs noch ärger! ärger! gleichfalls heimlich. Könnt Ihrs Noch ärger denken? O ja! Fahr fort! Ich wills dir fürstlich lohnen! Fahr fort! laut. Der Kanzler Erhebt zum zweitenmal das Beil, Doch der Verwundete stürzt sich, Von Todesangst getrieben, aus dem Bette, Und streckt, halb drohend und halb flehend, Die Hände ihm entgegen, Der Kanzler haut sie ab – Gothland macht eine Bewegung der höchsten Wut. springt entsetzt zurück. Hu! Ihr zerreißt mich! Hinweg von mir, was Bruderliebe heißt! Verdammt sei das Erbarmen! Kanzler, Wie du die Fehde botest allem, Was menschlich ist und brüderlich, so werf Ich dir den Fehdehandschuh hin Und fortan steh ich dir nur mit Gezücktem Schwerte gegenüber! Zu Rolf, indem er ihn ergreift. Du selber hast mir in die Brust Zehntausend Tiger eingebettet, – Du bist der Erste, welchen sie erwürgen! Die Tür des Grabgewölbes reißet auf! Es geschieht. Hinein mit dir! sich sträubend. Herr Gott, da drinnen muß Ich ja verhungern! Ei, das sollst du auch! Jetzt Neger! halt, was du versprachst! Errett mich! Herzog, werft doch den Hund hinein, daß ihm Die Zähne klappern! Ha, gemartert müßt Ich werden, weil ich einer Natter traute! Zu Berdoa. Wart Satan! wart! noch hab ich eine Zunge! Hört, Herzog! höret, hört mich an! Zu Berdoa. Erbose Dich nur! grimmig; zu Gothland. Erlaubt mir, daß ich ihn durchstoße! Mir kommt die Rache zu, nicht dir! Zu Rolf. Willst du Jetzt leugnen, was du mir erzählt hast, um Dein Leben zu erretten? Nein! ja! Gott! Hört mich nur! Gönnt mir Einen Augenblick! Ich flehe Euch bei Eurem ewgen Heil! sehr streng. Du flehst umsonst! Des Frevels Stunde ist Vorbei, nun schlägt die Stunde der Vergeltung; Das ist die stete Ordnung der Natur! Sag nichts; dein eignes Wort hat dich gerichtet; Du warst vereinet mit dem Brudermörder; Du hast gefrevelt, weil du ihm nicht wehrtest, Du hast gefrevelt, weil du ihm geholfen, Du hast gefrevelt, weil du es so lang verschwiegst; Erbarme Gott sich deiner, – ich bin Ein Mensch, bei meiner Seligkeit, ich kann Es nicht! Er reißt den Rolf an die Tür des Gewölbes. Ihr hört mich nicht! ich schweige! und wenn Ihr nun auch bittet, doch will ich nicht reden! Und nur dies Schweigen ist es, was mich tötet; Doch solcher Tod erträgt sich, da ich weiß, Daß mein starrsinniges Verstummen Mich schrecklich rächen und Euch mehr als Tod verderben wird! Herzog, Macht mit dem Schufte doch kein Federlesen! zu Gothland; sehr laut. Schlaf nur! wenn einstens Donner dich erwecken, Dann wird die Höll an deiner Seele lecken Und wünschen wirst du, daß du nie gewesen! ihn in das Grabgewölbe stoßend und die Tür hinter ihm zuwerfend. Es komme über mich dein Blut! Dem schiens Gar sehr zu reuen, daß er Wahrheit Euch Verkündet hatte, weil Ihr sie Mit seinem Leben ihm bezahltet! – Schwer Und traurig ist das Amt, das mir geworden: Den Bruder soll ich an dem Bruder rächen! Rächen?? Nein, das ist Frevel! Rächen nicht! Er ist mein Bruder auch! – Allein die Untat, Die auf die heiligsten Gesetze trat, Muß sein bestraft mit dem verdienten Lohne! Kurze Pause. Ich eile zu des Königs Throne, Den König und die schwedischen Barone Aufrufend zu 'nem Blutgericht; Als Kläger tret ich vor die Schranken, Und jammert auch mein Herz, ich darfs nicht achten! Gerechtigkeit und wenn der Weltbau bricht! Ist alles abgebüßt – Ja dann empfange mich du Nacht der Schlachten! Er stürzt fort, seine Diener folgen ihm. aufjauchzend. Mit seiner Seele, Höll! will ich dir danken! Er eilt dem Herzoge nach; Irnak folgt ihm. 2. Akt 1. Szene Erste Szene Eine Halle im königlichen Schlosse zu Upsala. – Es ist noch früher Morgen. Der Kanzler Friedrich von Gothland und der Graf von Arboga begegnen einander. Herr Kanzler! Was soll ich? Bin ich im Ernst Verurteilt tausend Goldstück Strafe zu Erlegen? Ja, im vollsten Ernste. Freut Euch, Daß Ihr auch diesmal gut davongekommen! Ei! gut davongekommen! Gnade ist für Recht Ergangen! dankt es Euren milden Richtern! Mein Dank soll sein wie ihr Geschenk! Sacht, Herr, sacht! Tobt nicht zu laut; erweckt nicht das Gedächtnis Eurer Taten! Was wüßtet Ihr von meinen Taten? Neun Jahre sind es nun, daß der Graf Sture Erschlagen ward im Föhrenwalde bei Stockholm! mit grinsendem Lächeln. Ja, dort biß er ins Gras! – – Was soll Der mir? Fluch seinem Mörder! Kennt Ihr den? faßt ihn bei der Schulter. Ja, Graf, wir kennen ihn! Da Arboga ruhig stehen bleibt. O deine Seele Ist dumpf und dein Gewissen ist an Blut Gewöhnt! – Zahl' ohne Murren deine Strafe, Und freu dich, daß des Königs Gnade dir Die Regimenter ließ! Des Königs Gnade! Des Königs Not! – Da sich der Herzog Gothland, Eur Bruder nicht zu rühren scheint, so bin ich Der Einzge, der die Finnen hemmen kann; Das zwang Euch, mir den Feldherrnstab zu lassen; Drum neckt mich nicht, sonst möcht ich ihn Euch vor Die Füße werfen, und ich fürchte, daß Sich niemand finden würde, der ihn aufnähm! Bedenkt das! Er geht ab. Der Kanzler bleibt nachsinnend im Vordergrunde stehn; der Herzog Gothland tritt im Hintergrunde auf. Bruder! aufblickend. Theodor! Sei mir Willkommen! des Kanzlers Umarmung abwehrend; halblaut. Schwerlich bin ich das. – – Warum Erschrakest du, als du mich sahst? Scheu ist Die Sünde! O es war der Freude Schrecken! – Dich hatt ich nicht erwartet! – Sieh, noch ists Nicht Tag; woher kommst du so früh? Ich komme – – – Still davon! – – Gedenkst du auch Noch oft der feierlichen Stunde, als wir Drei Brüder, Manfred, du und ich, auf Der Morawiese, unter Denkmälern Der Urzeit stehend, hochbegeistert, Im Angesichte der gestirnten Nacht, Uns Freundschaft schwuren für die Ewigkeit? Wir streckten betend unsre Hände zu Dem großen Vater aller Liebe aus, Ihm dankend, daß er uns zu Brüdern schuf! Er hält ihn fixiert. Es war 'ne schöne Stunde! 'Ne schöne Stunde! 'Ne schöne Hure! Mehr war es Dir nicht? Also 'ne schöne Stunde nur? Ha, wo ist Manfred? O frage nicht! Er ist dahin! O Friedrich, Friedrich, wo Ist Manfred, unser Bruder? Tröste dich; Er harrt auf uns im beßren Lande. Sahst du Ihn sterben? Leider sah ichs! Und du lebst? Im Trau'rgewande! Manfred hatte Geld; Wo ist sein Geld geblieben? Geld? Wo blieb Sein Geld? Ich weiß von keinem Gelde. Was Geschieht mit seinen Schlössern? seinen Gütern? Vorläufig habe ich sie in Besitz Genommen. Ei, da hast du sehr geeilt; Du scheinst nach ihnen große Gier Zu haben! Bruder! O verzeihe; – gib Mir deine Hand! Des Kanzlers Hand betrachtend. Daß manche Wölfe Doch so zarte Klauen haben! Ich versteh Dich nicht! Ich frage dich, wo Manfred blieb; Gib ihn mir wieder! Kann ich Die Toten auferwecken? Nein! – Das solltet ihr bedenken, wenn Ihr mordet! Mordet? Fürchte mich, Denn ich bin Manfreds Bruder! Und ich auch! – – Ich habe stets gewähnt, Der große Gothland, der die Völker all Besiegte, könne auch sich selbst, Das eigne Herz besiegen! Freilich, du hast Das dein'ge bald besiegt! – – – Wehrt' er sich lange? Wer? Ich hätt es wenigstens schnell abgemacht; Doch langsam töten alle Katzen! Jetzt will ich wissen, was du meinst! Wird endlich die Erklärung dir belieben? Fragst Du mich? Du magst Die Wände deiner Burg zu Northal fragen, Wo du mit Manfreds Blute angeschrieben, Daß Bruder durch den Bruder ward erschlagen! hochentrüstet. Ein Bösewicht hat das gesagt, Ein Bösewicht hats ihm geglaubt! Die Schmähungen verzeih ich; Mit abgewandtem Gesicht. nur rat ich dir, Flieh fort, eh sich die Morgenwolken röten; Besteig dein Roß – Mir grauet, dich zu töten! Mich töten? Flieh! Vor 'nem Verrückten? Flieh! Weshalb? Weil ich dich drum beschwöre! – – Du weilst? – Wohlan denn, hör mich, Schweden, höre! Auf, Schwedenkönig, komm mit deinen Grafen! Der König Olaf, Holm, Arboga, Skiold und andere treten auf. Was gibts? Es gilt die schwärzste Untat zu bestrafen! Ihr, Gothland, seids? Willkommner ist mir Niemand. Nehmt ein den Platz, der Euch gebührt, Dem ersten Feldherrn meines Reiches. Nicht Als Feldherr, – als ein Kläger steh ich jetzt Vor dir. Der Kön'ge höchste Ehre Ist die Gerechtigkeit; Gerechtigkeit Ists, die ich von dir fodre! Fodre sie. Im Namen Manfreds, des Ermordeten – Ermordeten? Entsetzt euch nicht zu früh, Denn das Entsetzliche ist noch zurück! Auf den Kanzler deutend. Der da, mein Bruder und der seinige, Doch in der Tat Ein Eingeweidewurm im Herzen der Natur, Hat ihn um Mitternacht, In Gier nach Ländern, Geld und Gütern Auf seiner Burg zu Northal mit der Axt Erschlagen! Was? der Kanzler? Er hätte –! Ich klag – – – Ich klag Ihn an auf Brudermord! Er ist toll Geworden! Sperrt ihn ein, damit er keinen Beißt! Hört ihr seine kecke Zunge? Erkennt ihr nicht die Frechheit des Verbrechers? – Gebt mir Gericht! nach kurzem Nachdenken. Das weigre ich fürerst. Du weigerst es? Du weigerst mir, was man Dem Bettler nicht versagt? Denk, Herrscher, denk An deine Pflicht! Ihr Könige seid die Gewaffneten Erklärer der Gesetze, – Ihr habt das Schwert, um sie mit ihm zu schützen, – Mißbraucht es nicht, um die Bedürftigen Von ihnen abzuwehren! O mein Sohn! Gedenke deines Weibes, meiner Tochter; Du stürzest sie und dich in das Verderben! zu Skiold. Gerechtigkeit, stürzt auch der Weltbau ein! – Gebt mir Gericht! Ich weigere dein Unglück! Unselges Schwedenland! sein König hat Mit Brudermördern sich verbunden Und schweigend stehen seine Großen da Und dulden es! zum Könige. Herr, diesen Vorwurf Kann ich nicht tragen, drum gewährt ihm sein Begehr. zum Kanzler. Ihr schweigt? düster. Ich fürchte kein Gericht. Gebt ihm, was er verlangt. zu Gothland. Ihr wollt es noch? Ich kann nicht anders! ja! So habt es denn! – Doch nochmals warn ich Euch; Denn ungeheur ist Eur Beginnen Und meistens ist das Ungeheure Zugleich auch sündlich! Nur nicht hier! Er hat den Bruder mir erschlagen, Damit hat er auf Bruderrecht verzichtet! Wie ich jetzt handle, werde ich gerichtet! Es ehrt der Mensch des Blutes heilge Bande! Die Freveltat zerreißt ein jedes Band! Ihr stürmet aus dem Gleise der Natur! Dein Kanzler ging vorauf, ich folg ihm nur! Genug! Zu den schwedischen Großen. Seid Richter! Schwört gerecht zu richten, So weit es schwache Sterbliche vermögen! Ich schwöre es bei meiner Königspflicht! HOLM, ARBOGA, SKIOLD UND ANDERE. Wir schwören es! Beginne, Kläger. Ihr kennt doch des Orestes traurig Los? Es ist das meine! – Laßt mich Mein unglückseliges Geschäft so schnell Vollenden, als mir möglich ist; ich will Die vielen Anzeigen verschweigen, Die nach und nach in mir Verdacht erregten Und gleich zu der Entscheidung eilen. – – Der Kanzler war mit einem einzgen Knechte, Mit Rolfen nur bei Manfreds Tod zugegen – Ists so? Ja. Manfred muß also von ihnen Ermordet sein, wenn er wirklich ermordet ist, Und daß ers ist, hab ich gesehn. Denn hört: als ich – – Was zauderst du? O könnt ich hier doch ewig zaudern! Jetzo kommt das zu spät; fahr fort! An den beeisten Nordpol stellt Mich hin, wo nichts mehr grünet, nichts mehr lebt, Wo Meer und Menschenherzen, welche sonst Sich stets bewegen, aufgehört zu schlagen; Dort, wo Erdteile von Eisfeldern Jetzt allgewaltig ineinander wachsen, Als wollten sie auf Ewigkeiten sich Vereinen, und im nächsten Augenblicke Sieh wieder voneinander donnernd trennen Und wechselseitig sieh zermalmen, ganz Wie Menschenherzen, dort nur möcht es sein, wo Ich für die grause Mär, die ich erzählen Soll, Glauben fände bei des Eismeers Schrecken! Gegen die Tür gewendet. Erik! Erik tritt ein. zum Könige. Gewiegt von Zweifeln zwischen Höll und Himmel Mach ich mich gestern abends auf Und reite bei Kometenschein nach Northal, Um selber Manfreds Leichnam anzuschaun. Mich griff Entsetzen, als ich ihn erblickte! Vom Mörderbeil sah ich sein Haupt zerschmettert! Mein Zweifel schwand, der Brudermord ward mir Gewiß, mein Glaube an das Heiligste Verließ mich – und der Neger weinte! Was für ein Neger? Der Berdoa. Du bist betrogen; dieser Neger schwur In meiner Gegenwart, dich zu verderben! Ich weiß! – Doch bin ich jetzt mit ihm versöhnt; Er ist ein edler Mann. – – Hört weiter! Im Dom zu Northal ward ein Kerl ertappt, Verdächtig durch sein scheu Betragen. Rolf wars, derselbe Diener, der Bei Manfreds Tod mit gegenwärtig war. Nachdem er kurze Zeit gezaudert, hob er Die Felsen von dem Abgrund seines Herzens, Und so wie aus der Hölle ihre Geister, So stiegen furchtbare Geschichten daraus auf; Da hörte ich, Auf den Kanzler deutend. daß dieser Schreckliche 'Ne ganze Nacht hindurch zum Brudermord Die Axt gewetzt, daß er – Ihr starrt euch an – Entscheidet Leise Donner eines nahenden Gewitters. zum Kanzler. Ihr schweiget noch? Was soll ich sprechen? – Alles, Von meinem Bruder bis zu meinem Knechte, selbst Der Zufall ist verbündet wider mich, Und die Beweise, welche mich verdammen, sind So schlau und wunderbar gestellt, daß ich Sie schwerlich werde widerlegen können – Ich kann nur schwören, daß ich schuldlos bin! Lautere Donner. Hört, hört! sogar der Donner straft ihn Lügen! Wer lehrte dich des Donners Laut erklären? zu den Großen. Was meint ihr von des Herzogs Klage? Man muß die Leichenfrau vernehmen, Von welcher Manfred in den Sarg gelegt ist; Sie nur kann sicher wissen, ob er auch Schon damals so verstümmelt war, Wie ihn der Herzog jetzt gefunden hat. Den andren, welche außer ihr ihn vor Der Grablegung gesehen haben, hätte man Es leicht verbergen können. O ich erkenne immer deutlicher, Daß mich ein wütendes Geschick verfolgt! Die Leichenfrau – die einzige, die mich Von der abscheulichen Beschuldigung Erretten könnte – sie ist Vergangne Nacht erdrosselt worden; vor Zwei Stunden meldete es mir ein Bote! GOTHLAND, HOLM UND SKIOLD. Sie ist erdrosselt worden? Ha! durch wen? Man kennt Die Täter nicht! O Kanzler! Kanzler! wenn Ich glauben müßte – Glaubt, daß ich aus Furcht Sie möchte mich verraten, sie Erwürgen ließ! Zwar ist es das Unwahrste, Allein es ist das Schlimmste, und das Schlimmste Ist immer das Wahrscheinlichste! – nach einer kurzen Pause, schnell zum Herzog. Wo ist Der Diener Rolf? Ja, der wird auch wohl tot Sein! Wie? Er hatte mich durch seine furchtbare Erzählung auf das Äußerste gebracht; Ich fühlte durch mein eignes Haupt Des Beiles Schneide zucken – Die Sanftmut selber hätte sich Nicht länger zähmen können – Ich schleuderte ihn in das Grab- Gewölbe! Dennoch war das eigenmächtig Gehandelt! Eigenmächtig nicht! Rolf war Leibeigner unsres Hauses, Und ihn zu richten hatte ich das Recht! Habt Ihr andre Zeugen? Ja; hier ist mein Burgvogt Erik; Er war mit mir im Dome Und kann beschwören, was ich sprach. Dein Burgvogt kann für dich nicht zeugen. So zeuge denn mein Feind für mich! – Berdoa! Berdoa tritt herein. außer Arboga und dem Kanzler. Der Mohr? Ergreift ihn! Als mein Zeuge, nicht Als Oberhaupt der Finnen steht er hier. Ich habe für sein Leben ihm gebürgt, Mit meinem Leben werd ich ihn beschützen. – Zeug mir! Ich kann bezeugen – Was? Daß du Ein Bube bist? Das weiß ich ohnedem! Zum Herzoge. Ho, Ihr macht mit Euren Zeugen Eure Sache Schlecht! Meine Zeugen gelten nicht? – Sei's denn! Auch ohne sie bleibt meine Klage deutlich; Entscheidet nur! Sagt euer Urteil, Grafen! Der Kanzler hat nichts leugnen können – schuldig scheint Er mir zu sein. Ich halte ihn für schuldig. außer Skiold. Er Ist schuldig! Schuldig? – Denkt Ihr ebenso, Skiold? O laßt mich lieber schweigen! Ihr alle sprecht ihn schuldig; Ich aber sprech ihn frei! Weswegen? Weil Der Mohr dein Zeuge ist! Zeichen des Unwillens unter den Großen. Was Begehret ihr, Vasallen? Also hier Zu Land ist Brudermord erlaubt? Wohlan, Ich nutze die Erlaubnis! Er eilt auf seinen Bruder zu. Fallt ihm in den Arm! Man fällt dem Herzog in den Arm und hält ihn auf, aber. stürzt vor ihn hin und ruft. Nein, laßt ihn, laßt ihn mich erwürgen! Hier Ist meine nackte Brust! Durchbohr sie! reiß Sie auf! saug ihre Wunden! Bruderblut Ist Nektartrank! Schlürf es! Hier strömt es dir! Mit Freuden geb ichs, wenn es dich Beglückt! Berausche dich darin, Bis daß du dich davon erbrichst! Der Herzog tritt schaudernd zurück. Weich nicht zurück; erschlag den Bruder, – wehrlos Steht er da! töte ihn, du großer Held, Vollende jetzt die größte deiner Taten: Zerfleisch dies Herz, das seit der Kindheit Tagen, So lang es fühlen kann, für dich geschlagen! Mäßigt Euch! zum Könige. Könnet Ihr die Qual erfassen, Wenn die uns, die wir lieben, tödlich hassen? zu Berdoa. Mohr! Mohr! er weinet! mich erschüttert Grausen! raunt ihm zu. Sind Krokodilestränen! fährt empor. Wie hieß das? Er weint nicht! macht sich bloß das Auge naß! Du meinst, wer mordet, heuchelt auch? Das meine ich! wendet sich wieder zu den Umstehenden und zeigt auf den Kanzler. Seht diese Memme an! Sie tötet andre, wenn sie schlafen, Doch soll sie selbst nun sterben, Dann greint sie wie 'ne Metze um ihr Leben! Das wird zuviel! ich kanns nicht länger dulden! Er greift an das Schwert. ihn starr betrachtend. Die Larve fällt, sein Herz wird sein Gesicht! Hemmt sie! die Schwerter stürzen aus den Scheiden! Donner und Blitz; das Gewitter kommt näher. Wildzürnend klopft mein Busen dir entgegen! Nach einem Aderlaß wird das sich legen! Sie dringen aufeinander ein. Arboga! jetzt seid Ihr der rechte Mann! Haut beide nieder! das ist besser, Als wenn der eine durch den andren fällt, Denn Ihr spart ihnen Bruderwechselmord! Arboga greift nach dem Schwerte; aber Holm, Skiold und andere haben die Brüder schon auseinandergerissen. Du bist es, Holm, der mich von ihm zurückhält? Du warest der ja, der ihn schuldig sprach! Wenn er auch schuldig sein mag, so geziemts Doch dir nicht, ihn zu strafen; ewig würd Ich dich verfolgen, wenn durch deine Hand Dein Bruder fiele. Ihn zu strafen ziemt Dem Könige; allein wenn der nicht will, So ziemt es meinem Vater oder mir! – Noch einmal König! fodre ich sein Haupt! Verweigere es dem Gesetze nicht, Dem es verfallen! Ketten, Ketten sollst Du haben! Ja ja! kettets, kettets an Das Ungetüm, das seine Brüder frißt! Die giftge Schlange! Wie sie hohnlächelt! Du hast Mich eben, als ich weinte, ausgelacht, Laut lachend. Jetzt lache ich! O seht ihn, seht ihn, wie Er triumphieret, daß sein König seine Mordtat schützt! – Triumphiere nicht zu früh! – Ein Wort noch König! eh du gehst! Du nimmst Partei, denn deinen Kanzler willst du nicht Verlieren, – deshalben zürne ich dir nicht; Ich kann euch Erdenkön'ge nur bedauern; Ihr sollt der Götter Rolle spielen und Seid Menschen! – Aber Eins ist da, was ihr Stets üben könnt und sollt: Gerechtigkeit! Sie ist es ja, die euren Thron erbaute, – Hat sie im Lande aufgehört, so hat auch Der König aufgehört, und jeder sucht Auf eignem Weg sein eignes Recht! Ich hab es dir gesagt! Bringt Ketten! Ein Soldat tritt mit denselben auf. Ha, da kommen sie! – ihn und Den Neger schlagt an Eine; beide sind Einander würdige Gesellen! Gerechtigkeit, die du verlangtest, sollst Du haben: Morgen werf ich deine Klage Dir auf das Haupt zurück und klag dich an Auf Brudermord, weil du mir unterm Schein Des Rechtes nach dem Leben hast getrachtet! Und ich verklage dich auf Hochverrat, Weil du dich mit dem größten Feind Des Schwedenreichs, dem Mohren, hast verbunden! Der König gibt dem Kanzler die Hand und geht mit ihm ab; die andren folgen; der Herzog Gothland, Berdoa, Erik und ein Hauptmann, der mit Soldaten im Hintergrunde verweilt, bleiben zurück. tritt noch einmal vor Gothland hin. Was du auch tun wirst, – meine Tochter mach Nicht unglücklich! sie ist mein einzges Kind! Geht ab. zu Erik. Geh zu dem alten, großen Herzoge Von Gothland, meinem Vater; sage ihm, Er würde schon vernommen haben, Was sich ereignet; statt des Königs, welcher schlecht Geurteilt, möge er das Richtschwert nehmen, und Dann handeln, wie es ihm als Stammeshaupt Gezieme! Erik geht. tritt vor. Herr, gefangen Euch Zu nehmen, hat der König mir geboten. Den Herzog Theodor von Gothland willst Du fesseln? Den Arm ausstreckend. Feßle ihn! Der Hauptmann weicht scheu aus. – Erik kommt wieder. Was spricht mein Vater? Wenn er das Richtschwert nähm, so würd es sein, Um Euch zu züchtgen, wie Ihr es verdientet! Mein Vater ist der vorge Held nicht mehr, Sonst hätt er also nicht gesprochen. – Geh, Ruf meinen Sohn mir her! Erik geht ab. Was tut man nun? ohne auf Berdoa zu achten. Es ist Der fürchterlichste Brudermord geschehn, – Der König hat ihn wider sein Gewissen Und wider das Gesetz verziehn, vor ihm Und seinem Richterstuhl find ich kein Recht, – So appellier ich laut und feierlich An euch, ihr ewigen Gesetze, Auf die die Welt gegründet ist, die ihr Mit Feuerzügen flammet, welche kein Vorübersausendes Jahrtausend ausweht, Die selbst das Raubtier schaudernd ahnt, Wenn es im Blute seinen Hunger stillt, die ihr Der unterdrückten Menschheit Zuflucht botet Für und für! – Zeuge eurer Wahrheit ist Die Himmelsscheibe, die euch widerspiegelt, Der Ozean ist euer Spiegel, in Des Heklas Flammen leuchtet ihr, und wo Ein Herz schlägt, zittert man vor euch! Die menschlichen Geschlechter sterben; sie Sind Flocken, ausgesäet in den Sturm; Spurlos, wie Schatten über eine Wand, Ziehn ihre Scharen über diese Erde; Ihr aber werdet rastlos mit den neu Entstehenden Geschlechtern neu geboren! – Die Blutsfreundschaft ist irdisch und vergänglich, Drum greif ich kühn zu euch, Unsterbliche! – Ich habe keinen irdschen König mehr; ihr Gesetze! seid mein König! – »Blut sühnt Blut Und die Vergeltung ist das Recht!« so heißt Eur Ausspruch; – der Hebräer las ihn schon Am Sinai und heut noch les ich ihn In meiner Brust; er soll mich leiten! Will abgehn. tritt ihm in den Weg. Bleibt! wirft ihn auf die Seite. Mach Platz für die Vergeltung! Er geht mit Berdoa ab. Greifet! haltet ihn! Skiold und Holm treten auf. Was fällt hier vor? Wo ist der Herzog? Fort! – Mit Gewalt brach er sich Bahn! Folgt, folgt Ihm eilends nach! Er sucht den Kanzler auf! Er wird doch nicht –? – Er wird, er wird! schreit. Dann rufet Mord und alarmiert das Schloß! stürzt herein. Welch ein Tumult! Was gibts? unter den Donnern des jetzt völlig heraufgestiegenen Gewitters. Hört ihrs denn nicht? Die finstren Mächte läuten hoch im Dom der Welt, In seiner düstren wolkumflorten Runde, Mit Donnerschlägen ein die Schreckensstunde, In der der Bruder durch den Bruder fällt! Er eilt fort, dem Herzoge nach; alle folgen ihm. 2. Szene Zweite Szene Großer Saal des Kanzlers. Der Kanzler tritt ein; kurz darauf der Herzog mit Berdoa. Du selbst wirst wissen, daß der König falsch Gerichtet hat – jetzt halte ich Gericht – Wehr dich! das Schwert ziehend. Das will ich, und der Himmel wirds Verzeihn, wenn ich aus meinem eignen Fleisch Den Krebsschaden, der mir Verderben droht, Ausschneide! Gefecht beider Brüder. beiseit, als wenn er Hunde hetzte. Packt euch! faßt euch! faßt! Halt ein! du bist verwundet! fortfechtend. Nur geritzt! Jetzt lehr Ich dich, was angeschoßne Eber sind! Was soll das Degenspiel? Hier ist das Ziel! Er schlägt dem Kanzler das Schwert aus der Hand und durchsticht ihn. Brav, Herzog Gothland! das war brav gestochen! Dir Manfred! fließt dies Blut! du bist gerochen! Mit meinen Fäusten kämpf ich fort! Er stürzt wütend auf seinen Bruder los; aber plötzlich fühlt er seine Wunde; er taumelt und statt mit dem Herzoge zu ringen, hängt er sich um seinen Hals und wimmert wie ein Kind. O Gott! O Gott! – mich greifen ungeheure Wehen! Verband! Verband! Wer du auch seist, wenn du Ein Mensch bist, so verbinde meine Wunden! Verband! Verband! Verband! Verband! – Entsetzlich! – Macht mich los von ihm! Verband! ihn vom Herzog losreißend und von sich stoßend. Verbluten sollst du! stürzt da, wo sein Schwert liegt, zusammenbrechend ins Knie; zu Berdoa. Hund, verdammter Hund! Er ergreift zürnend das Schwert, will es mehrmals erheben, aber seine Hand ist zu schwach. Fort, Herzog, fort! Hier ist kein längres Bleiben! Das Finnenheer ist kaum noch stundenweit Von dieser Stadt entfernt – die Tore stehn Noch auf – eilt, daß wir seinen Schutz erreichen! Erik kommt mit Gustav. Da ist mein Sohn! Komm, Gustav, komm mit mir! Ich armer, armer schmerzdurchzuckter Wurm! Was fehlt dem Oheim? Komm mit mir! Was fehlt dem Oheim? Laß ihn! laß ihn! Dein Schwert ist dunkelrot – O Vater! Vater! was hast du getan? Nichts als was ich dereinst vertreten kann – Donner und Blitz. Der Donner über unsren Häuptern gilt nicht mir! – – Sein Blut komm über mich und meine Kinder! Er faßt Gustavs Hand. Geh mit! Nein, Vater, nein, dir folg ich nicht! Du sollst! Er eilt ab und reißt seinen Sohn mit sich fort; Erik ihnen nach. rasch eintretend. He, Herzog! Neger! Neger! Was Habt ihr gemacht? auf den Kanzler deutend. Ein Aas! Er eilt fort. O Kanzler! Kanzler! matt. Nenn mich nicht Kanzler, – ich bin Staub! Er sinkt wie leblos hin. Der König, Holm, Hauptleute, Soldaten und andere stürzen atemlos herein. zu ihnen. Ihr seid Zu spät gekommen! Eilt hinweg. Ha! – – Zieht Die Glocken! betet! trauert! hüllet euch In Asche ein, daß der gerechte Gott In der Vergeltung Grimm uns mit Dem Brudermörder nicht zugleich vertilge! Man hört es draußen regnen. Ström auf das Pflaster nieder, Regen! wasch Es rein vom Bruderblut! Umnachtet uns Ihr Wolken! und verberget diese Tat! – Holt Ärzte! – Auf auf! dem Herzog und dem Neger nach! Tot oder lebend fangt sie ein! auftretend. Sie sind Im stürmenden Galopp zum Südtore Hinausgesprengt, dem Finnenheer entgegen! Weh! Bruder-Bruder-Mord! Weh über uns Und unsre Stadt! zu dem eintretenden Arboga. Was ist das für ein Lärm? Lautheulend läuft das Volk zusammen! zu Biörn und andren Hauptleuten. Jagt durch die Straßen, sperret sie Mit Ketten, laßt die Tore schließen, laßt Die Regimenter unter Waffen treten und Bereitet sie zur Schlacht! Biörn mit Hauptleuten fort. Ruft mir Den grauen Vater beider Brüder, des Erschlagnen und des Mörders, Den alten Gothland ruft mir her! am Fenster. Dort irrt er klagend durch die Gassen! Weh! meine Söhne haben mich verlassen! am Fenster; mit dem Schwerte winkend. Komm Herzog! folg dem Winke meines Degens! Ich rufe dich, und deines Sohnes Wunde Ruft dich mit blutgen Lippen! tritt auf und umklammert eine Säule. Stützt mich, Säulen! Denn meine Söhne stützen