Carl Hauptmann Musik Spiel in vier Akten 1. Akt Personen Personen. Der Domorganist Die Mutter Georginel, die Braut In der Werkstatt des Domorganisten. im Raum eindringlich rufend. Josua ... Meister ... Jubiliere ... jubiliere ... Frage nach keiner Erdenstimme ... durcheinander. Jubiliere ... jubiliere ... Die Abgründe sind weit aufgetan ... Jubiliere ... jubiliere ... Der Domorganist stöhnt auf. vorbeiziehend. Kühn sei ... kühn sei ... Wenn der Weltwind aus den Abgründen bläst ... Kühn sei ... kühn sei ... Jubiliere ... jubiliere ... Oooh ... wär ich berufen ... vorüberjauchzend. Hell. Der Abgründe Harfe zu schlagen ... Zu blasen des großen Morgens helle Posaunen ... Musiker du ... Magier du ... plötzlich die Augen erhebend. Leidenschaftlich. Gib ... gib ... gib ... Jauchzendes Blut in verdorrtes Gebein ... Tönen ... schütte blühendes Tönen aus deinen Händen ... Gib Gewißheit ... Gib Gewißheit ... Gib Lobgesänge ... Gib Lobgesänge ... gib Lobgesänge ... Die Erscheinungen versinken dabei immer mehr ins Dunkel. Noch der Domorganist sichtbar. Dann nur die goldene Riesenorgel. Deren Ton immer ferner und ferner einsinkt. ruft aus den jagenden Dunkelwolken ganz hell und freudig. Und ob du gleich wanderst im finsteren Tal ... Plötzlich Tiefdunkel. Aus dem Tiefdunkel, ohne daß der Vorhang gefallen ist, taucht auf: Aszetische Musikerwerkstätte. Auf Wandregalen Geigen. Vergilbte Lorbeeren da und dort hängend. Eine gelehnte Harfe von Golde. Aus Chaos von Notenblättern liederlich auf der Diele und von Notenbüchern getürmt, ragen: mächtiger Flügel mit Schemel davor. Stehpult daneben. Zerschlitztes Sofa. Zerschlitzter Lehnstuhl. Alles zufällig und schief gestellt. An der linken Wand Orgel mit Bank und Tritt. Eingangstür rechts. Zimmertür in der Tiefe. Der Domorganist sitzt jetzt vor dem Flügel. Starr und vertieft in sich. Den Kopf auf den Notenhalter gebeugt. Ganze Haltung genau wie in der Vision. Totenstille. Nacht. 1. Szene 1. Szene Erste Szene Die Tür rechts tut sich lebhaft auf. Georginel im Reiseanzug mit Schirm und Täschchen hastig herein. Stutzt. Bleibt stehen. Besieht den Domorganisten von ferne. Geht einen Schritt näher. Geht auf Zehen zurück. Verschwindet. 2. Szene Zweite Szene Oooh ... wär ich berufen ... 3. Szene Dritte Szene tritt gleich danach ein. Ebenfalls noch im Straßenanzug. Besieht den Domorganisten von ferne und sagt. Nanu ... soll das der Brautempfang sein ... Behutsam. Josua ... ohne sich zu rühren. Oooh ... wär ich berufen, der Abgründe Harfen zu schlagen ... zu blasen des großen Morgens helle Posaunen ... Inbrünstig. störe niemand ... störe niemand ... geht zur Tür zurück. Hinaus sprechend. Komm du ruhig ... 4. Szene Vierte Szene erschrocken in der Tür. Leise. Was ist denn ... alles folgende immer gedämpft. Da ... lerne ihn kennen ... Ach ... wieder hier ... in der aszetischen Musikerklause ... die Instrumente ... die schöne Orgel ... die Blätter Noten ... Lacht. mitten im Chaos die schaffende Seele ... Alles Bürgerliche tritt er mit Füßen ... leise lachend. Ganz entrückt ist er ... ist er oft so ... Schlafen zur Unzeit wie ein Betäubter ... hungern zur Unzeit ... daß man denken könnte, er müßte schließlich verhungern ... ein aszetischer Mönch kann für seine Ideen nicht schlimmer entsagen ... schwiemeln zur Unzeit ... Nächte und Tage ... nein nein ... seitdem du die Braut bist ... ach Gott, liebes Kind ... wie Männer ... wie solche Unbände sind ... Muttel ... soll ich dir etwas anvertraun ... ich bin doch ... kaum hochgesprossen ... das Schulmädel kaum überwunden ... noch immer so triebhaft ... fühle zum ersten Male ... und gleich eine Braut ... und gleich vor Solchem ... und gleich so ein Musiker ... und gleich so ein Rätsel ... Sie lacht. du denkst wohl glatt nur: ich liebe ... ich liebe ... Ja wie denn ... gewißlich ... du liebst ... diesen wilden Eber ... der plötzlich womöglich in einer verrückten Laune alle Gartenblumen zerstampft ... Muttel ... wenn er so etwas hört ... Der hört jetzt gar nichts ... sonst hätte er längst gebrüllt wie ein Fuhrknecht ... den Domorganisten beobachtend. Josua ist ein Geisterseher ... lacht. Ja, ja ... in der Lage allem gemeinen Leben ganz fern ... Muttel ... warum muß ich draußen stehen ... in die gewöhnliche Welt verbannt sein ... während er mit den Rufern redet ... Bleibe du ruhig im Bürgerleben ... man braucht durchaus nicht was Extraes sein ... solcher Dünkel wird richtig zur Plage ... o Gott Gott Gott ... wenn die Welt voll solcher verrückter Musiker wär ... für die kein Strick hält ... den Domorganisten immer starrer betrachtend. Muttel ... ich härme mich so nach ihm ... warum muß ich vor seinem Allerheiligsten stehen und demütig harren ... flehend im Herzen: nimm mich doch zu dir ... Ih ... der Schädel ist nicht bloß vom Allerheiligsten voll ... ein Chaos ist in ihm ... du wirst es schon merken ... Das sagt auch der Vater ... der Vater warnt schrecklich ... viel schlimmer wie du ... und ich. .. ich lache ... Na na ... das klingt stutzig ... Weiß Gott auch ... erschrick nicht ... was bin ich ... gar nichts ... ein dummes, einsames, junges, sich erstmals erprobendes Menschenherz ... ach Gott ... ein ganz unwahrscheinliches, albernes, leeres Ding ... ich sag es ganz offen ... manchmal wenn so ein andres, harmloses, fröhliches, lüsternes Leben an mich herandrängt ... küssen ... tanzen ... singen ... ausgelassen umarmen möchte ... gar nichts bedenken ... hintändeln nur im Mai ... sich jagen ... sich kriegen ... zerflattert vom Winde ... nur so fühlen möchte wie junge Katzen und junge Krähen im Mai ... Düster. du ... im Traum, Mutter ... das ist nur im Traum ... wenn ich fern von ihm bin, da graust mir vor ihm ... ohne sich zu rühren. Gib doch ... gib doch ... gib doch ... Lobgesänge ... Fast schreiend. Lobgesänge ... behutsam. Josua ... du verjagst das Kind ... scheu, nachdem sie eine Weile sorglich beobachtet, ob der Domorganist erwachen würde. Ich bin nicht ein Kind mehr ... jetzt ... wo ich Josua sehe ... da kommen mir nicht mehr so triebhafte Wünsche ... da will ich kein Kind wie ein Strohhalm im Winde mehr sein ... verliebte Herzen sind wohlfeil wie das Gras in der Wiese ... da will ich ein liebendes Menschenblut sein ... Kindlich lachend. da will ich nur Blumenstaub und Honig sammeln wie eine Biene ... heimlich ... für ihn ... für ihn ... Schwärmerkindel ... Georginel ... Komme, Mutter ... er fühlt, daß wir lauern ... dumpf. Jubiliere ... Letztes ahnt man ... zerhorcht sich die Seele ... vom Aufgang zum Untergang ... »halte doch Frühlingsgewässer in deiner Hand« ... Plötzlich wie wirklich. Qual, wenn man flüstert ... hastig. Mutter ... Sie läuft wie gescheucht. Mutter ... ich mag nicht lauern ... Ab. 5. Szene Fünfte Szene erstaunt. Starrt ihr nach. So laufe ... Geht dann zum Domorganisten. Blickt wieder nach Georginel zurück. Rührt den Domorganisten an. Josua ... erwache ... Was ist denn ... Irrsinnig richtig ... aufspringend. Dumpf und gebunden. Auf den Boden starrend. Du hast mich geweckt ... du hast mich gewaltsam aus Tönen geweckt ... du hast nie gehörte Wohlklänge fortgetrieben ... du hast kein Recht, mich gewaltsam zu wecken ... du hast kein Recht, mir die Seelenseligkeit fortzutreiben ... ich will gewahrt sein vor Übergriffen ... kein Schuhputzer bin ich ... ich bin ein Geweihter ... Gott bestimmt den Moment der Berufung ... ich erhöre neue Musik ... Ochsen- und Eselgebrüll ist noch keine neue Musik ... auch die Vögel im Walde machen nur geringes Gepiepse ... allein dem Menschenohre ringt sich aus der harten Feindlichkeit ... und dem Lärm ... und der Fremde dieser abgründigen Welt immer unerhörteres, tönendes Wesen los ... Plötzlich klagt er auf aus seiner Dumpfheit. Hart ausbrechend. die Geburtssunde hast du mir vertrieben ... 