Das Glück und Melinde Aus einem Sonett des Girolamo Gigli. Ich sahe jüngst das Glück, und durft' ihm kühnlich sagen: Bereue deinen falschen Tand; Dein flatterhafter Unbestand Berechtigt alle Welt zu klagen. Was du am Morgen kaum verliehn, Darfst du am Abend schon entziehn. Das Glück versetzte mir: Wie kurz ist aller Leben! Unendlich ist der Güter Wahl, Unendlich meiner Sklaven Zahl: Sollt' ich nicht jedem etwas geben? Dient, was ich einem nehmen muß, Nicht gleich dem andern zum Genuß? Ich wandte mich darauf zur scherzenden Melinde, Und sprach: Dem Glück steh' alles frei! Wenn ich nur dich, mein Kind, getreu Und mir so hold als schön befinde, Und wenn dein Mund, der mich ergötzt, Nur mich der Küsse würdig schätzt. So wohl belehrt ich sie; doch gab sie ihrem Lehrer Mit Lächeln den Bescheid zurück: Ich bin ja reizend, wie das Glück, Ich habe, wie das Glück, Verehrer; Und warum sollt' ich denn allein Dem Glück im Wechsel ungleich sein?