mich nicht mehr! Beweinenswerter Greis! Wo ist mein jüngster Sohn? Getroffen von dem Bruderschwerte liegt Er hier zu deinen Füßen, Und seine feuerroten Wunden dampfen! Wie? diese starre, rotgefleckte Leiche, mit Dem dunklen, blutdurchflochtnen Haare, mit Dem weißen, todverzerrten Antlitz, mit Den kalten, qualgekrampften Händen – – Dies Scheusal wär mein Sohn? Indem er auf ihn niederstürzt. Er ists! er ists! und wer Ist unglückseliger als ich? Vom Aufgang bis zum Niedergange schweift Mein Blick, und unglückseliger als ich Ist Niemand! – Da liegt Ein Haufe schwertzerrißner Lumpen – und Es ist mein Sohn! Halloh, Zerstörung, reiß Das Firmament zu Fetzen, Ich lache drob und tanze vor Ergötzen! – – – – O wohl dir, wohl dir, die du ihn Gebarest, du O Leonore! bist nicht mehr! – Hättest du's Erlebet, sähest du ihn liegen, du Zerrauftest jammernd deine greisen Locken Und schlügest dumpf die Mutterbrust, das Haus Des Schmerzes und der Qual, – und tränkest nicht, Und äßest nicht, und schwändest hin vor Gram, Vor Gram! – – Legt mir Sein Haupt an meine Brust. Man tut es. Blut' aus, Blut' aus am Vaterbusen, teurer Sohn! Blut' aus! blut' aus! – Ein Leichenweib will ich Mit meinen Tränen deine Wunden waschen, Am Morgen und am Abend wach, – und wenn Die Sterne mit den goldnen Füßen leis Und still, um nicht der Erde Schlaf zu stören, Des Nachts dahinziehn über unsren Häuptern, Will ich – der einzge Wache auf der Erde – An dieser Leiche trauernd stehen und Nicht früher mit dem müden Haupte nicken, Als bis es einnickt zu dem ewgen Schlaf! Arboga! Niegerührter! rühret dies Dich nicht? – Ha! – wärs möglich? – oder trügt mich Mein Ohr? Hört ihr das leise Pulsgewimmer In dieser toten Brust? Er lebt! er schlägt Das Auge auf! er lebt! noch einmal das Auge aufschlagend. O furchtbar! furchtbar, nie Empfunden, nie begriffen sind Die Schauer des Todes! Schwarz ist die Sonne! Dunkel der Tag! – O furchtbar ist das Sterben! Wohl weiß ich das – ich sterbe schon seit Jahren! – Mein trübes Aug sieht einen edeln Kreis, Der trauernd um mich her steht. – Wo ist Holm? Holm tritt zu ihm. Du warst der erste, der mich schuldig sprach, Und tatest es mit Recht, denn alles schien Mich zu verdammen, – doch ich schwöre dir Bei dieser meiner Todesstunde, daß Ich schuldlos bin! Wir alle glauben es; Euch an dem Mörder rächend, büßen wir! Was Hilft mir die Rache? – Lindert lieber meine Qualen. – – Die Brust, an der ich ruh, klopft schwer und bang, – Schlägt sie um mich so schmerzbewegt? Um dich – Ich bin dein Vater – Vater! Vater! O, Am Vaterbusen stirbts sich leicht! Du schlummerst ein am Vaterbusen, ich Entschlafe einstens einsam auf der bloßen Erde, – Wenn mich der eine Sohn, der mir geblieben, Nicht auch ermorden sollte! – – Des Kanzlers Haupt sinkt nieder. Ich War es, der dich zuerst Begrüßte, als du in das Leben tratest, Ich bins, der Lebewohl dir sagt, da du Nun scheidest aus dem Lichte! Lebe wohl! Die Schmerzen lindern sich – doch auch Die Freuden hören auf – ich genese! – Leb wohl, mein Vater! lebet wohl ihr alle! – außer dem alten Gothland und Arboga. Fahr wohl, du treuer Bruder, fahre wohl Auf Wiedersehen! Der Kanzler stirbt. Was ich zeuge, stirbt, Und was mir nahe ist, vergeht, – ich bin Ein Giftbaum, welcher Pest aushaucht, Sein Haar ausraufend. darum Ergraute Haare! rettet schleunig euch Aus meiner Näh! – Und dich Gewand, Will ich wie – Er reißt sich sein prächtiges Gewand ab. Was beginnest du Mit deinem herrlichen Gewande? es zerreißend. Ich Zerreiß es, wie mein Herz zerrissen ist! auf die Leiche deutend. Dies Blut schreit Rache – Der Mörder sei verurteilt! Unverteidigt? Wer ist's, der ihn verteidgen kann? – Reißt Tür Und Fenster auf! – Dort wogt Upsalas Volk! Durchs Fenster. Ist einer unter euch, ihr Tausende, der Den Herzog Theodor von Gothland Verteidgen will? Pause. Der Herzog Gothland hat Sein Haupt mit schwerem Brudermord belastet; Wer ihn verteidgen will, der trete auf! Pause. Erscheinet Niemand? – So entkleide ich Hiemit den Schwedenherzog Theodor Von Gothland aller seiner Würden, ächte ihn Um Brudermord und breche über ihn Den Stab! Zu den Umherstehenden. Zieht eure Schwerter, um an ihm Die Acht des Königs zu vollstrecken! Sie ziehen die Schwerter. Fortan, verstoßen Von dem heimatlichen Herde, Wandl er unstet durch die Erde, Verderben zeichne seine Bahn! Wenn des Waldes Blätter rauschen, Donnre ihm sein Blutgericht; In den Klüften soll er lauschen, Wie die Eule scheue er das Licht! Sieht er, naß von Sturm und Regen, Einer stillen Hütte Tür, Klopfe er vergebens an, Denn auf seinen nächtgen Wegen Soll er kämpfend wandern für und für! Frei ist sein Haupt! Wers kann, Der darf ihn töten, – Wie er auch ihn quäle, Ich, der König wills vertreten, – – Betet jetzt für seine Seele! Tiefe, feierliche Pause. unterbricht sie zuerst. Ich war einmal sein Freund – dreifach verflucht Sei jede Stunde, die ich ihn geliebt! Ich schwöre Rache, schwöret sie mit mir! außer dem alten Gothland. Wir schwören sie! Du schwörst sie nicht? Kann ich es denn? Auch Theodor von Gothland ist mein Sohn! Und was ist der Erschlagne da? Mach mich Nicht wild! Und deinem einen Sohn verzeihest du Des andren Sohns Ermordung? Wie? Verzeihen? Auf die Leiche zeigend. Dies? – Ihr, des Himmels Feuerkatarakten, Strömt nieder auf des Brudermörders Haupt; Pocht, pocht am Himmelsdache an, ihr Donner, Und weckt die Rache aus dem Schlafe; auf, Ihr Stürme, brüllet Mord und widerhallt In des Verfluchten ehrner Brust! Ich selbst will – Er schaudert zurück. Ich will den bösen Sohn, will mich, der ihn gezeugt, Verfluchen, doch mit diesen Händen, die Sich im Gebet zu Gott so oft für ihn Gefaltet, ihn erschlagen, – nein! das kann ich nicht! Das kannst du nicht? Was kannst du denn? Nur greinen? Ha, wir, die Fremden, wagen unser Blut, um Zu rächen deinen Sohn, und du, der Vater, Regst dich nicht? Zürnend bebt die Erde, daß sie Gesäugt ward mit dem Blute deines Sohnes, Allein dein Vaterherz erbebet nicht! Dort die Gebirge schüttelten die eis- Umlockten Häupter, als der Bruder fiel Durch seines Bruders gottverfluchte Hand, Du aber, Vater, schüttelst deines nicht! Was soll Das alles? Reizen soll es deinen Grimm, Den diese Blitze, welche Rache glühn, Den diese Windsbraut, welche Rache heult, Nicht wecken können! Wütend bellen dich Die Donner an und hetzen dich zur Rache, Die Wunden deines Sohns, dein Schmerz, die Völker, Die Elemente rufen dich zur Rache – Zeig, daß der Tote einen Vater hatte, Daß du der Leu noch bist, der du gewesen! Laß ab! laß ab, du furchtbarer Beschwörer! Auch Theodor, der Mörder, ist mein Sohn! Er ists nicht mehr! Als er der Bruderpflicht Vergaß, entband er dich der Vaterpflicht! Wärs so? Und wärs so nicht, so weißt du doch, Daß es der Vaterpflichten höchste ist, Ruchlose Kinder zu bestrafen! Glaub ich es? Du bist das Oberhaupt des Stamms; dir ziemts In deinem Stamm zu richten! Meinst du's auch? Laß dir nicht greifen in dein Amt; duld nicht Daß fremde Hände deinen Sohn bestrafen! Das duld ich nimmermehr, – ein Gothland kann Durch eines Gothlands Hand nur würdig fallen! Indem er sich kräftig vom Boden emporhebt. Ich habe ihn gezeugt, und dafür darf Ich ihn vernichten! Wehe, Weh dem, der Ihn außer mir mit frevler Hand verletzt! So flackre denn noch einmal leuchtend auf, Mein alter Stern, eh du versinkest in Die Nacht! Er steht groß, in einer drohenden Stellung da. Seht ihn, wie er sich riesengleich Emporgehoben hat, ein Heldenbild Vergangner Tage, – einst war dieser Greis Der Erste in des Nordlands Heldenscharen! Bringt mir 'nen Panzer und ein Schwert! Ein Diener bietet ihm ein Schwert von mäßiger Größe an. Das ist Ein Kinderschwert. Meinst du ich wär ein Knabe? – Hol aus der Hall das Schlachtschwert, welches ich In meiner Jugend führte! Diener ab. Da schwang ichs in Den Finnenschlachten, nimmer dachte ich Es einst zu schwingen gegen meinen Sohn! Der Diener bringt ihm das Schwert. zieht es aus der Scheide und betrachtet es mit funkelnden Augen. Da ist es! Wie es blitzt, – 'ne Sonne aus Der Jugendzeit! In ihrem Strahl Durchglühet mich ein neues Frühlingsleben! – – Wie oft hab ich gewaltig dich geschwungen, Du ehrne Geißel in dem Schlachtgefild, Als ich noch stand, der Angelstern der Heere, Des Feindes Schreck, des Schwedenreiches Schild; Die Völker stürzten, ringsum ward gerungen, – Das Blut der Toten strömte gleich 'nem Meere, – Ich wankte nicht! – O flieht, Erinnerungen, Die Zeit ist hin und meine Pulse hinken, Mein Aug ist trüb, die alten Arme sinken, – Allein noch immer hab ich Kraft genug, Zu strafen den, der diesen da erschlug, – Mit ihm zu fechten, ziehe ich jetzt aus, – Euch Geir und Raben lade ich zum Schmaus, – Ich tische meines Kindes Fleisch, das Beste, Was ich besitz, euch auf, ihr traurgen Gäste! Er will gehen. Geh nicht, eh du uns hast gesegnet, Vater, Zu der Verfolgung deines blutgen Sohns! Weh über mich! Es ist mein Sohn, den ihr Verfolgen wollt, und dennoch strecke ich Die Hände über euch, ihr Rächer, aus Und segne euch! Dein Segen soll uns wuchern! Man hört Trommeln hinter der Szene. Biörn tritt schnell auf. Was gibts, Biörn? Der Finnen Vortrab rückt Heran! Schlagt an den Boden ihn, Soldaten! Erfahren, König! sollst du unsre Taten! Er eilt mit einem Soldatenhaufen ab; bald darauf hört man hinter der Szene. Wir sinken! Gnad uns Gott! zu dem alten Gothland. Jetzt, du Schwer- Verletzter, gehe tötend uns vorauf, Wir folgen deiner Spur mit Siegerlauf! Sehr, König, muß ich deinen Eifer loben! Er schwingt sein Schwert. Wie Eumeniden ihre Schlangenhaare, Soldaten! schwingt zur Rache eure Degen, – Der alte Gothland hat vor seiner Bahre Mit aller Kraft noch einmal sich erhoben, Und seinem Sohne führt er euch entgegen! Er geht ab; alle folgen ihm. 3. Akt 1. Szene Erste Szene Küste der Ostsee. – Sturm und Gewitter. Auf der linken Seite stehen die Zelte des finnischen Lagers. blaß und entstellt, führt den Herzog Gothland auf die andre Seite der Bühne. Wer bist du? Was willst du mir sagen? Jetzo stehn Wir an des Meeres lauten Ufern, von Den Finnenzelten fern genug, – hier kann Uns niemand stören. Was du mir Zu sagen hast, sag kurz; – ich habe Eile, Denn heute noch geh ich zu Schiff und fliehe Dies Schwedenland auf immerdar. Kennt Ihr mich Nicht mehr? Fremd ist mir dein Gesicht. Im Dom Zu Northal sprach ich Euch zuletzt. Zu Northal? Ho! bist du nicht der Bube, welchen ich Ins Grabgewölb geworfen? – wie entrannst du? – Der Himmel, der die Untat strafen will, Betörte deinen Sinn und liefert dich Nochmals in meine Hände! Schweigt vom Himmel! Er ist gerecht! O schweigt vom Himmel! Bete, Denn du mußt sterben! Bloßes Sterben schreckt Mich nicht. – Als ich, von Eurer Hand hinein- Geworfen, in dem Grabgewölbe lag, Erfuhr ich andre Angst! – Ein Einsamer, Der einzige Lebendge unter Toten, Ergriff mich unbezwinglich Geistergraun, und Voll heißer Sehnsucht weint ich nach Dem süßen, goldnen Licht der Sonne. – Doch Die Kräfte meines Arms erschlafften an Des Eisengitters Festigkeit, – mein Ruf Verhallte in den unterirdschen Klüften; Verzweiflung gab mir neue Stärke Und mit dem Kopfe rannt ich wütend an Die Tür, – mein Schädel ward zerschmettert, doch Die Türe nicht! – Betäubt lag ich nun da, Bis mich der Hunger schrecklich weckte! – Schaudernd naht Ich mich den würmdurchnagten Leichen, sie Zu speisen – Grabesmoder dampfte mir Entgegen und trieb mich zurück; – da schlug Ich endlich meine giergen Zähne in Das eigne Fleisch und nagte meine Finger – Indem er den Mantel etwas lüftet und dem Herzoge verstohlen seine Hand zeigt, mit leiserer Stimme. Hier sehet Ihr die angefreßnen Knochen! Scheußlich! Was ich verdiente, litt ich nur! – Als ich Nun lange Zeit, mit dumpfem Starrsinne, Die Finger in dem Munde, auf Dem Deckel eines Sargs gesessen, – als Nun alles grabesstill geworden war – Da blickten Schlangenköpfe aus Den Löchern des zerbröckelten Gemäuers, Und als sie nichts gewahrt, arbeiteten Sich schwarzgefleckte Nattern an Die Dämmrung des Gewölbs hervor Und glitschten auf die Särge zu, um die Gewohnte Leichenkost Zu fressen; – furchtsam wich ich ihnen aus – Auf einmal halten sie in ihrem Lauf – Sie riechen was Lebendiges! Vor Freude zittern sie mit ihren Schwänzen, – Sie wenden sich vom Fleisch der Toten weg Und kriechen auf mich zu! – O Angst der Ängste! Ich flieh, schrei Hülfe! Niemand hörts! – sie folgen Mit Blitzesschnelle meinen Fersen, – Es mehrt sich hundertfältig ihre Zahl, Aus allen Ritzen kommen sie heraus, – Ich tret im Fliehen einer auf den auf- Geschwollnen Rücken, daß sie wimmernd zischt – Da zischt das ganze giftige Gezücht, Das ganze Grabgewölbe zischt, als wie Zur Rache! – an der Wand klettr ich empor, Sie mir nach! Jetzt war ich verloren – – Doch Da ward die Tür geöffnet, und ein Mönch, Der in der Kirche meinen Ruf Vernommen hatte, trat mit einem Windlichte Herein! Du littest viel! – Was willst du noch Von mir? Ich bin hiehergekommen, um Zur Reue und zur Buße Euch zu mahnen! Zur Reu? Verblendeter, was tatest du? Um nichts erschlugst du deinen Bruder! Wie? Manfreds Ermordung ist dir nichts? – Noch hallt Im Ohr mir deine gräßliche Erzählung, Wie Manfred fiel durch seines Bruders Hand! Du wolltest Brudermord bestrafen, und Begingst ihn selbst, denn die Erzählung war Erlogen! Nimmermehr! Mir hatte sie Der Neger eingegeben! in großer Angst. Nein, ruf ich, nein! Bei meiner Seele, nein! Hab ich doch selbst Gesehn, wie Manfreds Haupt vom Mörderbeil Zerschmettert war! Wohl sahst du das, – allein Du irrtest furchtbar, als du glaubtest, daß Von Friedrichs Hand das Beil geschwungen sei, – Der Mohr, der kurz vor dir im Grabgewölb Gewesen, hatte Manfreds Leichnam so Abscheulich zugerichtet! ergreift sich an der Brust. Bin ich Gothland oder bin ich Ein Brudermörder? Zu Rolf. Ewger Lügner, wie prüf Ich dich? – Ha, unterm Dolche redet man Die Wahrheit – Er setzt ihm den Dolch an die Kehle. Dies ist deine letzte Stunde, – Logst du in Northal oder lügst du jetzt? Sei Gott mir gnädig, wie ich Wahrheit spreche! Dein Bruder Friedrich, welchen du so rasch Erschlagen hast, war schuldlos; ich war dabei, Als Manfred, von 'nem Schlagfluß schwer getroffen, In seinen treuen Armen sanft verschied! verhüllt mit dem Mantel sein Haupt. O der Schande! Wo berge ich mein Antlitz? – Höchst gerecht Glaubt ich zu handeln, und ermordete Den frevelfreien Bruder! Fressen sollen Des Himmels Vögel diese Augen, an Dem offnen Weg verfaule dieses Fleisch, Am Rabensteine soll mein Blut verdampfen, Und Pferde sollen dies Gehirn zerstampfen! – Wohin ich blicke, – Brudermörder stierts Mich an! – – Ein irrgegangner, müder Wandrer Entschläft beim Strahl der Abendsonne sorglos Am Fuße schneebedeckter Alpen; – es Wird Mitternacht, – – da, auf einmal, erwacht Er voll Entsetzen unter dem Gedonner niederstürzender Lauwinen, – Der Boden bebt, die Felsen klingen, – und er Erkennt das fürchterliche Lager, das Er sich gebettet hat, und starret in Die trostes-, sternen-leere Nacht hinaus, und Die steilen Bergeswände schleudern un- Ablässig auf ihn das Verderben! Er schlägt die Hände aber dem Haupte zusammen. Ich, Ich wars, der ihn zum Brudermorde trieb! Bestrafet mich, gerechte Mächte! und Verschonet diesen einst so Großen! O, Die Kammern meines Busens stehen auf und Ein Lavastrom von Reueschmerzen stürzt In ihre Tiefen! Er deutet auf das Meer. Diese Wellen, die Am schwedschen Ufer branden, lecken die Gestade Rußlands, Deutschlands, Schottlands In einem unermeßnen Raum, doch un- Ermeßner ist mein Schmerz um meine Tat! – – Um meine Tat? – Um meine Tat? Auf Rolf zeigend. Der und der Neger, welche mich betrogen, Der Zufall, der mit Blendwerken mich täuschte, Der Himmel, der es litt, der Himmel, der Mich werden ließ, – die haben sie begangen! Häuf Sünde nicht auf Sünde! Bete! Beten Ist Betteln! Büße, Gothland, büße! Büßen? Soll ich dem Könige mich überliefern, Daß sie mich köpfen, wie 'nen Straßenräuber? Ja! tu es! deiner Seele willen! Oder Soll ich mich selbst ermorden, damit ich Sofort zur Hölle fahre? – Nein! ich schlug Den Bruder tot! Reu um Geschehnes ist Verlorne Arbeit! Nur der Reue wird Verziehen! Das Verzeihen ist an Mir! Die Mächte meines Lebens haben sich Herabgewürdigt, mich auf böse Wege zu Verlocken – Ich gehorche ihrem Willen Und wandle darauf fort! Hier stehe ich An meiner Sonnenwende! – Du begreifst, Daß du nicht leben darfst, wenn ich Soll ruhig sein; stets müßt Ich fürchten, daß du meine Schuld verrietest! Der Tod ist mir willkommne Buße. Ich flehe kein Erbarmen. Flehtest auch Umsonst! So gnädig wie der Himmel will Ich sein, der Freudenpsalmen jubelt und Die Sünder ewig brennen läßt! Stirb zweifach: Der Ostsee deinen Leichnam, damit sie An ihren Klippen ihn zerschmettere, – Dem Teufel deine Seele! Er wirft den Rolf in das Meer. Dann kommt er in den Vorgrund zurück. – – Hin ist hin! Geschehen ist geschehn – ich bin einmal Ein ungerechter Brudermörder worden, Und werd es bleiben müssen, was ich auch Beginne! Ja, jetzt seh ichs ein: beschränkt An Geist und Sinn, beherrscht durchs kranke Herz, Nicht einmal klug genug um Tugend von Dem Laster klar zu unterscheiden, scheint Der Mensch gemacht zu sein, Daß über ihn die Hölle triumphiere, – Drum, wie sich auch der Edle wehrt, um nicht Zu fallen, – fehlen, fallen muß er doch, Denn selbst die Taten seiner Tugend werden Zu Freveltaten durch des Schicksals Fügung! – Ich hab es an mir selbst erfahren! Ich War kriegerischen Sinnes, aber edel! Mein Herz schlug leidenschaftlich für Die Freundschaft und die Bruderliebe – (gibt Es reinere Empfindungen? und doch Sind sie es, welche mich zum Abgrund rissen!) Mein Höchstes war Gerechtigkeit und nichts Verhaßtres kannt ich als den Brudermord – Das wußt das Schicksal, grade damit fing Es mich: es ließ den einen Bruder sterben, – rief Den Neger her aus Äthiopien und Verband sich mit dem Buben wider mich, – Es gab ihm Macht mich zu umstricken, – ließ Kometen leuchten, mich zu täuschen, – ließ, Als ich dem Bruder gegenüberstand, Ihn selbst, die Gegenwärtigen, Die Donner zeugen wider ihn, – trieb so Unwiderstehlich mich zum Brudermord, Und häufte seine Bosheit auf das Höchste, Indem es mit dem Trost der Reue mir Die Hoffnung auf die Umkehr und Die Beßrung nahm; denn nimmer kann Ich eine Tat bereun, die durch Mein feindliches Geschick, und nicht durch mich vollbracht ist! – – So liege ich nun da, gescheitert an Dem Strand der Hölle, – rettungslos auf ewig! Gleich einem Schiffer, welcher von Dem Malstrom unaufhaltsam aus Der heißen Zone hingeschleudert ward An Islands Eisgebirge! – Wie das Meer, So wird das All von einem Malstrome Durchströmt, – einmal muß jedes, was da ist, Ihn kreuzen, aber keins vermag es, – so Gehn denn die Millionen in ihm unter! Jedoch vor allen Wehe uns, die uns Der Mutterschoß an diesen Erdball aus- Geworfen hat, An diese Klippe in dem Ozean Der Welten! Wer ihr naht, der ist verloren! Zum Brandmale für ewge Zeit hat ihr Die Sonne die Sahara eingebrannt! – – – Der Mensch erklärt das Gute sich hinein, Wenn er die Weltgeschichte liest, weil er Zu feig ist, ihre grause Wahrheit kühn Sich selber zu gestehn! Berdoa erscheint, von Gothland unbemerkt, mit einigen Finnen im Hintergrunde. Nein, nein! Es ist kein Gott; zu seiner Ehre Will ich das glauben! Donnerschläge. Ei, wie Die Ohrwürmer rumoren! – Wär ein Gott, So wären keine Brudermörder! – Ich glaube, daß es Panther gibt, Ich glaube, daß es Bären gibt, Ich glaube, daß die Klapperschlange giftig ist, Allein an Gottes Dasein glaub ich nicht! Donnerschläge. Still, Verdammte Ohrwürmer! – Der Mensch Trägt Adler in dem Haupte Und steckt mit seinen Füßen in dem Kote! Wer war so toll, daß er ihn schuf? Wer würfelte aus Eselsohren und Aus Löwenzähnen ihn zusammen? Was Ist toller als das Leben? Was Ist toller als die Welt? Allmächtger Wahnsinn ists, Der sie erschaffen hat! Hört doch den Wurm! Wie er sich gegen Gott zu bäumen meint! Als ob ein Wurm sich bäumen könnt! Ein Wurm, auch wenn er zürnt, kann sich Nur winden! Wahnsinn? Nein! So gräßlich wär der Wahnsinn nicht! Donnerschläge. Horcht! horcht Das sind die Fußtritte des Schicksals! – O, Jetzt erst, jetzt erst begreif ich euch, Ihr himmelstürmenden Giganten! – Zerstörend, unerbittlich, Tod Und Leben, Glück und Unglück an- Einander kettend, herrscht Mit alles niederdrückender Gewalt Das ungeheure Schicksal über unsren Häuptern! Aus den Orkanen flicht Es seine Geißeln sich zusammen Und peitscht damit die Rosse seines Wagens durch Die Zeit, und schleppet, wie Der Reiter an des Pferdes Schweife den Gefangnen mit sich fortreißt, Das Weltall hinterdrein! Die Himmelsbogen sind gekrümmte Würmer Und krampfhaft ringeln sie Sich unter seinen Füßen! Die Menschenherzen sind der Staub, Worauf es geht! – O immer, immer mehr Begreif ich euch, Giganten! Was ist natürlicher als Himmelssturm? – – »Geschick!« so zischt es, wenn der Pfeil, Der auf den Todesfeind geschossen war, Ins Herz des Bruders fliegt! »Geschick!« so zischt Das Blut, das aus der Wunde sprützt! – »Geschick« nur? Nichts weiter? – O, der Glaube an Ein Schicksal ist nicht furchtbar, – hold und tröstlich Ist dieser Kinderglaube aus der Zeit Der Griechen, welche noch nichts Schlimmres ahnten! Das Geschick ist grausam und entsetzlich, Doch planvoll, tückisch, listig ist es nicht! Scheu, leise und unter heftigem Zittern. Allmächtge Bosheit also ist es, die Den Weltkreis lenkt und ihn zerstört! Ha, Was sprach er da? Was zittre ich? Weswegen flüstre ichs so leise? – Ei, darf der Hund in seine Kette beißen, So darf es auch der Mensch! Sehr laut. Ja, Gott Ist boshaft, und Verzweiflung ist Der wahre Gottesdienst! Donnerschläge. Hu! wie Die Nachtigallen zwitschern! Der Sturm heult lauter, das Meer braust auf, die Kriegsmusik der anrückenden schwedischen Armee schallt aus der Ferne. erhebt die Stimme. Schweigt! schweigt, Ihr schwedschen Kriegestöne! Laßt Das Atmen, Stürme! Wälder, unterbrecht eur Rauschen! Verstumme Ostsee! Hörer, höret, höret! Hört schaudernd wie der Gotteslästrer rast, Damit ihr einstens alle, Wälder, Meer Und Stürme, zeugen könnet wider ihn! Weil es Verderben soll, ist das Erschaffene Erschaffen! Schreit nicht auf, Ihr Donner, vor Entsetzen, stört Ihn nicht in seiner Lästerung, laßt ihn Die Langmut Gottes zerrn und necken, bis daß Sie endlich, aufgereizt zu Zorn und Grimm, Sich selbst vergißt und zur Hyäne wird Und ihn zerstückt! Weil es verderben soll Ist das Erschaffene erschaffen! Deshalb ist unsers Leibes kleinster Nerv so Empfänglich für den ungeheursten Schmerz, Deshalb sind unsre Glieder so gebrechlich, Deshalb sind wir so fasernackt geboren! Daß die Verführung sichrer uns Beliste, wurden wir Mit Dummheit reichlich ausgestattet, und Unsterblich sind wir für – – die Höllenstrafen! – Weil es verderben soll, ist das Erschaffene Erschaffen! Wie ein riesges Henkerrad Kreist dort der sogenannte Himmelsbogen; Die Tage und die Nächte, Sonne, Mond Und Sterne sind Wie arme Delinquenten draufgeflochten, und Mit ausgesparten Gnadenstößen Zerrädert und zermalmt er sie! Hoho! ich weiß, weshalb er allenthalben Rad Und Galgen nur und arme Sünder sieht! Pfui, pfui! wie ekelt mich die Schöpfung an! Der Jahreszeiten wechselnde Erscheinungen, die immer wiederkehrenden Verwandlungen an dem Gestirnten Firmament – Was sind sie anders, als Ein ewges Fratzenschneiden der Natur? Er blickt mit suchenden Augen umher, – seine Stimme wird bewegt. Weh! Weh! Wie hat sich alles doch verändert! Wie labte gestern noch der Anblick der Natur mein krankes Herz! Wie lächelte Die Sonne! O des Toren! die Natur Ist noch so herrlich wie sie war, allein Sein Busen ist der gestrige nicht mehr! – Zwar habe ich gemordet, doch – Er fährt auf und sieht die Sonne. Wie mich Die Sonne angrinst! – Was will sie? Meint sie Ich wär ein Brudermörder? Oder lacht sie Mich aus? Sie lacht und lacht, bei Freud und Leid, Sie kennet keinen Schmerz! – Ha, Sonne! könnt Ich dich einmal bei deinem Strahlenhaare packen – Am Felsen wollt ich dein Gehirn zerschmettern, Und dich, was Schmerz heißt, fühlen lassen! Die Sonne tritt wieder hinter die Wolken; Gothland beginnt abermals. – Zwar habe ich gemordet, doch – Donner und Blitz. Wem drohet ihr, Ihr Blitze? Etwa mir? O, ich Bin nur ein Mörder, aber Mordbrenner seid ihr! – Zwar habe ich gemordet, doch – Kriegsmusik der anrückenden schwedischen Armee; aber Gothland fährt, ohne sich zum dritten Mal unterbrechen zu lassen, fort. doch Morden ist So schlimm nun grade nicht! Vom Morden lebt ja alles Leben; wenn Du atmest, mordest du! – ein Ding, das nichts Ist, einen Menschen, machte ich zu etwas, sei's Auch nur zu Mist! Bei einem Mastschwein Bedenk ich mich eh ich das Messer zücke, (Sein Dasein hat 'nen Zweck – es wird Gefressen –) doch bei einem Menschen Bedenke ich mich nicht; sein Leben Nützt weder anderen, noch ihm, und dazu Indem er unwillkürlich an Berdoa und an sich denkt. Ist er so negerartig – oder auch so weiß, Und so verderbt, daß es unmöglich ist, Sich an 'nem Menschen zu versündgen: was Für Leid 'eh auch ihm antu – er hat es Verdient! Wart, damit will ich mich Entschuldgen, wenn ich dir den Hals umdrehe! Ich werde – Laute, nahe, schwedische Kriegsmusik. Ha, die Schweden sind schon nah! Er geht mit seinem Gefolge schnell ab. Vor wem sollt ich erröten? Ei! mordet jene schwörende, gift- Geschwollne, aufgebrochne, eiternde Pestbeule, die ihr Sonne nennt, und als Das Ebenbild der Gottheit ehrt, nicht auch? Wie an der Amme Brust das Kind, so liegt An ihr das durstge All, – boshaft tränkt Sie es mit ihrer fieberheißen Milch; Daß sie zum Mord aufgären mögen, tropft Sie Feur in unsre Adern, Und zärtlich, wie 'ne Mutter, brütet sie Die lieben Krokodile aus den Eiern! – Vor wem sollt ich mich fürchten? Du Himmel! darfst mich nicht verdammen; Du selber schmiedest aus des Sommers Flammen, Dicht unter deinem blaugewölbten Sitz, Den schwefelsprühnden Blitz! Du tust ihn an mit rotem Prachtgefieder, Du