6. Szene Sechste Szene kommt hastig herein. Oh ... Muttel ... er schilt dich ... wieder scheu und dumpf für sich. Ich brauche nicht Mutter ... noch irgend jemand ... ich treibe ein Geschäft aus der eigensten Quelle ... führe ewig nur Krieg mit anmaßlichem, höflichem Bürgervolke ... mit diesen dreisten, aufdringlichen Hungerleidern und Alleswissern ... Er spielt auf dem Flügel ein Motiv, anklingend an die Orgelmusik. ja ... faß es noch einmal ... und war ein Schneeball, der schon zur Lawine anschwoll ... ein Keim, der zum Riesenbaume erwuchs ... verjagt jetzt der Zauber ... und alles war in mir ... erbrauste schon herrlich ... Lacht vor sich hin. verschüttet die Tonpracht ... Lacht wieder. verjagt von der Mutter ... Er sucht tastend und anschlagend auf dem Klavier und schreibt einen Augenblick. Wirft den Bleistift fort. Weiter dumpf. garnichts ... Leere ... blödes Geklapper ... Er klagt auf. das ist Verrat ... ihr werdet mir meine Schöpferstunde nicht wiedergebären ... so geht es immer ... ich hasse den ganzen Bürgeranhang, der das Allerheiligste eines schaffenden Menschen mit plumpen Fußtritten überrennt ... Wieder dumpf gemessen. ich werde aus diesem Hause ziehen ... fliehen einfach ... vor allen Menschen ... Er nimmt Hut, Überrock und Stock von der Wand. Zieht den Überzieher an. ich gehe ... lieber ziellos hinaus in die schweigende Nacht ... unter die Sterne ... ängstlich. Sohn ... bleib doch ... morgen fällt es dir wieder ein ... Niemals fällt es mir wieder ein ... jede meiner Sekunden ist einzig ... Josua ... bist wie besessen ... Besessen ... das bin ich ... rücksichtslos und besessen bin ich ... sonst bereitet man sich von der Erde zum Himmel den Weg nicht ... O Gott Gott Gott ... ich kenn deine Wege ... wenn du wieder fortläufst ... jetzt ... in die Nacht ... schnell entschlossen. Doch scheu. Josua ... hört nicht. Ach ... Er tastet wieder nach Tönen. ein grandioses Motiv ... ein neu offenbartes Motiv ... aus dunkelsten Sehnsüchten aufgesprungen ... solch Blitzlicht genügt, ein Meer von Tonwogen zu entfesseln ... Wieder jäh aufbegehrend. ich könnte schreien vor Schmerz ... nach diesem Einen ... Er hat Hut und Stock beiseite geworfen. verlegen lachend. Ratlos zur Mutter blickend. Wieder entschlossen. Josua ... Kindlich. sieh deinen Goldfinger an ... Gar nichts von Golde hab ich am Leibe ... wenn ich schaffe ... Er hat den Überrock ausgezogen. Hängt ihn fort. lacht hell. Du Verleugner ... Auf allen Wegen ... Menschen sind mir völlig egal ... Menschen können mir, was ich brauche, doch nicht geben ... ängstlich. Verzweifelt. Muttel ... Du machst dir keinen Begriff, wie dieser Mensch ist ... dumpf. Größenwahnsinnig ist er ... sag 's nur ... sag 's nur ... das ist sein Schicksal ... das nennt man Berufung ... scheu. Muttel ... was ist zu tun ... Gar nichts zu tun ist ... wenn das Schönste zerschlagen ... wenn nie erhörte Harmonien aus Gottes Dunkeln zerschlagen ... empört. Ein solcher Zustand ... kannst du dir einen solchen Zustand überhaupt anders erklären, als daß der Mensch richtig irrsinnig ist ... streicht sich nervös grabend viele Male über die Augen. Macht die Augen weit auf. Ist plötzlich schüchtern. Wer ... Georginel ... ach du ... Georginel ... Georginel verlegen. Kindlich. Die Mutter, indem sie gegen die Mitteltür retiriert. Josua ... sieh mich ... schon in der Tür. Für sich. Das ist nämlich so ein Brautempfang bei einem Genie ... Gott sei Dank ... jetzt sieht er ... Sie drückt sich hinaus. Durch die Tiefentür ab. 7. Szene Siebente Szene betrachtet spröde Georginel. Streichelt ihr scheu am Ärmel herab. Du ... bist es also ... Georginel ... was soll man denn tun sonst ... der Mensch kann nicht beliebig nur so in die Abgründe greifen ... er glaubt und wartet ... und ist nie Meister ... und hat den Augenblick nie in der Hand ... scheu. Mutter hat mich gerufen doch ... ich war so froh, zu dir zu reisen ... breit lachend. Ja ja ... die Mutter hat dich gerufen ... du sollst mich zähmen ... morgen ist großes Amtsgeschäft ... eine tausendmal schon gespielte Totenmesse von irgendeinem soll grade ich so mitten hinein zelebrieren ... und du wirst neben mir gehen ... und ich werde fromm sein ... der wohlbestallte Domorganist ... Er lacht plötzlich grell. Reißt ihre Hand an sich. Hält sie überzärtlich und sinnlich an den Mund. Hände ... wie Blumen ... ganz wunderbare ... fein zugespitzte ... mit Wonnefurchen zärtlich durchzogen ... Mäusefellchen sind nicht so weich wie deine Hände ... weiße Rosen sind nicht so bleich wie deine Hände ... und blaue Adern ... perlmutterhaft ... qui voit ses veines, voit ses peines ... Er erhebt seinen Blick. Immer mehr aus der Neigung des Kopfes, weil er sein Gesicht ganz leidenschaftlich auf die Hände gedrückt hatte. Mund von Purpurmohn ... Er tritt plötzlich zurück. wie ein schlanker Akanthusstengel bist du erwachsen ... zween Rehzwillinge voll und prall ... wie Weizenhügel die Hüften ... wie eine schimmernde Frucht aus Fleische ist so ein lockender Mädchenleib gemacht ... ja ... ich bin Künstler ... ich sehe durch deine Kleider hindurch ... und wahrhaftig Mann auch ... tausendmal hungrig nach solcher Frucht ... Er lacht. du könntest zehn Bürgermänner verführen ... beschämt. Warum es mich nur mit allen Fasern zu dir zieht ... erwache, Josua ... blind bist du ... deine Seele ist fortgeflogen ... erwache zu deiner Seele ... sonst fliehe ich ... in sich. Sublimes Mädchen ... ja doch ... keusch noch ... wie eine verblichene Nonne stehst du erschrocken ... ich begreife ... Männergriffe haben deine nackte Pracht noch niemals lädiert ... so muß eine Braut sein ... Braut ... kein Dämon ... Er lacht für sich und von oben. O nein ... du ... ich fliehe ... Sie springt zur Tiefentür. wie erschrocken. Ich verletzte dich wohl ... Er wendet sich wieder ab. verwirf mich doch nicht ... ich ringe mich durch ... ich bin noch jenseits ... ich laufe Musik nach ... Er hat sich ins Sofa sinken lassen. streichle mit deinen sanften Händen mir Haar und die Stirn ... Er gibt sich ihrer zögernden Güte ganz hin. Er ist neu aufgesprungen. mache mich sanft ... der schaffende Mensch ist jeder Gewalttat ausgeliefert ... du willst mein Seelenfreund sein ... so lerne die tiefste Stunde mir hüten ... Er setzt sich und spielt wie einen vierstimmigen, hellen Frauenchor zögernd wie ein Kind mit drei, vier Fingern. Das Motiv wieder an die Orgelmusik der Vision kindlich erinnernd. 8. Szene Achte Szene Unterdessen tut. behutsam die Tiefentür auf. Wie sie sieht, daß er spielt, schleicht sie herein. Drollig kindlich. Abgereist an den Südpol wieder ... Lachend horchend. leise zur Mutter. Ich bin ganz umstrickt ... Oh! das klingt lieblich und lustig ... weil du bei ihm bist ... aber Töne können das Menschenherz furchtbar bedrängen ... plötzlich gähnend. Krampfhaft und hilflos. Muttel ... erschrocken. Kindel ... du wirst ja totenbleich ... Georginel kämpft gegen eine Ohnmacht. Ist der Mutter einen Augenblick in die Arme gesunken. 9. Szene Neunte Szene hat aufgehört, stützt seinen Kopf wieder gegen den Notenhalter. Dumpf. Gar nichts ... rein gar nichts ... klingt ärmlich und klein ... wie Kummerseelen, die ewig nur harren ... hart. Schweig du nur jetzt ... mit deiner Rüdheit ... sich sofort ermannend. Muttel ... doch nicht so heftig gleich ... unwirsch. O ja ... ich laß ihn ... Der Domorganist erhebt seinen Kopf. Starrt Mutter und Georginel verständnislos an. will Georginel zögernd fortführen. Ach ... laß ihn glotzen ... komm du nur jetzt ... du hast es nötig ... komme nur schlafen ... du hast eine weite Reise gemacht ... von diesem Quadratstein prallt heut alles ab ... Beide, Georginel zögernd, gegen die Tiefentür. zurücksprechend. Josua ... dein Gesicht ist so fremd ... Beide ab. 10. Szene Zehnte Szene lacht für sich. Mein Gesicht wird wohl fremd sein ... reine Jungfrau ... sehr weise Mutter ... ich bin kein abgegrenzter, fein in die Sielen mit Klingeln gespannter, moralischer Mensch, wenn die Rufer rufen ... bin gar nichts derart ... bin Kreatur ... bin Flattermaki ... baumle rücklings am Weltenaste über dem Abgrund ... Vampir ... giere, Gott selber die Seelenseligkeit aus den Halsadern auszusaugen ... tönen will ich ... nicht gackern wie Hühner ... Flügel sollen die Töne nehmen wie Kondore, die um die Sonne jauchzen ... Wieder zurückfallend. Dumpf. ach ... betrunkene Worte ... gebt Wein her ... helle, tanzende, glitzernde Strahlung ... vor mich hin auf den Tisch ... Lichtwein im Glase ... vor mich hin ... auf den Tisch ... aus so Alleinsein werde ich vielleicht die erjagten Stimmen der Weltorgelnächte doch noch erhorchen ... Plötzlich entschlossen nimmt er Stock, Überrock und Hut von der Wand. Greift ein Schlüsselbund. Geht rechts ab. mein Gesicht wird wohl fremd sein ... Ab. Der Vorhang fällt. 