2. Und wieder Ostern war es einst, und wieder Sah Christus von des Oelbergs Höhn zu Thal; Auf alle Fluren sank der Lenz schon nieder, Nur hier blieb Alles wüst und grau und kahl. Gleich wie die Schwalbe wohl die Brandesstelle Des einst so schönen Hauses bang umschwebt Und doch, ob mitverbrannt auch ihre Zelle, Das neue Nestchen an die Trümmer klebt; So wagte mählich an die Trümmerreste Der Mensch sich wieder hier, und ins Gestein Baut' er sich Hütten, Häuser und Paläste, Bis er es wachsend sah zur Stadt gedeihn. Und wie manch Samenkorn, manch Stäubchen Erde Der Wind aufs öde Brandgemäuer weht, Daß aus der Todesasche Leben werde, Wenn Moos und Strauch darüber grünend steht; So wollte hier der Mensch zum Gärtlein schmücken Mit Erde reich'rer Fluren diesen Sand Und trug ein Stücklein Lenzes auf dem Rücken Ins öde Thal, daraus ihn Gott verbannt. Wenn Einer wallt am Kirchhof durch der Brüder Zerfallne Leichen, Stein vorbei zu Stein, Kalt rieselt der Gedank' ums Haupt ihm nieder: Staub war'st du einst, Staub wirst du wieder sein! Wenn diese Stadt ihr Auge wollte lenken Auf Schutt und Trümmer rings, draus ihr Entstehn, Sie müßte auch wie jener Wandrer denken: Du wardst aus Trümmern, wirst in Trümmer gehn! Sie denkt es nicht! Denn, horch! von ihren Zinnen Schallt freudighell der Glocken voller Klang. Wer fröhlich singt, mag nicht des Sterbens sinnen, Und Glocken sind der Städte Lied und Sang. Dort um den Dom aus grauem Felsgesteine, Drin in den Hallen, draußen im Gefild Schaart sich in Helm und Panzer die Gemeine Kampfrüst'ger, eh'rner Männer, rauh und wild. Wie all' die Speer' aufs Marmorpflaster klirren! Wie muthig draußen wiehert Pferd an Pferd! Und Panzer glänzen, farb'ge Banner schwirren, An jeder Lende hängt ein rasselnd Schwert. Ha, liegen sie im Krieg mit ihrem Gotte, Daß sie in Erz umlagern rings sein Haus? Ha, will den Himmel stürmen gar die Rotte, Daß sie zum Tempel zieht gewaffnet aus? Doch nein! Wie sie in Demut plötzlich nieder Beim Orgelklang auf ihre Knie saust! Es beugt das Haupt sich und die stolzen Glieder, Und reuig schlägt ans Herz die Eisenfaust. Das Christuskreuz, das heil'ge, seh' ich ragen Hoch von des Domes Kuppeln, licht und frei, Die Männer auch es All' am Busen tragen: O daß auch er ein Dom des Gottes sei! Sie hefteten in Farben aller Arten Das Kreuz auf ihre Kriegesmäntel sich, Wie wandelnde, lebend'ge Kreuzstandarten, Zur Huldigung gesenkt jetzt feierlich. Wie am Altar, wo tausend Ampeln flimmern, Der Priester jetzt das Brod des Opfers bricht, Seh' roth von Blut ich seine Hände schimmern, Und traun, mich dünkt's, von Christi Blut ist's nicht! Wie er beim Sanctus schlug der Brust entgegen, Da klang ein Panzer unter'm Meßgewand, Und statt des Weihbrunnsprengels dann beim Segen Schwang fast sein Schwert er, das daneben stand. Zunächst am Altar, andachtsvoll geneiget, Im sammtnen Betstuhl kniet ein Mann allein, Vor Allen schön, selbst schön, aufs Knie gebeuget, Fürwahr, noch schöner müßt' er aufrecht sein! Des Mann's Gebet gleicht seinen heim'schen Eichen, Die, stolz sonst fühlend ihres Marks Gewalt, In Demut doch die Wipfel niederstreichen, Wenn Sturm, die Orgel Gottes, drüber