lehrst ihn seine Donnerlieder, Du leihst ihm turmeinschmetternde Gewalt, Räumst ihm das Weltrund zum Versengen ein: Da flammt die Stadt! die Feuerglocke schallt! Und lachend jauchzt der Donner hintendrein! Schwedische Kriegsmusik; die Finnen erwidern sie mit der ihrigen; Schlachtgeschrei; Gothland fährt empor. Ha, was ist das? kommt atemlos. Herr, rettet Euch, wenn Ihrs Noch könnt! Die Finnen fliehn, die Rächer nahn, Und Euer eigner Vater führt sie an! Scheu fliehe ich dem Vatermorde aus Dem Wege, und entrinne übers Meer! Er wirft sein Schwert von sich und stürzt auf die Ostseeküste zu; – auf einmal taumelt er zurück. Ha! Dort kreuzt die königliche Flotte und Versperret Euch die See! Die Hölle hält Mit festen Stricken mich gefangen, – nicht Einmal der Weg der Flucht ist mir vergönnt! So muß ich denn aus Notwehr sündgen! Um Sein Leben wehrt sich auch das Lamm! Horch! Was? Bist du denn taub? Der Satan wiehert! Die Ostsee hört Ihr um die Klippen brausen. für sich. – Sieh! ringsum wirds mir Nacht – ausgelöscht Sind mir die Leuchttürme des Lebens: Die Liebe, die die Gegenwart umglänzt, Die Hoffnung, die die Fernen rosig schmückt, Des Ruhmes Kränze, welche funkelnd an Den Sternen hangen, Tugend, die Den Märtyrer im Sterben noch verklärt, Die Sonnenberge der Unsterblichkeit, Auf die der Erdenwandrer blickt Im Unglückssturm – – sie alle leuchten mir nicht mehr! – – Und Ich weine nicht? So stürzet euch Ihr Felsen, die ihr um mich her steht, Zermalmend auf mein ehrnes Herz, Bis daß es Weh empfindet! Zerschmelzet es, ihr Flammen des Gewissens Und läutert es zu einer Träne! Hilf du mir weinen, Meer! – Wenn Liebe, Seligkeit Und Tugend je der Träne wert gewesen, So muß ich jetzo weinen – Nach einer Pause. Sie sind es Nicht wert gewesen! – kommt. Herzog, Der Neger läßt Euch sagen, daß Der Schwedenkönig mit 'nem Heer Von achtzigtausend Mann uns angefallen hat; Wenn Ihr der große Feldherr wirklich wäret, Als welchen man Euch rühmt, so möchtet Ihr Nicht länger als ein Feigling zaudern, sondern Den Finnen beistehn in den Drangsalen Der Schlacht. beiseit. Wie tückisch mich der schwarze Bube Durch seines Dieners Mund verhöhnt! Die Schafsseel Die das vergeben kann! Zu Irnak. Verkünde laut Dem Finnenheer, nie würd ich es verlassen, Und kommen würd ich, wenn die Schlacht In meiner Brust geschlagen ist. Irnak ab. – Mein Vater Will mich ermorden. Meine Freunde sind Nun meine Feinde. Zum Schafotte hat Mein König mich verdammt. Mein Vaterland Verstößt mich. Mit dem Blut des Bruders Ist diese Hand befleckt – die Freude kann Mich nie erfreun! – – Ich selbst verachte mich und Deshalb auch das, was außer mir noch da ist – Glück, Freundschaft, Vaterliebe, Vaterland Sind hin – Was bleibt mir noch? Was anders, als Die Wollust, an dem Neger, welcher mich Verderbt hat, volle Rache mir Zu nehmen, jede Höllenpein zwiefach Mit Höllenpein ihm zu bezahlen, mich Zu sättigen in seinem Blute, Glied Vor Glied von unten auf mit eigner Hand Ihm zu zerbrechen, und mit giergem Ohr Sein Winseln einzusaugen! Rossan kommt. – Der kommt mir Gelegen. – – Hab ich keine innre Größe mehr, So muß ich sie mit äußerer ersetzen; Weil ich mich selbst verachte, müssen mich Die Völker achten: wenn die Königskronen Finnlands und Schwedens um mein Haupt sich schlingen, So duld ichs schon, daß um mein Herz sich Nattern ringen. O teurer Herr! der innre Seelenfrieden Bedarf der Kronen nicht zu seinem Glück, Doch jede Kron ist ohne Frieden nichts Als eine goldne Last! Wie du, so denkt Ein Knecht, wie ich, so denkt ein König. – Zu Rossan. Nun, Was bringst du mir, mein lieber Rossan? Wann Ihr denn endlich kommen wolltet, fragt Der Neger, der mich schickt. Ei, das laß mich Nicht glauben, Rossan! Was nicht? Daß der Neger Dich schicken soll! Des Negers Botenläufer Ist Rossan nicht! Höhnst du mich, Schwede? Wie? Bist Du nicht der älteste der Finnenfeldherrn? Bist du der klügste nicht und mutigste Von ihnen? Und du kannst es dulden, daß der Verlaufne Afrikaner dich hochmütig Wie seinen Knecht behandelt? Wem gebührt Denn eigentlich das finnische Kommando? Mir, mir, mir! mir! Der Teufel mag es wissen, Wie dieser Mohr aus seinem Afrika Nach Finnland kam! Sprich nicht so ungerecht; Der Teufel weiß es nicht, der Himmel, der Allwissend ist, hat es gewußt! Was Himmel? Den Neger haß ich wie die Höll! Er stahl Mir meine Rechte! Rossan, nimm sie ihm Doch wieder ab! Kann ichs? Der Pöbel ist In ihn vernarrt! – Mich frißt die Galle, er Wird fett und mästet sich! Ich wüßte wohl Den Weg ihn zu verderben. Zeig ihn mir! Rings haben euch die Schweden eingeschlossen – Das Finnenheer ist in Gefahr – Wählt mich In dieser Not zum Könige – Bist du verrückt? Dann mach ich dich zum Obergeneral Der finnischen Armee, den Neger setz Ich ab und als Gemeiner dien er unter dir! Ei, Das wär so übel nicht! Dann könnte ich Ihn necken, wie er mich geneckt hat und Ihn Galle schmecken lassen? Und dabei Würd ich mit meiner Königsmacht dich schützen! Und dürft ich ihm und Usbek, seinem Lieblinge, Zuletzt auch noch die Häls abschneiden? Mit Golde würd ich deine Tat belohnen! Herzog, Ihr seid mein König! Ich eile Zu meiner Schar und spreche dort für Euch! Geht ab. ihm nachsehend. Tor, aus dem Regen kommst du in die Traufe – Ein Schlimmrer werd ich sein als dieser Neger! – So ist der Mensch; die Gegenwart beherrscht ihn Und schon das bloße Wechseln hat für ihn Was Reizendes! Die kleinre Qual, die für Den Augenblick ihn quält, vertauscht er gern, Um sie nur loszuwerden, mit der größten; Wer Zahnweh hat, wünscht, daß es Kopfweh wär, Und wär es Kopfweh, würd er Zahnweh wünschen; Demjenigen, den ein Despot bedrückt, Scheint Anarchie etwas Willkommenes, Und wer gehenkt wird, wünscht, daß man Ihn rädre! – Irr ich mich? Erbebte nicht Der Boden? Wie Von fernem Hufschlag dröhnt die Heide. Ha, Gewiß versucht die schwedsche Reiterei 'Nen Ansturm auf die Finnen! Ja! So ists! Dort stäuben schon die lückenvollen Reihen Des Finnenheeres durch das Feld! hinter der Szene. Flieht! flieht! Wir sind geschlagen! Fluch dem Mohren, der Uns hergeführt! So höre ich es gern! Von der rechten Seite der Bühne kommen flüchtige Finnen; gleich darauf Irnak, Usbek und andere. Wohin, ihr Memmen? Noch schwankt der Sieg! Stellt euch in Reih Und Glied! trotzig. Erst wolln wir ruhn! Dort kommt Der Oberfeldherr! tritt auf. Panther und Hyänen! Wir sind zurückgedrängt! Von Europäern! für sich. Auf Europäer hast du lang genug Geschmäht! Noch einmal drauf und dran! Wir haben keine Waffen mehr! Erkämpft Euch welche von dem Feinde! Zu Gothland. Schlecht, Herzog! ziemts Euch müßig hier Zu stehen und das Maul weit aufzusperren, Wie 'n Gassenjunge! Wisset Ihr nichts Beßres Zu tun? Seid dankbar gegen Eure Retter Und helft den Finnen, wenn Ihrs könnt! Gothland hat ihn mit zurückgehaltenem Grolle lächelnd angehört. – Berdoa wendet sich zu den Finnen. Ihr steht Auf einem Schlachtfelde: hier ist der Mord Ein Ruhm und wird belohnt! Ihr habt die Wahl, Selbst umzubringen oder umgebracht Zu werden! – Wollt Ihr von des Feindes Rossen euch Zertreten lassen oder wollt ihr ihn zertreten? Wenn ihr das Letztre wünscht, so streitet brav; Der Tapfre lebt am längsten! Die blassen Schweden fürchtet ihr doch nicht? Wie Hunde werdet toll von ihren Hieben! Stoßt sparsam zu, doch wenn ihr stoßt, so trefft auch! Bauch, Brust, Gesicht, das sind die Stellen Wonach ihr zielen müßt! Ist euer Schwert zerbrochen, So habt ihr Nägel an den Fäusten; hat Der Gegner euch die Hände abgehackt, So habt ihr Zähne in dem Maule; Auf! »Europäerblut« das Feldgeschrei! Er geht mit den Finnen auf die rechte Seite der Bühne zu. kommt ihnen eilends entgegen. Zurück! die schwedschen Reiter kommen! Hier auf der offnen Heide können wir Nicht widerstehn! Das ist verdammt! Zu den Finnen. Zieht bis an jene Höhen euch zurück Und ordnet dort von neuem euch zur Schlacht! In zehn Minuten sind wir wieder hier! Die Finnen ziehen linkerhand ab. Herr, auf dem Meere schifft Die Schwedenflotte und sie droht zu landen! Still! Schon seit 'ner Stunde hab ich sie im Auge! Mich freut, daß sie das Volk noch nicht bemerkte; So lang es gehn will, wollen wirs Verhehlen! Berdoa, Irnak und die letzten Nachzügler des Finnenheeres ab. deutet rechts hin. Erik, siehst du dort Den Graugelockten auf dem Hügel stehn? Es ist der Herzog, Euer Vater. Sieh! Der Wind weht ihm das Haar wie Sturmgewölk Ums Haupt, und wie ein Geier, welcher hoch Von seiner Felsenwarte Beute späht, Blickt er mit rollnden Augen durch die Heide – – Erik! nach wem sieht er wohl so umher? Weh! er erblickt mich! Weh, er kommt! er kommt! Verbirg dich, Antlitz! Er zieht eine Kappe übers Gesicht. tritt auf, laut rufend. Meinen ältsten Sohn Ruf ich zum Zweikampfe! mit verstellter Stimme. Gereuts dich, daß Du ihn gezeugt? Wohl reut' es mich, – er sei verflucht! Den Fluch auf dich! Wer hatte dir das Recht Verliehn, das Leben ihm zu geben?! Fluch der Geilheit, Die dich antrieb! Gut mach ich meinen Fehler, Indem ich ihn vertilge! Darfst du das? Hab ich ihn nicht erzeugt, ernährt, erzogen? Ho, dafür braucht dein Sohn dir nicht einmal zu danken! Verdammte Schuldigkeit ists, daß Ihr die Geschöpfe, welche ihr zu eurer Lust In diese Welt der Qual setzt, auch ernährt! Wes ist die Zunge, die hier leugnet, daß Der Vater richten darf den Sohn? Und wenn Du ihn vertilgen darfst, kannst du es auch? Verspottest du mein graues Haar? Wer du Auch bist, wahr dich vor meiner Faust! Noch fühlt Sie ihre alte Kraft! So raffe denn Die alte Kraft zusammen, und versuch es doch, Vertilge seine Seele, du Gewaltiger! – Ohnmächtiger, vermagst du's nicht? – Wer einmal Geboren ist, muß ewig leben, er Mag wollen oder nicht, denn von Dem ersten Augenblicke seines Seins Gehöret er der Hölle zu! Drum Fluch der Welt, wo jeder Bauerlümmel Mit Hülfe einer Viehmagd Etwas Unsterbliches verfertgen kann! Drum Fluch den Vätern! Jammer und Unfruchtbarkeit den Müttern! Wehe den Gebornen! Lästrer! Hochverräter! Verschworen scheints, bist du Mit meinem Sohne, um Zu rebellieren wider mich! Ist denn Die Erde seit der vorgen Nacht Aus ihrem tausendjährgen Gleis geworfen? Und nehmen unsre Kinder jetzt Die Rute in die Hand? Nein, ehe ich das dulde, Fall ich im Kampfe für das älteste Der Rechte, für das Vaterrecht! Er geht auf Gothland los. weicht rasch zurück. Ich will Mit dir nicht kämpfen, retten will ich dich! Kriegerische Musik; Berdoa, Rossan, Usbek und andere ziehen im Hintergrunde mit Heerhaufen vorbei. Die Schlacht beginnt von neuem und scheint sich zu entfernen. Siehst du's? Der Finne ist verstärkt zurückgekehrt; Willst du nicht abgeschnitten sein, so eile fort Von hier; – dort durch den Hohlweg schleich; er wird Dich vor des Feindes Blick bedecken Und führt auf einem Umwege zum Heer Des Königs. Ich begreif dich nicht, – indes Du machst dein Reden gut durch deine Tat. Geht ab. zieht die Kappe vom Gesicht. Mit meinem Vater bin ich wett; er gab Ein Leben mir, ich rettete ihm eins; Begegne ich ihm noch einmal, so weich Ich vor ihm nicht! – Keinen Vater mehr? Schmerzlich, die Hand auf der Brust. O hier Sind traurige Ruinen! Die Schlacht kommt wieder näher; abermalige Flucht der Finnen; waffenlose Soldaten stürzen herein; dann kommt Usbek; Gothland tritt auf die Seite und beobachtet das Vorfallende. verzweiflungsvoll. Alles ist Verloren! Unsre Erschlagnen decken das Gefild! Geh unter Sonne! und beschein Es nicht! Irnak kommt, den Arm in einer Binde. Verwundet? Kaum gestreift. Ihm ins Ohr. 's ist aus Mit uns! – Wo ist Berdoa? Im Schlachtreihn, – Fruchtlos sah ich ihn Sturm auf Sturm versuchen, – Der Widerstand verdoppelt seine Kraft! Berdoa, Rossan und Finnen. Trompeter, blast den Kampf zu neuen Flammen, Den Mut der Finnen blaset wieder an! Das hilft Euch nichts. Das Volk ist zu verzagt. Zweimal wards nun an diesem Tag geschlagen. So will ich denn zum letzten Mittel greifen: Ich lasse sie verzweifeln! Finnen! Wir Sind hoffnungslos verloren! Wehgeheul. Nimmer seht Ihr eurer Heimat Küsten, nimmer seht Ihr eure Weiber, eure Kinder wieder; Auf dieser fremden Erd, wo heute schon So viele Kameraden fielen, werdet Ihr unbeweint verwesen! Rette uns! Errette uns! Die Schweden treiben uns Wie 'n Rudel Wild zusammen, – rings sind wir Umzingelt; auf dem Meere (länger darf Ichs nicht verschweigen.) kreuzt die Feindesflotte Und droht mit einer Landung unsren Rücken; auf Dem Lande dringen, wie vier fürchterliche Schnitter, Der König Olaf, der Graf Holm, der Graf Arboga, dem der Pferdeschweif den Helm Umflattert, und der alte Herzog Gothland, Mit ihren Schwertern Finnlands Jugend un- Barmherzig niedermähend, auf uns ein! Schon harren über uns die Krähn Auf unsren Tod, Nahende Trommeln und Geschrei. schon nahn mit Siegsgejauchz Die Schweden – Rette! rette uns! – und nichts Als nur Verzweiflung kann uns retten! tritt ein. Ein schwedscher Herold ruft: sein König sichre Den Finnen einen freien Abzug zu, wenn Sie das verfemte Haupt des Herzogs Gothland Freiwillig überliefern würden. boshaft. Was Verhindert uns, es auszuliefern? Zu Usbek. Schlags Ihm ab! O Gott! mein armer Herr! leise und dringend zu Rossan. Hast du Getan, was du versprachest? Meine Scharen Sind Euch gewonnen. Kann ich mich darauf Verlassen? Als wärs auf Euch selbst! So sei Gewärtig! zu Gothland, das Schwert erhebend. Bück dich! zu Usbek. Haue doch nur zu! Mohr, mäßge dich! Gefallen ist der Trug, Der mir das Haupt umfing; ich weiß es, wie Du mich betört! mit unmäßigem Hohn. Weißt du's, Dummkopf? Das freut mich! Was ich befohlen, hast du wohl erfüllt: Den Bruder, welcher dir noch lebte, hast Du totgeschlagen, – schade, daß ich dich nun nicht Mehr brauchen kann – du hast ja keine Brüder mehr! Merkt Finnen! so bestraf ich die, die mich Verhöhnen; dieser Schwede wollte einst In seinem Übermut mich peitschen lassen – Heut lasse ich den armen Sünder köpfen! – Beinah erbarmt mich sein; der Tropf erwürgte Den Bruder, weil ich – Seht, wie er vor Furcht Erbleicht! mit dem schrecklichsten Ausbruche seiner Wut. Du irrst dich! er erbleicht vor Zorn! – Zurück du Hund, und knurre nicht! Er stößt ihn von sich weg; große Bewegung unter den Finnen. mit Finnen auf Gothland eindringend. Erschlagt ihn! mit andren Finnen dem Usbek entgegentretend. Wir schützen ihn! Das ist Empörung! zu Berdoa. Plaudre Kein Wort von dem, was zwischen mir und dir Geschehn ist! Schweig, schweig! Du bist bös, Doch dreifach bös bin ich, denn vorher war Ich gut; drum hüt dich! wütend auf ihn eindringend. Hüte du dich selber; Sehr blutbegierig sind die Tiger! Ich bin In Tod und Leben dir zur Seite! Rossan hält mit seinen Leuten den Anhang der Beiden auf. Haltet; hört Mich erst, eh fruchtlos Blut vergossen wird! Womit hat dieser Schwarze eure Liebe Verdient? Schlagt doch die Trommeln! – vielleicht, weil er Die Ersten eures Volks hinrichten ließ, Um ihre häupterlosen Rümpfe zu Den Stufen seiner Macht zu machen? Trommeln! Nein, hört ihn, hört! Verdammtes Finnenpack! Vernehmet ihr sein Schmähn? So lohnt ers jetzt, Daß ihr ihn, als er barfuß, bettelnd in Eur Land kam, wie 'nen König aufnahmt und Mit Purpur seine Blöße decktet! Ja, er Kam barfuß in das Land; ich weiß es noch. zu Berdoa. All diese vielen tausend Finnen, die Hier stehn, die sich auf deinen Mut und Witz Verlassend, dich zum Feldherrn wählten und Dir folgten, hast du hergeführt auf dieses Schlachtfeld, wie auf 'ne Schlachtbank, hast sie prahlrisch Mit Siegsverheißungen getäuscht und nun Durch deine Einfalt sie im Garn des Tods Verstrickt! – Wo bleibt jetzt deine Kriegskunst? Hast du Schon ihren ganzen Vorrat aufgebraucht? Auf die Finnen deutend. Errett sie doch! Zweimal hast du's bereits Versucht und zweimal haben dich die Schweden Wie 'nen begoßnen Pudel wieder Zurückgejagt; nicht wert bist du ein Feldherr Zu sein; ich setz dich ab, und fortan dienst Du als Gemeiner unter Rossans Bataillonen! Gift und Hölle! Er geht auf Gothland los. ihn abhaltend. Nieder mit Dem Neger! Nieder mit dem Gothland! Usbek! hör noch ein einzig Wort! Du kennst Die Sitte deines Volks, die Blutrache? Wie ich mich selbst! Ward nicht dein Vater meuchlings Erschlagen? schnell und heftig einfallend. Rührt die Trommeln! Dieser Mohr Erwürgte ihn! Das lügst du! gibt dem Usbek ein Papier. Hier ist der Beweis. in das Papier blickend. O Mörder! Teufel! Teufel! Gothland, Ich bin der Dein'ge! Nieder mit dem Neger! indem nun auch die Letzten dem Beispiele Usbeks folgen. Nieder, nieder mit dem Neger! Irnak, der bisher schweigend auf Berdoas Seite gestanden hat, verläßt ihn jetzt ebenfalls. – Berdoa, da er sich von allen verlassen sieht, will racheglühend auf Gothland zuspringen, aber plötzlich stürzt er besinnungslos, niedergeworfen von seiner inneren Erschütterung, an den Boden. zu Gothland. Wenn du ihn willst getötet haben, so Trag mir es auf – laß mich den Vater rächen! leise zu Gothland. Treibt es fürs erste nicht zu weit; schon wird Der Pöbel nach der alten Weise wieder Mitleidig, – immer hält er es mit dem, Der unterliegt! Wie wahr das ist, mein lieber Rossan! Für sich. – Erst Grausamkeit zur Folie und dann Ein bißchen Großmut drauf geflickt – das wirkt, Das muß zu Tränen rühren – jetzt Die Großmut! Laut. Usbek, wie mich dünkt, ist er Für jetzt genug bestraft; bewahr mich Gott, Daß ich an dem Ohnmächtigen mich räche! – Wenn Er wieder sich erholt hat, dann soll Dich niemand hindern, es mit ihm In offnem Kampfe auszufechten. – Irnak, Berdoa ward von dir am wenigsten Beleidigt; beim Erwachen, denk ich, sieht er Dich lieber als uns andre; bringe ihn In Sicherheit, und wenn dir meine Gnade auch Nur etwas gilt, so pfleg ihn wie 'nen Freund. Irnak und Soldaten bringen den Neger von der Bühne. Ist das nicht edel? Ja, großmütig ists Gehandelt! schnell ein flüchtiges Lächeln unterdrückend. Lobt mich nicht; ich tat ja nur, Was jeder Mensch tun würde. – Wie es mit Euch steht, das wißt ihr selbst; Berdoa hats Euch schon gesagt; – die schwedsche Landarmee Umzieht uns enger stets und enger, – Die schwedsche Flotte macht sehr drohende Bewegungen – Neunhundert Reiter könnten euch Bequem zusammenhaun! – Was gebt Ihr mir, wenn ich eur Leben rette? – Daß ich es kann, das glaubt ihr schon; ihr kennt Den Herzog Theodor von Gothland aus Den Schlachten, die er siegreich gegen euch Gefochten hat! Sehr billig ist es, für Das Höchste auch das Höchste dir zu bieten: Rett uns und Finnlands Krone sei dein Lohn! Errett uns und sei König! Ist Das euer Ernst? Ja, du bist unser König! Ists so? ROSSAN, USBEK UND FINNEN. Wir alle sind dir untertänig! So schwört, mir treu zu sein in Glück und Not! ROSSAN, USBEK UND FINNEN. Wir schwören, dir zu folgen in den Tod! Den straf ich Hochverrats, der dieses log! ROSSAN, USBEK UND FINNEN. Der König Finnlands, Gothland lebe hoch! Tusch. laut gebietend. Wohlan, so reißet aus die finnischen Paniere Und pflanzet auf die Banner meines Hauses! Es geschieht. – Fortan ist Rossan euer Obergeneral, Usbek bleibt Kommandeur der Reiterei! – – Der schwedsche König hat 'nen Preis Von tausend Stücken Goldes auf mein Haupt Gesetzt, – ich setze funfzigtausend auf Das seinige! – Herold, sitz auf und rufs Den Feinden zu – Indem er in seine Brieftasche schreibt. mach dich zugleich An ihren Oberfeldherrn, an Den Grafen von Arboga, grüße ihn Von Gothland, laß ihn dieses lesen, und Meld mir, was er darauf beginnt! Der Herold geht ab. Wo ist Mein Sohn? Ich sah ihn bei der Vorhut. Ruf ihn. Der Finne geht; Gothland streckt die Hände gen Himmel. Gebt Mir langes Leben! – Erik, hurtig hol Mir Panzer, Helm und Schild! Erik ab. – – Begraben von den Wolken ist die Sonne, Und tiefes Dunkel bricht herein, als wärs Schon Nacht! Die Gegend verfinstert sich. – Die Windsbraut hat Den Ozean entwurzelt! Wie ein Gigant stürmt er empor Mit hunderttausend Häuptern, holt Den Adler auf dem Flug ein und zerschellt Mit gräßlichem Gebrülle an Der Sternenfeste! – Möwenscharen fliegen auf – Turmhohe Wasserhosen saugen an den Wellen – Die Uferfelsen werden losgerissen – Alles ist Mir günstig! – Wissen sie dort auf Der schwedschen Flotte, daß die Finnen hier Am Ufer stehen? Ja; doch grad an dieser Stelle Vermuten sie uns nicht, denn vor 'Ner Stunde noch stand eben hier Der schwedsche Oberst Torst samt einem Erlesnen Regimente, um damit Die Landung zu bedecken. Schleunig und Behutsam ließ ich ihn umzingeln, Auf Gnad und Ungnad mußte er sich mir Ergeben; – auf den Schiffen hat Man schwerlich davon etwas wahrgenommen. Der Oberst Torst? Mit dem soll ich, wie man Mir stets gesagt, viel Ähnlichkeit in Wuchs Und Stimme haben. Wahrlich, Ihr habt viel Ähnliches mit ihm, Besonders in der Stimme. Denkst du? Nun, Das bringt der Flotte ihren Untergang! – Holt mir Torsts Uniform! Ein Finne geht ab. Ha, ich ahne! mit einem schwedischen Offiziershute und Mantel zurückkommend. Hier ist die Uniform. sich damit bekleidend. Brennt mir 'Ne Fackel an! Man tut es und übergibt sie ihm. Wo ist Die klippenvollste Stelle dieses Strandes? zeigt auf einen Felsen, der im Hintergrunde am Seegestade steht. Die seht Ihr dort; auf sechzig Klaftern weit Geht jedes Schiff in ihren Strudeln unter. befiehlt den Finnen durch eine Bewegung seiner Hand, sich ruhig zu verhalten, und ersteigt den Felsen; wie er oben ist, winkt er der schwedischen Flotte mit der Fackel, und ruft ihr zu. Heran, heran, ihr Schiffskamraden! Jetzt ist es hohe Zeit! Der König hat Das Finnenheer von vorne an- Gefallen, landet schnell und fallet es Von hinten an! aus der Ferne. Wer bist du? Donner und Das Wetter! Kennt ihr mich nicht mehr? Ich bin der Oberst Torst, und soll, Wie ihr ja wisset, eure Landung decken – Wie lange soll ich auf euch warten? Es Ist dunkel und es stürmt! Wir wissen keinen sichren Landungsplatz! Herr Gott, So steurt doch nur dem Wink der Fackel nach! Hier wo ich stehe, ist der schönste Ankergrund, Den ich noch je gesehn! Kein Fels! kein Strudel! Ein treues Wasser führet von Den Schiffen bis hieher! Mit der Fackel winkend. Heran! heran! Beiseit. Empfangt sie, Riffe! Laut. Rudert, rudert! kommt! Wir kommen schon! Wir kommen schon! beiseit. Sie kommen! Fackel ködre, angelt sie Ihr Klippen! näher kommend. Ha, Betrüger du! In Strömungen Und Felsgehege hast du uns gelockt! plötzlich ein lautes Hohnlachen aufschlagend. Ja ja! Dem Haifisch in die Meersupp eingebrockt! Weh! Weh! wir scheitern! Da geschieht Euch euer Recht! Wie konntet ihr So blind und töricht sein, den König Gothland Für einen schwedschen Obersten zu halten? Er wirft die Fackel in die See und reißt sich die schwedische Uniform ab. Ha, warte nur! Wir stürzen häuptlings dich Ins Meer, sobald wir an das Land geschwommen! Es ist mir lieb, daß ihrs im voraus sagt, Nun kann ich es bei Zeiten noch Verhüten! Finnen! Besetzt die Küste, zieht die Säbel Und haut den Schweden ihre Finger ab, Wenn sie damit sich an das Ufer klammern! welcher die Küste grade da, wo Gothland steht, soweit erklettert hat, daß er mit dem Kopfe über sie hinwegragt. Gott Sei Dank! ich hab den Strand erklimmt! stößt ihn mit dem Fuß zurück. Noch nicht! Verfluch Die Mutter, welche dich gebar, daß du Ersöffst! dicht am Strande. Sind von den Unsren ein'ge oben, Die hülfreich uns die Hände reichen können? heimlich zu den Finnen. Reicht ihnen eure scharfen Säbel! tun es. Hier Sind unsre Hände! Wir ergreifen sie Mit Dank und – Auf einmal jammernd. Weh, geschliffne Schwerter sinds! Die Finnen sinds! O die Barbaren! Barbarscher als die See, die uns verschlingt! fängt an zu singen. »Es stehet ein Fischer am Ostseestrand – Hoho! Hat Felsennetze ausgespannt, – Hoho! Er lockt mit blendendem Fackelschein Die Fisch' in seine Netz' hinein! Hoho, Hoho! Es kommen die Toren gezogen, – Hoho! Er schmücket mit Scharlach die Wogen, – Hoho! Der Fischfang ist gut –« Seinen Gesang unterbrechend. Hu, alles still! ich sang noch! – Tausend Leben Sind ausgelöscht, – der Sturm läßt nach, die Wolken Verziehen sich, das Meer hört auf zu wüten, Besänftigt durch die ihm Geopferten, – Die Sonne tritt auf einen Augenblick Aus dem Gewölk, beleuchtet blutigrot Die mit Schiffstrümmern übersäte Ostsee Und ihre leichenüberschwemmten Küsten, Zeigt mir, was ich begangen und verhüllt Ihr Haupt! – – Pause. Die Gegend bat sich wieder aufgehellt. Sind sie denn alle schon ertrunken? – Ha, dort hängt noch ein einzger zappelnd an Dem Felsenvorsprunge, – ein Jüngling ists! – Im Meer, dicht unter seinen Füßen, lauert Ein riesger Mantelroch auf seinen Sturz, – – Wie mich der Arme rührt! Könnt ich ihn retten! Weh mir, was habe ich getan! – Jetzt schlägt 'Ne Woge an den Felsenhang, er klammert Sich fester an; umsonst! sie spült ihn weg, Er stürzet in die See, der Mantelroche Umwickelt ihn und fährt mit ihm heißhungrig in Die Tiefen! – – – Eine teure Mutter harrt Vielleicht auf ihn daheim, vielleicht war er Die einzge Freude ihres öden Alters, – mit Der Morgen-, mit der Abendröte steigt Sie auf den Hügel und blickt sehnend aus Nach ihrem treuen, hoffnungsvollen Sohn, – Sie breitet liebevoll die Arme aus, Ihn an das Herz zu drücken, – nimmer wird Sie es! ein Mantelroch der Ostsee hält Ihn schon umschlungen! – – Still, das führt zur Reue; Still, still, still – Er versinkt in düstres Nachdenken; seine Blicke ruhen unbeweglich auf dem Meere; der Herold, welchen er vorhin an das Schwedenheer absandte, tritt wieder auf. ruft. König! horcht auf. »König?« Meint er mich? Ha, dieses einzge Wort hat mich geheilt! – Was gibts? Der Herold ist zurückgekehrt. steigt von dem Felsen. Herold, was sagt der Graf Arboga? Nachdem er Euren Brief gelesen, riß Er vor der Fronte seiner Regimenter Die schwedsche Farb von seinem Helme, warf Sie in den Kot und rief: »der König, dem Wir dienen, ist ein Lump! zum Gothland, den Das Finnenvolk zum Herrscher sich erkoren, Der euch so oft zum Sieg geführt hat, geh Ich über – Wer mich liebt, der folgt mir nach!