38. Spazir- oder Schäfer-Liedlein 1. In den angenehmen Auen / komm ich / Gottes Güt zuschauer / wann der Abend einher bricht. wann die Schäflein bey der Tränke / seinen Wundern ich nach denke / meine Lobes-Pflicht verricht. 2. Setz mich bey dem Bächlein nider / und betrachte hin und wider / meines Schöpffers Schaffungs-Kunst / in der Erden Blumen-bringen: die will mit dem Himmel ringen / ob ertheilter Gnaden-Gunst. 3. In dem kommet mir zu Ohren / so beliebt und auserkohren meiner Nachtigalle Schall; da die Tochter in den Lüfften macht erschallen aus den Klüfften: dir sey Preiß / O ewigs All? 4. Pfleg die lange Zeit zu kürzen / und die Einsamkeit zu würzen / mit der keuschen Bücher-Lust: jedes Blat / ist mir ein Flügel / und ein nachgelassner Zügel / zu der süssen Himmel Brust. 5. Laß die Schaf in Schatten stehen / pfleg dieweil auf sie zu sehen: denke dieser Hoheit nach / die ich künfftig werd besitzen / da mein' Ehren-Kron wird glitzen als die Sonne tausendfach. 6. Ob ich dieser Zeit schon habe nichts / als meinen Hirtenstabe: weiß ich doch ein Königreich inner dem Saphiren-Dache / und Demantinen Gemache / das ich sterbend' erbe gleich. 7. Lebe von der Schäflein Wolle / wünsche nichts / als was ich solle / bin in meiner Armut reich / und ein Königin bey Schaafen / kan ohn' Angst und Sorgen schlaffen / werd ob keinem Stürmen bleich. 8. Gottes Lob ist all mein dichten: alls pfleg' ich dahin zu richten / daß sein Name werd gepreist. In betrachtung seiner Wunder / leg' ich mich: und werde munder / daß er der noch mehr mir weist.