2. Akt Personen Personen. Der Domorganist Georginel Die Mutter Der Strolch Der Seminarist Die Zigeunerin Allerlei Stadtleute Dom und Domplatz. 1. Szene Erste Szene Die Mutter kommt aus der Sakristeitür gehastet. Im Begriff, nach rechts suchend und erregt fortzueilen. 2. Szene Zweite Szene gleich danach atemlos von rechts. Rufend. Nein ... noch nicht ... War er noch nicht zu Hause ... hier ist er auch nicht ... der Pastor segnet schon die Gemeinde ... wer hilft uns denn jetzt in unserer Not ... wenn nicht ein Engel vom Himmel auf Josuas Orgelbank steigt und Musik macht ... Die Orgel beginnt die Totenmusik zu spielen. Georginel und Mutter sehen sich plötzlich erstaunt an. Muttel ... horche ... Josua ist ja schon drin ... Sie gehen auf Zehen in die Sakristeitür ab. Die Totenmesse klingt ernst und feierlich. 3. Szene Dritte Szene kommt von rechts aus der Tiefe. Verbohrten Ganges. Den Hut in die Stirn gedrückt. In sich erregt. Beim Schreiten redend. Blödsinn ... Blödsinn ... erbitte mir das ... dieser Seminarist ... dieser junge Phantast ... Amtsgeschäfte sind Amtsgeschäfte ... ich werde dafür bezahlt ... runter ... von meiner Orgelbank runter ... ich werde jetzt dem Volke die Totenmesse vorzelebrieren ... Auf die Sakristeitür zu. ich bin der Meister ... ich bin der Meister ... In die Sakristeitür ab. 4. Szene Vierte Szene Man hört die Orgel gleich danach verstummen. Tiefe Totenruhe drin. Alles drängt an der Haupttür tiefer hinein. Plötzlich setzt gegenüber dem sanften, vorherigen Orgelspiel ein gewaltiges Tirilieren von tausend Flöten und Bässen ein. Und eine große Musik erklingt eine Weile, die etwas Berauschendes hat. Dann beginnt die Tonfolge eine Weile seltsam zu schwanken. Unsicher zu werden. Abzusetzen. Dann hebt sie sich noch einmal mächtiger auf. Und klingt eine Weile wieder so fort. Plötzlich bricht sie ganz jäh mitten im Takt ab. Eine Weile jetzt Totenruhe. Dann scharfes Rumoren im Dom. Die Türen tun sich auf. 5. Szene Fünfte Szene Die verschiedensten Kirchgänger, Arbeiter, Bürger, Damen, Landleute, Soldaten, Studenten, Seminaristen, junge Mädchen, Knaben, Kinder, eilen nach verschiedenen Seiten heraus. Alles im tiefsten Gelächter. Verhalten. Verstohlen einander zulachend. Gruppen junger Leute untereinander toll ausbrechend. Dazwischen auch einige Gesichter tief entrüstet. Eine Gruppe Studenten mit Lachgrimassen untereinander. Der Domorganist hat das ganze Orgelchor vollgekotzt ... Alles eilt in dieser gesteigerten Lächerlichkeit fort. Der berühmte Domorganist ist nun einmal ein Rheinweinsäufer ... Eine Gruppe Seminaristen mit ähnlichen Lachgebärden. Zwei Damen dazwischen durchgehend. Ja ... die gute Frau Bürgermeister ist gestern nacht von Drillingen glücklich entbunden worden ... in der Seminaristengruppe. Total besoffen ... total besoffen ... Rheinweinleiche ... einfach Rheinweinleiche ... ernst zum Kinde, das ihr am Arme hängt. Das war eine Stärkung ... das war eine Stärkung ... bissel Prophet, mitten unter dem lachsüchtigen Volke schreitend, neben einem kleinen, stämmigen Schmiedemeister. Beide tief ernst. Wenn sich das Menschenherz nur errütteln ließe ... wenn sich das Menschenherz nur errütteln ließe ... Wieder ein paar Studenten eilen lachend vorbei. Dieses Sumpfhuhn ... speit auf die ganze Welt ... zum Schuster, indem beide behäbig abgehen. Neid ... Zwietracht ... Gewinngier ... niederträchtiger Leumund ... schäbige Gesinnung ... das sind die Dämone ... da könnten gleich tausend Orgeln brausen ... da könnten gleich tausend Orgeln brausen ... Noch ein paar letzte Kirchgänger kommen aus dem Haupteingang. Ebenfalls wieder toll lachend. Als letzter kommt ein staubgrauer Strolch, mit Stock, Hut und Ränzel, der an der Haupttür gleichgültig den Verschwindenden nachblickt. 6. Szene Sechste Szene drängt aus der Sakristeitür heraus. Ich glühe wie eine Pumpelrose ... vor Scham und Schande ... nur fort jetzt ... nur fort jetzt ... sie haltend und einredend. Mutter ... ich bitte dich ... liebe Mutter ... Und das Tuch über Augen und Ohren ... vor Scham und Schande ... wenn man jetzt durch die höhnische Bande läuft ... nein nein ... zur Samariterin für besoffene Kerle bin ich nicht geboren ... Herr Jesus ... Muttel ... komm doch zu dir ... wir können doch Josua nicht in dem Zustand fremden Leuten jetzt überlassen ... Einen solchen verwahrlosten Kerl ... ich bin unschuldig an so einem Leben ... ich würde ihm eine Ohrfeige schlagen, käme ich nahe ... versoffenes Genie das ... Muttel, das wirst du bleiben lassen Plötzlich kindlich ekstatisch. oh Muttel ... wenn man nicht wüßte, daß er noch atmet ... man könnte denken, er wäre gestorben ... schön und groß sieht er aus ... trotzdem ... bleich ... wie verklärt ... als zerrisse ihm Leid die arme Seele ... so wollt er mit Tönen die Toten beklagen ... Sie eilt plötzlich in die Sakristei zurück. Unterdessen eine bettelnde, junge Zigeunerin, ein Kind im Rückentuch eingebunden, von links erscheint, die nur steht und sich Dom und Leute von ferne betrachtet. 7. Szene Siebente Szene nach rechts forteilend. Zornig zurückrufend. Schmach um Schmach muß das Mutterherz tragen ... die Mütter auf Erden sind dazu da, Schmach und Schmerzen ewig zu tragen ... Sie kommt wieder zurück. Will auch in die Sakristei hasten. 8. Szene Achte Szene kommt ihr entgegen. Hinter ihr der Seminarist. Wir sollen heimgehn ... Alle drei im Begriff fortzueilen. Der Meister folgt gleich ... Niemand darf sehen, wenn er erwacht ... Hätte mich doch der Meister die Totenmesse vollenden lassen ... Sie haben gespielt wie ein Engel vom Himmel ... oh mein Gott ... das war so ein Totenfest ... Über den Platz nach rechts. ist unterdessen zögernd auch nach rechts geschleudert. Zu Georginel. Frailein ... Frailein ... Sie ... Frailein ... luß dir wahrsagen ... scheenes Frailein ... einen Moment stutzend. Jetzt ... oh, doch jetzt nicht ... Alle Drei nach rechts ab. nach rechts den Dreien hinterdrein. Man erjagt es niemals ... man lebt ... und lebt ... und fühlt kaum das Leben ... Ab. 9. Szene Neunte Szene Die Sakristeitür wird behutsam aufgetan. lugt heraus. Wie er sieht, daß der Domplatz leer ist, kommt er scheu heraus. Wohin denn ... die gellende Ruhe und Kühle dieses Domkolosses verjagt mich ... da mögen Heilige unter den Steinplatten schlafen ... nicht ich ... wohin denn ... ach wären doch Flügel ... aus diesem entgeisterten Tage heraus ... etwa so vor der Mutter sitzen ... am Sonntagstische ... und vor der Reinen, die meiner wartet ... Erniedrigung schreiend im Blute ... Mitleidsblicke auf mir ... 10. Szene Zehnte Szene Unterdessen geht der Strolch zögernd vom Haupteingang ganz bis zu den Stufen und läßt sich da nieder. Beginnt aus dem Ränzel Eßbares auszupacken. betrachtet ihn scheu von fern. Auch ein verachteter Mann ... Der Strolch nimmt keine Notiz von ihm. Ins Essen gierig vertieft. geht zögernd an ihn heran. Woher ... wohin ... spröde. Aus dem Leibe einer kreißenden Frau ... und laufe hastig dem Grabe zu ... Witzig ... Ob das witzig ist ... dabei die Wahrheit ... Wer sind Sie ... Ein Edelmann ... früher ... eher ein Stein jetzt ... setzt sich auf die Stufe. Duldest du mich hier ... ohne Acht. Beide Hände hinhaltend. Da ... feine Hände ... gräfliche ... früher ... lacht. Ja ja ... lieber Bruder ... Sind billige Brüder ... hier auf der Erde ... Der Domorganist in sich bohrend. Oder meinen Sie einen von den Brüdern, die für einander ihr Leben lassen ... die gibt's nicht auf Erden ... die Erdenbrüder wollen die dicke Melone für sich erjagen ... und darum womöglich den andern erdrosseln ... scheu. Eine Pause. Was treiben Sie ... Ich peitsche das Rad der Zeit ... wie der Jockei den Renner ... damit es zeitig genug mit mir in den Abgrund springt ... Das sieht man vor sich ... höchst malerisch ... so was könnte ein Meister des Pinsels malen ... Es lohnt sich nicht, einen Aussätzigen malen ... wissen Sie ... früher ... als Jüngling der Jeunesse dorée ... junger Edelmann ... Monokel im Auge ... da malten sie mich ... damals konnte ich mir alle blutigen Früchte vom Lebensbaume stürmisch herunterreißen ... weil ich Gold warf ... da konnte ich die göttliche Sehnsucht und das innere, sichere Leben mit Weibern und Wein nur so verjubeln ... merkte es gar nicht, wie