« – Die Scharen jauchzten auf, als er Den Namen Gothland nannte; Ein Haufe von zwölftausend Mann, beinah Der fünfte Teil der schwedischen Armee, Ist ihm gefolgt; – da kommt er schon Und führet ihn Euch zu. Arboga tritt von der rechten Seite der Bühne auf, schwedische Truppen folgen ihm. geht ihnen entgegen. Willkommen, Graf! willkommen, Kriegsgesellen! zu seinen Kriegern. Grüßt euren alten, ruhmgekrönten Feldherrn! Kurze kriegerische Musik. Ich danke euch, Landsleute! – Die finnischen und schwedischen Offiziere bewillkommnen sich stumm und auf militärische Weise. Dann treten sie wieder voneinander. zu Arboga. Ich hab mich nicht in Euch geirrt! Hier War nichts zu irren. – Schwer beleidigt war Ich durch den Schwedenkönig; zu 'ner Strafe Von tausend Stücken Goldes hatte er Durch seine Räte mich verdammen lassen. Dafür mußt ich Genugtuung mir schaffen Und Euer Brief bot mir Gelegenheit Dazu. Ich bau auf Euch! Irnak tritt auf. – Gothland wendet sich zu ihm. Wo ist der Neger? Das laute Lebehoch, das Euch vorhin Die Finnen brachten, hat ihn aufgeweckt Aus der Betäubung. Wutgetrieben streift er Nun durch die Ebne, – wen er anrührt, den Vernichtet er und nieder stößt er jeden, Der ihm begegnet. Eben traf er auf 'Nen Haufen zechender Soldaten, – er Ergriff ein brannteweingefülltes Glas, Leert' es auf einen Zug, und fraß es selbst Dann hinterdrein, daß ihm Die Zähne knirschten und das Zahnfleisch blutete; »Herr! seid Ihr toll? Ihr freßt Ja unser Branntweinglas!« schrien die Soldaten; da versetzte er Mit einer fürchterlichen Stimm: »ich meinte, Es wäre Gothlands Herz!« zu Arboga. Ihr hört, Graf, wie Gefährlich dieser Mohr mir ist; er hat Noch viele Freunde in dem Finnenheer, Deshalb verschieb ich seine Hinrichtung, Ich zähl auf Euren Beistand, wenn dazu Die Zeit gekommen ist. Zählt dreist auf mich Auf seine Soldaten deutend. Und jene! Was Ihr ihnen auch befehlt, Sie werdens tun; an blind Gehorchen hab Ich sie gewöhnt. Gustav tritt ein. rufen. Der Kronprinz Gustav lebe! Erheitre dich, mein Sohn! Hörst du wie dich Das Heer begrüßet? Die Begrüßung macht Mich traurig. Und warum? Sie klingt mir fast Wie 'n Vorwurf; Gothland fühlt sich getroffen, doch faßt er sich sogleich wieder. als man mich noch bloß den Sohn Des Herzogs Gothland hieß, da, dünkt mich, war Ich glücklicher! Das dünkt dich nur! gewiß! Verlaß dich drauf! Du mußt weit glücklicher Jetzt sein, – wenn nicht einmal ein Königssohn Oder ein König glücklich ist, ja dann Gibt es kein Glück auf Erden! Erik kommt mit Gothlands Rüstung. – Wo hast du So lang verweilt? Gothland nimmt ihm hastig die einzelnen Stücke ab und legt sie sich an. Den Panzer her – Ihn betastend. sein Stahl Ist gut – Auf seine Brust deutend. nicht eher wirds hier still, als bis Er sie bedeckt. – Den Helm! – Gib mir den Schild! Ihn mit großem Geschrei an den Boden werfend. Verräterei! Verräterei! der Schild Zerbricht! Wie? Herr, seht doch, es ist Eur alter, wohlgeprüfter Schild und er Ist fest und unzerbrochen! Fürwahr, Er ists, – ich weiß nicht, was Mich anfiel! – Beiseit. Und dennoch zittre ich Noch jetzt vom blinden Schreck! So wart Ihr sonst nicht! Sprich nicht vom Sonst! – Wir wollen die Verwirrung, Zu Arboga. Worin das königliche Heer Durch Euren Übergang versetzt ist, nutzen, Aufbrechend. Zur Schlacht! Er kehrt plötzlich wieder um. Doch haltet! Erst will ich Wein trinken! Holt ihn mir! heißen, feuerheißen Wein! Irnak geht ab. Was fehlt Euch, König? Nichts! Für sich. Mich Ergreift ein unbekannt Gefühl, – die Feigheit Ist es doch nicht? Irnak kommt mit einem Becher Wein. Hier ist Wein. nimmt den Becher in die Hand. – O, es war Doch damals eine selge Zeit, als ich Zu meinem Mut des Weins noch nicht bedurfte! – – Er trinkt, setzt aber bald wieder ab. Der Wein hat ja kein Feur; schaff heißren! Auf Erden wächst kein heißerer. So hol Mir Branntwein! sengenden Branntwein! Irnak ab. für sich. – O, Wie weit, wie weit ist es mit mir gekommen! Von dem unedelsten Getränk des Pöbels, Vom Branntewein muß ich mir Tapferkeit Erbetteln! – O, mein Heldenruhm, mein mit Dem eignen Blut erworbner Heldenruhm! Laut. Branntwein! Branntwein! Irnak kommt mit Branntwein. Bringst du ihn? Her damit! Trinkt mit gierigen Zügen. – Der Branntwein ist gut; ich hoff, er wirkt! Beginnt der Kampf? Er mag beginnen! bedeutungsvoll. Gegen wen? ohne Eriks Frage gehört zu haben. Was glänzt mir da so störend in die Augen? – Der Ring der Treue ists, den mir mein Weib An dem Altare gab, – ich trag Ihn nun schon sechzehn Jahre, – heut Würd er mich hindern in der Schlacht! Er wirft den Ring auf den Boden und zertritt ihn. Herr, da Zertratet Ihr ein edles Herz! bezwingt seine Bewegung. Es fahre wohl! – – Die Erde trägt hier gute Saat: da liegt Ein Schwert, – ich nehm es auf! Jetzt nehmet Ihr Dasselbe Schwert auf, welches Ihr vorhin Wegwarfet, um den Vatermord zu meiden. Graukopf, du wagst sehr viel! Erlaubt, man sagt, Den Vatermördern wüchs die rechte Hand Aus ihrem Grabe! Sklav! spricht nicht vom Gra – Hu! – Gebt Mir langes Leben, langes Le – Es donnert; Gothland verstummt voller Entsetzen. Wovor Erblaßt Ihr? – Donnernd sinkt die letzte Wolke Des vorgen Ungewitters in das Meer. Ja ja, der bloße Donner ist es, – durch Die Luftregionen heult er ohne Sinn! Ohne Sinn? Ohne Sinn! – Zu Usbek. Ich seh dich auf Den Wink zum Aufbruch harren, – wart nur noch 'Nen Augenblick. – Arboga, könnt Ihr mir Die Rechte nennen, die ein König hat? Ein König hat gar große Rechte, als Das Recht der Willkür, die Befugnis zur Gewalt, das Recht des Völkermordes – Hat er Das letztere? ohne Ironie. Zum wenigsten ists von Den Kön'gen ausgeübt, so lange als Es Kön'ge gibt. Nur eins sag an: Ist Völkermord ein Königsrecht? Ich glaube es. Gottlob, Wir sind ein König! – Jetzt frißt der Mensch die Fisch', da eigentlich Die Fisch' ihn fressen sollten, – sorgen will ich, Daß diesem Mißstand abgeholfen wird. Den Ackerbau will ich befördern, dies Feld Will ich mit Leichen düngen, damit Das Gras wächst, – einer von den großen Ärzten Der Menschheit, deren sie so sehr bedarf, Die mit den einzigen Heilmitteln, die ihr fruchten, Mit Feur und Schwert, mit Krieg und Pest sie heilen, Einer von den gepriesnen Attilas, Sullas und Cäsars will ich werden! Kommandierend. Infantrie vor! Die Reiterei Hält hinter ihr und reit't sie über, wenn Sie zagt! – Rossan, du stürmst des Feindes linke Zu Irnak. Und du die rechte Flanke, Zu Arboga. Ihr das Zentrum! Schlachtmusik. Mord ist frei! Keine Gnade! – Er, der Die Wölfe machte, ihnen Zähne gab, Und einen heißen, niegelöschten Durst Nach Menschenblut, er, der die Vipern schafft, Und die Erdbeben aus den Tiefen ruft, Wird uns entschuldigen! Halloh, zur Schlacht! Er geht; allgemeiner Aufbruch; kurze Pause, während welcher die Szene leer bleibt. tritt auf, die wildeste Leidenschaft in seinen Gesichtszügen und Bewegungen. Was? Bin ich noch der Neger? Ist dies mein kampfgestählter Arm? O gebt Mir etwas zu vernichten, etwas zu Vernichten – ja, vernichten! vernichten! Er hat einen Dolch ergriffen. Zerbrich! zerbrich! O wärens seine Knochen! – Verdammte Träume! Seine Knochen sind Es nicht! Es ist mein bester Dolch! Schmach! Fort Gedanken! – Sinne, öffnet eure Tore! Sehn will ich der Sahara Meteore! Fast mit Vision. Ha! wie die Lavaström vom Ätna, fluten Hoch vom Zenit die Sonnengluten! In Feuer ist der Tag getaucht, Verbrannte Asche ist die Luft, die Erde raucht, Der Samum weht, Und Mauritanias Karawan vergeht! Der rote Löw, umflogen Von eines Feuerkammes Wogen, Schnaubt Mord, peitscht mit dem Schweif den Sand, Stürmt als Komet der Wüste durch das Land! Und als ihr Sternbild, furchtbar leuchtend, Gleich dem Orion der Äquatornacht, Tod kündend dem, der es erblickt, Umfunkelt von des Felles Arguspracht, Die blutgewaschnen Zähne weisend, Sie mächtig aneinander schärfend, Wie Netze seine Blick' auswerfend, Mit glühndem Aug' die Beut umkreisend, Schweift dort, mit einem Blutstreif ihn befeuchtend, Der Königstiger seinen Pfad! Und lauernd sich zusammenringend, Zu einem Strudel sich verschlingend, Umschnürt mit ungeheuren Reifen Die Boa jeden, der ihr naht! – Ein Samum will ich Gothlands Mark aufzehren, Will seinen Stamm, will alles, was ihn nur beglückt, Mit meinem Hauch versengen und verheeren, – Ein Löwe, will ich ihn ergreifen, Ein' Boa, will ich ihn erdrücken, Ein Tiger, reiß ich ihn zu Stücken – – Nur Tiger? – der kann bloß den Leib versehren! Das ist zu wenig, ich will mehr! Denn auch das Seelenheil will ich zerstören Für ihn sowie für seinen Samen! Amen! Gustav tritt auf. Sein Sohn? Ein Dämon führt ihn zu mir her! Er zieht sich zurück, und umschleicht den Gustav während des Folgenden beobachtend und lauschend, beinah auf die Weise eines Raubtiers. Weh ihm, dem schon in seiner Jugend Tagen Ein holdes Glück erschienen, – klagen, Wenn es ihm untersank, Muß er ein ganzes Leben lang! Er scheint betrübt zu sein, – was mag ihn quälen? Viel Kluges ist es sicher nicht, – er hat Noch keinen Bart! Dort steigt er auf, Der stille Zeuge unsrer Liebe, Der Hesperus, Und mit ihm die Vergangenheit! Wie leuchtet er mir heut so trübe, Wie golden flammte er in vorger Zeit! – Auch sie Steht nun wohl in dem Dämmerlichte, Der Wehmut Zug in dem Gesichte, Auf dem Altan, und denkt an mich Und unsre Blicke treffen sich (O süßer Traum!) Im schönsten Stern am Firmament, Sind wir auch sonst durch Berg und Tal getrennt! Ich habs, ich habs! er ist verliebt! Die Liebe Ist Wollust; wer verliebt ist, der ist geil, Ist Geck, ist schwach, ist Narr! – An dem hab ich Schon im voraus das halbe Spiel gewonnen! – Er geht auf Gustav zu, um ihn anzureden. für sich. Was will der Mohr? Ihr seid nicht in der Schlacht Bei Eurem Vater, Prinz? Man wird Euch das vorwerfen. Was ein Kind Dem Vater schuldig ist, hab ich getan; Ich bin auf sein Gebot ihm nachgefolgt Und werd ihn nicht verlassen; doch nie kann Er fodern, daß ich gegen meine Überzeugung, Gegen mein Vaterland und gegen den, Der Schwedens König ist, mein Schwert soll ziehn. Ihr meint also, Eur Vater wär Rebell? Er ist mein Vater und ich bin sein Sohn. Du rührst mich, Jüngling; wohl, du hast ein Recht Zu trauern! Wohl o wohl! ein größres, als du denkst! Ein größres? – Kaum zu glauben – Sollte etwa – Still Mohr, denn du errätst es nimmer! Un- Glückliche Liebe ists doch nicht? Gustav wird heftig bewegt. Ist sie's? Und glauben konntest du, daß ich sie nicht Erriete, weil ich Neger bin? – O schlecht Kennst du der Liebe Zaubermacht! Sei weiß, Sei schwarz, du führest ihre Farbe! Am Äquator lieben wir wie hier, nur glühnder, Wie dort denn alles glühnder ist. Ja, besser Hätt ich der Liebe Allmacht kennen sollen, Als einen Augenblick an ihr zu zweifeln. – Ein Einsamer bin ich in diesem Heer, Mein Vater höhnt mich, wenn er mich bewegt sieht, Und seine rohen Krieger kennen kein Gefühl – Indem er Berdoas Hand faßt. Da muß ich einen Neger finden, der mir Erzählt, daß auch die heiße Zone liebt, Der mich versteht, der meinen Schmerz begreift. Selma, des Schwedenkönigs hehre Tochter, Die hehre Selma liebt ich mit der Seligkeit Der ersten Liebe, und sie liebte mich! Mein Vater aber, fliehend von Des Bruders Leiche, riß auf ewig mich Von dannen! Du warst wohl recht selig? Fragst Du noch? – Drei Jahre sind es nun, als ich An einem Frühlingsmorgen schweifte durch Upsalas neuverjüngte Flur; ich war Wie Knaben sind, nicht glücklich und nicht un- Glücklich; – Aurora streute Goldstaub auf Die grünen Matten, – sehnsüchtig dämmerte Des Horizontes duftgewobne Bläue, Die Wälder knospeten, die Rosen schwellten, – Ich sah es nicht – Des Hains Gefieder sang, Ich hört es nicht, – Da schwebte eine Nie- Geseh'ne grüßend mir vorüber, – es War Selma – sie erging sich auf den Blumenwiesen – Ich sah sie! – – und Zum erstenmale hörte ich Die Nachtigallen schlagen, Sah ich die Rosenbüsche blühen, Sah ich des Äthers Höhen schimmern, Und eine andre Sonne stieg Im Osten mir empor! Nur wer geliebt hat, weiß es, was Der Frühling ist! Ja wohl! ja wohl! nur wer Geliebt hat, weiß es, was ein Affe – Was, was Der Frühling ist! Von Liebe flüsterten Die Ähren, Liebe rief des Donners Hall! Ich glaubte an Unsterblichkeit, an Gott, An Glück, an alles Große und An alles Gute! Die Sonnen flogen auf und nieder, Die Stunden hatten Morgenröten, Die Auen waren Paradiese, – und Wenn ich auch weinte, So weinte ich vor Freude! Ist Selma schön? Das weißt du nicht? – O, ich beklage dich! – Als Herrlichste von allen, Als eine Kön'gin steht Sie unter den Gespielinnen! fürs Diadem Ist ihre Götterstirn gebildet! seidnes Haar Umschmückt ihr lichtes Haupt Mit goldner Fülle, Hoheit strahlt Aus ihrem Auge, Anmut wohnt Auf ihrem Mund, – mein Leben würf ich weg Für einen Kuß auf ihre Lippen! Wenn sie nun aber aus dem Halse stänke? Wie Neger? O du Geck der Gecken, Narr Der Narren! Deine Göttin ist ein Mensch Wie du! Hat sie auf ihrem Kopf viel Haare, Was du so rühmst, so hat sie sicher auch Viel Ungeziefer drauf, und ihre Nas Ist schleimig, wie die Nasen andrer Leute! Sie trinkt und ißt so gut als du Und so wie du gibt sie's auch wieder von sich! Schäme dich! Lüg ich denn? – Schäm du dich, weil Du ohn Erröten eingestandest, daß Du liebest! Mich der Liebe schämen, die Das Höchste auf der Erde ist? Das Höchste? Aufs Kindermachen läufts hinaus! – Was liebt Ihr denn am Weib? Etwa den Geist? An einer Gans? – Ich glaub es kaum; und wär Es wahr, – weshalb liebt ihr denn nie 'nen Mann? Ihr liebt das Fleisch! siehts Fleisch nur hübsch, so denkt Ihr euch die Seele schon hinzu! – Doch das Empört mich nicht; allein, wenn ihr den Trieb, Den ihr mit Kröte, Katz und Hund gemein habt, Zu einer Tugend macht und göttlich nennt, Pfui, das ist unerträglich! Im Namen der Geliebten und der Liebe: Zieh deinen Degen heuchlerischer Mohr! tuts und schlägt ihm den seinen aus der Hand. Da liegt der deine! – Lehrte Selma dich Das schlechte Fechten? Besser solltet ihr Die Männerwürde ehren, als Zu Dienern eines Weibes euch erniedrigen! Dein Arm ist stärker als der meine, weil Er dreißig Jahre älter ist; drum rühm Dich nicht; der Liebe bleib ich treu! Geht ab. Ja, bleib Ihr treu! bleib ihr nur treu! das wünsch ich eben! Ein Schritt nur ists, der von der Liebe zu Der Unzucht führt! – – Ich kenne unter Den Christen gar nicht wen'ge Laffen, die Im selben Sinn, in welchem sie Von ihrem Mädchen sprechen, Gott Die Liebe nennen! – Dieser Knabe schien Zu ihnen zu gehören! – Ich Bin lange Zeit als – als Sklav In Griechenland und in Italien Gewesen; nicht umsonst hab ich Dort mancherlei erfahren und gelernt; Ich kann's mitunter brauchen, wenn Ich so ein europäsches Schneegesicht Zu Grunde richten will! – Ich will Ins Künftige mich fest Und fester an den sehnsuchtgirrenden Gelbschnabel drängen: erst verführ Ich ihn mit Hülfe seiner Liebe Zur Hurerei; dann wiegle ich Ihn gegen seinen Vater auf; dann – Irnak kommt. Wie steht es in der Schlacht, Freund Irnak? Der neue König siegt! Gott quäl ihn! Rossan, Der neugebackne Oberfeldherr, fragte Nach Euch, und stampfte mit dem Fuß, als er Vernahm, Ihr wärt nicht da! Der Narr! Er drohte Euch exemplarisch zu bestrafen Und läßt Euch durch mich rufen. Gut; Schon gut, – zu etwas anderem; wie geht Es deinem hübschen Nachtgeschirre? Nacht- Geschirre? Nu, ich mein' das wohlgebaute, Breithüftge Christenmädchen, welches du Vergangnes Jahr im Schwedenkrieg Erbeutet hast. Ihr meint das blonde Milchen? Ja ja! Emilie Scherwenz! Ho, Da habt Ihr Recht! die ist ein Nachttopf! Sie sitzt in meinem Zelte; wenn Ihr pissen wollt, so steht sie Euch zu Diensten! Was treibt sie denn? Sie melkt die Männer! Sie war damals recht üppig-schön; ist sie Es noch? Wo sie vorbeigeht, springen Die Hosenknöpfe los! Wenn sie nur fett ist! Ihr solltet ihren weißen, blühnden Nacken, Auf dem sie doch so häufig liegen muß, Und ihre vollen Arme sehn; auch ihr – Hat sie 'ne tüchtige? Man kann darin Die Stiefeln ausziehn! So befiehl der Dirn, Daß sie sich kostbar schmücke; ich bezahle alles; Durchsichtger Flor umschatte ihre Brüste – Ein seidenes Gewand vom feinsten Stoff Umschließe ihren Leib so enge, daß Man jeden Atemzug bemerken kann, Und eine Silberspange, welche beim Geringsten Druck des Fingers auffliegt Und es verrätrisch öffnet, halte es Fürerst zusammen. – – So erwartet sie Die Nacht; dann wird der junge Gothland zu Ihr kommen, und sie fragen, ob Sie bei der schwedschen Königstochter Selma In Dienst gestanden; sie bejaht es, spricht Mit Überschwenglichkeit von der Prinzessin, schwärmt empfindsam Von Frühlingsblum und Abendstern, Von goldner Zeit und selgen Stunden; Die Liebe sei des Lebens höchstes Gut, Ein Tor nur sage, daß Die Liebe irdisch oder sinnlich sei; Behüte Gott! die Liebe sei vielmehr Unsterblich, heilig, ewig, geistig! – Hier Wird sich der Bube nicht mehr halten können, Entzückt, begeistert, weinend wird Er in die Arm' ihr fallen, ihr beistimmen, Mit »himmlisch« und mit »göttlich« um Sich werfen, wie mit Straßendreck, Venus Urania sie heißen Und – – ihr vor Wollust in die Brüste beißen! Sie aber lehrt ihn dann, Was in natura eigentlich die Liebe ist! Hoho, hat sie ihn erst in Armen, So nimmt sie ihn auch zwischen ihre Beine! – Ich kenne viele, die in Zweifel waren, Ob ich auch Mensch; daß ich ein Satan sein kann An deinem Sohne, Gothland, sollst du das erfahren! Er geht mit Irnak ab. 2. Szene Zweite Szene Ein anderer Teil der Ostseeküste. Der König Olaf, der alte Gothland und der Graf Holm treten feldflüchtig auf. Wer unrecht hat, hat Glück! Wir sind Geschlagen, und zerstoben ist das Heer! Ich schiffe mich sofort nach Rußland ein Und werbe dort ein neues an! Ich wandere nach Norwegs Tälern Und wenn sie dort die Väter ehren, So müssen sich die Streiter um mich scharen! Ich eile zum hochherzgen Volk der Deutschen, Das für das Gute nur die Waffen schwingt, Und fleh um Hülfe für die Unterdrückten! Gib mir die Hand, verlaßner Vater! Gib mir die Hand, vertriebner König! Und nehmt auch mich in euren Bund! Sie halten sich umarmt. – Ferne Trompetenstöße. Horcht, die Rebellen nahn; wir müssen scheiden! – Am Kiölgebirg, wo sich die Heerstraßen Von Dänmark, Schweden und Norwegen kreuzen, Steht einsam eine unbewohnte Hütte, Für den verirrten Wanderer erbaut – Dort sehn wir uns am ersten Mai, in der Begleitung neugeworbner Heere wieder! Am ersten Mai sehn wir uns wieder! Lebt wohl, verzweifelt nicht und harret aus! Denn sicher wie der Frühling auf Den Fluren wiederkehrt, so sicher muß Das Gute in dem Leben wiederkehren! Die Wolkenzüge kommen und vergehn, Die Himmelswölbung blieb seit ewig stehn! Sie trennen sich und gehen ab. Gothland, Gustav, Arboga, Rossan, Irnak, Berdoa, Erik, schwedische und finnische Krieger, treten auf. – Siegsmusik. zu Gothland. Feldflüchtig ward der Schwedenkönig Olaf – Im Namen meiner Scharen biet ich Euch An seiner Statt die schwedsche Krone dar. Ich nehm sie an! Beiseit. So hab ichs denn erreicht: König bin ich von Schweden und von Finnland! Laut. Die Finnen und die Schweden sollen künftig Den wechselseitgen Haß vergessen, und, Vereinet unter meinem Herrscherstabe In ewgem Frieden miteinander leben! Zu Arboga. Graf, herrlich habt Ihr in der Schlacht gefochten; Zum Zeichen meiner Dankbarkeit Ernenn ich Euch noch auf dem Schlachtfelde, Dem Boden Eurer Heldentaten, Zum Fürsten von Arboga! – – Sieh da der Neger. Hämisch. Nu, wie geht es dir? Recht gut. Das freut mich. Er zieht ihn beiseit. Auf ein Wort; – Mohr, du Bist weit gereist; du sahst Timbuktu und Sahst Samarkand, den Niger und den Nil, Mehr als ein anderer hast du erfahren – – Weißt du ein Mittel gegen die Blitze Und gegen den Donner? Den Frommen, hört ich, sollen sie verschonen! wendet sich ärgerlich von ihm weg; zu Rossan. Mich dünkt, es wär jetzt Zeit den Mohren aufs Schafott zu schleppen! Herr, so gern ichs täte, – Es geht noch nicht; wir müssen ihn Noch ein paar Tage laufen lassen, – Ich kenne ja das finnische Gesindel! Der Elende Pöbel! – Doch, ich will mich zu Gedulden suchen! Roßgetrappel. He! wer reitet dort vorbei? Es ist Usbek mit seinen Reiterscharen. – Wohin, Usbek? im Hintergrunde. Den Feind verfolgen! Es Wird Abend und kaum scheint ein Stern heut nacht! Du solltest warten bis zur Morgenröte! Pah! Feuerkugeln sind der Schlacht Gestirne, Pechkränze ihre Sonnen! Brav, Usbek! Laß dich nicht Nacht und Dämmrung schrecken! Die meisten Flüchtgen wandten sich gen Norweg; Verfolg sie rastlos bis ans Kiölgebirg! Ich komme mit dem Heere nach! Glück auf! Hussah, so stürmt denn los, ihr Reiterscharen, Wie tausendfüßge, erzbeschlagene Orkane! Ab; Trompeten. Rüstet euch zum Nachtmarsche. zu Berdoa. Die Dirne ist bereit. So will ich mit Dem Buben sprechen! Redet heimlich mit Gustav. in die Gegend blickend. Dort eilt ein müder Landmann nach Vollbrachtem Tagewerk zu seiner Hütte. Er hat das letzte Korn gesät und hofft Zu Gott, daß es gedeihen wird Im künftgen Lenz. – Ein liebes Weib empfängt Ihn vor der Tür und trocknet ihm den Schweiß ab – (– Wer trocknet mir das Blut ab? –) Ein traulich Feur winkt ihm auf seinem Herde Und Kinder spielen um die Kniee ihm; Ein süßer Schlummer, ungestört Von Träumen, stärkt ihn für den künftgen Tag, Und Friedensengel schweben über seiner Wohnung! – Ich seh nicht ein, wie er vor mir Dies schöne Los verdient; wär er Versucht wie ich, so wär er auch wie ich Gefallen – Fort! reißet seine Hütte Ihm nieder und zerstampfet seine Fluren! Mehrere Soldaten ab. – Ihr göttlichen Gewalten, gebt mir, wenn Ihr seid, ein langes Leben auf der Erde; Es ist so wenig – ein unseliges Bewußtsein seiner Nichtigkeit, Ein Kriechen auf dem Schlamme, eine Kette Von Qualen – und dennoch ists Mein Alles! – Gönnt es mir! Ich hab ja keine Ewigkeit, kein Glück Und keine Hoffnung mehr, – peinigt mich, aber Laßt mir das Einzge, was mir blieb, laßt mir Das arme, nackte Leben! laßt es mir! 4. Akt 1. Szene Erste Szene Die Grenzen von Norwegen. Lager der schwedisch-finnischen Armee. Gothlands Zelt. – Nacht. Auf einem Tische brennende Wachskerzen. Gothland, halb gerüstet, liegt schlafend auf einem Ruhebette. Erik steht bei ihm Wache. tritt ein. Was macht der König? Schwer scheint er zu träumen. So weck ihn auf. Wer weiß, ob er Nicht lieber angstvoll träumt, als angstvoll wacht. Mohr! Mohr! tritt ein. Da ich vorm Zelt vorbeigeh, hör Ich rufen; wer begehrt mich? Niemand; Der König sprach im Traum. Der König? Gothland erblickend. Ha, seht, Seht, wie der goldgekrönte Wurm sich windet! Jetzt käut er nach der Art der Europäer, nachts Das wieder, was er tags getan! Er kann kein Bruderfleisch verdauen! Laß, laß mich! Toter, laß mich! zu Berdoa. Fort; er Erwacht. Berdoa geht ab. vom Lager aufspringend. Gottlob, es war ein Traum! Wie feige, Wie feige die Gespenster sind! Sie überfallen nur den Schlafenden! Laßt sie ankommen, wenn ich wach bin! Zu Arboga. Habt Ihr je geträumt? Ich träume nie. Du träumst nie? So hör denn, wie du glücklich bist! – Ich lag, So träumte mir, auf einem Lavafelde, – Aus schwarzen Wolken regnete es Nattern, Und Friedrich, der Erschlagne, stieg empor. Mit seinen Fersen stand er auf der Erde, Mit seiner Scheitel stieß er an den Mond; An seinen blutgen Haaren klebten Sterne, Wie Fisch' in ihren Netzen; Aus seinem Hals hing statt Der Zunge eine Brillenschlange, Sein Aug war stier und grünlich, Und weißer Leichenduft umhüllte ihn. So kam er auf mich zu, beinah Den wandernden Gebirgen Islands ähnlich, Und foderte sein Blut mir ab; Ich wehrte mich mit weggewandten Augen – Er warf mich nieder, und als ich Die Augen wieder zu ihm kehrte, – da Umklammerte mit hunderttausend Füßen Mich eine zorn'ge, ungeheure Spinne, Sog wie 'ner Fliege mir die Brust aus – und Ihr Antlitz war das Antlitz meines Bruders! Trompeten. – Was gibt es da? Die letzten Regimenter Von Eurem sieggekrönten Heere ziehn Ins Lager. Ja, – ich siegte! – Siegen – Morden – – Was unterscheidet denn den Helden von dem Mörder? Die Anzahl der Erschlagenen. Wer wen'ge totschlägt, ist ein Mörder, Wer viele totschlägt, ist ein Held. Nu, Das tröstet mich; ich werde wohl ein Held sein. – Ich bin sehr müde; ich will wieder schlafen; Fürst! wacht in meiner Näh! Er legt sich auf das Ruhebett, steht aber bald wieder auf. – Ich kann nicht schlafen! – Weh, Weh, Wie eine Feuerglocke heult mein Herz Und läutet Sturm mit Donnerschlägen, Und über meinem Kopf Wirft meine Stirne Blasen auf, Wie kochend Wasser überm Feuer! – – Fürst! glaubt Ihr an Unsterblichkeit? Um so etwas bekümmre ich mich nicht. aus voller Seele. O du Beneidenswürdiger! Pause; dann winkt er, ihn allein zu lassen; Arboga und Erik entfernen sich. allein. – Bisweilen Erscheinen selge Silberblicke in Der Nacht des Lebens, – da zerschmilzt Die eiserne, ungläubge Brust, Und eine Götterdämmerung steigt in Ihr auf: – der Erde Nebel, Die düstren Graungestalten schwinden, Und von dem jungen Morgenlicht beschienen, Eröffnet eine weite Aussicht Ihre goldnen Fernen, – aus Dem Meere taucht die ewge Liebe, – am Tiefblauen Himmel leuchtet Gottes Glorie, – Die Gräber öffnen sich, wie Knospen in Dem Mai, verjüngt entschweben ihnen die Gestorbenen, vergessen ist der Schmerz, Das ganze Weltall strahlt von seliger Verklärung! – Was red ich da? Nicht für mich Sind diese Wonnen, wenn sie sind, Und gibt es ein Elysium, so gibts Auch eine Hölle! Zur Zelttür hinaus. Ruft den Neger her! Pause; dann kommt Berdoa. Ihr ließt mich rufen. Neger, Es geht auf Erden eine alte Sage Von Mund zu Mund, von Land zu Land; woher Sie kommt, weiß keiner, aber jeder glaubt sie, Und sie scheint ewig, wie ihr Inhalt – Sie redet von Unsterblichkeit – Was ist Unsterblichkeit? Ein Wort. Woher Die Übereinstimmung der Völker In ihrem Glauben an ein ewges Leben, Woher der Glaube dran in unsrer Brust? Der Mensch glaubt, was er hofft, glaubt, was er fürchtet! Wahr, Neger, wahr! Du sprichst, wie ichs von dir Erwartete; daß du es leugnen würdest, Wußt ich; das war es auch, weswegen ich Grad dich, und keinen andren rufen ließ! Der Mensch verdient ja kaum dies Erdenleben, Und für ein ewiges sollt er gemacht sein? Sein Dasein nicht einmal kann er beweisen, Und seine Ewigkeit wär außer Zweifel? Vortrefflich! Neger, Freund! sprich weiter! beiseit. Wart nur! Laut. Bloß Um unsrer ungeheuren Eitelkeit Zu schmeicheln und die Furcht vor der Vernichtung unsres Daseins zu besänftgen, Erfanden wir uns die Unsterblichkeit, – Ein Einfaltspinsel, der sie glauben kann! Ein Einfaltspinsel, der sie glauben kann! kommt. Herr, eben bringt Usbek fünftausend Gefangne ein. Willkommen sind sie mir, Wenn sie zu meinen Fahnen treten wollen. Sie weigern sich; was machen wir mit ihnen? zu Berdoa. Ein ewges Leben gibt es nicht? Nein. zu Arboga. Es Ist keine Unsterblichkeit – So Laßt die Gefangnen niederhaun! Arboga geht ab. Hihihi! Und wenn nun dennoch – »Dennoch? dennoch?