4. Und wieder sah der Herr vom Oelberg nieder; Ein Ostermorgen glänzt aufs Thalgefild! Ihn grüßen keine Glocken, keine Lieder, In Lüften nur wehn Festesschauer mild. Noch strahlt der Halbmond von den Zinnen allen, Fest wie ein Aetherbild, siegreich und klar; Doch auch das Kreuz am Grab ist nicht zerfallen, Und nicht gewichen seiner Mönche Schaar. Doch nimmer treue Doggen sinds, umkreisend Als Wächter ihres Herren Leichenstein; Schakale nur, die Zähn' einander weisend, Sich würgend um ein Grab und Todtenbein. Zersplittert in des Wahnes Sekten, fachten Statt Friedenslampen Hassesgluth sie an; Nie fochten Kreuz und Mond so blut'ge Schlachten, Als hier der braun' und graue Kuttenmann! Altar und Kanzel werden Schanz' und Vesten, Feldlager ist der Dom, drin kampferglüht Roms Mönch im Norden steht, der Kopt' im Westen, Der Griech' im Ost, Armenier im Süd. Des Pascha drohend Antlitz muß es wahren, Daß nicht ihr Blut besudle den Altar: Gebietend hält der Stock des Janitscharen In Eintracht hier der Friedenslehrer Schaar. Dort in dem Klostergarten, rings umfangen Von breiten Mauern, wie von Schanzen wohl, Als ob vor eines Feindes Sturm sie bangen, Berennend ihre Rosen, ihren Kohl; Dort liegt ein greiser Mönch auf seinen Knieen, Mit weißem Bart, vom Morgenwind umweht, Und zwischen Rosen, die vor Andacht glühen, Wetteifernd sprießt gen Himmel sein Gebet: »Schön seid ihr, der Provence grüne Thale, Mein Heimatland, mir oft im Traum gegrüßt, In das, gleichwie in eine goldne Schale, Der Reben Born von sonn'gen Hügeln fließt; Auf das des Oelbaums grüne Wälderkrone Sich wie ein Kranz des ew'gen Friedens legt; An dessen Herzen laut in hellem Tone Der volle Pulsschlag frischer Quellen schlägt! Ihr Haine von Orangen und Granaten, Du grüne Trift, du farbig Blumenried! Du endlos Gartenland, voll reicher Saaten, Du wonnig Erbreich von Musik und Lied! Doch schöner sind, o Zion, deine Thale, Ein Hymnus aus Gestein, der schweigend klingt, Wo schwebend über Schutt und Trauermale Der Todesengel Hallelujah singt! Ja, schöner ist dein fahl Gefild, zertreten Vom Tritte der Geschlechter, die's durchwühlt, Stumm wie die Lippen des Anachoreten, Durch deren Ernst kein leises Lächeln spielt. Ja, schön bist du, wie einer Mutter Leiche, Ans Herz das Kreuz geschmiegt noch goldesklar! Noch strahlt ein Ahnen durchs Gesicht, das bleiche, Daß einst ihr Schooß der Welt Geschick gebar! Und freudig soll mein morsch Gebein versinken Einst in dein graues Leichentuch, o Thal, Säh' nur mein brechend Auge wieder blinken Von allen Zinnen hoch des Kreuzes Strahl! Und ließest du auf allen Bergen wieder, Herr, deine Oriflamme siegreich stehn, Der Glocken Klang, der Christenpilger Lieder Anstatt der Blumen übers Grab mir wehn! Zwar als du jüngst in deiner Gottheit Schöne Im Traum mir nah, rief donnergleich dein Zorn: Hinweg, Unwürd'ge, ihr der Zwietracht Söhne, Nicht fürder schändet hier des Friedens Born! Ich pflanzte, reichen Schirms sich zu entfalten, Einst meinen Fruchtbaum in den Erdenhain; In tausend Aeste habt ihr ihn zerspalten, Und jeder Zweig will selbst ein Baum nun sein! Es loosten, als sie sahn am Kreuz mich ragen, Um mein Gewand die Söldner unverweilt; Doch ruchlos habt ihr selbst mein Grab zerschlagen Und frech in seine Trümmer euch getheilt! Ihr, die in meinem Dom um eine Stufe, Um eine Pfort' ihr wild in Hader schwellt, Wißt, daß der Erdball rings zu mir die Stufe, Und meine Pforte rings die weite Welt! Ihr, die ihr um ein Altarlämpchen streitet, Ihr Blinden ahnt in eurer Nacht es kaum, Daß, meines Lichtes voll, sich glänzend breitet Rings um und über euch der Erde Raum! Gewürm, bleib' an den morschen Steinen kleben, Und nage fort an moderndem Gebein! Mein Wort, es quillt lebend'ges, volles Leben, Und nicht gefesselt ist's an todten Stein! So sprachst du, Herr. Doch was mein Aug' in Thränen Längst von dir flehte, hast du jetzt gesandt! Es baute kühn ein Heer von Gottfrieds Söhnen Sich Zelte in der Pharaonen Land! In ihrem Blick die alte Schlachtenweihe, Ums Haupt des alten Ruhmes Widerschein, In Arm und Brust die alte Kraft und Treue! Da wird wohl auch der alte Glaube sein! Heiß glüht die Sonne! Doch ihr Haupt zu kühlen, Gebricht's an frischen Siegespalmen nie. Des Nilstroms Katarakte stäubend spülen Des neuen Ruhmes Taufe über sie. Dort steht der Feldherr auch! – Meint ihr, es biete Hesperiens Gartenland ihm Kränze nur? O seht, wie jetzt, sein Haupt zu kränzen, blühte Als Lorberwald Sahara's sand'ge Flur! Du hast, o Herr, ihm in den Arm gegossen Von deiner Kraft, die Lebans Cedern bog, Du hast sein Haupt mit deinem Geist umflossen, Der einst in Flammenzungen niederflog! Ich weiß es, seines Degens Feuerruthe Schwang über Murad Bei allein er nicht, Und mit des Mamelucken Uebermuthe Geht nicht allein sein Zürnen ins Gericht. Ich weiß, als Straße nur zu Zions Thale Liegt ihm die Wüste vor den Augen da; Ich weiß, der Pyramiden Riesenmale Sind ihm die Staffeln nur zu Golgatha! Da wird einst stehn, den Halbmond zu den Füßen, Das goldne Kreuz hoch in der Hand, der Held, Die graue Flur den grauen Mantel grüßen: Er deckt, wie sie, die Größe einer Welt! Auf Golgatha läßt ruhn er seine Aare Ums Kreuz, des Sieg den schönsten Kranz ihm gab. Die andern Kränze nimmt er aus dem Haare Und legt sie nieder aufs befreite Grab!« So sprach der Mönch. Und horch, die fernen Hügel Erdröhnen dumpf, wie eh'rner Heere Gang; Und horch, in Lüften rauscht's wie Adlerflügel, Wie ferner Waffenhall und Schlachtgesang. Ja, seine Heere sind's! – Doch raschen Zuges, Im Siegesglanz, ziehn sie vorbei, vorbei! Ja, seine Adler sind's! – Doch stolzen Fluges Rauscht ihres Fittigs Schlag vorbei, vorbei!