ungewiß alles in mir wurde ... wie ich in meinen Fundamenten verfiel ... wissen Sie ... mit Rennpferd ... mit goldenem Geklingel von vier leichten Silberschimmeln vor meinem Dogcart ... so hat mich ein Meister des Pinsels gemalt ... jetzt bin ich Grind ... Huuh ... laß mich mit deinem Erdenjammer in Ruh ... ich könnte meinen Schädel auch auf den Steinen zerschlagen ... und schluchzen und heulen ... in meiner Lage ... Ich bin kein Schwächling ... ich wandre heut hart ... ich. .. begreife heut Aufgang und Untergang ... Absturz ... Labsal ... letzte Erkennung ... letzte Beglänzung ... Absturz ... Labsal ... letzte Erkennung ... letzte Beglänzung ... Ja ... letzte Beglänzung ... da ... Mit Geste des ausgestreckten Armes. man denkt, es ist hoffnungslos ... immer wieder im Frühling mit weißen Blüten bekränzt die ewigen Chausseen ... immer wieder im Herbste mit Ebereschbeeren ... die ewige Ferne ... immer wieder im Winter verhangen mit Schnee ... und man selber gefangen im Mauerloche ... im stinkigen Ortsgefängnis ... was tut das alles ... am Ende wird der gehetzte Landstreicher in einem Walde ... oder irgend in einer Bauernscheune sterben ... wenn nicht der Gendarm oder Polizist versucht, ihn noch weiter zu hetzen ... aber der Tod kommt mit seiner magischen Allmacht ... und der Tod wird die Jammergeburt dieses gehetzten Menschentieres gänzlich verwischen ... Ja ... wie denn ... weiter ... lacht. Mein Vater hatte z.B. vier Ärzte wie er starb ... über meinem Sterben wird vielleicht ein Häher vom Baume Wache halten und kreischen ... äußerlich ist das ... was können vier Ärzte beim Sterben tun ... das Allerwunderbarste wird sich dann innen begeben ... in jedem ... mein Vater z.B. war im Leben ein harter, stolzer, herrischer Herr ... er verachtete selbst seine Kinder ... Verachtung wohnte immer in seinem Gesicht ... natürlich solange er nicht unter Seinesgleichen den Heiteren spielte ... aber ... mein Herr ... als er aufgebahrt lag ... da war der bisherige Vater nicht mehr vorhanden ... da war er adlig geworden ... adlig ... großartig ... demütig ... schön ... schwebte im Raume ... ein ganz Befreiter von all den Grimassen harter Gebarung ... selbst einen wohlbestallten Domorganisten hätte er, wie er so in die Ewigkeit fortzog, höchst klein wie eine Fliege gesehen ... lag doch vor uns in seinem Sarge noch ... schwebte trotzdem schon fern ... er trug schon verklärte Gestalt ... du glaubst es mir nicht ... du mußt es mir glauben ... ich ... heute ein Strolch noch ... vielleicht schon morgen werd ich erhaben sein ... unkenntlich allen niederen Verächtern ... fortziehen von euch in die Ewigkeit ... in verklärter Gestalt ... vor aller Augen ... kein Mensch wird Staub und Lumpen ... und den bretternen Sarg der Armut mehr sehn ... das weiß ich sicher ... da werden die irdischen Menschen plötzlich mein höheres Wesen bestaunen ... verlaß dich auf mich ... wirf die Menschenangst von dir ... das letzte im Leben ist lauter Güte ... sichtbar ... leibhaftig ... entschwebt man ... wie Christus ... erschüttert. Eine Weile stumm. Ja ... ja ... das sind Gesichte ... oh Mensch ... Mensch ... armer Name ... wirf ihn von dir ... ergründe dich nackt und namenlos ... nach einer Weile. Warst du im Dome ... Ich war im Dome ... Hast du meine himmelstürmende Totenmusik gehört ... Ja ja ... ich habe Ihre himmelstürmende Totenmusik gehört ... Er lacht häßlich. Was lachen Sie grell ... lacht wieder. Ach was ... Ihre himmelstürmende Totenmusik ... und dann Schimpf und Schande ... da muß ich lachen ... ja ja ... ich mache, wenn ich menschenfern bin, Musik ... wenn ich das Gesindel hinter mir habe ... Sie ... Musik ... Wenn ich meine Chausseen haste ... die nach der großen Fata Morgana endlich doch hinführen ... da greife ich kühn hinein ... auf imaginäre Tasten natürlich ... da rast sich mein staubgrauer Leib wegelang aus wie im Wahnsinn ... da tumultuieren aus mir bacchantische Töne ... was so ein gehetzter, einstiger Lüstling aus tiefster Inbrunst noch kann ... da gell ich ... gluckse ... pfeife ... flöte ... schrei ich mich aus ... Er lacht. jauchze ... orkane die Schöpfung an ... preise die Weite, die nie erreichbar ... krächze wie die schwarzen Krähen gen Himmel ... preise das Sommerlicht ... übertöne die Kummergrauheit ... weiß rein nichts mehr von Hasse und Abkehr des ausgestoßenen Mannes ... überflute mit innerem Gefühl die strahlende Sonne ... Tja ... Gott ... auf imaginären Tasten natürlich ... ich spiele auch nicht bloß immer auf Orgeltasten ... ich bin der berühmte Domorganist ... Er lacht. ist plötzlich elegant aufgesprungen und macht ein ganz vornehmes Kompliment. Graf Santa Rocca ... ich habe die Ehre ... ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen ... Sie sind der berühmte Domorganist ... Seltsamer Büßer ... stolz. Nein ... ja nicht Büßer ... nur Überwinder ... ein armes Stück Erde, zum Menschen geboren ... das sein Dasein verhunzte ... und Grind werden mußte ... Eine Weile gemeinsame Stummheit. halb für sich. Natürlich ... natürlich ... zum Menschen geboren ist noch keine Gewißheit ... wir reiten alle auf Tode und Abgrund ... und mancher erwacht ... erkennt sich ... und schauert ... Ach ... im Grunde ist das alles nicht wichtig ... ist tausendmal da ... kommt millionenmal wieder ... ich will durchaus nicht noch offener sein ... alle Schmach meines Lebens Ihnen ausplaudern ... erzählen, wohin ich geriet, als ich schwachherzig wurde ... die Nacht und den Morgen ... und Tag ... nicht wiedererkannte ... und die Haare verlor vom wilden Leben ... und heimlich wurde ... und immer noch dachte, ich könnte den Mächten ein Schnippchen schlagen ... Scheu von der Seite den grabenden Domorganisten bestaunend. fort jetzt ... ich gehe ... der Worte sind jetzt genug gewechselt ... ich will Einsamkeit um mich ... sonst verpaß ich am Ende wieder mein Heil ... Nein ... höre mich, Bruder ... ich hätte eine Bitte an dich ... An mich ... eine Bitte ... wer bettelt den Staub an ... Du mußt mit mir kommen ... Wohin ... Komme an unsern Sonntagstisch ... Mensch ... berühmter Domorganist ... Sie ... werden doch nicht diesen schmachbeladensten Landstreicher an Ihren Sonntagstisch laden ... Komme ... ich will es ... Georginel und Mutter sollen staunen ... werden meine Schmach nicht mehr sehn ... sie werden aufgelöst sitzen in deine Kreuzigung und deine letzte Befreitheit und letzte Beglänzung ... du mußt am Sonntagstisch unter uns sitzen ... vor Mutter ... und vor der Reinen, die meiner wartet ... ich will dich anlegen wie einen Panzer über meine Blößen ... komme ... zuerst verlegen. Dann heiter. Ha ... gut ... ich komme ... ich werde also als staubgrauer Heiland am Sonntagstische unter euch sitzen ... Beide ab. Der Vorhang fällt. 3. Akt Personen Personen. Der Domorganist Der Strolch Die Zigeunerin Der Seminarist In einer modrigen Weinkellernische. 1. Szene Erste Szene sitzt bekränzt auf dem Faß. Ein volles Glas in der Hand. Psalmodierend. Ei, denkt sich die Tochter, 's ist nicht so gefährlich Mein Moritz als Beelzebub macht sich ja herrlich Und als sie so dachte, da kam er auch eben, und rasch hatte sie sich dem Teufel ergeben. flüsternd. Halt dein Maul ... schwarzes Schwein ... luß diese Mann schlafen ... psalmodiert wieder. Mein Josua ... Jetzt liegt er da ... Grade wie eine volle Flasche ... Mein Josua ... was übrig blieb, ist Asche ... ist Asche ... Er schleudert das volle Glas auf den Boden, wo es zerbricht. hart. Schweig ... du kriegst es mit mich zu tun ... das Fest ist aus jitzt ... vertullt ... übernächtigt ... das Herz ist schun leer ... ich denke überhaupt ... du hust das Weltmeer der Gier durchschwummen ... alter Prahler ... du bist der Schlimmste ... ja ... du bist der Schlimmste ... Der Strolch macht eine Geste des Schlagens mit der rechten Faust. Kumm ja nicht nahe ... du bist der Schlimmste ... hust aus der kuchenden Quelle dich recht übernummen ... Hure ... höhnisch. Schimpf du mich Stute ... alter Verbrecher ... Hasse mich jetzt ... hasse mich jetzt ... Haß klingt wie Stahl ... Schieb du auf Fuchssohlen weiter ... elender Bettler ... von der Gnade des tullen Meisters bekränzter Narr ... lacht. Wenn du ein Totengerippe wärst, könnte ich mich noch in deine großen Zähne verlieben ... holde Luisa ... auflachend. Na ja ... Spargeln wachsen mir auch nicht im Maule ... Zähne wie Pferde ... alte Geschichte ... Plötzlich wütend. nimm Kranz aus die Haare ... ich kann dich nicht sehn jitzt ... plötzlich wehleidig. Meine hohe Frau Mutter hat mich einst mit Veilchen und Rosen bekränzt ... als Edelknaben ... da stand ich auf einer Marmorterrasse ... jetzt würgt mich die Reu ... höhnisch. Schluchzende Männer ... das ist immer der Schluß ... geschlagen wie Hund, der das Morgenrot anheult ... ich kenn das Lamento ... hat sich über das Faß geworfen. Auch ich habe einstmals ins Licht gesehn ... hundertmal hat mich meine hohe Frau Mutter beschworen ... hüte dich vor den Süchten des Lebens ... sie bringen zu Falle ... hüte dich vor dem gierigen Schoße unersättlicher, knotenknüpfender, junger Megären ... Ach ... lächerlich ... du ... su ein alter Sträfling ... ohne sich im Ton zu ändern. Hundertmal habe ich einst noch als Schieber und Spieler auf meiner hohen Frau Mutter Erbbegräbnis heiße Gelübde getan ... hab vor dem weißen Marmorengel die Hände blutig gerungen, endlich den Lüsten der Welt zu entsagen ... Er ermannt sich plötzlich. nein ... es gelingt nicht mehr ... schon zu lange ist die Schicksalskugel vergnügt in den Abgrund gehüpft ... auch meine Reue gelingt nicht mehr ... ich blicke nicht mehr zurück ... ich will nicht ... mich rührt kein Menschenwahn mehr ... ich erstürme nicht mehr dieses ewige Nichts ohne je Frieden ... ich habe das Kleid der Abkehr an ... das ganze Menschenvolk ... nicht bloß seine Kloake, das Zuchthaus ... liegt hinter mir ... ich schmecke eure Genüsse nicht mehr ... Wein oder Essig ... nach versoffenen Armenhausweibern ... oder sonstigem, langhaarigem Straßenabschaum habe ich heute nicht mehr Gelüste ... ich wüßte auch nicht mehr, mit welchem Edelmann oder Fürsten ich meine schmutzigen Bettlerdukaten an der Chausseeböschung weiter verspielen sollte ... für die Orgien der Menschengemeinschaft habe ich nicht einmal Mitleid mehr ... all solche Tänze machen mich höchstens wiehern wie Teufel ... 2. Szene Zweite Szene aus tiefem Schlafe verstört und wild aufwachend. Sofort aufgerichtet. Die Anwesenden anstarrend. Was denn ... was gibt 's denn ... wo bin ich ... wer lärmt denn ... geht an den Tisch. Ganz spröde und verekelt. Ach ... es lohnt nicht der Müh ... plötzlich heulend wie ein Wolf. Uuuuuh ... uuuuuh ... uuuuuh ... dazwischen rufend. Liebling ... ach ... Liebling ... ebenfalls. Herr Domorganist ... unbändig lachend. Meister Tier ist mein andrer Name ... Dreck ... Speck ... Zweck ... überhaupt ... reia reia reia reia ... humpa humpa humpa humpa ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... Ach ... höre auf mit das öde Getöse jitzt ... du bist ja Verrickter ... setzt ein. Dreck ... Speck ... Zweck ... überhaupt ... reia ... reia ... reia ... reia ... jetzt mit dem Strolch gemeinsam. Humpa ... humpa ... humpa ... humpa ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... schreit. Das Gemäuer wird stirzen ... von dieses Geschrei ... ich halte nicht aus ... ich halte nicht aus ... Tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... tra ria rulla ... Der Domorganist pfeift mitten hinein gellend. Der Strolch verstummt. lachend und tollend. Bruder der Steine ... Bruder der Steine ... dumpf. Mir ekelt vor mir ... mir ekelt vor Ihnen ... erschüttert. Mächtig. Ich weine Blut jetzt ... ich begehre das Meer ... ich begehre das Meer ... Das Fell über Uhrtrummel wird mich zerplatzen ... kläglich rufend. Wo bleibt denn der Grünmütz ... wo bleibt denn der Grünmütz ... zum Domorganisten, der plötzlich dumpf in sich eingesunken. Ihm zweimal über die Haare streichelnd. Ach ... Liebling ... Liebling ... luß diesen Griinmitz ... Psalmodierend streichelt sie ihn. Blümlein der Nacht ... Blümlein der Nacht ... Geliebter, kumm ... Liebe brennt sacht ... Aber heiß ... aber heiß ... Wie ein heißer Stern ... Wie ein Funke im Meer ... Wie ein Schatz im Grund ... pfiffig zärtlich lächelnd. Steppenhuhn ... Zikade ... singst du ... anstatt der zersprungenen Saite der Leier ... aaach ... aaach ... himmlisches Melos ... Trunk aus den Tränkrinnen ... zwischen den Sternen ... Seele des Glöckners. .. zwischen den Sternen ... Plötzlich erregt. gar nicht himmlisches Melos ... herumgelüdertes ... herumgesudeltes Melos ... durch alle Ziersalons ... und Spelunken ... und Selbstsuchtstempel ... hindurch gepeitscht ... jaaa ... den Horden muß man die Zeit der Seele nichtig und flüchtig vergaukeln ... das ist das ewige Feldgeschrei ... das ist das altgeheiligte Herkommen ... immer ... Plötzlich wild aufgeregt. ich will fort ... ich will los ... ich will aus der verfluchten Schikane entweichen ... Gewalttätig aufstürmend. hält ihn zurück. Ach ... still bist du ... Liebling ... widerwillig auf seinen Platz zurückgedrückt. Hat das Feuer Grenzen ... hat einer schon den funkelnden Lichtschatz all der neuen Weltmorgen ausgemessen ... ist der Mensch nicht unendlicher Ausblick ... ich breche die ganze Versumpfung hinter euch ab ... auf meinen Tönen reiße ich euch hinaus ... nicht mit gefälligen ... behandschuhten ... sanften Gesängen ... ich mache euch euer faulendes Beingerippe vergessen ... mit Löwenbrüllen ... mit Löwenbrüllen ... treibe ich euch in die Vogelschau Gottes hinein ... Starrt die Zigeunerin böse an. scher dich mit deinem verliebten Gesäusel ... laß mich dämmern ... die Zeit überholt dich ... wütend. Ach ach ach ach ... sehnst dich wuhl nach deine Lieblingsschüler ... Lacht grell. sulch ein Knabenhafter ... sull Suhn zu die betrogene Mutter holen ... dieser Schlingel ... infamer ... kaum siebzehnjährig ... bleibt auch schun quetschen ... und huren wumöglich ... greift auch schun nach Schirzen ... erbricht auf Diele ... vielleicht wird er längst in der Gosse liegen ... visionär vor sich hin. Dumpf und mächtig. Schweigen ... schweigen ... entrückte Klänge ... Taktierend. 3. Szene Dritte Szene Der Seminarist erscheint. Die bunte Mütze lotterig auf dem Kopfe. Bleibt stier stehen. Den Meister anglotzend. Taktiert mit. erstarrt, ihm einen Schritt näher rückend. Die Schuhe erst aus ... unhörbar für dich ist die höchste Musik ... Schüler ... Phantast ... Ehrfurcht will ich ... Plötzlich ganz ordinär. mach mir keen Schmus vor ... Er schlägt ihm eine Ohrfeige. hier springt die heilige Quelle ... lachend. Hier springt die heilige Quelle ... lachend. Da hust du die heilige Quelle ... du griiner Laffe ... hust dich wuhl mit der frechen Kellnerin rumgedrickt ... hust wuhl das Unmaß von des Meister Gnadenspende glicklich wieder herausgegeben ... schlimm genug, daß du sulchen Unband zum Meister hust ... Herr Domorganist ... wir wollten doch Hand in Hand wie zwei gute Kinder zu Muttern laufen ... wer hat uns in dieses Grabgewölbe gebracht ... wo blieb denn die Mutter ... wo blieb denn der reinliche Sonntagstisch ... Er lacht. wo blieb denn das liebliche Sonntagskind, das Ihrer wartet ... wer sieht noch mich an ... Sie sind der Dämon ... Sie der Verführer ... Sie haben neu Ihr Gelübde gebrochen ... Er lacht. Gelübde ... Lachend. Gelübde ... die Welt voll Gelübde ... Der Seminarist hat den Domorganisten angestarrt. Dann läuft er schnurstracks auf den Stuhl, wo er weint und schluchzt. Heulen und zähneklappern ... das tun die Jünglinge noch ... sie wollen noch die steinerne Sphinx versöhnen ... erhebt sich. Trotzig plötzlich aufgereckt. Nein ... Meister ... Ihr habt mich dreist geschlagen ... ich heule doch nicht ... ich brauch noch nicht heulen ... ich werde meinen Weg schon finden ... wer so von seinen Zielen erfüllt ist ... ich kenne den Weg ... ich bin nicht zerknirscht ... ich brauche noch nicht auf Ahnengräbern Schwüre zu stammeln ... in den Staub will ich knieen ... wie Sie ... vor dem Fetisch ... Musik soll mein Ziel sein ... auf Tod und Leben will ich ihr dienen ... genau wie Sie ... Sie wissen sehr wohl, ich vermag schon manches ... meine geehrten Herren ... ich kann schon manches ... denken Sie nur an gestern vormittag ... an den Sonntagvormittag ... ich hätte die Totenmesse glänzend zu Ende geführt ... des Meisters Mutter und die allerlieblichste Braut haben zuerst geglaubt, ein Engel vom Himmel wär in der Not auf der Orgelbank des Meisters erschienen ... oh ... ich war wirklich