« Zweizüngler, was bedeutet das? – und wenn Die Ewigkeit nun dennoch wäre! entsetzt. Schrecklich! tritt ein. Die Kriegsgefangenen sind tot. Er geht ab. Sie sind Schon tot! Weh, König, Wehe! wenns Nun 'ne Vergeltung geben sollte! Ich zittere für Euch, wenn ich dran denke! zu Berdoa, indem er zugleich sich selbst beruhigt. Es gibt nur eine einzige Vergeltung, Und die bestehet in der gänzlichen Vernichtung unsres Daseins, welche man Den Tod nennt; – dem Unglücklichen nimmt er Die Qual, dem Glücklichen die Freude, Und überflüssig macht er die Vergeltung übern Sternen, Von welcher du zu träumen scheinst! Fast glaub Ichs auch! Siehst du! – – Die Huren mögen Sich fürchten vor der Ewigkeit, – Wir wissen besser, was daran ist; Die Seele schläft, – was schläft, kann sterben, – sie Wird krank (sehr krank!) – was krank wird, das vergeht auch! Wie aber, König, kommts, daß noch Kein einziger (Ihr werdet einstens an Euch selbst erfahren, daß ich Wahrheit spreche.) Wie kommts, daß noch kein einziger Gestorben ist, der nicht in seiner letzten Stunde Die Nähe einer andren Welt geahnet, und Vor ihr gezittert hätte? GOTHLAND Mohr, du redest ganz Einfältig! Ein gesunder Mann, der noch Seine fünf Sinne hat, legt kein Gewicht Auf das, was Sterbende, die auf Dem Todesbett sich winden und die Kissen zupfen, In ihrer Angst und Geistesschwäche faseln! Gespenster also gibt es nicht? Gespenster! Hahaha! Mohr, auslachen muß ich dich! Gespenster! Wer glaubt Ammenmärchen, wer Hat jemals einen Geist gesehn? Ein Kind Weiß, daß es keine Geister gibt! Mohr, Mohr, Wie abergläubisch bist du und wie dumm, Wie äthiopisch dumm! Gespenster! Ihr überzeugt mich; Geister und Gespenster gibt es nicht; aber denkt Euch, daß Es hier nach Leichen röche, und daß plötzlich Dort in der dunklen Ecke, wo Das weiße Laken hängt, im Totenhemd Eur Bruder Friedrich stände, und Euch ansäh – Hu! Was schreit Ihr? Sieh, er Steht ja schon da! Mein Blut wird Eis! Er droht mir! Er kommt! Verwesung ist sein Odem! Er will mich töten! – Fliehen wär vergebens! – Was fürcht ich mich? Dreist ringe ich mit ihm – Auch ich bin Geist! Ringt Ihr mit 'nem Gespenste Und nennt Ihr Euch 'nen Geist? Ei ei, ich meinte Es gäbe keine Geister! wieder zu sich selbst kommend. 's gibt auch keine! Angst neckte meine Augen und ließ mich So sinnlos schwatzen! Ihr seid also auch Ängstlich? ohne auf Berdoa gehört zu haben. Zerstreuung hab ich nötig – Öffnet Das Zelt! Die Zeltwand des Hintergrundes fällt nieder und man erblickt eine Wintergegend, die zum Teil von dem schwedisch-finnischen Lager bedeckt ist; am äußersten Horizonte wird sie von den Schneegipfeln des Kiölgebirges begrenzt; über ihr funkelt der sternbesäete Nachthimmel. – – Eine sternhelle Luft! Ja, – weggezogen sind die Decken, Und schwindelnd starr ich in den Abgrund Der Schöpfung; – wie ein Triumphator fährt Die Nacht mit Millionen Sonnenrädern Durch die Schwibbögen des Weltbaus; – Milchstraßen drängen an Milchstraßen sich, Sternbilder lodern bei Sternbildern! Pah, Auch diese Sternenherrlichkeit erbleicht, Und schnell und spurlos wie Das flüchtge Lächeln eines finsteren Gesichts, vergehet dieser Glanz der Nacht! – Es kommt die Zeit, wo sich die Todesengel Mit schwarzen Sturmesfittigen erheben Und auf den Ätherhöhn die Sonnen Losreißen, wie die Lämmergeier auf Den Alpenspitzen die Lauwinen Loskratzen! Dann rollen jene feurgen Welten Mit ihren Erden und Mit ihren Monden, andre Welten mit Sich niederreißend, in die Schlünde der Vernichtung, und die Himmelswölb' Fällt ihnen nach, wie'n müdes Augenlid! – Ewig ist nur der Staub. – Weltkörper gehen unter und der Mensch Wär unvergänglich? O des Wahnwitzes! Ich zweifle sehr. Woran? Daß die Weltkörper So gänzlich untergehen. Ist es nicht Wahrscheinlicher, daß diese mächtgen Globen Zu einem höhren Zweck bestimmt sind? Sollten Sie nicht so gut 'ne Seele haben, als Wie wir? Die Läuse, die Auf einem Menschenkopfe sitzen, meinen Gewiß, daß dieser bloß erschaffen sei, Um sie zu nähren, – und was auf 'Nem Menschenkopf die Läuse sind, das sind Die Menschen auf der Erde. Ja, wir Sind Läuse! Und die Welten? Sind Vielleicht nur größre Läuse als wie wir. Die Dioskuren auch? bewegt. Die Dioskuren! – Wie kommst du auf die Dioskuren? Ich seh sie eben in dem Osten aufgehn. Ha! – schöne Sterne! Brüdersterne! seh ich Euch wieder? Selge, selge Nächte, wo ihr mir Noch strahltet als das Sinnbild meines Lebens! Als ich das letzte Mal euch sah, Da hatte ich noch Brüder, – jetzt – o jetzt! – – – Mohr, glaubst du einen Gott? beiseit. Er fragt mich, weil Er meint, daß ich Nein sagen würde! Laut. Ja, Ich glaube einen allgewaltgen Gott, Der in die Nächte schaut und in die Herzen Und furchtbar richtet über das Verborgne und das Offenbare! Ich aber glaube, Mohr! daß du Ein ungeheurer Narr bist, ein Weit größerer als ich gedacht, und daß Dein Glaube an den allgewaltgen Gott So närrisch ist wie dein Gehirn! Recht so! Gott ist nicht, aber du, du bist! Ich glaube Die Allmacht und Allgegenwart der Zeit! Die Zeit erschafft, vollendet und zerstört Die Welt und alles, was darin ist; Doch einen Gott, der höher als die Zeit Steht, glaub ich nicht; ein solcher kann nicht, darf Nicht, soll nicht sein und ist nicht! Mit winzigem Gekreisch Vermeinst du den zu leugnen, den Des Donners Heroldsruf verkündet? Die Morgensonne zündet Ihm auf der Berge Hochaltären Die Opferflamme an; Das ganze sternbedeckte Firmament Ist nur ein Sonnenstäubchen, das im Strahle Seiner Größe brennt; Die Geister schweben Erstaunend auf den Stufen, Die von dem Wurm, der in dem Tale Der Erde lebt, bis zu den Sonnensphären Sich erheben, Und rufen Seinen ewgen Namen! Brav Mohr! man merkts, daß du Der Finnen Oberpriester warst! Du predigst allerliebst! Du sollst Dorfpastor werden! einen schwarzen Rock Hast du ja von Natur schon an! Wenn du die Kinder unterrichtest, und Die Bauern über Mißwachs tröstest, Da mußt du dich so recht in deinem Wirkungskreise fühlen! tückisch lächelnd. Nu, Kinderunterricht erteilt ich gestern nacht! nach einer Pause. – Hast du auf deinen Reisen Renegaten, Die Christi Religion verlassen und Den Islam angenommen hatten, kennen- Gelernt? beiseit. Ha, sucht er da 'ne Zuflucht? Was denkt man über sie? Der Christ verfolgt, Und der Bekenner Mohammeds Verachtet sie. Und was meinst du dazu? Die Religion, mein' ich, kann man vertauschen, Doch das Gewissen nicht. Auch sind Im Grunde alle Religionen eins, In Nebensachen nur sind sie verschieden; So kenne ich zum Beispiel keine einzge, Worin der Mord nicht schwer verboten wäre; Ich selber mußt aus meinem Vaterlande, Vom Strand des Nigers fliehen, weil Ich meinen Freund erschlagen hatte! Jetzt halt! Du bist der größte Bösewicht auf Erden Und sprichst doch heute, als Wenn du die Tugend selber wärst! Denkst du, ich wüßte nicht, warum? Um mich Zu quälen, bist du fromm! Doch das Soll dir mißlingen; dir Zum Trotze lache ich und bleibe ruhig – Hoho! bin ich nicht ruhig? Ruhig? Ja, Sehr ruhig; Nur flechtet Ihr die Zähne gräßlich durch- Einander, Auch ballt sich Eure Stirne so gewaltig, Daß sie den festesten der Steine, Den Diamant zerquetschen kann In ihren Falten, und Wie rote Sonnen, die von Höllenglut Geschwängert sind, glühn Eure Augen! Ja ja, geballt hab ich die Fäuste, um Die Runzeln meiner Stirn mit ihnen platt Zu schlagen; ein Palast der Stürme ist Mein Haupt; wie 'n tollgewordner Hund Schlägt mein Gewissen seine Zähne in Die Tiefen meiner Seele; meine Gedanken würgen, meine Glieder Bekriegen sich – Mit dem höchsten Schmerzgefühl. – Ich bin ein Haufe von zusammen- Gesperrten Tigern, die einander Auffressen! – – – O, wie glücklich ist ein Vieh! Es weint nicht, es bereuet nicht, und ist Es einmal tot, so lebt es auch nicht mehr! O wäre ich ein Vieh! Geht ab. nachdem er ihm nachgesehn. Der gute Gothland! Er geht ab. Arboga und Erik treten ein. Ihr seid des Königs treuster Freund; Ihr wißt, wie wenig er sich glücklich fühlt. Ich kenne nur Ein Mittel, Wodurch sein trüber Geist genesen kann: Er muß sich mit der Edelsten der Frauen, Mit seinem holden Weibe, welches er So ungerecht verstoßen, wieder Vereinen. Sie, die ihn so hoch beglückte In seiner schöneren, vergangnen Zeit, Ist ganz erschaffen, daß sie der Schutzengel seines Lebens werde. O hätte sie mir nicht geboten, Mit Rat und Tat in seiner Näh zu bleiben, Längst wär auch ich davongeflohen. – Eben Ist sie mit ihrem Vater, Dem alten Grafen von Skiold, Hier in dem Lager angekommen. Sie will als eine fremde Säng'rin vor Dem Könige erscheinen, bis daß er An ihres Liedes Klagetönen Sein Weib erkennt und beide sich versöhnen! – – Nun bitt ich Euch, hierin die Fürstin nicht Zu stören, und ihr freien Durchgang durch Die Leibwacht und den Eintritt zu Dem Kön'ge zu gestatten. Zwar sollt ich sie verhaften lassen – Doch, sie ist nur ein Weib, kann also nicht Viel schaden, – höchstens kratzen; – – Sie mag ihr Glück versuchen! Erik geht ab. Gothland tritt wieder auf. zu Arboga. Fürst, Warum sollt ich betrübt sein? bin ich nicht Ein König? – – Aber gräßlich still und einsam, Entsetzlich dunkel, furchtbar dunkel ist Es hier! Licht, Lärm, Gesellschaft muß ich haben! Soll ich das Lager aus dem Schlaf aufrufen? Dein Rat ist gut; ich selbst will ihn erfüllen! In das Lager rufend. Auf auf, Soldaten! jubelt, raset, schlagt Die Waffen aneinander! kränzt Des Himmels Scheitel mit Raketen! Macht euren König fröhlich! – Sät Trompetenklänge in die Lüfte, Laßt widerhallen alle Klüfte, Bis daß der Himmel auseinanderspringt Und bis das Nichts Herein durch seine offnen Fugen dringt! Geschrei und wilder Lärm hinter der Szene. zu Arboga. Horch, Hunderttausend wachen auf Und leisten mir Gesellschaft, Und dennoch bleib ich einsam und allein; O jeder Sterbliche, und säß er auf Dem volkumdrängtesten von allen Thronen, Er wandelt einsam unter Millionen; Kein anderer Kann seine Freude, seinen Schmerz verstehen Und einsam muß er untergehen! Er versinkt in sich selbst; Arboga entfernt sich; Lärm und Geschrei verstummen. tritt auf und deutet auf Gothland. Jetzt muß Musik ihn vorbereiten! Er geht ab; gleich darauf beginnt eine hinreißende gefühlvolle Symphonie. Horch, O horch! – Wer tut mir das? – O meine Brust! Sie muß vergehen unter diesen Klängen Vor Schmerz und Lust! Wie bei des Frühlingswindes warmem Wehn Die Blumen an das Sonnenlicht sich drängen, So erschließen In mir sich die Erinnrungen verschwundner Tage! Hold und schön Wie diese seelenvollen Melodien Tönt auch die frohe Sage Von meiner Kindheit Rosenzeit! O laßt mich aus der düstren Gegenwart entfliehen, Und nur noch einmal laßt mich sie begrüßen, Die selige Vergangenheit! – Dort taucht, umkränzt mit Regenbogen, Der Kindheit Insel aus den blauen Wogen! – Wie's sich in mir hinüber sehnt! Ich seh die Flur, wo ich als Knabe spielte, Wo ich mich kindlich glücklich fühlte, Ich seh das väterliche Haus! Allein vergebens Streck ich die Arme zu dir aus, Du Tempe meines Lebens! So steht der Wandrer an dem Felsgestade, An dem er Schiffbruch litt – blickt voll Verlangen Zum fernen Eilande, wo goldne Gärten prangen; Er blickt und blickt – die Pfade Sind verschlossen, Ein Meer ist zwischen ihm und jenseits ausgegossen! Die Musik geht in eine sanfte und rührende Melodie über. Wohlbekannte Worte hör ich klingen, Die gleich verwehten Abendglockentönen Aus weiter Fern herüberschwimmen! Gott! es sind der Mutter heilge Warnungsstimmen! Mutter! Mutter! Lebtest du, wie würdest du die Hände ringen Über mich, Den Unglückseligsten von allen Söhnen! Als ich noch an Deiner Seite Wallte durch des Lebens Weite, Fiel ich nicht, und brach der Sturm auch los Ich flüchtete zum Mutterschoß! – Nimmer, Mutter! sehe ich dich wieder! Droben schwebst du in den Sternenregionen, Wo die verklärten Geister wohnen, Und strahlest in dem Kreis der Frommen; Vergebens blickst du aus nach ihm, den du geboren; Nimmer, nimmer wird er kommen, Denn zur Hölle fährt er nieder Und auf ewig ist er dir verloren! – Hinweg, vorüber, zieh vorüber Du Kindheitsland! mein Aug wird trüb und trüber! Vorbei ist ja vorbei! Kindheit und Lieb zu ihr ist Kinderei! Wer schneidet wohl mehr Fratzen, Wen seh ich mehr einander beißen und zerkratzen, Zanken und greinen, Wer kriegt mehr Prügel auf die Hinterbacken Als diese Kinder, die uns selig scheinen! Die frechste Lügnerin Ist die Erinnerung! Kindheit, fahr hin Samt deinen Kindern, welche sich bekacken! Pause. – Die Musik nimmt einen neuen Schwung. – Bin ich denn nie beglückt gewesen? O einmal, einmal war ich es! – – Drei Brüder seh ich durch die Fluren wallen, Manfred und Friederich und – Theodor! Arm in Arm, Der schönste Kranz von allen, Die je der Frühling flocht; das Herz wird warm Am Herzen, von einander nie geschieden, Herrscht unter ihnen steter Frieden! – Wer hat dies Friedensglück gestört? Ich! Friedrich fiel durch dieses Schwert! – – Was fällt mir ein? Bin ich denn toll? Manfred gehörte zu den schwärmerischen Toren; Sein Herz war voll, Im Kopfe hatt er Grütze; Und an dem Kanzler war noch weniger verloren, Denn der war nichts Als eine menschenähnliche Schlafmütze! Pause. Die Musik schweigt. tritt auf. Herr, eine fremde Sängerin Ist in dem Lager angekommen, Und wünscht mit ihrer Stimm Euch zu vergnügen. Vergnügen? So laß sie herein! Ruf auch die Feldherrn! Doch erst gib mir den Königsmantel, Denn fortan zeige ich mich nur als König. Erik legt ihm den Mantel um und geht dann ab. tritt an die Zelttür. Wie kalt der Nachtwind weht! Arboga, Rossan, Usbek, Irnak, Berdoa und andere treten ein. Gleich darauf kommt Erik mit der Cäcilia und dem Grafen Skiold. Dort steht er – – mitten unter den Verworfnen! O, der Beweinenswerte! Redet ihn an. Ich kann es nicht; mein Busen ist beklommen, Das Wort erstirbt mir auf der Zunge! Ein schönes Weib! nur düster, wie es scheint! Zu ihr tretend. Ein schwarzes Band schlingt sich Durch deine Locken, Sängerin; – du trauerst? Das Band soll Zeichen sein, daß ich Mein Lebensglück verlor. So weine; Doch weine nicht, daß du dein Lebensglück Verlorest, wein, daß du es nie besaßest! zu Skiold. O Vater! hörst du? – wie unglücklich muß Er sein! Was meinst du? Ich sprach nichts. Dir bebt die Stimme; fürcht dich nicht. Wenn du Das sagst, so will ich auch nicht fürchten! So laß uns denn dein Lied vernehmen! Er setzt sich. – Erik bringt der Cäcilia eine Harfe. sehr bewegt, beginnt erst nach einigem Zögern zu singen. »Einsam wandert und vertrieben Ein banges Weib durchs Herbstgefild; Fern irrt sie von ihren Lieben, Der Nachtwind sauset kalt und wild.« »Es rauscht der Wald, es strömt der Regen, Sie zittert wie ein welkes Blatt, Kann ihr Haupt nicht niederlegen, Und ach! es ist so müd, so matt.« »Ihr Gemahl –« Gothland steht auf. »Ihr Gemahl, Den sie mehr liebte als das Leben, Für den sie Eltern und die Heimat ließ, Dem sie ihr Alles hingegeben – Er war es, der sie in die Wüste stieß.« Gothland wird immer unruhiger. »– Gras wird bald ihr Grab umzittern, Vom Abendhauche leis bewegt; Dann vielleicht wirds ihn erschüttern, Daß nun der Busen nicht mehr schlägt, Der ihn so sehr geliebt!« Der ihn so sehr geliebt! Auch ich, auch ich Kannt Eine Seele, die mich liebte, Doch diese Eine wird nun tot sein, Nun liebt mich niemand mehr! Zu Cäcilia. Weib, Weib, Was blickst du mich so traurig lächelnd an? Was weinst du? was bewegt dich? Komm! In meine Arme, schönes Wesen! Daß sie erfreue, ist die Schönheit da, Und daß es liebe, schlägt der Frauen Herz! Der Himmel hat dich mir gesendet, du Sollst die gestorbne Gattin mir ersetzen! Er umarmt sie. Sie hat gesiegt! O Theodor! mein Theodor! Was soll der Jubel jener beiden Alten? Wie wohlbekannt ertönt mir diese Stimme? Die Tote, welche du betrauerst, lebt für dich! Kennst du dein treues Weib nicht mehr? Mein Weib! So laß mich los! Zurücktretend. Feldherrn, umgebt mich! Nein, auseinander weicht vor mir! Ist Gothland euer König, so bin ich, Seine Gemahlin, eure Königin! Die Feldherrn weichen auseinander; sie geht mitten durch sie hin und ergreift Gothland bei der Hand. Gib mir die Hand, Verlaß des Abgrunds schauervollen Rand, Laß diese Larven, welche dich umgeben Und folge mir zu einem neuen Leben! Komm! auf den Pfad der Tugend, Den du so herrlich gingst in deiner Jugend, Zu deinem vorigen, verlornen Glück Führt deine Gattin dich zurück! Der Reue Träne ist noch nie umsonst geflossen, Des Heilands Blut ist auch für dich vergossen, Die düstere Vergangenheit wird schwinden, Den Frieden sollst du wiederfinden, Und auch zu deinen Sternenhöhen, Zu deinen Dioskuren, sollst du wieder sehen! Gib mir die Hand! Als Abgeordnete von höhern Mächten, Vom Edlen, Guten und dem Rechten, Steh ich zum letzten Mal vor dir Und rufe, flehe: folge mir! O Gothland, teurer Gothland, kehre! Dich ruft die Tugend, ruft die Ehre, Dich rufen deine Freunde, deine Ahnen, Vom Himmel rufen deine Brüder: O Gothland, Gothland kehre wieder! – Ha, er ist mein! in seinem Aug glänzt eine Träne! Sie reißt ihn mit sich fort. folgt ihr einige Schritte, doch dann ermannt er sich und tritt wieder zurück. Vergebens lockst du mich, Sirene! Nicht mehr Den Jüngling, der an deinem Busen weinend lag Und Küsse haschte, siehst du hier; Jetzt scheint mir jede Träne Schmach, Ein Tränenloser steht vor dir! Ja, wehe ihr, die ihres Glückes Blume Auf mich gepflanzt im kindlichen Vertrauen, Daß sie die Blüte würde schauen; Die Blume steht in einem Land voll Grausen, Wo ewge Stürme und Erdbeben hausen! Mein Weib kannst du nicht bleiben; es ist klar; Ich wandte eine andre Bahn als du Betreten kannst – Du liebtest mich, als ich noch schuldlos war, Jetzt aber bin ich – – Doch genug! – Gib dich darein; das kann der Mensch; und geh zur Ruh! Beklag mich nicht; nicht groß Ist dein Verlust; sehn dich Nach deinem Sohne nicht; ihm ward ein andres Los; Er ist für mich! O Gustav, Gustav! armes, armes Kind! Und nun ade! Nein, knieend sink ich vor dir nieder – O Gothland, Gothland kehre wieder! zu einem Soldaten. Unteroffizier! nimm zwölf Mann Und transportier dies Weib Samt ihrem Vater aus dem Lager! Ich bin bereit zu wandern, aber Verschone meinen Vater, ehre sein Gebleichtes Haar! Das weiße Haar beneid Ich ihm; es zeigt ein hohes Alter an. – – O Gott! zerrissen ist mein Herz! Für das Zerreißen ist das Menschenherz gemacht! Barbar! in dieser kalten Winternacht Willst du mein unglückselges Kind In die beschneite Wüste stoßen? Sie Hat nicht geschlafen in drei Tagen, weil Sie um dich weinte! Vater, Vater, schweig! Sag Ihm nicht, was ich um ihn gelitten! Er lohnt es mir doch nur mit Hohn und Spott! zu Gothland. Sieh, wie sie zittert! Ein heißes Fieber brennt auf ihren Wangen – Der schwächste Luftzug wird sie töten! Ha, welche Heldentat, ein krankes Weib Zu morden! Alter, reize mich nicht! Nur eine Bitte noch: laß mich von Gustav, Von meinem Sohne Abschied nehmen. Nein, nein! Das geht nicht an! Ich will ihn sehn! Wer hält die Löwin ab, Wenn sie zu ihren Jungen stürmt? sie aufhaltend. Ich! Schwächlich Europäerpüppchen! Vergleich dich nicht mit Löwinnen! Auch meines Sohnes Anblick raubt man mir! – So sag mir wenigstens, wie geht es ihm? Hängt noch sein Herz an mir? Schmückt noch Gesundheit seine jugendlichen Wangen? Ist er noch heiter wie er einst es war? Es geht ihm wohl. Dank, Dank dir gütge Gottheit! – Sag ihm, (ich bitte dich.) die Mutter hätte Nach ihm gefragt mit Tränen – sage ihm, Er möchte seiner Kindheit nicht vergessen, – Wer seiner Kindheit denket, sündigt nicht, – Sage ihm – – O, mein Sohn! mein Sohn! O dürft' ich ihn nur einmal noch, Zum letzten Male ihn noch sprechen, Zum letzten Male ihn an meinen Busen drücken! Gewiß, er freute sich! Erbarmen! Erlaub es mir! Zu ihrem Kinde laß Die Mutter! Nein, nein, nein! Erbarmen! Laß Mich los! Erbarmen! Willst du denn nicht hören, so – Er zuckt einen Dolch. bemerkt es. Ich will! ich will! Erspar du dir den Mord! Leb wohl! – – O Theodor, wer hätte das Gedacht vor sechzehn Jahren, Als du errötend vor mir lagst und der Geliebten ewge Liebe stammeltest! – Sie geht. Starrsinnig Weib! nimm deinen Vater mit! Bei meiner Königskron, ich lasse ihn Enthaupten, wenn er bleibt! umkehrend. Was hat Der alte Mann dir denn getan? zu Gothland. Erbarm Dich unserer! Jetzt hab ichs übersatt! Soldaten! Rufe die Soldaten nicht! Wir fliehen schon! Zu Skiold. Komm, teurer Greis; Stütz dich auf deine Tochter! Zu Gothland. Leb wohl! leb ewig wohl, Unglücklicher! Sag meinem Sohn mein letztes Lebewohl! – – Ich gehe fort, Doch blutend reißt mein Herz sich los Und bleibt bei dir zurück! Sie geht mit ihrem Vater ab. Endlich hat das Geschrei ein Ende! Was tuts denn auch, ob so ein Weib krepiert? Es gibt ja ohnehin der Weiber viel Zu viel! selbst mancher Mann ist eins! Er geht; alle folgen ihm, bis auf Berdoa, der mit Irnak zurückbleibt. Sahst du den jungen Gothland? Ja, er liegt In Milchens Arm. Schon wieder? Nu, Seit jenem Abend, wo Ihr ihn Zum ersten Male zu der Dirne schicktet, Läßt er ihr wenig Ruhe; Fast stündlich ist er da; er hat sich sehr Verändert! mit Hohngelächter. Ja, er hat sich sehr verändert! Kaum Begreif ichs; erst war er so blöd, Doch jetzt ist er fast unverschämt; Ihr Müßt ihn verzaubert haben! Narr! Ich schmeichelt ihm so lange und so grob, Bis daß er mich hochachtete. Er war Noch unschuldig, also sehr leicht verführbar; Er war verliebt, – ich macht ihn wollüstig; Wer liebt, ist eitel, weil er der Erkorenen doch gern gefallen will – Leicht machte ich den Eitlen eitler; Der Eitle putzt sich gern – ich leih ihm Geld Dazu; – der Junge hat 'ne heiße Phantasie – Mit gringer Müh ist sie entzündet; Er ist nicht dumm und auch nicht klug – nichts leichter Als sein Gehirnchen mit Gedanken zu Zersprengen, welche es nicht fassen kann! – So habe ich auf tausend Weisen ihn ergriffen; Vermagst du es, so steh mir darin bei! Ja, wenn ichs nur vermöchte! Ich Kann höchstens ein paar Zoten reißen! Ach, mancher ist auch dazu noch zu dumm! 