23. Auf die in den Sonneten gedachte zuruck gegangene Pfingst-Reise 1. Helle Flammina / mein Herzens- begehren! muß ich dich gänzlich- verhoffet entbähren? müssen so löbliche Lebens-Gedanken von dem erheblichen Tugend-Zweck wanken? 2. Solt nicht solch löblichs verlangen siegprangen? solt ich / mit Abschlag-beschämeten Wangen / lassen solch alte gewaltige Sitten? ist mir die Hoffnungs-Schnur gänzlich zerschnitten? 3. Dreifache Schnüre sonst selten zerreissen: aber mein Vnglück will alles zerschmeissen. Eine zu kurz ist / die andre zerschnitten / selber zerreiß' ich die dritt' in der mitten. 4. Leider! des leidigen Vngelücks Tücke / meine Lust / meinen Trost / treiben zu rücke / daß ich muß niessen die Feuer-Corallen / welche von meiner Flammina stäts fallen: 5. Muß den Herzbrechenden Kummer verschweigen / darff keinen Vnlust noch Traurigkeit zeigen; muß den Herzbrennend-und quälenden Schmerzen heimlich verbergen zu innerst im Herzen. 6. Diese Sach ligt mir unendlich in Sinnen / all meine Anschläg sich enden hierinnen. hab in dem Traume manch lieblich Gesichte / welches doch wachend wird wider zu nichte. 7. Meine Flammina läst sich in den Auen / gleichfalls als in den Pallästen / beschauen. Ihre Allgegenwart füllet die Erden / kan mir / mein Leben / auch überall werden. 8. Ihre Bestrahlung vor alles ich wähle / weil ihre Göttlichkeit ewig zur Stelle. Raubet man mir schon die sichtbaren Blicke: helle Vnsichtbarkeit mich nur erquicke! 9. Diese ungläublich-geglaubete Sachen / kan mir kein Menschen-Macht ruckstellig machen. Ob sie mit Hindernuß mich schon betrüben: niemand kan wehren das innerlich lieben. 10. Helle Flammina! du liebest die deinen / Ob sie die Feinde zu stürzen vermeinen; wann die Erdkräfften all stürmen zusammen / lästu mich sehen Geist-Strahlen und Flammen. 11. Glücklich O glücklich dieselbige Stunde / da du befeurest Herz / Zungen und Munde! laß mich die quickenden Lippen geniessen / daß sie mich süssest berühren und küssen!