erfüllt wie nie ... mein Leben hätte mir in dem Augenblicke gar nichts gegolten ... um des Meisters Ehre zu retten ... Leben und alles ... Genuß und wer weiß was ... lachend zum Meister. Du versaimst deine Gurten und Stricke ... grußer Meister ... er kummt dir schun iiber ... Der Seminarist geht plötzlich mit einem hochmütigen Sichabwenden zum Piano, das links am Pfeiler steht. Setzt sich und spielt von den sechs kleinen Variationen Beethovens in G-Dur das Thema, die erste und vierte Variation. Ohne Wiederholung. Die fünfte Variation mit Wiederholung. Huuh ... Sie horcht. oooh ... Sie klatscht in die Hände. huuh ... selig machst du mit deinem Getön ... aaach ... ganz sinnlos machen mich deine Klänge ... ich wullte die Welt jitzt neu umarmen ... spiele nicht weiter ... ich muß sunst heulen vur Glick ... die Engel kummen ... Sie hat die Hand plötzlich vor die Augen gelegt und schluchzt. nicht duch ... nicht duch ... spiele nicht weiter ... steht beiseite. Nimmt sich scheu den Kranz vom Kopfe. Sagt bebend. Ich begehre nicht Kränze des Ehrgeizes weiter ... Wirft den Kranz heimlich beiseite. Greift scheu nach Hut, Stock und Ränzel. Wendet sich heimlich zum Gehen. Der Seminarist reckt sich streng. Hört auf. Blickt sich um. Erhebt sich mit stolzer Gebärde. Und schreitet sicher und stolz hin und her. an der Tür scheu. Ich mag 's nicht mehr leben ... das Leben zerfleischt mich ... das spielt mir meine Komödie vor ... das will mir meine Gräber aufreißen ... mit meinem Bürger leben hab ich bezahlt. .. fort aus allem gierigen Menschengedränge ... nichts als vogelfrei will ich mehr sein ... von Gotte begehre ich meine Erhöhung ... Er stürmt hinaus. Ab. 4. Szene Vierte Szene dem Strolch nachblickend. Dann ganz nüchtern zum Seminaristen gewendet. Jetzt hast auch du die Erkenntnis wieder ... Der Seminarist starrt den Meister ebenso plötzlich wieder an. Du hast deinen Beethoven gut gespielt ... jetzt hast du dich auch wieder rein gebadet ... Himmelstimmen ... in seiner Brust ... fangen ... jetzt ... gehe heim ... gehe zur Mutter ... verjage vollends die Höllenfahrt ... schlafe dich stark ... für den neuen Morgen ... liege und ächze womöglich ... nach diesen Tönen ... von dieser Seelenflut eingewiegt ... ganz demütig, liest ihm die Worte vom Munde ab. Jawohl ... ich gehorche ... lieber Meister ... Und wenn die Mutter dich wütend anfährt ... laß dir 's gefallen ... streichle ja nur ihr Muttergesicht ... küsse die lieben Mutterhände ... sage ganz zärtlich ... Mutter ... der Meister war mein Verführer ... auch er kann sich nie vor den Geistern der Sümpfe verwahren ... Heinrich ... geh heim ... verkriech dich in deine dürftige Bettstatt ... sink ein in die Gründe zu den Müttern ... aus denen wir immer als reine Kinder neu wiederkehren ... besinn dich nicht lange ... den Meister immer anstaunend. Jawohl ... ich gehorche ... oh lieber Meister ... ich brenne mit allen Sinnen jetzt ... wie soll ich diese Mächte beschwören ... mein Blut ist in Aufruhr ... Kein Wort mehr ... beschwichtigt ... ström deine Gewalten in deine Träume ... noch bist du Schüler ... noch bist du Knabe ... noch reden nur fremde Schöpfer aus dir ... noch nicht eigene Meere ... bezwinge dein Blut ... bis zum Selbererleben ... gesagt ... getan ... besinn dich nicht weiter ... ich bin nicht dein Vater ... ich bin dein Meister ... scheu und verlegen lächelnd. Plötzlich leidenschaftlich. Meister ... die Hände ... die nervigen Hände, die Töne schütten ... die Rechte ... die Linke ... Meister ... oh Meister ... lachend. Kindsköpfe ... sind ... die betrunkene Männer ... hat dem Meister beide Hände geküßt. Ist zur Tür gelaufen. Wendet sich wieder. Meister ... auch ich will mit aller Gewalt und Hingabe Musiker sein ... mich hinwerfen vor dem Gotte, der »Ja ja« sagt ... vor dem Gotte, der aufbaut ... vor dem Gott der Erfüllung ... vor dem Gott der Musik ... hoffen Sie für mich ... gleichgültig. Hoffen ... gar nicht ... glauben, wer tut ... ich glaube, Knabe ... reckt sich hoch. Sieht sich um. Inbrünstig. Sie glauben und tun ... ich glaube ... und tue ... Ab. 5. Szene Fünfte Szene ganz in sich eingesponnen. Wieder in der Nische auf der Bank sitzend. Ich glaube, wer tut ... Er greift in die Brusttasche. Zieht sein Portefeuille heraus. Gold, wenn du Gold willst ... Er reicht ihr das Portefeuille. hat es zuerst gierig ergriffen. Will darin kramen. Gib 's deiner Sippe ... die hut es auch nötig ... huchmiitiger Kerl du ... ich mag nicht ... ich mag nicht ... Sie hat es auf den Tisch geworfen. Liederjahn bist du ... Verschwender bist du ... Plötzlich wie umgewandelt. Brünstig. oh grußes Herz ... oh, Musiker bist du ... ich verstieh mich auf Zeichen ... Zigeinerweib weiß das ... Magier bist du ... ich liebe dich, Meister ... Sie küßt ihm einschmeichelnd die Hände. ich liebe dich, Meister ... sie abstreifend. Nein nein nein nein ... zu deinem Wagen zurück ... jede neue Minute ist gähnende Leere ... du füllst nicht die Leere ... Mit nackte Frösche sull sie sich fillen ... gemeiner Kerl du ... eine Kreuzutter sull in dein Bette kriechen ... alter Plumpsack ... gib das Guld her ... Sie stürzt auf das Portefeuille auf dem Tisch zu. Guld will ich haben ... Guld ist auch Leben ... nur nicht zu kleines ... ich nehme Funfzig ... jaa ... staune nur ... Dummkupp ... Nimm, was du willst ... Sie gibt ihm das Portefeuille zurück. Er ergreift es. Hundert ... nimm alles ... Er wirft ihr das Portefeuille vor die Füße. kein irdisches Wort mehr ... fort jetzt das Fremde ... wehleidig. Meine Mutter hutte auch Geburtsschmerzen ... su wie deine ... als ich in diese verfluchte Welt kam ... nicht Ameise bist du ... Laus nicht einmal ... Plötzlich hastet sie nach dem Portefeuille auf der Diele. Greift es und birgt es. Schaut scheu nach dem Domorganisten. wie er nur glotzt mit die gläserne Augen ... der Kerl wirft Zauber ... er würgt mich wumöglich ... dieses Luder ... Sie drückt sich hinaus. Ab. 6. Szene Sechste Szene in sich grabend. Das Weinglas mit der Faust umklammernd. Hier ... sitze ich ... noch immer ... das ist noch der Ort jetzt ... auf dieser Bank jetzt ... das ist noch der irdische Leib jetzt ... in diesem Verliese eingemauert ... und wenn ich die Augen jetzt vollends schließe ... sinke ich in die eigene Gruft ... Er hat die Augen geschlossen. Lacht plötzlich. meine eigene Nacht ... mein eigenes Himmelsgewölbe ... die Zeit geht jetzt stumm ... die Zeit überholt mich ... Er öffnet die Augen und macht eine hastige Geste, als wenn er in die Luft griffe. da ... steigt mein Stern ... Der Vorhang fällt. 4. Akt Personen Personen. Der Domorganist Die Mutter Georginel In der Werkstatt des Domorganisten. 1. Szene Erste Szene steht an der Orgelbank. Ein kleines, griechisches Lämpchen brennt vor ihr. Die Klavierlichter brennen. Die Bibel aufgeschlagen. Sie liest und spricht laut vor sich hin. »Fünf unter den Jungfrauen waren töricht ... fünf waren klug ... Sie lacht. die törichten nahmen ihre Lampen ... aber nahmen kein Öl mit ... die klugen nahmen Öl in ihren Gefäßen ... samt ihren Lampen ... da nun der Bräutigam warten ließ, wurden sie alle schläfrig ... und entschliefen« ... nein ... schläfrig mag ich nicht sein ... seine Schicksale darf man nicht verschlafen ... Sie lacht wieder. lüg doch nicht, Jungfrau ... einen Augenblick ist der Schlaf gekommen ... aber ein Traum hat mich gleich wieder aufgeschreckt ... Sie liest wieder. »und zur Mitternacht ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt ... da stunden die Jungfrauen alle auf und schmückten die Lampen ... und die törichten begehrten Öl von den klugen: gebt uns Öl, riefen sie ... und die klugen sprachen: nicht also ... auf daß nicht allen zugleich das Öl gebreche ... gehet zu den Krämern und kaufet euch Öl ... aber ehe sie hingingen, kam der Bräutigam ... und die bereit waren, gingen mit ihm zur Hochzeit ... und die Tür ward verschlossen« ... ja ja ... als die törichten Jungfrauen schließlich kamen ... und pochten ... und Auftun begehrten ... sprach der Seelenfreund: »ich kenne euch nicht« ... also bereit sein ... denn ihr wißt weder Tag noch Stunde ... und die Tür könnte schon verschlossen sein ... und der Erwartete könnte zu euch sagen: »ich kenne euch nicht« ... Sie blickt sich im Zimmer um. noch immer Totenruhe ... wie wird er kommen ... ich harre des Bräutigams ... wenn man so horcht, singen ganz leise die Saiten im Flügel ... die Flöten der Orgel ... die toten Dinge, die auch auf ihn warten ... daß er sie wecke ... Sie geht an die Tiefentür. Öffnet sie ganz behutsam. Blickt eine Weile hinein. Es ist auch drinnen Licht. 