'Ne Zote ist so übel nicht; sie ist ein Ding, Was man gern tut, allein nicht gerne sagt; Die Hosenklappe sollt man eher vorm Gesichte als vorm Bauche tragen, Denn bei den meisten ist Die ärgste Zote eben das Gesicht! Gustav tritt auf. Still! Da kommt der Prinz! – Schaut Ihrs, wie blaß Er sieht? Glaubt mir, das blonde Milchen quetscht Ihn aus wie einen Schwamm. Laß mich mit ihm Allein. Ich gehe. – Guten Abend, Prinz. Steht dort Berdoa? Ja. Entfernt sich; Gustav geht zu Berdoa. Ei ei, sieh da, Mein schöner Prinz! Wie sitzt Mir dieser Rock? Ganz himmlisch, himmlisch! Ihr werdet alle Herzen drin erobern! Meinst du? Ich fürchtete, er wär etwas Zu lang! Ihr fürchtetet? Ein Kronprinz fürchtet? Nehmt Euch in Acht! die Weiber sind sehr sonderbar! Weils sich nicht schickt, daß sie den Mann anfallen, So sehn sie's gerne, wenn der Mann das Weib anfällt! Der Freche wird geliebt! Was machen wir Heut nacht? In meinem Zelt ist großer Schmaus; Ich lade Euch dazu; an Mädchen und an Wein Soll es nicht fehlen. Milchen ist doch auch Dabei? Ei, das versteht sich. Auch Adelaide ist geladen. Fy! das schmutzge Mensch? Laß das nur sein; sie hat 'nen hübschen Arsch! Wie prachtvoll wölbt er sich! Fürwahr, da hast Du Recht! Ihr Steiß ist delikat, ist göttlich! Sollt er nicht gar unsterblich sein? Wie? Nichts. – Seit Milchen hast du wohl Die schöne Selma ganz und gar vergessen? Du bist ein dummer Kerl! Wie kannst du nur So sinnlos schwatzen? Selma, dich vergessen! Bloß weil ich Selma liebe, bloß Daß meine Qual um sie in etwas doch Sich lindre, gehe ich zu deinem Milchen; O selig, überselig wär ich, hörte ich Nur rauschen ihres Kleides Saum! Du! Mit Selma unter einer Decke – Im bloßen Hemde du und sie – Und dann der süß Errötenden Mit wollustvollem Zögern leise, leise Das Hemde aufzuheben! Ah, der Wonne! beiseit. Ha, das versetzte ihm den Atem! – jetzt Will ich ihn Sprünge machen lassen! Laut. Eur Vater ist doch hart; wißt Ihr daß Eure Mutter – O Gott! ich weiß! O meine gute Mutter! Jetzt, grade jetzt vielleicht verjammert sie Im Schnee! Adelaidens Steiß! Ist wirklich einzig! Er ist der Steiß der Steiße! Eur Vater will für Euch um die Norwegische Prinzessin werben, und Der Selma sollt Ihr gänzlich Euch entschlagen. Ich werd ihm nicht gehorchen! Panther und Hyänen! Da habt Ihr Recht! Ihr müßt ihm nicht gehorchen! Seid nur nicht blöde! Machts mit ihm, wie ers Mit seinem Vater macht! Denkt nur an das, Was ich von ihm erzählte! Treibt er es Zu weit, so laßt von seinem Brudermorde Ein Wörtchen fallen, – da wird er schon schweigen! Ich weiß, was ich ihm bieten kann! Recht so, Ich seh du hast Courage und Verstand! Aber, erlaubt die Tugend –? Pah, Sei doch nicht abergläubisch! Wer hat von Der Tugend je etwas gespürt? Die Zeit Ist aufgeklärt, sie glaubt an keine mehr. Dummheit und Frömmigkeit sind synonym, Nichts Sündges gibt es und nichts Böses, Was für den einen bös ist, das ist für Den andren gut; der Mensch kann ohnehin Das Gute nicht vertragen: säe Wohltat auf Ihn aus und Undank wird dir aufgehn; Es gibt nichts Großes; achte niemand; wer Sich selber kennt, verachtet sich; das Glück Benennt man Weisheit und Genie; Die großen Männer waren große Narren; Lob nicht den Edlen, lob den Zufall, der Ihn edel machte; Sokrates Und Nero sind von gleichem Wert: versetz Den einer in des andren Lage, Und aus dem Nero wird ein Sokrates Und aus dem Sokrates ein Nero; Die Liebe ist versteckter Eigennutz, Großmut ist spekuliernde Heuchelei, Mitleid ist schwächliche Empfindsamkeit, Und wenn auch jemand wirklich Gutes tut, So tut ers weil das Gute leichter als Das Böse ist. Mit Schaudern höre ich Die Religion der Hölle! Ah, sie paßt Für diese Erde! – Ja, als ich noch liebte, Da dacht ich ebenfalls ganz anders! Wie? Du hättest je geliebt? Hab ich es nicht Schon hundertmal gesagt? Beiseit. Ein Narr, ders glaubt! Laut. Nie Ella! werd ich dich vergessen, Du Holdeste der Afrikanerinnen, Wie edel war ihr Herz! wie wollig war Ihr Haar! zwei Schuhe lang ihr Busen! Und ach! sie war Euch schwarz, schwarz wie Die Unschuld! lachend. Wie? ist denn Unschuld schwarz? Nun, Wir Neger haben einen anderen Geschmack als ihr: uns ist das Schöne schwarz, Die Teufel aber sind uns weiß! Pfui, Pfui, Schwarz sind die Raben! Altes Weiberhaar Ist freilich weiß! Sprichst du im Ernst? Im vollsten Ernste: Ein ordentlicher Mohr muß aussehn wie Ein gut gewichster Stiefel! Hahaha! Gothland tritt auf. Still, Prinz! da kommt Eur Vater! – Lebet wohl, Bei meinem Schmause sehe ich Euch wieder. Er entfernt sich. Mein Sohn, der Mohr verließ dich eben. Vermeide seine schändliche Gesellschaft. Wo soll ich hier im Lager eine beßre finden? Ich bin entschlossen, dich Mit Norwegs Königstochter zu vermählen Und hoffe, Beifall gibst du meiner Wahl. Die Wahl ist schön, doch nimmer werd Ich Norwegs Königstochter freien. Warum nicht? Weil ich längst schon liebe! Liebst du? So hüt dich, daß du nicht venerisch wirst! – – Wie heißt denn die Erwählte? Selma. Was? Tollkopf? Die Tochter des vertriebnen Olafs? Wenn Du willst, daß ich die Völker, welche dir Gehorchen, einstens groß und glücklich machen, Ihr Völkerglück befördern soll, so gib Mir Selma; ohne sie vermag ich nichts. Ihr Vater ist mein fürchterlichster Feind, Sie kann durchaus dein Weib nicht werden. Und fasle mir nicht mehr von Völkerwohl Und Völkergröße, – das sind Ideale! Noch niemand ging mit Idealen für Der Menschheit Wohl ins Leben, der Es nicht als Bösewicht, Als ausgemachter Menschenfeind verlassen hätte! Bekümmere dich nicht um andrer Glück, Sonst werden sie's dich büßen lassen, daß Du für sie sorgst und dich in ihre Sache mischest! Nach einer Pause. – – Mein Sohn, du bist mein einzges Kind, Für dich erobr ich Throne, häuf ich Schätze, Du bist der einzge auf der Erde, welchen ich Noch liebe: darum rar ich dir: Verstein dein zartes Herz und mach Es zähe für die Hämmer des Geschicks; Verbanne Mitleid und Gefühl aus deiner Brust Und ungeheure Qual wirst du ersparen; Wie es der Liebende Mit der Geliebten macht, die Er lieber selber tötet, ehe er es ansieht, Daß die barbarsche Räuberschar Sie schändet und erwürgt, so mache du's Mit deinen Hoffnungen und Träumen, – schneide sie Mit eigner Hand bei Zeiten ab, bevor Die rauhe Wirklichkeit sie dir vernichtet! Vor allem aber bitt ich dich, Bereue nichts! Denn etwas Überflüßgers als Die Reue, gibt es auf der Erde nicht! – Sohn, willst du diese Warnungen Befolgen? Ich will sie befolgen. So schwör, daß du dein Herz verhärten willst! Ich schwör, daß ich mein Herz verhärten will! So schwör, daß du dein Hoffen töten willst! Ich schwör, daß ich mein Hoffen töten will! So schwör, daß du nicht Reue fühlen willst! Ich schwör, daß ich nicht Reue fühlen will! Du hast geschworen; willst du glücklich sein, So halte deinen Schwur! – Und nun, mein Sohn, Versprich mir auch das eine noch: heirate die Norwegische Prinzessin, und Laß Selma fahren! Nein, das kann ich nicht. Ich bitte dich, mein Sohn, laß Selma fahren; Sehr glücklich machst du mich dadurch! Ei ei! Ich sollte mich ja nicht um andrer Glück Bekümmern! Bube, diesen Spott sollst du Mit Tränen einst bereun! Pah! ich Bereue nichts! Ich habe ja geschworen, daß Ich keine Reue fühlen will! O Bube! Bube! Was macht dich gegen deinen Vater so Verwegen? Machst du es etwa Mit deinem Vater besser? Junge! Junge! Ich bin kein Junge! Wer hat dich So fürchterlich verderbt, milchbärtger Schurke? Ich Ein Schurke? Einen Brudermord hab ich gottlob Noch nicht begangen! Ha, dies hat der Mohr Dir eingegeben! Man gibt mir Nichts ein! Vergiß die Selma! Nein! Du sollst es! Panther und Hyänen! Ich will es nicht! Brav Äffchen! bravo Papagei! Du hast beim Mohren etwas profitiert! Sein »Panther und Hyänen« ahmest du Ganz allerliebst schon nach! Ich lasse mich Von dir, der meine Mutter in die Wüste stieß, Nicht schimpfen! Bengel! hüte, hüte dich! Ich habe viel vergessen, und daß du mein Sohn Bist, werde ich im Notfall auch vergessen können! Nimm dich in Acht! laß dich nicht wieder bei Dem Neger treffen! Darf ich gehen? Ich habe die Lektionen satt bekommen! Er geht. ruft ihm nach. Und morgen noch bewirbst du dich Um die norwegische Prinzessin! sich an der Tür noch einmal umdrehend. Um die norwegische Prinzessin Bewerb ich mich nun nicht. Er geht trotzig ab. Weh! Weh! Mein einzger Sohn! mein einzger Sohn! Wie mich der Neger und die Freundschaft, Verderbten ihn der Neger und die Liebe! Drum Fluch der Freundschaft, Fluch der Liebe, Tod Dem Neger! – Heda! Ein Diener tritt ein. Hol mir 'Ne tüchtge Eisenkette! Der Diener geht ab. Man hört Musik und Jubel hinter der Szene. Fürst Arboga! Arboga tritt ein. Woher schallt dieser Jubel? Aus Berdoas Zelt; er hält heut nacht Ein groß Bankett. Er triumphiert wohl, daß Er mich an meinen Sohn verraten hat! Der Diener kommt zurück mit Ketten; Gothland nimmt sie ihm ab und wendet sich dann wieder zu Arboga. Nehmt funfzig Eurer bravsten Krieger und Begleitet mich mit ihnen zu Berdoas Zelt; wir wollen die Lautjauchzenden Bei dem Bankette überraschen, und Den Neger einmal ernstlich fragen, Weswegen er so schwarz ist! – Er geht mit Arboga ab. 2. Szene Zweite Szene Berdoas Zelt. Musik. Großes wildes Gastgelag. Berdoa, Usbek, Irnak, Gustav, finnische Hauptleute, Dirnen, aufwartende Knechte usw. Toren meinen, Sünde wär es, froh zu sein! Der Sonne roter Sohn soll leben, Der edle, feuervolle Wein! Toren meinen, Sünde wär es, froh zu sein! Es sollen alle Mädchen leben, – Die sich dem Dienst der Freude weihn! Wein und Mädchen sollen leben! zieht den Usbek auf die Seite. Hast du das gestrige Gespräch erwogen? Ja; Gothland hat mich schnöd belogen! Hab ich dir deinen Vater umgebracht? Für stets verbann ich diesen schändlichen Verdacht! Beide geben sich die Hand. die neben Gustav sitzt. Ach, Prinz! Ihr kitzelt mich auch gar zu sehr! mit ihr schäkernd. Wart nur! bald kitzl ich dich noch mehr! mit ihren Dirnen tanzend. Mädchen, macht die Busen bloß, Wieget uns in eurem Schoß! zechend. Säuft man im Himmel keinen Wein, So muß es dort sehr traurig sein! Recht! bravo, Freunde! tanzet! saufet! laßt Die Gläser schäumen, als Wenns tolle Hunde wären! An Berdoas Gastmahl soll es fröhlich hergehn! Es lebe unser edler Wirt! Es leben meine edlen Gäste! Hu, draußen ist es grimmig kalt! auf den Tisch im Hintergrunde deutend. So wärmet euch! dort dampft ein Punschvulkan! USBEK, IRNAK UND ANDERE. Musik! Musik! wir wollen singen! Musik. Die Anwesenden versammeln sich im Hintergrunde um den Tisch. singt. Unterm lauten Becherklang Stimmet an den Schlachtgesang! Schlachtlied. Schon blutet am Himmel das Morgenrot! Empor vom Schlafe, ihr Braven! Erwachet Soldaten! nicht Schlafen tut not! Gar mancher wird heut noch entschlafen! Dort steht der Feind im Sonnenglanze, In blinkend Stahl gehüllt! Halloh, halloh, zum Waffentanze Auf dem erzitternden Gefild! Bruder, willst du mich ermorden? Ich bin dein Bruder – schone, schone mich! Stirb! mein Feind bist du geworden, Denn du folgst jenen Fahnen, diesen ich! In des Gefechtes Wut und Graus Ist wahre Freiheit und Gleichheit zu Haus! Dort darf man jede Pflicht verachten, Dort darf man sich im Blute röten, Dort darf der Knecht den König töten, Dort hört man nicht aufs Gnadeflehn, Denn Siegen ist das Los der Schlachten, Oder glorreich untergehn! Ja, Siegen ist das Los der Schlachten, Oder glorreich untergehen! Während sie so singen und jubeln, tritt Gothland, in einen Mantel gehüllt, mit Arboga ein. Ei! seht, hier ist es ja recht lustig! Das Lied ist aus – wir wollen tanzen! Ne, tanzt nicht, reitet lieber! Zu einer Dirne. Nicht wahr, mein Kind? Nun seh ichs, wie Man meinen Sohn verführt! – Das Gastmahl muß 'Nen König haben; wer am meisten säuft, Der soll es sein! So laßt uns denn drum saufen! Sie fangen an wild zu zechen; Gothland tritt mit Arboga näher hinzu. die beiden bemerkend, mit Geschrei. Da ist der Herzog! Alle fahren auf. Wo ist hier Ein Herzog? sich fassend. König, hochwillkommen seid Ihr mir bei meinem Gastgelage! Gothland schweigt. ihm einen Becher Wein anbietend. Beliebts Euch 'nen Pokal von meinem Wein Zu trinken? Ich will nicht trinken. etwas verlegen. Befehlet Ihr vielleicht ein wenig Speise? Ich will nicht speisen. einen Sessel rückend. Tut mir die Ehre an und setzt Euch nieder. Ich setze mich nicht nieder. ärgerlich, halblaut. So laßt es bleiben! – Zu seinen Gästen. Freunde, starrt nicht so! Laßt euch durch Fremder Gegenwart nicht stören! Auf, auf! laßt uns von neuem jauchzen! Er ergreift ein Glas. Weswegen willst du jauchzen, Neger? Nu, weil ich fröhlich bin! Weswegen bist du fröhlich, Neger? – Weswegen, frag ich, bist du fröhlich? – Etwa, weil Ich traurig bin? – Ha, deine Haut Ist glänzend schwarz – ein eisernes Geschmeide müßte ihr nicht übel stehen – Arboga! kommt, wir wolln ihn damit schmücken Er zieht die Ketten unter dem Mantel hervor, ergreift den Neger und fesselt ihn mit Hülfe Arbogas. sich heftig dagegen wehrend. Los! los! – Die Fäuste weg! – Los! Finnen steht Mir bei! Eur König Gothland ist Ein Brudermörder, ein Rebell – Gehorcht ihm nicht! – O wären meine Blicke Pfeile! – Mein Eingeweide speie ich dir ins Gesicht! – Mord! Mord! Mord! Laßt Den Mohren los! los! zu Arboga. Führe ihn hinweg! Was tue ich? Wen ruf ich an? Was denke ich? O, Leoparden! Skorpione! – Nileidechsen! – Hyänenrachen! – Giftbäum! – Wüstensand – Harmattan – Aussatz – Afrika – – – Er wird von Arboga mit Gewalt abgeführt. zu Gothland, fast drohend. Laß Den Neger wieder frei! Ja, laß ihn frei, Er ist mein Freund! Läßt du dich auch vernehmen? Was machst du hier? Hab ich dir nicht Den Umgang mit Berdoa streng verboten? trotzig. Erst laß ihn los! Nachher wird sich Schon eine Stunde finden, Wo ich dir Antwort gebe! zu den schwedischen Soldaten, die sich an der Zelttür sehen lassen. Habt ihr Den Rossan rufen lassen? eintretend. Da bin ich! Du bist der bravste aller Finnen! – – Ein Tor, der glauben kann, daß man Bei Jungen unter achtundzwanzig Jahren Mit Überredung und Vernunft etwas Bewirken könne; solche Buben haben ihr Gehirn in ihren Rücken, und Prügel, mit Gewalt darauf geführt, begreifen sie Am leichtesten. – Rossan! nimm diesen Knaben in Die Kur; er ist verliebt und ungehorsam; zähl Ihm sechzig Rutenstreiche auf, – das wird Ihn heilen! Rutenstreiche? mir? Das leid' Ich nicht; nein, eher bringe ich mich um! Fort! peitschet ihn, bis er geschmeidig wird! Geschmeidig? Hohoho! Versuchts! versuchts! Peitscht mich! Ich will doch sehn, ob euer Arm Nicht eher müde werden wird als ich! Geschmeidig? eher beiß ich mir die Zunge ab! Verflucht, daß ich der Sohn von solch 'Nem Brudermörder, solch 'nem Usurpator, Von so 'nem Gotteslästrer sein muß, den Ich lieber töten, als lieben möchte! Rossan führt ihn fort. zu den finnischen Hauptleuten. Nun, ihr Begehrtet ja vorhin etwas von mir, – Was war es? Laß den Neger los! Ihr liebt ihn also? Wir lieben ihn! Soldaten! Ein Haufe schwedischer Soldaten tritt ein; Gothland wendet sich wieder zu den Hauptleuten. Mich Liebt ihr doch auch? Stillschweigen. Ha, Tod und Hölle! Mich Liebt ihr doch auch? erbebend. Wir lieben dich! Nun, so Begebt euch wieder zu dem Trinktisch und beginnt Das unterbrochne Gastgelag von neuem! Sie gehorchen. Die Gläser angefüllt! Und wer mich liebet oder fürchtet, (Denn beides ist mir einerlei, weil Furcht Und Liebe gleiche Wirkung haben.) Der stoße mit mir an und leere den Pokal Darauf: Einen vollen Becher ergreifend. Der König Gothland soll gedeihen! mit sichtbarem Widerwillen. Der König Gothland soll gedeihen! Sie leeren die Gläser. Der Neger soll verderben und verrecken! Alle schweigen. Ich sag euch, stoßet an und stimmet ein: Der Neger soll verderben und verrecken! zögernd. Der Neger soll verderben und verrecken! Sie leeren die Gläser. Krepieren sollen alle, die ihn lieben! Stille; Gothland wiederholt mit drohender Stimme. Krepieren sollen alle, die ihn lieben! mit zauderndem Beben. Krepieren – sollen alle – die ihn lie-ben! Sie leeren die Gläser. Der Scharfrichter soll leben und florieren! Alle schweigen. Ich sage euch: Der Scharfrichter soll leben! mit ungewisser Stimme. Der Scharfrichter soll – leben! Leert Die Gläser darauf aus! Sie leeren die Gläser. Und nun genug! Euch brauch ich nicht zu fürchten! Er wirft den Trinktisch um; die finnischen Hauptleute treten scheu zurück. – Tocke, schwer gefesselt, wird von einem schwedischen Unteroffizier hereingebracht. zu Gothland. Herr, dieser feuerhaarge Kerl – Was gehn Dich meine Haare an? Du Spitzbub! Still! Ei was! ich lasse mich von so 'nem Schlingel nicht Beleidgen! Frecher Hund, sei still! Zu dem Unteroffizier. Sprich! Was Hat dieser Kerl verbrochen? Er Hat seine Schwester, welche ihm Sein vieles Stehlen vorwarf, eigenhändig Erwürgt, und seinen Vater, der Den Schwestermord verwehren wollte, auf Das unbarmherzigste zu Tod Geprügelt! Pah! mein Vater war Ein Esel! für sich; auf Tocke deutend. Dieser Schurke kommt mir vor Wie eine Parodie auf mich! Er tötete die Schwester, Ich tötete den Bruder, – Doch eben wegen dieser Ähnlichkeit Will ich ihm nicht verzeihen! Laut. Dieser Elende Verdienet keine Schonung, Schleift Ihn morgen mit der ersten Frühe zur Richtstätte! Gnade, großer König, Gnade! Ich küsse deine Füße! Fort mit ihm! indem man ihn wegführt, zu Gothland. Na, Man sagt, Ihr wärt der Beste auch nicht! tritt ein. Herr, Im Kiölgebirge hat man fremde Truppen Gesehn. Führt meinen Schweißfuchs vor; ich will Rekognoszieren. In der Nacht? Ich kann Ja doch nicht schlafen! Vor dem Kerker Des Negers ist ein großer Auflauf. In Zwei Stunden komme ich zurück, – das Volk Wird sich indes zerstreuen; – dann Wollen wir ihn hinrichten Zu den finnischen Hauptleuten. Euch aber, Ihr Herren! rat ich als ein guter Freund: Es ist jetzt kaltes Wetter – Hütet euch Vor Halsweh! Er geht ab. 3. Szene Dritte Szene Wilde Gegend des Kiölgebirges. Cäcilia und Graf Skiold, von ihr geführt, treten auf. Das Kiölgebirg wird immer grausger – ich Verzweifle! Nordstern! Sirius! wo seid ihr? Tauch aus den Wolken, Mond, du Silberschwan Der Nacht! Vergebens rufst du ihm! Er schwebt vielleicht Jetzt über Gräcias Blumenhügeln, sieht Die Liebenden im Myrtenhaine wallen, und Vergißt uns Wanderer der Eisflur! – Was Bewegt dich so? Ich weiß nicht, wie's Mir grade hier, im kalten Kiöl- Gebirge einfällt; ich denke an Die schönen Sommerabende auf deiner Burg Zu Lund! Wo du als hochbeglückte Braut Mit Gothland auf der Berghöh standest? Damals Bedurfte unsre Seligkeit Des Mondes nicht; doch ungerufen stieg Er aus der Meerflut auf und schmückte Wald Und Au mit zauberischem Schimmer! Damals War Gothland noch der Herrliche; Mit Freuden segnete ich euren Bund! Und heute möcht ich ihn ver – O, verfluche ihn Auch heute nicht! Ich war die glücklichste Der Frauen! Ja, du warest es! Ich bin Es noch! Die Wirklichkeit, und wäre sie Die glücklichste, ist rauh! Erst das vergangne ist Das wahre Glück! – – Hu, es beginnt Zu schneien! Hüll dich fest in deinen Mantel. Bald, hoff ich, sind wir in bewohnten Hütten Und sitzen froh am wärmenden Kamine! Du kannst noch hoffen? Wehe dem, Der nicht mehr hoffen könnte! Hoffnung Ist ja die einzge Seligkeit des Lebens! Denn Von allem Großen und Erhabenen, Von Gott, Unsterblichkeit und Tugend, weiß Der Mensch nicht, daß es ist, – er hat Es nie gesehn, er hat es nie erlebt – Er kann nur hoffen, daß es da ist; Drum laß uns hoffen in Des Lebens Finsternissen, laß Uns hoffen in den Wüsteneien! Du Bejammernswürdige! – du willst mich täuschen! In deinem dünnen, seidenen Gewande rauscht Die Nachtluft rauh und schneidend kalt – Ist dir auch wirklich wohl? mit unterdrücktem Seufzer. Gewiß – ja – mir Ist wohl! – – Komm! laß uns weiter eilen! Ja, Wir wollen eilen! Sie gehen, aber er steht plötzlich still. Gott! Was ist dir, Vater? bitterlich weinend. Ach, Mich hungert sehr! Sinkt auf die Erde. stürzt in die Kniee und beugt sich jammernd über ihn. Es ist Doch grausam, daß ich hier nicht helfen kann! – Hätt ich nur Milch in dieser Brust, Doch statt der Milch brennt Fieberglut In ihren innern, qualdurchzuckten Räumen! – Steh auf, mein Vater! stehe auf! du mußt Hier ja erfrieren! Vater! ich Beschwöre dich! steh auf! – Umsonst! er hört Mich nicht! Und immer dichter fällt der Schnee, Und immer kälter wird die Nacht, und niemand Hört unsren Hülferuf! Betend. Zwei müde Wanderer, Ein alter Vater und sein krankes Kind, Flehn aus der Wildnis und dem Schneegestöber zu Euch auf, ihr schützenden Gewalten in Den Himmelshöhen! – Menschen und Natur Verfolgen uns mit allen ihren Schrecken, – Ihr laßt den Nordstern durch Die Wolken brechen, wenn der Schiffer auf Der sturmdurchtobten See verzagen will, – Wir sind zu schwach, um uns zu schirmen, – Wir haben nie an euch Gezweifelt – Rettet! rettet uns! Sie blickt spähend umher; auf einmal entzückt in die Ferne deutend. Ha! Ich seh ein Licht! ich höre Hunde bellen! sich aufrichtend. Ein Licht? Ja, hell und freundlich, wie Ein Genius des Trostes, strahlt Es aus dem Fenster einer Hütte! Gott Hat sich erbarmet! Sagte ich nicht, daß Du hoffen solltest? Sie gehen ab. Pause. tritt verstört auf. Hab mich verirrt! – mein Pferd hat unter mir Den Hals gebrochen! – Schneebedeckt Und pfadlos, wie ein Abbild meines Lebens, starrt Mich das Gebirge an! Wildkrächzend, als Wenn ich schon eine Leiche wäre, Umflattern mich die Raben, Wolfsherden jammern aus der Ferne, Dumpfschallend kracht das Eis Der stehenden Gewässer, Des Kiölen Täler widerhallen – laut Sind alle Stimmen der Natur! Huhu! Da rieselt Blut! – Nein, nein! es ist Des Waldstroms Brausen! tobend stäubt Er durch den Bergforst! Er geht einige Schritte; dann steht er still und blickt um sich her. Sieh, Der Südwind hat die Wolken fort- Getrieben, und der nächtge Himmel schaut Mit seinen tausend Augen wieder auf Die Erde; – Einen anderen Als ich bin, könnte das erfreuen; Mir aber frommt es nichts, In meinem Innern bleibt es trübe wie Zuvor! Pause. Sternschnuppen fallen; Gothland bemerkt es. Ha, was erblicke ich? Wo berge ich mein banges Haupt? Weh, Weh, Dort oben unter den Gestirnen ist Es Herbst geworden! Des Firmamentes leuchtendes Gewölbe schüttelt sich wie eine sturm- Durchsauste Eiche und die Sonnen fallen ab Wie gelbe Blätter! Ei, Arktur! Orion! Abendstern! ihr welket also auch? Ho, das hat mir geahnet! immer, wenn Ich euren falben Glanz sah, dachte ich An welkes Laub! Nun, Sirius? Herunter! Was zauderst du? Nach einer kurzen Pause. Wie? er fällt nicht? – Hätten Sternschnuppen mich getäuscht? – Er will weiter; ein Nordlicht steigt flammend empor; er springt zurück. Doch – was ist das? Ist schon die Stunde kommen? Ist Es schon so weit gediehn? Die Zinnen Der Himmelsveste lodern! Weltbrand! Weltbrand! Der jüngste Tag ist da! schon heulen die Posaunen! Gott, der Rächende, Setzt sich auf seinen Thron, sein Antlitz rot Vor Grimm! O wär ich nur ein Wurm, daß ich Mich in der Erde Schoß verkriechen könnte! – Pause. Narr, der Ich bin! Des Nordlichts freundliche Erscheinung für die Schrecknisse Des jüngsten Tags zu halten! – Ich will sehn, Ob ich hier in der Nähe nicht 'Ne Hütte finden kann, – Erholung tut Mir not! Geht ab. 4. Szene Vierte Szene Das Innere einer Hütte. – Auf dem Herde glüht ein Kohlenfeuer; eine brennende Lampe steht auf dem Tische. Cäcilia und Skiold treten ein. Die Hütte scheint ganz unbewohnt; Ein Wandrer muß das Feuer und Die Lampe angezündet haben. Wenn mich Nicht alles trügt, so sind wir in Der Hütte, welche da, wo die drei Heerstraßen Von Dänmark, Schweden und von Norweg sich Begegnen, für verlaßne Reisende Errichtet ist. tritt an den Tisch. Hier find ich Brot und Wein! Komm Vater! setz dich nieder und Erquicke dich! Weswegen geht dein Atem so Entsetzlich schnell? Vor Freude, daß ich uns Gerettet sehe! Beiseit. Weh mir! Als wir aus Dem Lager gingen, rötete Ein heißes Fieber deine Wangen! Besorge nichts! Das Fieber hat Sich unterwegs gelegt! Sieh, meine Wangen Sind wieder weiß! Ja! – weiß wie Leichen! Pah! Leichen! wer wird denn auch stets Von Leichen sprechen! Heute nacht beginnt Der erste Mai! bald ist es Frühling! bald Verjüngt sich die Natur! bald wirst du Die Blumen wieder sehn! Wohl werde ich Bald Blumen sehn, – auf deinem Grabe! scherzend. Grabe! Hier Ist goldner Wein! Erinnerst du dich noch An deinen alten Trinkspruch? »Pflücket die Rose, eh sie verblüht, Genießet das Leben, bevor es entflieht!« Wein einschenkend. Ich trinke dir Gesundheit! Du edle Trösterin! Weh, wehe, wenn Ich dich verlöre! Da verlörst du auch Was Rechtes! ein gebrechlich Weib, das dir Und sich nicht nützet! Der Verlust Wär zu verschmerzen! Nimmer, nimmer würd Ich ihn verschmerzen, teures Kind! beiseit. Dann wehe dir! Laut. Du weinest? Weine nicht! Ich fühl mich stark, Und lange hoff ich noch zu leben! – – Du trinkst ja nichts! Genieß Doch etwas! Speis und Trank stärkt wunderbar! Ich will versuchen, ob ich vor Ermüdung Und Tränen etwas essen kann! Er setzt sich zu essen. tritt beiseit. O! kaum Vermag ich mich noch länger zu Verstellen! – diese nächtge Wandrung ist Mein Tod! – Beklemmung liegt Gleich einem Leichenstein auf meiner Brust! Die nächste Stunde sehe ich nicht mehr! Wohl mir, daß ich beruhigt sterben kann: Der Vater ist gerettet! – Zwar wird ihn Mein Tod betrüben – Skiold ist vor Ermüdung eingeschlafen; sie bemerkt es. Sieh, Er schlummert! – Gütges Schicksal, da ich doch Den Morgen nicht erleben werde, so Erspar dem Greis die Qual des Scheidens Und laß mich jetzt, bevor Er aufwacht, sterben! Zu Skiold gewendet. Schlummre süß, und ahn Die namenlose Pein, die ich Durchkämpfen muß, in deinen Träumen nicht! An die Erde sinkend. Ha, meine Kniee brechen! – brechet leise, Ganz leise! – – Atem, rausche nicht! – Leis, leis, so daß mein Vater es Nicht merket, will ich sterben! – Hu, wie es Mir da durchs Herz zuckt! jammernd möcht ich aufschrein! Doch stille! stille! – nur ganz leise will Ich mit den Lippen beben, nur Ganz heimlich – will ich weinen, – nur Ganz heimlich – heim – O Gott! ich halte es Nicht aus! die Pein wird allzu arg! Laut jammernd. O, meine Brust! o, meine Brust! vom Schlafe aufspringend. Was ist Geschehn? Wer ruft so laut? – Wo bist Du, Tochter? Sie erblickend. Was bedeutet das? Sie liegt Am Boden! Ihr Gesicht ist kalt! Weh, wehe mir, sie stirbt! sie stirbt! Cäcilia stirbt. Pause. O, Du falsches, falsches Kind! Wie hast Du mich getäuscht! Als schon der Tod Dein Mark durchwühlte, schienst du noch Gesund und froh zu sein! – – Nun blühe, Frühling, blüh nur! Eine Blume, schön Und hold wie diese, treibst du nimmermehr Hervor! – O Tochter! Tochter! – Gothland, du Hast sie gemordet! hast des einzgen Kindes mich Beraubt! Straf ihn, du allgewaltger Gott! Gieß deines Zornes Schale auf sein Haupt! Send deinen Racheengel – vollständig geharnischt, tritt herein. Wer ruft hier? Ha! Wer bist du, grausige Erscheinung? Hast Du mich um Rache beten hören, Und bist du nun deswegen aus Dem Boden aufgestiegen? Wenigstens Bin ich zur Rache hier! Nähertretend. Doch deine Stimme Klingt mir bekannt – Was? bist du nicht der Graf Skiold? noch immer schaudernd. Ein Geist wie du wird das von selbst Schon wissen! Narr! ich bin kein Geist! ich bin Der alte Herzog Gothland! Wie? du bist Der alte Herzog Gothland? – Ein Bedeutungsvolles Schicksal führet dich An diesen Ort! – Sieh diese Tote an! Dein Sohn hat sie gemordet! Ist es nicht Cäcilia? Sie ists! Du Unglücksvater! Fast So unglücklich als ich! – Doch wenn dir die Vergeltung Trost gewährt, so sei zufrieden; Nicht bloßer Zufall führte mich In diese Hütte; ich erwarte hier Den König Olaf und den Grafen Holm Samt ihren neugeworbnen Heeren; Ich selber komme jetzt von Norweg, und Mir folgt 'ne Schar von sechzehntausend Mann – In einer Viertelstunde muß sie hier sein; Mein Eifer jagte mich voraus. Wahrscheinlich liefern wir Schon morgen meinem Sohne eine Schlacht. hereintretend. Endlich! – erreicht die Hütte! – wie zum Tod Bin ich ermattet! – Ihr Bewohner dieser Hütte, Ich bitte euch um Speis und Obdach! zu Skiold. Kennst Du ihn? Wohl kenn ich ihn! Es ist mein Sohn! Es ist der Mörder deiner Tochter! Du bist mein Rachgenoß! Wirf schnell die Tür ins Schloß! für sich. Ein grobes Volk scheint hier sich aufzuhalten – Mich überläuft ein widriges Erkalten! hat die Türe zugeworfen und kommt zu dem alten Gothland zurück. Wir wollen meine Tochter jetzt begraben, Doch erst muß sie ein Menschenopfer haben! für sich. Von Menschenopfern hör ich sprechen! zu Skiold. Und ich hab eines Sohnes Tod zu rächen! für sich. Hei! dieser Graukopf redet fürchterlich Und Flammen schießt sein Aug auf mich! – – Wenn er nun losspränge und legte Hand An mein Genick, – ich wär zu schwach zum Widerstand! Drum fort! noch ist es Zeit, daß ich entwische! Indem er zur Tür gehen will und sich aller Anstrengung ohngeachtet nicht fortbewegen kann. Herr Gott! das ist 'ne Angst der Hölle! Ich will entfliehn und kann nicht von der Stelle, Denn meine Füße werden mir zu schwer! zu Skiold. Dort liegt ein Messer auf dem Tische, Geh hin und hole es mir her! hat das Messer geholt. Was sollen wir nun tun? Nun wollen wir ihn schlachten wie ein Huhn! hat alle seine Kraft zusammengenommen und ist bis an die Türe gesprungen. Ha, jetzt bin ich gerettet! Er will die Tür aufreißen und findet sie