Ein Adler 1809. An dem Mal des Helden schleichen Siebzig Jahre träg vorbei; Wecken könnt' ihn von den Leichen Solch ein Wonnemond von Mai, Dessen goldne Morgenröthen Städtebrand und Waffenblitz, Eingesungen, statt von Flöten, Von Trompeten und Geschütz! Zu Schönbrunn in laub'gen Hallen Geht des Korseneilands Sohn; Lauscht sein Ohr den Nachtigallen, Dröhnt es doch von Schlachtenton; In das Knopfloch eine Rose Pflückt die schicksalschwere Hand, Leise schwebt sein Fuß im Moose, Wenn er stampft, erbebt das Land. Zu den Zwingern fremder Thiere Lenkt der Kaiser jetzt den Tritt, Plötzlich vor dem Steinquartiere Eines Adlers stockt sein Schritt; Auf dem Block im Eisenringe Zittert ein uralter Aar, Blöden Aug's, gebrochner Schwinge, Der einst Fürst der Lüfte war! Bild des Jammers ohne Gleichen Solch geknickter Wolkensohn! Sicher, selbst als Bild und Zeichen, Sei die Majestät vor Hohn! Und der Kaiser ruft den Wärter: »Alter, laß den Vogel frei!« Seine Züge wurden härter: »Oder send' ihm ein Stück Blei!« »Möge Gott den Sinn Euch lenken!« Sprach der Alte warm und weich; »Schont dieß theure Angedenken, Heilig Sinnbild ist's zugleich; Dieses Thier im Eisenrahmen Hielt ein Held gar lieb und gut, Prinz Eugen, – Ihr kennt den Namen?« Frankreichs Kaiser rückt den Hut. »Aber seit sein Herr gestorben, Ist ein schön'rer Wappenaar, Diesem Vogel gleich, verdorben Zum Geripp, der Schwungkraft baar, Dem der edle Schmuck des Flaumes Stück für Stück abfällt vom Leib, Wie das welke Blatt des Baumes, Rauher Winde Zeitvertreib. Habsburgs Fahnen sah man wandern, Federn gleich, am Po, am Rhein, In Sicilien und in Flandern, Flattern fort von Belgrads Stein, Bis in Schlesiens reichem Garten Jene schönste Schwinge sank; Traun, auch Oesterreichs Standarten Sind an bösen Mausern krank. Als mein Aar im Belvedere Speise nahm aus Eugens Hand, Ragte, wie bewußt der Ehre, Sonnenwärts sein Haupt gewandt; Schatten warf sein Fittig mächtig, Wie ein Königsbaldachin, Und das Auge flammenprächtig Glomm, ein rollender Rubin. Wie ihr krankes Kind die Mutter Pfleg' ich ihn, doch ohne Trost; Den gestärkt einst Eugens Futter, Lähmt jetzt meines Kaisers Kost!« – – »Alter, wahrlich, an dem Brocken Liegt es nicht, doch an der Hand!« Nickend sprach's der Korse trocken, Schritt ins Dickicht und verschwand. – – Eines Tags der Aar im Gitter Schlägt mit Macht sein Flügelpaar; Grüßt am Himmel das Gewitter Jungen Muths der greise Aar? Asperns Donner sind's! sie klingen Bis in seinen Kerkerraum; Eines andern Adlers Schwingen Jetzt entsank der erste Flaum.