2. Szene Zweite Szene barsch. Um diesen Liederjahn werd ich mich nicht um allen Schlafbringen vollends ... wie spät denn ... ich bin ein altes Weib ... brauch meinen Schlaf ... brauche die seligen Augenblicke im Arm meines Gottes ... was ist denn ... kommt Josua ... Nein, Mutter ... bleib doch nur auf dem Sofa liegen ... ich denke, du bist zu Bett gegangen ... tritt aus der Tiefentür heraus. Ich geh auch zu Bett jetzt ... unsinniges Zeug hat mich hin und her gejagt ... auf dem dummen Sofa ... man liegt gar nicht schlafen ... rein nur in Ohnmacht ... die einen erfaßt, wenn man wartet und duldet ... ach Gott ... wer weiß, was für Geister schon gleich am Kindsbette standen ... sich schon am Mutterbette um den Neugeborenen gerissen ... damit sie ihn führen ... anstatt der Mutter ... damit sie ihm den Unglücksweg zeigen ... dem geliebten Kinde ... Geheimnis flechten ... die Mutter steht hilflos ... kann immer nur staunen ... unschuldig bin ich an diesem Verhängnis ... eine Mutter hat gar keine Macht ... ich mag auch nicht ewig nur schelten und seufzen ... Schlaf will ich jetzt ... ich dächte, du gingst jetzt auch zu Bette ... Muttel ... du siehst noch immer wie die geisternde Schwermut aus ... du mußt jetzt allen Kummer vergessen ... Vergiß nur den Kummer ... Muttel ... ich mag keine törichte Jungfrau sein ... Das verstehe ich nicht ... Sie geht ans Fenster und schiebt die Vorhänge weg. es ist doch längst Mitternacht durch ... es ist doch ganz nutzlos ... auch wenn du noch wartest ... in sich gebunden. Mutter ... das war ein Tag ... und ist eine Nacht ... die macht Kinder zu Greisen ... die möchte auch meine braunen Haare schneeweiß färben ... nicht ... siehe ... Mutter ... habe ich Runzeln im Angesicht ... sind meine braunen Haare schneeweiß geworden ... nein ... wie er auch kommen mag ... aus Hölle und Abgrund ... Du bist wie verzückt ... Mutter ... ich fühle jetzt gar keinen Kummer mehr ... starrt Georginel an. Du ... schön, wer's so kann ... gutes Ding ... herrlich, wenn die Jugend das Erdenleben mit allen Blößen und Schmerzen noch immer meistert ... herrlich, wie deine jungen Blicke sich neu aufschließen ... einen Moment plötzlich weinend. Muttel ... gelt nein ... die Qual hat mir meine Haare nicht bleich gemacht ... hat mir keine Runzeln in mein Gesicht gegraben ... ich sehe noch immer schön und jung aus ... nicht, Mutter ... daß ich ihn verlocke ... der Tag und die Nacht hat mich heimlich ganz in die Glorie Klarheit hinein gehoben ... streichelt sie. Schön, wer das sagen kann ... liebes Kind ... inbrünstig. Kleines Muttel ... glaub es ... ich kann es ... wie er auch kommen mag ... aus Hölle und Abgrund ... nicht Musik ist in der sehnenden Brust ... kein Meer von Tönen, wie Josua sagt ... ein Meer von Gefühl will seine Lüste und Leiden einhüllen ... sie anstaunend. Du verscheuchst meine Wut ... nach diesem heillosen, leeren, zerrütteten Tag ... nach diesem Festtag voll Hohn ... ach ... nach dieser Schmach seines Feiertages wieder Tag und Nacht zu versumpfen ... Sie zwingt sich zur Ruhe. na ... hüll seine Lüste und Leiden ein ... jetzt gehe ich schlafen ... hülle mich auch ein ... durch deine Herzleuchte seltsam erhellt ... aber morgen werd ich ihm die Mutterliebe aufkündigen ... das verlaß dich ... weißt du, was ich eben träumte ... Ach träumen ... dabei spricht die dumpfe Welt zuviel mit ... wach und klar bin ich jetzt ... Gar nicht sprach die wirre Welt mit ... der Traum wollte meine zornige Art auch nur dämpfen ... denk dir ... da kommt wie ein dunkler Schattenriß gegen weißes Lichtergefunkel vor einem Bahnhof ... ein klappriger Schimmel ... eine zerschläterte Droschke ... der Kutscher hatte schon viel Gesindel gefahren ... und steigt auch ein Kerl aus ... nicht nur ein Liederjahn oder Nachtbruder etwa ... oder Säufer und Hurer ... einer, dem die Haare zu Berge stehn ... von Furien geprescht ... springt aus der Droschke ... kriecht wieder 'nein ... will das Mordpaket von dem Rücksitze greifen ... stößt es zurück ... nimmt es neu in die Arme ... stürzt unbezahlt fort ... du ... ich stehe ... und zittere ... und sehe plötzlich ... auf dem Bocke der Alte ist Gott ... der Heiland ... der Herr Jesus Christus ... der lächelt ... hat dem Mörder richtig zur Flucht verholfen mit seiner Mähre ... jetzt gehe ich aber ... sonst kommt mir der Sohn doch noch über den Hals ... in seinem erbärmlichen Zustand ... und ich will jetzt schlafen ... ich mag diese Nacht nicht mehr wütend werden ... Georginel lacht in sich. kehrt sich noch einmal zurück. Fast eine andre bist du in diesen Stunden geworden ... gehe nur auch jetzt ... und leg dich ... und Gott sei allen Sündern gnädig ... Sie lacht. guten Morgen kann man bald sagen ... laß es noch Nacht sein ... daß wir ruhen ... gute Nacht, liebes Kind ... Gute Nacht, gutes Muttel ... Plagen machen ein demütig Herz ... ob man will, oder nicht ... Geduld muß man üben ... ihr nachblickend. Gute Nacht, gutes Muttel ... Mutter in die Tiefe ab. 3. Szene Dritte Szene steht unschlüssig da. Geht unter den folgenden Worten bis an den Orgeltritt. Vor sich hin lächelnd. Gewiß ... Tag und Nacht hat die Qual mich zerrissen ... habe ich geheult wie ein kleines, geschlagenes Hundel ... nach meinem verlorenen Seelenfreunde ... war ich eine hilflose, alberne, dumme Gans ... die in die gepeinigte Mutter hinein schnatterte ewig ... auch wütend womöglich ... die Nacht hat mich plötzlich laut gerufen ... ich wache jetzt hell ... ich will meine Lampe schon schmücken für ihn ... wie rätselgebunden er kommen mag ... verwandelt ... verwahrlost ... unkenntlich allen ... nur mir erkenntlich ... du glaubst es wohl nicht ... Plötzlich wie erschrocken. du ... 4. Szene Vierte Szene Das armselige, junge Zigeunerweib hell wie in einem Lichtring, wieder mit dem Kinde im Rückentuche, steht wie aus der Wand getreten vor ihr. lacht hell. Ahmt die Sprache der Zigeunerin nach. Luß dir wahrsagen ... scheenes Frailein ... man erjagt es niemals ... und lebt und lebt ... und fühlt kaum was Leben ... ich ... ich fühle die süße Umstrickung ... ich will leben ... ich will helfen und tun ... ich will Schmach und Schmerzen in meine Trauertücher verhüllen mit Demut ... soll ich murren ... und grausam sein ... soll ich sagen: nein nein ... und immer so weiter ... soll ich meinen Seelenfreund verleugnen ... soll ich seine Schmach schmähen ... soll ich ... heilige Mutter ... du kennst all Geheimnis ... heilige Mutter ... bitte ... plaudere mir das Geheimnis des Weibes aus ... deiner Magd Seele ist wie ein gähnender Brunnen ... gieße dein letztes Geheimnis in meine Leere aus ... Mutter ... junge Mutter ... was trägst du in deinem Tuche geborgen ... nimmt das Kind aus ihrem Tuche und redet. Die Welt ist hart ... die Erde aus Steinen ... die Menschen aus Staub ... flüchtig ist der Menschen Bestimmung ... ewig ist die verklärte Gestalt ... Die Vision ist ebenso plötzlich verschwunden. wie geblendet. Gott ... daß sie fort ist ... schade ... Luftbild war es ... muß jetzt das Rätsel weiter leben ... es schließt wer die Haustür ... der Bräutigam kommt jetzt ... wie wird er kommen ... ich bebe jetzt dem Bräutigam entgegen ... Man hört Schlüsselschließen. Tritte auf der Treppe. Georginel hüllt sich fröstelnd ins Tuch. die Lampe hat Öl ... die Flamme brennt sicher ... Setzt sich auf den Orgeltritt nieder. Hüllt auch ihr Gesicht ins Tuch ein. 5. Szene Fünfte Szene kommt. Verbohrt. Stumm. Hastig. Innerlich. Nimmt Notenblätter vor. Spricht stoßweise. Alles ... alles ... muß im Blute angreifen ... nicht an den Händen ... alles ... muß in der eigensten Höhle angreifen ... nicht bloß draußen ... unter den Fenstern ... Starrt auf das vorbereitete Notenblatt. ja doch ... Geduld, Blut ... ich komme ... ich bin schon da ... laß es Aufruhr sein ... laß die Monde an zehn Himmeln zerspringen ... einstürzen ... alles, was draußen lebt ... die Sterne einstürzen ... toll durcheinander ... wie satanischer