verschlossen. Was? bin ich denn hier angekettet? Nachdem er es versucht hat, sie mit Gewalt aufzustoßen. Umsonst! – Schon fühle ich wie mich die beiden packen Und wie ein Messer fährts mir durch den Nacken! Skiold ist auf ihn zugegangen und ergreift ihn hinterrücks an der Schulter. Hu! auf Cäcilias Leichnam deutend. Mörder! kennst du diese da? Was? – Höllengraus! Es ist mein Weib Cäcilia! Und kennst du mich? Du bist – Weh mir! Ja ja! Ich bin Skiold! Und wer bin ich? Entsetzen! das ist meines Vaters Stimme! Er steht vor dir mit seinem Grimme! erstarrt zusammenstürzend. Zermalmet mich, ihr Donner! zu dem alten Gothland. Nun töte ihn mit deinem Messer! Erst muß ich mir die Rockärmel aufstreifen! Ich will dir dabei helfen! – sich wieder etwas emporrichtend. – Mir schauderte! Sie wollen mir ans Leben! – Könnt Ich nur um Hülfe schreien, – doch die Kehle Ist mir wie zugeschnürt! – Ich denke, daß Dies alles nur ein Traum ist – Sich vor den Kopf schlagend. Aufwachen will ich! – Ach! der Schlaf will Nicht weichen! – Meine Glieder sind ganz steif Geworden – – kaum reg ich einen Finger! – – Mir fröstelt! meine Haut schrumpft ein Und meine Zähne klappern – – Dort in der dunklen Ecke will ich mich Verkriechen! – Er kriecht in eine Stubenecke. dem unterdessen Skiold die Armschienen abgenommen und die Rockärmel aufgestreift hat. Jetzt ans Werk! Doch – wo Ist er auf einmal denn geblieben? Uh! Horch, ächzte er da nicht? Ich hörte nichts! Sieh, sieh! dort blickt was Bleiches aus dem Winkel! Es ist ein Menschenantlitz! Narr, es Ist ja der Wandkalk! Nein, der Wandkalk nicht! Es ist dein Sohn! näher hinzutretend. Fürwahr, er scheints Zu sein! Er rührt sieh nicht! Der Schrecken hat In einen Klumpen ihn gerollt! Sieh, er will sprechen und vermag es nicht! Ei! desto besser! er wird also auch Nicht kreischen können, wenn ich ihm Das Eisen in die Gurgel stoße! Sieh, wie Er das Gesicht verzieht! Schon wieder will er sprechen! Fast scheu ich mich, ihn anzutasten! – Allein, es muß geschehn! – Ich weihe Sein Blut den untren Mächten! Er will ihn ergreifen, aber fährt, sowie er sich von der Hand seines Vaters berührt fühlt, schreiend in die Höhe. Heidi! das Wird doch zu arg! Er wirft mit der Riesenstärke des Schreckens die beiden Alten auf die Seite, reißt die Tür auf und stürzt ins Freie. eilt bis an die Tür hinter ihm her und ruft ihm nach. Steh still in deinem Lauf Und hör erst meinen Fluch! Die Wölfe und Die Bären sollen meilenweit dich wittren, Ein Ungewitter hänge sich an deine Fersen Und eine Windsbraut nestle sich In deine Haare! Er vernimmt dich nicht! Schau, Er hat mit ungeheurer Schnelligkeit Den höchsten Rücken des Gebirgs erklettert, Und wild von seinem Haar umflogen, Eilt er im Mondeslicht dahin, Verwegener wie eine Gems von Felsen Zu Felsen springend! Heut ist er uns noch Entronnen, aber morgen soll Er sicher nicht entwischen! wirft sich weinend über seine Tochter. O du Frühverwelkte! – an der Türe. Wo meine Norwegskrieger bleiben? Eine norwegische Marschmusik erschallt hinter der Szene. Ha! Das ist ihr Marsch! da kommen sie! Mehrere norwegische Hauptleute treten ein. sie begrüßend. Wir sind Die Ersten an der Stätte! Wieder aus der Tür blickend. Gleich 'Nem dunklen Wolkenzuge rückts heran Aus Osten, – Pferdewiehern und Geklirr Der Waffen hallet dumpf herüber – Heil! Das ist der König Olaf mit den Russen! – – Horch! Auch Aus Süden tönt ein lauter Marsch! Glück auf! Es ist die Schlachtmusik der Deutschen! Es naht das Heer des Grafen Holm! Der König Olaf tritt herein, begleitet von russischen Hauptleuten; dann kommt der Graf Holm; ihm folgen deutsche Heerführer; man hört hinter der Szene halt rufen und zum Absitzen blasen. Willkommen, König! Du hast streng Dein Wort gehalten! Seid gegrüßet nach So langer Trennung! Alle drei umarmen sich. Mutlos und Verlassen schieden wir – Mit Heeresmacht sehn wir uns wieder! Gott Der Rächende hat uns geholfen! Wer Liegt dort lautjammernd an dem Boden? Es ist der Graf Skiold; wehklagend liegt Er über seiner toten Tochter! Wie? Cäcilia ist tot? Sie starb durch meinen Sohn! Als meine Mutter starb, da weint ich nicht, Jetzt wird mein Auge feucht von Tränen! Ja, diese Tote war ein göttlich Weib, Doch jetzo haben wir zum Klagen keine Muße! – Befiehl den Aufbruch und laß uns Nicht länger zaudern! Wahrlich, ich Gedenke nicht zu zaudern! Nun, so rührt die Trommeln! Allgemeiner Aufbruch, das Orchester fällt mit einem kriegerischen Marsche ein. 5. Akt 1. Szene Erste Szene Das Lager von Gothlands schwedisch-finnischer Armee. Gothlands Zelt. Es ist tiefe Mitternacht. Erik sitzt an einem Tische, auf welchem ein Wachslicht brennt. Arboga tritt ein. Was schlug die Glocke? steht auf. Mitternacht Ist bald vorüber. Ist der König wieder Zurück? Kaum ein'ge Stunden ist er aus Gewesen. Wo find ich ihn? Still! Er sitzt dort hinterm Vorhange! Wie? Glaubt mir, etwas Außerordentliches Muß ihm begegnet sein! Ich schrak zusammen, Als er so unvermutet wiederkam! Mit schnellem Schritt, ein Tuch ums Haupt gehüllt, Ging er an mir vorüber und verbarg Sich dort im Dunkeln! Noch kein Wort Hat er gesprochen! Er bewegt sich! Wahrscheinlich nimmt er sich das Tuch Vom Haupte. – Ha, er tritt hervor! tritt hinter dem Vorhange weg, mit entblößtem Kopfe; sein Äußeres ist furchtbar verändert: das dunkelbraune Haar ist weiß geworden und das Antlitz ist völlig gealtert. – Arboga und Erik weichen befremdet auf die Seite. Das ist ja Der König nicht; das ist ein fremder Greis. Wer bist du, unbekannter Greis? Wie kamest du hieher? Ja ja, Ich glaube dirs recht gerne, daß du mich Nicht gleich erkennst; – wir haben uns Seit langen Jahren nicht gesehen! Gott! welche wohlbekannte Stimme! Das ist – Indem er ihn erkennt, aufschreiend. Weh! Weh! das ist Kein fremder Greis, das ist der König selbst! O wie entsetzlich hat er in Zwei Stunden sich verwandelt! Lebt Der Fürst Arboga noch? Dort steht er zu Arboga. Ei, Sehr wenig hat das Alter dich Verändert! Das Alter? Was macht der Neger, welchen wir Vor sechsundsiebzig Jahren in Den Kerker warfen? – Doch, er ist Wohl schon seit längst vermodert in Des Kerkers Nacht! – Ein sonderbarer Irrtum Befängt Euch; nicht vor sechsundsiebzig Jahren, Erst vor drei Stunden warfen wir Den Neger in den Kerker. Nur drei Stunden? Mir schienens sechsundsiebzig Jahre! – – – Wie lange bin ich denn hier aus Dem Lager fort gewesen? Kaum Zwei Stunden lang; das Wachslicht, welches Euch Bei Eurem Weggehn leuchtete, ist noch Nicht abgebrannt! Mich faßt ein Grauen – Ich bin zum Greis geworden – – und das Wachslicht Ist noch nicht abgebrannt! Nun hat er Das weiße Haar, um welches er vor kurzem Den Grafen von Skiold so zu Beneiden schien! Was sprichst du da? Ich meinte, Euch müsse unterwegs etwas Begegnet sein. Ruf mir den Rossan! Erik geht ab; Gothland tritt zu Arboga. Fürst! denket Euch! ich war in einer Hütte, Wo man mich schlachten – Ja, da wurde Mein Haar so bleich wie meine Wangen, Da wurden die Minuten Jahre, und Die Stunden wuchsen Zu ganzen Menschenleben an! kommt; wie er Gothland erblickt, tritt er verwundert zurück. Ich staune! Das Staunen laß beiseit. – Was ist Dein liebster Wunsch? Den Neger möcht ich töten! So geh und hole mir sein Haupt! Ich laufe! Dank, Dank für diesen Auftrag! Hähähä! Wie soll es ihm vom Rumpfe fliegen! Hähä! hähä! Eilt ab. zu Arboga. Ich hatte Euch Befohlen, mit dem Schwedenheere stets Ein abgesondert Lager zu Beziehen und es von der finnischen Armee getrennt zu halten. Nicht umsonst Ward das so angeordnet – Ich weiß, daß mich die Finnen hassen, Ich fürchte stündlich Rebellion, und fast An funfzigtausend Mann stark stehn sie dort In ihren Zelten; – es ist jetzt Noch finstre Nacht, – sie schlafen Und denken an nichts Arges, – Ein leichtes müßte es Euch sein, sie mit Der Hülfe Eurer tapfren Scharen Niederzumachen! – Wollt Ihrs tun? Warum nicht? Nun denn, so wecket Eure Schweden auf Und überfallt die Finnen wie Ein Wetterstrom, und haut sie Mann vor Mann Zusammen! Morgen sind sie tot. Um den Tumult zu mehren, Laßt Feur in ihre Zelte werfen! – Wenn Es geht, so schonet Rossans, geht es nicht, So wirds mich auch nicht weiter grämen! – Wär ich nicht so erschöpft, so würde ich Persönlich dabei gegenwärtig sein, Doch so muß ich mich schon begnügen, Von ferne es mit anzuschaun! Ich hoffe, daß ich Euch Befriedgen werde. Er geht ab. Wie gleichgültig eilt Dieser Arboga an das scheußliche Geschäft des Mords! Er scheint mir das zu sein, Was ich noch werden muß! – Wer kommt da? Gustav tritt auf. Ha! Es ist mein Junge; – wie er trotzig tut! – Ich hab ihn peitschen lassen, – er will mich Doch nicht zur Rede stellen? Was begehrst du? Ich gratuliere dir zum weißen Haare! für sich. Verdammt, daß ich heut nacht so schwach mich fühle! Der Knabe ist mir übern Kopf Gewachsen! Laut. Erik! Erik! tritt ein. Was Verlangt Ihr? Bleib hier in Dem Zimmer. beiseit. Ah, er fürchtet sich Vor seinem eignen Sohn, und scheut mit ihm Allein zu sein! zu Gothland. Du hast mich peitschen lassen – Heftiger, indem er drohend auf ihn zugeht. Weshalb hast du mich peitschen lassen? etwas zurücktretend. Du willst dich doch an deinem Vater nicht Vergreifen? Wer soll mich daran verhindern? Etwa die Kindespflicht? Du selber hast Sie frech gebrochen! Der Respekt vor dir? Wie kann ich einen Mörder respektieren! Dein Widerstand? Du hast ja deine Kraft Verloren! Oder Auf Erik deutend. dieser Alte? Den Erdroßle ich, so wie er sich zu rühren wagt! für sich. Vergeltung! ja, so heißt das finstre Wort! – Ist das derselbe Gustav, welcher einst So hold und sanft war? – zu Gothland. Dennoch will Ich dir verzeihen, wenn du mich Um Selma werben läßt! So nimm sie dir Zum Weibe, wenn du sie bekommen kannst. Bekommen? Sich in die Brust werfend. Das laß meine Sorge sein! Er will fortgehen. Halt! Wo gehst du hin? Ins Finnenlager, Zu Irnak. Schrecklich hast du mich Beleidigt, – aber dennoch bleibst du stets Mein Sohn, – geh nicht ins Finnenlager! Warum nicht? Weil es – – Weil Es eine ungesunde Lage hat! für sich. Ha, Ich merke was! – Wart, wart, Herr Vater, nun Will ich mich für die Rutenstreiche rächen! Was schweigst du? Gehst du doch ins Finnenlager? mit zweideutigem Lächeln. Ja! ich gehe in das Finnenlager! für sich. Nun, so geh In deinen Tod, du Naseweis! Gustav entfernt sich. Vergeltung! Vergeltung! Er geht ab. Erik folgt ihm. 2. Szene Zweite Szene Ein offner Platz zwischen dem finnischen und schwedischen Lager. – Nacht. Irnak tritt auf; gleich darauf kommt Usbek. Wer geht da? – Wie? Bist du es Usbek? Es ist mir lieb, daß ich dich treffe! Mein Diener hat mich aufgeweckt; er sagte, Man säh am Himmel blutge Meteore Und gräßliche Erscheinungen! Ja, Die Nacht ist unheilschwanger – – Wisse! die Schweden haben etwas vor; sie Sind alle wach; – schon seit 'ner Viertelstunde Umschleiche ich ihr Lager – Sie legen sich die Panzer an! Die Panzer? Irnak! mir ahnt nichts Gutes! Und Mir auch nicht! Dieser Gothland, den Wir uns in unsrem Wahnsinne Zum König wählten, haßt uns, und Ich traue ihm das Schlimmste zu – Doch still! Ich höre Schritte! Gustav tritt auf. Es ist Gothlands Sohn! Den senden uns die Götter! Ich Will ihn verhaften! Laß das erst! Er kommt vielleicht um seinen Vater zu Verraten. Wie? So unnatürlich schurkisch wird Er doch nicht sein? Wer weiß, Berdoa hat Ihn in der Schul gehabt! die beiden gewahrend. Ha, seid ihr es? Ich hab euch Wichtiges zu sagen! Was denn? Ihr wißt auf welche schnöde Art mein Vater Durch Rossan mich beschimpfen ließ! Wir wissen es nur allzu gut! Jetzt räch ich mich an ihm und zwar durch euch! Durch uns? Ja, Irnak! Höre nur! Mein guter Vater hat den Plan gefaßt, Das ganze Finnenheer noch heute nacht Dem Schwerte seiner Schweden auszuliefern! Entsetzlich! greulich! greulich! Was? Das ganze – (O die Zunge wird mir lahm!) Das ganze Heer der Finnen? Rossan ist Der Einzge, welchen man vielleicht Verschont! O wenn der Mohr nur noch An unsrer Spitze stände! Rossan hat Befehl, ihn hinzurichten. Wohl, So gilt es, daß wir uns auch ohne ihn Verteidgen! Er will abgehn. hält ihn zurück. Geh nicht! Dort in dem nächsten schwedschen Zelte Spricht jemand! Horch! im Zelte. Mohr, wache auf! Wer weckt mich? Dein Feind, du afrikan'scher Affe! Er Will dir den übermütgen Kopf abschneiden! USBEK, IRNAK UND GUSTAV. Ho, Hund! das wollen wir dir wehren! Sie stürzen mit gezogenen Schwertern in das Zelt; kurzes Gefecht; Rossan fällt und stößt einen Todesschrei aus; Usbek, Irnak und Gustav kommen mit Berdoa, welcher noch gefesselt ist, zurück. Reißt mir die Ketten ab! Es geschieht. Ich bin befreit! Ich werd euch ewig dankbar sein! Wir haben dich gerettet, Jetzt rette uns! Wovon? Vom Untergange! Der König Gothland will heut nacht Die finnische Armee ermorden lassen! Von wem erfuhrt ihr das? auf Gustav deutend. Sein Sohn verriet ihn. Sein Sohn? Das ist ja herrlich! Zu Gustav. Laß Dich küssen, Goldjunge! Beiseit. Das muß ich sagen! Dem Rangen hat meine Lehr gefruchtet! Er ist ein wahrer Bösewicht Gewor – Laut, indem er ihn umarmt. An meine Brust! an meine Brust! Du bist mein Herzblatt! Beiseit. Sicher höre ich Ihn einstens in der Hölle jammern! Laut. An dir erlebe ich noch meine rechte Freude! Beiseit. Der kleine sechzehnjährge Teufel! Laut. Ei, du Engel! Du Zuckerpüppchen! Er streichelt und liebkoset ihn. – Geräusch hinter der Szene. Horch! welch seltsames Geräusch! Es klingt beinah, als wenn Zehntausend Schnitter ihre Sensen schliffen! Es sind Arbogas Scharen! Sie wetzen sich zu unsrem Mord die Degen! horcht auf. Fürwahr, so ists! – Es gilt Entschlossenheit: Harnische angezogen, – Äxte in Die Fäuste! Dolche an die Hüfte! Erweckt die Finnen aus dem Schlafe! Stellt sie in Schlachtordnung zusammen! Und während Zu Usbek. du mit ihnen dem Arboga widerstehst, will ich Mit Irnak und sechs andren Hauptleuten Mich durch das Schwedenlager schleichen, Den König Gothland, eh er sichs versieht, In seinem eignen Zelt umzingeln, und Gefangen ihn von dannen führen! Hihihi! dann wird der Herr Vater einsehn, daß Man mich nicht ungestraft verletzt! Ja! Dann wird ers einsehn! – – O du Zuckerpüppchen! Du Engel! Wie du mich entzückst! Ich könnte Dich jahrelang umarmen! – – Kommt! Gehen ab. 3. Szene Dritte Szene Gothlands Zelt. Gothland und Erik. steht an der Zelttüre und sieht hinaus. Die Finnen schnarchen, – stumm und bleich, wie ein Memento mori glänzt der Vollmond Über ihrem Lager! Winselnd, Mit tiefen Wunden an dem Halse, Werden sie erwachen! – – – Ob es mich Dann reuen wird, daß ich den Jammer an- Gerichtet habe? Ganz gewiß! kehrt sich rasch um und stößt ihn mit dem Dolche nieder. Halts Maul! Das hab ich nicht um Euch verdient! Das ist Mir einerlei! Erik stirbt. – Gothland blickt wieder aus der Zelttür. Noch immer bleibt es still – Arboga zögert lange! Tumult hinter der Szene. Ha, da geht es los! hinter der Szene. Werft Feuer in das finn'sche Lager Und schlaget alles tot, was euch begegnet! hinter der Szene. Mord und Verrat! da sind die Schweden! Jetzt Brüder! wehret euch bis auf das Blut! Schlagt tot! Verteidigt euch! Der Tumult wird immer lauter. hinausblickend. Hei! wie die Feuerbrände zündend in Die Zelte fliegen! – Nordwind! Südwind! stürmt Hervor aus euren Höhlen Und blast die Flammen brausend an! Schlagt tot! Verteidigt euch! Ho, wie Das Mordgeschrei erschallt! wie die Gefallnen kreischen! wie Die Trommeln wirbeln! – O, Daß ich davon entfernt sein muß! Schlagt tot! Verteidigt euch! tritt herein. Herr, schlimme Nachrichten! Arboga hat Die Finnen, die er schlafend wähnte, In ihrer vollen Schlachtordnung Getroffen, und der Neger, welchen Rossan Enthaupten sollte – Was? Berdoa? Er Ist von den Finnen mit Gewalt befreit! O daß ich doch erkrankt bin! Horcht! Da rasseln Tritte von Bewaffneten! Sieh zu, wers ist! an der Türe. Wer kommt da? ihm den Kopf spaltend. Feinde! Höll Und Teufel! Man erschlägt ihn! Da Will ich doch selbst anfragen! – Wer da? mit Irnak und finnischen Hauptleuten hereinstürzend. Ein Entsprungner Panther! mit dem Schwert auf ihn eindringend. Solch 'ne Bestie Durchbohre ich! ihn auf die Seite schleudernd. Was will der tolle Alte? Erkennt Ihr ihn denn nicht? Es ist ja Gothland! Das Haar ist ihm seit gestern abend weiß Geworden! den Gothland, welcher kraftlos in einen Sessel gesunken, betrachtend. Weiß von Haupt zu Fuß? Nun hass ich ihn erst über und über! Indem er auf ihn zugeht. Gothland, Du bist verloren! Hülfe! Wache! Wache! Du rufst vergebens! Die Schweden können dich nicht hören! Sie kämpfen fern von hier beim Finnenlager Und ahnen nicht, daß du von uns Umringt bist! Bluthund! dachtest du, es wär So leicht, die Finnen auszurotten? Wie? Die Finnen auszurotten? Abscheulich! – Davon weiß ich nichts! – Hat etwa der Schwarzgallichte Arboga seine Laune Gehabt? – Er hat oft mörderische Träume – Dann steht er auf, nachtwandelt – und Erschlägt die Völker! – Spießet ihn! Ich Will ihn euch ausliefern, – will euch Die Mittel sagen, ihn in eure Macht Zu locken, – er ist schuld An allem! Niederträchtiger, verrätrischer Verleumder deines treusten Helfershelfers! Mit solchen Lügen hoffst du zu entkommen? Verzweifle! denn dein eigner Sohn Hat dich an uns verraten! Wer? – Mein Sohn? – Ja, Dann werd ich wohl verzweiflen müssen! indem er ihm die Zeichen der Königswürde abreißt. Herunter mit dem Königsmantel! Herunter mit dem Schmuck! ebenso. Herunter mit Dem Schmuck, herunter mit Dem Königsmantel! Sonne! Sterne! löscht aus! Sich die Haare ins Gesicht streichend. Haare, Verschleiert mein Gesicht! Nehmt Stricke! Bindet ihn! Mich binden? binden? Mich, vor dem Die Heere sanken wie gemähtes Gras? Mich wollt ihr binden? Lieber reißt mir Die Arme aus! Wenn sie gebunden sind, Dann wollen wir sie dir ausreißen! Laß mich Nicht binden, Mohr! Laß mich nicht binden! Bedenke, wer ich war – das Herz muß sich dir Umkehren! Gothland, der Gewaltige, ist krank Und machtlos deiner Willkür preis- Gegeben! Laß dir das genug Sein! – Töt mich, aber laß mich Nicht binden! Bindet ihn! Mohr, Mohr! ich bitte – Beiseit. O hätt Ich nur den zehnten Teil Von meiner alten Schlachtkraft noch! – Laut. Mohr! Beiseit. O, Daß ich den Schandbuben anflehn muß! Laut. Mohr, Ich bitte dich, laß mich nicht binden! Verschone meinen Ruhm! Ho, stolzer Schwede, hab Ich dich soweit? Du bittest? – Ich Verwerfe deine Bitte! – Bindet ihn! Sie binden Gothlands Hände. O meine Ahnen! O mein Name! Sink Zu Trümmern, Väterburg! zu Berdoa. Herr, dies Wird mir zu arg! – erlaubt mir, daß Ich mich entferne, – ich Sah diesen Gothland gestern noch So hoch und herrlich auf dem Throne sitzen, Daß ich es nicht ertrage, wenn er nun So tief erniedrigt wird! Er geht ab. Was? Ist der Kerl Verrückt? Er ist empfindsam! Laßt Ihn laufen! – Nun? was wartest du und siehst Mich an? Bring mich doch endlich um! Das hat Noch Zeit! Erst will ich dir die Hölle Warm machen! Ihn bei der Schulter ergreifend. Weißgelockter! Blutbefleckter! In wenigen Minuten stehst du vor Dem Richter, welcher schrecklich in Den Sternenhöhen waltet – – graut dir nicht Vor deinem Lose? – Hu! einsam, Das Herz vom Dolch durchstochen, und Den Ring der Ewigkeit wie eine tausendfach Verschlungne Hyder um die Brust Geklammert, in des Abgrunds Nacht schlaflos Zu liegen, – durstge Schwefelflammen, die Nach Tränen suchen, in die Augen ein- Gewachsen, – schmetterndes Geheul ausstoßend Und nur das eigne Ohr damit Zerreißend, – nimmer, nimmer, nimmer die Verscherzten Paradiese, die Verscherzten Hoffnungen vergessend – Zur Selbstvernichtung seine Hände ballend Und ewig sich erschlagend ewig lebend! nimmt seine ganze Fassung zusammen und richtet sich heftig empor. Nein! Ich lasse mich von Gott nicht verdammen! Ich leid es nicht! Ich wehre mich! Gott darf Mich nicht verdammen! Wenn er mich verdammt, Verdammt er sich selbst! Ha! weswegen ließ Er es geschehn, daß ich den Kanzler totschlug? Was konnte ich davor? Unwiderstehlich ward Ich dazu hingetrieben! Ich War nur das Beil, das Schicksal war der Mörder! Tor! eure Dummheit ist eur Schicksal! eure Erbärmlichkeit ist eur Verhängnis! Wer hieß dich, als ich dich zum Brudermord Verführte, meinen Worten glauben? Wußtest du Denn nicht, daß ich dein Todfeind war? Der blödste Tölpel hätte da Verdacht Geschöpft, allein der Herzog Gothland Schöpfte keinen, weil Er keinen schöpfen wollte! Weil ich keinen Schöpfen wollte? – Wenn das wäre, wenn ich den Geringsten Argwohn hätte fassen können, Ich aber hätt ihn absichtlich Nicht fassen wollen, Ja, dann durchwühle unermeßliches Verderben meine Seele! Höre denn, Und unermeßliches Verderben wühle dir Durch deine Seele! Manfred war Jählings am Schlagflusse verreckt – Wahrscheinlich hatte er beim Abendschmaus Zu viel gefressen und es nicht Verdauen können, – ungeheuer war Dein Schmerz um ihn; – so traf ich dich; mit großer Bestürzung, aber mit noch größrer Freude Vernahmest du, daß er erschlagen sei: Die Rache für den toten Bruder War dir ein schmeichelnder, verlockender Gedanke! Satan! deute meine Gedanken nicht ins Schlimme! Zwar war Friedrich, An welchem du die Rache nehmen mußtest, Dein Bruder auch; doch das hielt dich nicht ab, Denn er war ja der weniger geliebte! Du gingst vielmehr sorgfältig allem, was Dir Aufschluß geben konnte, aus Dem Wege, warfest Rolfen, weil er den Betrug gestehen wollte, in das Grab- Gewölbe, tauftest deine Rachbegier Gerechtigkeit, verachtetest – Wenn – Wenn unter diesen Lügen Wahres wäre – wenn – Wenn – wenn – – verachtetest des Königs Warnungen, Bliebst taub bei Friedrichs lautem Flehn, Erwidertest mit Spotte seine Tränen, Sprachst von dem trauervollen Amt, Das dir geworden wär, und schlugst Ihn mit Vergnügen tot! Vermaladeit Die Zunge, welche das mir sagt! Und als Dir endlich nun die Schuppen fielen, als Der rechte Name deiner Untat dir Nun in die Ohren scholl, – da, statt In Reue zu zerfließen – Reue? Reue! Was konnte sie mir helfen? Sie Ist fruchtlos! mit dem Fuße stampfend. Elender! sie ist allmächtig! Sie Vermag was keiner, was Gott selbst nicht kann, – das Geschehne macht sie ungeschehen! Du aber, weil Verzweifeln leichter als Bereuen Und Fluchen nicht so schwer als Beten ist, Verzweifeltest und fluchtest, metzeltest Die Heere nieder, welche dich Verfolgten, zogst den Degen gegen deinen Vater, Entthrontest deinen König, rissest deinen Sohn Mit dir ins zeitliche und ewige Verderben, stießest deine Gattin in Die eisbedeckte Wüste, opfertest Dem Henkerbeil die schwedschen Großen, würgtest Den Eltern ihre Kinder, und Den Kindern ihre Eltern, mordetest – Es wird Mir dunkel vor den Augen! Wird es das? Aschfarbne, halbverblichene Gestalten Umdrängen mich im grausigen Gewimmel, und Ich atme Grabesdunst! Erzittere! Die Scharen der Erwürgten stellen sich Zu deiner Todesstunde ein! Ha! Die himmellange Frau, die dort Mit hagerem, erdfahlen Antlitz von Dem Kirchhof steigt, – wer mag Sie sein? Es ist Cäcilia; Verwandelt in ein furchtbares Gespenst Entsteigt sie ihrer Gruft, und tritt Vor dein Gesicht! Wie? will der Schlepp, den sie An ihrem Trauerkleide trägt, denn gar Nicht endigen? – sie schreitet schon Im fernsten Horizonte, und Noch immer rauscht der schwarze Flor An mir vorüber! Ewig wird er dir Vorüberrauschen! Ich will nicht mehr hinsehn – Indem er auf eine andre Seite blickt, prallt er entsetzt zurück. Doch Wehe! was ist das? Hoho, was siehst du? Weshalb prallst du zurück? Sieh – sieh doch selbst! Ein riesger Schuldbrief liegt am Ostseestrande, und Mit roten Schlachtfeldern ist er versiegelt! Ja ja! schwerlastend liegt er dort Mit seinen Siegeln auf der Heide, Und mir fällt dabei ein, daß es für dich Nun wohl die höchste Zeit zum Beten ist! Zum Beten? Beten hieße eingestehen, daß Ich strafbar bin! Ich bete nicht! Mach mich Nicht grimmig! – bete! Nein! Ich sage dir, Beug dich vor Gott, und bete! Nein! Beug Dich betend nieder oder ich zerbreche Dir das Genick! Ich beuge mich Nicht nieder! Finnen, zückt Die Schwerter über seiner Scheitel! – Deine Scheitel Liegt unter sechs gezückten Klingen – Ein Wink von mir, und sie ist durch und durch Zerspalten – Willst du beten? Nein! Nein? Ho! deine Haare beten ja schon ganz Inbrünstig! Meine Haare? Ja, schreckbeseelet richten sie Vom Haupte sich empor, und starren, als Wenn sie für dich um Gnade Schreien wollten, angstvoll zitternd himmelan! Hoho, du täuschest dich: nicht gnadeschreiend, Nein, fluchen wollend, sträuben sie sich in Die Höhe! Jetzt wird es mir unerträglich! Ich bin der Mann, solch einen Übermut Demütiger zu machen! – – Du willst dich Vor Gott nicht beugen, – wohl, Indem er ihn vom Stuhle wirft. so sollst du vor Ihm liegen, und da du nicht beten willst, Indem er ihn mit dem Fuße stößt. So sollst du dafür wimmern! Gothland zuckt mit den Händen. Sollen wir Ihn nun zusammenhauen? Nein! so lang Ich ihn noch quälen kann, soll er noch leben! Ergreift ihn und schleppt ihn mir nach! Kommt Denn niemand, niemand, welcher mich befreit? Alle ab. 4. Szene Vierte Szene Ein schwedisches Gefängniszelt. Tocke liegt schwergefesselt auf einem Strohlager. Berdoa, Irnak und die finnischen Hauptleute treten mit Gothland ein. zu Gothland. Dort liegt der Schwestermörder Tocke, In welchem du dich selbst verurteilt hast; Der Königsmantel, der dich von ihm unterschied, Ist abgefallen, und du bist Jetzt weiter nichts, als das was Er ist: ein Schurke! Damit du diese Gleichheit recht Empfindest, sollst du eine Viertelstunde lang Auf Einer Streue mit ihm liegen Und dann mit ihm auf Einem Karrn Zum Richtplatze gezogen werden! Zu Tocke. He! schläfst du? Was? ist es schon Morgen? Ruft Der Scharfrichter? Hol ihn der Teufel! Ich bringe dir 'nen Kameraden! So? Wer ists? Der König Gothland, welcher dich Verurteilt hat! Hä, und nun selbst Verurteilt ist? – Führt ihn doch näher, ich will ihm 'Nen Nasenstüber geben! Er Soll mit dir auf der Streue liegen! Nur zu! Es ist noch Platz! Ich fürchte, daß Er sich nicht gut mit dir vertragen wird! Ho, Er sollt's sich unterstehen – Ich habe ein paar