An Herrn Schubart von Lauben Komm, Bruder, auf mein Wort und folg auch mir einmahl; Wir wolle in der Angst das beste Theil erwehlen. Ertrag die Gegenwart der ziemlich langen Qual, Wer nichts begehrt und hoft, dem kan es nirgends fehlen, Das Unglück ist ja auch ein Spiel der Eitelkeit, Dies giebt den Krancken Trost und läst die Hofnung leben; Ja, hübe Gram und Klag ein Quintchen Herzeleid, So wollt ich heute noch mit Fluchen widerstreben. Es geht nicht, wie man meint, die Vorsicht schliest und spricht, Und was sie winckt, geschieht auch wider unsern Dünckel; Indem sie dort den Stuhl des höchsten Reiches bricht, So holt sie anderwärts den König aus dem Winckel. Die Noth, der Tugend Sporn, ist, wer es recht beherzt, Vor Wohlthat, nicht vor Zorn, vom Himmel anzunehmen; Sie lehrt uns, ob es gleich dem schwachen Fleische schmerzt, Durch Vorsicht, Fleiß und Kunst den Neid zulezt beschämen. Betrieg dich ja nicht selbst mit Ärgernüß und Groll An Leuten, welche stets dem Glück im Schooße sizen, Und halt nicht irgend die vor fried- und seegensvoll, Die unter Gold und Wein und weichen Kleidern schwizen. Es ist geschminckte Lust und übertünchte Last, Ihr Creuz und auch ihr Schmuck sind einerley Gewichte; Die Ruhe, so du jezt bey allem Mangel hast, Kommt jenen nicht einmahl in Träumen zu Gesichte. Ja, sprichstu, sieh doch recht und prüf es ganz genau, Ob sie nicht glücklich sind; sie schwermen in der Fülle, Die Wollust macht sie mehr als Sorg und Kummer grau, Und was das Herz begehrt, bekommt ihr starcker Wille. O Bruder, bleib nur stehn, was meinstu, daß es sey? Ein Blendwerck, ein Betrug der eußerlichen Sinnen. O stünde dir einmahl ein Blick ins Herze frey, Ihr Aussehn sollte bald ein ander Bild gewinnen. Was würdestu allda vor Unruh, Angst und Pein, Begierden, Schweiß und Last und Sclaverey entdecken; Der Anblick nähme dich mit Reu und Eckel ein, Du würdest nur vom Sehn vor ihrer Furcht erschröcken. Es foltert sie der Traum, es martert sie der Tag Mit scheuslicher Gestalt und zagenden Gedancken, So daß wohl ihre Brust die Wahlstatt heißen mag, Worauf sich Thorheit, Grimm und Geiz und Zweifel zancken. Sie heißen Herr und groß und sind doch unterthan Den Lüsten, der Gefahr, dem Pöbel und der Mode, Und giebt sich ohngefehr ein kleines Fieber an, So sterben sie vor Furcht noch früher als vom Tode. Geh, beßre Schluß und Wuntsch. Doch nein, komm rüstig her Und suche noch mit mir das Glück am rechten Orte; Die Weißheit ruft und winckt, ihr Weg ist schmal und schwer, Doch führt er auch zulezt zur rechten Ehrenpforte. Folg eifrig, werther Freund, und fang zu leben an, Denn was ihr Geist nicht treibt, das ist ein todtes Wesen. So viel ich dir nur kurz von Mitteln rathen kan, Sind: in sich selber gehn, bedencken, sehn und lesen. Die Bücher der Natur, die groß- und kleine Welt, Verdienen überhaupt viel Sorgfalt im Betrachten; Schau, wie ein jedes Ding Zeit, Ziel und Ordnung hält, Und lerne so wie ich die Eitelkeit verachten. Zeuch jezt, wohin du wilt, und höre da und dort, So hörstu über Noth und schwere Zeiten klagen, Die Theurung frißt das Land, der Krieg reißt Länder fort, Und beides, Mensch und Vieh, will jämmerlich verzagen. Dem allen muß und kan ein Weiser leicht entgehn; Ihm wafnet die Vernunft Leib, Großmuth, Geist und Herze, Und sollt auch Erd und Luft in Fall und Flammen stehn, So bleibt er unbewegt, ihn rührt nicht Furcht noch Schmerze. Folg eifrig, werther Freund! Ich wiederhol es noch Und werd es dir noch oft zum Besten wiederholen, Die Weißheit beuth sich an, ach nimm ihr süßes Joch; Ihr Schaz macht ewig reich und wird dir nie gestohlen. Mein Beyspiel giebt Beweis, du wirst an ihrer Brust Tod, Satan, Höll und Welt und Neid und Hohn verlachen Und zur Vollkommenheit der wahren Seelenlust Ohn allen Widerstand stets leichtre Schritte machen.