Spielkram ... durch Urfinsternisse ... laß ganze Horden und Schwärme sich jagen ... Urnacht ist immer ... Chaos ist immer ... jedes einsame, einzelne Ding und Wesen ... muß hindurch ... oh du Jammergeburt ... heraus aus dem Chaos ... hoch ... im scharlachnen Glanzkleid ... du König »Mensch« ... Geißeln und Schwerter peitschen genug ... da ... Er schreibt beständig. sausen und gellen genug ... juchheet nur ... mindestens zwanzig Celli im Untergrunde, wenn Posaunen und Trompeten juchheen und zetern ... Lacht. die Flöten quieken wie eine Herde vom Teufel besessener, schwarzer Schweine ... Geigen ... nur Geigen heran ... nur Geigen heran ... Ganz leise. leise Stimmen ... aus den Gegenden, wo im Weltall Gott seine Zuflucht im Licht hat ... jaaa ... Urnacht ist immer ... Er schreibt leidenschaftlich. Chaos ... ungeheuerliche Verfinsterungen ... wer kann die Furchtbarkeit dieser Finsternisse von Plagen durchdringen ... diese eklen Mücken- und Fliegenschwärme ... Wanzen ... Läuse ... wer kann es ... aufwärts ... aufwärts ... ungeheuerliche Verfinsterungen ... was bin ich ... doch nur ein Domorganist ... Hetzend. habe nur Tasten ... Posaunen und Schreie ... Lacht. wie soll ich die Herde Säue zum Tanzen bringen ... wie soll ich die wiebelnden Haufen beschwören ... bin einzeln ... und wund ... und geschlagen ... man klappert vor Frost ... Er hält inne und besieht das Geschriebene. Leise. staune ... Lacht. der Tag der Buße ist wieder verglommen ... Georginel enthüllt sich langsam. Gespannt horchend. Völlig bestürzt. völlig in sich. Singt und murrt während des Schreibens. Schlägt den Rhythmus mit Fuß oder Faust. Urnacht ... achhei ... Urnacht ... juchheet nur ... Dämone ... im Blute ... neieiein ... ich versinke noch nicht ... Er schreibt wieder hastig. kann nicht hin durch ... kann nicht zu Gott ... kann nicht aufwärts ... die Aufgabe ist ja riesenmäßig ... Jahrtausende ringt der Mensch ... ich muß ... ich muß ... dennoch ... dennoch ... ein Lichtstreif ... ganz ferne ... juchheet nur ... wiehert nur ... pfeift nur ... ich muß ... ich muß ... es gelingt jetzt ... die Urnacht wird dünner ... Wehelaute ... rasende, heulende Wehelaute ... ich muß ... ich muß ... Geigen ... immer mehr feine Geigen ... immer mehr feine Geigen ... träufelnde Harfentöne ... immer mehr hell träufelnde Harfentöne ... von weither ... aus den Gegenden, wo im Weltall Gott seine Zuflucht im Licht hat ... wo der Hirte der Goldwolken auf einsamem Felsen im Lichte über den Räumen ragt ... in den Weltgrund hinein träumt ... Herden von Goldwolken weiden ... oooh ... wo ist das Land ... Schalmeien ... Schalmeien ... Morgenstimmen ... leiser Jubel der Morgenstimmen ... oooh ... wie begreif ich das Lied ... wenn die Urnacht schwindet ... schwindet ... sie schwindet ... verhallt ... Urnacht verhallt ... alle Plagen der Erde vergrollen ... die Pauken verdröhnen ... gewaltig ... wie dumpfe Mörser ... die Posaunen zerbrechen ... die Trommeln murren nur noch ... die Hoboen versummen ... wie Hummeln im Sommerwinde ... in Düften von Klee ... Kindlein ... am Wiesenrain säuseln und kichern ... hat sich immer höher erhoben. Immer glückseliger starrend. Leise für sich. Jetzt singt auch mein Blut ... noch völlig im Schaffensfieber. Ganz leise. Das Geschriebene betrachtend. Und strömst du nicht doch aus meinen vergänglichen Freveln und Schanden ... da ... eine singende Menschenstimme ... oooh ... oooh ... oooh ... du ... einzelne ... einsame ... singende Menschenstimme ... du ... Menschenfrühling ... glückselige Zärtlichkeit ... der Unschuld Gelächter ... du süße Lockung ... dein Name ist Weib ... ewig zum Opfer geschmückt ... du Wächterin über Fieberschlummer ... du trotziges Vertrauen auf das Vergängliche ... du Löwenmut in Todesgefahr ... jetzt ... jetzt ... halle dein Trostlied ... Starr plötzlich in die Schrift hinein sinnend. das wird jetzt ... von allen Tönen der Wehmut umkränzt und durchsilbert ... ja ... Wieder schreibend. aus dem stinkenden Dungreiche meines Ackers steigt jetzt ein neues Werk auf ... aus allen Martern ... aus allen Sehnsüchten meiner Seele entkreißt neues Werk ... ruft ... jauchzt ... jetzt wird göttliche Durchsichtigkeit ... heller ... noch heller ... jetzt aufblüht schier unmögliche Güte ... Sonne ... Sonne ... Sonne ... steigt ... steigt ... Wölfe ... Antilopen ... Kamele ... Hyänen ... Schafe ... die Völkerhorden ... die Kreaturen ... grüßen schreiend zur Sonne hin ... Bedächtig. die Löwen brüllen wie die Glocken der Münster ... ha ... das ist der Schlußchor ... jaaa ... jaaa ... jaaa ... ha ... wenn zum ersten Male die neuen Gewalten ertönen ... Immer hastiger. ich schwitze über und über ... die Glieder schlagen mir förmlich vor Angst ... ich muß das Unmögliche greifen ... oooh ... daß ich diese Gewalten nur einmal halte ... für ewig ... dieses Einmal ... dieses Einmal ... Er lacht wieder. nur einmal ist jeder Mensch geboren ... ein andermal wird man 's nit zulassen ... Er wirft Blätter beiseite. Ein Blatt fällt zu Boden. entflattere ... in die Mühsal der Welt ... Er lacht wieder. eine ganze Götterpracht potentatischer Töne soll jetzt aus meinem Blute entflattern ... lösen die Mühsal der Welt ... tönen ... tönen ... lösen die Mühsal der Welt ... jubilieren ... jubilieren ... das ist der Schlußchor ... ha ... ha ... ha ... jaaaa ... jaaaa ... jaaaa ... jaaaa ... jaaaa ... Er schreibt wie irrsinnig. Dann leise. Amen ... Amen ... Sich immer steigernd. Amen ... Er starrt auf das Geschriebene. basta ... basta ... Er schleudert die Feder auf den Boden. basta ... Er ist ganz in sich. Starrt tief in das Geschriebene. Will sich aufrecken. Blickt wieder zurück. Tut vor sich hinlachend einen Schritt. Setzt sich an den Flügel. Legt die Hände auf die Klaviatur. Lacht stumm. Sinkt in sich. Blickt gen Himmel. Ganz leise. vor über ... vorüber ... Ruhe ... komme, Ruhe ... das Blut flattert und zuckt noch ... Pause. Plötzlich zärtlich rufend. Mutter ... Vor sich hin. hundertmal hat mir die Mutter vergeben ... hunderttausendmal wird mir die Mutter vergeben ... fort die Zerrüttung ... irdisches Dasein ... irdische Nacht ... irdische Einsamkeit ... irdische Enge ... sich behutsam zuneigend, gleichsam um besser zu hören. Ohne sich im übrigen zu rühren. Mit weiten Augen lachend. Dazu brennt der Liebe Goldlicht ... vor sich gebeugt. Ohne Acht. Ooooh ... Gorginel ... Menschenfrühling ... ewig zum Opfer geschmückt ... Heimat der Wärme ... Georginel hat sich während seiner Worte, von innerem Vergnügen erfüllt, wie frierend vor Freude, die Arme ineinander pressend, das Tuch fest um die Schultern gezogen. Plötzlich tritt Tiefdunkel ein. Wenn das Dunkel schwindet, hört man wie ferne Sturmstimmen heulen und brausen. In Wolken ragend hebt sich eine goldene Riesenorgel, etwas zur Linken, von Sonne beleuchtet, aus dem Dunkel heraus. Der Domorganist davor sitzend. Starr und vertieft in sich. Auf den Notenhalter gebeugt. Die Hände ganz ruhig auf den Tasten. In sich horchend. Unterdessen die Orgel geisterhaft und fern immer reicher in die Sturmstimmen hineintönt. Köpfe im Dunkelraume vorbeijagen. Einzeln und in Scharen. Mensch, Tier, Chimären, Fratzen, Teufel. im Raum eindringlich rufend. Josua ... Meister ... Jubiliere ... jubiliere ... Frage nach keiner Erdenstimme ... durcheinander. Jubiliere ... jubiliere ... Die Abgründe sind weit aufgetan ... Jubiliere ... jubiliere ... Der Domorganist stöhnt auf. vorbeiziehend. Kühn sei ... kühn sei ... Wenn der Weltwind aus den Abgründen bläst ... Kühn sei ... kühn sei ... Jubiliere ... jubiliere ... Oooh ... wär ich berufen ... vorüberjauchzend. Hell. Der Abgründe Harfe zu schlagen ... Zu blasen des großen Morgens helle Posaunen ... Musiker du ... Magier du ... plötzlich die Augen erhebend. Leidenschaftlich. Gib ... gib ... gib ... Jauchzendes Blut in verdorrtes Gebein ... Tönen ... schütte blühendes Tönen aus deinen Händen ... Gib Gewißheit ... Gib Gewißheit ... Gib Lobgesänge ... Gib Lobgesänge ... gib Lobgesänge ... Die Erscheinungen versinken dabei immer mehr ins Dunkel. Noch der Domorganist sichtbar. Dann nur die goldene Riesenorgel. Deren Ton immer ferner und ferner einsinkt. ruft aus den jagenden Dunkelwolken ganz hell und freudig. Und ob du gleich wanderst im finsteren Tal ... Der Vorhang fällt.