»Zur schönen Wirthin« Ein goldner Adler hängt heraus, Doch nennt man nicht nach ihm das Haus; Wer dächte noch ans Außenschild, Wenn drin solch lieblich Frauenbild? »Zur schönen Wirthin« heißt das Haus, Manch schmucker Gast ging ein und aus Das Auge trank mehr als der Mund, Er schlich davon, im Herzen wund. Noch kannt' ich Wirthin nicht und Haus; Doch sprach man nur den Namen aus, Da klang mir wie Musik die Luft, Da sog ich Rebenblüthenduft. Ich sah's im Geist, ihr holdes Bild Macht Wides sanft und Rauhes mild, Der Becherprall, der Zechersang Ward Finkenschlag und Harfenklang. Einst trat ich selbst in das Gelaß, Ein Mütterlein am Rocken saß; »Wo ist die schöne Wirthin, wo?« In Wehmut sprach's: »Ich hieß einst so.« Am Fenstersims ein Rosenpaar Das sagte mir, wie einst es war; Ein Kranz, der welk am Spiegel hing, Erzählte still, wie's weiter ging. Nach Jahren wieder trat ich ein: »Wo mag die schöne Wirthin sein?« Vierschrötig hob vom Schanktisch sich Ein feister Kerl: »Das bin jetzt ich.« Als er das Haupt mich schütteln sah, Hinaus durchs Fenster wies er da, Dorthin wo viele Kreuze stehn Und hohe Gräser drüber wehn. Die Zeit verstrich. Verfall und Graus, Gar wildes Volk zog seit durchs Haus; Der Name blieb, denn Mensch und Flur Behüten treu der Schönheit Spur. »Zur schönen Wirthin« heißt das Haus, Doch sprichst du heut den Namen aus, Umschwebt ein Hauch den wüsten Ort So fromm, als stünd' ein Kirchlein dort. Das ist kein Rebenblüthenduft, Das zieht wie Weihrauch durch die Luft, Zur Orgel ward der Rundgesang, Zum Glockenschall der Becherklang; Das klingt dir wie Musik ins Ohr, Und auferweckt zum Maienflor Beginnen aus des Angers Grün Verwelkte Rosen aufzublühn. Dein leiblich Aug' sah sie noch nie, Jetzt siehst du zwischen Rosen sie, Ein Frauenbildniß wunderbar, Nur schöner noch, als je sie war.