tüchtge Fäuste! zu Gothland. Leg Dich auf das Stroh! zu Berdoa, mit einem tiefbedeutenden, bittenden Blicke. Berdoa?! Nein! So laß mich niederschmeißen, denn von selbst Erniedre ich mich nicht! zu den Hauptleuten. Tut wie er sagt Und kettet ihn zugleich am Boden fest! Gothland wird neben Tocke auf die Streue geworfen und an den Boden gekettet. Na, Bruder Gothland, wie gefällt dirs Bei mir? Laß mich zufrieden! tritt eilig ein und wendet sich zu Berdoa. Herr, Mich sendet Usbek, – er weiß nicht mehr Rat! Arbogas Truppen fechten wie Beseßne, unser Lager steht in vollen Flammen – Die ganze Gegend ist davon erhellt; Die Hälfte unsrer Leute liegt – Still! deine Botschaft könnte Auf Gothland zeigend. ihm den Tod Versüßen! Komm hinaus! Ich will Von jenem nahgelegnen Hügel Das Schlachtfeld überschaun und dich Mit Aufträgen zurück zum Usbek schicken! Nachher, wenn das geschehn ist, So richte ich die zwei Gefangnen da Mir zur Erholung hin! Wie einen Leckerbissen, welchen man Bis nach vollbrachter Arbeit aufhebt, will Ich sie aufsparen! Zu den Hauptleuten. Ihr werdet sie Derweile scharf bewachen, – stellt Euch rings ums Zelt Und lasset auch nicht eine Maus entschlüpfen! Ihr bürgt dafür mit eurem Leben! Seid ohne Sorgen! In wenig Augenblicken bin Ich wieder da! Zu Gothland. Dich überlasse ich Bis dahin deinen philosophischen Betrachtungen; es sind die letzten und Die traurigsten, die du auf Erden machst! Mit dem Finnen ab. zu den Hauptleuten. Postiert euch um das Zelt! Sie gehen alle hinaus. zu Gothland. Wir wollen So lange als die Kerle draußen sind, Ein wenig miteinander diskutieren! – Wie geht es deiner Frau? Sie Sah gar nicht schlecht aus! Frecher Bube! ist sie deine Gevatterin gewesen, daß du so Vertraulich von ihr sprichst? Ho, Freund, tu nicht Hochmütig, sonst! – Antworte mir: Wie geht es deiner Frau? Du schweigst? Wart', Das soll dir leid tun! – ich liege nicht ganz weich, – Gib mir von deinem Strohe! Er reißt ihm das Stroh unter dem Kopfe weg. O mein Kopf! – Nimm mir das Stroh nicht weg! Tocke reißt ihm noch mehr Stroh unter dem Kopfe weg. Mein Kopf! Mein Kopf! Lieber Tocke! sei menschenfreundlich! Die Finnen haben mir das Haupt Zerschlagen, – sei nicht grausam! reiß Nicht alles Stroh darunter weg! indem er ihm das letzte Stroh wegreißt. Was kümmert mich dein Haupt! Sich auf die Streu hinstreckend. Und nun will ich die kurze Zeit benutzen Und noch ein Weilchen schlafen! Hüte dich Mich durch dein Lamentieren aufzuwecken! Er schläft ein. Pause. richtet sich, soweit es seine Ketten verstatten, empor. Du hasts erreicht, Berdoa! Tief wie ich Ist keiner noch gesunken! – Hülflos, Verhöhnt, gefesselt, neben einem elenden Verbrecher auf der Streue, und von ihm Gemißhandelt – Erde, schling mich ein! – – Und Des Negers tückisches Gelächter zu Vernehmen, sein dicklippiges Vor Stolz und Spott verzerrtes Maul Zu sehen, seine Fußtritte Zu fühlen – O ich zittere vor Scham und Ingrimm! – Die Meere, dacht ich, hätten zornentbrannt Aufkochen, Schwedens Felsen hätten sich Entwurzeln müssen, wenn Der große Gothland fiele, aber auch Nicht eine Ameise bewegte sich – So unbedeutend ist der Mensch! – – Und niemand, der Mir beisteht, der mich rächt, der sich um mich Bekümmert – Niemand! Niemand! – Alle, die Mich liebten sind dahin, – sind – sind von mir Ermordet! – Brüder – Gattin – Freunde – alles tot! Ich bin verlassen und verloren! Wenn der Lump hier Jetzt aufwacht und mich schlägt, – ich muß es dulden, muß Es ruhig dul – Ha! was Ergreift mich? Meine Wimpern zucken Und meine Wangen schmerzen, – Vergebens suche ich zu widerstreben – Heiß Und unaufhaltsam wie geschmolznes Blei Rinnts über meine Wangen, – ich Muß weinen wie ein Kind! – Jede Missetat, Die ich vollbracht, und jeder Schmerz, den ich erlitten, Mein ganzes unglückseliges Geschick Drängt sich vor mein Gedächtnis, – o, Ich weine mich nicht satt! – Jetzt, Neger, stell Dich vor mich hin, sieh mir hohnlachend in Die nassen Augen Und triumphiere, daß es bis Zur Himmelswölbung schallt! Ja, jetzt Ists Zeit mich auf den Armensünderkarrn Zu werfen, mir die Armensünderjacke an- Zuziehen, der Gewalt der Schinderknechte mich Zu überge – Nein! nein! nein! So Kann ich nicht untergehen! Dazu bin ich doch Zu herrlich und zu königlich gewesen! So schändlich lasse ich nicht mit Mir spielen! Und meine Hände sind Gefesselt! Könnt Ich mich nur noch ein einzigmal erheben Und wärs auch nur um, meine Tränen rächend, aus Der Welt zu scheiden! O daß meine Hände Gefesselt sind! Mit tiefem Seufzer. Gefesselt Gothlands Hände! – Doch Sind Fesseln nicht zerreißbar? Und was zerrisse nicht die Wut? Ha! Schon fühl ich meine Stärke, von Verzweiflung aufgeschüttelt, sich erneuen, und Unbändig klopfen meine Pulse! Zerriss – zerriss – Indem er die Ketten mit der gewaltigsten Anstrengung zerreißt und hoch emporspringt. Zerrissen sind die Ketten Und nichts, Berdoa, kann dich retten! erwachend. He, welch Geschrei? Was soll das Lärmen? erwürgt ihn. Weh dir, daß Du fragst! Der Löwe hat Von seinen Banden sich befreit und brüllt Nach Rache lechzend durch die Wälder! stürzen herein. Holla! was gibt es hier? 'Ne Lanze her, Den Mohren damit zu verfolgen! Er reißt dem einen die Lanze aus der Hand, stößt ihn nieder, und jagt die übrigen in die Flucht. Sie fliehn! Nun hält mich niemand mehr zurück Den Neger selber anzugreifen! Tod und Verderben allen, die Mich hemmen wollen! – Auf! durchkreuzt Die bangen Lüfte und erhellt die Nacht, Ihr Feuermeteore! Brennt und leuchtet mir Als Fackeln, Städte! Sonne, steig empor! Der ganze Erdkreis sehe, was Für Rache ich mir nehme! – Tief- Gesunken, flehend, Hände ringend, lag Ich vor Berdoa auf den Knieen; Da stieß er ohne Schonung mich mit Füßen – Ho! dafür muß sein Herzblut fließen! Mit geschwungener Lanze ab. 5. Szene Fünfte Szene Gegend in der Nähe des Finnenlagers. Morgendämmerung. Wildes Gefecht schwedischer und finnischer Heerhaufen. Ferne und nahe Schlachtmusik. – Auf einmal wird es todesstill und die kämpfenden Scharen treten voller Eile weit auseinander. Zwei finnische Hauptleute begegnen sich. Was gibts? Weswegen stehn die Heere still Und hören auf zu fechten? Weißt Du's nicht? – Der König Gothland, von Beserkerwut ergriffen, hat Die Ketten, die ihn fesselten, Zerrissen, und die Wachen, die sein Zelt Umstanden, in die Flucht gejagt! Berdoa, welcher einen Augenblick Hinausgegangen war und an So Unerhörtes gar nicht dachte, stürzt Beim ersten Lärm dem Losgesprungenen Gezückten Schwerts entgegen; aber als Er diesen wie 'nen Rasenden, besprützt Vom Blut Erschlagner, und das weiße Haar Gleich einem Leichentuch das Haupt umflatternd, Auf sich zukommen sieht, – da packt Ihn jählings gänzliches Verzagen, Die Waffe fällt ihm aus der Hand – So steht Er da, bis daß ein Speerwurf Gothlands, der die Stirn Ihm streift, ihn aus dem Taumel aufscheucht; Im schnellen Lauf sucht er da zu entrinnen, Angstschreiend eilt er unsren Scharen zu, Um unter ihnen sich zu bergen; Doch diese, wie von überirdischer Gewalt Getroffen, stehn erstarrt und weigern ihm Den Zutritt; fluchend rennt er weiter, den Verfolger immer dicht auf seinen Fersen; Die beiden Heere aber lassen von Einander ab und schauen regungslos Das ungeheure Schauspiel an! Ja, wenn Berdoa, er, den nichts entsetzen konnte, Verzagt und hülfeschreiend durchs Gefilde fliehet, das muß freilich wohl Ein ungeheures Schauspiel sein! Geschrei hinter der Szene. Horch! horch! Welch ein Geschrei! Fürwahr! da sind sie schon! Das ist Berdoas Angstgeschrei! – Sieh, sieh! Dort stürzt er her, am Haupte blutend wie Ein angeschoßnes Wild, und Gothland stürmt Mit lautem Jagdruf hintendrein! Komm! Laß sie vorübereilen! Wer einem von den beiden in Den Weg zu treten wagte, Dem möcht das Beten nicht mehr helfen! Sie ziehen sich in den Hintergrund. mit bebenden Knieen, schwerverwundeter Stirn und blutigem Haupthaar, stürzt von der Rechten zur Linken über die Szene. Weh! Weh! der Atem geht mir aus! Ich kann nicht mehr! Schon strickt Das Netz des Todes sich um meine Füße! – O wäre ich doch nie aus Afrika Hieher gekommen! Hätte ich den Furchtbaren, Der mich verfolgt, doch nie gereizt! Um Gattin, Brüder, Vater hab ich ihn Betrogen – Wehe, Wehe, Weh mir, wenn Ich ihm zur Rede stehn muß! Indem Gothland rechterhand auftritt. Hu! da ist er! Er flieht davon. mit der Lanze in der Hand ihn verfolgend. Hohussa! Negerjagd! Schwarzwildbretjagd! Schwarzwildbret-Neger-Neger-Jagd! Ab. Die beiden finnischen Hauptleute treten wieder vor. Welch gräßliches Ereignis! Eiskalte Schauder fahren durch Mein zitterndes Gebein! Weh! Sieh! Die Bergwand hemmt Berdoas Flucht! Er muß umkehren und Von selber seinem Feinde in Die Hände laufen – Da! jetzt wird er Ergriffen – Nein! ein mächtger Seitensprung Errettet ihn! Fort, fort von hier! Sie kommen Zurück! Weichen schnell auf die Seite. in entgegengesetzter Richtung als vorher über den Schauplatz stürzend. O unermeßne, unermeßne Angst! Die ganze Welt läßt mich im Stiche, und Der mordbegierge Schwede stürmt Mir unermüdlich nach! – O fände ich Doch etwas auf, womit ich seinen Schritt Verzögern könnte! auftretend und zu Berdoa eilend. Du! Berdoa! Was läufst du so? – Ich war Bei Milchen und vernahm verworrnen Lärm – Ich bitte dich, was fällt hier vor? Heidi! Da finde ich ja, was ich eben suche! Bist du verrückt? Laß meinen Rock los! Ha! So wie Medea, übern Pontus fliehend, In riesenhafter Angst den Bruder würgte Und ihn, um dadurch den Ergrimmten Vater aufzuhalten, Zerstückt auf ihrer Spur Aussäte, So würg ich diesen da und werf ihn frisch- Ermordet seinem Vater in den Weg! Berdoa! bist du toll? Berdoa! ich Bin ja dein Freund! dein Freund! Das tut nichts! Du Bist Gothlands Sohn! Zu Hülfe! Hülfe! Vater, Vater, Der Neger bringt mich um! Zu Hülfe! Hül – Stirb! Er erwürgt ihn, wirft ihn auf die Erde und eilt weiter. kommt im wildesten Nachsetzen. Hohussah! Negerjagd! Schwarzwildbretjagd! Schwarzwildbret-, Neger-, Neger- – Er stößt auf die Leiche seines Sohns; von Entsetzen überwältigt, fängt er an zu schwanken und kann sich kaum aufrecht erhalten. Hu! mein – Sohn! – – Erwürgt! – Der arme, arme Junge! – Böse Gesellschaft hatte ihn mißleitet, Doch solchen schweren, qualenreichen Tod Verdiente er deswegen nicht! – – Der arme Knabe! Wie ihm die Brust zerschmettert ist! Wie ihm Die Finger bluten! Sich wütend zusammenraffend. Mord und Pein! Der Neger ists, der ihn, um mich In meinem Rachelauf zu unterbrechen, Erschlagen und mir in Den Weg geworfen hat! – Ha, schrecklich Verrechnete der schwarze Satan sich dabei! Er dachte, daß ich jammernd auf Der Leiche liegen bleiben und Den Grimm vor Schmerz vergessen würde! – Just Als ob ich noch des Schmerzes fähig wäre! – Und so verdoppelt meines Sohns Ermordung Statt meines Schmerzes meine Rachsucht, und anstatt Mich festzubannen und zu lähmen, treibt Sie mich empor, noch rasender Und hurtger als bisher den Mörder zu Verfolgen! Ab. Stille von einigen Augenblicken. Dann hört man den Berdoa weheschreien und eine kurze Weile nachher schleppt ihn Gothland bei den Haaren des Hinterhaupts auf die Szene. wimmert; das Blut aus seiner Stirnwunde strömt ihm über das Gesicht. Gnade! Gnade! Gnade! Laß das Geheul! Es hilft dir nichts! Ich habe dich und lasse dich nicht los! – Komm! Hier! – Hier, an der Leiche meines Sohns Sollst du mir Rechenschaft ablegen! O! Geraubt hast du mir alles, was ich liebte; Zum Brudermörder hast du mich gemacht; Mein Kind, das einst so hold war und so gut, Hast du an Leib und Seel verderbt; Den goldnen Frieden meines Inneren, Die Ehre und den Ruhm, die zeitliche Und ewge Wohlfahrt hast du mir Vernichtet, – niemals, niemals werde ich Mich glücklich fühlen können – Gib Mir meinen Bruder, gib Mir meine Unschuld wieder! Gib meinen Sohn und gib mit ihm zugleich Mein teures Weib mir wieder! Meinen Ruhm Und meine Ehre, meine Freuden, meine Himmel, mein Bewußtsein gib Mir wieder! wieder! wieder! Hätten mich doch Die durstgen Panther der Sahara Zerfleischt! Es wäre besser Gewesen, als wie Diesem in die Hand Zu fallen! Zwar ists läppisch und Vergeblich, wenn man das Verlorene Betrauert und ich bin der Narr nicht, der Es tut; vielmehr ist es – – ist es mir ziemlich Gleichgültig, daß ich Bruder, Weib und Kind Verloren habe, aber weil ich Sie an dir rächen will, so soll mir ihr Verlust höchst wichtig, über alles wichtig sein, Drum fodr ich dich noch einmal auf, Ihn wild schüttelnd. Gib sie mir wieder! wieder! wieder! wieder! Ich Vermags nicht! ich vermags nicht! Vermagst Du's nicht? Nun, so bereite dich, Die fürchterlichste Strafe zu Empfangen! Gnade! Gnade! Meine Gnade ist Der Mord! – Komm! ich weiß hier in Der Nähe eine düstre, grausenvolle Höhle; Versteckt und einsam liegt sie in den Irr- Gewinden jenes Tals; von keinem Fuß Wird sie betreten, und ununterbrochen ists In ihren Räumen stille wie im Grab! Dort Sind wir allein! Berdoa schaudert. Dort will ich dich morden! Ich fleh um nichts, als um 'nen kurzen Tod! 'Nen kurzen Tod! Den schlage ich dir ab! Ihn mit starren unerbittlichen Blicken betrachtend. An deinem ganzen Körper sehe ich Kein einzges Glied, das mich nicht schwer Beleidigt hätte; schmeichle dir nicht, daß Du eher stirbst als bis ein jegliches Die Schuld gebüßt hat, welche es an mir verbrochen! Herr Gott! Ihr wollt mich doch nicht Glied vor Glied – Was du verdient hast, das will ich dir tun! Mit deinen Augen hast du mich verlacht, Mit deiner Zunge hast du meinen Sohn Verführt, mit deinen Füßen hast Du mich gestoßen, – darum klag nicht, wenn Ich dir die Augen, welche mich verlachten, Ausreiße, wenn ich dir die Zunge, welche – Unmenschlich! Unmenschlich! Gothland will mir die Augen Ausreißen! Gothland will Mir meine Augen ausreißen! O meine Augen! meine Augen! meine Augen! Fort, Daß ich dich Buße lehre! Er schleppt ihn mit sich hinweg. mit Soldaten auftretend. Der König hat Den Neger glücklich überwältigt, – unsre Schlacht Kann sich erneun! mit Soldaten auftretend. Arboga, haltet! Ich Verlange eine Unterredung! Machs kurz! Seht, Das weite Kiölgebirge blitzt von Waffen! Der vorge Schwedenkönig Olaf steigt Mit großer Heeresmacht an ihm herunter! Statt Daß wir uns hier bekämpfen und uns schwächen, Wärs rätlicher, daß wir uns gegen ihn Als den gemeinschaftlichen Feind Vereinten, und hernach erst, wenn wir ihn Bezwungen, an die eigne Streitigkeit Gedächten! Darauf laß ich mich nicht ein! Der König Gothland trug mir auf Die Finnen auszurotten, und so lange dies Noch nicht getan ist, hab Ich mich um alles andre nicht zu kümmern. Was? Seid Ihr ein Narr? So pünktlich Befolgt Ihr die Befehle dessen, Der Euch verraten hat? Wer Hat mich verraten? Euer König Gothland. Wie? Hier Steht einer von den Hauptleuten, mit denen Berdoa ihn in seinem Zelt umzingelt hielt – Zu dem Hauptmann. Sprich, Was sagte Gothland, als er sich von euch Gefangen sah? Als wir ihn Bluthund schalten Und ihm vorwarfen, daß er Die Finnen habe ausrotten wollen, Da stellte er sich überrascht Und rief: »Abscheulich, Hat etwa der schwarzgallige Arboga Die böse Laune gehabt? Er hat oft mörderische Träume; Dann steht er auf, und schlägt, indem Er nachtwandelt, die Völker tot! Ich will Ihn euch ausliefern! Spießt ihn! Ich Will euch die Mittel angeben, womit Ihr ihn in eure Hände lockt!« Das Ist nicht sein Ernst gewesen! Nicht Sein Ernst? – Ich glaube, daß er Euch, Wenns unser Wunsch gewesen wäre, In heißem Öle hätte sieden lassen! »Ich will ihn euch ausliefern!« »Spießt ihn!« »Ich Will euch die Mittel angeben, womit Ihr ihn in eure Hände lockt! – – Ha, ist Das alles wahr, so möge ihn – Doch still! Das Schwert auf dem Boden hin und her wetzend. Nur Sehr selten bringt mich etwas aus Der Fassung, – aber wenn ein Kerl, für den Ich zwanzigtausend beßre Kerle tot- Geschlagen habe – – Doch still! Zu dem Finnenhauptmann. Ich weiß Ihr Finnen laßt euch lieber niedermetzeln Als einen falschen Eid zu schwören – Kannst Du deine Aussage mit einem Schwur Erhärten? Ja, das kann ich. Nun so komm Und schwör! Und dann – Und dann? Dann schwöre ich, daß Gothland die Verräterei, die er an mir beging, Verfluchen soll! Alle ab. Der König Olaf und der Graf Holm, an der Spitze ihrer Heere, treten auf. Die Finnen und die schwedischen Rebellen Ersparen uns den halben Kampf, – Im mörderischen Handgemeng begriffen, Vertilgen sie sich selbst! Ein Gott Hält sie geblendet! Nur noch wen'ge Stunden, und Der väterliche Thron ist wieder Euer! Dann Ist also alles, alles überstanden! – – Ich fühl mich tief und wunderbar bewegt: Die Brust klopft mir vor Freude und vor Schmerz! Auch ich fühl mich aufs innigste gerührt! – Pause. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne brechen durch die Morgennebel. Wie herrlich und wie friedlich dort Die Sonne aufgeht! Goldner Morgenglanz Verklärt die taubesäeten Gefilde! – – Ist heute nicht der erste Mai? Ja, wie Ein heitres Lächeln schimmert er um Erd Und Himmel! Ich konnte diesem Lande An keinem schöneren, bedeutungsvollern Tage Wiederkehren! Sieh! der Schnee Am fernen Hochgebirge ist zerronnen, und Des Jahres erste Schwäne wiegen Sich voller Wonne in der Frühlingsluft, – Allüberall, in dunklen Schluchten und Auf frischbegrünten Hügeln, sprudeln eis- Befreite Quellen, schallen Stimmen der Erwachten Flur, – der Buchenwald Hat schon sein junges dichtgedrängtes Laub Entfaltet, – Vogelschlag und Waldbachsrauschen Enttönen seinem Innern, – tausendsäulig, Mit seiner Blätterpracht sich selbst Umschattend, steht er da, ein Frühlingsschloß, Und über ihm und all Den Hügeln, Fluren und Gebirgen ringsumher, Ruht wie 'ne duftge blaue Blumenglocke Das unermeßliche Gewölb des Himmels! – tritt auf. He, Was steht ihr da und schwatzt? Schnell, vorwärts! vorwärts! Laut rufend. Und dem, der meines Sohnes Haupt Mir vorzeigt, oder mir zuerst Die Nachricht bringt, daß er erschlagen ist, Dem will ich alle meine Habe schenken Und ihn an Kindesstatt annehmen! Graukopf, Sag nicht zuviel! Ich fürchte, daß du es Bereuen wirst! Ich werd es nimmermehr Bereuen! – Vorwärts! kommandierend. Rücket vor! Alle ab. 6. Szene Letzte Szene Eine andere Gegend in der Nähe des Schlachtfeldes. tritt auf. Der Neger wird mich nicht mehr auslachen! Eben Hat er verröchelt! – Ja, und nun? Was soll Ich nun tun? – Eigentlich sollt ich nun gegen Den König Olaf, der mit großer Heeresmacht Mir nach dem Leben trachtet, mich verteidigen, Er gähnt. aber Das ist mir einerlei. – – Ja ja, Die Rache an dem Neger war Das letzte, was mich auf der Welt Noch interessierte; Jetzt, da ich sie befriedigt habe, wüßt Ich nichts mehr, Was mich noch reizen könnte. – Sogar des jetzgen Daseins bin Ich überdrüssig; doch daß ich deshalb Mich selbst entleiben sollte, dazu ist Der Tod mir ebenfalls zu gleichgültig. – Er steht eine Zeitlang nachlässig da; dann lehnt er sich auf den Stamm einer abgehauenen Eiche und blickt in die Gegend. Sieh, Die gelbe Morgensonne ist emporgestiegen Und saugt die Dünste der Morastgen Wiesen und der Sümpfe in Die Höhe. – Auch beginnt der Frühling Sich überall zu zeigen: Regenwürmer, Die seiner lauen Witterung Sich freuen wollen, kriechen aus der Erde, Und südlich an dem Horizonte kommen Die Schwäne und die wilden Gänse lärmend Ins Nordland heimgeflogen. Es scheint Daß wir 'nen schönen Sommer – Er gähnt. Ich bin doch Recht müd und schläfrig. – Einstens, als Ich noch ein Jüngling war, da – da – Er schläft ein. tritt auf. Wo werd Ich ihn denn finden? Ha, da liegt er schlafend! Indem er ihn schüttelt. He! Gothland! Gothland! aufwachend. Was begehrst du? Hast Du diese Nacht, als dich Berdoa In deinem Zelt umzingelt hatte, Mich an die Finnen überliefern, Mich spießen lassen wollen? sich den Schlaf aus den Augen reibend. Ich Entsinne mich, daß ich dergleichen sprach. Ei! Du sprachst dergleichen! – Und wenn es Die Finnen angenommen hätten, So hättest du es wahrscheinlich nicht bloß Gesprochen, sondern auch vollführt? gähnend. Vielleicht auch das. in Wut. Vielleicht auch das! Du frecher Hund, das sagst Du mir ins Angesicht? Nun, so krepier Ins Teufels Namen! Er jagt ihm den Degen durch den Leib. an den Boden stürzend, dem Arboga zuschreiend. Narr! du meinst Doch nicht, daß du mit diesem Degenstich Mich ärgerst? Hohoho! Da irrst du sehr! Ich frage nichts Nach Leben oder Tod! Laut hohnlachend. Nichts, nichts Frag ich nach Leben oder Tod! Mit brechender, ersterbender Stimme. Und – und Die Hölle? O, die ist zum – wenigsten Was Neues, – und ich – wette: Auch an die Hölle kann man sich gewöhnen! Er zuckt mit seinem ganzen Körper noch einigemal krampfhaft zusammen und stirbt. sich über ihn bückend und seine Stirne betastend, wieder völlig ruhig geworden. Die Stirne ist ihm kalt, – er ist verschieden. Geht ab. Kurze Pause. Dann großes Getöse; gleich darauf stäuben die Finnen und die Überreste von Arbogas Regimentern in der zügellosesten, unaufhaltsamsten Flucht über die Bühne. Die Trompeten der Verfolger schallen immer näher und lauter zwischen den Tumult hindurch. Usbek, viele Feldherrn und Hauptleute, ebenso flüchtig wie die übrigen, stürzen herein. Fort, fort! Der Ostseeküste zu! Der Ostseeküste zu! Weh, Wehe! Der Ruin des Finnenheeres und der Fall Der finnischen Nation ist da! Ein Feigling, der das überlebt! Er stürzt sich in sein Schwert; mehrere folgen seinem Beispiele. Die Feldherrn Stürzen sich in ihre Schwerter, und Verlassen uns in unsrer Not! Flieht, flieht! der Ostseeküste zu! Der Ostseeküste zu! Alle ab. Pause. Unter Triumphmusik und wehenden Fahnen kommen der König Olaf und der Graf Holm, von ihren norwegischen, russischen und deutschen Heeren begleitet. Der Sieg ist unser und vernichtet sind Die Feinde! Preis und Dank Dem Lenker der Geschicke! auf Gothland deutend. Seht Ihr dort Den weißgelockten Toten liegen? hinblickend und erschüttert sich wegwendend. Still von ihm! Wir können ihn nicht lieben – So wollen wir ihn zu vergessen suchen! Ein Hauptmann und mehrere Soldaten, die den gefangnen Arboga in der Mitte führen, treten auf. Hier bringen wir den Grafen von Arboga; Er schien sich wenig draus zu machen, daß Wir ihn gefangennahmen. Graf, Ihr wart der pflichtvergessenste Verräter Eures Königs – Wisset Ihr, womit Ein solcher Hochverrat gebüßt wird? Mit Dem Rade. Niemals soll man von mir sagen, Ich sei grausam gewesen – Euer Leben kann Ich Euch nicht schenken, aber Eure Strafe Kann ich zur Hälfte Euch erlassen – Zu einigen Soldaten. Geht Und schlagt den Kopf ihm ab! Meintwegen! Er wird abgeführt. tritt auf. Nun? Habt Ihr den verruchten Buben, den ich mir Zur Schmach erzeugte, endlich ein- Gefangen und erschlagen? Oder Ist er schon wiederum entwischt? führt ihn zu der Leiche. Er ist Erschlagen! Dank dir für Die Nachricht! Während er den Leichnam betrachtet wird er immer bewegter; er will das »Dank dir für die Nachricht!« noch einmal wiederholen, aber seine Stimme fängt an zu zittern und zu stammeln; endlich mit unwiderstehlich hervorbrechendem grenzenlosen Schmerze. Dank dir? Dank! Nein! Fluch, zehntausendfacher Fluch Auf dich, daß du mir sagtest, daß mein Sohn Erschlagen sei, und Fluch auf mich, daß ichs Dir dankte! Weh! Jetzt kommt es, wie ich es gefürchtet! über der Leiche liegend. O Ich grauer Tor! ich grauer Tor! Zu wähnen, Der Tod des Sohnes sei mein Glück! Zu glauben, Daß sich die menschliche Natur, daß sich Die Liebe, die ein Vater für sein Kind hegt, Auf ewge Zeit vertilgen ließen! O, um So länger du die reinen, menschlichen Gefühle niederringst, Um so gewaltger richten sie hernach, Wenn ihre Stunde schlägt, sich wieder auf! Herzog, ich bitte Euch – bedenkt, vergesset – – Gott, Er hört mich nicht! Ha, Wo ist mein Schild und meine Lanze? – – Das Haus der Gothlands stürzt zusammen und Hört auf zu sein – zerbrochen sei sein Schild, zu Stücken Sei seine Lanze, Sich den Helm abreißend. Federbusch Und Wappen sei'n auf immerdar Von seinem Helm gerissen, – in Vergessenheit soll es versinken, – und Ich selber habe es vernichtet! Tröste dich; Das Haus der Gothlands ist unsterblich, Und als das glorreichste im ganzen Norden Wird es der Zeit zum Trotz in ewgen Liedern Ewig leben! Nun, Wenn das dein Ernst und nicht Bloß dein Geschwätz ist, so gebiet, Daß man den Nachkommen aus diesem Hause, Der leblos hier am Boden liegt, Würdig und feierlich bestatte! – Legt Zum Zeichen seines Heldentums Das Feldherrnschwert auf seinen Sarg, Senkt eure Fahnen, und zum Trauerzug Geordnet, mit umflorten Waffen, Begleite ihn das Heer! Ein stilles Grab An heiliger, geweihter Stätte – das Ist alles, was ich dir für ihn Gewähren kann! Hoho, Ich sehe wohl, wo das hinaus will, – Beiseit, dicht an der Kirchhofsmauer, wollt Ihr ihn bei Nacht und Nebel Wie einen Ehrlosen verscharren – Doch so – und kostet es mir auch das Leben! So laß ich ihn nicht schänden! – Zieht Die Degen und nehmt euch in Acht! Ich stehe in dem Blute meines Kindes Und es durchglühet mich mit Riesenstärke! Ihr, ihr habt es gemordet, ihr habt mich Gereizt, es mit euch in Gemeinschaft zu Verfolgen, ihr verweigert ihm Sein Grab – Mit dem Schwerte auf den König und die übrigen einhauend. ihr Sollt merken, was ein Vater ist, dem man Den Sohn erschlug! Halt! Weg mit Dem Schwerte! Zwing mich nicht, daß ich Dich mit Gewalt – Nein, Hier hilft nichts andres! Ergreifet und entwaffnet ihn! nach einem kurzen, aber heftigen Widerstande überwältigt. O, Ich habe keine Söhne mehr, Sonst dürftet ihr mir das nicht bieten! Sonst dürftet ihr mich nicht so frech auslachen! Wir lachen dich nicht aus – Wir stehen tieferschüttert da, Und trauern über dein unseliges Geschick! Ihr lachet, da das alte, fürstliche Geschlecht der Herzoge von Gothland, Der Glanz des Nordens und sein Ruhm, Zu Grunde geht? – Ihr lacht? Ihr lacht? – Ho, weinet! weinet! sag ich euch! Noch oft Du König! wirst du in den Schlachten Dich nach den Gothlands sehnen Mit unsäglichem Schmerze auf die Leiche stürzend. und Die Gothlands sind nicht mehr! – Alle blicken in stummer Rührung auf ihn hin. Der Vorhang fällt.