22. Die verfolgte Tugend 1. Tugend pflegt ja sonst zu geben süsse Freud / (wie daß sie mir: Unruh ursacht für und für?) Seither sie mein ganzes Leben / seither sie ist meine Lust / ist nur Unlust mir bewust. 2. Ach du Himmel / voller Sterne! kanst du auch vertunkelt seyn? solte nicht dein heller Schein alle Wolken jagen ferne? ja / der Donner scheut sich nicht / sie zu treffen ins Gesicht. 3. Wie auf edle Adler stechen / alle Vögel / doch umsonst: So versucht die Misvergunst ihre Pfeil' auch abzubrechen / an der Tugend / mit viel Schmerz: doch geht er ihr selbst ins Herz. 4. Tugend ist ein Regenbogen / Ehren-bunter Himmelzeug; doch auch gäher Regenß-Steig der bald drauf komt hergezogen. Ihr beglückter Sonnen Glanz / wird offt schier verdunckelt ganz. 5. Nun sie sey auch / wie sie wolle: einmal hab' ich sie erkiest. Mein Schluß unzerbrüchlich ist / ewig treu er bleiben solle. Um sie dult ichs allzumal / Donner / Regen / Blitz und Strahl. 6. Trutz des Wetters ungeheur / trutz der stürmen-vollen See / trutz des Winters Eis und Schnee / trutz den Strahlen / trutz dem Feur / trutz / was Tugend hindern will! wann Gott will / wird alles still.