Lied Aus Johann Arnd waaren Christenthum, c. 30. am 142. Blat. Daß Christus der Baum deß Lebens, und daß man von seinen Zweigen die 14. Früchte der Christlichen Liebe, (welche 1. Cor. 13, 4 beschrieben werden) brechen, und von seinem Beyspiel abnehmen und absehen soll. Nach der Stimme: Komt her zu mir, spricht Gottes Sohn, usw. 1. Gleichwie Anfangs im Paradeiß Der Baum des Lebens Gott zu Preiß Die Weißheit konte geben, So stehet Christus, unser Held, Gepflantzet in das Kirchenfeld Und bringt uns Heil und Leben. 2. Es ist der Glaub der Wurtzelsafft, Dadurch aufsteigt der Liebe Krafft Nach seines Wercks Exempel: Der Baum bringt allen edle Frucht, Die jeder bey sich selbsten sucht In seines Hertzens Tempel. 3. Die erste Frucht ist sanfter Muht, Wann man nicht wieder Bösses thut Dem, der uns pflegt zu plagen, Wie Christus, unser HERR, gethan, Der alle Schmach von Jedermann Langmütig hat ertragen. 4. Die zweyte Frucht ist Freundlichkeit, Die uns gebührt zu aller Zeit, Die Liebe zu erweisen. Holdselig war des Herren Mund, Demütiglich von Hertzens Grund Und seine Huld zu preisen. 5. Es wächst die dritte Frucht hernach, In dem die Lieb' ist ohne Rach' Und kan der Schmach vergessen, Wie Christus seiner Mörder Rott Hat ihre Marter, Angst und Spott Nicht einsten zugemessen. 6. Die Lieb ist ohne falsche Tück, Sie lacht nicht ob dem Ungelück Und hasst das grobe Schertzen. Also hat auch ohn falsche List Sich frey erwiesen Jesus Christ Mit offner Red' und Hertzen. 7. Die Lieb hasst allen eitlen Ruhm, Die Demut ist ihr Eigenthumm Und will sich selbst nicht kennen, Wie Christus selbsten wieß an Ihm, Als Er sich von des Weibes Stimm Nicht liesse selig nennen. 8. Zum sechsten ist die Liebes Frucht Hold, erbar, sittig, voller Zucht Und kan sich nicht verstellen, Wie JESUS Christus auch gethan, Indem er mit dem armen Mann Sich pflegte zu gesellen. 9. Die Lieb ist sonder eignen Nutz: Gleich die Blätter Laub und Schutz Den Menschen Früchte giebet, So hat auch Christi treues Hertz Uns und nicht sich mit Pein uff Schmertz Versöhnet und geliebet. 10. Die Lieb' ist sonder Bitterkeit, Gelind und sanfft zu aller Zeit Und weiß, was sich gebühret, Wie Christus auch der Menschen Schuld Vertragen hat mit viel Gedult Und doch sein Ambt geführet. 11. Die Liebe trachtet nur nach Fried, Sie bringet keinen Schaden mit, Sie kan niemand verletzen: So schirmet uns auch GOTT in Ruh' Und giebt uns Friedens Engel zu, Die uns, sein Volk, ergötzen. 12. Die Lieb ist traurig allezeit, Wann sie erfährt des Nechsten Leid', Und hilfft den Last ertragen, Wie Christus seine Heerd geliebt, Sich auch ob ihrer Sünd betrübt Und ließ sie nicht verzagen. 13. Die Warheit ist der Liebe Freud', In den sie ihren Geist erneut, Den Nechsten stets zu lieben, Wie Christus auch voll Freude war, Als dort der zwölf Apostelschar Die Teuffel ausgetrieben. 14. Die Liebe trägt des Nechsten Schand, Damit nicht reiß des Friedensband, Mit dem uns GOTT verbunden, Wie Christus unsre Missethat An seinem Creutz getragen hat, Höll' und Tod überwunden. 15. Die Lieb' in dieses Lebenslauff Ermüdet nicht und hört nicht auff Im Glauben und Vertrauen: So bleibt auch Christi Lieb und Treu, Ja sie wird alle Morgen neu Und lässt sich freundlichst schauen. 16. Die Liebe hofft fest in der Noht, Sie weiß sich stärcker als der Tod Im Alter und der Jugend, Wie Christi Liebe voll Gedult Bezahlt der Welte Sünden Schuld. Lieb ist die gröste Tugend.