hallt: »Vollbracht ist's! – Ach, wie alles Menschenstreben! Kein Stein, drum nicht schon kämpfte Menschenwuth, Kein Strauch, an dem nicht Menschenthränen kleben, Kein Stäubchen Land, an dem nicht Menschenblut! Wir knien jetzt an dem Grab, auf das in Thränen Die Christenheit längst hielt den Blick gebannt, So wie die Sonnenblume, die mit Sehnen Gen Aufgang hält das Angesicht gewandt. Aus Blumen aller Zonen reich gewunden, Ein Todtenkranz, sich senkend auf dein Grab, So sind die Lande all' in uns verbunden, Sich beugend, Herr, zu deiner Gruft hinab. Das Kreuz, in dieses Thal einst starrend nieder, Der Schande, Schmach und Unthat blut'ger Pfahl, Auf Golgatha erhöhten jetzt wir's wieder, Glanzvoll und hoch, des Sieges herrlich Mal! Von aller Kön'ge Kronen, allen Fahnen, In alles Land, von allen Bergen dar, Auf allen Masten, allen Ozeanen Strahlt glorreich jetzt, was einst ein Galgen war! Sein Zeichen muß jetzt Heldenpanzer schmücken, Auf Domen flammen, hoch in Glanz und Pracht, Als schönster Schmuck am Frauenbusen nicken Und siegreich rauschen im Panier der Schlacht! Als wir erhöht dein Mal in jenen Räumen, Erhöhten, ach, wir selbst uns nebenbei, Wie Priester, wenn sie Kön'ge salben, träumen, Daß ihrer Huld Geschenk die Krone sei. Sie brachten mir den Purpur, mich zu kleiden! Nicht färbte roth die Schnecke Sidons ihn; Ob dreifach auch getaucht ins Blut der Heiden, Doch bleicht er grau einst, wie dieß Thal, dahin. Sie kränzten mich mit blankem Kronenbande! Ob dreifach auch durchglüht sein goldnes Laub In jener Städt' und Hütten rothem Brande, Doch fällt, wie dieser Schutt, sie einst zu Staub. Nur Eine Krone wird hier ewig glänzen Und ewig leuchten über'm Thale hier: Sie ward geflochten einst aus Dornenkränzen! Weh, daß die Kron' ich trage neben ihr! Wohl hat kein Echo Gott dem Thal gegeben, Daß Psalm und Glocke lautlos uns verklingt! Des Opfers Rauch will nicht zum Himmel schweben; Wie kommt's, daß kriechend er am Boden ringt? Ha, seh' ich die Gemeine, die zum Feste Statt grüner Palmen blut'ge Schwerter trug, Da ahn' ich hier auch Kains Opferreste, Der seinen Bruder argen Grimms erschlug. Da ahn' ichs, rings von allen Stirnen grelle Muß auch des Brudermörders Blutmal schrein! Ach, wär' ich jener Pilger an der Schwelle Und trüg' ein Herz, wie er, so still und rein! Wer trug ihn über die Gebirgesheere? Wer reicht' an Schwindelstegen ihm die Hand? Wer lehrt' ihn schwimmen durch die weiten Meere? Der hohe Glaube war's, der ihn gesandt! Und sänk' er in dem Meer, es trüg' die Welle Doch seine Leiche an den heil'gen Strand! Und stürb' im Wandern er, sein Antlitz helle Hielt ihm der Glaube, liebend, hingewandt! Sein Pilgerstab vernahm kein Menschenröcheln, Es trank kein Blut sein härener Talar; Wie Fittige die heiße Stirn umfächeln, So weht ihm linden Trost der Glaube dar. O daß mir keine Kron' am Haupte glühte, Gleich ihm nur Muschelschalen an dem Hut! Leer sind die Muscheln, da ihm im Gemüthe Tiefinnen hell des Glaubens Perle ruht. O läg' mein Haupt, wie sein's, am Schwellensteine, In lichte Träume sterbend eingewiegt! Die bleiche Lilie sinkt im Erdenhaine, Der Glaube zu den Himmelssternen fliegt.«