[Der Bothe mit der Schlangenruthe] Das neueste von dem Parnasso erzehlte bey der von Herrn Johann George Schneidern, lauba-lusat., S.S. Theol. Stud. & Phil. Baccal., den 17. Febr. a. 1718. in Leipzig nach Verdienst erhaltenen Magisterwürde. Johann Christian Günther ... Stulta est clementia, cum sat ubique Vatibus occuras, periturae parcere chartae. Juvenal. Sat. I. Der Bothe mit der Schlangenruthe Kam wieder auf dem Pindus an Und schwizt in seinem Flügelhute, Mit dem er manche Fahrt gethan; Denn Phoebus hatt es ihm befohlen, Die hohen Schulen zu besehn Und frische Nachricht einzuholen, Was etwan hier und dar geschehn. Jezt kehrt er, wie gesagt, zurücke, Trug Busen, Maul und Schiebsack voll Und war von Zeitung fast so dicke Als Gretchens Liebesprotocoll. Die Musen eilten, ihn zu sprechen, So neubegierig und geschwind, Wie viel Schmarozer in die Zechen, Wo Pursch und Gläser gastfrey sind. Was machen denn nun unsre Leute? So fragt Apollo den Mercur, Der anfangs Red und Antwort scheute, Indem er nichts als Leid erfuhr; Doch, sprach er, darf ich nicht verheelen (Weil Phoebus scharf zu forschen pflegt), Was Deutschland jezt vor theure Seelen Und eure Schoos vor Kinder trägt. O säht ihr selbst, wie sie studiren, Ihr gäbt die schönste Leyer drum Und lachtet über solchen Thieren Den allerlezten Backzahn krumm. Es brachte mich die erste Reise Bey hoher Nacht in ihren Schwarm; Hier sezt ich mich verstellter Weise Dem ersten an den rechten Arm. Da sof man nun mit ganzen Päßen Auf aller Huren Wohlseyn los, Da gab sich der, so viel gegeßen, Mit starck- und fetten Kälbern blos; Den andern dämpft es aus dem Munde Wie um den Schlund bey Taenara, Bis ohngefehr die zwölfte Stunde Den vollen Haufen taumeln sah. Hier, dacht ich, mag der Hencker bleiben, Und schlich mich in ein andres Nest; Da fand ich so ein Zeitvertreiben, Bey dem sich Mars belachen läst. Der gute Graukopf stund von ferne Und hielt geduldig Licht und Wacht, Als hätten ihm die holden Sterne Des Glückes Füllhorn zugedacht. So bald Aurorens Rosenfinger Der blinden Nacht die Augen schloß, Erblickt ich zween lateinsche Ringer, Die irgend nur ein Wort verdroß; Sie schlugen sich mit Stahl und Flüchen, Der eine brach die lincke Zeh Und schrie, da jener schon gewichen: Halt, Bruder, halt, das Ding thut weh. Nach diesem sah ich einen Prahler, Dem Marckt und Weg zu enge schien, Er lies die alten Mutterthaler Mit Hochmuth aus dem Beuthel ziehn; Da, wo er Groschen zehlen muste, Durchsucht er stets die Hand voll Geld, Woraus man leicht zu schließen wuste, Wie prächtig sich ein Juncker hält. Er grif wohl zehnmahl in die Ficken Und guckte nach der Taschenuhr Und konte sich so künstlich rücken, Daß jeder ihren Werth erfuhr. Die Hand kam niemahls von dem Degen, Als wenn er es vor nöthig hielt, Die güldne Krause gleich zu legen, Mit der der Wind zu grob gespielt. Es plagt ihn der gelehrte Nabel Von vieler Kunst und Wißenschaft, Und der noch etwas grüne Schnabel Gab jeder Silbe Thon und Kraft. Ich wollte seinen Stand erfahren, Doch als die Balsambüchse stanck, So roch und sah ichs aus den Haaren Und sprach: Dem ist der Schwanz noch lang. Drauf hört ich einen, der im Zimmer Die Manichäer wiederlegt; Ach Himmel, grunzt er, wirds noch schlimmer, So weis ich, was der Seiger schlägt. Der Stiefel lauft schon von den Füßen Und muß nun zu Gevattern stehn; Was aber werd ich singen müßen, Wenn auch die lieben Strümpfe gehn? Ich lies den armen Stuzer sizen Und kam an einen Jungfernknecht, Dem waren Leinwand, Hut und Spizen Und alle Moden noch zu schlecht; Er brachte vor dem Spiegelglase Den Tag mit Complimenten zu Und sprach: Du ungeschickte Nase, Ich weis nicht, was ich dir noch thu. Mein Vorwiz gieng indeßen weiter, Da rief ein zänckisches Geschrey: Du Funfzehnhut, du Bärenhäuter, Verstehst nicht, was das Spielrecht sey; Ich hätt es ofenbahr gewonnen, Jezt schnellt mich dein verfluchter Stich; O Schande vor der lieben Sonnen! Es darf nicht viel, so würg ich dich. So machens, Phoebus, deine Leute, So führen sich die meisten auf. Die beste Post ist nur von heute Und tröstet meinen schweren Lauf: Ich komme gleich von jenen Linden, Wo Pallas beßre Kinder zieht; Hier läst die Weißheit Kränze winden Und ist ums Violet bemüht. Sie crönt die Scheiteln ihrer Söhne Und theilet des Verdienstes Preis Bey solchem Lob- und Lustgethöne, Als Orpheus kaum zu machen weis. Ein Haupt von seltnen Klugheitsgaben Bekommt vor andern ihren Kuß Und soll dadurch den Vorzug haben, Den Haß und Faulheit darben muß. Hier sprach der Fürst der Pierinnen: Ich kenne schon den werthen Mann, Der dermahleins auf Zions Zinnen Ein Licht der Kirchen werden kan. Es ist mein schriftgeübter Schneider, Der unsern Pindus längst geziert Und mit Verachtung geiler Neider Den Wandel fromm und klug geführt. Jezt schick ich ihn dem Vaterlande Mit Ehr und Seegen wieder zu Und wüntsche, daß er jedem Stande Ein löbliches Genügen thu. Ich wüntsch und hof es, weil die Jugend An ihm des Alters Früchte sieht Und der Besiz der wahren Tugend Dem rechten Lobe nie entflieht. Die Musen stimmten drauf die Saythen Und sungen dir, bescheidner Freund; Das Glücke zeigt das Tuch von weiten, Womit es dich zu haschen meint: Zeuch hin, es wird dich das Verlangen Der Eltern brünstig wiedersehn Und mit bethränter Hand empfangen, Weil ihrer Hofnung gnug geschehn.