An Selinden Hier seze dich, verschämtes Kind; Hier ist gut seyn, hier las uns bleiben, Wo Lind und West gesprächig sind Und Fels und Wald den Gram vertreiben; In dieser grünen Einsamkeit, Wo Bach und Stein und Blätter rauschen, Soll weder List, Gefahr noch Neid Den süßen Frühlingsscherz belauschen. Die Schäze deiner keuschen Zucht Und der noch unberührten Brüste Sind warlich eine seltne Frucht, Nach der ich innerlich gelüste. Erschrick nicht vor der schnellen Hand Und las sie in dem Busen spielen; Ich führe dich in einen Stand, Des Lebens Kern und Marck zu fühlen. Wohin mein Kuß dein Wange drückt, Da wächst der Rosen Glanz und Menge; So bald mich nur die Haut entzückt, Kommt Herz und Sehnsucht ins Gedränge, Da wallt, da springt es in der Brust, Da will es sich genau verbinden, Ach paare doch mit ihm die Lust Und las es seine Ruhstatt finden! Vor was erröthestu, mein Licht? Ich werde dich nichts Böses lehren; Du kennst das süße Spiel noch nicht, Dein Anblick raubt mir Sehn und Hören. Die Liebe wüntscht dich in ihr Reich, Gehorch ihr doch auf mein Erklären, Sie wird sich dir und dies zwar gleich Mit aller ihrer Lust gewähren. Sie ist der Erden höchstes Gut, Sie giebt dem Leben erst das Leben; Erforsche nur dein eignes Blut, Es wird mir heißen Beyfall geben. Ich weis, ein unbekandter Zug Erhizt dir Adern, Brust und Wangen; Ach, werde doch bey Zeiten klug Und hintertreib nicht dein Verlangen. Die Einfalt macht die Hölle heiß, Vermeid des Aberglaubens Neze, Von welchen die Vernunft nichts weis, Es ist ein bloßes Weltgeseze. Der Himmel flöst den Zunder ein Und giebt den Saamen treuer Flammen, Wie sollt er denn so thöricht seyn Und, was er selbst befiehlt, verdammen? Beschau die Wercke der Natur, Betrachte Bäume, Feld und Thiere Und lerne, wie der Liebe Spur Dich überall zum Scherzen führe! Wodurch sind ich und du denn da? Zu was bist du nebst mir gebohren? Der, so die Welt im Wesen sah, Hat uns zum Lieben auserkohren.