[Mein Reichthum ist ein ehrlich Herz] An Herrn Gottfried Scholl in Landeshutt An. 1722. Mein Reichthum ist ein ehrlich Herz, Mein Schild ein unverzagt Gewißen. Dies dämpft den eußerlichen Schmerz Und ist mein sanftes Ruheküßen, Wenn Feind, Verfolgung, Gram und Neid Die angebohrne Zärtligkeit Des schwachen Fleisches schmeißen wollen; Und gieng es noch so scharf und bunt, So schwör ich, daß sie doch den Mund Zu keinem Fluche zwingen sollen. Dies thu nicht ich aus eigner Kraft, Dies thut des Allerhöchsten Güte, Durch Kunst, Vernunft und Wißenschaft Erhält und stärckt sie mein Gemüthe. Was ringt man so nach Ruhm und Geld? Man seh die Großen dieser Welt, Sie haben beides doch zur Bürde. Wer mit sich selbst zufrieden lebt, Aus Faulheit nicht sein Pfund vergräbt, Hat mehr als Sclaven hoher Würde. Und darum las, erfahrner Scholl, Das, was nicht bleiben will, entrinnen. Der Pöbel wird bey Schaden toll, Du hast ja edler Blut und Sinnen. Verliere nicht mit Hab und Gut Den christlich-weisen Heldenmuth, Der über Neid und Unglück sieget; Du siehst ja täglich Unbestand, Man wendet öfters kaum die Hand, Da der, so gestern stieg, schon lieget. Der Himmel hat dich einer Last, Das Glücke seines Jochs entladen; So lange du die Feder hast, So lange kommstu nicht zu Schaden. Dein Wiz, dein Eifer und Verstand Hilft auch vor unser Vaterland In seiner Stille Brodt erwerben; Du wachst und sinnst vor andrer Heil, Nimmst täglich dein bescheiden Theil Und kanst dereinst mit Frieden sterben. Was nüzt ein großer Überfluß? Er macht uns vor der Welt verdächtig, Zeugt Hochmuth, Sorgen und Verdruß, Man ist dabey sein selbst nicht mächtig. Wer Herz und Wuntsch an Kasten henckt, Der wird gedrückt, versucht, gekränckt, Der Geiz verfolgt ihn bis zur Krücke; Er scharrt vor fremde Schwelgerey, Legt oft den Fluch mit Thalern bey Und wird ein Knecht vom blinden Glücke. O Herrschaft, die uns schärfer quält, Als immermehr Tyrannen pflegen! Wie mancher kluger Anschlag fehlt? Wie mancher fällt auf graden Wegen? Wer bürgt uns vor Betrug und List, Die allzeit klug und munter ist, Uns, wo man nicht gedenckt, zu greifen? Wer sieht zum Voraus Sturm und Glut, Und welcher Wechsel spricht uns gut, Wenn Schwerd und Bley Palläste schleifen? Die Armuth, spricht man, pflegt der Spott Wie Rauch die Flamme zu begleiten. O nein, die Ehre kommt von Gott, Vom Rechtthun und von weisen Leuten. Du hast schon manchem treu gedient, Der jezt an Stand und Wucher grünt; Ergöze dich an fremden Früchten, Sie sind des Saamens wegen dein Und können dir viel Trost verleihn, Das Haupt im Alter aufzurichten. Nimm dies Gedächtnüß von Papier, Es wird so lange blühn und leben, Als Schickung, Zeit und Nachwelt mir Und meiner Muse Kränze geben. Dein klug-, geübt- und frommer Geist Hat oft mein Ohr mit Lust gespeist Und Herz und Neigung eingenommen, Mein Herz, das jezt viel Freud erfährt, Indem es deines Nahmens Werth Auch in sein Freundschaftsbuch bekommen. O würdestu nur etwas jung, Was wollt ich nicht von dir noch hören! Erfahrung kommt nicht durch den Sprung, Noch von sich selbst und ohne Lehren. Du kennst Gemüther, Art und Welt, Du weist, was Stich' und Farben hält Und wie so künstlich viel betriegen. In allem sollte mich dein Rath, Auch in der Ferne durch ein Blat, Erinnern, beßern und vergnügen. Dein Ziel, mein Gönner, steh noch weit, Der Himmel stärcke dir die Glieder Und gebe dir noch in der Zeit Dein Wachsthum an dem Sohne wieder. Du aber las jezt mit Bedacht, Was einmahl hin ist, aus der Acht Und kehre deiner Qual den Rücken. Wer Gott ohn Aberglauben liebt, Dem Nechsten hilft und gern vergiebt, Dem muß sich alles glücklich schicken.