[Herunter mit der alten Leyer] Cantata auf Herrn Pfeifers Violin. Herunter mit der alten Leyer, Die nächtlich dort am Himmel brennt! Der Ruhm der netten Violine Verdringt sie von der hohen Bühne, Und so ein kostbar Instrument Verdient ein hell und ewig Feuer. Da Capo. Jezt ist die Fabel wahr, Jezt ist es klar, Es sey ein Orpheus auf der Erden, Der Thier und Berge zieht Und, wenn die Saythen munter werden, Sogar die Bäume tanzen sieht. Der Zephyr lege seine Flügel, Es höre Waßer, Thal und Hügel, Ihr Hirten schweigt, ihr Vögel still! Denn da mein Pfeifer spielen will, So sollen Himmel, Luft und Erden Zu lauter Ohren werden, Damit der ungemeinen Kunst Kein zarter Strich umsonst entfalle: Ein jeder Thon von solchem Schalle Ist werth, von Ufer, Berg und Hayn Wohl zehnmahl wiederholt zu seyn. St! St! Ich höre stimmen. Er stimmt, er spielet schon. O hört doch nur den schmeichlerischen Thon, Von welchem Herz und Leib entglimmen! Hört doch, hört die reinen Saythen Zittern, wechseln, jauchzen, streiten! Ihre Herrschaft zwingt die Brust Bald zum Haße, bald zum Leide, Bald zur Liebe, bald zur Freude, Bald zum Kummer, bald zur Lust. Da Capo. Es will sich ein beredtes Gift Durch Ohr- und Adern schleichen: So oft die Haare streichen, So oft wird Mund und Herz gerückt. Nun macht der faule Strich entzückt, Nun wiegen mich die sanften Fantasien In Traum und Schlummer ein, Nun weckt mich das geschwinde Schreyn, Nun muß ich mit den Grifen fliehen, Nun weinen Geist und Darm zugleich, Nun fall ich hart, nun fall ich weich, Nun fall ich in ein starckes Rasen, Nun will das Schröcken Feuer blasen, Jezt reißt mich die Erbarmung hin, Nun muß der ungewiße Sinn In Zweifel und in Hofnung kämpfen, Nun hüpft das Herz vergnügungsvoll, Nun geht die Einsamkeit spazieren, Nun hör ich gar die Venus triumphieren, Und wo ich glauben soll, So hör ich auf den sanften Därmen Die Gratien im Circul schwermen, Da eine mit der andern ringt, Die andre jagt, die dritte springt, Die erste wieder zu ergreifen, Und wenn sie so einander schleifen, So ziehn sie meine Regung nach. Gewalt! Gewalt! O halt doch! halt! Du allmachtsnetter Thon! O halt! ich lebe schon; Sonst wird die Menge der Affecten Des schwachen Leibes Ohnmacht seyn. O halt! Nein! nein! Nur fort! Noch eins! Noch mehr! Ihr Saythen sollt mein Grab erwerben, Ihr Saythen spielt und schont nur nicht! Mein Mägdgen trift mich durchs Gesicht, Ihr aber tödtet durchs Gehör: So kan ich zweyfach seelig sterben. Wie wird mir? O Wollust! Ich sinck und erliege. O süßes Verhängnüß der künstlichen Hand, Dein mächtiger Bogen beuth Amor die Spize Und trift uns mit blindem, doch starcken Geschüze Und löset der Seelen ... Band Durch kräftige Stöße, durch zeitliche Züge. Da Capo. Wer Ohren hat, der höre Und gebe der Natur die Ehre Und küße dies ihr Meisterstücke Und küße dieses neue Glied, Das Herzen mit den Würbeln zieht Und fast in einem Augenblicke Das Leben raubt und wieder giebt, So bald sich sein geschickt Gelencke In ganz verwirrter Ordnung übt Und schneller, als ich seh und dencke, Die Stimmen durcheinander schmeist: Es gibt den Todten Geist, Es lehrt die Stummen singen: Nun sagt, ob dies kein Wunder heist, Nun kommt und ehrt die Hand, Des Himmels Pfand, Nun last den Balsam auf sie fließen, Nun macht sie gar mit Rosen voll Und sprecht bey tausend Küßen: Ach Schade, daß sie faulen soll! Ach soll sich denn der Wurm vergreifen Und diese theure Faust erweichen? Ach ja! Ach Schad! Ach nein! Die Fäule frißt zwar Fleisch und Bein, Doch kan sie nicht den Lorbeer streifen, Der schon um alle Finger grünt Und wieder die Verwesung dient.